Oktober 2007 - Arbeit und Gesundheit

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6 | ARBEIT UND GESUNDHEIT Heben und Tragen Pack’s leich Viele Belastungen wie häufiges Heben und Tragen im Job gehen über die Jahre auf die Knochen. Die Folge sind arbeits bedingte Muskel- und Skeletter krankungen. Die „Europäische Woche 2007“ greift das Thema aus gutem Grund auf: Die Erkrank ungen betreffen viele Menschen und wären oft vermeidbar. Marianne Peukert arbeitet seit 17 Jahren in der Wäscherei eines großen deutschen Krankenhauses mit geregelten Arbeitszeiten in einem sicheren Job. Trotzdem war sie vor vier Jahren so weit, sich eine andere Arbeit zu suchen: Sie plagten ständig Schmerzen in Schultern, Knien und vor allem im Rücken. Die damals 41-Jährige wuchtete jeden Tag schwere Bündel trockener und nasser Wäsche. Ihr Arbeitsplatz und der Ablauf in der Wäscherei waren so ungünstig gestaltet, dass sie sich regelmäßig mit der nassen Wäsche nach vorn beugen musste und nur mit verdrehter Wirbelsäule die Last ablegen und sortieren konnte. Die Fehlbelastung über all die Jahre ihres Berufslebens beeinträchtigte nun massiv ihre Gesundheit. Die ICD-10, der im Gesundheitswesen benutzte „Katalog aller Krankheiten“, ordnet den Fall Peukert unter „M 54“ ein, der Diagnosegruppe für Rücken schmerz. Dessen Ursachen sind vielfältig: Neben „normalem“ altersbedingten Oktober 2007 Wer sich mit 20 Jahren dauerhaft falschen Belastungen aussetzt, merkt das meist erst mit 40 oder später. Machen Sie sich das Heben leicht Unter rein präventiven Gesichtspunkten gibt es für die Wirbel säule keine „falschen Bewegungen“, höchstens günstige oder ungünstige. Die Hebe- und Tragetechnik ist von individuellen körperlichen Voraussetzungen, aber auch von der Schwere und Größe der Gegenstände abhängig. Wer es mit schweren Lasten oder ständig zu wieder ho l enden Bewegungen zu tun hat, sollte die Tipps von Johann Kwon beherzigen. | Verschleiß und individuellen Risiko faktoren wie Übergewicht oder schlechtem Trainingszustand der Rückenmuskulatur lassen sich die Beschwerden auch auf Fehl belastungen bei der Arbeit zurückführen. Diese und weitere Symptome und Erkrankungen im Muskel- Skelett-System, die durch berufliche Einflüsse entstanden sind, fassen Arbeits - mediziner unter dem Begriff „arbeitsbedingte Muskel- und Skeletterkrankungen“ zusammen. Arthrosen und Rückenschmerzen als Folge jahrelanger Fehlbelastung Fast ein Viertel aller Beschäftigten in Europa leidet unter Rückenschmerzen. Die dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeitstage betragen allein in Deutschland rund 200 pro 1.000 Versicherte und Jahr; wegen Arthrosen – im Volksmund „abgenutzte Gelenke“ – fallen weitere zehn bis 20 Tage an. Kein Wunder, dass Erkrankungen des Muskel- Skelett-Systems nach dem Jahr 2000 nun zum zweiten Mal Aktionsthema der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sind. „Seit damals ist einiges in die Wege geleitet worden“, sagt Dr. Detlev Mohr, Direktor des Landesamts für Arbeitsschutz Potsdam. Beispielsweise sei die Prävention der Muskel-Skelett- Last vom Boden aufnehmen: Den Körper möglichst nah heranbringen und die Last versetzt greifen. In Schrittstellung und in die Hocke gehen, Rücken gerade halten.
