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„Das ist halt so passiert.“<br />

Von „Migration und Entwicklung“<br />

und möglichen<br />

Anknüpfungspunkten für die Caritas<br />

Steiermark<br />

Verfasserin:<br />

Mag. a Daniela PAMMINGER<br />

MASTERTHESIS<br />

für<br />

MAS Migrationsmanagement<br />

Universität Salzburg<br />

Wissenschaftliche Betreuung:<br />

Dr. Bernhard PERCHINIG<br />

Graz, April 2009


(www.migrantas.org)<br />

3


VORAB DAS VORWORT<br />

Es begann damit, dass ich als Kind jedes Jahr „die Gelbe“ unter den SternsingerInnen<br />

war. Um es mit den Worten des österreichischen Kabarettisten Josef Hader [o.J.] zu<br />

sagen:<br />

„Die Unterberger-Buben haben mir einmal die Krone vom Kopf gerissen und<br />

gestohlen, aber wir haben ihnen dafür die Schi in den Graben geworfen. Und oft hat<br />

es statt Fruchtsaft Most gegeben bei den Bauern und wir haben kaum mehr<br />

heimgefunden. Und es gibt kaum eine Kindheitserinnerung, die gleichzeitig so<br />

sinnvoll war“.<br />

So wurde mein <strong>entwicklung</strong>spolitisches (Unrechts-)Bewusstsein u.a. über<br />

heruntergeleierte Gedichtfetzen und durchgefrorene Zehen geschärft. Im Laufe<br />

meiner fortschreitenden Lebensjahre kam ehrenamtliches Engagement in<br />

verschiedensten <strong>entwicklung</strong>spolitischen NGOs 1 hinzu, Reisen in unterschiedlichste<br />

Länder, schlussendlich ein Job in der Flüchtlingsarbeit. Für mich persönlich war der<br />

Konnex zwischen Migration und Entwicklung immer latent vorhanden, umso<br />

überraschter war ich, dass ich – seinerzeit - kaum Literatur dazu fand, kaum<br />

praktische Überschneidungsfelder. Auch nicht in meiner eigenen Arbeitsstätte, der<br />

Caritas Steiermark, die Migrations- und Integrationsprojekte genauso beherbergt wie<br />

eine Abteilung für Auslandshilfe.<br />

Von der Verknüpfung zweier zentraler Lebens- und Arbeitsbereiche handeln nun die<br />

folgenden Seiten: einer Verknüpfung in meinem eigenen Leben sowie für unzählige<br />

MigrantInnen. Was wir aufgrund persönlicher Erfahrungen schon längere Zeit<br />

erfahren, erwachte in wissenschaftlichen und politischen Diskussionen gerade aus<br />

dem Tiefschlaf. Wie so oft ist auch hier die Praxis der Theorie voraus.<br />

1 Non-Governmental-Organization = Nicht-Regierungs-Organisation<br />

5


Auch wenn als Name der Autorin ein einziger aufscheint – im Ende ist es doch ein<br />

Gemeinschaftsprojekt, wie gelungenes Leben es oft ist:<br />

herzlichen Dank an alle Caritas-Menschen, die mich ideell, finanziell, mit<br />

Computertipps und mit Interviewspenden unterstützten;<br />

herzlichen Dank an alle Email-KorrespondentInnen, die auf meine Fragen<br />

antworteten;<br />

herzlichen Dank an meinen Betreuer Bernhard Perchinig für höchst brauchbare<br />

Literaturhinweise und wertvolle Anmerkungen, der mir aber dennoch freie Hand<br />

ließ;<br />

herzlichen Dank an Helga und Sandra für ihr überaus engagiertes Korrekturlesen<br />

und sowieso für alles;<br />

herzlichen Dank an all meine FreundInnen, die mich mit Essen, Kaffee,<br />

Informationen, Beistand versorgten und mich auch in größten Stressmomenten noch<br />

immer nicht auf den Mond schossen;<br />

und herzlichen Dank auch an mich selbst, dass ich inmitten all meiner turbulenten<br />

und graue-Haare-fördernden Jobs und erstaunlichen Zeiten nie die Überzeugung<br />

aufgab, dass sich „alles schon irgendwie ausgehn“ wird.<br />

6<br />

HERZLICHEN DANK!


INHALTSVERZEICHNIS<br />

1.Einleitung<br />

1.1 Zu Ausgangsüberlegungen und Vorannahmen 11<br />

1.2 Zum Aufbau der Arbeit 12<br />

1.3 Zu den verwendeten Methoden 13<br />

1.4 Zur Caritas Steiermark 14<br />

1.5 Zu einigen Schlüsselbegriffen<br />

1.5.1 Migration 14<br />

1.5.2 Entwicklung 15<br />

1.5.3 Entwicklungsländer 16<br />

2. Vom plötzlichen Interesse an Migration und Entwicklung<br />

2.1 Von den Vorabverknüpfungen 17<br />

2.2 Von aktuellen Zahlen und Trends 18<br />

2.3 Vom Defizitansatz zur enthusiastischen Rhetorik 18<br />

2.4 Vom Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung 20<br />

2.5 Von Widersprüchen und Paradoxien<br />

2.5.1 Entwicklungsgelder und Migrationskontrolle 22<br />

2.5.2 Dominanz der Zielländer und internationaler Agenturen 23<br />

2.5.3 Absenz des Begriffes „Entwicklung” 23<br />

3. Exkurs: Vom Mythos, dass Entwicklung Migration stoppen wird 25<br />

4. AkteurInnen des Diskurses über Migration und Entwicklung<br />

4.1. Internationale und nationale AkteurInnen<br />

4.1.1 Meilensteine der internationalen Diskussion 29<br />

4.1.2 Positionen und Strategien der Vereinten Nationen (UN) 29<br />

4.1.3 Positionen und Strategien der Europäischen Union (EU) 31<br />

4.1.4 Positionen und Strategien der OECD 34<br />

4.1.5 Positionen und Strategien der IOM 35<br />

4.1.6 Positionen und Strategien österreichischer AkteurInnen 36<br />

7


8<br />

4.2 Von RückkehrerInnen und zirkulären MigrantInnen<br />

4.2.1 RückkehrerInnen<br />

4.2.1.1 Zur Idee von Rückkehr 39<br />

4.2.1.2 Faktoren für erfolgreiche Rückkehr 40<br />

4.2.1.3 Zur Praxisrelevanz von Rückkehroptionen 42<br />

4.2.2 Zirkuläre Migration<br />

4.2.2.1 Zur Definition von zirkulärer Migration 44<br />

4.2.2.2 Von Gefahren und Chancen zirkulärer Migration 46<br />

4.2.2.3 Voraussetzungen für zirkuläre Migration 48<br />

4.3 Diasporas und MigrantInnen/selbst/organisationen<br />

4.3.1 Von Begriffen und Bedeutungen der Diaspora 51<br />

4.3.2 Von Diasporas als AgentInnen für Entwicklung 52<br />

4.3.3 „Diasporas are good?“ 56<br />

4.3.4 „Diasporas are bad?“ 57<br />

4.3.5 Über politische Ansätze 58<br />

4.3.6 Diasporas/MigrantInnenorganisationen in Österreich 59<br />

5. Handlungsfelder im Bereich Migration und Entwicklung<br />

5.1 Soziale Rücküberweisungen<br />

5.1.1 Zum Begriff der sozialen Rücküberweisungen 63<br />

5.1.2 Zur Bedeutung von sozialen Rücküberweisungen 64<br />

5.1.3 Vom „Brain Drain“ zu „Brain Gain“ 68<br />

5.2 Finanzielle Rücküberweisungen<br />

5.2.1 Vom Begriff der finanziellen Rücküberweisungen 73<br />

5.2.2 Über das Ausmaß der finanziellen Rücküberweisungen 74<br />

5.2.3 Die Wege der finanziellen Rücküberweisungen 76<br />

5.2.4 Einflussfaktoren auf finanzielle Rücküberweisungen 77<br />

5.2.5 Positive Aspekte von finanziellen Rücküberweisungen 79<br />

5.2.6 Negative Aspekte von finanziellen Rücküberweisungen 80


5.2.7 Finanzielle Rücküberweisungen und die Geschlechterrollen 83<br />

5.2.8 Ausblicke und Empfehlungen 84<br />

5.3 Politische Kohärenz 87<br />

5.3.1 Politische Kohärenz in den Zielländern 87<br />

5.3.2 Politische Kohärenz in den Herkunftsländern 88<br />

6. Ausleitung 91<br />

7. Literaturverzeichnis 95<br />

8. Anhang<br />

8.1 Organigramm der Caritas Steiermark 103<br />

8.2 InterviewpartnerInnen 104<br />

8.3 Interviewleitfaden 105<br />

9


1. EINLEITUNG<br />

Wenn man weiß,<br />

was bei einer Sache herauskommt,<br />

braucht man sie gar nicht<br />

erst zu machen.<br />

[Joseph Beuys]<br />

Das Thema „Migration und Entwicklung“ ist seit einigen Jahren auf der<br />

Tagesordnung in internationalen Diskussionen, Österreich scheint allerdings noch im<br />

Dornröschenschlaf versunken zu sein.<br />

Von Chancen und Grenzen der Migration als neuem „development mantra“ (Devesh<br />

Kapur), von AkteurInnen und Handlungsfeldern, wird in dieser Arbeit die Rede,<br />

bzw. die Schreibe, sein. Die folgenden Seiten sollen einen möglichst kompakten<br />

Überblick der Handlungs- und Diskursstränge geben, so soll eine Art „Handbuch“<br />

entstehen, um bei etwaigen zukünftigen Projekteinreichungen eine schnell<br />

verfügbare Basislektüre vorzufinden. Die vorgestellte Literatur soll zudem mit dem<br />

Erfahrungswissen von sieben Personen der Caritas Steiermark verbunden werden,<br />

um den Migration-Entwicklungs-Nexus mit einem Theorie-Praxis-Nexus zu<br />

koppeln.<br />

1.1 Zu Ausgangsüberlegungen und Vorannahmen<br />

Dieser Arbeit liegen folgende Überlegungen und Annahmen zugrunde:<br />

• Die Verknüpfung von Migration und Entwicklung wird international breit<br />

diskutiert, wie die Fülle an derzeit vorliegender Literatur zeigt.<br />

• Der Migration-Entwicklungs-Nexus umfasst eine große Breite an inhaltlichen<br />

Themen: so treten unterschiedlichste AkteurInnen und verschiedene<br />

Handlungsfelder auf, die miteinander in engen Beziehungen stehen.<br />

• In Österreich werden die Bereiche „Migration“ sowie „Entwicklung“ meist<br />

getrennt voneinander gesehen und bearbeitet, es gibt kaum - theoretische<br />

und/oder praktische – Verknüpfungen.<br />

11


12<br />

• Die Caritas Steiermark hat hervorragende Ausgangsbedingungen, um die<br />

Thematik von „Migration und Entwicklung“ auch in Projekten zu verbinden,<br />

da das Unternehmen bereits Migrations- und Integrationsagenden behandelt<br />

sowie auch einen Auslandshilfeschwerpunkt hat und sich viele der relevanten<br />

Themen bereits im Arbeitsalltag spiegeln.<br />

• Schlüsselpersonen in der Caritas Steiermark haben einerseits<br />

ExpertInnenwissen zur Struktur und zu den jeweiligen Betätigungsfeldern,<br />

außerdem sind mehrere unter ihnen <strong>entwicklung</strong>spolitisch interessiert und<br />

auch motiviert.<br />

• Die Caritas Steiermark könnte sich verstärkt in den derzeit in Österreich<br />

beginnenden Diskurs einbringen, es würden sich dabei auch neue<br />

Projektpläne ergeben.<br />

1.2 Zum Aufbau der Arbeit<br />

So werde ich in dieser Arbeit:<br />

1. einen Überblick über die derzeitigen Diskussionsstränge – vor allem in Bezug auf<br />

AkteurInnen und Handlungsfelder – geben und<br />

2. diesen Überblick mit bereits vorhandenen Projektmaßnahmen und neuen Ideen<br />

verknüpfen. Dieses Wissen wird aus ExpertInneninterviews mit<br />

EntscheidungsträgerInnen der Caritas Steiermark sowie der vorhandenen Literatur<br />

generiert.<br />

3. Je nach Wissensstand kann es zu weiterführenden Empfehlungen für die Caritas<br />

Steiermark kommen, diese sind jedenfalls als Vorschläge und nicht als<br />

Handlungsanleitungen zu verstehen.<br />

Diese Arbeit erhebt keinen Verallgemeinerungs- oder Vollständigkeitsanspruch für<br />

dieses breite Themenfeld, auch stellt sie keine strategischen<br />

Ausrichtungsüberlegungen für die steiermarkweite Caritasarbeit dar; sie ist vielmehr<br />

als Anregung für weitere Diskussionsprozesse gedacht und gewünscht.


1.3 Zu den verwendeten Methoden<br />

Für den Punkt 1 verwende ich – aus der Fülle der international publizierten Studien<br />

– eine Auswahl der mir relevant erscheinenden Literatur. Dabei gilt anzumerken,<br />

dass der überwiegende Teil ausschließlich in Englisch publiziert wurde, so kann dies<br />

manchmal zu begrifflichen Unschärfen (aufgrund der geographisch<br />

unterschiedlichen Verwendung von Begriffen ebenso wie aufgrund von<br />

übersetzungstechnischen Feinheiten) führen.<br />

Für die Punkte 2 und 3 führe ich sieben teilstrukturierte ExpertInneninterviews 2 mit<br />

jeweils ausgewählten Schlüsselpersonen der Caritas Steiermark:<br />

je eine Person aus den drei großen Fachbereichen „Hilfe für Menschen in Not“,<br />

„Betreuung und Pflege“ sowie „Bildung und Interkultur“ sowie den vier<br />

Servicestellen „Kommunikation & Fundraising“, „Organisations<strong>entwicklung</strong> &<br />

Qualitätsmanagement“, „Caritas & Pfarren“ sowie „Auslandshilfe“ 3 .<br />

Bei der Auswahl der Personen aus den drei Fachbereichen achtete ich darauf, dass<br />

die/der Interviewte ein persönliches Interesse an der Thematik (Migration und/oder<br />

Entwicklung) hat, diese Einschätzung bzw. dieses Wissen ist mir aufgrund meiner<br />

nun jahrelangen Tätigkeit in der Caritas Steiermark möglich; bei den Interviewten<br />

der Servicestellen war eine Auswahl aufgrund der beschränkten Personalressourcen<br />

nicht machbar. Der Interviewleitfaden gestaltete sich aufgrund der Breite der<br />

Thematik als teilstrukturiert, je nach InterviewpartnerIn gewinnt das Interview<br />

teilweise auch an explorativem Charakter. Anzumerken gilt, dass die Interviewten<br />

als ExpertInnen der Betriebsorganisation angefragt und ausgewählt wurden, nicht<br />

als wissenschaftliche ExpertInnen zum Themenkomplex „Migration und<br />

Entwicklung“.<br />

2 Diese Interviewzitate werden aufgrund der leichteren Identifizierbarkeit für LeserInnen kursiv<br />

gesetzt.<br />

3 Das Organigramm der Caritas Steiermark, die Liste der InterviewpartnerInnen sowie der<br />

Interviewleitfaden sind im Anhang zu finden.<br />

13


1.4 Zur Caritas Steiermark<br />

Eine Kurzcharakteristik der Caritas Steiermark vorab:<br />

14<br />

„Die Caritas ist ein gemeinnütziges Unternehmen; ein Teil der Weltkirche mit einer<br />

steirischen, österreichischen und internationalen Dimension; eine Vermittlerin<br />

zwischen Menschen und eine Brückenbauerin zwischen Lebenswelten, Kulturen und<br />

Religionen; die Caritas fördert ein Klima der Solidarität und der sozialen<br />

Aufmerksamkeit (…) “ (Caritas Steiermark [o.J.]).<br />

Personell hat die Caritas Steiermark mit Stand 1.1.2009 1123 hauptamtlich<br />

Beschäftigte 4 , davon arbeiten rund 92 Personen (oder 70,63 Dienstposten) im Bereich<br />

„Asyl & Integration“ (welcher u.a. alle Flüchtlings- sowie Integrationsprojekte<br />

umfasst); die Auslandshilfe hält bei vier Mitarbeiterinnen (2,34 Dienstposten) (vgl. E-<br />

mail FK, 24.03.2009).<br />

1.5 Zu einigen Schlüsselbegriffen<br />

Bevor die inhaltlichen Debatten beginnen erfolgen einige kurze Begriffsklärungen:<br />

1.5.1 Migration<br />

Ich halte mich hierbei an die Definition der Vereinten Nationen, welche eineN<br />

internationaleN MigrantIn als eine Person beschreibt, „(…) die in ein anderes Land<br />

einreist und dort mindestens 12 Monate bleibt, nachdem sie vorher mindestens 12<br />

Monate nicht in diesem Land war“ (UN 2006, S. 7). Die wichtigsten Ursachen von<br />

Migration werden im Allgemeinen in Schub- und Sogfaktoren unterteilt:<br />

Schubfaktoren sind z.B. Krieg, Armut, Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit und<br />

politische Verfolgung; als Sogfaktoren gelten z.B. Frieden, ein funktionierender<br />

Rechts- und Wohlfahrtsstaat, Arbeitsmöglichkeiten und eine intakte Umwelt. Diese<br />

Betrachtungsweise alleine würde aber zu kurz greifen, es braucht zu diesen<br />

ursächlichen Gründen (root causes) auch noch unmittelbare Ursachen, die einen<br />

Migrationsprozess auslösen (proximate causes, z.B. ein aktueller Konflikt). Außerdem<br />

spielen ermöglichende Faktoren (enabling causes, z.B. Reiserouten von<br />

MenschenschmugglerInnen und –händlerInnen) eine wichtige Rolle, darüber hinaus<br />

4 Bei einem durchschnittlichen Beschäftigungsausmaß von 75,21% entspricht dies rund 845<br />

Vollzeitmitarbeitenden.


sind nicht zuletzt aufrechterhaltende Ursachen (sustaining causes, z.B.<br />

MigrantInnennetzwerke, Diaspora) für eine Migration entscheidend (vgl. Reisle et al.<br />

2007, S. 49)<br />

1.5.2 Entwicklung<br />

Wie im nächsten Kapitel ausführlicher kritisiert wird, ist der Entwicklungsbegriff ein<br />

erstaunlicherweise kaum diskutierter; die meisten Ansätze tendieren zur Annahme,<br />

dass Entwicklung durch eine Steigerung des (Brutto)Inlandproduktes belegt werde<br />

(vgl. de Haas 2007a, S. 1).<br />

Grundsätzlich bedeutet „Entwicklung“ die Veränderung der sozioökonomischen<br />

Strukturen innerhalb gesellschaftlicher Beziehungen, je nach historischem und<br />

politischem Kontext erfuhr diese Definition immer wieder Veränderung. In den<br />

1960er-Jahren wurde Entwicklung als ökonomisch orientiertes Konzept verstanden,<br />

das sich im wirtschaftlichen Wachstum, gemessen am Bruttosozialprodukt pro<br />

EinwohnerIn, zeigte 5 . In den 1970er-Jahren entstanden im Zuge internationaler<br />

Solidaritätsbewegungen mit ärmeren Ländern des Weltsüdens neue<br />

Begrifflichkeiten, ab diesem Zeitpunkt war Entwicklung gleichbedeutend mit<br />

Reduzierung von Arbeitslosigkeit und Armut innerhalb einer wachsenden<br />

Wirtschaft und generell mit der Überwindung strukturell bedingter Ungleichheit. In<br />

den 1990er-Jahren setzte sich der Begriff der nachhaltigen Entwicklung (sustainable<br />

development) durch, der auch an die Bedürfnisse zukünftiger Generationen denkt.<br />

Derzeit herrscht in Fachkreisen der Entwicklungspolitik und –zusammenarbeit<br />

weitgehend der Konsens, dass Entwicklung sehr umfassend zu definieren sei; sie<br />

kann als die allgemeine Verbesserung der Lebensqualität und der Erweiterung von<br />

Lebensgestaltungsmöglichkeiten gefasst werden (Livelihood-Ansatz) 6 (vgl.<br />

Hungerbühler 2007, S. 24f.).<br />

5 Die Debatten über den Migrations-Entwicklungs-Nexus scheinen oftmals in diesen Schulen stecken<br />

geblieben zu sein, wie die folgenden Kapitel auch zeigen werden.<br />

6 Hier gibt es Parallelen zum Begriff der „Verwirklichungschancen“ in der Armutsdefinition von<br />

Amartya Sen, der Armut als Verunmöglichung von Verwirklichungschancen sieht und damit einen<br />

rein ökonomischen Ansatz transzendiert (vgl. Sen 1999 sowie das Kapitel über die „Absenz des<br />

Begriffes ‚Entwicklung’“).<br />

15


Diese klare Kritik an einem zu einseitigen Entwicklungsbegriff wurde auch von<br />

einem meiner Interviewpartner anfangs sogleich kritisch hinterfragt:<br />

16<br />

„Zuerst muss man auch klar eine Entwicklung definieren, was versteht man unter<br />

Entwicklung, ich seh da immer viel zu schnell den Zugang, Entwicklung heißt,<br />

Drittweltländer auf unser Niveau zu bringen. Das ist für mich viel zu einseitig, ist auch nicht<br />

mehr der moderne Begriff. Was mir prinzipiell in dem, bei dem Zugang fehlt ist, was welches<br />

Potential - ich sag ja, Hilfe ist ja ein Austausch auf gleicher Augenhöhe - welches Potential<br />

und welche Lernbereitschaft hätten wir auch von den Migranten, von den Ressourcen, die sie<br />

mitbringen. Ich bin eher da skeptisch, dass wir uns auf diese Frage wirklich einlassen. Weil<br />

klar ist, dass die Entwicklung - wie auch immer - ein Geben und Nehmen ist“ (Interview 4).<br />

Aus wissenschaftlich-<strong>entwicklung</strong>spolitischer Perspektive lässt sich Migration als<br />

Strategie von Menschen zur Verbesserung einerseits ihrer jeweils persönlichen<br />

Lebensumstände wie andererseits auch zur Reduktion der Risiken eines Haushaltes<br />

bzw. der Verbesserung der Lebensumstände im Herkunftshaushalt erklären. Die<br />

Entwicklungszusammenarbeit verwendet verschiedene Modelle eines so genannten<br />

livelihood-framework, das von den persönlichen Ressourcen und Kompetenzen der<br />

Menschen ausgeht:<br />

„Auf Grund der konkreten finanziellen, sozialen, politischen, physischen und<br />

psychischen Situation – den livelihood assets – werden die Risiken und Gefahren,<br />

aber auch die bestehenden Opportunitäten eingeschätzt. Außerdem spielt der<br />

Kontext, das Umfeld eine wichtige Rolle. (…) Daraus ergibt sich eine<br />

Überlebensstrategie des Individuums, einer Familie oder eines Clans“ (Reisle et al.<br />

2007, S. 49f.).<br />

So wird auch in dieser Arbeit der Begriff der Entwicklung als ein möglichst breit<br />

gefasster verstanden, wiewohl dies in der zitierten Literatur nicht immer der Fall ist.<br />

1.5.3. Entwicklungsländer<br />

Mir ist die damit einhergehende Bewertung des Begriffes der „Entwicklungsländer“<br />

sehr wohl bewusst, daher verwende ich diesen Ausdruck synonym mit „Least<br />

developed countries“, „Länder des Südens“, etc., auch um die sprachliche<br />

Abwechslung zu fördern. Weitere Ausführungen zu den jeweilig problematischen<br />

Bezeichnungen füllen inzwischen viele Bücher, würden den Umfang dieser Arbeit<br />

aber bei weitem sprengen.


2. VOM PLÖTZLICHEN INTERESSE AN MIGRATION UND<br />

ENTWICKLUNG<br />

2.1 Von den Vorabverknüpfungen<br />

Misch dich nicht ein,<br />

du bist eingemischt.<br />

Was geschieht, bist du.<br />

Es geschieht dir recht.<br />

[Friedrich Dürrenmatt]<br />

Am Anfang stellt sich mir – und hoffentlich auch den geneigten LeserInnen - die<br />

Frage, wodurch es zu diesem plötzlichen Aufflackern des Interesses am eigentlich<br />

jahrhunderte alten Phänomen der Verknüpfung von Migration und Entwicklung<br />

kam. Die Edition Le Monde diplomatique konstatiert, dass im 21. Jahrhundert die<br />

internationalen Migrationsprozesse immer komplexer würden, schnelle und relativ<br />

preiswerte Kommunikationsmittel die Entfernungen und Zeitunterschiede<br />

schrumpfen lassen:<br />

„Sie tragen die Bilder vom guten und satten Leben ebenso wie die Zeugnisse von<br />

Krieg, Elend und Hunger in Echtzeit um den Globus. Das fördert eine ‚gefühlte Nähe’<br />

zu privaten und öffentlichen Ereignissen, die tatsächlich Tausende von Kilometern<br />

entfernt stattfinden. Die genauere Kenntnis der Möglichkeiten und Ressourcen in<br />

anderen Ländern verstärkt die Bereitschaft der verwandtschaftlichen und lokalen<br />

Netzwerke, ihre stärksten, geschicktesten Mitglieder gegen Bezahlung in den Strom<br />

der grenzüberschreitenden Migration einzureihen“ (Edition Le Monde diplomatique<br />

2008, S. 23).<br />

Auch die UN ist davon überzeugt, dass die heutigen internationalen MigrantInnen<br />

mehr als je zuvor einen dynamischen menschlichen Link zwischen Kulturen,<br />

Ökonomien und Gesellschaften darstellen (vgl. UN 2006, S. 7). Dennoch dreht sich –<br />

nicht nur in Zeiten von internationalen Wirtschaftskrisen – vieles um den „schnöden<br />

Mammon“: seit nachgewiesen wurde, dass die Summe der Rücküberweisungen von<br />

MigrantInnen weltweit jene der internationalen Entwicklungshilfe um mehr als das<br />

Doppelte übersteigt, gilt Migration auf nationaler und internationaler Ebene als<br />

Chance für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowohl der Herkunfts- als<br />

auch der Zielländer von MigrantInnen (vgl. Stuker 2007, S. 9).<br />

17


2.2 Von aktuellen Zahlen und Trends<br />

Die WeltbankmitarbeiterInnen John Page und Sonia Plaza gehen davon aus, dass<br />

sich die Zahl der internationalen MigrantInnen weltweit von 76 Millionen (im Jahr<br />

1960) auf 82 Millionen (zehn Jahre später) erhöhte, sich dann bis ins Jahr 2000 auf<br />

174,9 Millionen jedoch mehr als verdoppelte, derzeit wird von rund 200 Millionen<br />

internationaler MigrantInnen ausgegangen; vor allem die Anzahl der<br />

Hochqualifizierten aus Entwicklungsländern ist in den letzten vier Jahrzehnten<br />

explodiert. Zudem prognostizieren sie eine starke Bevölkerungsveränderung in den<br />

nun folgenden 20 bis 30 Jahren: so werden 2050 in Afrika rund 20 Prozent, in Europa<br />

hingegen nur mehr sieben Prozent der weltweiten BewohnerInnen ansässig sein.<br />

Durch diese zunehmenden demographischen wie ökonomischen Unterschiede wird<br />

auch der Migrationsdruck steigen (vgl. Page/Plaza 2005, S. 3ff.), dennoch weist die<br />

UN (2006, S. 6) darauf hin, dass jene MigrantInnen, die aus einem Entwicklungsland<br />

in ein anderes migrieren, eine ungefähr ebenso hohe Anzahl darstellen wie jene, die<br />

vom Süden in den Norden wandern. Zudem gilt die Feminisierung der Migration –<br />

mittlerweile sind mit einem Anteil von 48,6% beinahe die Hälfte der internationalen<br />

MigrantInnen Frauen (vgl. IOM 2005) – als Antwort auf eine zunehmende Nachfrage<br />

an weiblicher Arbeitskraft in spezifischen Wirtschaftssektoren, unter anderem im<br />

Dienstleistungsbereich des Gesundheitswesens, in Privathaushalten oder im Sex-<br />

und Unterhaltungsgewerbe (vgl. Hungerbühler 2007, S. 15).<br />

2.3 Vom Defizitansatz zur enthusiastischen Rhetorik<br />

In der Migrationsforschung gilt als nachgewiesen, dass sich grenzüberschreitende<br />

Migration grundsätzlich auf die Entwicklung der Herkunftsländer auswirkt,<br />

dennoch wurden Entwicklungs- und Migrationsforschung bisher weitgehend<br />

voneinander getrennt betrieben (vgl. Thränhardt 2005, S. 3). In den 1960er Jahren<br />

stand die Debatte um negative Auswirkungen der Abwanderung von<br />

hochqualifizierten Arbeitskräften aus den Entwicklungsländern im Mittelpunkt, in<br />

den 1980er Jahre beschäftigte man sich mit dem Entwicklungsbeitrag der<br />

RückkehrerInnen, das derzeitige „Topthema“ lautet „Diaspora und Entwicklung“<br />

