Das Zookombinat Frunse (Kirgisische SSR) und die ... - VipersGarden
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Milu, Berlin 5 (1980) 1/2, S. 331-334<br />
<strong>Das</strong> <strong>Zookombinat</strong> <strong>Frunse</strong> (<strong>Kirgisische</strong> <strong>SSR</strong>) <strong>und</strong><br />
<strong>die</strong> Arbeit seiner Schlangenfarm<br />
Von HANS-GÜNTER PETZOLD, Berlin<br />
In der kirgisischen Hauptstadt <strong>Frunse</strong> befindet sich eine der größten Giftschlangen-<br />
Därmen" der Sowjetunion (eine weitere, sehr bekannte, aus der auch eine große Zahl<br />
wissenschaftlicher Arbeiten hervorgegangen ist, arbeitet in Taschkent/Usbekistan;<br />
außerdem gibt es noch kleinere Farmen in Turkmenien sowie im Gebiet Moskau <strong>und</strong> in<br />
Baku). Die Farm ist organisatorisch <strong>und</strong> räumlich ein Teil des <strong>Zookombinat</strong>s, das an der<br />
Peripherie der ständig wachsenden Stadt <strong>Frunse</strong> in der Nähe der Universität liegt <strong>und</strong><br />
seinerseits wiederum <strong>die</strong> kirgisische Basis des Wildtier-Welthandelsunternehmens „Zooobjedinenije<br />
Moskau" ( in Tiergärtnerkreisen international bekannt als „Zoo-ob") darstellt.<br />
,,Zoo-ob" verfügt über ein ganzes Netz solcher Basen bzw. Kombinate, <strong>die</strong> als<br />
Fang- <strong>und</strong> Eingewöhnungsstationen <strong>die</strong>nen <strong>und</strong> von Archangelsk bis Chabarowsk <strong>und</strong><br />
vom Ural bis Mittelasien über das ganze riesige Territorium der Ud<strong>SSR</strong> verstreut sind.<br />
Die Spezialität des <strong>Frunse</strong>r Kombinats sind dabei <strong>die</strong> beiden prominentesten Wildtierarten<br />
des kirgisischen Ala-Too (einem Teil des Tienschan), dessen Vorberge gleich<br />
hinter der Stadt beginnen: Schneeleopard (Uncia uncia [Schreber]) <strong>und</strong> Tienschan-<br />
Wildschaf oder „Archar" (Ovis ammon karelini Severtzov).<br />
Wie uns der Leiter des <strong>Zookombinat</strong>s, mit dem anläßlich unseres Besuches 1977 zunächst<br />
alte Erinnerungen an einen gemeinsamen Fre<strong>und</strong>, den unvergessenen früheren<br />
Stellvertretenden Direktor von Zooobjedinenije J. G. SOLODUCIIO (vgl. <strong>die</strong>se Z. 3,<br />
537—541; 1974) aufgefrischt wurden, mitteilte, beträgt <strong>die</strong> derzeitige legalisierte Fangquote<br />
an Schneeleoparden nur 5 Individuen pro Jahr. Während der Schneeleopard als<br />
„unersetzlicher Schatz der kirgisischen Fauna" gilt <strong>und</strong> totales Abschußverbot genießt<br />
(über Bestandszahlen war nichts zu erfahren, doch ist <strong>die</strong> Tienschan-Population weit<br />
dispersiert <strong>und</strong> im Rückgang begriffen), ist der „Archar" im kirgisischen Hochgebirge<br />
noch relativ häufig <strong>und</strong> schon auf kleineren Exkursionen von alpinistischen Basis-<br />
Lagern im Ala-Too zumindest aus der Ferne zu sehen. Es bestehen allerdings strenge<br />
Schutzbestimmungen bei stark limitierten Abschuß- <strong>und</strong> Fangquoten. — Zwei weitere<br />
Paarhufer, der Maral (in der Unterart Cervus elaphus songaricus Severtzov) <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Kropfgazelle oder „Dscheiran" (Oazella s. subgutturosa Gueldenstaedt), sind in Kirgisien<br />
nur lokal anzutreffen, ersterer noch im östlichen Tienschan, letztere im Issyk-Kul-<br />
Gebiet (weit stärkere Populationen leben in Kasachstan <strong>und</strong> Turkmenien). Unter den<br />
kirgisischen Raubtieren sind neben Luchs, Manul <strong>und</strong> Fischotter erwähnenswert der<br />
Tienschan-Braunbär (als Vertreter der mittelasiatischen Unterart Ursus arctos isabellinus<br />
Horsfield), der im Gebirge zwar weit verbreitet sein soll, aber in sehr schwachen<br />
Populationen lebt (es wird von vielen Einzelgängern berichtet), <strong>und</strong> der nur noch sehr<br />
selten im menschenleeren Ost-Tienschan vorkommende Turkestanische Rotwolf (Cuon<br />
alpinus hesperius [Afanasiev & Solotarev]). Ins <strong>Zookombinat</strong> gelangten nur in früheren<br />
Jahren zufällig gefangene Einzelexemplare.
