Lebendige Geschichte - Jeannette Roth Gemeinde Benshausen in ...
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<strong>Lebendige</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
Anhang zu "Heimatgeschichte <strong>Benshausen</strong>"<br />
von<br />
<strong>Jeannette</strong> <strong>Roth</strong><br />
Dieses Werk, e<strong>in</strong>schließlich aller se<strong>in</strong>er Teile ist urheberrechtlich geschützt. Ke<strong>in</strong> Teil dieser Arbeit darf <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form (Druck,<br />
Fotokopie, Mikrofilm oder e<strong>in</strong>em anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung von <strong>Jeannette</strong> <strong>Roth</strong> reproduziert oder unter<br />
Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetztes ist ohne Zustimmung von <strong>Jeannette</strong> <strong>Roth</strong> unzulässig.<br />
<strong>Jeannette</strong> <strong>Roth</strong> Projekt-Start 19.04.2012 letzte Aktualisierung 21.05.2012 Seiten: 5 www.je-roth.de
Seite<br />
3 ..................Vorwort<br />
- 2 -<br />
V E R Z E I C H N I S<br />
4 ..................Der alte Brunnen<br />
..................Die gehorsame Ursel<br />
5 ..................Aberglaube<br />
6 ..................Erziehungsmaßregeln im dritten Reich<br />
7 ................. Ebertshäuser Schloss<br />
................. Vorbild Benshäuser We<strong>in</strong>handel<br />
8 ................. Öffentliches Leben im Frühl<strong>in</strong>g 1857<br />
9 ................. Freitag Nachmittag<br />
Fortsetzung folgt!
Vorwort<br />
- 3 -<br />
Persönliche Er<strong>in</strong>nerungen, Erlebnisse, Erfahrungen, Empf<strong>in</strong>dungen... erfahren wir im Ge-<br />
spräch mit Menschen, die dabei gewesen s<strong>in</strong>d, die Zeitzeugen. H<strong>in</strong>ter manch solchen Erzäh-<br />
lungen verbergen sich wichtige Aussagen, die <strong>in</strong> der Zukunft Aufschlüsse über e<strong>in</strong>e damali-<br />
ge Lebenswelt geben können. Gerne stützen sich Historiker bei e<strong>in</strong>er geschichtlichen Aufar-<br />
beitung auf alte Erzählungen die wir u.a. als Sagen kennen und an <strong>Geschichte</strong>n die e<strong>in</strong>mal<br />
persönlich erlebt oder von Verwandten und Bekannten berichtet worden s<strong>in</strong>d. Doch nichts<br />
ist wertvoller, lebendiger und am besten nachvollziehbar als wirkliche Zeitzeugenberichte.<br />
Sie s<strong>in</strong>d für die Zukunft verb<strong>in</strong>dliche Quellen.<br />
Auf den nachfolgenden Seiten gibt es - nennen wir es e<strong>in</strong>mal "Dorfgeschichten", lebendige<br />
<strong>Geschichte</strong>n, die ke<strong>in</strong>esfalls erfunden sondern tatsächlich erlebt worden s<strong>in</strong>d. <strong>Geschichte</strong>n,<br />
Episoden, Erlebnisse, Ereignisse die sich irgendwann e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> unserem Ort <strong>Benshausen</strong><br />
und den Ortsteil Ebertshausen zugetragen haben.<br />
Hier Können Benshäuser & Ebertshäuser aber auch Auswärtige, ihre<br />
<strong>Geschichte</strong>n h<strong>in</strong>terlassen, die <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu unserem Ort stehen.<br />
Erzählen oder schreiben Sie Ihre <strong>Geschichte</strong><br />
oder was Sie von Ihren Vorfahren, Familie, Freunden u. Bekannten<br />
erfahren haben.<br />
Die Nachkommen werden es Ihnen danken.<br />
<strong>Geschichte</strong> durch <strong>Geschichte</strong>n erleben.