(vgl. Baraulina/Borchers 2008). Die Diskurslinien spiegeln die der Öffentlichkeit und<br />

auch der Wissenschaft jahrzehntelang zugrunde liegenden – vom deutschen<br />

18


Politikwissenschaftler Thränhardt stark kritisierten – Mängelperspektiven wider:<br />

MigrantInnen<br />

„(…) werden als ‚defizitäre Wesen’ geschildert, die es zu integrieren und zu<br />

‚kulturalisieren’ gelte: Migration wird in diesem Zusammenhang generell als<br />

Krisenerscheinung gezeichnet und mit ‚Überflutung’ assoziiert (…). Als defizitär<br />

gelten auch die Entwicklungsländer, die es mit westlicher Hilfe zu Leistungen zu<br />

befähigen gelte“ (Thränhardt 2005, S. 3).<br />

Somit stellt die derzeitige Hinwendung zum Migrations-Entwicklungs-Nexus, dem<br />

Schnittpunkt zwischen Migration und Entwicklung also, einen grundlegenden<br />

Paradigmenwechsel sowohl in der Migrations- als auch in der Entwicklungsdebatte<br />

dar, welcher die Ressourcen und Potentiale der MigrantInnen als handelnde<br />

AkteurInnen in den Mittelpunkt rückt. „Insgesamt wird mit einem solchen<br />

Paradigmen-Wechsel ein realistisches und optimistisches Szenario an die Stelle eines<br />

pessimistischen gesetzt“ (Thränhardt 2008, S. 110), teilweise ist diese Wandlung von<br />

„enthusiastischer Rhetorik“ (Aikins 2008) geprägt. So werden MigrantInnen auch als<br />

die neuen „heroes of development“ (Castles/Wise 2008, S. 3) bezeichnet, sie werden<br />

nicht länger als Opfer oder als Abhängige vom Wohlwollen der<br />

Aufnahmegesellschaft, sondern als selbstbestimmte AgentInnen für die Entwicklung<br />

in ihrem Herkunftsland, gesehen (vgl. Hilber 2008).<br />

Eine nicht ganz freiwillige und optimistische Hinwendung zur Thematik<br />

konstatieren die Migrationsexperten Castles und Wise, indem sie auf ein vehement<br />

auftretendes Dilemma aufmerksam machen: einerseits wird Migration als<br />

unausweichliches Resultat – v.a. globalisierungsbedingt - ökonomischer und<br />

demographischer Faktoren sowohl im Norden als auch im Süden gesehen.<br />

Andererseits werden MigrantInnen aus ärmeren Ländern (insbesondere ungelernte<br />

ArbeiterInnen und AsylwerberInnen) in Bezug auf Sicherheit, Stabilität und<br />

Lebensstandard als „Problem“, manchmal sogar als Bedrohung von den reicheren<br />

Ländern identifiziert. Da Migration nicht gänzlich verhindert werden kann,<br />

versuchen nun PolitikerInnen mit den Instrumenten des „Migrationsmanagements“<br />

Migrationsbewegungen zu kontrollieren sowie den daraus resultierenden Gewinn<br />

für die Zielländer zu maximieren. Dabei sind sie auf Kooperationen mit Herkunfts-<br />

19


sowie Transitstaaten angewiesen, was jedoch nur Erfolg versprechend scheint, wenn<br />

es wiederum auch für diese Gewinnchancen birgt. Die Verbindungen zwischen<br />

Migration und Entwicklung erscheinen nun als ein Weg zur Verwirklichung dieser<br />

euphemistischen „Win-win-Situationen“ (vgl. Castles/Wise 2008, S. 3).<br />

2.4 Vom Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung<br />

Grundsätzlich wird ein vielschichtiger, positiv als auch negativ bewerteter, Konnex<br />

zwischen Migration und Entwicklung gezogen: Migration kann sowohl eine Ursache<br />

als auch ein Resultat von Unter<strong>entwicklung</strong> sein, während Unter<strong>entwicklung</strong> durch<br />

Migration entweder erleichtert oder auch verschlimmert werden kann. Während<br />

durchgängig positive Auswirkungen auf globaler Ebene gefunden werden, variieren<br />

die migratorischen Konsequenzen für Entwicklungsförderung in den<br />

unterschiedlichen Ländern und Gesellschaften je nach politischem, sozialem,<br />

rechtlichem und ökonomischem Umfeld des Herkunftslandes sowie je nach<br />

persönlichen Merkmalen, Ressourcen und Verhaltensweisen der individuellen<br />

MigrantInnen (vgl. IOM 2006, S. 1). So wird Migration beispielsweise zugeschrieben,<br />

dass sie Arbeitslosigkeit in den Herkunftsländern verringern, Entwicklung durch<br />

finanzielle Rücküberweisungen fördern, Wissen und Fähigkeiten verbessern und<br />

neue Technologien einführen kann. Migration kann das individuelle<br />

Haushaltseinkommen erhöhen, kann Menschen zu hochwertigerer Nahrung<br />

verhelfen, zu besserer Gesundheit, Wohnmöglichkeit und Ausbildung. Im Hinblick<br />

auf Gemeinschaftsaktivitäten können verschiedene Fortschritte (wie etwa die<br />

Verbesserung lokaler Gesundheit, der Sanitäranlagen oder der gesamten<br />

Infrastruktur) auch für Familien erreicht werden, die keine MigrantInnen ins<br />

Ausland entsendet haben. Zudem können MigrantInnen auch selbst im<br />

Herkunftsland Investitionen tätigen bzw. diesbezügliches Lobbying betreiben.<br />

Migration kann jedoch auch Ungleichheit erhöhen, notwendige Arbeitskräfte der<br />

produktivsten Gesellschaftsmitglieder ins Ausland schicken sowie Familienleben<br />

und soziale Beziehungen irritieren 7 (vgl. Dayton-Johnson et al. 2007, S. 65 sowie CDR<br />

2002).<br />

7 Für Details siehe die folgenden Kapitel.<br />

20


Der Ökonom Philip L. Martin versuchte den Zusammenhang zwischen Migration<br />

und Entwicklung im Jahr 2004 in einer Studie für die International Labour Organization<br />

(ILO) folgendermaßen zusammenzufassen: die „3 R’s“ beschreiben den Einfluss der<br />

MigrantInnen, den sie auf die Entwicklung ihrer Herkunftsländer haben könnten:<br />

• „Recruitment“ (abhängig davon, ob MigrantInnen arbeitslose oder<br />

hochqualifizierte Personen in den Herkunftsländern seien);<br />

• „Remittances“ (also die Rücküberweisungsgelder, die von MigrantInnen nach<br />

Hause gesendet werden);<br />

• „Returns“ (in Herkunftsland zurückkehrende MigrantInnen)(vgl. Martin 2004,<br />

S. 7) 8.<br />

Der wohl entscheidendste Grund, warum die <strong>entwicklung</strong>spolitische Relevanz von<br />

MigrantInnen in den vergangenen Jahren in Wissenschaft und Politik<br />

verhältnismäßig hohe Aufmerksamkeit erlangte, ist der rasante Anstieg weltweiter<br />

Rücküberweisungen. Die Weltbank stellte fest, dass zwischen 1990 und 2007 die<br />

Summe der registrierten Rücküberweisungen in Entwicklungsländer von 31 auf 251<br />

Mrd. US $ anstieg (World Bank 2008). Ihr Volumen ist damit – allein auf offiziellem<br />

Wege - doppelt so groß wie die gesamte offizielle Entwicklungshilfe (vgl.<br />

Baraulina/Borchers 2008). Zudem erreichen sie mit weit weniger Reibungsverlusten<br />

die Bevölkerung direkt und fließen kontinuierlicher, während bei der<br />

Entwicklungszusammenarbeit hohe Overhead-Kosten entstehen und viele<br />

InteressentInnen Einfluss auf die Verwendung sowohl in den Geber- wie in den<br />

Empfängerländern nehmen. Staatliche Entwicklungshilfe ist zudem von den<br />

politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in den reichen Ländern abhängig und<br />

daher großen Schwankungen unterworfen (vgl. Thränhardt 2008, S. 102f.).<br />

Diese hohen Geldsummen veranlassten u. a. internationale Organisationen, wie eben<br />

beispielsweise die Weltbank, das Potential der rücküberweisenden<br />

8 Diese Aufzählung ist m. E. nach unvollständig, da beispielsweise soziale Rücküberweisungen und<br />

zirkuläre Migrationsformen völlig außer Acht gelassen werden (vgl. dazu auch die folgenden Kapitel<br />

dieser Arbeit).<br />

21


Diasporagemeinden genauer in den Blickwinkel zu nehmen und diese Gelder als<br />

Chance für ökonomische Entwicklung und Armutsreduktion in ihren<br />

Herkunftsländern anzusehen, was sich wiederum in einer Flut von Studien,<br />

Konferenzen und politischen Handlungsempfehlungen niederschlug (vgl. Vertovec<br />

2006, S. 6 sowie Knerr 2008). Doch auch in vielen anderen politischen Bereichen ist<br />

Migration von Bedeutung: hierzu zählen Außenpolitik, Handel, Beschäftigung,<br />

Menschenrechte, Gleichheit von Frauen und Männern, Gesundheit, Sicherheit und<br />

Grenzkontrolle (vgl. GCIM 2005, S. 67).<br />

2.5 Von Widersprüchen und Paradoxien<br />

2.5.1 Entwicklungsgelder und Migrationskontrolle<br />

In der politischen Praxis hat die Verknüpfung von Entwicklungshilfe und Migration<br />

aber ein weniger freundliches Gesicht, so der Journalist Beat Weber (2008, S. 21): „Die<br />

EU und andere Industriestaaten suchen vor allem ‚Sicherheitslösungen’: Es geht<br />

darum, die Ursprungsländer von Migration zu bewegen, gegen die Auswanderung<br />

vorzugehen bzw. abgeschobene MigrantInnen wieder aufzunehmen“. Diese<br />

Zusammenarbeit werde dann mit Geld belohnt, es gäbe zudem starke Tendenzen<br />

innerhalb der EU, die Gewährung finanzieller Unterstützung für Drittstaaten an<br />

deren „Kooperationsbereitschaft“ in Migrationsfragen zu knüpfen, also Maßnahmen<br />

gegen irreguläre AuswandererInnen zu fordern (vgl. Weber 2008, S. 21). Auch ein<br />

Bericht der OECD von 2007 beschreibt deutlich, worauf Entwicklungsgelder<br />

keinesfalls abzielen sollen: die Im<strong>migration</strong> zu stoppen oder zu kontrollieren. Da die<br />

Verbindungen zwischen Hilfsgeldern und wirtschaftlichem Wachstum schwach<br />

seien gäbe es keine Garantie, dass sich die Migrationsbereitschaft verringern würde.<br />

Wiederum wird auf die bereits von Weber scharf kritisierte Verknüpfung von<br />

Entwicklungsförderung und der Kontrolle von irregulärer Migration hingewiesen<br />

und als nicht zielführend bewertet; Entwicklungsgelder sollen auch weiterhin der<br />

Armutsreduktion und nicht der Migrationskontrolle dienen (vgl. Dayton-Johnson et<br />

al. 2007, S. 66).<br />

22


2.5.2 Dominanz der Zielländer und internationaler Agenturen<br />

Die verschiedenen Sichtweisen erscheinen v. a. im Bereich der<br />

<strong>entwicklung</strong>spolitischen Policy-Diskussion insgesamt als erstaunlich konsensuell,<br />

insofern als Migration zunehmend positiv im Sinne eines Potentials für alle<br />

Beteiligten betrachtet wird. Dennoch ist auffällig, dass die Thematik nur selten von<br />

der Perspektive der primär Betroffenen, also der MigrantInnen, aufgerollt wird;<br />

hauptsächlich steht die Frage des Kosten-Nutzen-Verhältnisses für Herkunfts- und<br />

Zielländer im Mittelpunkt (vgl. Langthaler 2008, S. 6). Auch ein kürzlich von IOM<br />

herausgegebener Sammelband, der sich mit „Perspectives from the South“<br />

beschäftigt, kritisiert die Dominanz von Regierungen aus dem Norden und von<br />

internationalen Agenturen; so seien Staaten des Südens und zivilgesellschaftliche<br />

Organisationen zwar als PartnerInnen für Programmimplementationen gefragt,<br />

jedoch nicht als gleichwertige Anspruchsgruppen bei der Erarbeitung von Prinzipien<br />

und Prioritäten (vgl. Castles/Wise 2008, S. 3f.).<br />

2.5.3 Die Absenz des Begriffes „Entwicklung”<br />

Eine der – nicht nur für mich – erstaunlichsten Kuriositäten und wohl auch<br />

Schwachstellen in der gesamten Diskussion um den Migration-Entwicklungs-Nexus<br />

stellt jedoch die meist völlige Absenz der Auseinandersetzung mit dem Begriff der<br />

„Entwicklung“ dar. Das Konzept der „Entwicklung“ wird kaum jemals definiert, die<br />

meisten Ansätze tendieren unausgesprochen und wohl auch unreflektiert zur<br />

Annahme, dass Entwicklung durch eine Steigerung des (Brutto)Inlandproduktes<br />

belegt werde (vgl. de Haas 2007a, S. 1). Auch Castles und Wise merken an, dass -<br />

über die rein ökonomische Betrachtungsweise von Entwicklung hinaus - auch das<br />

implizite Verständnis von u.a. der Einführung der Marktwirtschaft als alleinige<br />

Möglichkeit hinterfragt werden muss, da in verschiedenen Gesellschaften eine<br />

Integration in die internationale Ökonomie derzeit durch Profitinteressen von<br />

multinationalen Konzernen dominiert werde (vgl. Castles/Wise 2008, S. 9f.) 9 .<br />

9 Auch der Niederländer Hein de Haas weist in diesem Zusammenhang auf den breiteren Begriff der<br />

Entwicklung des indischen Nobelpreisträgers Amartya Sen hin (vgl. de Haas 2007a, S. 2). Diese Arbeit<br />

versucht einem breiteren Ansatz von Entwicklung als dem rein ökonomischen zu folgen, mangels<br />

undifferenzierter Literatur kann dies jedoch nicht gänzlich durchgehalten werden.<br />

23


3. EXKURS: VOM MYTHOS, DASS ENTWICKLUNG MIGRATION<br />

STOPPEN WIRD<br />

Ich lernte viel an diesem Fall.<br />

Ich lernte, dass keine Lüge zu plump ist,<br />

als dass die Leute sie nicht glauben würden,<br />

wenn sie ihrem geheimen Wunsch, sie zu glauben,<br />

entgegenkommt.<br />

[Christa Wolf: Medea]<br />

Vorab gilt es, eine nach wie vor dominante Meinung (welcher auch ich lange Zeit<br />

mangels besseren Wissens anhing) zu diskutieren und zu hinterfragen: nämlich dass<br />

Entwicklung Migration zu verhindern vermag.<br />

Im Westen wurde Im<strong>migration</strong> von Menschen aus Entwicklungsländern – vor allem<br />

seit Mitte der 1970er Jahre - zusehends als Problem gesehen, welches der Kontrolle<br />

bedarf; Migration wurde zur Belastung, wenn nicht gar zur Bedrohung für<br />

ökonomisches Wachstum, soziale Kohäsion und den Wohlfahrtsstaat hochstilisiert.<br />

Diese latent vorhandenen Gefühle wurden in der Zeit nach 9/11 noch verstärkt, so<br />

ist es nicht weiter verwunderlich, dass beispielsweise die Europäische Kommission<br />

im Jahre 2002 den Vorschlag machte, EU-Entwicklungsgelder an die Bereitschaft von<br />

Drittländern zu knüpfen, zurückkehrende, eventuell auch irreguläre MigrantInnen<br />

wieder aufzunehmen (vgl. de Haas 2007, S. 2).<br />

Seit relativ kurzer Zeit setzen PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen nun große<br />

Hoffnungen in temporäre und zirkuläre Migration. Auf den ersten Blick scheinen<br />

diese Meinungen lobenswert und vor allem sinnvoller als ausschließlich auf<br />

Repression beruhende Politik, jedoch ist die These, dass Hilfe, Handel und<br />

<strong>migration</strong>sgetriebene Entwicklung Migration an sich reduzieren werde,<br />

problematischer als es vorerst den Anschein hat. Es reflektiert zum einen die<br />

implizite Annahme, dass Migration unerwünscht und somit ein Problem darstellt –<br />

und gilt somit quasi als Antithese von Entwicklung. Dies ist ein zweifelhafter<br />

Rückschluss in Anbetracht der Tatsache, dass Migration immer ein Bestandteil der<br />

25


Menschheit war. Zweitens – auf analytischer Ebene – basiert dieser Glaube auf der<br />

These, dass Entwicklung in Entsendeländern Migration reduzieren würde (vgl. de<br />

Haas 2007, S. 3f.). So kommt es beispielsweise zur Paradoxie, dass rückkehrende<br />

MigrantInnen signifikante AkteurInnen in der Entwicklung des Herkunftslandes<br />

werden können; <strong>migration</strong>sgetriebene Entwicklung würde jedoch eventuell Gründe<br />

für Migration entfernen und folglich könnte Migration eine Medizin gegen Migration<br />

werden (vgl. de Haas, 2005b, zit. n. de Haas 2007, S. 12). Zudem gibt es nach wie vor<br />

keinen empirischen Beweis dafür, dass Hilfs- und Handelspolitik einen signifikanten<br />

Einfluss auf die Migrationsneigung von Menschen darstellen (vgl. Nyberg-Sorensen<br />

et al. 2002a; Stalker 2002, zit. n. de Haas 2007, S. 13).<br />

Die Idee, dass Entwicklung zu weniger Migration führen würde, basiert auf der<br />

populären Meinung, dass die Ärmsten, „the hungry and the desperate“ (King und<br />

Schneider 1991, zit. n. de Haas 2007, S. 18) die höchste Migrationstendenz zeigten.<br />

Die Realität verweist jedoch darauf, dass nicht die Allerärmsten migrieren, da sie die<br />

relativ hohen Kosten und Risiken von internationaler Migration nicht tragen können.<br />

Internationale MigrantInnen kommen tendenziell nicht aus den<br />

unterprivilegiertesten Gesellschaftsschichten oder Familien, die Länder mit dem<br />

geringsten Bruttonationalprodukt und dem höchsten Bevölkerungswachstum sind<br />

auch nicht jene, die die höchsten MigrantInnenraten hervorbringen (vgl. Olesen 2002,<br />

zit. n. de Haas 2007, S. 21). Adams und Page stellten in einer 2003 (S. 1)<br />

veröffentlichten Studie fest, dass internationale MigrantInnen vor allem aus jenen<br />

Einkommensgruppen stammen, die in Entwicklungsländern mit mittlerem<br />

Einkommen gerade oberhalb der Armutsgrenze liegen. Der deutsche<br />

Migrationswissenschaftler Thränhardt (2005, S. 5) geht zudem davon aus, dass diese<br />

Menschen im Modernisierungsprozess stehen: gerade ArbeitsmigrantInnen fliehen<br />

meist nicht aus dem Elend, sondern eher in Erwartung, ein besseres oder stabileres<br />

Auskommen zu erreichen bzw. ihren sozialen und ökonomischen Status zu<br />

verbessern (vgl. Stark 1991, zit. n. de Haas 2007, S. 18). Jene Länder, die weltweit am<br />

meisten Arbeitskräfte exportieren, sind typischerweise „upper-lower“ bis „lower-<br />

middle income countries“ (z.B. Mexiko, nordafrikanische Länder und die<br />

Philippinen) (vgl. de Haas 2007, S. 21).<br />

26


Hein de Haas weist unter Berufung auf verschiedene Studien 10 vor allem auf das<br />

Paradoxon hin, dass der Prozess von sozialer und ökonomischer Entwicklung<br />

generell mit höheren Mobilitäts- sowie Migrationszahlen – zumindest in kurzen bis<br />

mittelfristigen Termini – zu assoziieren sei: eine Erhöhung des Wohlstandes, auch<br />

verbesserte Bildung, Infrastruktur, Sicherheit, Zugang zu Medien und andere<br />

Informationsquellen trügen zur Stimulation und Motivation von potentiellen<br />

MigrantInnen bei (vgl. de Haas 2007, S. 20). So beschrieben Martin (1993) bzw.<br />

Martin & Taylor (1996, beide zit. n. de Haas 2007, S. 21) erstmals die Anatomie des<br />

“<strong>migration</strong> hump”:<br />

(Quelle: Thränhardt 2008, S. 112)<br />

Gemäß dieser Theorie stellt eine ansteigende Zahl an MigrantInnen in einer<br />

Anfangsphase von Entwicklung - der Phase des so genannten „Migrationsbuckels“<br />

also - einen gängigen Teil dieses ökonomischen Prozesses dar. Erst nach einer länger<br />

andauernden Zeit von nachhaltiger Entwicklung, wenn die weiter wachsende<br />

Wirtschaft mehr Arbeitskräfte aufnehmen kann und die Geburtenrate sinkt,<br />

10 Faini and Venturini 1993, Martin and Tylor 1996, Rotte et al. 1997, Russel and Teitelbaum 1992,<br />

Skeldon 1997, Vogler and Rotte 2000, Weintraub and Díaz-Biquets 1994; alle zit. n. de Haas 2007, S. 18.<br />

27


transformieren diese Länder von ArbeitskräfteexporteurInnen zu –importeurInnen.<br />

Dies ließ sich in den letzten Dekaden im südlichen Europa (z.B. Spanien, Italien,<br />

Griechenland, kürzlich erst in Portugal und Irland) sowie in mehreren<br />

südostasiatischen Ländern wie etwa Malaysia, Taiwan oder Südkorea beobachten<br />

(vgl. de Haas 2007, S. 21f. sowie Thränhardt 2005, S. 5).<br />

So ergibt sich das Paradoxon, dass eben genau jene Wirtschaftspolitik, die Migration<br />

auf lange Sicht hinweg verringern kann, sie auf kurze Sicht erhöht; in den Worten<br />

der Europäischen Kommission stellt dies „a very real short-term versus long-term<br />

dilemma” (zit. n. Martin 2004, S. 19) dar, das jedoch den Preis wert sei (vgl. Martin<br />

2004, S. 19 sowie Council of the European Union 2006, S. 4). Diese Tatsachen gilt es<br />

zu beachten, wenn nach – meist tagespolitisch angeblich notwendigen – rasch<br />

wirksamen Lösungen gesucht wird.<br />

28


4. AKTEURiNNEN DES DISKURSES ÜBER MIGRATION UND<br />

ENTWICKLUNG<br />

4.1. Internationale und nationale AkteurInnen<br />

Freilich gibt es überall Erlässe<br />

Willkür, Ordnung, Polizeigewalt<br />

und man fragt die Wolken: Habt ihr Pässe?<br />

Und den Baum: Wo ist dein Aufenthalt?<br />

[Bertolt Brecht: Flüchtlingsgespräche]<br />

Derzeit sind hauptsächlich internationale Organisationen sowie Regierungen aus<br />

dem reicheren Norden die „Global player“ des Migration-Entwicklungs-Diskurses;<br />

eine Vielzahl von AkteurInnen und Interessensgruppen versucht die jeweils ihr<br />

adäquat erscheinende Einflussnahme 11 .<br />

4.1.1 Meilensteine der internationalen Diskussion<br />

• 2005: Bericht der Global Commission on International Migration (GCIM)<br />

• 2006: United Nations High-Level Dialogue on Migration and Development, New<br />

York, September<br />

• 2006: Zwei europäisch-afrikanische Ministerkonferenzen (in Marokko und<br />

Libyen) zu “Migration und Entwicklung”<br />

• 2007: Global Forum on Migration and Development, Brüssel, Juli<br />

• 2008: Zweites Treffen des Global Forum on Migration and Development in<br />

Manila, Oktober<br />

4.1.2 Positionen und Strategien der Vereinten Nationen (UN)<br />

In den UN und ihren verschiedenen Unterorganisationen gewinnt das Thema<br />

Migration und Entwicklung zunehmend an Gewicht. Im Jahre 2003 wurde eine<br />

„Weltkommission für Internationale Entwicklung“ (Global Commission on International<br />

Migration) eingesetzt, die ihre Arbeit im Oktober 2005 mit der Vorlage des Berichtes<br />

11 Die sich daraus häufig ergebenden Interessenskonflikte werden im Kapitel über „Kohärente Politik“<br />

genauer betrachtet.<br />

29


an den Generalsekretär der UN, Kofi Annan, abschloss; dem ging ein<br />

kontinuierlicher Dialog mit ExpertInnen, RegierungsvertreterInnen, VertreterInnen<br />

von NGOs, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft voran (vgl. GCIM 2005, S. vii).<br />

Als großer Verdienst dieser Kommission wird die Einleitung des<br />

Paradigmenwechsels – vom Fokus auf ausschließlich Probleme und Risiken der<br />

Migration hin zu Potentiale und Chancen – gesehen (vgl. Hungerbühler 2007, S. 22).<br />

Dies führte dann zum „Hochrangigen Dialog der Generalversammlung der<br />

Vereinten Nationen“ (High-Level Dialogue) im Herbst 2006 und zum daran<br />

anknüpfenden „Global Forum on Migration and Development“ als zentrale<br />

Diskussionsstrukturen zum Thema auf internationaler Ebene. Die Mitgliedstaaten<br />

der UN hielten in einer Resolution fest, dass die Zusammenhänge zwischen<br />

Entwicklung und Migration sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance für<br />

Herkunfts-, Transit- und Zielländer seien, von der die globale Gemeinschaft<br />

profitieren kann; MigrantInnen und Migration trügen grundsätzlich zu Entwicklung<br />

bei. Rund ein Jahr danach fand in Brüssel das erste, im Oktober 2008 auf den<br />

Philippinen das zweite Global Forum on Migration and Development statt; diese Foren<br />

beinhalten einerseits eine Konferenz von RegierungsvertreterInnen, andererseits ein<br />

Treffen von zivilgesellschaftlichen Institutionen und sind vor allem dem<br />

Praxisaustausch gewidmet (vgl. Langthaler 2008, S. 6ff.).<br />

Aus Sicht der UN bzw. des Globalen Forums sind folgende Positionen und<br />

Maßnahmen wichtig, um Migration zu einem positiven Phänomen für alle zu<br />

machen:<br />

30<br />

♦ Stärkere Verknüpfung von Migrationspolitik mit Entwicklungspolitik,<br />

Migration kann jedoch kein Ersatz für Entwicklungsstrategien sein;<br />

♦ Gewährleistung von Grundrechten, Implementierung der<br />

Menschenrechtskonventionen, Reduktion der Verletzbarkeit von Frauen;<br />

♦ Abbau von Diskriminierung und verbesserte Integration;<br />

♦ Ermöglichung zirkulärer Migration;<br />

♦ Optimale Nutzung der Fähigkeiten und Erfahrungen von MigrantInnen für<br />

das Herkunftsland sowie Reintegrationsmaßnahmen;


♦ Nutzung von Diasporanetzwerken für Entwicklungsprojekte und<br />

Integrationspolitik, Bedingungen für Rücküberweisungen verbessern,<br />

Transfer von Know-how und Technologien;<br />

♦ Implementierung von Maßnahmen, die negativen Effekte der Abwanderung<br />

Hochqualifizierter abfedern und deren Rückkehr erleichtern;<br />

♦ Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen im Heimatland (vgl.<br />

Langthaler 2008, S. 6ff.).<br />

Die Weltkommission für internationale Migration betonte, dass es der<br />

internationalen Gemeinschaft bislang nicht gelungen sei, das positive Potential<br />

weltweiter Migration voll auszuschöpfen und sich den Chancen und<br />

Herausforderungen, die sie mit sich bringen, zu stellen. Daher seien neue Ansätze<br />

erforderlich, um dies zu korrigieren (vgl. GCIM 2005, S. 2). Dennoch wurde deutlich<br />

auf die positiven Wirkungen von gut geregelter Migration – und zwar für die<br />

MigrantInnen und ihre Familien selbst, für die Herkunfts- sowie die<br />

Einwanderungsländer – hingewiesen (vgl. Thränhardt 2008, S. 102).<br />

4.1.3 Positionen und Strategien der Europäischen Union (EU)<br />

Bereits im Jahr 1994 empfahlen die europäischen MinisterInnen für<br />

Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Kommission, die Möglichkeit zu<br />

prüfen, ob Entwicklungshilfegelder verwendet werden könnten um den<br />

Migrationsdruck zu vermindern. Ein Jahr später wurde diesbezüglich bei der<br />

„Europa-Mittelmeer-Konferenz“ in Barcelona vereinbart, die Kooperation zu<br />

verstärken (vgl. DGIS 1996, zit. n. de Haas 2007, S. 11). Jedoch erst in den letzten<br />

