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Rücken-/ Bauchmuskulatur - Pferd in Balance

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Besser reiten<br />

Neue Serie<br />

AUS DIESEN FOLGEN<br />

BESTEHT UNSERE SERIE:<br />

Kopf-/Halsmuskulatur<br />

Me<strong>in</strong> <strong>Pferd</strong> 11/2010<br />

Muskulatur der Vorhand<br />

Me<strong>in</strong> <strong>Pferd</strong> 12/2010<br />

<strong>Rücken</strong>-/<strong>Bauchmuskulatur</strong><br />

Me<strong>in</strong> <strong>Pferd</strong> 01/2011<br />

Muskulatur der H<strong>in</strong>terhand<br />

Me<strong>in</strong> <strong>Pferd</strong> 02/2011<br />

ersche<strong>in</strong>t am 18.01.2011<br />

Massage- und Dehnübungen<br />

Me<strong>in</strong> <strong>Pferd</strong> 03/2011<br />

ersche<strong>in</strong>t am 15.02.2011<br />

RÜCKEN- UND BAUCHMUSKELN<br />

DAS GLÜCK<br />

DIESER ERDE …<br />

… liegt auf dem <strong>Rücken</strong> der <strong>Pferd</strong>e. Dabei s<strong>in</strong>d gerade die Muskeln dieser Partie gar nicht zum<br />

Tragen von Lasten vorgesehen. Warum Sie trotzdem auf Ihrem <strong>Pferd</strong> Platz nehmen können<br />

Text: Kerst<strong>in</strong> Philipp | Fotos: Ilja van de Kasteele<br />

Die weißen Markierungen<br />

zeigen die Position des<br />

langen <strong>Rücken</strong>streckers, hier<br />

bei e<strong>in</strong>em Senkrücken<br />

Bei Menschen zählen <strong>Rücken</strong>probleme<br />

zu den häufigsten Gründen<br />

für Arbeitsausfälle. Auch<br />

viele Reitpferde werden oft von<br />

Schmerzen <strong>in</strong> dieser Körperpartie<br />

geplagt. Verspannte, druckempf<strong>in</strong>dliche<br />

und schmerzhafte <strong>Rücken</strong>muskeln<br />

können den Gesamtzustand des <strong>Pferd</strong>es<br />

maßgeblich bee<strong>in</strong>trächtigen. Verme<strong>in</strong>tliche<br />

Widersetzlichkeiten bis h<strong>in</strong> zu schweren<br />

Lahmheiten s<strong>in</strong>d die Folge. „<strong>Pferd</strong>e mit<br />

<strong>Rücken</strong>schmerzen s<strong>in</strong>d häufig ‚faul‘, ohne<br />

Bewegungsfreude, ‚zäh‘ und aufwendig zu<br />

treiben, und sie heben sich oft mit Kopf und<br />

Hals aus der Anlehnung an den Zügeln“,<br />

schildert Dressurreiter<strong>in</strong> Cor<strong>in</strong>na Lehmann<br />

aus Langenberg bei Gütersloh typische<br />

Anzeichen für <strong>Rücken</strong>probleme. „Es gibt<br />

auch ‚<strong>Rücken</strong>flüchter‘, die unter dem Reiter<br />

davonlaufen und auf diese Weise versuchen,<br />

dem Schmerz zu entfliehen.“<br />

Problem ist hausgemacht<br />

Neben krankheitsbed<strong>in</strong>gten Ursachen wie<br />

dem Kiss<strong>in</strong>g-Sp<strong>in</strong>es-Syndrom, bei dem sich<br />

zu eng stehende <strong>Rücken</strong>wirbel bei bestimmten<br />

Bewegungen berühren und Schmerzen<br />

auslösen, s<strong>in</strong>d die meisten <strong>Rücken</strong>probleme<br />

bei <strong>Pferd</strong>en jedoch hausgemacht. Cor<strong>in</strong>na<br />

Lehmann ist sich sicher: „Sitzfehler des Reiters,<br />

e<strong>in</strong> unpassender Sattel und e<strong>in</strong> falsches<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsverständnis s<strong>in</strong>d die häufi gsten Ursachen<br />

für <strong>Rücken</strong>probleme bei <strong>Pferd</strong>en.“<br />

Probleme entstehen immer dann, wenn die<br />

<strong>Rücken</strong>muskulatur gezwungen wird, Last aufzunehmen,<br />

denn dazu ist sie nicht vorgesehen.<br />

Die <strong>Rücken</strong>muskulatur hat ke<strong>in</strong>e Tragefunktion,<br />

sondern ist e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Bewegungsmuskulatur<br />

und maßgeblich für die Fortbewegung<br />

der Be<strong>in</strong>e zuständig (sogenannte <strong>Rücken</strong>tätigkeit).<br />