Der Alte Brunnen<br />
- 4 -<br />
Nach e<strong>in</strong>em Ereignis zu urteilen gab es <strong>in</strong> <strong>Benshausen</strong><br />
auf dem We<strong>in</strong>händlergrundstück <strong>in</strong> der Suhler Straße 22<br />
vor langen Zeiten e<strong>in</strong>en Brunnen, der nicht mehr ge-<br />
braucht oder versiegt war. Dort wo er gewesen, war die<br />
alte Öffnung zugedämmt und darauf e<strong>in</strong> Funktionsge-<br />
bäude aus roten Ziegelste<strong>in</strong> errichtet, welches im Jahr<br />
2011 fortgerissen wurde.<br />
Die Existenz schien vergessen oder ward von späteren<br />
Mietern nicht gewusst, bis der alte Brunnen e<strong>in</strong>es Tages<br />
wohl an sich er<strong>in</strong>nern wollte. So geschehen vor ungefähr<br />
30 Jahren , als man Kohlen auf e<strong>in</strong>em hölzernen Hand-<br />
karren heran schaffte um sie dort e<strong>in</strong>zulagern. Die letzte<br />
Fuhre war mit samt dem Karren an e<strong>in</strong>em Platz <strong>in</strong>ner-<br />
halb des Gebäudes stehen gelassen worden. Am darauf folgenden Tag g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Be-<br />
wohner<strong>in</strong> des Haupthauses danach und wollte ihren Augen nicht trauen. Es war<br />
nämlich die Karre samt Inhalt verschwunden. Stattdessen klaffte an der Stelle e<strong>in</strong><br />
Loch, wo über Nacht der alte, wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> Sandste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gefasste Brunnen, e<strong>in</strong>-<br />
gesunken war.<br />
Text: <strong>Jeannette</strong> <strong>Roth</strong>, nach e<strong>in</strong>er Erzählung von Eberhardt Mann<br />
Herbert Dietz (Schorsch ergänzt: " Es war die Burgmanns Grete, die am nächsten Tag<br />
gerufen hat "Me<strong>in</strong>e Kohlen s<strong>in</strong>d geklaut"".<br />
Die gehorsame Ursel<br />
um 1972<br />
Im Goldenen Hirsch, da arbeitete e<strong>in</strong>e ältere Frau. Getreu dem Herrn, tat sie alles<br />
was ihr aufgetragen wurde. Nur nahm sie das e<strong>in</strong>es abends sehr wörtlich, nämlich<br />
als sie <strong>in</strong> den Keller geschickt wurde um Kartoffeln zu schälen. Erst am nächsten<br />
Morgen vermisste man ihre Anwesenheit und machte sich Gedanken, weil die doch<br />
sonst pünktliche Dame selbst e<strong>in</strong>e Stunde nach Gewohnheit immer noch nicht zu se-<br />
hen war. Da die geschälten Kartoffeln gerade gebraucht wurden, machte sich der<br />
Herr selbst auf den Weg <strong>in</strong> den Keller. Da saß noch immer die fleißige Ursel, woh<strong>in</strong><br />
man sie am Vorabend geschickt hatte. Aufgrund der Menge an geschälten Kartoffeln,<br />
die der Wirt vorfand, war nicht daran zu zweifeln, dass Ursel an dieser Arbeit die<br />
ganze Nacht gesessen hatte. Auf die Frage: "Ursel, barümm bist du daan nier hoch<br />
gekomme?" antwortet sie abgehakt und mit tiefer fast männlicher Stimme, so wie<br />
man es nicht anders von ihr kannte: " Üh hodoch nis gesöd!"<br />
Text: <strong>Jeannette</strong> <strong>Roth</strong> 1982<br />
Ursel war e<strong>in</strong>e langjährige Hilfskraft im Goldenen Hirsch.