Jahren versuchte die EU zunehmend den Link zwischen Migration und Entwicklung<br />

zu forcieren; zahlreiche bi- und multilaterale Konferenzen (z.B. „Euro-African<br />

Ministerial Conference on Migration and Development“ in Rabat im Juli 2006, „EU-<br />

Africa Ministerial Conference on Migration and Development“ in Tripolis im<br />

November 2006, „EU-Afrika-Gipfel“ in Lissabon im Dezember 2007) sowie etliche<br />

Policy-Dokumente weisen auf die zunehmende Bedeutung der Thematik hin, wobei<br />

Afrika und der Mittelmeerraum die Schwerpunktregionen bilden (vgl. Langthaler<br />

2008, S. 6ff.). So zeigt sich die EU überzeugt, dass Migration - „when managed<br />

31


effectively“ – positive Auswirkungen auf die Zielländer sowie auf die<br />

Herkunftsländer haben kann (vgl. Council of the European Union 2006, S. 2) 12.<br />

Der von der EU-Kommission 2006 veröffentliche Gesamtansatz in der<br />

Migrationsfrage will zu einem umfassenden europäischen Migrationskonzept führen<br />

und fokussiert auf:<br />

32<br />

♦ die Bekämpfung von Migrationsursachen: durch EU-kohärentere<br />

Entwicklungs- sowie Migrationspolitik, Armutsminderung und die<br />

Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in den<br />

Herkunftsländern;<br />

♦ die Schaffung von Möglichkeiten legaler Migration: dies gilt als<br />

wichtiger Punkt zur Deckung des europäischen Bedarfs an<br />

Arbeitskräften durch zirkuläre Migration insbesondere für<br />

hochqualifizierte Arbeitskräfte und SaisonarbeiterInnen 13 , auch die<br />

Errichtung von Migrationszentren in Afrika soll dazu beitragen. Eine<br />

weitere Maßnahme ist die Vereinbarung von Migrationspaketen mit<br />

Drittländern, in denen Rückübernahme und wirksamer Grenzschutz<br />

als eine mögliche Vorbedingung für erleichterte Visumserteilungen<br />

vereinbart werden sollen;<br />

♦ die Bekämpfung irregulärer Migration: hier werden insbesondere<br />

Steuerungsmechanismen wie Grenzschutz und –verwaltung, aber auch<br />

der Schutz der MigrantInnenrechte betont, zudem wird die<br />

gegenseitige Pflicht der EU- bzw. der AKP-Staaten eingemahnt,<br />

StaatsbürgerInnen, die sich illegal im jeweiligen Hoheitsgebiet<br />

aufhalten, wieder in das Herkunftsland aufzunehmen 14 ;<br />

12 Von 2001 bis 2003 gab es sogar eine eigene Budgetrichtlinie zum Thema „Cooperation with Third<br />

Countries in the Area of Migration (B7-667) als erwähnenswertes Politikinstrument (vgl. CSES 2007).<br />

13 Dies blieb bislang jedoch im Bereich der uneingelösten Versprechungen, wie die AGEZ 2007<br />

kritisierte (vgl. AGEZ 2007, S. 5).<br />

14 Hierzu kritisiert die AGEZ, dass auf Verlangen einer Vertragspartei auch Verhandlungen über<br />

Rücknahmeabkommen nicht nur der eigenen StaatsbürgerInnen, sondern auch von<br />

Drittstaatsangehörigen und staatenlose Personen aufgenommen werden können. Druck erfolge über<br />

die Vergabe von Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit: „So ist die Ausschöpfung von Mitteln aus


♦ die Integration in den Zielländern (vgl. Langthaler 2008, S. 6ff.).<br />

Zudem will die Kommission mit Hilfe eines Bündels von konkreten Maßnahmen<br />

finanzielle Überweisungen in die Herkunftsländer erleichtern, die Rolle der in den<br />

Mitgliedstaaten angesiedelten Diaspora als AkteurInnen zur Entwicklung der<br />

Herkunftsländer fördern, Anregungen zur Rückkehr in das Herkunftsland bieten<br />

sowie die nachteilige Wirkung des Braindrain mindern (vgl. KOM 2005).<br />

Im November 2007 wurden die „Council Conclusions on coherence between EU<br />

<strong>migration</strong> and development policies“ veröffentlicht; diese Maßnahmen blieben<br />

jedoch unverbindlich. Insgesamt zeigen die EU-Policy-Dokumente unterschiedliche<br />

Schwerpunktsetzungen, letztlich scheint jedoch die Kontrolle der Migrationsflüsse<br />

im Vordergrund zu stehen. Dies ist etwa auch im Annex zum Gesamtansatz sichtbar,<br />

in dem der Bereich Migrationskontrolle mit Hilfe der beiden Instrumente der<br />

Europäischen Grenzagentur FRONTEX und des „Mediterranean Coastal Patrols<br />

Network“ (MEDSEA) weitaus mehr Raum einnimmt als andere Maßnahmen. Trotz<br />

gegenteiliger Bemühungen wird Migration auf europäischer Ebene offenbar<br />

vorrangig als Sicherheitsproblem wahrgenommen, dementsprechend bestimmen<br />

europäische Sicherheitsinteressen die EU-Migrationsagenda (vgl. Langthaler 2008, S.<br />

6ff.). Dies wurde auch von der AGEZ in ihrem Positionspapier zu „Migration und<br />

Entwicklung“ scharf kritisiert: „Entwicklungszusammenarbeit wird demnach nicht<br />

nur als wichtig für die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration gesehen,<br />

sondern auch in den Dienst einer repressiven EU-Migrationspolitik gestellt“ (AGEZ<br />

2007, S. 3f.).<br />

Zumindest programmausschreibungsmäßig wurde man auf internationaler Ebene<br />

tatsächlich aktiv. In Zusammenarbeit mit der EU-Kommission haben verschiedene<br />

UN-Organisationen unter Federführung des Entwicklungsprogramms der Vereinten<br />

Nationen (UNDP) die „Joint Migration and Development Initiative“ (JMDI 2009) ins<br />

dem 10. Europäischen Entwicklungsfond (EDF) für die AKP-Staaten nur bei ‚Good Governance’<br />

einschließlich Kooperation im Bereich Migration vorgesehen“ (AGEZ 2007, S. 5).<br />

33


Leben gerufen. Ein erster Projektaufruf wurde am 1. Dezember 2008 gestartet und<br />

lief bis Ende März 2009, einsehbar unter www.<strong>migration</strong>4development.org 15.<br />

4.1.4 Positionen und Strategien der “Organization for Economic Co-operation and<br />

Development” (OECD)<br />

Migration hat in den letzten Jahren auch in den OECD-Diskussionen einen hohen<br />

Stellenwert eingenommen, die OECD fordert generell ein neues Herangehen im<br />

Sinne einer Bewertung von Migration als Potential für alle Beteiligten. Ziel ist die<br />

Schaffung eines internationalen Mobilitätssystems, analog zu den liberalisierten<br />

Handels- und Kapitalverkehrssystemen. Die OECD richtet ihre Untersuchungen und<br />

Empfehlungen – mit dem Schlagwort „Partnerschaften für Mobilitätsmanagement“<br />

insbesondere an die EU:<br />

34<br />

♦ Mehr Kohärenz und größeren Synergien zwischen den einzelnen<br />

Politikbereichen (Entwicklungs- und Migrationspolitik, Handel mit<br />

Dienstleistungen sowie Sicherheit) der EU sowie ihrer Mitgliedsländer<br />

werden gefordert, damit Entwicklungsländer ebenfalls die Chancen der<br />

Migration nützen können;<br />

♦ Entwicklungsländer sollen unterstützt werden, Migration in ihre nationalen<br />

Entwicklungsstrategien zu integrieren;<br />

♦ Strukturen des Migrationsmanagements müssen reformiert werden (in der EU<br />

sowie in den einzelnen Mitgliedsländern);<br />

♦ Diaspora-Netzwerke sollen unterstützt und in den Prozess der Policy-<br />

Ausarbeitungen in den Bereichen Arbeitsmarktpolitik, Integration und<br />

Entwicklungszusammenarbeit integriert werden (vgl. Dayton-Johnson et al.<br />

2007, S. 13).<br />

Während in den Policy-Papers der EU die Prioritätensetzung auf Steuerung der<br />

Migrationsströme durch Verhinderung von Auswanderung, Kontrolle und<br />

Rückführung liegt, setzt die OECD stärker auf Migrationsmangement im Rahmen<br />

15 Vgl. dazu das Interview 2: das darin beschriebene Projekt zu Solartechnik in Georgien wurde in der<br />

erwähnten Förderschiene eingebracht.


von Mobilitätspartnerschaften. Bemerkenswert ist die Betonung von Politikkohärenz<br />

und die Aufforderung an die EU, sich verstärkt um diese zu bemühen. Auffällig ist<br />

darüber hinaus, dass (menschen-)rechtliche Überlegungen vor allem aus den<br />

Positionen der UNO hervorgehen (vgl. Langthaler 2008, S. 6ff.).<br />

4.1.5 Positionen und Strategien der „International Organization for Migration“<br />

(IOM)<br />

Als eine der international federführenden Organisationen im Bereich der<br />

Migrationspolitik sei noch IOM genannt, für welche die Anerkennung der engen<br />

Beziehungen zwischen ökonomischer Entwicklung und Migration bereits in der<br />

Gründungsdeklaration von 1951 festgeschrieben wurde. So sei Migration als<br />

Querschnittsmaterie durch alle Entwicklungsthemen notwendig, vergleichbar mit<br />

Umweltschutz- oder Menschenrechtsmaßnahmen. IOM will dazu beitragen, dass<br />

relevante Brücken zwischen PolitikerInnen und AkteurInnen errichtet werden,<br />

beispielsweise in den Bereichen Migration und Handel innerhalb der<br />

Welthandelsorganisation und Weltbank, Migration und Gesundheit innerhalb der<br />

Weltgesundheitsorganisation, Migration und Entwicklung innerhalb nationaler<br />

Entwicklungsagenturen und RegierungspartnerInnen (vgl. McKinley in CMD 2006,<br />

S. 34f.).<br />

IOM lancierte beispielsweise das Programm “Migration for Development in Africa”<br />

(MIDA), welches verschiedene afrikanische Diasporagemeinden für die Entwicklung<br />

in ihrem jeweiligen Herkunftsland mobilisieren will. Zielgruppen sind<br />

SpezialistInnen, LehrerInnen und weitere qualifizierte Arbeitskräfte. Mittels e-<br />

learning – der „virtuellen Rückkehr“ (GCIM, 2005, 30) – kurzfristiger<br />

Arbeitseinsätzen oder dauerhafter Rückkehr sollen sie der Entwicklung ihres Landes<br />

förderlich sein (vgl. Zeugin/van Dok 2007, S. 78).<br />

35


4.1.6 Positionen und Strategien österreichischer AkteurInnen<br />

Österreich ist zwar zum Einwanderungsland geworden, dies<br />

36<br />

„(…) nicht freiwillig und nicht selbstbestimmt, sondern durch die faktische<br />

Entwicklung. (…) Zuwanderung war keine historische Ausnahme, sondern stellte die<br />

Regel dar. Von den über 8 Mio. EinwohnerInnen besitzen gegenwärtig ca. 750.000<br />

keine österreichische Staatsbürgerschaft. Der AusländerInnenanteil liegt daher bei<br />

rund 9%. (…) Das staatliche und in der Öffentlichkeit dominante Selbstbild hat auf<br />

diese Entwicklung nicht oder nur teilweise reagiert. Es sieht Österreich zwar als<br />

Asylland, als Zielland kurzfristiger Arbeits<strong>migration</strong>, aber nicht als<br />

Einwanderungsland. Zuwanderung wird als zeitlich begrenzte Ausnahme<br />

interpretiert und nicht als strukturelle Erscheinung einer ökonomisch wachsenden<br />

und demographisch schrumpfenden Gesellschaft“ (Fassmann/Stacher 2003, S. 7).<br />

So vermag es auch nicht verwunderlich erscheinen, dass das Thema „Migration und<br />

Entwicklung“ von staatlicher Seite „bisher völlig ignoriert“ (Langthaler 2009, S. 9)<br />

wurde. Erste Impulse kamen Ende 2007 vom damaligen Dachverband<br />

<strong>entwicklung</strong>spolitischer Organisationen („Arbeitsgemeinschaft<br />

Entwicklungszusammenarbeit“, AGEZ), der ein Positionspapier zu Migration und<br />

Entwicklung vorlegte, ansonsten gestaltet sich die Sachlage als sehr dürr:<br />

Dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten<br />

(BMeiA) ist das Thema Migration im „Dreijahresprogramm der österreichischen<br />

Entwicklungspolitik 2008 bis 2010“ insgesamt eine halbe Seite wert: es wird auf die<br />

international gestiegene Bedeutung des Themas Migration und Entwicklung<br />

hingewiesen, die Schnittstelle zwischen den Schwerpunktländern der<br />

österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) und Migration nach Europa<br />

bestehe vor allem im Bereich Südosteuropa. So unterstützt die OEZA<br />

<strong>entwicklung</strong>spolitisch positive Migrationsformen, „die sich aus den<br />

Mobilitätspartnerschaften auf EU-Ebene ergeben können“ (BMeiA 2008, S. 47), dies<br />

wird jedoch nicht weiter ausgeführt. Auch setzt sich die OEZA das Ziel,<br />

Möglichkeiten zu eruieren, damit Geldrücksendungen von MigrantInnen zur<br />

Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben eingesetzt werden können.<br />

„Zur Minderung von Brain Drain veranstaltet die OEZA jährlich einen Wettbewerb<br />

für StudentInnen aus Westbalkan-Staaten mit anschließender Berufsmesse. In<br />

Südosteuropa engagiert sich die OEZA auch aktiv im Kampf gegen Menschenhandel


und im SADC-Raum im Rahmen mehrjähriger Projektinitiativen gegen Frauen- und<br />

Mädchenhandel“ (BMeiA 2008, S. 47).<br />

Leicht ungläubig ob dieser überaus kurzen Abhandlung des weltweit so intensiv<br />

diskutierten Themenkomplexes begann ich – per E-mail und wissenschaftlich<br />

unsystematisch, lediglich von persönlichem Interesse getrieben – nachzuforschen, ob<br />

dies tatsächlich der letzte Stand der Dinge sei:<br />

Laut Korrespondenz mit einer Mitarbeiterin des BMeiA (E-mail JV, 19.03.2009) liegt<br />

„(…) die Zuständigkeit für Migrationsagenden beim BMI“. Das Bundesministerium<br />

für Inneres (BM.I) wiederum verwies in der Zuständigkeit an das BMeiA (vgl. E-mail<br />

JB, 03.02.2009). Das ebenfalls angefragte Bundeskanzleramt verwies ebenfalls an das<br />

BMeiA (vgl. E-mail NF, 05.03.2009).<br />

IOM Österreich versucht das Thema Migration und Entwicklung zwar immer wieder<br />

unterzubringen, „schaffen es aber nicht wirklich“ (E-mail DR, 19.02.2009)<br />

Auf wissenschaftlicher Ebene wurden mir ausschließlich Einzelpersonen genannt,<br />

die am Institut für Internationale Entwicklung der Uni Wien unterrichten sowie am<br />

International Centre for Migration Policy Development (ICMPD), der Österreichische<br />

Akademie der Wissenschaften (ÖAW), dem Zentrum für Soziale Innovation (ZSI)<br />

oder der Österreichischen Forschungsstiftung für Entwicklung (ÖFSE) arbeiten (vgl.<br />

E-mail ML, 02.03.2009 sowie E-mail CP, 27.01.2009). Diese Personen beschäftigen sich<br />

jedoch kaum systematisch bzw. nur je nach Auftragslage mit der Thematik, waren<br />

sich aber der grundsätzlichen Wichtigkeit bewusst und bedauerten das mangelnde<br />

Interesse und daher auch die fehlenden Forschungsfinanzierungen von Seiten<br />

staatlicher Einrichtungen (vgl. E-mail ML, 02.03.2009, E-mail NF, 05.03.2009 sowie E-<br />

mail MF, 09.02.2009).<br />

Auf Ebene der NGOs hat die AGEZ im Jahre 2007 das bereits erwähnte<br />

Positionspapier zu „Migration und Entwicklung“ verfasst, diese Arbeitsgemeinschaft<br />

hat sich aber mittlerweile aufgelöst und der neue Dachverband („Globale<br />

Verantwortung“) verfolgt dieses Thema zur Zeit nicht (vgl. E-mail RS, 19.01.2009).<br />

37


Das Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC) bereitete im<br />

Februar 2009 ein transnationales Projekt zu diesem Thema vor, welches sie bei der<br />

EU-Kommission einreichten (vgl. E-mail MF, 09.02.2009), ob diese Einreichung<br />

erfolgreich war ist mir leider unbekannt. Zudem gibt es meines Wissens nach derzeit<br />

die Projektausschreibung www.<strong>migration</strong>4development.org, welche auch<br />

österreichrelevant ist (vgl. Interview 2).<br />

So unergiebig meine Forschungsversuche in diesem Bereich auch waren, alle<br />

AnsprechpartnerInnen waren sich zumindest im Punkt „da tut sich in Österreich nix<br />

bis kaum etwas“ einig.<br />

38


4.2 Von RückkehrerInnen und zirkulären MigrantInnen<br />

4.2.1 RückkehrerInnen<br />

4.2.1.1 Zur Idee von Rückkehr<br />

Wir alle sind jetzt die anderen.<br />

Jene, die Rudyard Kipling meinte,<br />

als er zu dem einfachen Schluss gekommen war,<br />

dass es im Grunde nur zwei Sorten von Männern und Frauen gibt:<br />

„Diejenigen, die zu Hause bleiben.<br />

Und die anderen.“<br />

[Andreas Altmann: Weit weg vom Rest der Welt]<br />

Bis in die 1990er Jahre hinein herrschte in der <strong>entwicklung</strong>sorientierten<br />

Migrationsforschung die Überzeugung, dass lediglich jene MigrantInnen zu<br />

AkteurInnen für Entwicklung in den Herkunftsländern würden, die in ihre Heimat<br />

zurückkehren (vgl. Baraulina/Borchers 2008). Die rückkehrorientierten<br />

MigrantInnen würden nicht beabsichtigen, sich zu integrieren, sondern versuchen,<br />

ihre im Aufenthaltskontext erworbenen Ressourcen in das Herkunftsland zu<br />

transferieren. Die Idee war, dass die potentiellen RückkehrerInnen zuerst ihr<br />

gespartes Geld schicken, dann bei erfolgter Rückkehr neue soziale Normen,<br />

professionelle Erfahrungen und Know-how übertragen und somit sozialen und<br />

ökonomischen Wandel antreiben würden. In der Realität blieb die Rückkehr in<br />

großer Zahl jedoch aus. Obwohl die EinwandererInnen Beziehungen zu ihren<br />

Verwandten und Bekannten in den Herkunftsorten aufrechterhielten, ließen sie sich<br />

in den Zielländern nieder, ihr Engagement beschränkte sich oft auf<br />

Geldüberweisungen an in der Heimat zurückgebliebene Familienmitglieder. Zudem<br />

verliefen Rückkehrprozesse selektiv, tendenziell kehrten eher jene zurück, die im<br />

Zielland nicht Fuß fassen konnten. Bei solchen RückkehrerInnen konnte man<br />

weniger auf den Wissenstransfer oder auf Transfer von besonderen<br />

<strong>entwicklung</strong>srelevanten Fähigkeiten und Kenntnissen hoffen, vielmehr musste man<br />

sich um die Reintegration der Zurückkehrenden Sorgen machen (vgl.<br />

Baraulina/Borchers 2008). Andere Studien gehen jedoch davon aus, dass auch<br />

weniger gebildete MigrantInnen Erfahrungen, Ideen und Kenntnisse zurückbringen,<br />

39


die ihrem lokalen Umfeld längerfristig von Nutzen sein und von einem neu<br />

gewonnenen transnationalen Beziehungsnetz bis zu einem veränderten<br />

Demokratieverständnis reichen können (vgl. Black et al. 2003b, zit. n. Wyss/Züger<br />

2007, S. 252f.). So passieren viele Transfers in der Praxis eher ungeplant, wie mein<br />

Interviewpartner 2 meinte:<br />

40<br />

„Als eher unbewussten Effekt (...). Der ist jetzt wieder im Kosovo und hat ein Café<br />

aufgemacht (...) in dem Sinne hätte er da das Wissen erworben, er hat sich gewisse Dinge hier<br />

anschauen können (...) und hat jetzt dort (...) ein Café aufgemacht (...). Ein Beispiel das halt so<br />

passiert ist, das war nicht bewusst so angelegt, aber das ist halt so passiert. (...) Ich denk mir,<br />

dass da fast jeder schon irgendwann mal was gemacht hat in diese Richtung.“<br />

4.2.1.2 Faktoren für erfolgreiche Rückkehr<br />

Grundsätzlich variiert der rechtliche, soziale und Bildungshintergrund der<br />

rückkehrenden MigrantInnen enorm: abgelehnte AsylwerberInnen, temporäre<br />

ArbeitsmigrantInnen, Hochqualifizierte, Studierende, SaisonarbeiterInnen,<br />

Ungelernte, Flüchtlinge und Personen mit zeitlich begrenztem Schutzstatus,<br />

irreguläre MigrantInnen, speziell Schutzbedürftige wie Opfer von Menschenhandel,<br />

ältere Menschen und Kinder. Manche gehen freiwillig ins Herkunftsland zurück,<br />

manche gezwungenermaßen. Auf Rückkehrende können viele Herausforderungen<br />

warten: z.B. Arbeitslosigkeit 16 , Dequalifizierung, soziale Ausgrenzung, das Fehlen<br />

von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, Sprachbarrieren für Kinder und alte<br />

Menschen, Sorgen über die persönliche Sicherheit (vgl. IOM 2005, S. 289); die<br />

mangelnde Portabilität von im Zielland erworbenen Sozialleistungsansprüchen (z.B.<br />

Pensionsversicherung) ist oft eine zusätzliche Erschwernis (vgl. IOM 2008, S. 81).<br />

Zuallererst muss die persönliche Sicherheit gewährleistet sein; weiters herrscht –<br />

zumindest unter ForscherInnen - ein breiter Konsens darüber, dass die Freiwilligkeit<br />

der Rückkehr Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Reintegration ist 17; diese<br />

16 Hier setzt das in einem Interview beschriebene Projekt an, welches die Caritas Steiermark<br />

gemeinsam mit der Österreichischen Caritaszentrale entwickelte und eine Schnittstelle zwischen<br />

Migrations- und Entwicklungszusammenarbeit herzustellen versucht: es ist geplant,<br />

SolartechnikerInnen in Österreich auszubilden, damit diese dann in Georgien das erhaltene Wissen<br />

weitergeben sowie weiterentwickeln können. Diese Projekteinreichung passierte Ende März 2009 über<br />

die Finanzierungsschiene www.<strong>migration</strong>4development.org (vgl. Interview 2); bis dato gibt es keine<br />

Entscheidung über eine Finanzierungszusicherung.<br />

17 Für (EU-)PolitikerInnen mag dies nur zum Teil gelten, Rückkehr wird als ein wichtiges Element des<br />

internationalen Migrationsmanagements angesehen: „The EU underscores that effective return


wiederum ist der entscheidende Faktor, damit sich Rückkehr <strong>entwicklung</strong>sfördernd<br />

auswirken kann. Die Nachhaltigkeit von Rückkehr wird in drei Teilbereichen<br />

definiert: physisch, sozioökonomisch und sicherheitspolitisch. Physische<br />

Nachhaltigkeit besagt, dass eine erneute Migration nicht mehr beabsichtigt ist,<br />

sozioökonomische Nachhaltigkeit beinhaltet soziale Sicherheiten wie den Zugang<br />

zum und Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt sowie Zugang zum Bildungs- und<br />

Gesundheitswesen. Sicherheitspolitische Nachhaltigkeit umfasst die Gewährleistung<br />

der Grundrechte, Zugang zu öffentlichen Diensten und Schutz vor Diskriminierung<br />

und Verfolgung. Ein weiterer wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Reintegration ist<br />

das Verhältnis der daheim gebliebenen Bevölkerung gegenüber den Rückkehrenden,<br />

die lokale Bevölkerung sollte durch Rückkehr- und Reintegrationsprojekte gar nicht<br />

oder nur positiv tangiert werden (vgl. Wyss/Züger 2007, S. 252f.). Auch hängt eine<br />

erfolgreiche Rückkehr und Reintegration wesentlich davon ab, wie gut der/die<br />

Betreffende im Aufnahmeland integriert war (vgl. Sieber und Scholer 2001, zit. n.<br />

Wyss/Züger 2007, S. 252f.), dies bestätigt auch ein Interviewpartner:<br />

„Es muss jemand auch bei uns in Würde leben können, damit er in Würde wieder<br />

zurückkehren kann. (…) Das, ich halte das schon für einen guten Ansatz, wenn einer, der hier<br />

Fuß fasst, zum Beispiel in seinem Ursprungsland eine Schule gründet. (...) Der hier bleibt,<br />

aber da ein Netzwerk schafft und (...) in Bildung investiert und weitergibt. Und da ein<br />

Netzwerk gewinnt, das wieder Begegnung schafft“ (Interview 4).<br />

Dennoch bleibt kritisch anzumerken, dass eine endgültige Rückkehr kaum eine<br />

nachhaltige Migrationspraxis darstellt. Erfolgreiche Rückkehr hängt ebenso von<br />

weiterführenden Einbindungen in Diaspora- oder transnationalen Netzwerke wie<br />

von der guten Verbindung zu lokalen Strukturen während der Abwesenheit ab.<br />

Paradoxerweise meint die dänische Migrationsforscherin Ninna Nyberg Sörensen<br />

(2007, S. 199) dazu: “Curiously, successful return <strong>migration</strong> may actually turn out to<br />

be of a more circular and temporary nature than the original movement.”<br />

Bei allen möglicherweise auftretenden Problemen wird deutlich, wie komplex, zeit-,<br />

ressourcenintensiv und fragil ein Rückkehrprozess ist. So ziehen manche<br />

Herkunftsstaaten es vor, potentiell Rückkehrwillige nicht allzu offensiv dazu<br />

policies are required” (Council of the European Union 2006, S. 7), wobei dies die Rückkehr durch<br />

Zwang (z.B. durch Abschiebungen) mit einschließt.<br />

41


aufzufordern, um damit Probleme vor Ort nicht noch zu verstärken (vgl. IOM 2005,<br />

S. 290). In letzter Zeit wird das mögliche Entwicklungspotential von<br />

RückkehrerInnen oder auch zirkulären MigrantInnen zusehends betont, die<br />

Maßnahmen hierfür bleiben meist noch unzureichend (vgl. IOM 2008, S. 78). Einige<br />

Länder haben inzwischen dennoch innovative Politikansätze entwickelt, um<br />

Rückkehr zu erleichtern: die Möglichkeit von Doppelstaatsbürgerschaft, die<br />

Erleichterung von finanziellen Transfers, Jobchancen über Internet anzubieten, etc.<br />

kann hilfreich sein (vgl. UN 2006, S. 63). Für diese Wiedereingliederungsmaßnahmen<br />

empfiehlt die Global Commission on International Migration den Einsatz von Geldern<br />

der Entwicklungszusammenarbeit, vor allem für gemeinschaftlich organisierte Hilfe<br />

in den am stärksten von Rückkehr<strong>migration</strong> betroffenen Gebieten (vgl. GCIM 2005,<br />

S. 37).<br />

4.2.1.3 Zur Praxisrelevanz von Rückkehroptionen<br />

Für im Bereich der MigrantInnenberatung arbeitende Menschen hat Rückkehr als<br />

mögliche Option im Migrationsgeschehen nach wie vor eine hohe Praxisrelevanz –<br />

die eventuell auch noch weiter ausgebaut werden könnte; so meinte etwa ein<br />

Interviewpartner:<br />

42<br />

„Es gibt in der Caritas, ist ja fast erfunden worden, in der Caritas fast erfunden worden: die<br />

Rückkehrhilfe. Jetzt nicht nur die staatlich organisierte (…) dass jemand, der hier nicht Fuß<br />

gefasst hat, doch auch in Würde heimkehren kann. Und nicht als Versager, der den Auftrag<br />

seines Clans, in den Westen nicht geschafft hat. (…) da denk ich da gibts durchaus noch<br />

Chancen in unserer Auslandshilfe, dass wir verstärkt schauen, wo kommen unsere<br />