Zur Veranschaulichung gibt Cor<strong>in</strong>na<br />

Lehmann e<strong>in</strong> Beispiel: „Unsere Be<strong>in</strong>e können<br />

<strong>in</strong> ihrer Grundfunktion laufen, hüpfen, spr<strong>in</strong>gen.<br />

Halten Sie aber mal Ihr Be<strong>in</strong> hoch und<br />

den Oberschenkel waagerecht, und versuchen<br />

Sie, darauf e<strong>in</strong> Gewicht zu tragen. Ihre Muskelkraft<br />

wird schnell am Ende se<strong>in</strong>!“<br />

Bloß nicht verspannen<br />

Der wichtigste <strong>Rücken</strong>muskel des <strong>Pferd</strong>es<br />

ist der lange <strong>Rücken</strong>strecker (Longissimus<br />

dorsi). Er ist der längste Muskel im Körper<br />

und liegt paarweise l<strong>in</strong>ks und rechts an der<br />

Wirbelsäule. Vom Becken ausgehend bis<br />

zum siebten Halswirbel verb<strong>in</strong>det er die<br />

H<strong>in</strong>terhand mit der Vorhand. „Auf diesem<br />

Muskel liegt der Sattel“, erklärt Physiotherapeut<strong>in</strong><br />

und DIPO-<strong>Pferd</strong>eosteotherapeut<strong>in</strong><br />

Claudia Schleiermacher aus Baesweiler<br />

bei Aachen. „Wichtig ist, dass er entspannt<br />

ist und sich wechselseitig dehnen und zusammenziehen<br />

kann. E<strong>in</strong> schw<strong>in</strong>gender,<br />

losgelassener <strong>Rücken</strong> ist bei Verspannung<br />

dieses Muskels nicht möglich. Koord<strong>in</strong>ationsschwierigkeiten<br />

und Probleme <strong>in</strong><br />

22 www.me<strong>in</strong>-pferd.de 1/2011 1/2011 www.me<strong>in</strong>-pferd.de 23<br />

MP0111_22-27_Muskeln.<strong>in</strong>dd 22-23 30.11.2010 10:36:51 Uhr


Besser reiten<br />

Sitzt der Reiter ausbalanciert und gibt er fe<strong>in</strong> differenzierte Hilfen, wird im Galopp die <strong>Bauchmuskulatur</strong> des <strong>Pferd</strong>es optimal tra<strong>in</strong>iert<br />

der Längsbiegung können die Folge se<strong>in</strong>.“<br />

Verspannungen dieses Muskels lassen sich<br />

gut durch Trab-Galopp-Übergänge lösen.<br />

Auch Seitengänge wirken sich positiv aus,<br />

da sich hier abwechselnd e<strong>in</strong>e Seite entspannt<br />

und e<strong>in</strong>e Seite anspannt.<br />

„Neben se<strong>in</strong>er Funktion für die seitliche<br />

Biegung ist der lange <strong>Rücken</strong>strecker wesentlich<br />

für die Bewegung der H<strong>in</strong>terbe<strong>in</strong>e<br />

verantwortlich und hebt den Rumpf durch<br />

Oben: Der Schwerpunkt liegt zu weit h<strong>in</strong>ten.<br />

Unten: So müsste der Sattel liegen<br />

24 www.me<strong>in</strong>-pferd.de 1/2011<br />

beidseitiges Anspannen an, zum Beispiel<br />

beim Absprung vor e<strong>in</strong>em H<strong>in</strong>dernis“,<br />

beschreibt Claudia Schleiermacher die<br />

Funktionen des Muskels. „Außerdem kippt<br />

er im angespannten Zustand das Becken<br />

nach vorne.“ Und genau hier kommen die<br />

Bauchmuskeln <strong>in</strong>s Spiel. Sie stabilisieren<br />

das Becken und wirken dem Nach-vorne-<br />

Kippen entgegen. Erst so kann das <strong>Pferd</strong> mit<br />

der H<strong>in</strong>terhand weit untertreten und Schub<br />

entwickeln. Die Bauchmuskeln ziehen vom<br />

Brustbe<strong>in</strong> bis zum Schambe<strong>in</strong> und bilden so<br />