332 H.-G. PETZOLD : <strong>Das</strong> <strong>Zookombinat</strong> <strong>Frunse</strong><br />
Unser Hauptinteresse beim mehrtägigen Besuch des <strong>Zookombinat</strong>s — das übrigens<br />
auch über ein kleines „Zoo-Magazin" verfügt, in dem Zierfische, Wellensittiche <strong>und</strong><br />
Käfige verkauft werden — galt der seit Oktober 1960 hier bestehenden Schlangenfarm.<br />
<strong>Das</strong> Kombinat <strong>Frunse</strong> unterhält eine eigene Ausbildungseinrichtung für Schlangenfänger.<br />
Diese werden dann allerdings weniger in Kirgisien selbst eingesetzt, dessen<br />
Herpetofauna aus klimatischen Gründen im Vergleich zu den benachbarten mittelasiatischen<br />
Unionsrepubliken arten- <strong>und</strong> individuenärmer ist, sondern vor allem in<br />
Turkmenien, dem „heißesten" Land der Sowjetunion. Von den 40 Mitarbeitern des<br />
<strong>Zookombinat</strong>s sind 6 in der Schlangenfarm tätig.<br />
Über <strong>die</strong> Methodik des Giftschlangenfanges <strong>und</strong> <strong>die</strong> dafür notwendige Ausrüstung<br />
gibt es in <strong>Frunse</strong> (wie auch in Taschkent) detaillierte Vorschriften <strong>und</strong> Weisungen, <strong>die</strong><br />
von den Fanginstrumenten bis zum jeweiligen, der Geländeform <strong>und</strong> Vegetation angepaßten<br />
Schuhwerk reichen. Im Rucksack werden neben Verpflegung <strong>und</strong> Trinkwasser<br />
eine Feldapotheke sowie Transportsäckchen mitgeführt. Für <strong>die</strong> Anfertigung <strong>die</strong>ser<br />
Säckchen besagt <strong>die</strong> Anleitung u.a., daß auf dem Boden der etwa 100x35 cm großen<br />
Beutel „eine r<strong>und</strong>e Scheibe aus derbem Material eingenäht wird, damit sich <strong>die</strong> Schlange<br />
zum Ring zusammenrollen kann <strong>und</strong> während des Transports nicht traumatisch geschädigt<br />
wird". Wichtigstes Utensil ist der 100-—120 cm lange Fangstock aus Duraluminium,<br />
Plaste oder leichtem Holz (z.B. werden dazu auch Skistöcke verwendet),<br />
an dessen Ende ein rechtwinklig gebogener Haken aus starkem, mit Gummi überzogenem<br />
Draht befestigt ist. Die Schlange kann damit am Boden fixiert werden. Ein ähnliches<br />
Instrument, der sogenannte „Greifer", <strong>die</strong>nt dazu, Schlangen von Sträuchern oder Bäumen<br />
herunterzuholen. Auch ein Pionierspaten zum Ausgraben der Tiere aus ihren<br />
Schlupfhöhlen sowie ein Kescher gehören zur Ausrüstung. Kleine Giftschlangenarten,<br />
Sandrasselottern zum Beispiel, werden mit einer langen Kornzange erbeutet.<br />
Mittelasiatische Giftschlangen waren zur Zeit unseres Besuches nur in geringen Anzahlen<br />
vorhanden, da <strong>die</strong> Farm sich in ihrer Toxinproduktion vertraglich auf eine ganz<br />
andere Art spezialisiert hat, <strong>die</strong> wir niemals in Tausenden von Exemplaren ausgerechnet<br />
in Kirgisien erwartet hätten: <strong>die</strong> Kreuzotter (Vipera b. berus [L.]), eine — im Gegensatz<br />
zur kleinen Steppenotter (Vipera ursini renardi [Christoph]) — hier nicht heimische<br />
Viperide. Bevor hierzu noch einige Bemerkungen gemacht werden sollen, sei wenigstens<br />
kurz erwähnt, daß herrliche, fast schwarze Mittelasiatische Levanteottern (Vipera lebetina<br />
turanica Tschernov, bei uns weit weniger bekannt als <strong>die</strong> häufiger importierte<br />
Kaukasus-Unterart Vipera lebetina obtusa Dwigubsky) vorhanden waren, weiterhin<br />
— ebenfalls aus Turkmenien stammend — Sandrasselottern (Echis carinatus pyramidum<br />
[G. Saint-Hilaire]), darunter ein bereits 5 Jahre gepflegtes Prachtexemplar <strong>die</strong>ser in<br />