Asylwerber und Migranten her und wie kann man da auch projektmäßig eine Brücke schaffen.<br />

(…) Aber das, ich glaub da ist schon noch Potential, dieses Netzwerk zu beflügeln. In der<br />

Hoffnung (...), dass hier ein menschlicher Austausch passiert (...). Und dann meine ich auch,<br />

dass eine Veränderung ein Geben und ein Nehmen ist, wenn - und ich halt die Caritas für<br />

eine Beziehungsförderin - wenn Beziehungsebenen hergestellt werden. Weil nur in der<br />

Begegnung verändert sich was. (...) Und dort wäre ein Caritasansatzpunkt, diese<br />

Beziehungsebenen aufzubauen, zu fördern, dann passiert auch viel mehr<br />

Bewusstseinsänderung bei uns. (...) Und bei Entwicklungszusammenarbeit gehts auch darum<br />

was können wir auch lernen“ (Interview 4).<br />

Aber auch in den Köpfen der hier lebenden MigrantInnen ist eine Rückkehr eine<br />

oftmals tatsächlich existierende Möglichkeit, wie eine Interviewpartnerin anmerkte:<br />

„Viele, die da bei uns arbeiten, also ich kenns jetzt von Bosnien, die bauen ihr Haus, Kroatien,<br />

ja überall. Die bauen ihr Haus und haben eigentlich vor, wieder hin zurückzugehen. (…) Also


ich kenn schon viele die dann so die Ferien einmal dort verbringen im Häusl und ich mein das<br />

ist jetzt die Frage, die jetzt in Pension gehen. Aber Rumänien weiß ich schon so konkret,<br />

dadurch dass es der Wirtschaft jetzt schlechter geht in Deutschland, es sind ja viele nach<br />

Deutschland ausgewandert oder Deutsche die dort leben, die jetzt zurückkommen wieder und<br />

schauen, können sie jetzt was bewirken, können sie dort was machen. Und dort hab ich schon<br />

sehr viele Projekte oder Initiativen von Deutschen. (…) es werden genauso Kirchen<br />

restauriert, Gebäude restauriert, auch im kulturellen Bereich ist sehr viel Austausch,<br />

Vernetzung da, also da ist denk ich wirklich, die entwickeln das Land damit ein bisschen. (...)<br />

Die sind in Deutschland, leben dort, und manche die jetzt halt (...) die jetzt wieder<br />

zurückgehen, ihr Häusl suchen (...). Aber da haben viele Haus oder Grund wieder<br />

zurückbekommen, das sie jetzt aufbauen anfangen. Oder die vielleicht arbeitslos geworden<br />

sind“ (Interview 5).<br />

Eine weitere Interviewpartnerin bestätigte den meist vorhandenen Wunsch von<br />

MigrantInnen, doch – irgendwann – in die Heimat zurückzukehren:<br />

„(…) und die investieren auch relativ viel ins eigene Land weil die meisten tun Haus bauen.<br />

(...) und in der Pension fast alle runter [Kosova, Anm. dp] gehen. (...) Die Eltern. Die Kinder<br />

wissen dann meist nicht was sie tun sollen, aber die meisten glaub ich gehen zurück in der<br />

Pension. (...) wenn sie noch Verwandte haben, wenn nicht die ganze Familie mitgegangen ist,<br />

wenn sie noch Geschwister haben, die noch leben. (…) die Studenten die ich kenn, alle wollen<br />

zurück, will keiner dableiben. (...) wennst a gute Ausbildung hast kannst dort gut leben“<br />

(Interview 6).<br />

So mag dies in den Köpfen vielleicht als „Rückkehr“ verstanden, definitionsgemäß<br />

könnte dies wohl auch als „zirkuläre Migration“ bezeichnet werden (siehe nächster<br />

Abschnitt). Für die Caritas Steiermark gilt festzuhalten, dass Rückkehroptionen auf<br />

jeden Fall von großer Bedeutung sind, die dementsprechender Vorbereitung und<br />

Durchführung bedürfen. Hier sollte verstärkt in eine individualisierte, kreativere<br />

Begleitung investiert werden, die den jeweiligen Bedürfnissen der MigrantInnen<br />

optimal angepasst wird. Es könnten zudem Maßnahmen überlegt werden, wie<br />

Wissenstransfer „nicht nur passiert“ sondern strukturierter möglich ist. Auch darf<br />

die notwendige Integration vorher – also im Migrationszielland – nicht außer Acht<br />

gelassen werden, da dies ja ein Ausgangspunkt einer erfolgreichen Rückkehr<br />

darstellt. Im Herkunftsland könnte eine verstärkte Kooperation mit bereits<br />

existierenden Caritas-Auslandshilfeprojekten erfolgen.<br />

43


4.2.2 Zirkuläre Migration<br />

4.2.2.1 Zur Definition von zirkulärer Migration<br />

Zirkuläre Migration meint das Aufrechterhalten der Beziehungen und das Pendeln<br />

zwischen Herkunfts- und Aufenthaltsort, das Engagement der zirkulären<br />

MigrantInnen resultiert dabei aus ihrer persönlichen und familiären<br />

Eingebundenheit in die sozialen Zusammenhänge der Herkunftskontexte 18. Erstmals<br />

wurde der Begriff 1982 von Graeme Hugo eingeführt, um die Binnen<strong>migration</strong><br />

Indonesiens zu beschreiben (vgl. mpi 2007, S. 2) und Ende der 1990er Jahre als eine<br />

zentrale Voraussetzung des <strong>entwicklung</strong>spolitischen Engagements von<br />

MigrantInnen definiert. Zirkuläre Migration ist auf langfristige Verbesserung der<br />

Infrastruktur und Sicherung der lokalen politischen Entscheidungsautonomie<br />

gerichtet und wird deshalb als <strong>entwicklung</strong>spolitisch hoch wirksam eingestuft 19 (vgl.<br />

Baraulina/Borchers 2008). Zirkuläre Migration wird oft ähnlich wie temporäre<br />

Migration eingestuft und soll vor allem aus der Migration Hochqualifizierter eine<br />

„Win-win-win-Situation“ bewirken: für Herkunfts- und Zielländer ebenso wie für<br />

die MigrantInnen selbst. Sie soll zu Wissens- und Technologietransfer beitragen und<br />

die Netzwerkbildung (etwa von Universitäten) zwischen den Ursprungs- und<br />

Gastländern stärken (vgl. Council of the European Union 2006, S. 6). Weiters wird<br />

damit der Zweck verfolgt, illegale Migration einzudämmen (vgl. auch IOM 2008, S.<br />

31): es wird angenommen, dass MigrantInnen einer Rückkehr eher zustimmen, wenn<br />

18 Eine weitere Definition (vgl. mpi 2007, S. 2f.) schlägt vor, Rückkehr<strong>migration</strong> als einen Teilbereich<br />

der zirkulären Migration zu betrachten, dabei solle jeweils Abreise und Rückkehr als „permanent“<br />

oder „temporär“ klassifiziert werden. Diese Differenzierung würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit<br />

sprengen, so verwende ich den Begriff der Rückkehr als permanent, denjenigen der zirkulären<br />

Migration als temporär, wiewohl mir die Überschneidungen in der Praxis sehr wohl bewusst sind.<br />

19 Das Phänomen der Zirkularität kann man an Beispielen der temporären Wanderungen, wie etwa<br />

der mexikanischen Einwanderung in die USA, beobachten: MigrantInnen aus Mexiko organisierten<br />

sich während ihres Aufenthaltes in den USA, um sich für die Belange der Herkunftsorte zu<br />

engagieren. Dabei ging es nicht nur um Geldüberweisungen, sondern auch um komplexere<br />

Engagementformen wie Investitionen in lokale Infrastruktur (etwa die Einrichtung einer Schule oder<br />

der Bau einer Wasserversorgungsanlage) sowie um lokale politische Teilhabe. Die Motivation für<br />

dieses Engagement sah man vor allem darin, dass zurückgelassenen Familienmitgliedern – meist<br />

Frauen und Kinder – ein besserer Lebensstandard und Zukunftsperspektiven ermöglicht werden<br />

sollte. MigrantInnen selbst partizipierten an diesen Verbesserungen, da sie ihre Herkunftsorte oft<br />

besuchten, aktiv am Gemeindeleben teilnahmen und mittelfristig eine Rückkehr beabsichtigten (vgl.<br />

Baraulina/Borchers 2008).<br />

44


sie wissen, dass sie zu einem anderen Zeitpunkt wieder legal ins Zielland einreisen<br />

dürfen (vgl. Langthaler 2008, S. 17).<br />

Die Entstehung und Entwicklungen für zirkuläre Migration wurden u.a. entschieden<br />

durch Fortschritte in Kommunikation und bei Transportinfrastrukturen beeinflusst,<br />

die es MigrantInnen und ihren Familien zusehends erleichterten, transnational zu<br />

leben und transnationale Identitäten zu entwickeln 20. So wurde es MigrantInnen<br />

möglich<br />

„(...) to foster double loyalties, to travel back and forth, to relate to people, to work<br />

and to do business simultaneously in distant places. This de facto transnationalization<br />

of migrants’ lives has also challenged assimilationist models of migrant integration”<br />

(de Haas 2005f, zit. n. de Haas 2007, S. 6).<br />

Der langjährigen Assoziation von Rückkehrabsichten und Zirkularität mit<br />

mangelndem Integrationsinteresse im Zielland stehen inzwischen konträre<br />

Forschungsergebnisse gegenüber: an der Spitze von MigrantInnenorganisationen<br />

stehen oft gut ausgebildete Menschen, die sich professionell verwirklichen bzw.<br />

ökonomisch etablieren konnten, die aber auch einen sicheren Aufenthaltsstatus<br />

haben. So wurde das so genannte „Resource-dependency model“ – das Modell des<br />

ressourcenabhängigen Engagements - aufgestellt (vgl. Portes/Escobar/Walton<br />

Radford 2007, zit. n. Baraulina/Borchers 2008), das besagt, dass MigrantInnen, die im<br />

Zielland einen höheren sozialen Status erlangt haben, mehr Zeit und Muße haben,<br />

MigrantInnenselbstorganisationen zu gründen. Ihre informellen Qualifikationen und<br />

vielfältigen Kontakte versetzen sie in die Lage, lose MigrantInnennetzwerke zum<br />

Engagement im Herkunftsland zu mobilisieren und die dafür notwendigen<br />

Ressourcen zu beschaffen; somit wurden erfolgreich integrierte und dauerhaft<br />

ansässige MigrantInnen als eine Triebkraft für das Engagement in den<br />

Herkunftsländern identifiziert, was besonders bei ökonomischen Aktivitäten der<br />

20 Transnationalismus und zirkuläre Migration wird oftmals gleichgesetzt, auch ich verwende diese<br />

Begriffe synonym.<br />

45


MigrantInnen in ihren Herkunftsländern gültig zu sein scheint (vgl.<br />

Baraulina/Borchers 2008; vgl. dazu auch das Kapitel über die Diaspora) 21.<br />

4.2.2.2 Von Gefahren und Chancen zirkulärer Migration<br />

Das von vielen Seiten (z.B. niederländische Regierung 2004, zit. n. de Haas 2007, S.<br />

16; Europäische Kommission 2005; Global Commission on International Migration 2005<br />

sowie Weltbank 2006) neu erwachte Interesse an temporärer Migration wird<br />

natürlich auch von wissenschaftlicher Seite nicht unkritisch und unwidersprochen<br />

hingenommen. So fokussiert beispielsweise die Europäische Kommission auf das<br />

Entwicklungspotential durch zirkuläre Migration „(...) by giving priority to<br />

temporary employment schemes, stimulation short-term and seasonal <strong>migration</strong> and<br />

facilitating return <strong>migration</strong> through assisted return and reintegration programmes”<br />

(CEC, 2005, zit. n. de Haas 2007, S. 16). De Haas bezweifelt jedoch einerseits, dass<br />

temporäre MigrantInnen bessere development agents für die Herkunftsländer seien als<br />

integrierte und niedergelassene MigrantInnen; außerdem würden so falsche<br />

Hoffnungen durch das Ignorieren von früheren Erfahrungen geweckt, denn<br />

Migration ginge fast immer mit der Niederlassung einer signifikanten Gruppe von<br />

MigrantInnen einher (vgl. de Haas 2007, S. 16). Dennoch ist in Zeiten des<br />

Transnationalismus wohl auch die „althergebrachte Vorstellung von einer<br />

dauerhaften Niederlassung“ (GCIM 2005, S. 31) der MigrantInnen passé, es braucht<br />

möglichst flexible Modelle. Diese werden ihrerseits wieder von Kommunen in<br />

Zweifel gezogen, für die das Interesse an der Langfristigkeit von<br />

EinwohnerInnenstrukturen und an gelingender Integration vor Ort sehr hoch ist und<br />

die die Praktikabilität von zirkulärer Migration für kommunales Zusammenleben<br />

bezweifeln (vgl. Wilhelmy/Held 2008).<br />

Die Global Commission on International Migration weist zudem auf die Gefahr der<br />

Schaffung einer Kategorie von Arbeitskräften zweiter Klasse hin (mit geringeren<br />

Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen) und fordert, dass MigrantInnen in<br />

Hinblick auf Gehälter, Arbeitszeiten, Gesundheitsvorsorge und sonstige Rechte<br />

21 Beispielsweise vermeiden sowohl das niederländische Projekt “IntEnt” für migrantische<br />

UnternehmerInnen sowie das TOKTEN-Programm (Transfer of Knowledge Through Expatriate Nationals)<br />

von UNDP eine notwendige Rückkehr der MigrantInnen (vgl. de Haas 2006, S. 20f.).<br />

46


genauso behandelt werden wie eigene StaatsbürgerInnen (vgl. GCIM 2005, S. 17f.).<br />

Darüber hinaus werden immer wieder die negativen Konsequenzen der Trennung<br />

von (Arbeits-)MigrantInnen von ihren Familien angeführt, beispielsweise wird aus<br />

Rumänien berichtet, dass rund 350.000 Kinder und Jugendliche alleine gelassen<br />

werden:<br />

„Kinder, die ohne ihre Eltern aufwachsen, weil diese im Ausland arbeiten – das ist<br />

überall im Land Alltag. Rumänische Journalisten erfanden dafür schon vor Jahren die<br />

griffige Formulierung: ‚Eurogeneration allein gelassen’. (…) Die ‚Eurogeneration<br />

allein gelassen’ ist die Kehrseite des rumänischen Wirtschaftsaufschwungs der letzten<br />

Jahre, zu dem die Milliardentransfers der Arbeitsemigranten entscheidend<br />

beigetragen haben“ (Edition Le Monde diplomatique 2008, S. 85) 22.<br />

Von EU-Seite her gibt es klare Anforderungen für dieses Modell der zirkulären<br />

Migration, wie dies beispielsweise der deutsche Innenminister Schäuble 2007 (S. 19f.)<br />

klarmachte:<br />

„(…) was eine grundlegende Voraussetzung (…) für unsere Aufgeschlossenheit der<br />

zirkulären, befristeten Migration gegenüber sein muss: die Rückwanderung – notfalls<br />

auch die unfreiwillige Rückführung – der für befristete legale Zuwanderung in einen<br />

der EU-Arbeitsmärkte zugelassenen Migranten muss unbedingt durch verlässliche<br />

und effektive Kooperation der Transit- und Herkunftsländer sichergestellt sein. Mit<br />

anderen Worten: Erst der Abschluss und die effektive Implementierung von<br />

Rückübernahmeabkommen öffnet, wenn wir diesem Konzept folgen, die Tür für die<br />

Nutzung der Chancen befristeter Migration in die EU. (…) Genau hier liegt der<br />

entscheidende Unterschied des jetzt erwogenen Konzepts zur ‚Gastarbeiter’Politik<br />

früherer Zeiten: Das Konzept der zirkulären Migration, (…) bezieht die spätere<br />

Rückwanderung von Anfang an mit ein.“<br />

Diese Ziele werden auch in der so genannten „Europäischen Nachbarschaftspolitik“<br />

betont, so werden beispielsweise Drittstaaten verpflichtet, irreguläre MigrantInnen –<br />

seien es nun ihre eigenen Staatsangehörigen oder TransitmigrantInnen –<br />

zurückzunehmen. Im Gegenzug werden Finanz- und Entwicklungshilfen vereinbart<br />

sowie Kontingente von MigrantInnen für einen befristeten Arbeitsaufenthalt<br />

festgelegt (vgl. Edition Le Monde diplomatique 2008, S. 55). Dass dies eine der viel<br />

zitierten „Win-win-Situationen“ für alle Beteiligten darstellen möge und nicht nur in<br />

einem möglichst flexiblen Arbeitskräftepool für die wirtschaftlich starken Länder<br />

enden soll sei – trotz aller beschönigenden Worte – hiermit bezweifelt.<br />

22 Vgl. dazu auch UN 2006, S. 5 sowie Sörensen 2007, S. 204.<br />

47


4.2.2.3 Voraussetzungen für zirkuläre Migration<br />

Zirkuläre Migration scheint lediglich erfolgreich sein zu können, wenn es die<br />

Bedürfnisse aller Beteiligten trifft: jene der MigrantInnen, ihrer ArbeitgeberInnen,<br />

ihrer Familien und der Regierungen von jeweils Entsende- und Zielländern. Aus<br />

Sicht der MigrantInnen scheint die Freiwilligkeit der Rückkehr ein Schlüssel zu sein,<br />

ebenso der Schutz der Menschenrechte sowie ihrer Rechte als ArbeitnehmerInnen.<br />

Eine potentielle Erfolgsgarantie inkludiert:<br />

48<br />

• flexible Visa (für mehrere Jahre und mehrmalige Einreisen), mit<br />

Zugangsmöglichkeit für permanente Niederlassung und Staatsbürgerschaft 23;<br />

• Arbeitszugang und Aufenthalt dürfen nicht an einE einzigeN ArbeitgeberIn<br />

gebunden sein;<br />

• Fokussierung auf die Schaffung von positiven Anreizen für Rückkehr im<br />

Gegensatz zur Fokussierung auf die Verunmöglichung des Bleibens;<br />

• aktive Partizipation des privaten Sektors (vgl. Newland 2007);<br />

• Übertragbarkeit von Renten und Sozialversicherungsansprüchen ins Ausland<br />

(vgl. GCIM 2005, S. 18 sowie UN 2006, S. 20);<br />

• Harmonisierung der Zugangsbestimmungen innerhalb der EU-Staaten (vgl.<br />

Dayton-Johnson et al. 2007, S. 46);<br />

• Erleichterung der Anerkennung von Bildungsabschlüssen bei<br />

hochqualifizierten MigrantInnen um brain waste vorzubeugen (vgl. UN 2006,<br />

S. 19).<br />

Dennoch: in den Köpfen der mit MigrantInnen arbeitenden Menschen ist das Modell<br />

der zirkulären Migration noch genauso wenig verankert wie in der gelebten Realität<br />

beispielsweise der EU-Politik. Es bräuchte eine möglichst flexible Handhabung der<br />

Bestimmungen, um den unterschiedlichsten Bedürfnissen der MigrantInnen gerecht<br />

werden zu können. Wie ein Interviewpartner meinte:<br />

„Es werden nicht alle nur temporär da sein, es wird bestimmt ein Teil temporär da sein, der<br />

Rest wird dann schon bleiben wollen, ich glaub das hängt dann auch von den persönlichen<br />

23 Hierzu muss angemerkt werden, dass als generelle Regel gilt, dass „(...) the lower the skill<br />

requirements of a job the less likely it is that receiving societies will be willing to grant the job holder<br />

permanent residence” (Dayton-Johnson et al. 2007, S. 43).


Faktoren dann ab. (...) die Mobilität dieser Gruppe ist natürlich eine viel höhere als bei den<br />

‚Eingeborenen’.“ (Interview 1).<br />

Einer meiner Interviewpartner wies zudem auf die flexiblen zeitlichen und<br />

finanziellen Bestimmungen der Projektfinanzierungswelt hin, da begrenzte<br />

Projektzeiträume es ohnehin unumgänglich machten, auf neue Gegebenheiten zu<br />

reagieren:<br />

„Wir leben in einer Projektwelt, die bei uns von 8 bis 16 Monate geht, dann muss mans neu<br />

aufstellen. Wir sind nicht in der Lage ein Zehnjahresprogramm aufzustellen, und da spielen<br />

wir das und wir brauchen an dem ganzen Programm nix mehr ändern. Das geht sich in der<br />

Welt, in der wir mit unseren Projekten leben, sowieso nicht aus. (...) Da kannst eigentlich nur<br />

reagieren auf das (...) weil sonst kriegst ja nicht mal mehr die Begründung für einen Antrag<br />

zusammen. Wenn die Zahlen einfach nicht mehr da sind (...) da ist immer eine Anpassung da,<br />

du bist immer genötigt und es werden ja dementsprechend auch die Projekte ausgeschrieben,<br />

weil jede Projektausschreibung (...) wird ja neu formuliert und wieder ergänzt (...). Wir täten<br />

uns leichter, wenn die Projektdauer länger wäre, (...) andererseits aus einer gewissen Logik<br />

heraus, um auf aktuelle Ereignisse und aktuelle Entwicklungen zu reagieren, ist es natürlich<br />

wieder interessant, ein flexibleres Modell zu haben“ (Interview 2).<br />

Es bleibt m. E. dennoch die Frage, was die tatsächliche Unterscheidung zwischen<br />

zirkulärer Migration und der grandios gescheiterten GastarbeiterInnenpolitik<br />

ausmacht. Dennoch erscheint dieses flexible Modell von Migrationsbewegungen den<br />

Bedürfnissen mancher MigrantInnengruppen durchaus entgegenzukommen. So<br />

bedarf es jedenfalls weiterer Überlegungen – auch von Seiten der Caritas Steiermark<br />

- was diese überaus flexiblen Lebensentwürfe zirkulärer MigrantInnen für<br />

Integrationspolitik, -maßnahmen, etc. im Zielland bedeuten können. In diesem<br />

Kontext sind auch die Integrationsanforderungen zu beachten und Widersprüche zu<br />

benennen, so bedarf sozialer Aufstieg von MigrantInnen beispielsweise auch eines<br />

gewissen Ressourceneinsatzes im Zielland, wenn diese Mittel jedoch teilweise ins<br />

Herkunftsland transferiert werden wirkt dies erschwerend. Zudem wäre es höchst<br />

an der Zeit, sich auch mit den im Herkunftsland verbliebenen Familienangehörigen<br />

zu befassen, hier bedarf es kreativer Ideen um bestmögliche Unterstützungsangebote<br />

zu entwickeln.<br />

49


4.3 Diasporas und MigrantInnen/selbst/organisationen<br />

„Wenn du zwischen den beiden Ländern wählen müsstest,<br />

welches würdest du dir aussuchen?“<br />

„Wär es dir lieber, wenn man dir das linke Bein abhackt<br />

oder den rechten Arm?“ frage ich zurück.<br />

Wir brachen beide in lautes Lachen aus.<br />

„Die Frage stellt sich nicht“, sagte er dann.<br />

„Für mich auch nicht.“<br />

[Fatou Diome: Der Bauch des Ozeans]<br />

4.3.1 Von Begriffen und Bedeutungen der Diaspora und der<br />

MigrantInnenselbstorganisationen<br />

Der Begriff „Diaspora“ kommt vom altgriechischen Wort „diaspeiro“ und beschreibt<br />

traditionell eine Gemeinschaft der Vertriebenen und ExilantInnen, welche eine<br />

Hinwendung zur „verlorenen Heimat“ verbindet (vgl. Baraulina/Borchers 2008);<br />

Vertovec (2006, S. 5) weist zudem auf die Selbstidentifikation der ethnischen Gruppe<br />

hin. In den letzten Jahren wird der Begriff der Diaspora oft inflationär benutzt: er<br />

wird angewandt, wenn man die Beziehungen der MigrantInnen zu ihren<br />

Herkunftsländern unterstreichen will:<br />

„Dabei subsumiert er verschiedene Vorstellungen von sozialer Organisation dieser<br />

Beziehungen: von individuellen und familiären Beziehungen bis zu organisierten<br />

Strategien des ökonomischen, politischen oder sozialen Engagements. Man spricht<br />

also über Diaspora, wenn man über Ausmaß und Formen der individuellen<br />

Geldüberweisungen von MigrantInnen spricht. Gleichzeitig spricht man über<br />

Diaspora, wenn man Wohltätigkeitsprojekte der MigrantInnenvereine analysiert.<br />

Und man spricht über Diaspora, wenn man weltweite politische Mobilisierung der<br />

MigrantInnen für ihre Herkunftsregionen beschreibt“ (Baraulina/Borchers 2008).<br />

Das IOM-Glossar bietet lediglich die Deutung von Diaspora als „Refers to any people<br />

or ethnic population that leave their traditional ethnic homelands, being dispersed<br />

throughout other parts of the world“ (IOM 2004, S. 19). Bei all dieser breiten<br />

Begriffsnutzung darf jedoch weder die Tendenz einer Homogenisierung der<br />

Diaspora oder MigrantInnengemeinden, noch die Tatsache, dass sich die Identitäten<br />

von MigrantInnen verändern, außer Acht gelassen werden (vgl. Sörensen 2007, S.<br />

199).<br />

51


Zudem geht es in der Diasporaforschung nicht immer darum, ob das Heimatland in<br />

der dargestellten Form wirklich existiert, man bezieht sich vielmehr auf die<br />

Vorstellung eines Heimatlandes. Mitglieder der Diaspora streben auch nicht<br />

unbedingt eine Rückkehr ins Herkunftsland an, zirkuläre Migration zwischen<br />

Heimat- und Aufnahmeland wird oftmals als Option gehandelt. Der Kontakt bleibt<br />

wichtig und wird über Engagement in Politik, Öffentlichkeit, Lobbying oder<br />

finanzielles Engagement erhalten und durch moderne Technologien, geringere<br />

Kosten in Bezug auf Mobilität und Kommunikationsmittel möglich (vgl. Gerharz<br />

2008); verstreute Gruppen können mit relativ geringem Aufwand in täglichem,<br />

engem Kontakt zueinander sowie mit dem Herkunftsland stehen. Zudem schaffen es<br />

diese<br />

52<br />

„(...) regular and routine transnational practices of exchange (of people, money,<br />

resources and information) and mobilization (for business, religious, social or<br />

political purposes) within diasporic networks often (...) that common collective<br />

identities are maintained and enhanced” (Vertovec 2006, S. 5).<br />

Der Begriff der “MigrantInnenorganisationen” oder<br />

“MigrantInnenselbstorganisationen” ist ähnlich unscharf definiert, ich lehne mich<br />

hierbei an Waldrauch/Sohler 2004 (S. 38f.) an, die als grundsätzliche Bedeutung der<br />

Organisationen „Selbsthilfe und solidarische Unterstützung, kulturelle<br />

Identitätsbildung und interkulturelle Vermittlung, politische Organisation und<br />

Interessensvertretung“ benannten. Da eine weitere Begriffsdefinition im Kontext<br />

dieser Arbeit ebenso wenig zielführend wie eine klare Abgrenzung vom Bereich der<br />

„Diaspora“ wäre, da diese Bedeutungen auch in der verwendeten Literatur<br />

unterschiedlich gehandhabt werden (beispielsweise ist ein Unterschied zwischen<br />

englischer und deutscher Quelle ersichtlich), verwende ich diese synonym.<br />

4.3.2 Von Diasporas als AgentInnen für Entwicklung<br />

In Diasporaorganisationen werden derzeit große Erwartungen bezüglich der<br />

Entwicklung der Herkunftsländer gesteckt, schon aufgrund ihrer quantitativen<br />

Anzahl an Personen scheinen diese Überlegungen Sinn zu machen 24 . Abseits der<br />

24 So zählt die chinesische Diaspora etwa 35 Millionen, die indische Diaspora etwa 20 Millionen und<br />

die philippinische Diaspora etwa 7 Millionen Menschen (vgl. GCIM 2005, S. 83).


großen Erfolgsgeschichten aus Indien und China müssen die meisten<br />

Herkunftsländer das jeweilige Potential für etwaige Armutsreduktion und<br />

wirtschaftliche Entwicklung allerdings erst realisieren. Die meisten Beiträge der<br />

Diaspora geschehen durch soziale Prozesse, welche außerhalb der Einflusssphäre der<br />

Öffentlichkeit stehen (vgl. IOM 2008, S. 63f.) bzw. sich schwerer in Studien messen<br />

lassen. Dennoch stellen Diasporagemeinschaften unterschiedlichste Formen von - für<br />

das Herkunftsland <strong>entwicklung</strong>sförderndes - Kapital zur Verfügung:<br />