die untere Verspannung des Rumpfs. S<strong>in</strong>d<br />

sie zu schwach, hängt der <strong>Rücken</strong> durch;<br />

der Bauch ist meist rund und schlaff . Im<br />

Trab und Galopp sieht man ke<strong>in</strong>e Muskelanspannung,<br />

die sonst durch e<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>ie<br />

an der Bauchseite deutlich wird. „Um die<br />

Bauchmuskeln zu tra<strong>in</strong>ieren, ist es wichtig,<br />

immer das Tempo zu gehen, das das <strong>Pferd</strong><br />

braucht. Bei zu eiligem Tempo schaff en es<br />

die Bauchmuskeln nicht mehr, dem Nachvorne-<br />

Kippen des Beckens gegenzuhalten,<br />

und die H<strong>in</strong>terhand arbeitet nach h<strong>in</strong>ten<br />

heraus“, erklärt Claudia Schleiermacher.<br />

Wirbelsäule stabilisieren<br />

Neben dem langen <strong>Rücken</strong>strecker spielen<br />

auch die kle<strong>in</strong>en, kurzen Wirbelsäulenmuskeln<br />

(Multifi di) e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Sie verlaufen<br />

von Wirbel zu Wirbel und dienen der<br />

Fe<strong>in</strong>steuerung und Stabilisation der Wirbel-<br />

säule. Diese Muskeln reagieren besonders<br />

empfi ndlich, zum Beispiel auf Gewichtsverlagerungen<br />

des Reiters. Aber auch Überanstrengung<br />

oder e<strong>in</strong> schlecht sitzender Sattel<br />

wirken sich hier zuerst aus. Ist die Muskulatur<br />

verspannt, rücken die Wirbelgelenke näher<br />

zue<strong>in</strong>ander und s<strong>in</strong>d weniger beweglich.<br />

Zum Aufb au e<strong>in</strong>er starken <strong>Rücken</strong>muskulatur<br />

muss diese also <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie vor äußeren<br />

E<strong>in</strong>fl üssen wie Satteldruck oder Druck<br />

vom Reiter geschützt werden, damit sie sich<br />

E<strong>in</strong> korrekter Sitz ist Voraussetzung<br />

Foto: Stefan Schaum. Grafi ken: Bauste<strong>in</strong>e Dressurreiten - Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswege Schritt für Schritt, Müller Rüschlikon, erstellt von: Cor<strong>in</strong>na Lehmann, Heike Bonk, Claudia Placzek<br />

E<strong>in</strong>fache Dehnung<br />

In diesem Fall macht das <strong>Pferd</strong> den Hals<br />

lang und streckt ihn deutlich nach vorn<br />

frei bewegen und so tra<strong>in</strong>iert werden kann.<br />

Gerade der empfi ndliche Lendenwirbelbereich<br />

verträgt ke<strong>in</strong>en Druck. Hier dürfen der<br />

Sattel und das Reitergewicht nie liegen!<br />

Zur Entlastung der Muskulatur hat die Natur<br />

dem <strong>Pferd</strong> aber auch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Stütze mitgegeben<br />