Gefangenschaft heiklen Art, <strong>und</strong> Mittelasiatische Kobras (Naja naja oxiana [Eichwald]),<br />
<strong>die</strong> auch nicht in Kirgisien, aber in Südturkmenien, Südusbekistan (nördlich bis Samarkand)<br />
<strong>und</strong> Südtadshikistan vorkommen. Die Hauptfänge stammen vom Flußgebiet des<br />
Murgab. In einigen Stücken waren auch Halysschlangen (in der südwestlichen, von der<br />
Wolganiederung bis Ostkasachstan verbreiteten Unterart Agkistrodon halys caraganus<br />
[Eichwald]) vertreten. Auf <strong>die</strong> Haltung <strong>die</strong>ser Crotalide hat sich <strong>die</strong> Schlangenfarm in<br />
Taschkent besonders spezialisiert. Interessant war für uns <strong>die</strong> Mitteilung, daß gegen<br />
Agkistrodon-Bisse das in Mittelasien gängige Anti-Gjursa-Serum (gegen das Vipera<br />
lebetina Toxin) erfolgreich eingesetzt wird.<br />
Die mehr als 2 000 zur Zeit unseres Aufenthaltes in <strong>Frunse</strong> im Kombinat gehaltenen<br />
Kreuzottern stammen ausnahmslos — aus Sibirien! Die Schlangen werden von dort,
H.-G. PETZOLD: <strong>Das</strong> <strong>Zookombinat</strong> <strong>Frunse</strong> 333<br />
hauptsächlich aus dem Gebiet Novosibirsk, speziell zur Toxingewinnung nach <strong>Frunse</strong><br />
in Mittelasien eingeflogen, in den beiden Jahren 1967—1968 zum Beispiel etwa<br />
20000 Stück! Die sibirischen Kreuzotterpopulationen zeichnen sich (obwohl zur Nominatform<br />
Vipera b. berus zählend) durch stattliche Größe ihrer Vertreter (im Schnitt<br />
80—85 cm gegenüber 55—60 cm etwa im Gebiet von Brest) aus, auffallend ist der sehr<br />
hohe Anteil melanistischer Exemplare. Hervorhebenswert ist <strong>die</strong> Tatsache, daß im Interesse<br />
der Erhaltung der sibirischen Kreuzotterbestände Jungtiere, <strong>die</strong> in der Schlangenfarm<br />
Franse geboren wurden, ebenfalls per Flugzeug in großen „Sammeltransporten"<br />
wieder retour nach Novosibirsk gebracht <strong>und</strong> dort in geeigneten Habitaten wieder ausgesetzt<br />
werden. Nach Mitteilung des Leiters der Farm, des Toxikologen J. STIDAEJEV^<br />
wurden allein im Zeitraum vom 12. VII. —5. VIII. 1977 etwa 6000 Jungschlangen nach<br />
Sibirien geflogen.<br />
Im Gebäudekomplex der Schlangenfarm, dessen Außen- <strong>und</strong> Innentüren zusätzlich<br />
mit festem engem Maschendraht gesichert sind, befinden sich (1977, eine neue modernere<br />
Anlage mit einer zur Zeit noch fehlenden Klimaregulierungsmöglichkeit ist in der Projektierung)<br />
etwa 320 Terrarien. Ihre durchschnittlichen Abmessungen betragen<br />
150 X150 X 40 cm, <strong>die</strong> Frontseite besteht aus Metalldrahtgeflecht von 3x4 mm Maschenweite.<br />
Jeder Behälter wird durch 2 Elektrostrahler erwärmt <strong>und</strong> beleuchtet, <strong>die</strong> Innentemperaturen<br />
im Strahlungsbereich betragen 30 — 32 °C, außerhalb <strong>die</strong>ses Bereiches<br />
25 — 28°C. Durch Ab- <strong>und</strong> Zuschaltung läßt sich <strong>die</strong> Wärme je nach Jahreszeit <strong>und</strong><br />
Schlangenarten in gewissen Grenzen variieren. Die Tiere werden auf grobem rotem Kiesgranulat<br />
aus dem Issyk-Kul-Gebiet gehalten. Die vorgesehene Maximalbesetzung der<br />
Terrarien ist sehr hoch: 50 Kreuzottern oder 30 Halysschlangen oder 5 Kobras oder<br />
5 große bzw. 20 kleine Levanteottern. Sie wird im allgemeinen allerdings unterschritten.<br />
Die Schlangen haben <strong>die</strong> Möglichkeit, ein Badebecken aufzusuchen <strong>und</strong> werden regelmäßig<br />