� Soziales Kapital: Bereitstellung von Netzwerken, Informationen,<br />

Unterstützungsleistungen, Identitätsvermittlung, Aufbau von kleinen und<br />

mittleren Unternehmen, Zugang zu informellen Finanzierungskanälen (wie<br />

gut dokumentierte Beispiele von chinesischen, japanischen und<br />

westafrikanischen Diasporas zeigen), Vermittlung von Arbeitskräften.<br />

� Intellektuelles Kapital: Fähigkeiten und Wissen, wissenschaftliche Netzwerke,<br />

beispielsweise auch „virtuelle Rückkehr“ durch ausgedehnte Besuche oder<br />

elektronische Kommunikation (z.B. in Technik oder Medizin).<br />

� Politisches Kapital: Lobbying und Anwaltschaft; auch politische Arbeit im<br />

Zielland (z.B. Versachlichung der Migrationsdebatten).<br />

� Kulturelles Kapital: Verbreitung der Kulturen des Herkunftslandes; auch<br />

<strong>entwicklung</strong>spolitische Bildungsarbeit im Zielland.<br />

� Finanzielles Kapital: Rücküberweisungen, Konsumgüter, Direktinvestitionen<br />

etc. (vgl. Okele 2007, S. 39 sowie Page/Plaza 2005, S. 24f.).<br />

Diese möglichen Kapitalbereitstellungen werden auch in der täglichen Arbeit an<br />

Caritas-MitarbeiterInnen herangetragen:<br />

„Zum Beispiel die ganzen afrikanischen Vereine (...) Einerseits wollen sie selber beraten, sie<br />

haben eine Idee, sie haben irgendeine Kulturinitiative, Aktivitäten, irgendwas organisieren,<br />

und da sollen wir sie beraten. Also Kultur und Beratung (...) in Kombination mit daheim (...)<br />

- das sind eher dann wieder so nicht organisiert, eher Einzelinitiativen und Anliegen. Das<br />

hast immer eine Zeitlang, nachdem einer daheim war und wieder zurückkommt. (...) Der hat<br />

unten irgendwie vielleicht Dinge gesehen, da muss man was tun, da kommt er herauf damit,<br />

dann vielleicht zu mir oder irgendwie in die Caritas, und sagt, kann man da was<br />

organisieren“ (Interview 2).<br />

53


Kommt es zu einer tatsächlichen Rückkehr von Diasporamitgliedern, so können<br />

Entwicklungskooperationen weiter ausgebaut werden (vgl. Dayton-Johnson et al.<br />

2007, S. 78 sowie Page/Plaza 2005, S. 24f.). Im Gegenzug sind auch in den<br />

Herkunftsländern neue Modelle von transnationalem ethnischem<br />

UnternehmerInnentum erkennbar:<br />

54<br />

„Members of diasporas play important parts in creating migrant ‘spin-off’ industries<br />

such as supermarkets and breweries selling to migrants abroad, law firms and travel<br />

agencies specializing in <strong>migration</strong> overseas or ‘diaspora tourism’ of the homeland,<br />

cyber cafés linking home and away, films and TV programs distributed for<br />

consumption overseas and companies specializing in the export of traditional foods<br />

and medicines” (Vertovec 2006, S. 6).<br />

Oder wie dies einer meiner Interviewpartner beobachtete:<br />

„Es ist ein großes unternehmerisches Potential auch da, das sieht man ja auch, die vielen<br />

Shops, die sofort eröffnet werden in brachliegenden Stadtteilen, die vielen Friseurläden, die<br />

vielen Kaffeehäuser, die vielen Imbissbuden, ja bis zur Carshipping-Company und so weiter,<br />

die Telefonshops und was es alles gibt“ (Interview 1).<br />

Auch von Seiten der Caritas-Auslandshilfe gibt es viele Überschneidungsbereiche<br />

mit Diasporaorganisationen:<br />

„Afrika (...) da kommen schon auch Gruppen zu uns, die was tun möchten, wo wir, und ich<br />

sag, ich bin da durchaus auch Servicestelle, wo ichs unterstütz und entweder versucht mans<br />

auf unsere Projekte auch umzulegen, zu lenken, dass sie das unterstützen, aber viele Gruppen<br />

kommen, die haben irgendwo einen Kontakt, waren auf Urlaub, haben jemanden kennen<br />

gelernt, „Youthcare International“ zum Beispiel. (...) Also die waren auch als erstes bei uns<br />

und ich hab sie damals auch so, die Empfehlung war schon in dem Bereich, tuts euch selber<br />

organisieren, die haben dann inzwischen einen Verein gegründet, unterstützen dieses<br />

Schulwerk in Nigeria. Weil das würde einfach unsere Kapazitäten sprengen, also auch das für<br />

die abzuwickeln. Und das ist vor allem, wenn da konkrete Vorstellungen da sind vom Ort,<br />

von Menschen, von Zeit, dann kann man nur mehr schauen formal, was brauchen sie, was ist<br />

notwendig“ (Interview 5).<br />

Zudem werden auch unterschiedliche Zugänge von ProfessionistInnen bzw. den<br />

Diasporaorganisationen bezüglich der Abwicklung von Projekten thematisiert:<br />

„Also ich hab einen anderen Standard oder einen anderen Druck einfach die Projekte<br />

abzuwickeln. Ich kann nicht und deshalb bin ich auch froh, dass es diese ganzen Initiativen<br />

gibt, wirklich, ich muss mein Projekt von Anfang bis Ende planen und finanzieren. Das<br />

brauchst, wenn du jetzt sagst ich fang dort an, nicht“ (Interview 5).


Dennoch kann hier vielfältige Unterstützung passieren:<br />

„(…) sie möchten was tun, und Ideen sind auch da, sind auch super, wunderbar, aber wie<br />

kann ich das ein bisschen lenken und in eine Struktur bringen. Weil was ich immer versuch<br />

ihnen zu vermitteln, ihr, wenns ihr Spenden sammelts, auch in eurem Bereich, ihr seids dafür<br />

verantwortlich. (…) Sobald ich mit Geld von jemandem anderen arbeite, muss ich das belegen<br />

können, nachweisen können, was ich damit tu. Geht dann soweit, ich denk, dass ich einen<br />

Verein gründe, auch vielleicht, weil ich brauch irgendwie, sobald ich irgendwo um öffentliche<br />

Mittel ansuche und ich denk, da gibts Stellen, nach wie vor. Sei es der Beirat für<br />

Entwicklungszusammenarbeit, sei es kleine Förderstellen, da brauch ich eine<br />

Rechtskörperschaft. Und da tun sich ganz klar die kleinen Gruppen leichter als wir als große<br />

Caritas. Aber da kann ich sie unterstützen. Also wos gar noch nicht um Geld jetzt geht, aber<br />

einfach wie komm ich zu Geld, wie geh ich mit Geld um, wie mach ich ein Projekt. Also das ist<br />

eine Serviceleistung, die ich auch mehrfach tun würd (...). Und dann muss man natürlich<br />

schauen, entweder, dass wir uns als Caritas Graz entscheiden, ja, wir stellen (...) einen<br />

Budgetposten zur Verfügung (...) wo man solche kleinen Initiativen und Projekte unterstützt<br />

(…). Und dort kann ich sagen, die Caritas hat uns auch was gegeben und die befürwortet das<br />

auch. Dann bin ich überall schon ganz anders angeschrieben.“ (Interview 5).<br />

Auch hier können die Netzwerke der Diaspora als MediatorInnen zwischen den<br />

Herkunfts- und den Zielländern von MigrantInnen fungieren und bei guter<br />

Integration eine Bereicherung der Gesellschaft des Ziellandes sein (vgl. Council of<br />

the European Union 2006, S. 9).<br />

Die bekanntesten Diasporaorganisationen sind die mexikanischen “Home Town<br />

Associations” (HTAs, Heimatstadtvereinigungen), manche wurden bereits in den<br />

1950er Jahren gegründet, derzeit existieren über 600 HTAs in 30 Städten in den USA.<br />

Sie unterstützen öffentliche Arbeiten in ihren Herkunftsorten (beispielsweise durch<br />

Finanzierung des Ausbaus der öffentlichen Straßeninfrastruktur), spenden<br />

Ausrüstung (z.B. Krankenwagen und medizinische Ausrüstung) und fördern<br />

Bildungsmaßnahmen (z.B. durch die Einführung von Stipendienprogrammen, den<br />

Bau von Schulgebäuden und die Lieferung von Schulmaterialien) (vgl. GCIM 2005, S.<br />

29). Weiters sind die – vor allem von Frankreich initiierten – Co-développement-<br />

Projekte zu erwähnen 25 ; in Deutschland beschäftigt sich vor allem die GTZ<br />

25 Mit Hilfe von Co-développement-Politiken zielt man darauf ab, die Beteiligung von MigrantInnen an<br />

Entwicklungsprojekten und den Transfer von Kompetenzen zu fördern. Man will auch die<br />

ökonomisch bedeutenden Rücküberweisungspraktiken der MigrantInnen erleichtern und diese in<br />

produktive ökonomische Investitionen (Schaffung von Arbeitsplätzen) lenken. Dazu hat die<br />

französische Regierung in den letzten Jahren verschiedenste Fördermaßnahmen umgesetzt, diese<br />

umfassten u.a. die Einrichtung von speziellen Förderprogrammen für MigrantInnenorganisationen<br />

zur Durchführung von Entwicklungsprojekten in ihren Herkunftsländern, Programme zur Förderung<br />

der Mobilität und zum Wissenstransfer von hochqualifizierten MigrantInnen z.B. im Rahmen<br />

55


(Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) mit der Kooperation mit<br />

Diasporagemeinschaften (vgl. Gerharz 2008). Außerdem gibt es ein Pilotprojekt der<br />

Servicestelle „Kommunen in der Einen Welt/InWEnt GmbH“ zur Vernetzung<br />

<strong>entwicklung</strong>spolitischer Initiativen mit ortsansässigen MigrantInnenselbstorgani-<br />

sationen (vgl. Wilhelmy/Held 2008). Auch in den Niederlanden gibt es Versuche der<br />

großen Entwicklungsagenturen, kleine EZA-Projekte von MigrantInnenvereinen mit<br />

Know-how, Ausbildung und Finanzierungshilfen zu unterstützen (vgl. Langthaler<br />

2009, S. 9).<br />

4.3.3 „Diasporas are good?“<br />

Grundsätzlich wird das Potential von Diasporagemeinschaften für Entwicklungs-<br />

förderung im Herkunftsland positiv bewertet, beispielsweise durch die<br />

Weltkommission für internationale Entwicklung, die insbesondere auf gezielte<br />

Überweisung von gesammelten Geldern hinweist 26 . Darüber hinaus muss<br />

gewährleistet sein, dass Diasporaorganisationen nicht nur eng begrenzte regionale,<br />

politische oder persönliche Interessen vertreten. Um ihre <strong>entwicklung</strong>sfördernden<br />

Auswirkungen zu maximieren, ist es für solche Organisationen wesentlich, die<br />

Grundsätze der Menschenrechte, des guten Regierens und der<br />

Geschlechtergleichheit zu beachten (vgl. GCIM 2005, S. 29f.).<br />

Wenig umstritten ist der <strong>entwicklung</strong>spolitische Beitrag von Professionsverbänden,<br />

die sich in MigrantInnengemeinden herausbilden. Im Zielland organisieren sich<br />

oftmals ÄrztInnen, IngenieurInnen, LehrerInnen mit Migrationshintergrund, um ihre<br />

Interessen zu vertreten. Sie können aber auch Projekte in den Herkunftsländern ins<br />

Leben rufen, welche die Übertragung professioneller Normen oder Technologien, die<br />

Etablierung neuer Berufsbilder oder Bildungsstrukturen zum Ziel haben. Die<br />

Motivation dieses Engagements ist auf die Expansion der professionellen<br />

Arbeitsfelder im Herkunftsland und viel weniger auf die Unterstützung der<br />

partikularen Herkunftsgruppen gerichtet. Solche Projekte können durch gezielte<br />

kurzzeitiger technischer Missionen in ihren Herkunftsländern oder durch universitäre Lehre, die<br />

Schaffung von mehrjährigen Zirkulations-Visa (die Aufenthalte für drei Monate pro Jahr ermöglichen)<br />

und temporäre Aufenthaltsvisa für Hochqualifizierte (vgl. Voravong 2008, S. 57f.).<br />

26 Vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel „Finanzielle Rücküberweisungen“.<br />

56


Förderung des sozialen Aufstiegs via Bildung und Beruf die traditionellen sozialen<br />

Schranken zwischen den Schichten in Frage stellen (vgl. Baraulina/Borchers 2008).<br />

4.3.4 „Diasporas are bad?“<br />

Dennoch sind viele kritische Einwürfe zu beachten: gerade in der sicherheitspolitisch<br />

(über?-)sensiblen Ära nach 9/11 werden migratorische (vor allem muslimische)<br />

Identitäten und transnationale Beziehungen von vielen mit Argwohn betrachtet:<br />

Diskurse über „das Scheitern von Integration“ oder „Parallelgesellschaften“ werden<br />

durch alarmierende sozioökonomische Indikatoren wie beispielsweise niedrige<br />

Ausbildungsquoten, hohe Arbeitslosenraten, schlechte und separierte<br />

Wohnverhältnisse, Gesundheitsproblematiken, sprachliche Trennungen, etc.<br />

untermauert; KritikerInnen führen oftmals auch eine zu ausschließliche<br />

Herkunftslandorientierung der MigrantInnen als Hindernis für Integration im<br />

Zielland ins Treffen (vgl. Vertovec 2006, S. 6f.). Daher erschien der Diasporabegriff<br />

lange Zeit als unbrauchbar für die Migrationsforschung (vgl. Baraulina/Borchers<br />

2008). Vertovec konstatiert aber nicht nur xenophobe Ansätze in manchen<br />

Migrations- und Integrationsdebatten, sondern auch eine “diasporophobia”: “(...)<br />

that is, fear of not just the ‚foreignness’ of immigrants, but also of their ongoing ties<br />

abroad” (Vertovec 2006, S. 8).<br />

Auch einer meiner Interviewpartner beklagt, dass<br />

„Migranten in Pfarren, das ist fast nicht gegeben, gell. Weil die sich selber dann wieder<br />

organisieren und sich selber treffen, es gibt so eigene Gemeinden im Raum Graz, wo sich die<br />

Afrikaner treffen, (…) oder die Freikirchen, die Ungarn treffen sich, die Kroaten treffen sich<br />

und so, aber diese Vermischung, wie wirs gern hätten, dass da die Brücken geschlagen<br />

werden, ist fast nicht gegeben. Ich kenn sie jedenfalls nicht. Ich höre eher das Gegenteil, dass<br />

diese Vorurteile Ausländern gegenüber sehr lebendig sind“ (Interview 3).<br />

In Hinblick auf die Entsendeländer wird meist davon ausgegangen, dass die<br />

jeweiligen Regierungen neutral bis erfreut auf Diasporaengagement reagieren (vgl.<br />

Brinkerhoff 2008). Dennoch kann dies auch „politische Kopfschmerzen“ hervorrufen:<br />

manchmal stehen kritische oder radikal oppositionelle Meinungen oder finanzielle<br />

Unterstützungen für ebendiese Gruppen genauso wenig auf der Wunschliste der<br />

57


PolitikerInnen der Herkunftsländer wie ein „(…) long-distance nationalism<br />

maintained in many diasporas“ 27 (Vertovec 2006, S. 7).<br />

Ebenso uneindeutig erscheint die Rolle der Diasporagemeinschaften bei der<br />

Bekämpfung von Armut. Während einige Wohltätigkeitsprojekte der<br />

Diasporaorganisationen besonders benachteiligte Schichten als Zielgruppe wählen,<br />

zielen andere Projekte darauf ab, die herausragende soziale Position der<br />

MigrantInnen zu manifestieren. Ein solches Engagement kann für die<br />

sozioökonomische Aufwertung der Region wichtig sein, fördert jedoch weniger die<br />

Partizipation ärmerer Bevölkerungsschichten. Insgesamt ist beobachtbar, dass<br />

MigrantInnengemeinden in ihrem sozialen Engagement oft partikulare Interessen<br />

verfolgen und in der Ausrichtung der Projekte ihre Ethnie oder<br />

Glaubensgemeinschaften bevorzugen (dies berichtet auch eine Interviewpartnerin,<br />

vgl. Interview 5); dies kann tendenziell zur Entstehung neuer sozialer Konfliktlagen<br />

führen (vgl. Baraulina/Borchers 2008 sowie Brinkerhoff 2008).<br />

Grundsätzlich bleibt zu konstatieren, dass die „Verwertbarkeit“ der<br />

Diasporagemeinschaften für Entwicklungsförderung von vielerlei individuellen<br />

Variablen und sozialen Determinanten abhängig ist und aufgrund der dahinter<br />

liegenden Konditionen jeweils variiert (vgl. Sörensen 2007, S. 199).<br />

4.3.5 Über politische Ansätze<br />

Dennoch können auch Regierungen einiges zur Erleichterung und Unterstützung<br />

beitragen, beispielsweise in Form von finanziellen Anreizen, technischer Assistenz,<br />

Wissenserwerb und der Verbreitung von Informationsnetzwerken. Einige<br />

Regierungen begannen, Diasporaorganisationen in die Entwicklungsplanung und in<br />

Kofinanzierungsprogramme zu involvieren. Die Möglichkeit von Doppelstaats-<br />

27 So werden beispielsweise UnterstützerInnen der tamilischen LTTE aufgrund ihrer politischen<br />

Ausrichtung als potenziell terroristische Vereinigung gesehen. Der deutsche Verfassungsschutzbericht<br />

von 2007 vermutet etwa: „Auch wenn Spendenaufrufe immer wieder mit humanitären Zwecken<br />

begründet werden, dürfte ein Teil des gesammelten Geldes der militärischen Logistik zugute<br />

kommen“ (zit. n. Gerharz 2008). An diesem Fall wird deutlich, dass die Grenzen zwischen<br />

EntwicklungsakteurInnen und transnationaler Kriegspartei fließend sind (vgl. Gerharz 2008).<br />

58


ürgerschaften kann Verbindungen festigen (vgl. IOM 2008, S. 63f.), es können auch<br />

Bildungsnetzwerke installiert werden (siehe dazu auch die Debatte über brain gain).<br />

Zudem entwickelten einige Entsendeländer monetäre Systemanreize, um Diaspora-<br />

Mitglieder durch hochverzinste Devisenbankkonten und Steuererleichterungen an<br />

das Herkunftsland zu binden (vgl. Vertovec 2006, S. 6). Die OECD empfiehlt der EU<br />

darüber hinaus, Diasporaorganisationen finanzielle Unterstützung zukommen zu<br />

lasssen, Trainingskurse für Schlüsselpersonen in nationalen MigrantInnenorgani-<br />

sationen anzubieten sowie MigrantInnen als BeraterInnen beizuziehen (vgl. Dayton-<br />

Johnson et al. 2007, S. 78ff.)<br />

4.3.6 Diasporas/MigrantInnenorganisationen in Österreich<br />

Für Österreich stellt Bernhard Perchinig im 2003 erschienenen ersten<br />

„Österreichischen Migrations- und Integrationsbericht“ fest, dass die<br />

Selbstorganisationen der MigrantInnen erst kürzlich in das Blickfeld der<br />

österreichischen Migrationsforschung gerieten (vgl. Perchinig 2003, S. 373). Im vier<br />

Jahre später folgenden „2. Österreichischen Migrations- und Integrationsbericht“<br />

wird konstatiert, dass sich seit dem ersten Bericht einiges getan hätte (vgl. Sohler<br />

2007, S. 377ff.). Mehrere Untersuchungen zu MigrantInnenvereinen und<br />

Selbstorganisationen sind seither erschienen, bislang ist mir dennoch keine bekannt,<br />

die sich explizit mit dem Entwicklungsengagement in Herkunftsländern befassen<br />

würde.<br />

Im Buch „Migrantenorganisationen in der Großstadt“ (Waldrauch/Sohler 2004) wird<br />

erstmals in gesammelter Form ein Überblick über die<br />

MigrantInnenselbstorganisationen in Wien versucht. Den beiden größten<br />

MigrantInnengruppen (aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei) war es<br />

zumeist in der Gründungsphase ein wesentliches Ziel, die Bindungen zum<br />

Herkunftsland aufrechtzuhalten; auch mit der – zumindest anfänglichen –<br />

Vorstellung, dass sie ja am Ende der „Gastarbeit“ ins Herkunftsland zurückkehren<br />

werden. Bei den exjugoslawischen Vereinen begannen sich vor allem im Zuge der<br />

Kriege viele Vereine in humanitären Hilfsprojekten (für Kroatien, Serbien, Bosnien,<br />

den Kosovo) zu engagieren (vgl. Waldrauch/Sohler 2004, S. 201ff.), dies bestätigen<br />

59


auch meine InterviewpartnerInnen (vgl. Interview 4 und 5). Für afrikanische<br />

MigrantInnen bestimmte das herkunftslandbezogene politische und soziale<br />

Engagement die Konstituierung und Ausrichtung von Organisationen maßgeblich;<br />

dieses erhielt in den 1990er Jahren vor dem Hintergrund zunehmender<br />

Flüchtlings<strong>migration</strong> verstärkte Relevanz und wurde nicht zuletzt durch<br />

Partizipation politischer Flüchtlinge selbst getragen (vgl. Waldrauch/Sohler 2004, S.<br />

366). Vor allem in Hinblick auf das Engagement für Menschenrechte in den<br />

Herkunftsländern (im speziellen Frauen- und Kinderrechte; z.B. Thematik<br />

Frauenhandel oder weibliche Genitalverstümmelung) wurden mehrere Vereine für<br />

Entwicklungs- oder Hilfsprojekten gegründet, beispielsweise die „Ghana-Union“<br />

oder der „Kulturverein der Yoruba“ (vgl. Waldrauch/Sohler 2004, S. 362ff.). Bei den<br />

philippinischen MigrantInnen lässt sich ähnliches beobachten (vgl.<br />

Waldrauch/Sohler 2004, S. 412). Dennoch stellt die Entwicklungszusammenarbeit bei<br />

allen befragten in Wien ansässigen Vereinen nur bei einem Bruchteil den<br />

Organisationsschwerpunkt dar (vgl. Waldrauch/Sohler 2004, S. 668f.).<br />

Nochmals spezifischer stellen sich Selbstorganisationen von Flüchtlingen dar, bei<br />

denen seit den 1970er Jahren politische Flüchtlinge vor allem aus dem Nahen und<br />

Mittleren Osten (Iran, Türkei, Palästina, Kurdistan) eine führende Rolle spielen (vgl.<br />

Langthaler et al. 2008, S. 13). Daneben entwickelten sich im Zuge der Unruhen und<br />

Bürgerkriege in Süd- und Mittelamerika Organisationen lateinamerikanischer<br />

Flüchtlinge bzw. Solidaritätskomitees mit österreichischen und lateinamerikanischen<br />

Mitgliedern. Neben diesen Vereinen entstanden in den vergangen zwanzig Jahren<br />

mit der zunehmenden Diversität der Flüchtlingspopulation Organisationen von<br />

Flüchtlingen aus verschiedensten Herkunftsländern (Afghanistan, Tschetschenien,<br />

Irak, Syrien, Äthiopien, Nigeria etc.). Die Ausrichtung der Vereine ist im<br />

Allgemeinen einerseits ziellandorientiert, andererseits stehen rechtliche und soziale<br />

Hilfestellungen für die Mitglieder der Communities und die Organisation kultureller<br />

Veranstaltungen im Zentrum ihrer Aktivitäten. Auf europäischer Ebene bilden sich<br />

zwei Formen und politische Strategien der transnationalen Organisation und<br />

Vernetzung heraus: Auf herkunftslandbezogener oder politischer Ebene bestehen<br />

über den lokalen Aktionsradius hinausgehende Netzwerke, die sich in erster Linie<br />

60


auf herkunftslandpolitische Mobilisierung und Lobbying auf europäischer<br />

Politikebene konzentrieren (z.B. die afghanischen, tschetschenischen und kurdischen<br />

Flüchtlingsorganisationen). Auch das transnationale Engagement von<br />

Flüchtlingsdiasporas in humanitären und Entwicklungsprojekten in<br />

Herkunftsländern stellt einen Ansatzpunkt zur Unterstützung demokratischer<br />

Veränderung in den Herkunftsländern dar; so führt praktisch jeder in einer kürzlich<br />

durchgeführten Studie befragte Verein<br />

„(…) zumindest ein kleines Projekt im Herkunftsland durch. Beispiele sind ein<br />

tschetschenisches Waisenhaus in Baku, Aserbaidschan, Schul- und<br />

Wiederaufbauprojekte in Afghanistan, Menschenrechtsarbeit der kamerunischen<br />

Diaspora oder die Schulung von afrikanischen Journalisten, aber auch die<br />

Mobilisierung der KurdInnen gegen den Bau des Ilisu Staudammes im Kurdengebiet<br />

in der Türkei. Vor allem Frauenvereine, wie die Iranischen, unterstützen diverse<br />

Projekte, die helfen, die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken“ (Trauner 2008, S. 19).<br />

In öffentlichen <strong>entwicklung</strong>s- und integrationspolitischen Programmen wurde dies<br />

bisher jedoch zu wenig berücksichtigt (vgl. Langthaler et al. 2008, S. 14ff.).<br />

Außerhalb Wiens sind mir keine österreichspezifischen einschlägigen Studien<br />

bekannt, die sich mit <strong>entwicklung</strong>spolitischem Engagement von MigrantInnen<br />

beschäftigen; für die Steiermark gilt zu konstatieren, dass es rund 20 bis 30 aktive<br />

<strong>entwicklung</strong>spolitische Gruppen gibt (vgl. E-mail WHS, 16.3.2009), bei denen<br />

erfahrungsgemäß MehrheitsösterreicherInnen aktiv sind. Für Graz ist der<br />

MigrantInnenbeirat bemüht, eine aktuelle „Liste der Selbstorganisationen von<br />

MigrantInnen in Graz (ausländische Vereine)“ zu führen, diese umfasst derzeit 65<br />

Vereine, deren Aktivitäten jedoch aus den im Internet bereitgestellten Informationen<br />

nicht ersichtlich sind (vgl. MigrantInnenbeirat Graz 2009).<br />

So ergibt sich einiger Handlungsbedarf: die AGEZ empfiehlt beispielsweise die<br />

Zusammenarbeit zwischen <strong>entwicklung</strong>spolitischen und Flüchtlings- und<br />

MigrantInnenorganisationen zu intensivieren, <strong>entwicklung</strong>spolitische<br />

Organisationen (NGOs sowie OEZA) sollten Kontakte zwischen EZA-<br />

RückkehrerInnen und MigrantInnen fördern sowie verstärkt mit Diaspora-<br />

Organisationen kooperieren (vgl. AGEZ 2007, S. 19). Hierin könnte die Caritas auf<br />

61


allen Ebenen eine bedeutende Rolle übernehmen, da sie zu den unterschiedlichen<br />

Gruppen – <strong>entwicklung</strong>spolitischen Organisationen, MigrantInnenselbstorgani-<br />

sationen, MehrheitsösterreicherInnen – optimale Zugangsbedingungen hat. Zudem<br />

ergeben sich aus den bereits vorhandenen Projekten der Caritas Steiermark,<br />

beispielsweise im Migrations- und Integrationsbereich, viele<br />

Überlappungsmöglichkeiten, die vorangetrieben werden könnten, hier gilt es<br />

dementsprechende Partizipationsmöglichkeiten zu überlegen.<br />

62


5. HANDLUNGSFELDER IM BEREICH MIGRATION UND<br />

ENTWICKLUNG<br />

5.1 Soziale Rücküberweisungen<br />

5.1.1 Zum Begriff der sozialen Rücküberweisungen<br />

Und so wie Mathematik und Biologie kann man auch lernen,<br />

dass MigrantInnen und Flüchtlinge keine Zahlen und Quoten sind,<br />

sondern ein Nervensystem und einen Verdauungsapparat,<br />

ein Herz, eine Geschichte, einen Beruf und einen Namen haben.<br />

[Dimitré Dinev: Das Kind mit dem Schirm]<br />

Obwohl er seine theoretischen Ausführungen nicht explizit für ein transnationales<br />

Umfeld verfasste, wird für dieses Kapitel – stark vereinfacht - der französische<br />

Soziologe Pierre Bourdieu bemüht. Bourdieu (1983) erweiterte die gängige<br />

Bedeutung des finanziellen Kapitalbegriffes um das soziale sowie das kulturelle<br />

Kapital, welche sich jedeR im Laufe des Lebens aneignet (vgl. Wyss/Züger 2007, S.<br />