– das Nacken-<strong>Rücken</strong>-Band.<br />

Wie auf e<strong>in</strong>er Wäschele<strong>in</strong>e<br />

Es reicht vom H<strong>in</strong>terhauptbe<strong>in</strong> (der Verb<strong>in</strong>dung<br />

von Kopf und Hals) über den <strong>Rücken</strong><br />

bis zum Kreuzbe<strong>in</strong>. In Dehnungshaltung<br />

richtet es die Wirbel des Widerristes auf und<br />

hebt den <strong>Rücken</strong> an. „Die Körperteile werden<br />

vom Band wie auf e<strong>in</strong>er Wäsche le<strong>in</strong>e<br />

gehalten, so dass das <strong>Pferd</strong> zum Beispiel<br />

stundenlang entspannt grasen kann, ohne<br />

zu ermüden“, erklärt Cor<strong>in</strong>na Lehmann. „Im<br />

Dressurtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g werden die Muskeln dadurch<br />

<strong>in</strong> der Dehnungshaltung frei getragen für<br />

den eff ektiven Aufb au durch Bewegungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g.“<br />

E<strong>in</strong> gut gerittenes <strong>Pferd</strong> trägt se<strong>in</strong>en<br />

Reiter fast ohne Muskelkraft nur über dieses<br />

Bandsystem. Wird e<strong>in</strong> <strong>Pferd</strong> dagegen zu früh<br />

<strong>in</strong> Aufrichtung geritten, verliert das Nacken-<br />

<strong>Rücken</strong>-Band se<strong>in</strong>e Spannung, und das <strong>Pferd</strong><br />

muss vermehrt Muskelkraft e<strong>in</strong>setzen.<br />

Um im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g die anatomischen Gegebenheiten<br />

des <strong>Pferd</strong>ekörpers ausreichend zu berücksichtigen,<br />

wird unterschieden zwischen<br />

Muskelaufb au und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit erworbener<br />

Muskulatur. Der Aufb au erfolgt über<br />

die korrekte Dehnungshaltung. Der lange<br />

<strong>Rücken</strong>strecker lässt sich so gut lockern.<br />

UNSERE EXPERTIN<br />

Claudia Schleiermacher<br />

ist als Human- und <strong>Pferd</strong>ephysiotherapeut<strong>in</strong><br />

(FN) sowie<br />

DIPO-<strong>Pferd</strong>eosteotherapeut<strong>in</strong><br />

Expert<strong>in</strong> für den richtigen<br />

Muskelaufbau bei <strong>Pferd</strong> und<br />

Mensch. Im Jahr 2007 gründete<br />

sie ihre eigene Firma:<br />

www.pferd-<strong>in</strong>-balance.de<br />

Qualifi zierte Dehnung<br />

Das klassische Vorwärts-Abwärts mit<br />

tieferem Kopf und runderem Hals<br />

Allerd<strong>in</strong>gs nur, wenn e<strong>in</strong>e aktive H<strong>in</strong>terhand<br />

den Muskel eff ektiv von h<strong>in</strong>ten dehnt. Die<br />

Dehnungshaltung reicht von der e<strong>in</strong>fachen<br />

Dehnungshaltung mit langem Hals, der<br />

deutlich nach vorne gestreckt wird, bis zur<br />

qualifi zierten Dehnungshaltung im klassischen<br />

Vorwärts-Abwärts mit tieferem Kopf<br />

und runderem Hals. „Viele Reiter versuchen<br />

jedoch, ihr <strong>Pferd</strong> zu voreilig rund und kurz<br />

zu machen und mit den Zügeln e<strong>in</strong>e missverstandene<br />

<strong>Rücken</strong>aufwölbung herzustellen“,<br />

beschreibt Cor<strong>in</strong>na Lehmann e<strong>in</strong>en<br />

häufi gen Fehler.<br />

Erst die weiterführende Dressurarbeit mit<br />

den erworbenen Muskeln führt nach und<br />

nach zu e<strong>in</strong>em veränderten Gesamtbild des<br />

<strong>Pferd</strong>es, das sich <strong>in</strong> Kopf und Hals runder<br />

und geschlossener zwischen den Zügel- und<br />

Schenkelhilfen des Reiters zeigt. Jetzt soll<br />

sich das <strong>Pferd</strong> auch im Widerristbereich<br />

vermehrt heben. Dazu muss die <strong>Bauchmuskulatur</strong><br />

zunehmend als Gegenspieler zum<br />

<strong>Rücken</strong> aktiviert werden. „Am stehenden<br />

<strong>Pferd</strong> kann man die Aufwölbung des Widerristes<br />

mit den Bauchmuskeln sehen, wenn<br />

E<strong>in</strong>fache Dehnungshaltung im Schritt<br />

Rückwärtsrichten wölbt den <strong>Rücken</strong> schön auf<br />

man unter dem Bauch <strong>in</strong> der Gurtlage mit<br />

den F<strong>in</strong>gern e<strong>in</strong>en manuellen Reiz auslöst“,<br />