Aberglaube<br />
- 5 -<br />
In der F<strong>in</strong>gergasse wohnte e<strong>in</strong> Mann mit Nachnahmen "Eß". Er hatte ke<strong>in</strong>e Nach-<br />
kommen und auch die Vorfahren waren nicht bekannt. In derselben Straße wohnte<br />
e<strong>in</strong>e Rentner<strong>in</strong>, die ihn täglich besuchte. So saßen sie oft draußen auf der hölzernen<br />
Bank vor dem Haus. Dabei waren merkwürdige Gesten zu beobachten. So verbarg<br />
Herr Eß <strong>in</strong> Anwesenheit der Rentner<strong>in</strong> immer die Hände h<strong>in</strong>ter den Rücken und<br />
kreuzte die F<strong>in</strong>ger. Auch sah er ihr niemals <strong>in</strong> die Augen. E<strong>in</strong>mal nutze ich die Gele-<br />
genheit nach dem Grund zu fragen. Eß erzählte mit voller Überzeugung: "Die Fra is<br />
ei Hex..." Er kreuzte die F<strong>in</strong>ger um die angebliche Hexe davon abzuhalten, drohen-<br />
des Unheil über ihn zu br<strong>in</strong>gen. Außerdem war Eß der Überzeugung das die Dame<br />
se<strong>in</strong>e Gedanken lesen und bee<strong>in</strong>flussen könne wenn er ihr <strong>in</strong> die Augen sehen würde.<br />
Sie solle zudem im Besitz des siebten Buches Moses se<strong>in</strong>, worüber er mich auch<br />
gleich "aufklärte". Würde man dieses Buch nämlich e<strong>in</strong>mal von vorne nach h<strong>in</strong>ten<br />
und dann von h<strong>in</strong>ten nach vorne durchgelesen haben, so wie es die Frau getan, be-<br />
käme man es nie wieder los. Selbst e<strong>in</strong> Feuer könne es nicht zerstören. Als wir so am<br />
Unterhalten waren, kam die Rentner<strong>in</strong> gerade daher gelaufen. Schnell erzählte mir<br />
Eß noch, falls sie mich berühren würde, müsse ich die gleiche Stelle danach or-<br />
dentlich säubern, da ansonsten e<strong>in</strong> böses Fleck entsteht. Nun war die Frau schon<br />
ganz nah. Ihre Blicke trafen mich und weil sie es sicherlich erwartete tat ich grüßen.<br />
Ich tat aber gleichzeitig auch so, als sei mir etwas herab gefallen, damit ich sie nicht<br />
anschauen muss. Jetzt konnte ich nicht e<strong>in</strong>fach gehen. Sie hatte mir e<strong>in</strong>e Frage ge-<br />
stellt. Ich weiß nicht mehr wie sie lautete. Jedenfalls kam mir e<strong>in</strong>e Katze, die um mich<br />
herum schmuste, gerade recht. Mit den Händen <strong>in</strong> den Taschen und gekreuzten F<strong>in</strong>-<br />
gern gab ich h<strong>in</strong>unter schauend irgende<strong>in</strong>e Antwort und verabschiedete mich dann.<br />
Schon komisch wie mich die Worte des K.H. Eß bee<strong>in</strong>flussten. Dabei b<strong>in</strong> ich doch gar<br />
nicht abergläubisch.<br />
Text: <strong>Jeannette</strong> <strong>Roth</strong><br />
Dieser Glaube stammt noch aus dem Mittelalter. Mit gekreuzten Zeige- und Mittelf<strong>in</strong>ger wehrte man Hexen<br />
ab. Noch heute wenden Abergläubige verschiedene Rituale an um irgendetwas zu umgehen oder zu verh<strong>in</strong>dern.<br />
Wenn man die F<strong>in</strong>ger h<strong>in</strong>ter dem Rücken kreuzt: angebl. Schutz vor Bestrafung wegen gemachten Versprechen<br />
welches man gar nicht e<strong>in</strong>halten kann oder wegen e<strong>in</strong>er Lüge.<br />
1988
- 6 -<br />
"Erziehungsmaßregeln" für Jugendliche im Dritten Reich<br />
Auch für die Benshäuser Jugend galten die strengen Gesetze zum "Schutz der Jugendlichen".<br />
Vor allem aber die strengen Polizeiverordnungen waren es, die das Organ selbst bestimmen<br />
durfte und wodurch die Jugendlichen dermaßen <strong>in</strong> ihrer Freizeitgestaltung e<strong>in</strong>geschränkt<br />
wurden, dass "Verstöße" an der Tagesordnung waren. 1939 trat e<strong>in</strong>e neue Polizeiverordnung<br />
<strong>in</strong> Kraft, die "Fernhaltung Jugendlicher von öffentlichen Tanzbarkeiten". 1940 erreichten die<br />
E<strong>in</strong>schränkungen e<strong>in</strong>en Höhepunkt, <strong>in</strong> dem es allen Jugendlichen verboten war, sich <strong>in</strong> der<br />
Dunkelheit an sämtlichen öffentlichen Orten, ja sogar an Straßen und Plätzen aufzuhalten.<br />
Erika Zimmermann †06.05.2009 erzählte von e<strong>in</strong>em Ereignis: "Wir waren am tanzen, alberten<br />