257f.). So könnten unter das ökonomische Kapital – als die am einfachsten messbare,<br />

stärkste und offensichtlichste Kapitalform - die Rücküberweisungen der<br />

MigrantInnen subsumiert werden. Die Bedeutung des sozialen Kapitals für<br />

Entwicklung, also jenes Netzwerkes sozialer Kontakte, Bindungen und<br />

Zugehörigkeiten, wird dabei jedoch stark unterschätzt (vgl. Ammassari und Black<br />

2001, zit. n. Wyss/Züger 2007, S. 257ff.). Gerade durch transnationale Migration wird<br />

dieses Kapital, abhängig von der Dauer des Auslandsaufenthaltes, stark vermehrt.<br />

Kulturelles Kapital schließlich umfasst Werte, Normen und Vorstellungen, das durch<br />

Bildung erworbene Wissen sowie vermittelte Erfahrung (vgl. Wyss/Züger 2007, S.<br />

257ff.). So kann als „social remittances“ soziales und kulturelles Kapital gelten 28: jene<br />

Ideen, Verhaltensweisen und Identitätsmuster, die von den Aufnahmekontexten in<br />

die Heimat übertragen werden und Praktiken, Werte, normative Haltungen, auch<br />

28 Hierin unterscheidet sich diese Zugehensweise – der Gleichwertigkeit des ökonomischen, sozialen<br />

und kulturellen Kapitals – von derjenigen, die Hein de Haas sieht: “Thus, the term ‚social’ is not<br />

employed in opposition to ‚economic’ because economic processes are seen as part of broader social<br />

processes” (de Haas 2007a, S. 2) ; er sieht also die finanziellen remittances als einen Unterpunkt der<br />

social remittances. Diese Diskussion wird hier von mir nicht weiter verfolgt, beide Denkansätze<br />

scheinen ihre jeweils eigene Logik zu haben.<br />

63


Identitäten umfassen (vgl. Gerharz 2008). Dieser Begriff wurde erstmals von Peggy<br />

Levitt 1996 verwendet und ist bislang nur unzureichend erforscht. Martin (2004, S.<br />

17) spricht in einer Studie für die International Labour Organization auch von „political<br />

remittances“, die mithelfen, Ideen in den oftmals traditionell orientierten<br />

Entsendeländern zu verbreiten, um Transformation voranzutreiben oder auch zu<br />

entschleunigen, je nachdem, ob MigrantInnen als liberal oder konservativ in Bezug<br />

auf die Herkunftsgesellschaft angesehen werden.<br />

5.1.2 Zur Bedeutung und zu möglichen Anwendungsbereichen von sozialen<br />

Rücküberweisungen<br />

Rückkehr gilt weiterhin als die einfachste und effizienteste Form von Kapitaltransfer,<br />

da sie unmittelbar auf das lokale Umfeld wirkt; social remittances werden aber auch<br />

durch alle anderen Kommunikationsformen (z.B. Briefe, Telefon, Internet, Video)<br />

weitergegeben. Sie können familiäre Beziehungen, Geschlechterrollen, die<br />

Zugehörigkeit zu sozialen Schichten und Ethnien beeinflussen, auch nehmen sie<br />

manchmal substantiell Einfluss auf Politik, Ökonomie und Religion. Sörensen geht<br />

davon aus, dass “Social remittances constitute a so far neglected local-level<br />

counterpart to macro-level global monetary and cultural flow, although they are key<br />

to understand how <strong>migration</strong> modifies the lives of those who remain behind”<br />

(Sörensen 2006, S. 9). So fordert sie ebenfalls ein breiteres Entwicklungsverständnis<br />

und weist darauf hin, dass die unterschiedlichen Arten der Rücküberweisungen zu<br />

unterschiedlichen Aspekten von Entwicklung beitragen. Daher sei auf politischer<br />

Ebene klar zwischen familiären und kollektiven Rücküberweisungen (beispielsweise<br />

Mikrofinanzprojekte oder Transfer von Expertise) sowie Investitionsgelder zu<br />

unterscheiden (vgl. Sörensen 2006, S. 11 sowie Hilber 2008).<br />

Diese nicht nur auf die Privatsphäre abzielenden, sondern gesellschaftlich relevanten<br />

Beiträge für die Herkunftsländer gewinnen als so genannte „Diaspora-<br />

Philanthrophie“ in letzter Zeit zunehmende Aufmerksamkeit, hier lassen sich auch<br />

geschlechtsspezifische Unterschiede festmachen: so beschreibt Hilber (2008), dass<br />

Männer sich eher in transnationalen Netzwerken zum Vorteil für das Heimatland<br />

engagieren, wohingegen Frauen sich eher am anderen Ende des Transnationalismus,<br />

64


nämlich in der aufnehmenden Gesellschaft, involvieren. Diese oftmalige Trennung<br />

zwischen öffentlichem Engagement (meist der Männer) und dem eher privaten<br />

Engagement (meist der Frauen) verweist auch im Migration-Development-Nexus auf<br />

einen meist unsichtbaren Beitrag von Frauen, da sie im nicht-ökonomischen<br />

Entwicklungsbereich agieren.<br />

Häufig werden mit dem Begriff der social remittances auch „Konzepte wie<br />

Menschenrechte, Demokratie, Gleichheit, Freiheit oder Gewaltlosigkeit gemeint, die<br />

MigrantInnen idealerweise von den Aufnahmeländern mit in die Heimat nehmen<br />

um sie dort zu verbreiten“ (Faist 2008, zit. n. Gerharz 2008). MigrantInnen<br />

transportieren – oder zumindest wird ihnen dies zugeschrieben - Praktiken und<br />

Haltungen, die lokale Veränderungsprozesse in Gang bringen und so für<br />

<strong>entwicklung</strong>srelevanten sozialen Wandel sorgen (können). Als Beispiel hiefür dienen<br />

soziale Ungleichheitsmuster, die bestenfalls im Zuge transnationaler<br />

Vergesellschaftung aufgebrochen werden, etwa Geschlechterdifferenzen oder<br />

Kastenunterschiede betreffend. Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass<br />

rückkehrende MigrantInnen in manchen Kontexten eher zur Verhärtung der<br />

Grenzen beitragen 29 . Tatsachen dieser Art veranlassten das dänische „Centre for<br />

Development Research“ schon im Jahr 2002, bei internationalen Organisationen<br />

generell genderspezifische Ansätze sowie – vor allem für migrantische<br />

Rückkehrerinnen - frauenspezifische Sensibilisierungsmaßnahmen und –programme<br />

einzufordern. Denn „(...) unless properly assisted, women may lose newly gained<br />

gender rights to men, who seem to regain their traditional gender privileges upon<br />

return” (CDR 2002). Grundsätzlich wird darauf hingewiesen, dass sowohl Frauen als<br />

auch Männer ihre geschlechtsspezifischen Rollen ständig zwischen den<br />

unterschiedlichen regionalen Anknüpfungspunkten neu definieren müssen; Frauen<br />

können je nach beispielsweise arbeitsmarktpolitischer oder gesellschaftlicher<br />

Anforderung im jeweiligen Aufenthaltskontext plötzlich Alleinerzieherinnen oder<br />

29 Die Soziologin Petra Dannecker erforschte beispielsweise anhand von Bangladesch, dass Männer<br />

aus Bangladesch häufig islamisch orientierte Wertvorstellungen aus Malaysia zurück bringen, die mit<br />

Mitgliedschaften in extremistischen politischen Parteien verknüpft sind. Aus der Migration<br />

zurückkehrende Frauen tendieren eher dazu, Geschlechtergleichheit und persönliche Freiheit in den<br />

Mittelpunkt ihrer Entwicklungsvorstellungen zu rücken (vgl. Dannecker 2009 [im Erscheinen], zit. n.<br />

Gerharz 2008).<br />

65


Alleinverdienerinnen, Männer können unerwarteterweise Haushaltsführende oder<br />

Erwerbsarbeitslose sein (vgl. Sörensen 2006, S. 7; Hilber 2008 sowie Pamminger<br />

2009). Diese eventuell neu auftretenden Erfahrungen werden ebenfalls in weiter<br />

verbreitete Wertvorstellungen einfließen.<br />

Frauen wird gerade hier - wie so oft – ein höheres Entwicklungspotential, vor allem<br />

in Gesundheitsfragen, zugeschrieben: „Women are believed to channel overseas<br />

financial transfers into better health, nutrition and education for the entire family”<br />

(Sörensen 2006, S. 8). Ein Weltbankbericht verweist zudem auf eine geringere<br />

Kindersterblichkeitsrate bei migrierten Frauen, bemerkt aber auch kritisch an, dass<br />

Frauen dennoch oftmals von Entscheidungsprozessen – sowohl im Entsende- als<br />

auch im Zielland – ausgeschlossen sind (vgl. UNFPA 2006, S. 29f.).<br />

Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass kulturelle Werte, Praktiken und<br />

Vorstellungen, die MigrantInnen im Zuge ihres Engagements in den heimatlichen<br />

Kontext mitbringen bzw. einbringen, nicht immer als positiver Beitrag gewertet<br />

werden. Vielmehr geht es um Erfahrungen, die MigrantInnen während ihren<br />

Migrationen erleben und um jene Schlüsse, die sie dann daraus ziehen. Einer meiner<br />

Interviewpartner erlebte dies als ungemein bereichernd, auch für die österreichische<br />

Mehrheitsgesellschaft:<br />

66<br />

„Weil einfach dadurch dass wesentlich mehr Leute heroben sind aus Afrika (…), das hat<br />

unglaublich viel an Bedeutung und an hoffentlich positiven Spin-offs. (…) aber was sie so auf<br />

der persönlich, menschlichen Ebene gesucht haben ist Normalität. Das heißt Leben in einer<br />

Normalität, wo ich für Dinge irgendwie nicht die totale Energie aufbringen muss, dass ich<br />

beispielsweise den Wasserhahn aufdrehen kann und es ist ein Fließwasser da das nicht<br />

verseucht ist, dass ich beispielsweise Strom aus der Steckdose krieg, dass ich auf die Straße<br />

gehen kann und nicht Angst haben muss dass ich irgendwie - ich weiß ja nicht in was<br />

verwickelt werd, dass ich frei bin von irgendwelchen religiösen Übergriffen (...) das heißt das<br />

Leben in Normalität das wir da gewohnt sind, das auch unsere historische Errungenschaft ist,<br />

dass wir so leben können Gott sei Dank, das ist ein Wert an sich, diese Normalität, das ist<br />

immer wieder heraus gekommen ganz stark. Wenn jetzt hunderte, tausende, zehntausende<br />

Menschen zumindest vorübergehend in dieser Normalität leben, dann lernen sie zumindest<br />

zwei Dinge, auch wenn sie später wieder zurückgehen müssen oder vielleicht im besten Fall<br />

aus eigenem Antrieb und eigenem Willen zurückgehen wollen, um in ihrer Heimat was<br />

aufzubauen, dann lernen sie zumindest diese zwei Dinge: zum Ersten dass diese Normalität<br />

möglich ist, sprich, das wird so ein bisschen entmystifiziert, man glaubt dann vielleicht nicht<br />

mehr unbedingt den falschen Propheten, die es ja auch immer wieder gibt, sondern ist bereit<br />

vielleicht ganz pragmatisch irgendwie hinzuschauen und das ist für mich ein unglaublicher<br />

Gewinn. Das andere ist, dass diese Normalität natürlich oft auch in vielerlei Hinsicht etwas


Ernüchterndes hat, weil oft natürlich ganz falsche Klischeebilder von unserer Normalität<br />

bestehen. (...). Das heißt es sind auch Bilder die medial vermittelt worden sind (...). Diese<br />

Normalität dann, die hat natürlich oft was Traurig-Ernüchterndes, aber in beiden Fällen - ich<br />

steh immer so auf den Pragmatismus dann, der dann entstehen kann (...), der wiederum dann<br />

bedeuten kann, dass die Leute die mühsame gefahrenvolle Reise, dass die Leute sich vorher<br />

genauer überlegen was sie da alles aufs Spiel setzen wenn das ein bisschen entmystifiziert ist“<br />

(Interview 1).<br />

Zudem gelten als Schlüsselvariablen - welche offensichtlich die Stärke der social<br />

remittances von MigrantInnen beeinflussen - Ausbildung, Aufenthaltsdauer im<br />

Ausland, Arbeitserfahrung, Arbeitsbedingungen sowie Intensität der Kontakte zu<br />

Familie und FreundInnen im Heimatland. Auch hier wird betont, dass es eher die<br />

gut und seit langem integrierten MigrantInnen sind, welche die stärksten und<br />

größten sozialen Netzwerke in ihren Herkunftsländern besitzen und sich dort auch<br />

<strong>entwicklung</strong>sfördernd engagieren. Darüber hinaus muss ein grundsätzlich<br />

menschenrechtskonformer, wertschätzender Umgang mit MigrantInnen als Basis<br />

jeden Handelns angesehen werden (vgl. Wyss/Züger 2007, S. 253ff.).<br />

Interessant ist auch immer wieder der Spiegel, den MigrantInnen der<br />

Mehrheitsbevölkerung vorhalten können, wo es dann auch um Entwicklung in beide<br />

Richtungen gehen kann:<br />

„Und noch eins: die [MigrantInnen, Anm. dp] glauben an unser System, wie viele Leute gibts<br />

bei uns, die überhaupt nicht mehr an unser System, an unsere Demokratie und an unsere<br />

Institutionen glauben. Die glauben sehr wohl, dass es in Österreich sowas gibt wie<br />

Rechtssicherheit, wie keine Korruption, wie funktionierende Demokratie, wie die Möglichkeit,<br />

dass man sich über Arbeit und Bildung sozusagen einen sozialen Aufstieg verschafft. Das ist<br />

eine Frischluftzufuhr, also auch dieser Glauben, dieser Mut, diese Hoffnung, das ist eine<br />

Frischluftzufuhr für unsere Gesellschaft. (...) Aber grundsätzlich, so von der emotionalen<br />

Bereitschaft in einer Gesellschaft was weiterzubringen, können Migranten immer noch<br />

Frischluft bedeuten“ (Interview 1).<br />

Hier gilt es gerade für eine Organisation wie der Caritas Steiermark<br />

Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, damit diese „Frischluftzufuhr“ in alle<br />

Richtungen übertragen werden kann, dass es Entwicklungsmöglichkeiten von den<br />

MigrantInnen hin zur Mehrheitsgesellschaft und zurück geben kann; so sehen alle<br />

meine Interviewten die Chancen der Caritas darin, eben solche Begegnungsräume zu<br />

schaffen, so es durch kulturelle Programme, durch Austauschreisen, durch mediale<br />

Vermittlungen, etc. (vgl. Interview 1-7).<br />

67


5.1.3 Vom „Brain Drain“ über „Brain Circulation“ zum „Brain Gain“<br />

Seit den 1960er Jahren war eine der Hauptdebatten des Effektes von Migration auf<br />

Entwicklung fokussiert auf den „brain drain“, die E<strong>migration</strong> von Hochqualifizierten<br />

aus Entwicklungsländern und dem daraus folgenden Abfluss von Wissen (vgl.<br />

Page/Plaza 2005, S. 23). Als Ursachen von brain drain gelten vor allem schlechte<br />

Arbeitsbedingungen, geringe Bezahlung, fehlende Karrieremöglichkeiten sowie die<br />

Instabilität der Herkunftsgesellschaft. Als negative Auswirkungen auf<br />

Entwicklungsländer werden Humankapitalverlust, Personalknappheit in<br />

strategischen Sektoren, Verlust von volkswirtschaftlichen Investitionen und<br />

Steuerzahlungen sowie Schwächung der Institutionen und der Innovationskraft des<br />

Landes angeführt. Es gibt jedoch auch positive Auswirkungen: Rücküberweisungen,<br />

Bildungsanreize im Herkunftsland, Transfer von Wissen und Technologie (brain<br />

gain), Diaspora-Gemeinden als Katalysatoren für unternehmerische Initiativen und<br />

Entwicklungsprojekte sowie die Entlastung des Arbeitsmarktes der Herkunftsländer,<br />

falls die MigrantInnen arbeitslos waren. Ob brain drain dem Abwanderungsland<br />

schadet oder nützt, ist stark kontextabhängig, kleine und arme Entwicklungsländer<br />

scheinen von brain drain eher geschwächt zu werden, während größere Länder und<br />

solche mittleren Einkommens davon auch profitieren können (vgl. Langthaler 2008,<br />

S. 3 sowie S. 11). Diese Erfahrungen wurden auch von meinen InterviewpartnerInnen<br />

geteilt, jedoch auch kritisch hinterfragt:<br />

68<br />

„Das ist vereinzelt vorgekommen, dass man dann in diesen „street-voices“ gelesen hat, mein<br />

Gott, der war früher Geografielehrer zu Hause oder hat das oder das gemacht, hat Biologie<br />

studiert oder dies oder jenes, den brain drain seh ich ja wieder eher fast aus der umgekehrten<br />

Perspektive, dass man ja, wennst dir die Bevölkerungsprognosen, die Entwicklungsprognosen<br />

irgendwie anschaust (...) dass wir - und das ist eh auch nichts neues - dass wir davon<br />

ausgehen müssen, dass stark in den nächsten Jahren brain drain von Österreich weg<br />

irgendwie stattfinden wird, hin in andere Gebiete (...) und umgekehrt aber sehr viele gut<br />

ausgebildete Leute von den aufstrebenden Ländern des Südens wie eben China oder Indien<br />

wieder zurückgehen werden in ihre erstarkenden oder erstarkten Wirtschaftsländer“<br />

(Interview 1).<br />

In den 1990ern verlagerte sich die Diskussion vom problemfokussierten brain drain<br />

hin zum differenzierteren Bild des brain gain, zu möglichen <strong>entwicklung</strong>sfördernden<br />

Effekten von MigrantInnen aufgrund von remittances, RückkehrerInnen und der


Etablierung von Handelsnetzwerken (vgl. Page/Plaza 2005, S. 23f.) 30 . So gilt in letzter<br />

Zeit der Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit den breiteren Möglichkeiten<br />

in welcher Form MigrantInnen Handel, Investment und Technologie- und<br />

Wissenstransfer vorantreiben können (vgl. Page/Plaza 2005, S. 23f.). Weiters werden<br />

die Auswirkungen auf den Gesundheitssektor und Bildung diskutiert (vgl.<br />

Langthaler 2008, S. 10). So engagieren sich in manchen Ländern Diasporamitglieder,<br />

indem sie beratend tätig sind oder als Freiwillige in verschiedenen Institutionen<br />

mitarbeiten und verwandeln so den brain drain zu einem brain gain bzw. zu einer<br />

brain circulation: Migration ermöglicht hochqualifizierten Fachkräften, die im<br />

Ausland arbeiten oder gearbeitet haben, ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und Ressourcen<br />

auch ihren Herkunftsgesellschaften bereit zu stellen. Voraussetzung dafür ist die<br />

Möglichkeit der Zirkulation zwischen Aufnahmeland und Heimat bzw. direkte<br />

Wirtschaftskooperationen (vgl. GCIM 2005, S. 31 sowie Gerharz 2008). Diese<br />

Zirkulation von Wissen wird auch von mehreren meiner InterviewpartnerInnen<br />

angesprochen:<br />

„Im Moment finde ich das eh sehr spannend; Migration, Öko (…) Nachhaltigkeit im<br />

ökologischen Bereich, weil ich denk mir, das ist einfach ein globales Thema und da müssen wir<br />

das irgendwie in Verbindung bringen. Dass das was du machst auf der einen Seite, auf der<br />

Humanbasis, eine gescheite Geschichte ist, aber die Option, die du ihm mitgibst eine<br />

ökologische ist. Diese Kombination halte ich im Moment für spannend“ (Interview 2).<br />

Doch auch für das Migrationszielland bedarf es noch einigen Bemühens, um die<br />

Vorteile des brain gain bzw. der brain circulation nützen zu können:<br />

„Insgesamt denk ich (...) wir müssen (...) noch mehr den Schatz finden, dieser Migranten noch<br />

viel mehr entdecken. Wir haben jetzt bei der Aufnahmeprüfung bei der fünfjährigen Schule für<br />

Sozialmanagement eine (...) die spricht fünf Sprachen fließend (...). Wir brauchen sie, auch<br />

ökonomisch sind da Perspektiven drinnen, in der Kommunikation, mit der globalisierten Welt.<br />

(...) Man muss (…) überlegen, wie kann man mit Deutschdefiziten trotzdem gut umgehen,<br />

kann man da zusätzlich was anbieten? Kreativ sind wir damit umgegangen mit dem (...)<br />

Vorbereitungslehrgang mit verstärkter Deutschförderung ist daraus erwachsen, damit wir das<br />

von vornherein, damit nachher die Schwelle (...) es wird auch im Behindertenbereich, im<br />

Altenpflegebereich, (...) tust dir ja viel leichter wennst dort Ansprechpartner hast die auch für<br />

türkische Frauen akzeptabel sind“ (Interview 4).<br />

30 Als allgegenwärtiges Beispiel tauchen die indischen SoftwarespezialistInnen auf, die zuerst zur<br />

Entwicklung des IT-Sektors in den USA beitrugen, sodann nach Indien rückkehrten und vor allem<br />

Bangalore im südindischen Bundesstaat Karnataka als Zentrum der Computerindustrie etablierten<br />

und als Indiens Silicon Valley bekannt machten (vgl. Zeugin/van Dok 2007, S. 73 sowie Gerharz 2008).<br />

69


Dennoch scheinen derzeit die „starken Länder gestärkt“ und die „schwachen Länder<br />

geschwächt“ zu werden (vgl. Langthaler 2008, S. 22). Auch die OECD weist darauf<br />

hin, dass vor allem soziale Dienstleistungen in Entsendeländern nicht gänzlich<br />

ruiniert werden sollten: „EU member states should continue developing guidelines<br />

for recruitement of highly skilled workers from developing countries” 31 (Dayton-<br />

Johnson 2007, S. 67); diese Position vertritt die EU-Kommission neben<br />

Partnerschaften zwischen Institutionen in der EU und betroffenen<br />

Entwicklungsländern ebenfalls (vgl. focus Migration 2005) 32.<br />

Grundsätzlich scheint der Großteil an Wissensweitergabe oder grundsätzlich an<br />

social remittances eher zufällig zu passieren; es könnte so manches eine<br />

zielgerichtetere Steuerung erfahren – wie beispielsweise das schon erwähnte<br />

Solarprojekt - und somit effektiver sein:<br />

70<br />

„Es war eher so zufälliger Art, dass jemand da irgendeine Ausbildung gemacht hat und sich<br />

dann entschieden hat heim zu gehen. Vor allem mit Bosnien hats einige Fälle gegeben, die<br />

dann - sag ich mal - die über AMS oder andere Schulungen da Fähigkeiten erworben haben<br />

und dann später mal sich entschlossen haben, ich will zurück gehen. Aber das waren keine<br />

bewusst gesetzten Schritte“ (Interview 2).<br />

Hier ergibt sich für meine InterviewpartnerInnen automatisch ein Konnex mit den<br />

Projekten der Caritas-Auslandshilfe, und diesen gilt es jedenfalls auszubauen:<br />

„(…) und die Auslandshilfe hat das schon lang erkannt, dass jedes Kooperationsprojekt einen<br />

Bildungsanteil definieren muss. (…) das wir die menschlichen Ressourcen in Nigeria dort<br />

insgesamt fördern, ganz klar. (…) In Afrika ist fast immer die Frage, und was ist dabei der<br />

Bildungsaspekt für Frauenförderung zum Beispiel. (...) da sind ja auch Subventions- und<br />

Geldgeber dahinter. Die fordern das zunehmend mehr, den Bildungsaspekt. (...) Ein bissl<br />

skeptisch bin ich, ich bin jetzt für den Kosovo dabei, unser Ausbildungssystem für Pflegehelfer<br />

und für Behindertenbetreuer weiterzugeben. Wie man das gut inkulturieren kann dort, ohne<br />

die lokalen Ressourcen zu beschneiden, da bin ich skeptisch. (...) Ohne Kommentar kann mans<br />

nicht [weitergeben]. Ich hab vor sechs Jahren selbst die Behindertenpädagogik oder<br />

Pflegehelferausbildung über ein großes Projekt versucht in Kroatien zu inkulturieren, es ging<br />

31 Großbritannien auferlegte sich beispielsweise selbst einen „ethical recruitment code“, welcher<br />

besagt, dass sie keine Gesundheitsfachkräfte aus Entwicklungsländern aktiv abwerben wollen (vgl.<br />

Page/Plaza 2005, S. 34). Dennoch ist klar: „Migration policies focus on internal needs and labour<br />

market interests rather than the impact of brain drain on sending country economies” (IOM 2008, S.<br />

41).<br />

32 Der indische Ökonom Jagdish Bhagwati forderte schon in den 1970er-Jahren, als Kompensation für<br />

die brain-drain-Verluste den ausgewanderten Fachkräften eine Steuer aufzuerlegen und in die<br />

Herkunftsländer zu transferieren, dies erwies sich jedoch konzeptionell und politisch als nicht<br />

umsetzbar (vgl. Bhagwati 1976, zit. n. Zeugin/van Dok 2007, S. 75).


gut in Parametern, wo unsere Erfahrung wertvoll ist, aber du musst es radikal auch, wir<br />

haben dort einen Anspruch gehabt es EU-konform zu , aber du musst es lokal adaptieren. (...)<br />

Der Grundansatz: ich halte deswegen diese Beziehungsansatz für wichtig, aber gleichzeitig<br />

muss man bei uns arbeiten, dass wir auch empfänglich werden für das, und das Thema kommt<br />

auf uns zu, Klimaschutz und so weiter, was können wir für dort im Ressourcenumgang auch<br />

lernen“ (Interview 4).<br />

Gerade auch die Internationalität der Caritas ermöglicht es, Erfahrungen und Wissen<br />

sehr unbürokratisch und schnell weiterzugeben. Hier könnten zudem Systeme<br />

etabliert werden, um dieses vorhandene Wissen mehr Menschen zur Verfügung zu<br />

stellen und gegenseitiges Lernen voranzutreiben 33:<br />

„Einen Austausch hat es gegeben mit der Caritas in Bosnien mit unserer Hauskrankenpflege.<br />

Wie arbeiten sie bei uns und sie täten unten gerne was aufbauen, wie kann das ausschauen.<br />

Und das ist natürlich klasse von Caritas zu Caritas, weils einfach leichter ist wennst ein<br />

Netzwerk hast als wie wenn du Fremde fragen musst. (...) Und die waren dann heroben,<br />

haben sichs angeschaut und haben unten in Sarajevo ein großes Zentrum gebaut“ (Interview<br />

6).<br />

Grundsätzlich sind alle sieben von mir interviewten Caritas-Schlüsselpersonen sehr<br />

an Wissensaustausch interessiert: einerseits auf internationaler Ebene, aber auch<br />

firmenintern gäbe es durchaus Überschneidungspotential, wo Synergien bislang<br />

kaum genutzt werden. Denn, wie eine Interviewpartnerin meinte: „Am besten gelingts<br />

wenns auf Austausch geht“ (Interview 7).<br />

Im Bereich der social remittances könnte die Caritas Steiermark vieles bewegen: durch<br />

systematische Weiterbildungen von MigrantInnen sowie MitarbeiterInnen; durch<br />

verstärktes Einbringen der internationalen Caritasarbeit als Ressource, hier könnten<br />

beispielsweise Studienreisen von ähnlichen internationalen Caritasbereichen (z.B.<br />

Integrationsarbeit 34, Familienhilfe, etc.; vgl. dazu Interview 4 und 7), durch<br />

Motivation der Mitarbeitenden etwa basierend auf gemeinsamen Exkursionen (vgl.<br />

Interview 4 und 6); durch Medienkampagnen (vgl. Interview 1 35 ), etc.<br />

33 Diese Wissensweitergabe könnte beispielsweise auch im Bereich der Familienhilfe erfolgen, wie eine<br />

Interviewpartnerin erwähnte: „Ich glaube Familienhilfe wäre ein spannender Exportartikel“ (Interview 7).<br />

34 Hierzu ist bereits ein Projekt der Caritas Steiermark geplant, bei welchem europäische Städte ihre<br />

Best-practise-Modelle im Bereich der Integrationsarbeit austauschen werden: „I.C.E. Integration – City<br />

– Exchange“.<br />

35 Der Interviewpartner 1 schlägt beispielsweise die Entwicklung eines mehrteiligen Fernsehfilms vor,<br />

welcher von österreichischen gemeinsam mit nigerianischen FilmemacherInnen entwickelt und in<br />

beiden Ländern ausgestrahlt werden sollte.<br />

71


5.2 Finanzielle Rücküberweisungen<br />

Gelegentliche Überweisungen ihres Sohnes veränderten ihr Leben<br />

langsam, aber merklich. Im Laden, wo sie jetzt weniger Schulden machten,<br />

wurden sie mit einem breiten Lächeln empfangen<br />

und umständlich begrüßt.<br />

[Fatou Diome: Der Bauch des Ozeans]<br />

5.2.1 Vom Begriff der finanziellen Rücküberweisungen<br />

Die breiteste Definition sieht Rücküberweisungen als Bargeld- oder<br />

Sachleistungstransfers 36 von einem Platz zu einem anderen. Der Großteil der jüngst<br />

veröffentlichten Literatur sowie der allgemeinen Aufmerksamkeit des Migration-<br />

