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die nazizeit in den baltischen staaten

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CounCil of EuropE<br />

Project eDucation oF roma cHilDren <strong>in</strong> euroPe<br />

Das BilD Des „Fe<strong>in</strong>Des“<br />

Die Aktivität der E<strong>in</strong>satzgruppen und anderer<br />

SS-E<strong>in</strong>heiten beruhte auf e<strong>in</strong>er Hierarchie<br />

von Fe<strong>in</strong>dbildern: An der Spitze <strong>die</strong>ser<br />

Hierarchie stan<strong>den</strong> Ju<strong>den</strong> und Kommunisten<br />

und ihre augensche<strong>in</strong>liche Verschmelzung<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er „Jüdisch-bolschewistischen<br />

Weltverschwörung“. In <strong>die</strong>ser ideologischen<br />

Pyramide nahmen „Zigeuner“ e<strong>in</strong>en untergeordneten,<br />

aber <strong>den</strong>noch nicht unwichtigen<br />

Platz e<strong>in</strong>. Sie galten als „rassisch m<strong>in</strong>derwertig“<br />

und „asozial“, als „Partisanen“,<br />

„Spione“ und „Agenten“ des imag<strong>in</strong>ären<br />

„jüdischen Weltfe<strong>in</strong>des“. Die E<strong>in</strong>satzgruppen<br />

betrachteten nomadisierende Roma als<br />

„fünfte Kolonne“ im Dienste des „jüdischen<br />

Bolschewismus“ und töteten sie, wann immer<br />

sie von ihrer Existenz erfuhren. Da sie<br />

jedoch nur als Gehilfen des „Weltfe<strong>in</strong>des“<br />

betrachtet wur<strong>den</strong>, hatte ihre Liqui<strong>die</strong>rung<br />

nicht oberste Priorität.<br />

satzgruppen <strong>in</strong> lokal stationierte e<strong>in</strong>heiten<br />

der „sicherheitspolizei“ umgewandelt wur<strong>den</strong>,<br />

<strong>die</strong> durch e<strong>in</strong>heiten der „ordnungspolizei“<br />

verstärkt wur<strong>den</strong> und auf <strong>die</strong> unterstützung<br />

der zivilen Besatzungsbehör<strong>den</strong><br />

zählen konnten, wie es <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>baltischen</strong><br />

<strong>staaten</strong> der Fall war, begann <strong>die</strong> systematische<br />

tötung von roma. [ill. 4-5]<br />

lettlaND<br />

ill. 4<br />

obwohl bis dato nur unzureichende <strong>in</strong>formationen<br />

über <strong>die</strong> ermordung der<br />

roma <strong>in</strong> lettland vorhan<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, weiß<br />

man, dass <strong>die</strong> systematische tötung von<br />

roma am 4. Dezember 1941 mit der<br />

erschießung von ungefähr 100 roma<br />

aus der stadt libau begann. Die aktion<br />

wurde von mitgliedern der deutschen<br />

ordnungspolizei <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser stadt durchgeführt.<br />

Diese liqui<strong>die</strong>rung war der anlass<br />

für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>itiative des Kommandanten<br />

der ordnungspolizei im „ostland“ (das<br />

<strong>die</strong> <strong>baltischen</strong> <strong>staaten</strong> und weißrussland<br />

umfasste), georg jedicke: er veranlasste<br />

H<strong>in</strong>rich lohse, <strong>den</strong> reichskommissar<br />

für das „ostland“, e<strong>in</strong> schreiben zu verfassen,<br />

<strong>in</strong> dem er se<strong>in</strong>e zustimmung zum<br />

mord an <strong>den</strong> „zigeunern“ aus libau be-<br />

ill. 5<br />

kun<strong>den</strong> sollte. <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Brief erklärte<br />

lohse, dass <strong>die</strong> „zigeuner“, <strong>die</strong> im land<br />

„umherirren“, auf <strong>die</strong> gleiche art wie <strong>die</strong><br />

ju<strong>den</strong> behandelt wer<strong>den</strong> sollten. [ill. 5]<br />

lohses rundbrief vom 4. Dezember<br />

1941 hatte weder def<strong>in</strong>iert, nach welchen<br />

Kriterien e<strong>in</strong>e Person als „zigeuner“<br />

zu klassifizieren war, noch festgelegt, ob<br />

der ausdruck „zigeuner, <strong>die</strong> im land herumwandern“<br />

sesshafte roma mite<strong>in</strong>bezog.<br />

Die deutsche sicherheitspolizei <strong>in</strong><br />

lettland <strong>in</strong>terpretierte <strong>die</strong> stellungnahme<br />

des staatsgouverneurs <strong>in</strong> dem s<strong>in</strong>ne, dass<br />

„sesshafte zigeuner, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>er geregelten<br />