und quatschten, da hab ich die Zeit vergessen. Auf dem Tanzboden durfte ich nicht mehr<br />
se<strong>in</strong>, ich war ja erst 17. Draußen war es mittlerweile dunkel, da durfte ich mich auch nicht<br />
erwischen lassen. Ausgangssperre! An jeder Straßenecke könnte die Aufsicht (Polizist?) lau-<br />
ern, die mich aufspürt und wegen dem Regelverstoß erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>sperrt. Aber üblicher-<br />
weise musste man hier <strong>in</strong> <strong>Benshausen</strong> dann fünf Mark Strafe bezahlen. Das war viel Geld<br />
damals! Ich war nicht lange unterwegs, da wurde ich doch wirklich angehalten. Ausweis!<br />
Aber der 6 Jahre ältere Otto, der <strong>in</strong> der Nähe war g<strong>in</strong>g auf den Beamten zu und gab sich als<br />
me<strong>in</strong>em Verlobten aus. Ottos Uniform erzeugte wohl Glauben uns so ließ man uns gehen.<br />
Text: <strong>Jeannette</strong> <strong>Roth</strong>, nach e<strong>in</strong>er Erzählung von Erika Zimmermann geb. Anschütz †2009 1940<br />
Otto war der Mann, den Erika erst viel später heirate. Zum Zeitpunkt des Ereignisses waren sie weder mite<strong>in</strong>ander<br />
verlobt, noch e<strong>in</strong> Liebespaar. Sie kannten sich e<strong>in</strong>fach nur. Erika Anschütz heiratete e<strong>in</strong>en <strong>Roth</strong>. Er fiel<br />
im Krieg und h<strong>in</strong>terließ e<strong>in</strong>en Sohn. Doch irgendwie haben sich die Wege von Erika Anschütz und Otto Zimmermann<br />
dann doch wieder gekreuzt. Im Jahr 2008 feierten die beiden ihre Diamantene Hochzeit. Erika<br />
Zimmermann verstarb 2009 im Alter von 86 Jahren. Otto Zimmermann ist heute 96 Jahre.
Ebertshäuser Schloss<br />
- 7 -<br />
Abschrift aus "Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thür<strong>in</strong>ger Landes"<br />
Vorbild Benshäuser We<strong>in</strong>handel<br />
F.B. Gubitz schilderte im Jahre 1886 se<strong>in</strong>e Erlebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 332 Seiten langen Buch "Er-<br />
lebnisse von F.B.G. nach Er<strong>in</strong>nerungen und Aufzeichnungen. Dar<strong>in</strong> ist auch <strong>Benshausen</strong> er-<br />
wähnt. Hier e<strong>in</strong>ige Ausschnitte (Abschriften): "...Me<strong>in</strong> Großvater war Arzt <strong>in</strong> Suhl. Me<strong>in</strong>e<br />
Großmutter, e<strong>in</strong>e kraftmäßige heißblütige Thür<strong>in</strong>ger<strong>in</strong>, die den Reichtum des <strong>in</strong> des im nahe<br />
gelegenen ehemaligen We<strong>in</strong>händlerdorfes <strong>Benshausen</strong> anstaunte, entschloss sich, Mittel zur<br />
Pflegung ihrer drei K<strong>in</strong>der, ebenfalls durch den We<strong>in</strong>handel zu erzielen "en vos" wie man zu<br />
sagen beliebte, obwohl dast nur Frankenwe<strong>in</strong>e lagerten, <strong>in</strong> den geräumigen Kellern des Hau-<br />
ses, das sie sich später, um es dem <strong>Benshausen</strong> nachzutun, <strong>in</strong> dem Marktflecken He<strong>in</strong>richs<br />
bei Suhl stattlich genug mit selbst erworbenen Gelde erbauen ließ." ...<br />
"In se<strong>in</strong>em 15. Jahr musste er sich dem We<strong>in</strong>handel annehmen (der Sohn), wozu er se<strong>in</strong>e<br />
Neigung <strong>in</strong> sich spürte, und da er das Unglück hatte, während des Geschäftslebens durch<br />
e<strong>in</strong>em Sturz mit den derzeit für Reisen sehr gebräuchlichen Pferde e<strong>in</strong>en Kniescheibenbruch<br />
zu erleiden, wollte er e<strong>in</strong>e andere Lebensbahn erwählen. Da die Mutter mit ihrer starren,<br />
vielleicht durch ihren kostspieligen Bau von ihren Zuständen verstärkten Strenge sich dem Ent-<br />
schluss widersetzte, flüchtete er nach Schleus<strong>in</strong>gen, und der nun 16jährider wurd Lehrl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der dortigen<br />
Buchb<strong>in</strong>derei." ...<br />
Abschrift: "Erlebnisse von F.W. Gubitz nach Er<strong>in</strong>nerungen und Aufzeichnungen" 1886<br />
Wegen des Zorns der Mutter war der Kontakt völlig abgebrochen. Erst als sie bereits im hohen Alter war erfolgte<br />
e<strong>in</strong>e briefliche Versöhnung.