Entwicklungs-Nexus fokussiert auf internationale Rücküberweisungen in<br />

Entwicklungsländer. Meist schicken einzelne MigrantInnen Geld an<br />

Familienmitglieder oder FreundInnen, die im Herkunftsland verblieben sind<br />

(individual remittances); eine andere Form von Rücküberweisungen sind wohltätige<br />

Spenden, die von individuellen MigrantInnen, MigrantInnenvereinen oder anderen<br />

Zusammenschlüssen an ebensolche kollektiven AkteurInnen für bestimmte (Hilfs-)<br />

Projekte im Herkunftsland getätigt werden (collective remittances)(vgl. De<br />

Bruyn/Wets in CMD 2006, S. 201 sowie Gerharz 2008). Den Großteil an<br />

Rücküberweisungen stellen individuellen Geldflüsse dar, nur ein kleiner Teil wird in<br />

Form von collective remittances gesandt (vgl. Sörensen 2006, S. 10).<br />

Grundsätzlich gilt anzumerken, dass Rücküberweisungen eben die wissenschaftlich<br />

am leichtesten messbaren Größen darstellen, daher ist die Fülle an diesbezüglicher<br />

Literatur auch am dichtesten und diversifiziertesten. Dennoch soll m. E. nach<br />

finanzielles Gebahren lediglich ein Teil unter vielen anderen sein und bleiben; so<br />

sehe ich die Fokussierung der Thematik „Migration und Entwicklung“ als höchst<br />

problematisch und viel zu verkürzt, wenn sie sich einseitig nur den Geldflüssen<br />

zuwendet.<br />

36 So verweist einer meiner InterviewpartnerInnen auf die Rückverschiffung von Autos: „(…) ich weiß<br />

dann jetzt noch andere Geschichten (…), dass da einige versucht haben nicht nur Geld zurück zu überweisen<br />

aber beispielsweise mit dem Handel von alten Autos die da runter verschifft worden sind, da groß dann als<br />

Businessmen eingestiegen sind“ (Interview 1).<br />

73


5.2.2 Über das Ausmaß der finanziellen Rücküberweisungen<br />

Ein entscheidender Grund, warum die <strong>entwicklung</strong>spolitische Relevanz von<br />

MigrantInnen in den vergangenen Jahren in Wissenschaft und Politik erhöhte<br />

Aufmerksamkeit erlangte, ist vor allem dem rasanten Anstieg der weltweiten<br />

Rücküberweisungen zuzuschreiben. Die Weltbank stellte in ihrem „Migration and<br />

Remittances Factbook“ von 2008 fest, dass zwischen 1990 und 2007 die Summe der<br />

offiziell registrierten Rücküberweisungen in Entwicklungsländer von 31 auf 251<br />

Mrd. US $ anstieg, das Volumen ist damit zumindest doppelt so groß wie die<br />

gesamten offiziellen internationalen Entwicklungshilfegelder (vgl.<br />

Baraulina/Borchers 2008). Schätzungen für das Jahr 2004 gingen zudem davon aus,<br />

dass etwa 300 Milliarden Dollar zusätzlich über inoffizielle Kanäle transferiert<br />

werden. Über offizielle Wege geleistete Rücküberweisungen stellen somit nach den<br />

ausländischen Direktinvestitionen die zweitwichtigste Quelle externer Gelder für<br />

Entwicklungsländer dar (vgl. GCIM 2005, S. 84f.). Durch diese enormen Summen<br />

werden auch PolitikerInnen in Herkunfts- und Zielländern unter Druck gesetzt, wie<br />

sie diese Finanzflüsse am besten nutzen könnten (vgl. Page/Plaza 2005, S. 2).<br />

(Quelle: Darstellung nach Angaben von World Bank (2008), zit. n. Knerr 2008)<br />

74


(Quelle: World Bank 2008)<br />

Der Einfluss, den diese Kapitalströme auf die Wirtschaft insbesondere von ärmeren<br />

Ländern haben, wird - durch oben ersichtliche Darstellung - allein schon durch ihren<br />

Anteil am Bruttosozialprodukt einzelner Länder deutlich: so machen in Ländern wie<br />

Tadschikistan, der Republik Moldau oder Tonga Rücküberweisungen mehr als 30%<br />

des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus.<br />

75


Die weltweit wichtigsten Quellländer von Rücküberweisungen sind die USA (2006:<br />

42,2 Mrd. US $), Saudi Arabien (15,6 Mrd. US $), die Schweiz (13,8 Mrd. US $) und<br />

Deutschland (12,3 Mrd. US $) (vgl. World Bank 2008, zit. n. Knerr 2008). Zudem gilt<br />

anzumerken, dass laut einer 2003 veröffentlichten Studie von Adams/Page (S. 1) ein<br />

10%iger-Anstieg des Anteils von internationalen Rücküberweisungen am BIP eines<br />

Landes durchschnittlich zu einer 1,6%igen Abnahme der in Armut lebenden<br />

Menschen führt.<br />

5.2.3 Die Wege der finanziellen Rücküberweisungen<br />

Untersuchungen ergaben eine große Bandbreite an Geldsende-Mechanismen:<br />

“Banks, credit unions, small and large money transfer companies, postal services,<br />

hand delivery and other mechanisms such as hawala (Pakistan and Bangladesh) or<br />

hundi (India)” 37 (Page/Plaza 2005, S. 16, vgl. auch Knerr 2008). Die Wahl des<br />

Mediums wird vor allem durch Faktoren wie Überweisungskosten, das Vertrauen in<br />

die ÜbermittlerIn, Annehmlichkeiten (wie Öffnungszeiten, Sprache, Örtlichkeiten)<br />

sowie etwaige Identifikationsanfordernisse bestimmt. Eine schweizerische Studie<br />

über Rücküberweisungen von SerbInnen weist u. a. darauf hin, dass via Transfers<br />

durch BuschauffeurInnen, deren Linien die Schweiz mit Serbien verbinden, gleich<br />

viel Geld transferiert wird wie über das offizielle Bankensystem (vgl.<br />

Dahinden/Lerch 2007, S. 193). Eine meiner Interviewpartnerinnen wusste auch von<br />

Überweisungen in regulären Postsendungen zu berichten (vgl. Interview 6). Die<br />

Gebühr für remittances reflektiert vor allem zwei Komponenten: die Überweisungs-<br />

sowie die Wechselkurskosten. So variieren die Kosten signifikant je nach<br />

Überweisungsland, Transferkanal und –methode (vgl. Page/Plaza 2005, S. 16). Im<br />

Falle politisch und ökonomisch stabiler Empfängerländer fließen die Transfers<br />

überwiegend über offizielle Kanäle, im Falle von failed states sind dagegen die<br />

informellen Diaspora-Netzwerke oftmals die einzige Alternative (vgl. Thränhardt<br />

37 Bei diesen informellen Übermittlungssystemen wird eine bestimmte Summe, allein auf Vertrauen<br />

und persönliche Bekanntschaft gestützt, an einem beliebigen Ort der Erde einem Hawala-Beauftragten<br />

übergeben. Dieses Geld zahlen Hawala-Vertraute wesentlich zeitnäher als offizielle Banktransfers an<br />

einem beliebigen anderen Ort des Globus zu vergleichsweise geringen Gebühren in einer anderen<br />

(oder derselben) Währung an die angegebene Person aus. In Lateinamerika gewährleistet die<br />

ritualisierte Wahlverwandtschaft des compadrazgo-Systems, dass Waren und Geld ihre<br />

EmpfängerInnen erreichen (vgl. Edition Le Monde diplomatique 2008, S. 23 sowie De Bruyn/Wets in<br />

CMD 2006, S. 202).<br />

76


2008, S. 103 sowie De Bruyn/Wets in CMD 2006, S. 202). Vor allem auch seit den<br />

Terrorattacken von 9/11 versuchen viele Regierungen, Transfers via informellen<br />

Kanälen hin zu formellen zu lenken (vgl. Martin 2004, S. 13).<br />

Das in Österreich bekannteste Rücksendeunternehmen ist Western Union<br />

(www.westernunion.at); interessanterweise auch einer der HauptsponsorInnen der<br />

österreichweiten Caritas-Augustsammlung 38:<br />

„Western Union war, war und ist hoffentlich auch in der Zukunft Sponsor der Caritas für die<br />

österreichweite Augustsammlung zugunsten der Auslandshilfe, Augustkampagne, zugunsten<br />

der Auslandshilfeprojekte der Caritas. (…) dass in den letzten zwei, drei Jahren Western<br />

Union schon Sponsor gewesen ist, also klassisches Kampagnensponsoring, Überweisung<br />

Geldbetrag für Nennung auf Plakaten, Logo, Broschüren und Informationsmaterialien und da<br />

war eben Western Union gemeinsam mit Bawag und PSK Sponsor. (...) Es hat da auch schon<br />

Versuche gegeben sie ganz konkret für so ein Projekt zu gewinnen, dass sie sagen so mit<br />

Rückflüssen und wie man das irgendwie machen könnte [das ist aber nichts geworden],<br />

Western Union wollte sich auf klassisches, auf seriöses Kampagnensponsoring beschränken<br />

und haben das in den letzten Jahren auch gemacht. (...) Das ist halt ein klassischer Fall von<br />

einem Unternehmen dass da profitiert von einer gewissen gesellschaftlichen Entwicklung im<br />

globalen Kontext und das halt irgendwie versucht nicht nur gut zu verdienen sondern auch<br />

ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Verantwortung zu zeigen“ (Interview 1).<br />

5.2.4 Einflussfaktoren auf finanzielle Rücküberweisungen<br />

Rücküberweisungen unterliegen ihren eigenen Zwängen und Einschränkungen. Es<br />

gilt als nachgewiesen, dass MigrantInnen immer weniger in ihr Heimatland<br />

überweisen, je mehr Zeit sie im Ausland verbringen (vgl. GCIM 2005, S. 28). Zudem<br />

variiert remitting behavior abhängig von Alter, Ausbildung, Beschäftigung,<br />

Rücküberweisungsmotiven, Geschlecht, Größe des Haushaltes sowie Zugang zu<br />

Krediten. Hierbei ist die Tendenz zu beobachten, dass temporäre MigrantInnen –<br />

oder MigrantInnen mit Rückkehrabsicht – einen größeren Teil ihres Einkommens<br />

übermitteln, auch schlechter ausgebildeten ArbeiterInnen wird ein höherer Hang zu<br />

Rücküberweisungen nachgewiesen als Hochqualifizierten (vgl. Page/Plaza 2005, S.<br />

14f.) 39.<br />

38 Der Reingewinn der Caritas-Augustsammlung kommt traditionellerweise ausschließlich den<br />

Auslandshilfeabteilungen der Caritas zugute.<br />

39 Hier könnte sich der widersprüchliche Gedanke aufdrängen, dass jene Länder, die<br />

Rückkehrabsichten von MigrantInnen durch schlechtere Integrationsbedingungen fördern,<br />

unintendiert <strong>entwicklung</strong>spolitisch förderlich arbeiteten. Doch zeigt das vorangehende Kapitel, dass<br />

geglückte Entwicklungsförderung auch auf erfolgreiche Integration im Migrationszielland verweist.<br />

77


Mikroökonomische Studien fanden folgende Motive zur Übersendung von<br />

remittances: „Altruism (family obligations and assistance, inheritance), insurance<br />

(indemnifying the human and social development of the family left behind against<br />

income shocks) and investment (asset accumulation back home as part of <strong>migration</strong><br />

life-cycle planning)” (Page/Plaza 2005, S. 15). Selbstverständlich beeinflussen auch<br />

makroökonomische Faktoren wie die Einkommens- und Arbeitssituation im<br />

Zielland, Lebenserhaltungskosten, eventuelle Krisen im Herkunftsland, etc. das<br />

Rücküberweisungsvolumen (vgl. Page/Plaza 2005, S. 16).<br />

Der Druck, Geld nach Hause zu überweisen, kann jedoch eine wesentliche finanzielle<br />

und psychologische Belastung für MigrantInnen bedeuten, insbesondere für<br />

diejenigen, die unsichere und schlecht bezahlte Tätigkeiten verrichten, wie die Global<br />

Commission on International Migration (2005, S. 29) klar betont. Auch Ninna Nyberg<br />

Sörensen beklagt diesen Druck:<br />

78<br />

“Family, kinship and community links, while providing networks of support, are also<br />

a source of perhaps never ending obligations. Sending economic resources back home<br />

can be a large drain on the resources of those who have employment in the North,<br />

more so for women working in low-wage sectors such as domestic service, and even<br />

more so for those who have no employment at all. Such demands may work against<br />

migrant’s social mobility in the destination countries and also make accumulation of<br />

resources for return and broader home-oriented investmenst very difficult” (Sörensen<br />

2006, S. 12).<br />

Eine meiner InterviewpartnerInnen schildert diese emotionalen Verpflichtungen mit<br />

all ihren Widersprüchlichkeiten:<br />

„Ich kenn zum Beispiel ein Paar [aus Nigeria, Anm. dp] (...) aber immer das erste Geld das er<br />

verdient hat, das war immer für die Familie, also unabhängig davon was zuhause [in<br />

Österreich, Anm. dp] notwendig ist, das war wie ein ungeschriebenes Gesetz, das war so. (...)<br />

was ich zum einen ja auch sehr bewundere, diese innere Verantwortlichkeit die sie haben<br />

ihrem Familienclan gegenüber, das ist ja bei uns sehr sehr lasch, also kaum ausgeprägt. (...)<br />

bei uns erst wenn alle Bedürfnisse gedeckt sind, dann kommt man auf die Idee vielleicht was<br />

herzugeben, ich glaub dass da unsere ganz viel lernen könnten, diese soziale<br />

Verantwortlichkeit (...). Auch hier wenn sie im Substandard und absolut dürftigst leben und<br />

sich zuhause einen Baugrund kaufen“ (Interview 7).


5.2.5 Positive Aspekte von finanziellen Rücküberweisungen<br />

• Rücküberweisungen tragen signifikant zur Armutsminderung bei (vgl. u.a.<br />

Knerr 2008) 40.<br />

• Rücküberweisungen können die Zahlungsbilanz stabilisieren und die<br />

Zahlungsfähigkeit der ärmeren Schichten verbessern, um die sich ansonsten<br />

der Staat kümmern müsste (vgl. Baraulina/Borchers 2008).<br />

• Rücküberweisungen sind eine relativ bequeme Devisenquelle (z.B. für Länder<br />

wie Bangladesch, Pakistan, Jordanien, Guatemala, etc.), was vor allem<br />

angesichts tatsächlicher oder drohender Auslandsverschuldung eine<br />

besondere Rolle spielt (vgl. Knerr 2008).<br />

• Rücküberweisungen können Jobs generieren; die meisten Studien gehen<br />

davon aus, dass jeder einzelne Dollar an Rücküberweisungen eine Erhöhung<br />

von zwei bis drei Dollar des BIPs bewirkt, da die EmpfängerInnen Waren<br />

kaufen oder in Wohnungen, Bildung und Gesundheit investieren (vgl. Martin<br />

2004, S. 15). Auch Ausgaben für z.B. Feste und Begräbnisse erhöhen den<br />

lokalen Konsumationslevel bei MigrantInnen sowie Nicht-MigrantInnen<br />

gleichermaßen; hier ist ein signifikanter Multiplikationseffekt in der breiteren<br />

Wirtschaft feststellbar (vgl. de Haas 2007a, S. 16f.).<br />

• Der Verwendung von Rücküberweisungen für Investitionszwecke wird<br />

wirtschaftspolitisch große Bedeutung beigemessen. Einige Regierungen<br />

bemühen sich durch unterschiedliche Maßnahmen die produktive Investition<br />

aus Rücküberweisungen zu fördern, um damit das wirtschaftliche Wachstum<br />

anzukurbeln und den MigrantInnenfamilien eine dauerhafte Lebensgrundlage<br />

zu sichern (vgl. Knerr 2008). So verweist z.B. auch eine Interviewpartnerin auf<br />

die lokalen Wirtschaftsankurblung im Rahmen der Errichtung von Häusern<br />

(z.B. in Südosteuropa)(vgl. Interview 5).<br />

• Im Rahmen transnationaler MigrantInnenorganisationen werden auch<br />

Programme zur Mobilisierung von Rücküberweisungen für öffentliche<br />

40 Doch muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass remittances nicht als Allheilmittel zur<br />

Armutsbekämpfung gelten können: MigrantInnen repräsentieren weniger als 3% der<br />

Weltbevölkerung (2003); der Zugang zu Migration ist ungleich verteilt, daher profitieren viele<br />

Haushalte nicht von Rücküberweisungen (vgl. IOM in CMD 2006, S. 54).<br />

79


80<br />

Projekte wie Straßen und Schulen initiiert. Bekannt geworden ist hier z.B. das<br />

„Tres-Por-Uno“-Programm in Mexiko 41 (vgl. Knerr 2008).<br />

• Rücküberweisungen können sich positiv auf die Schullaufbahn von Kindern<br />

auswirken; Hanson und Woodruff (2002) erforschten in Mexiko, dass Kinder<br />

aus Haushalten mit MigrantInnen mehr Schuljahre als andere absolvierten<br />

(vgl. Page/Plaza 2005, S. 20).<br />

• Auch wird aus Mexiko eine positive Korrelation zwischen remittances und der<br />

Gesundheitssituation berichtet; Geburtsrisiken waren in Haushalten die<br />

Rücküberweisungen erhalten niedriger, Mütter in diesen Familien hatten<br />

mehr Wissen über Gesundheitsvorsorge, auch die Kindersterblichkeit war<br />

geringer (vgl. Page/Plaza 2005, S. 21).<br />

5.2.6 Negative Aspekte von finanziellen Rücküberweisungen<br />

• Weltweit wird der größte Teil der Rücküberweisungen für den täglichen<br />

Bedarf ausgegeben: für Alltagskonsum und Verbesserung des<br />

Lebensstandards, Medizin und ärztliche Versorgung, Ausbildung; für<br />

dauerhaftere Konsumgüter wie Fernsehgeräte oder Waschmaschinen; für<br />

Hausbau oder Verbesserung der Wohnverhältnisse; den Kauf von Land oder<br />

Vieh; Investitionen in das soziokulturelle Leben, wie z.B. Hochzeiten, sowie<br />

die Rückzahlung von Schulden. Nur ein geringer Teil fließt in Ersparnisse<br />

oder Einkommen schaffende Aktivitäten 42 (vgl. Sanders 2003, zit. n. Knerr<br />

2008).<br />

• Wenn Rücküberweisungen hauptsächlich für importierte Konsumgüter<br />

ausgegeben werden, besteht die Gefahr, dass traditionelle lokale<br />

AnbieterInnen weniger Waren verkaufen können, dies geht zumeist mit dem<br />

Verlust von Arbeitsplätzen einher (vgl. Baraulina/Borchers 2008).<br />

41 Bei diesem Programm in Zacatecas State, Mexiko, wurde zu jedem Dollar, der als Rücküberweisung<br />

aus den USA gesendet wurde, jeweils ein Dollar von der Bundes- als auch der Landesregierung<br />

beigefügt (vgl. Iskander 2005, zit. n. Dayton-Johnson 2007, S. 78).<br />

42 Doch auch hier gibt es kritische Stimmen, welche einmahnen, dass sozialer Status, der durch<br />

Rücküberweisungen steigt, ebenfalls eine wichtige Dimension von Entwicklung darstellt, da<br />

Investitionen solcher Art in die Logiken lokaler sozialer Ordnung eingebettet sind (vgl. Gerharz 2008);<br />

auch meine Interviewpartnerin 5 weist darauf hin.


• Massive Rücküberweisungen können auch das allgemeine Preisniveau für<br />

verschiedene Güter – von Grundnahrungsmitteln bis hin zu Immobilien –<br />

erhöhen und damit neue Ungleichheiten produzieren. Familien, die keine<br />

Rücküberweisungen empfangen, können unter Umständen nicht die gleiche<br />

Kaufkraft entfalten (Baraulina/Borchers 2008), denn die Benefits von<br />

remittances sind selektiv: „Though not exclusively, they tend to go to the<br />

better-off households within the better-off communities in the better-off<br />

countries of the developing world, since these households, communities and<br />

countries tend to be the source of migrants” (CDR 2002).<br />

• Längerfristig kann die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des<br />

Empfängerlandes Schaden nehmen, weil die Inflation die Planungssicherheit<br />

der WirtschaftsakteurInnen vermindert und eine Ausrichtung der<br />

Produktions- und Handelsstrukturen auf international nicht handelbare Güter<br />

gefördert wird (vgl. Knerr 2008).<br />

• Durch Rücküberweisungen kommen erhebliche Devisenmengen in die<br />

Entsendeländer der MigrantInnen. Diese werden in heimische Währung<br />

umgetauscht und dann ausgegeben, dadurch steigt die Nachfrage nach<br />

heimischer Währung und damit bei Wechselkursflexibilität – die in der Regel<br />

gilt – auch deren Wechselkurs. Für inländische Produkte bedeutet dies eine<br />

Verminderung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt (vgl. Knerr<br />

2008).<br />

• Besonders nachteilig für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung einer<br />

Rücküberweisungsökonomie ist die Ausbildung einer so genannten „Dutch<br />

Disease“ 43 infolge eines Rücküberweisungsbooms: „Sie ist gekennzeichnet<br />

durch einen Rückgang (bzw. eine nicht stattfindende Entwicklung) der<br />

heimischen Industrie, inflationäre Tendenzen und eine langfristige<br />

Verschiebung der gesamtwirtschaftlichen Produktionsstruktur hin zur<br />

Herstellung international nichthandelbarer Güter“ (Knerr 2008).<br />

• Zu einer weiteren langfristigen Belastung für die wirtschaftliche Entwicklung<br />

von Entsendeländern kann die häufig beobachtete Ausrichtung der<br />

43 Die Niederlande waren das erste Land, für das diese spezifische Entwicklung wissenschaftlich<br />

beschrieben und analysiert wurde, daher der Name (vgl. Knerr 2008).<br />

81


82<br />

Ausbildungsstruktur auf die Bedürfnisse der (potentiellen) Zielländer werden,<br />

wenn Familienmitglieder Ausbildungen anstreben, welche die<br />

Migrationschancen erhöhen - dies wird oftmals auch durch Regierungen<br />

unterstützt (vgl. Knerr 2008).<br />

• Der Erhalt von Rücküberweisungen kann in Abwanderungsländern eine so<br />

genannte „Migrationskultur“ schaffen, die dazu führen kann, dass junge<br />

Menschen übertriebene Hoffnungen auf die Möglichkeit setzen, ins Ausland<br />

abzuwandern (vgl. GCIM 2005, S. 29).<br />

• Auf Haushaltsebene ist infolge hoher Rücküberweisungen oft ein Rückzug<br />

von Familienmitgliedern aus dem Erwerbsprozess zu beobachten: dies kann<br />

insbesondere in Sektoren mit hohem Arbeitsinput – wie etwa der<br />

Landwirtschaft – zu verminderter Produktion führen. Auch die Bemühungen<br />

Arbeit zu finden werden oft dadurch reduziert (vgl. Page/Plaza 2005, S. 18f.<br />

sowie Knerr 2008).<br />

• Häufig bestehen wirtschaftliche und/oder politische Abhängigkeiten des<br />

Entsendelandes vom Zuwanderungsland. Verschlechtert sich die<br />

wirtschaftliche Lage des Einwanderungslandes sind die ausländischen<br />

Arbeitskräfte oft eine der ersten, die entlassen werden. Unabhängig davon, ob<br />

sie dann das Gastland verlassen müssen oder nicht – einen Rückgang der<br />

Rücküberweisungen bedeutet es in jedem Fall (vgl. Knerr 2008); darauf weist<br />

auch eine meine Interviewpartnerinnen hin:<br />

„Wie ich kürzlich in Bosnien war, wo sie eben gesagt haben, Wirtschaftskrise berührt<br />

uns nicht, weil wir eh so isoliert sind. Aber ich denk, was sie nicht bedenken, das sind<br />

diese Auslandsbosnier, die halt arbeiten oder irgendwo sind und die Geld überweisen.<br />

Das wird ausbleiben, das wird die Wirtschaft treffen. (...) Die Bauwirtschaft ist ja<br />

gigantisch in den Städten, ja, aber wird sicherlich der Punkt werden wo all die<br />

osteuropäischen Länder oder diese Länder dies treffen wird. Afrika wahrscheinlich<br />

entschleunigter, ja, weil ich mein, denen gehts eh schon so schlecht, die sind - wie hab<br />

ichs jetzt gelesen in einem Bericht ‚Wirtschaftskrise in Afrika’: uns gehts eh schon so<br />

schlecht, ich mein, uns kanns ja gar nicht noch schlechter gehn, oder, also da ist schon<br />

so dieses, das wirkt sich gar nicht aus“ (Interview 5).<br />

Grundsätzlich erscheinen die kurzfristigen Auswirkungen der Rücküberweisungen<br />

sowohl auf den Wohlstand der MigrantInnenfamilien als auch auf die wirtschaftliche<br />

Situation in den Empfängerländern dieser Transfers überwiegend positiv. Langfristig


können jedoch die zunächst sowohl makroökonomischen als auch auf<br />

Haushaltsebene günstigen materiellen Auswirkungen erhebliche wirtschaftliche<br />

Probleme mit sich bringen. Diese treten insbesondere dann an die Oberfläche, wenn<br />

der Strom der Rücküberweisungen versiegt oder auch nur deutlich zurückgeht (vgl.<br />

Knerr 2008). 44<br />

5.2.7 Finanzielle Rücküberweisungen und die Geschlechterrollen<br />

Generell wird angenommen, dass Migrantinnen einen größeren Teil ihrer<br />

Einkommen rücküberweisen, dies regelmäßiger tun und auch die besseren<br />

SparerInnen sind - obwohl sie typischerweise weniger verdienen; auch werden die<br />

von Frauen rückgesendeten Gelder für bestimmte Zwecke wie etwa Nahrung,<br />

Kleidung, Gesundheitsvorsorge, Bildung gewidmet (vgl. Sörensen 2006, S. 7f.; Hilber<br />

2008; IOM 2004a sowie IOM 2008, S. 61). Meist tendieren die Studien jedoch dazu,<br />

Geschlechterdimensionen gänzlich zu ignorieren, obwohl die Ungleichheit der<br />

Geschlechter sehr wohl Auswirkungen auf Migrationsverhalten und den Zugang zu<br />

remittances hat. Eine automatische Veränderung in patriarchalen Familienstrukturen<br />

kann ebenso wenig konstatiert werden wie die Annahme, dass Verschiebungen von<br />

Geschlechterrollen automatisch positive Implikationen haben. Es kann auch nicht<br />

davon ausgegangen werden, dass migrierende Frauen automatisch<br />

genderspezifische gesellschaftliche Normen des Aufnahmelandes annehmen,<br />

dennoch kann internationale Migration einen positiven Einfluss auf die<br />

Bildungsbeteiligung sowie die generelle Partizipation von Frauen in<br />

gesellschaftlichen Belangen haben (vgl. de Haas 2007a, S. 19ff. sowie OECD 2007, S.<br />

76f.)<br />

44 Der Vollständigkeit halber will ich noch auf die Möglichkeit der Direktinvestitionen im<br />

Herkunftsland hinweisen: diese werden – im Unterschied zu Geldüberweisungen - als ausschließlich<br />

vorteilhaft für die Volkswirtschaften der Entwicklungsländer bewertet. Direktinvestitionen machen<br />

nachhaltige Strukturveränderungen und Wirtschaftswachstum möglich, außerdem bestehen<br />

empirische Anhaltspunkte zur Hypothese, dass MigrantInnen in jene Wirtschaftssektoren investieren,<br />

welche ausländische InvestorInnen tendenziell nicht wählen (z.B. Bildung, Gesundheitsversorgung).<br />

Um dort zu investieren, sind oft umfassende institutionelle Kenntnisse und ausgebaute Kontakte zur<br />

Politik vonnöten, welche die ausländischen InvestorInnen tendenziell nicht besitzen, auch sind diese<br />

schwer exportierbaren Güter weniger attraktiv. Die Bedeutung von MigrantInnen als<br />

DirektinvestorInnen oder InvestitionsvermittlerInnen sollte dennoch nicht überschätzt werden, auch<br />

MigrantInnen investieren nicht in Wirtschaften, die aufgrund der politischen Situation oder fehlender<br />

Infrastruktur instabil sind. Deshalb bleiben gerade in den ärmsten der armen Länder die<br />

MigrantInneninvestitionen aus (vgl. Baraulina/Borchers 2008).<br />

83


5.2.8 Ausblicke und Empfehlungen<br />

Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, wie Rücküberweisungsgelder möglichst<br />

zielführend eingesetzt werden können, wobei grundsätzlich anerkannt wird, dass<br />

remittances meist private Gelder sind und keinen unangemessenen Beschränkungen<br />

von staatlicher Seite unterliegen sollen:<br />

84<br />

• Kostensenkung für Rücküberweisungen;<br />

• Größere Transparenz auf dem finanziellen Dienstleistungssektor, damit<br />

MigrantInnen die Rücküberweisungskosten unterschiedlicher AnbieterInnen<br />

leichter vergleichen können 45;<br />

• Einführung von Ausbildungsprogrammen für MigrantInnen zur<br />

Funktionsweise des Finanzmarktes, um das Verständnis für offizielle<br />

Banksysteme in den Zielländern zu verbessern, den Zugang zu erleichtern<br />

sowie den Finanzsektor zu entwickeln 46 ;<br />

• Einrichtung von Kreditgenossenschaften und gemeinschaftsbasierenden<br />

Mikro-Finanzinstituten, um Finanzdienstleistungen auf abgelegene ländliche<br />

Gebiete in den Herkunftsländern auszuweiten (vgl. GCIM 2005, S. 27 sowie<br />

Dayton-Johnson et al. 2007, S. 70f.);<br />

• Finanzierungen bereitstellen für gemeinsame Projekte von Organisationen der<br />

Diaspora und lokalen Organisationen, um die örtliche Entwicklung zu<br />

unterstützen (vgl. KOM 2005);<br />

• Maßgeschneiderte Bankservices für MigrantInnen entwickeln (wie<br />

Hypotheken, auf Rücküberweisungen fokussierte Bankkonten und<br />

Investmentfonds), um remittances in produktives Investment zu kanalisieren<br />

(vgl. de Haas 2006, zit. n. Dayton-Johnson et al. 2007, S. 78).<br />

45 In Großbritannien hat das „Department for International Development“ (DfID) beispielsweise die<br />

Website www.sendmoneyhome.org eingerichtet; diese Seite informiert MigrantInnen über die<br />

günstigsten Möglichkeiten Geld zu überweisen, wie auch über andere Finanzdienstleistungen und<br />

Investitionsmöglichkeiten. Auch die deutsche „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“ (GTZ)<br />

lancierte die Seite www.geldtransfair.com mit dem gleichen Ziel (vgl. Langthaler 2009, S. 8).<br />

46 Hier setzt beispielsweise das niederländische Projekt „Netherlands Financial Sector Development<br />

Exchange“ (NFX) an, eben mit dem Ziel, den Finanzsektor in den Herkunftsländern zu entwickeln.<br />

Einerseits soll mehr Transparenz einziehen und bessere wie auch billigere Finanzdienstleistungen<br />

angeboten werden. Andererseits soll ermöglicht werden, private Rücküberweisungen zu bündeln und<br />

damit die Wirtschaft anzukurbeln (vgl. Langthaler 2009, S. 8).


