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Arbeitsbericht 2004/2005

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2. Die Gesundheitsreform<br />

2.1. Wesentliche Veränderungen für die Versicherten<br />

Am 1. Januar <strong>2004</strong> trat das Gesundheitsmodernisierungsgesetz<br />

in Kraft. Durch den Wegfall von Leistungen und durch<br />

Zuzahlungen der Versicherten sollen die Krankenkassen entlastet<br />

und damit Beitragssteigerungen vermieden, bzw. Beitragssenkungen<br />

erreicht werden.<br />

Die wesentlichen Änderungen für die Versicherten sind:<br />

■ Zuzahlungen auf alle medizinischen Leistungen in Höhe<br />

von 10 Prozent (mind. 5 €, max. 10 € pro Leistung)<br />

■ Praxisgebühr in Höhe von 10 € / Quartal<br />

■ Zuzahlung von 10 € / Tag bei Krankenhausaufenthalt<br />

■ keinerlei Kostenübernahme bei nicht verschreibungspflichtiger<br />

Medikamente<br />

■ Wegfall des Leistungsanspruchs auf Brillen<br />

■ Wegfall von Entbindungs- und Sterbegeld<br />

■ Wegfall der Fahrtkostenerstattung bei ambulanten<br />

Behandlungen<br />

■ Wegfall des Krankengeldes<br />

■ Zahnersatz wird mit separatem Pflichtbeitrag versichert<br />

Die Belastungsgrenze für Zuzahlungen beträgt max. zwei Prozent<br />

des Bruttoeinkommens, bei chronisch Kranken ein Prozent.<br />

2.2. Der Zusammenhang<br />

zwischen Gesundheit und Armut<br />

Ziel der Gesundheitsreform ist nicht nur eine Erhöhung der Einnahmen<br />

durch Zuzahlung, sondern auch eine „vernünftigere“<br />

und kostenbewusste Inanspruchnahme medizinischer Leistungen<br />

durch die Patienten.<br />

Erfahrungen anderer Industriestaaten, in denen sich Patienten<br />

schon länger an den Gesundheitskosten beteiligen, zeigen,<br />

dass Zuzahlungen vor allem ältere und einkommensschwache<br />

Menschen vom Arztbesuch abhalten. Insbesondere Patienten<br />

mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen und psychischen<br />

Erkrankungen sind von den Zuzahlungen besonders<br />

betroffen, da hier Medikamente langfristig einzunehmen sind.<br />

Gleichzeitig sind gerade Menschen, die arm sind, von diesen<br />

Krankheiten besonders betroffen. Hier schließt sich der Teufelskreis:<br />

Armut ist ein Krankheitsrisiko, aber auch Krankheit<br />

kann zum Armutsrisiko werden.<br />

So beobachten die Mitarbeitenden der Allgemeinen Sozialberatung<br />

seit Inkrafttreten der Gesundheitsreform zunehmende<br />

Versorgungslücken aufgrund fehlender finanzieller Mittel, vor<br />

allem hinsichtlich der Sehhilfen, Zahnersatz, notwendiger ärztlicher<br />

Behandlung und entsprechender Medikamentenversorgung.<br />

Die Folgen wie Zahnlücken oder z.B. Leseunfähigkeit<br />

aufgrund fehlender Sehhilfen werden öffentlich wahrnehmbar<br />

sein – Armut wird ersichtlich. Die Auswirkungen werden sich vor<br />

allem längerfristig zeigen, z.B. durch die Zunahme von chronischen<br />

Erkrankungen.<br />

Fotocase<br />

Weitere Erfahrungen aus den Beratungsstellen<br />

Hospizdienst tätig in der Sterbebegleitung von Herrn S.,<br />

53 Jahre.<br />

Die Ehefrau musste für Infusionsmaterial wie Schläuche, Kanülen,<br />

Hygiene-Vorsorge des angelegten Ports und des Blasenkatheters<br />

monatlich 500 Euro zuzahlen. Die Krankenkasse verwies<br />

auf ihre Richtsätze und war auch nach ärztlichem Attest<br />

nicht bereit, den höheren Aufwand zu übernehmen.<br />

Krebsnachsorge berät Frau H., 62 Jahre, die Brustkrebs hat.<br />

Frau H. lebt von 674 Euro EU-Rente (Miete 316 Euro, Fixkosten<br />

125 Euro). Sie leidet sehr unter der derzeitigen Chemobehandlung.<br />

Für Medikamente gegen die Nebenwirkungen (ein<br />

homöopathisches Mittel gegen die Schmerzen, Salbe gegen<br />

den Hautpilzbefall) muss sie in der Apotheke 28 Euro bezahlen.<br />

Am selben Tag erhält sie die Rechnung für ihre Perücke:<br />

Sie muss 195 Euro davon selber tragen. Sie weiß nicht, wie sie<br />

das bezahlen soll.<br />

Die Seniorenfachberatung begleitet Frau X, 80 Jahre, die<br />

von Grundsicherung und kleiner Rente lebt.<br />

Frau X leidet seit Jahren unter diversen inneren Krankheiten.<br />

Allergische Reaktionen und Unverträglichkeiten haben dazu<br />

geführt, dass sie nur ganz bestimmte Medikamente verträgt,<br />

die jedoch nicht in den Verordnungskatalog der Krankenkasse<br />

fallen. Monatlich fallen hier zusätzlich 40 Euro an, die Frau X<br />

z.B. beim Einkauf von Lebensmitteln fehlen – ein gesundes Leben<br />

ist teuer!<br />

Das Betreutes Wohnen für psychisch Kranke betreut<br />

Herrn N., 52 Jahre, der von Rente wegen Erwerbsminderung<br />

und Grundsicherung lebt.<br />

Er ist chronisch psychisch krank, muss deshalb regelmäßig Termine<br />

beim Facharzt wahrnehmen und ist dauerhaft auf Medikamente<br />

angewiesen. Da diese sehr Appetit steigernd wirken,<br />

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