- 8 -<br />
Öffentliches Leben im Frühl<strong>in</strong>g 1857<br />
"Deutsches Museum" war e<strong>in</strong>e veröffentlichte Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentli-<br />
ches Leben. In der Ausgabe vom 01.Januar 1857 (Band 7) kommt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bericht "Früh-<br />
l<strong>in</strong>gsrecognosgirung im Thür<strong>in</strong>ger Walde" unter anderem unser <strong>Benshausen</strong> vor. Das öf-<br />
fentliche Leben <strong>in</strong> der Gegend wird sehr schön geschildert, Zitat: "... Still ist es weder auf<br />
dem Wege, noch im Felde, noch im Walde. Der Bauer bestellt pfeifend se<strong>in</strong>en Sommeracker.<br />
Mägde sicheln Gras." ... "E<strong>in</strong> verwogener E<strong>in</strong>spanner überholt den Omnibus (*1) zum Ver-<br />
druss des ehrgeizigen Fuhrmanns. Mit tausend kle<strong>in</strong>en Butten voll Kiesruß verpackte Karren,<br />
Karren mit Eisenwaren und leichts<strong>in</strong>nigen Töpfergeschirr ziehen ihre Straße. Ernsthafte<br />
Ochsen führen anschauliche Fichtenstämme ihrer Bestimmung <strong>in</strong> die Sägemühle und auf<br />
den Bauplätzen entgegen. Auch e<strong>in</strong> Hundegespann (*2) rasselt mit vollem Bierfass vorüber.<br />
Dort zieht die Frau des Zitronenhändlers aus <strong>Benshausen</strong> den Handkarren, der Mann schiebt,<br />
das junge Söhnle<strong>in</strong> des Paars sitzt als Übermütiger hoch oben auf den Kisten. Alle freuen<br />
sich des Lenzes." ... "... raschelt die bunte Ersche<strong>in</strong>ung doch wie e<strong>in</strong>e Eidechse. Es ist e<strong>in</strong>e<br />
kluge Kräuterhexe, welche Waldmeister und Erdraute, Scharfgarbe, Ehrenpreis und Zaunni-<br />
ckel sucht." ...<br />
Abschrift aus Zeitschrift "Deutsches Museum" Öffentliches Leben S.941 Abschnitt 1 1857<br />
S.8 *1<br />
Der Pferdebus war damals e<strong>in</strong> sehr fortgeschrittenes Nahverkehrsmittel und wurde bis <strong>in</strong>s 20. Jahr-<br />
hundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> genutzt. Dann gab es die sog. Personenpost. E<strong>in</strong>e tägliche Route (gefunden 1858) war<br />
die Personenpost zwischen Me<strong>in</strong><strong>in</strong>gen und Zella über <strong>Benshausen</strong>, als e<strong>in</strong>e an die Werrabahn (Eisen-<br />
bahnl<strong>in</strong>ie) anschließende "Posten": Abgang Mng 08:00 Uhr, Ankunft i. Zella 11:25 Uhr, Abgang i. Zella<br />
05:00Uhr früh, Ankunft i. Mng 8 1/4 früh. Alle Posten, welche durch die Benutzung der Werrabahn,<br />
nicht unmittelbar ganz oder teilweise entbehrlich werden, bleiben bestehen.