ter an Erkrankungen als Hauptziel in der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) verankert. Dennoch werde es bis zur spürbaren Wirkung der Maßnahmen Jahre dauern. Unter dem Motto „Pack’s leichter an!“ informiert die Aktion „Europäische Woche 2007“ darüber, wie sich Fehlbelastungen am Arbeitsplatz durch ergonomische Gestaltung vermeiden oder zumindest verringern lassen. Zusätzlich will sie darauf aufmerksam machen, dass jeder Beschäftigte selbst den Erkrankungen entgegenwirken kann. So lässt sich beispielsweise der Schweregrad der meisten Muskel-Skelett-Erkrankungen mit einer lebenslang ausgewogenen Ernährung und ausreichender Bewegung mindern. Laut einer Umfrage zu Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union arbeiten aktuell noch rund 30 Prozent der Arbeitnehmer in Europa körperlich schwer. Sie sind besonders häufig von Arbeitsunfähigkeit durch Fehl- und Überbelastungen des Muskel-Skelett-Systems betroffen. So wie Ulrich Vellbeck, der seit seinem 17. Lebensjahr für einen bayerischen Mittelständler auf dem Bau arbeitet und vom Betongießen bis zum Fliesenlegen nahezu alles kann und macht. Seine Kniebeschwerden fingen schon mit Ende 20 an. Im Lauf der Jahre nahmen sie an Stärke und Dauer zu, bis sie schließlich chronisch wurden. Mit 50 musste er für zwei Jahre aus dem Beruf. Schmerzen und Funktionsstörungen schränken die Erwerbstätigkeit ein Typisch nennt Dr. Falk Liebers von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Berlin diesen Verlauf: „Wir sehen mit dem Alter einen extremen, kontinuierlichen Anstieg der Beschwerden – irgendwann Wer Knieprobleme hat und nicht so tief in die Hocke gehen kann, stellt sich über den Gegenstand und beugt sich leicht nach vorne. So tief in die Knie gehen, wie es möglich ist, den Rücken gerade halten, Bauchnabel einziehen, Rücken muskeln anspannen und gleichzeitig aus den Beinen und dem Oberkörper die Last anheben. ARBEIT UND GESUNDHEIT Wissen Arbeitsbedingte Muskel- und Skeletterkrankungen Darunter fällt ein breites Spektrum akuter und chronischer Erkrankungen, wobei Verschleißerscheinungen an Knochen und Gelenken überwiegen: Abnutzungen der Bandscheiben in der Lendenwirbelsäule durch das Tragen schwerer Lasten zählen ebenso dazu wie der Verschleiß der großen Gelenke – Arthrosen – und der Gelenkmenisken im Knie, Sehnenscheidenentzündungen und Schleimbeutelentzündungen. Auch unspezifische Beschwerden, beispielsweise durch wiederkehrende, gleiche Belastungen beim Tippen an Computerarbeitsplätzen sowie Schulter-Nacken-Beschwerden durch un günstige Sitzhaltungen werden hier eingeordnet. Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Knochen- und Gelenkschäden ist auf Einwirkung mechanischer Schwingungen durch handgehaltene oder mobile Arbeitsmaschinen zurückzuführen. In Deutschland führten die Arbeitstage, die durch Muskel-Skelett-Erkrank ungen verloren gingen, im Jahr 2004 zu Produktionsausfallkosten von rund 9,7 Milliarden Euro. können die Leute nicht mehr knien und nicht mehr heben.“ Das bestätigt die Statistik: Kommen wegen einer Arthrose des Kniegelenks bei erwerbstätigen Männern zwischen 15 und 25 Jahren nur 0,8 Arbeitsunfähigkeitsfälle pro 1.000 Versicherte zusammen, steigt diese Zahl für Männer zwischen 55 und 65 auf 22 Fälle – um fast das Dreißigfache. Bei Frauen sehen die Zahlen ähnlich aus. Wer sich mit 20 Jahren dauerhaft falschen Belastungen aussetzt, merkt das meist erst mit 40 oder später. „Diese degenerativen Muskel-Skelett-Erkrankungen haben einen langjährigen, chronischen Verlauf. Unabhängig von der eigentlichen Ursache sind die Patienten durch Schmerzen und Funktionsstörungen beeinträchtigt und können dann am Erwerbsleben nicht mehr oder nur noch eingeschränkt teilhaben. Dies betrifft insbesondere ältere Arbeitnehmer“, erklärt der Arbeitsmediziner Liebers. Weil es oft gering qualifizierte Arbeitnehmer sind, die schwere körperliche Arbeit verrichten, stehen gerade sie im Alter von 45 bis 50 vor großen Problemen: Wegen ihrer chronischen Schmerzen sind sie nicht mehr in der Lage, Gerüste Heben: Gewicht nahe am Körper auf Bauchhöhe bringen, schwere Gegenstände dabei auf einem Oberschenkel abstützen. Tragen: Gewicht nahe am Körper halten. Wer sich nicht schmut zig machen will, Jacke oder Schürze anziehen. Während des Tragens Schultern unten lassen, Bauchnabel einziehen und nicht zu weit nach hinten lehnen. Oktober 2007 | ARBEIT UND GESUNDHEIT | 7
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