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Diagnose, "moralisch defekt" - Thomas Huonker

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und der Waisenbehörde Einverständnis sterilisiert, um sie vor Nachkommenschaft zu<br />

schützen. In <strong>moralisch</strong>er Beziehung besserte sich die Pat. aber keineswegs. Ihres Sexualtriebs<br />

wegen konnte sie nirgends mehr gehalten werden, weder in Versorgungshäusern<br />

noch in Privatstellen. [ ... ] Am 24. IX. 1923 wurde sie in der Irrenanstalt zu<br />

dauernder Internierung aufgenommen [ ... ] Über ihre sexuelle Vergangenheit führte<br />

sie obszöne Gespräche. In ihren sexuellen Erregungszuständen macht sie sich an andere<br />

sexuell ebenfalls leicht erregbare Mitpatientinnen heran und legte sich sogar zu einer<br />

solchen ins Bett. Am lO. XII. 1923 wurde sie, um sie von ihrem Triebe zu befreien, zur<br />

Röntgenkastration ins Spital gebracht. Dieses Verfahren brachte aber der Patientin<br />

keine wesentliche Erleichterung. Der Patientin wurde die Kastration auf operativem<br />

Wege empfohlen, die sie am 6.11. 1924 ausführen liess. [ ... ] Die Patientin beruhigte<br />

sich nachher sehr rasch und konnte entlassen werden.»789<br />

Experimentelle Kastrationen wurden, auch in der Schweiz, mitunter mit experimentellen<br />

Transplantationen verbunden. Affenhoden wurden in Menschen implantiert. Hoden<br />

Homosexueller wurden, teilweise halbiert oder in Scheiben geschnitten, in Heterosexuelle<br />

transplantiert, und umgekehrt,190 Ein Eierstock wurde in einen kastrierten<br />

Mann transplantiert; «die Frau bekam ihrerseits einen Hoden unseres Patienten.»791<br />

Die Wirkungen dieser Experimente wurden durch Beobachtung weiterverfolgt, teilweise<br />

kombiniert mit nachträglichen Operationen zur erneuten Besichtigung der operierten<br />

und transplantierten Körperteile.<br />

«Es besteht eben bei der konstitutionellen Homosexualität<br />

gar nicht das Bedürfnis, von dieser Triebanomalie<br />

loszukommen»<br />

<strong>Diagnose</strong> Homosexualität<br />

In der Untersuchungsperiode wurden auch (vor allem männliche) Homosexuelle therapeutischen<br />

Kastrationen unterzogen, selbst wenn sie keine Gewaltverbrechen begangen<br />

hatten. «Zur Zeit der Kastration war der homosexuelle Trieb aussergewöhnlich<br />

lebhaft und der 36jährige Mann beging fortwährend teils homosexuelle, teils onanistische<br />

Exzesse; daneben war er noch hochgradig kokainoman und deswegen körperlich<br />

und psychisch schwer heruntergekommen. Zwei Jahre nach der Operation fühlt er sich<br />

sehr glücklich, sein Trieb ist völlig verschwunden, nur noch selten in Träumen homosexuelle<br />

Vorstellungen, ohne Lustgefühl. Das Kokain konnte er sich restlos abgewöh-<br />

789 Frank 1925, Erfahrungen, S. 43 f.<br />

790 Wolf 1934, Kastration, S. llI-Il3<br />

791 Wolf 1934, Kastration, S. 165<br />

233<br />

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