erklärt Cor<strong>in</strong>na Lehmann. „Dies auch beim<br />

Reiten zu schaff en bedarf e<strong>in</strong>er genauen<br />

E<strong>in</strong>wirkung, wobei refl exauslösende Impulse<br />

mit dem Sporn s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong> können.“<br />

Damit das <strong>Pferd</strong> dafür sensibel bleibe, sei<br />

es wichtig, dass als erstes Hilfsmittel zum<br />

Treiben immer erst die Gerte genutzt werde<br />

und erst im weiterführenden Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g die<br />

<strong>in</strong>telligent benutzten Sporen.<br />

Sitz muss sich ständig ändern<br />

„Der gelungene Aufb au der <strong>Rücken</strong>muskulatur<br />

scheitert <strong>in</strong> den meisten Fällen jedoch<br />

alle<strong>in</strong> an schwerwiegenden Missverständnissen<br />

h<strong>in</strong>sichtlich Sitz und E<strong>in</strong>wirkung“, stellt<br />

Cor<strong>in</strong>na Lehmann fest. „Oft wird von vornhere<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> und demselben ‚richtigen‘ Sitz<br />

tra<strong>in</strong>iert: dem Versammlungssitz mit leicht<br />

zurückgeneigtem Oberkörper, schwerem<br />

und tiefem E<strong>in</strong>sitzen und ans <strong>Pferd</strong> gedrückten<br />

Schenkeln. E<strong>in</strong> Sitz, der bei weit ausgebildeten<br />

<strong>Pferd</strong>en positive Wirkungen<br />

1/2011 www.me<strong>in</strong>-pferd.de 25<br />

MP0111_22-27_Muskeln.<strong>in</strong>dd 24-25 30.11.2010 10:36:54 Uhr


Besser reiten<br />

zeigt, wirkt im Anfangsstadium jedoch als<br />

Dauerbremse. Sitzposition und E<strong>in</strong>wirkung<br />

sollten sich im Verlauf des Muskelaufb aus<br />

ständig verändern.“ Auch Sitzfehler wie<br />

Stuhlsitz, Spaltsitz, Sitz im Hohlkreuz oder<br />

Klammersitz wirken sich negativ auf die <strong>Rücken</strong>muskulatur<br />

aus. Bei allen diesen Fehlern<br />

bewegt sich der Reiter nicht mit dem Pfer-<br />

UNSERE EXPERTIN<br />

Cor<strong>in</strong>na Lehmann,<br />

Dressurreiter<strong>in</strong> und Buchautor<strong>in</strong><br />

(„Bauste<strong>in</strong>e Dressurreiten“,<br />

Müller Rüschlikon)<br />

aus Langenberg, hat sich der<br />

klassischen Ausbildung von<br />

Reiter und <strong>Pferd</strong> verschrieben.<br />

www.cor<strong>in</strong>na-lehmann.de<br />

derücken und blockiert so die Bewegungen<br />

der <strong>Rücken</strong>muskeln. Gleiches passiert, wenn<br />

der Reiter durch e<strong>in</strong>en überstarken Schenkeldruck<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Körpermitte starr wird.<br />

„Dann hält der Reiter den <strong>Pferd</strong>erücken fest<br />

wie e<strong>in</strong>e große Wäscheklammer“, beschreibt<br />

Cor<strong>in</strong>na Lehmann den Fehler.<br />

Richtiges Satteln ist wichtig<br />

Neben dem Sitz wirken sich vor allem Lage<br />

und Schnitt des Sattels auf die <strong>Rücken</strong>muskulatur<br />

aus. „Meist wird viel zu ‚versammelnd‘<br />

gesattelt“, berichtet Cor<strong>in</strong>na Lehmann. „Der<br />

tiefste Punkt ist dann sehr weit h<strong>in</strong>ten. Kann<br />

das <strong>Pferd</strong> aber noch nicht versammelt mit<br />

abgesenkter Kruppe laufen, drückt dieser<br />

Schwerpunkt den Sattel <strong>in</strong> die <strong>Rücken</strong>muskulatur<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> gut platzierter Sattel,<br />