arbeit nachgehen und weder <strong>in</strong> politischer<br />

noch <strong>in</strong> krim<strong>in</strong>eller H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e gefahr<br />

für <strong>die</strong> gesellschaft darstellen, von der<br />

verhaftung und erschießung ausgenommen<br />

seien. im gegenteil dazu fasste <strong>die</strong><br />

ordnungspolizei, <strong>die</strong> <strong>die</strong> roma verhaftete<br />

und zur erschießung an <strong>die</strong> sicherheitspolizei<br />

weitergab, <strong>die</strong> Bezeichnung „zigeuner,<br />

<strong>die</strong> im land herumwandern“ so<br />

auf, dass damit alle „zigeuner“ geme<strong>in</strong>t<br />

seien. Deshalb wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> lettland, dem<br />

<strong>baltischen</strong> staat mit der größten roma-<br />

Bevölkerung, <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten monaten des<br />

jahres 1942 sowohl nomadische als auch<br />

sesshafte roma zur erschießung an <strong>die</strong> sicherheitspolizei<br />

weitergegeben.<br />

roma | gescHicHte<br />

Die Nazizeit iN DeN<br />

BaltisCheN staateN<br />

5.4<br />

(aus zimmermann 1999, s. 143) (ausschnitt)<br />

H<strong>in</strong>rich Lohses Brief vom Dezember 1941. Beim Versuch, <strong>die</strong> rassistisch motivierten Tötungen<br />

von Roma <strong>in</strong> Libau zu begrün<strong>den</strong>, bezeichnet Lohse <strong>die</strong> „im Lande umherirren<strong>den</strong><br />

Zigeuner“ als Träger von <strong>in</strong>fektiösen Erkrankungen, <strong>die</strong> darüber h<strong>in</strong>aus „unzuverlässige<br />

Elemente“ seien, <strong>die</strong> weder <strong>den</strong> Anordnungen der deutschen Behör<strong>den</strong> Folge leisten wür<strong>den</strong>,<br />

noch dazu bereit wären „nutzbr<strong>in</strong>gende Arbeiten auszuführen.“ Weiters behauptete er, es<br />

gäbe <strong>den</strong> wohl begründeten Verdacht, dass sie <strong>den</strong> Deutschen schadeten, <strong>in</strong>dem sie Informationen<br />

weitergaben. Auf <strong>die</strong>se Weise als Spione, Asoziale und Gefahr für <strong>die</strong> Gesundheit der<br />

Menschen ausgewiesen, betrachtete Lohse <strong>die</strong> „Zigeuner“ als reif für <strong>die</strong> H<strong>in</strong>richtung: „Ich<br />

bestimme daher, dass sie <strong>in</strong> der Behandlung <strong>den</strong> Ju<strong>den</strong> gleichgestellt wer<strong>den</strong>.“<br />

Die Unklarheit über <strong>die</strong> Def<strong>in</strong>ition<br />

der mordopfer, <strong>die</strong> bei sicherheitspolizei<br />

und ordnungspolizei vorherrschte, veranlasste<br />

Karl Friedrich Knecht, <strong>den</strong> Kommandanten<br />

der ordnungspolizei für lettland, im<br />

märz 1942 e<strong>in</strong> erklärendes rundschreiben<br />

herauszugeben, und e<strong>in</strong> weiteres im april<br />

desselben jahres. Diesem rundschreiben<br />

zufolge war, nach rücksprache mit dem<br />

Kommandanten der sicherheitspolizei <strong>in</strong><br />

lettland, beschlossen wor<strong>den</strong>, dass <strong>in</strong> zukunft<br />

„nur herumreisende zigeuner“ verhaftet<br />

und der sicherheitspolizei übergeben<br />

wer<strong>den</strong> sollten. aufgrund <strong>die</strong>ses vagen<br />

rundschreibens, das ke<strong>in</strong>e klare grenze<br />

zwischen „herumreisen<strong>den</strong>“ und sesshaften<br />

„zigeunern“ zog und der Polizei <strong>in</strong> <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong><br />

monaten freie Hand bei der auswahl<br />

ihrer opfer ließ, wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> jahren<br />

1942 und 1943 <strong>die</strong> Hälfte der ungefähr<br />

3.800 <strong>in</strong> lettland leben<strong>den</strong> roma getötet.<br />

Die überleben<strong>den</strong> roma, erhielten <strong>den</strong> Befehl,<br />

ihren wohnort nicht zu verlassen.<br />

estlaND<br />

Die ersten erschießungen von roma <strong>in</strong><br />

estland erfolgten unmittelbar nach der<br />

deutschen <strong>in</strong>vasion im juni 1941 auf Be

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