Die grundsätzlich herrschende Euphorie der Entwicklungsförderungsmöglichkeiten<br />

durch Rücküberweisungen wird durchaus kritisch gesehen: der Ökonom Devesh<br />

Kapur (2004) sprach von remittances als dem neuen “development mantra” (zit. n. de<br />

Haas 2007a, S. 26). Andere Wissenschaftler sind noch weniger optimistisch: „Or to<br />

put it less positively, the idea is that some of the most exploited workers in the world<br />

can make up for the failure of mainstream development policies” (Castles/Wise<br />

2008, S. 7).<br />

Dennoch erschienen hier viele kreative Möglichkeiten für die Caritas Steiermark, in<br />

Zusammenarbeit mit FinanzdienstleisterInnen, Banken, wissenschaftlichen<br />

Instituten, Diasporagemeinschaften etc., zukunftsweisende Modelle zu entwickeln,<br />

da die Bedeutung der Rücküberweisungen wohl auch weiterhin zunehmen wird.<br />

Auch könnten Finanzschulungen für MigrantInnen entwickelt sowie auf bereits<br />

vorhandenen Erfahrungen von anderen europäischen NGOs aufgebaut werden (z.B.<br />

die Website-Entwicklung zum Vergleich der Rücksendekosten der einzelnen<br />

Finanzinstitute).<br />

85


5.3 Politische Kohärenz<br />

Und es ist nun mal so, dass wir,<br />

obwohl wir nichts dafür können,<br />

verantwortlich sind.<br />

[Hermann Hesse]<br />

Zu guter Letzt sei noch kurz auf die derzeit intensiv geführten Debatten über<br />

politische Kohärenz hingewiesen, diese umfassen im Themenkomplex „Migration<br />

und Entwicklung“ mehrere Dimensionen:<br />

- Kohärenz innerhalb eines Staates (auf allen Ebenen der Regierung);<br />

- Kohärenz zwischen Staaten (Koordination und Kooperation zwischen<br />

Herkunfts- und Zielländern sowie zwischen Ländern mit ähnlichen<br />

Migrationsprofilen zum Erfahrungsaustausch);<br />

- Kohärenz zwischen Regierungen und anderen Beteiligten<br />

(UnternehmerInnen, Gewerkschaften, NGOs, MigrantInnen-<br />

/Diasporaorganisationen);<br />

- Kohärenz zwischen Migration und verwandten Politikbereichen (Handel,<br />

Beschäftigung, Gesundheit, Umweltschutz, Sicherheit) (vgl. IOM in CMD<br />

2006, S. 79f.).<br />

5.3.1 Politische Kohärenz in den Zielländern<br />

Eine Vielzahl von AkteurInnen und Interessengruppen versucht im Bereich der<br />

Migrations- und Entwicklungspolitik Einfluss zu nehmen; so kommt es nicht selten<br />

zu Zielkonflikten zwischen unterschiedlichen Politikbereichen auch innerhalb<br />

einzelner Staaten (vgl. Aikins 2008). Von allen Seiten wird ein kohärenter<br />

Politikansatz gefordert, um die Ursachen für Migration – allen voran Armut und<br />

mangelnde Entwicklungsperspektiven – abfedern zu können. Es braucht eine<br />

kohärente Arbeitsmarkt-, Handels-, Finanz-, Sicherheits-, Entwicklungs-,<br />

Menschenrechts- sowie Integrations(Innen-)politik. So verabschiedete die<br />

Europäische Kommission auch im Dezember 2005 den „Global Approach to<br />

Migration“, um diese Kohärenz voranzutreiben (vgl. Okele 2007, S. 41).<br />

87


Wiederholt wird dazu aufgefordert, MigrantInnen als Ressource für<br />

Entwicklungsförderung zu sehen und Diasporaorganisationen als PartnerInnen für<br />

Entwicklungsprogramme zu nutzen. Rechte von MigrantInnen sollen gesichert,<br />

Rücküberweisungskosten gesenkt, flexiblere Asyl- und Resettlementsysteme sowie<br />

temporäre Arbeitsvisa geschaffen und Doppel- oder flexible Staatsbürgerschaften<br />

ermöglicht werden (vgl. CDR 2002 bzw. die vorhergehenden Kapitel dieser Arbeit).<br />

Doch dafür bedarf es auch eines anderen Leitbildes im Umgang mit den<br />

Herkunftsregionen, diese sollten nicht als BittstellerInnen und HilfsempfängerInnen,<br />

sondern als gleichberechtigte PartnerInnen, strategische Wirtschaftsstandorte und<br />

geopolitischer Faktor gesehen werden (vgl. Schleich 2007, S. 35f.). Auch einer meiner<br />

Interviewpartner fordert vehement eine Einstellungsänderung:<br />

88<br />

„Ja, bin ich felsenfest davon überzeugt, dass man in Netzwerkarbeit hier auch mehr<br />

investieren muss (...) und du hast Botschafter. (...) Aber die Grundbedingung ist, dass wir zu<br />

den Migranten, eine Spur (...) Einstellungsänderung, von der defensiven ein bisschen mehr<br />

auf Austausch gehen“ (Interview 4).<br />

Hier gilt es allerdings noch große Gräben zwischen Absichtserklärungen und der<br />

Praxis zu schließen: „In general, there is a lack of any credible coherence between aid<br />

and <strong>migration</strong> policies“ (Stalker, 2002, zit. n. Haas 2007, S. 13), denn nach wie vor<br />

drängt sich der Verdacht auf, dass es den reicheren Ländern vielmehr um<br />

Migrationskontrolle denn um Entwicklungsförderung geht (vgl. Newland 2003, zit.<br />

n. Haas 2007, S. 14). Auch gelangt zusehends eine wachsende Inkohärenz zwischen<br />

Integrationsvorstellungen (meist assimilatorisch verstanden) und möglichen<br />

Entwicklungsperspektiven ins Blickfeld.<br />

5.3.2 Politische Kohärenz in den Herkunftsländern<br />

Auch die Herkunftsländer müssen Maßnahmen ergreifen, die es ihrer Diaspora<br />

erlauben, emotional mit dem Heimatland verbunden zu bleiben; so haben<br />

beispielsweise das „New Partnership for Africa’s Development” (NEPAD) sowie die<br />

„African Union” (AU) die afrikanische Diaspora formell als Schlüsselfaktor in der<br />

Entwicklungsagenda für den Kontinent anerkannt (vgl. Okele 2007, S. 40), denn hier<br />

gilt mit Hein de Haas (2006, S. 21) festzuhalten, dass ein „important point of


departure for implementing successful policies is the recoginition that migrants are<br />

already mobilised for development on their own initiative“ [Kursiv im Original,<br />

Anm. dp]. Dennoch werden MigrantInnen sich nicht vor den Entwicklungs-Karren<br />

spannen lassen, wenn sie eine eventuelle „hidden agenda“ der Zielländer bemerken,<br />

die beispielsweise Migration verhindern wollen.<br />

Herkunftsländer müssen zudem die Dimensionen von Migration und<br />

Rücküberweisungen in ihre nationalen Entwicklungsstrategien sowie<br />

Entwicklungsförderung in Migrationsstrategien einfließen lassen (vgl. Dayton-<br />

Johnson et al. 2007, S. 13 sowie IOM 2008, S. 21f.). Die meisten Staaten erkennen die<br />

Bedeutung der internationalen Migration an und versuchen, den größtmöglichen<br />

Nutzen für sich und ihre StaatsbürgerInnen daraus zu ziehen und gleichzeitig ihren<br />

internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Doch vielen Ländern, besonders<br />

den ärmsten, fehlt es an Wissen, Informationen, Institutionen und Mittel, um diese<br />

Ziele zu erreichen, hier braucht es Unterstützung (vgl. GCIM 2005, S. 64f.).<br />

Dennoch: im Kontext der derzeitigen Euphorie des Migration-Entwicklungs-Nexus<br />

müssen realistische Erwartungen eingemahnt werden, denn Migration kann nicht als<br />

„Allheilmittel“ für Entwicklung gelten. Strukturelle Mängel wie Korruption,<br />

politische Instabilität und ein ungewisses Investitionsklima werden dadurch nicht<br />

ausgemerzt (vgl. de Haas 2006, S. 21), hier sei auf die Debatten über „Good<br />

Governance“ verwiesen (vgl. Baraulina/Borchers 2008). Gleichzeitig muss immer<br />

wieder festgehalten werden, dass sich Migration nach wie vor nicht unter<br />

gleichberechtigten AkteurInnen, sondern innerhalb eines globalen strukturellen<br />

Machtgefälles abspielt (vgl. Hungerbühler 2007, S. 29). Nur unter Anbetracht all<br />

dieser Einflussfaktoren erscheinen mögliche Herangehensweisen an Migration als<br />

Entwicklungsförderung als einigermaßen realistisch.<br />

89


6. AUSLEITUNG<br />

In Bezug auf die Vorannahmen bleibt zu konstatieren, dass<br />

Dabei handelt es sich nur um echtes Leben,<br />

das man daran erkennt,<br />

dass Fragen nach ihm ohne Antwort bleiben.<br />

[Juli Zeh: Die Stille ist ein Geräusch]<br />

• es auf internationaler Ebene tatsächlich ungezählte Dokumente, Berichte,<br />

Studien zur Thematik „Migration und Entwicklung“ gibt, im<br />

deutschsprachigen Raum ist die Literaturlage jedoch eine sehr dürftige.<br />

• Weiters waren in Österreich einige sehr interessierte und engagierte<br />

WissenschaftlerInnen zu finden, die sich je nach Auftragslage mit dem Thema<br />

befassen (können), NGOs sind bislang jedoch kaum in dieser Migration-<br />

Entwicklungs-Verknüpfung tätig, österreichische Behörden liefern bis dato<br />

kaum einen Output. MigrantInnenorganisationen scheinen sehr wohl im<br />

Bereich der Entwicklungsförderung des jeweiligen Herkunftslandes tätig zu<br />

sein, hier tut sich allerdings eine Lücke in der Forschung auf, die es zu<br />

schließen gilt.<br />

• Es lässt sich zudem festhalten, dass die Caritas Steiermark hervorragende<br />

Ausgangsbedingungen zur Verbindung von Migration und Entwicklung<br />

bietet, diese Möglichkeiten auch von Caritas-EntscheidungsträgerInnen<br />

erkannt und teilweise bereits bearbeitet werden. Die von mir interviewten<br />

Personen zeigten sich überaus interessiert und kreativ an möglichen<br />

Projektideen.<br />

Grundsätzlich erscheint mir der Migration-Entwicklungs-Nexus dennoch auf sehr<br />

dünnen Beinen zu stehen:<br />

91


92<br />

• Die Absenz der genaueren Definition des Begriffes „Entwicklung“ im Großteil<br />

der Studien wirft die Frage nach der Messbarkeit von Erfolgen sowie die<br />

generelle Stoßrichtung der erarbeiteten Maßnahmen auf.<br />

• Wie der Exkurs zum <strong>migration</strong> hump zeigt, erweist sich Migration auf kurze<br />

Sicht kaum als Mittel um Entwicklung im Herkunftsland voranzutreiben.<br />

PolitikerInnen sehen sich jedoch meist gezwungen kurzfristig wirksame<br />

Projekte zu entwickeln – dieses Konfliktfeld sehe ich derzeit keinesfalls gelöst.<br />

• Der politisch meist weiterhin ausschließliche Fokus auf finanzielle<br />

Rücküberweisungen wird der Lebensrealität der meisten MigrantInnen<br />

keinesfalls gerecht: hier bedürfte es weitergehender Forschungen, v. a. im<br />

Bezug auf soziale Rücküberweisungen, da diese Voraussetzungen und<br />

Bedingungen für erfolgreiche Entwicklungsförderung darstellen. Auch die<br />

Auswirkungen auf im Herkunftsland zurückgebliebene Angehörige von<br />

MigrantInnen zählen als wissenschaftliche Lücken.<br />

• Weiters werden MigrantInnen kaum in die Konzeption von<br />

<strong>entwicklung</strong>sfördernden Projekten eingebunden, Partizipationsmöglichkeiten<br />

in diesen Belangen gehörten unbedingt ausgeweitet.<br />

Für die Caritas Steiermark ergeben sich vielfältige Anknüpfungspunkte, wie ich in<br />

den jeweiligen Kapiteln ausgeführt habe. Zusammenfassend lassen sich einige grobe<br />

Themenfelder umreißen:<br />

� Rückkehrhilfe könnte eine individueller zugeschnittene Unterstützung für die<br />

jeweilige Person ermöglichen.<br />

� Im Bereich zirkulärer MigrantInnen gilt es die jeweiligen<br />

Integrationsbemühungen auf ihre Praxistauglichkeit hin zu überprüfen und<br />

dementsprechend weiter zu entwickeln.<br />

� MigrantInnenorganisationen könnten eine verstärkte Einbindung in viele<br />

Bereiche der Caritas erfahren, z.B. im Bereich der Auslandshilfe, im Bildungs-<br />

bereich, im Migrations- und Integrationsbereich; auch könnte eine verstärkte<br />

Einbindung von Diasporaorganisationen in <strong>entwicklung</strong>spolitische Gruppen<br />

forciert werden.


� Projekte könnten verstärkt bereichsübergreifend gedacht und erprobt werden,<br />

eine sichtbarere Einbindung der Caritas-Auslandshilfe in die<br />

Gesamtorganisation wurde von allen InterviewpartnerInnen angedacht und<br />

auch begrüßt 47 .<br />

� Gerade im Bereich der sozialen Rücküberweisungen könnten viele<br />

Wissensweitergaben gesteuerter und gezielter ablaufen, hier ließen sich<br />

unzählige Projektideen entwickeln.<br />

� Für MitarbeiterInnen der Caritas Steiermark sollten ebenfalls<br />

Partizipationsmodelle überlegt werden, wie diese sich in die globalere<br />

Dimension der Caritas – die Auslandshilfe - einbringen könnten, das Interesse<br />

scheint jedenfalls vorhanden zu sein. Dies könnte beispielsweise mittels<br />

Projektreisen, Praktikumsmöglichkeiten, etc. forciert werden.<br />

� In allen behandelten Themenfeldern von Migration und Entwicklung ist<br />

jedenfalls auffällig, dass eine gute Integration der MigrantInnen im Zielland<br />

für <strong>entwicklung</strong>sförderndes Engagement notwendig zu sein scheint. Sei es für<br />

RückkehrerInnen, Diasporaorganisationen, finanzielle RücküberweiserInnen,<br />

etc. – hier schließt sich ein globaler Kreislauf. So ist es unumgänglich, den<br />

Austausch in den Zielländern zwischen MigrantInnen und der<br />

Mehrheitsbevölkerung zu forcieren, denn Migration hat auch einen nicht zu<br />

unterschätzenden Entwicklungsimpakt für die Aufnahmegesellschaft, der<br />

meist jedoch in der Rhetorik über die negativen Auswirkungen misslungener<br />

Integration und Xenophobie verloren geht (vgl. Hungerbühler 2007, S. 30).<br />

Hier kann die Caritas auch weiterhin als glaubwürdige Brückenbauerin in<br />

Erscheinung treten.<br />

� Ganz grundsätzlich gilt – in der „einen Welt“, inmitten von globalisierten<br />

zirkulären MigrantInnen und zumindest innereuropäischer Mobilität - zu<br />

fragen, ob nicht im Sinne von tatsächlicher Integrationsarbeit MigrantInnen<br />

und MehrheitsösterreicherInnen bei ihrer jeweiligen Perspektiven<strong>entwicklung</strong><br />

unterstützt werden sollen, unabhängig davon, ob diese in Österreich, im<br />

47 Während meiner Masterthesisschreibarbeit wurden verstärkt Diskussionen über eine<br />

Strukturreform der Caritas Steiermark geführt, die u. a. genau diese Themenbereiche umfassen und<br />

bis Ende des Jahres 2009 vonstatten gehen soll.<br />

93


94<br />

Herkunftsland oder einem anderen Drittland umgesetzt werden: „Ressourcen<br />

für die Integration werden somit auch zu Ressourcen für eine allfällige<br />

Reintegration im Herkunftsland oder anderswo“ (Hungerbühler 2007, S. 27).<br />

Nur so kann die Caritas ein Klima der sozialen Aufmerksamkeit und der<br />

Solidarität (vgl. Caritas Steiermark o.J.) fördern.<br />

Auch wenn mir so manche Illusion im Laufe des Verfassens dieser Arbeit abhanden<br />

kam, es bleibt die Faszination für ein Thema, das wohl nie in Zahlen und<br />

Schriftstücken ein Auslangen finden wird, da es kaum nieder-schreibbar ist, da die<br />

Haupttriebfeder die gefühlten Erlebnisse der MigrantInnen sind. Es gilt wach zu<br />

bleiben inmitten aller Worthülsen und aller verbalen Euphorien inmitten aller<br />

unterschiedlicher Zugänge und Erwartungen im großen Themenfeld der Migration<br />

und Entwicklung. Und vor allem gilt es, die tatsächlichen Lebensperspektiven und -<br />

<strong>entwicklung</strong>en der jeweiligen Menschen – als MigrantInnen definiert oder nicht – im<br />

Auge zu behalten.<br />

Und Cheng wusste ja,<br />

dass Sachen nicht immer im Happy-End,<br />

im Rosengarten, im Bilderbuch oder<br />

auch nur im Lösungsheft endeten.<br />

[Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell]


7. LITERATURVERZEICHNIS<br />

Hand in Hand mit der Sprache<br />

bis zuletzt.<br />

[Hilde Domin]<br />

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FK: franz.kraxner@caritas-steiermark.at; 24.03.2009<br />

JB: Johann.Bezdeka@bmi.gv.at, 03.02.2009<br />

JV: Julia.VALENTA@bmeia.gv.at, 19.03.2009<br />

MF: Fanizadeh@vidc.org, 09.02.2009<br />

ML: M.Langthaler@oefse.at, 02.03.2009<br />

NF: Norbert.FELDHOFER@bka.gv.at, 05.03.2009<br />

RS: Rudolf.Remler@dka.at, 19.01.2009<br />

WHS: waltraud.hamahsaid@welthaus.at, 16.03.2009<br />

101


102


8. ANHANG<br />

8.1 Organigramm der Caritas Steiermark<br />

103


8.2 InterviewpartnerInnen<br />

Interview 1: Mag. Harald Schmied: derzeit Leiter der Servicestelle „Kommunikation<br />

und Fundraising“; früher Chefredakteur der Straßenzeitung „Megaphon“, Erfinder<br />

des „Homeless World Cup“;<br />

Interview geführt am 9.3.09, Café Kaiserfeld, ungefähr 10.00 Uhr bis 10.30 Uhr.<br />

Interview 2: Mag. Anton Fink: derzeit Leiter der Abteilung „Integration und<br />

Projekte“;<br />

Interview geführt am 11.3.09, Sozialzentrum, ungefähr von 12.50 bis 13.30 Uhr.<br />

Interview 3: Mag. Bernhard Pletz: derzeit Leiter der Servicestelle „Caritas &<br />

Pfarren“;<br />

Interview geführt am 12.3.09, Caritas-Zentrale Raimundgasse, ungefähr von 14.30 bis<br />

15.00 Uhr.<br />

Interview 4: Mag. Friedrich Haring: derzeit Bereichsleiter „Bildung und Interkultur“,<br />

früher Leiter der Auslandshilfe;<br />

Interview geführt am 12.3.09, Caritas-Zentrale Raimundgasse, ungefähr von 15.15 bis<br />

16.00 Uhr.<br />

Interview 5: Mag. a Brigitte Kroutil-Krenn: Leiterin der Servicestelle „Auslandshilfe“;<br />

Interview geführt am 13.3.09, Caritas-Zentrale Raimundgasse, ungefähr von 9.00 bis<br />

9.45 Uhr.<br />

Interview 6: Mag. a Eva Manseder: Leiterin der Servicestelle<br />

„Organisations<strong>entwicklung</strong> & Qualitätsmanagement“;<br />

Interview geführt am 19.3.09, Caritas-Zentrale Raimundgasse, ungefähr von 13.15 bis<br />

13.45 Uhr.<br />

Interview 7: Ernestine Arguelles Delgado: Mitarbeiterin im Bereich „Betreuung und<br />

Pflege“, Teamleiterin in der Familienhilfe; ehemalige Entwicklungshelferin in<br />

Nicaragua und Mitglied des Entwicklungspolitischen Beirates des Landes<br />

Steiermark;<br />

Interview geführt am 24.3.09, Leonhardstraße 116, ungefähr von 15.00 bis 15.45 Uhr.<br />

104


8.3 Interviewleitfaden<br />

Einstieg:<br />

• Hast du vom Thema „Migration und Entwicklung“ vorher schon mal gehört?<br />

• Welche spontanen Gedanken, Ideen, Widersprüche fallen dir dazu ein?<br />

• Hast du einen persönlichen Bezug zum Thema „Migration“ und/oder<br />

„Entwicklungspolitik“? Wenn ja – welchen?<br />

Social remittances:<br />

= Rückführungen von Wissen, Werten, Einstellungen ins Heimatland<br />

• Sind dir hierzu Initiativen, Beispiele bekannt?<br />

• Welche Werte, welches Wissen könnte deines Erachtens nach relevant sein für<br />

Entwicklung in den Herkunftsländern? Was wäre wünschenswert? (z.B.<br />

Geschlechterrollen, Umweltschutz, Schulungen zu finanziellen Themen,<br />

Wissen über gewaltfreie Kindererziehung, Demokratie, Gesundheit, …)<br />

• Könnte die Rückführung dieser Ideen irgendwie gefördert werden?<br />

• Was würdest du dir wünschen?<br />

• Brain circulation statt brain drain – mögliche Anknüpfungen?<br />

Rücküberweisungen:<br />

= Finanzieller Transfer in die Heimatländer (persönlich, durch Vermittler, durch<br />

Banken, …)<br />

• Ist dir dieses Phänomen bekannt?<br />

• Siehst du dabei irgendwelche Probleme? Hast du Erfahrungen damit? (z.B.<br />

über Megaphon-Verkäufer? MigrantInnen haben kein Geld für das Leben in Ö<br />

weil ein Großteil des Geldes ins Heimatland überwiesen wird, ….)<br />

• Finanzschulungen, Zusammenarbeit mit Banken – realistisch?<br />

Diaspora:<br />

= MigrantInnen, die sich nach wie vor ihrem Herkunftsland verpflichtet fühlen, sich<br />

dafür – in welcher Form auch immer – engagieren<br />

• Siehst du Möglichkeiten, MigrantInnen in bereits bestehende Projekte<br />

einzubinden, bei denen dann längerfristig Entwicklung im Herkunftsland<br />

stattfinden könnte?<br />

• Einbindung von MigrantInnen in Pfarren, Pfarrgruppen?<br />

• Einbindung von MigrantInnen in <strong>entwicklung</strong>spolitische Gruppen?<br />

• Siehst du Möglichkeiten, selbstinitiierte Gruppen von MigrantInnen als<br />

Caritas zu unterstützen?<br />

• MigrantInnen als IntegrationshelferInnen im Gastland?<br />

105


In Deutschland: Pilotprojekte wo <strong>entwicklung</strong>spolitische Gruppen +<br />

MigrantInnenvereine (die sich für Entwicklung in Heimatländern einsetzen)<br />

verknüpft werden -> denkbar für Österreich?<br />

106<br />

• gibt’s Anfragen von MigrantInnengruppen, ob die Caritas ihnen bei<br />

auslandsorientierten Projekten helfen würde?<br />

• Wie könnten MigrantInnen motiviert werden, sich für Entwicklung in<br />

Herkunftsländer zu engagieren – hast du hierzu Ideen?<br />

RückkehrerInnen:<br />

z.B. Projekt Akelumele + Gottfried Reyer (Schulen in Nigeria) – könnte dies von der<br />

Caritas strukturell unterstützt werden, auch schon in der Vorbereitung?<br />

• gibt es andere Initiativen von Privatpersonen die dir bekannt sind?<br />

• Siehst du Möglichkeiten potentielle RückkehrerInnen hier zu schulen?<br />

• Möglichkeiten RückkehrerInnen im Heimatland zu unterstützen – z.B. durch<br />

Projektmitarbeit, durch Pfarrkontakte, …. ?<br />

TransmigrantInnen:<br />

= temporäre WandererInnen; Zugehörigkeit zu transnationalen sozialen Welten, zu<br />

mehreren sozialen Welten<br />

(wird zunehmend u.a. von der EU propagiert; von anderen als neuerliche<br />

„GastarbeiterInnenpolitik“ kritisiert)<br />

• Transfer von Wissen, Technologie, Bildung von internationalen Netzwerken –<br />

sind dir dazu Initiativen untergekommen?<br />

• Denkst du dass dies realisierbar ist?<br />

• Was denkst du würde zirkuläre Migration für die Integration in Österreich<br />

bedeuten? Siehst du Vorteile, Nachteile?<br />

Politische Handlungsfelder:<br />

• Welche politischen Handlungsfelder siehst du in diesem großen Bereich?<br />

• Denkst du, die Caritas sollte sich hier irgendwo stärker einmischen? Wenn ja<br />

wo?<br />

• Hast du Ideen dazu, warum dieses Thema in Österreich kaum behandelt<br />

wird?<br />

Ausstieg:<br />

• Denkst du dass die Caritas sich mit dem Thema stärker beschäftigen sollte?<br />

• Wenn ja – womit konkret? Was erscheint dir am realistischsten?<br />

• Wenn du dir was wünschen dürftest (Ressourcen sind genug vorhanden): was<br />

könnte dein Lieblingsprojekt werden/sein?


(www.migrantas.org)<br />

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