der knapp h<strong>in</strong>ter dem Widerrist und der<br />

Schulter des <strong>Pferd</strong>es liegt, nutzt dagegen<br />

Durch Berührung am Bauch<br />

wölbt sich der <strong>Rücken</strong> auf<br />

<strong>Rücken</strong>strecker<br />

Der lange <strong>Rücken</strong>strecker (rot) ist der<br />

wichtigste <strong>Rücken</strong>muskel. Er geht vom<br />

Becken aus bis zum siebten Halswirbel und<br />

verb<strong>in</strong>det die H<strong>in</strong>terhand mit der Vorhand.<br />

Probleme beim Muskelaufbau:<br />

SEHR KURZER RÜCKEN: EXTREM LANGER RÜCKEN: SENKRÜCKEN:<br />

Hier ist nicht viel Platz für Sattel und Sitz, ohne<br />

<strong>in</strong> den empf<strong>in</strong>dlichen Lendenwirbelbereich zu<br />

geraten. Es muss genau gesattelt und gesessen<br />

werden. Oft ist e<strong>in</strong>e Sattelsitzgröße bis 17,5 möglich.<br />

Braucht der Reiter e<strong>in</strong>e größere Sitzfläche,<br />

ist das <strong>Pferd</strong> für ihn zu kurz. Schlimmen Druck<br />

erzeugt das Sitzen auf dem h<strong>in</strong>teren Sattelkranz,<br />

wenn der Sattel für den Reiter zu kle<strong>in</strong> ist.<br />

zuerst die stützende Statik der Vorhand aus<br />

und verteilt das Reitergewicht sternförmig<br />

auslaufend auf die Seiten und die Mitte des<br />

<strong>Rücken</strong>s, damit das <strong>Pferd</strong> im <strong>Rücken</strong> überhaupt<br />

tra<strong>in</strong>iert werden kann.“ Die Sattellage<br />

sollte sich zusammen mit dem Reitersitz an<br />

das Ausbildungsstadium des <strong>Pferd</strong>es anpassen.<br />

Und dazu muss der Sattel nicht dauernd<br />

abgeändert werden. „E<strong>in</strong> gutes Auge<br />

bestimmt hier e<strong>in</strong> bis zwei Mal <strong>in</strong> großen<br />

Abständen das ideale Mitwachsen des Sattels“,<br />

erklärt Cor<strong>in</strong>na Lehmann. Daneben<br />

sollten regelmäßig die Sattelpolster geprüft<br />

werden. Unregelmäßigkeiten, Klumpen und<br />

Knoten wirken sich besonders negativ auf<br />

die <strong>Rücken</strong>muskulatur aus. „Auch zu runde<br />

Sattelkissen s<strong>in</strong>d nicht ideal“, warnt Claudia<br />

Schleiermacher. „Der lange <strong>Rücken</strong>strecker<br />

ist nach oben rund geformt. Treff en nun die<br />

nach unten zu runden Sattelkissen auf den<br />

Muskel, entsteht punktueller Druck. Ebenso<br />

schmerzt e<strong>in</strong> zu enger Kissenkanal, da dann<br />

der lange <strong>Rücken</strong>muskel gegen die Wirbelsäule<br />

gedrückt wird.“<br />

S<strong>in</strong>nvolle Übungen<br />

Stimmen Sitz und Ausrüstung, kann mit<br />

bestimmten reiterlichen Übungen die <strong>Rücken</strong>muskulatur<br />

besonders wirkungsvoll<br />

tra<strong>in</strong>iert werden. „Unterschieden wird zwischen<br />

muskellösenden und muskelaufb auenden<br />

Eff ekten und dem geschmeidigen<br />

Arbeiten vorhandener Muskeln“, erklärt<br />

Cor<strong>in</strong>na Lehmann. Lösende Übungen s<strong>in</strong>d<br />

das Übertretenlassen <strong>in</strong> der H<strong>in</strong>terhand im<br />