Freitag Nachmittag...<br />
- 9 -<br />
Ich wundere mich nicht über die beim unteren Bäcker anstehende Frau, mit angelassener<br />
bunter Haushaltsschürze, Lockenwickler im Haar und e<strong>in</strong>em roten E<strong>in</strong>kaufsnetz mit reich-<br />
lich Inhalt dar<strong>in</strong>, den sie wahrsche<strong>in</strong>lich gerade aus dem Konsum schräg gegenüber der<br />
Straße erwarb. Wie sie da ansteht, als Letzte h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er großen, bis nach draußen reichen-<br />
den Menschenschlange aus Weibern, die alle begehren ihr Wochenendbrot zu haben. Ganz<br />
normal <strong>in</strong> jener sozialistischen Zeit. Ob ich umsonst anstehe, ergibt sich aus dem dann noch<br />
vorhandenen Vorrat und aus dem Willen der Verkäufer<strong>in</strong>. Ich habe nämlich ke<strong>in</strong>e Brotmarke,<br />
die man anfangs der Woche kaufen muss, um sicher zu gehen, dass man freitags nicht leer<br />
ausgeht.<br />
S.8 *2<br />
Was tut man so wartend, hoffend und überlegend mit sich und der Zeit? Unwillkürlich be-<br />
schaue ich die Person mir voran, von oben nach unten, von unten nach oben... Ganz gleich-<br />
mäßig s<strong>in</strong>d die Plastiklockenwickler gesetzt, penibel ane<strong>in</strong>ander gereiht. "Man wird ja gese-<br />
hen". Das vom Gewicht nach unten ziehende E<strong>in</strong>kaufnetz lässt mich bis zum Inhalt durchbli-<br />
cken. E<strong>in</strong>e Glasflasche mit weiser Flüssigkeit, am dicken Hals etwas durchsichtiger, ver-<br />
schlossen mit e<strong>in</strong>er drauf gepressten Alum<strong>in</strong>iumhaube. Da ist noch e<strong>in</strong> Stück Butter und et-<br />
was <strong>in</strong> Zeitungspapier E<strong>in</strong>gepacktes. Das könnten Käse am Stück, Salzher<strong>in</strong>ge oder Salz-<br />
gurken aus dem Fass h<strong>in</strong>ter der Konsumtheke se<strong>in</strong>. Es könnte aber auch etwas se<strong>in</strong>, was e<strong>in</strong>
- 10 -<br />
anderer Kunde nicht wissen soll, dass diese es bekommen hat. Zwei e<strong>in</strong>zelne Toilettenpa-<br />
pierrollen, Fit und irgendwelches Grünzeug ragt noch heraus. Die Menschenschlange rückt<br />
eigentlich zügig voran. Die bereits bedienten Damen lassen sich beim h<strong>in</strong>ausgehen allerd<strong>in</strong>gs<br />
Zeit. Man kennt sich ja und im Vorbeigehen muss wenigsten "Hallo" gesagt werden. Dabei<br />
bleibt es aber nicht: "Na Else, bist ahh do". "Hajoo, muss noch ebbis eikeff. Mei Broit is au.."<br />
"Ich ho meis schu. War aber noch nier ben Gaggu. (Metzger) Hoffentlich gietz noch ebbis für<br />
mei Supp, die ich mon will mach. Hos nächte (gestern) nimma gschafft. War nämlich noch<br />
uffn Kurzacker (Friedhof) un ho mei Mo ebbis Frisches drauf gemoicht." Die Nächste will<br />
vorbei nach draußen, so wird das Gespräch halt beendet. Weiter vorne gackern zwei schon<br />
die ganze Zeit von irgendwelchen Krankheiten. Ich konzentriere mich lieber auf e<strong>in</strong> anderes<br />
Weibergeschwätz, wo die drei eben Genannten sicherlich auch mit e<strong>in</strong>em Ohr h<strong>in</strong>hören. E<strong>in</strong>e<br />
der Damen hat auch ke<strong>in</strong>e Brotmarke, ist aber voller Hoffnung: "Ich kriech mei Broit schu."<br />
Und so kommt es auch. Bis an den Verkaufstand vorgedrungen, steigt die Spannung. H<strong>in</strong>ter<br />
mir s<strong>in</strong>d die Leut nicht weniger geworden. Das war wohl nichts. Ich bekomme ohne Marke<br />
nämlich ke<strong>in</strong> Brot. Ich muss entweder vor Ort abwarten oder noch e<strong>in</strong>mal wieder kommen<br />
und nachfragen, ob etwas übrig geblieben ist. Eben noch wurde e<strong>in</strong> ungeplanter Laib ohne<br />
Zögern heraus gegeben. Sche<strong>in</strong>t "Stammkundschaft" zu se<strong>in</strong>.<br />
So vergeht e<strong>in</strong> halber Nachmittag, letzt endlich ohne Erfolg, zum<strong>in</strong>dest da wo ich solange<br />
angestanden b<strong>in</strong>. Aber ich habe wieder e<strong>in</strong>mal Leut und ihre <strong>Geschichte</strong>n kennen gelernt.<br />
Text: <strong>Jeannette</strong> <strong>Roth</strong> 1985