gefüttert. Levanteottern erhalten Sperlinge, Eintagsküken <strong>und</strong> Mäuse, Kobras<br />
dazu noch Erdkröten, Kreuzottern junge Mäuse von 6 — 8 g. Die Fütterungen erfolgen<br />
nach Möglichkeit individuell mit einer langen Kornzange. Die Protokolle der Farm weisen<br />
einen bemerkenswert hohen Nahrungsbedarf aus. Eine 130 cm lange Vipera lebetina<br />
fraß 10 Jungsperlinge a 30g, eine Kobra 5 — 8 Kröten <strong>und</strong> eine Halysschlange 2 —<br />
3 Mäuse ä 10 g. Die Bereitschaft zur Futterannahme ist ausgesprochen temperaturabhängig.<br />
In der Aktivitätsperiode (April—November) kann eine über meterlange<br />
Levanteotter z.B. pro Monat l kg Beutetiere verzehren, in einem Wintermonat dagegen<br />
höchstens 300 g. Die Lebensdauer der Farmschlangen hängt von verschiedenen Faktoren,<br />
u. a. von ihrem Alter beim Fang <strong>und</strong> vor allem vom Turnus der Giftentnahmen<br />
ab. Die gr<strong>und</strong>legende <strong>und</strong> auch in überseeischen Schlangenfarmen (z.B. Butantan) gemachte<br />
Erfahrung, daß <strong>die</strong> Lebensdauer umgekehrt proportional der Frequenz der Giftabnahmen<br />
ist, wurde auch in den Instituten Sowjet-Mittelasiens statistisch bestätigt.<br />
Ausführlichere Angaben dazu liegen nicht aus <strong>Frunse</strong>, wohl aber aus Taschkent vor.<br />
Bei 3 Gruppen von Naja naja oxiana betrug <strong>die</strong> mittlere Haltungsdauer 24, 34 <strong>und</strong><br />
52 Monate, bei Vipera lebetina turanica 8,8 Monate (maximal — ohne Giftabnahmestreß<br />
— dagegen 20 Jahre!); bei Echis carinatus überlebten von 2015 Exemplaren nur<br />
50% den 6. <strong>und</strong> 2% den 15. Gefangenschaftsmonat.<br />
Die Menge des bei einer Giftentnahme erhaltenen Toxins hängt bekanntlich nicht<br />
nur von Art <strong>und</strong> Körpergröße der betreffenden Schlange, sondern auch von der Jahreszeit,<br />
vom Turnus der Giftentnahme, von der Temperatur <strong>und</strong> vom physiologischen Zustand<br />
der Schlange (z.B. Häutungszyklus) ab. Die uns aus <strong>Frunse</strong> vorliegenden quan-
334 H.-G. PETZOLD: <strong>Das</strong> <strong>Zookombinat</strong> <strong>Frunse</strong><br />
titativen Angaben überraschten— im Vergleich zu den langjährigen <strong>die</strong>sbezüglichen<br />
Erfahrungswerten aus dem Tierpark Berlin — zunächst durch ihre Größe: Eine Vipera<br />
lebetina turanica von 142 cm Länge lieferte bei einer Giftentnahme 2572 mg (= 374 mg<br />
in Trockensubstanz) Toxin, doch waren das, wie sich herausstellte, nur Spitzenwerte in<br />
Ausnahmefallen. Für Vipera berus werden als Durchschnitt 31 mg (etwa 5 mg in Trokkensubstanz)<br />
angegeben, was auch unseren Ergebnissen entspricht. Eine 140 cm lange<br />
Naja naja oxiana lieferte in <strong>Frunse</strong> 2320 mg (= 724 mg in Trockensubstanz) bei einer<br />
Giftentnahme, aus der Taschkenter Farm sind Chargen bis zu 2800 mg bekannt.<br />
<strong>Das</strong> Gift wird in <strong>Frunse</strong> heute in traditioneller Weise manuell entnommen, über<br />
Kalzium getrocknet <strong>und</strong> dann der pharmazeutischen Weiterverarbeitung zugeführt.<br />
Diese erfolgt nicht in <strong>Frunse</strong> selbst, sondern (für hyperämisierende medizinische Präparate<br />
auf Vipera berus-Toxinbasis wie das sowjetische „Viprosal" <strong>und</strong> „Vipraxin")<br />
in Baku <strong>und</strong> Tallinn oder (für Schlangengiftsera wie das in.der Ud<strong>SSR</strong> handelsübliche<br />
„Anti-Gjursa-Seram" gegen das Toxin von Vipera lebetina) in Taschkent.<br />
Dr. HANS-GÜNTER PETZOLD, DDR-1136 Berlin, Am Tierpark 125, Tierpark Berlin