ruhigen, gelassenen Tempo, Übergänge vom<br />

Schritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en eher nachlässigen Trab und<br />

zurück, <strong>in</strong> kurzen Phasen entspannt geritten,<br />

sowie Rückwärtsrichten. „Rückwärtsrichten<br />

ist besonders lösend und wölbt den <strong>Rücken</strong><br />

<strong>Pferd</strong>en mit e<strong>in</strong>em langen <strong>Rücken</strong> fällt es oft<br />

schwer, sich im h<strong>in</strong>teren <strong>Rücken</strong>bereich zu<br />

lösen. Außerdem besteht bei solchen <strong>Pferd</strong>en<br />

die Gefahr, „im <strong>Rücken</strong> abzubrechen“, wenn der<br />

Reiter e<strong>in</strong>en schlechten Sitz hat. Sie können dann<br />

die erforderliche <strong>Rücken</strong>wölbung nicht erreichen<br />

und/oder diese nicht halten. Im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g sollten<br />

viele lösende Übungen geritten werden.<br />

stark auf “, sagt Cor<strong>in</strong>na Lehmann. „Dabei<br />

können auch ruhig mehr Tritte als die üblichen<br />

drei bis vier verlangt werden.“<br />

Sixpacks im Galopp<br />

Der Muskelaufb au erfolgt dann über Vorwärtsreiten<br />

<strong>in</strong> allen Gangarten mit deutlichem<br />

Abdrücken der H<strong>in</strong>terhand und Tempounterschieden<br />

<strong>in</strong> allen Gangarten. Galopp<br />

spricht die Bauchmuskeln besonders an.<br />

„Die Geschmeidigkeit vorhandener Muskeln<br />

fördern dann Übungen wie Schenkelweichen<br />

<strong>in</strong> allen Variationen – auch im Trab –, das<br />

Reiten von gebogenen L<strong>in</strong>ien und Seiten-<br />

Fehler gestellt: zu tiefes E<strong>in</strong>sitzen<br />

Er kann sich bei älteren <strong>Pferd</strong>en und bei<br />

Zucht stuten entwickeln oder auch rassebed<strong>in</strong>gt<br />

angeboren se<strong>in</strong>. Es ist viel Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gszeit auf das<br />

„Hochkommen“ des <strong>Rücken</strong>s zu verwenden, weil<br />

die <strong>Rücken</strong>muskeln <strong>in</strong> der Absenkung mit e<strong>in</strong>hergehender<br />

hoher Kruppe nicht gut als Bewegungszentrum<br />

fungieren können. Es empfiehlt sich e<strong>in</strong><br />

extrem rückenfreundlicher und gefühlvoller Sitz.<br />

gänge“, beschreibt Cor<strong>in</strong>na Lehmann weitere<br />

Übungen. „Alle Übungen führen natürlich<br />

nur zum Ziel, wenn sie unter wirklich helfender<br />

E<strong>in</strong>wirkung des Reiters e<strong>in</strong>geübt und<br />

tra<strong>in</strong>iert werden. Ansonsten können sich alle<br />

Dressurlektionen auch negativ auswirken.“<br />

Zu schnell e<strong>in</strong>geübte Lektionenreiterei, die<br />

jahrelang nur mit verspannter Muskulatur<br />

geleistet werden kann, gehört schließlich<br />

auch zu e<strong>in</strong>er der häufi gsten Ursachen für<br />

Arbeitsausfälle bei <strong>Pferd</strong>en.<br />

In der nächsten Ausgabe (MP 02/11) lesen Sie,<br />

wie die Muskeln der H<strong>in</strong>terhand funktionieren<br />

und wie sie optimal tra<strong>in</strong>iert werden.<br />

26 www.me<strong>in</strong>-pferd.de 1/2011 1/2011 www.me<strong>in</strong>-pferd.de 27<br />

MP0111_22-27_Muskeln.<strong>in</strong>dd 26-27 30.11.2010 10:37:03 Uhr<br />

Wir danken dem Reitvere<strong>in</strong> „Am Disselkamp“ <strong>in</strong> Langenberg-Benteler für die freundliche Unterstützung bei der Fotoproduktion.

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