Neue Technologien fordern zum Umdenken auf - Ifak
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P Interview<br />
P Martina Winicker, <strong>Ifak</strong><br />
10.10 media spectrum<br />
fokus thema<br />
Interview Martina Winicker, Geschäftsführerin <strong>Ifak</strong><br />
<strong>Neue</strong> <strong>Technologien</strong> <strong>fordern</strong><br />
<strong>zum</strong> <strong>Umdenken</strong> <strong>auf</strong><br />
<strong>Ifak</strong>-Geschäftsführerin Martina Winicker über neue <strong>Technologien</strong>, ambitionierte Konkurrenz<br />
und innovative Ansätze in der Marktforschung, die Dynamik in die Branche bringen.<br />
Imke Sander<br />
media spectrum: Frau Winicker, <strong>Technologien</strong><br />
schreiten voran, auch in der Marktforschung.<br />
Gehört die Methode Paper + Pencil bald der Vergangenheit<br />
an?<br />
Martina Winicker: Ja, ich denke Paper +<br />
Pencil wird angesichts vieler neuer<br />
<strong>Technologien</strong> mittelfristig den Platz<br />
räumen müssen. CAPI- und PDA-Befragungen<br />
werden zunehmend nachgefragt<br />
und werden Paper + Pencil irgendwann<br />
ersetzen. Die klassische<br />
Marktforschung und ihre Methoden<br />
werden aber grundsätzlich bleiben.<br />
Face-to-Face- und Telefoninterviews<br />
wird es immer geben. Die Frage ist,<br />
wie sich die prozentualen Anteile zugunsten<br />
neuer Online-basierter Erhebungswege<br />
verschieben werden. Es<br />
wird künftig auch immer mehr Studien<br />
geben, bei denen neue <strong>Technologien</strong><br />
mit klassischen Erhebungswegen kombiniert<br />
werden.<br />
media spectrum: Welche Technologie hat die<br />
Marktforschungsbranche am meisten vorangebracht?<br />
Winicker: CATI und CAPI waren mal die<br />
große Revolution. Heute ist es die Digitalisierung<br />
insgesamt. Marktforschung<br />
im Internet, ob qualitativ und<br />
quantitativ, Web-Monitoring oder auch<br />
mobile Marktforschung eröffnen ganz<br />
neue Wege zu den Verbrauchern. Wir<br />
erreichen mit den neuen Methoden<br />
schwierige Zielgruppen, <strong>zum</strong> Beispiel<br />
mit niedriger Inzidenz, viel besser. Online<br />
ist es wesentlich einfacher, eine<br />
gewisse Gruppe von Leuten zusammenzubringen,<br />
sie zu befragen oder<br />
in einen Chat zu involvieren. Auch<br />
wenn man Bilder und Filme einsetzt,<br />
bieten sich hier ganz neue Möglichkeiten.<br />
media spectrum: Wie setzen Sie diese neuen<br />
Möglichkeiten bei der <strong>Ifak</strong> organisatorisch um?<br />
Winicker: Wir haben hier neue Strukturen<br />
geschaffen und zwei Teams gegründet,<br />
die für Online-Forschung und Web-Monitoring<br />
zuständig sind. Mitarbeiter haben<br />
sich dafür weiterqualifiziert und<br />
spezialisiert.<br />
media spectrum: Prozentual gesehen: Welchen<br />
Anteil hat denn die neue, digitale Marktforschung<br />
im Vergleich zur klassischen bei Ihnen<br />
im Haus?<br />
Winicker: Etwa 30 Prozent unserer Studien<br />
sind online-basiert. Dazu zählen Adhoc-Studien<br />
im Access-Panel, aber auch<br />
sehr viele qualitative Studien.<br />
media spectrum: Online-Forschung gilt ja insgesamt<br />
als etwas kostengünstiger. Ist aus diesem<br />
Grund die Nachfrage in den letzten zwei<br />
Jahren gestiegen?<br />
Winicker: Ja, ausgelöst durch die Wirtschaftskrise<br />
denken Kunden und auch Institute<br />
verstärkt darüber nach, in welchen Fällen<br />
die klassischen Methoden durch Online ersetzt<br />
werden können. Dieser Prozess ist<br />
aber noch lange nicht vorbei. Denn es geht<br />
nicht nur darum, die klassischen Methoden<br />
zu ersetzen, sondern insgesamt neue Wege<br />
der Marktforschung zu finden.<br />
www.media-spectrum.de 23
fokus thema<br />
media spectrum: Online-Forschung hat durchaus<br />
auch Kritiker. Was sind die größten Problemfelder?<br />
Winicker: Wir gehen immer das Risiko ein,<br />
nicht zu wissen, ob der Antwortende auch<br />
tatsächlich der ist, für den er sich ausgibt.<br />
Hinzu kommt, dass sich auch in Online-<br />
Befragungen allmählich Effekte einstellen,<br />
die wir aus anderen Bereichen kennen:<br />
Die Responserate wird durch die Befragungsmüdigkeit<br />
der Panelisten beeinflusst.<br />
Hier muss man durch mehr<br />
Interaktion, neue Fragetypen oder Rich<br />
Media neues Interesse wecken. Für bestimmte<br />
Studien eignet sich Online-Forschung<br />
aber einfach nicht, hier raten wir<br />
auch mal davon ab.<br />
media spectrum: Für welche Studien?<br />
Winicker: Für sehr lange Befragungen oder<br />
wenn wirklich repräsentative Bevölkerungsansätze<br />
benötigt werden. Eine echte<br />
Zufallsauswahl ist nach wie vor online<br />
nicht zu realisieren.<br />
media spectrum: Hat sich mit der Online-Marktforschung<br />
für Sie das Wettbewerberumfeld verändert?<br />
Winicker: Definitiv. Grundsätzlich muss<br />
man dabei sehen, dass Online-Forschung<br />
die Möglichkeit bietet, mit relativ<br />
geringem technischen Aufwand Befragungen<br />
durchzuführen. Die Markteintrittsbarrieren<br />
sind heute geringer als je<br />
zuvor. Das nutzen Softwareanbieter,<br />
Agenturen und ganz neue Online-<br />
Dienstleister. Dadurch kann es auch bei<br />
Kunden zu Do-it-yourself-Marktforschung<br />
kommen. So wird sich die klassische<br />
Aufgabenteilung zwischen Auftraggeber<br />
und Institut verändern, wenn<br />
der Kunde <strong>zum</strong> Beispiel die Erhebung<br />
Infokasten <strong>Ifak</strong><br />
Das <strong>Ifak</strong>-Institut hat seinen Hauptsitz in Taunusstein<br />
bei Wiesbaden. Das Full Service-Institut<br />
wurde 1958 gegründet und hat heute<br />
rund 100 Mitarbeiter. 1994 hat Martina Winicker<br />
die <strong>Ifak</strong> zusammen mit ihrem Mann Jens<br />
Winicker übernommen. Sie kamen beide von<br />
selbst durchführt und das Institut die<br />
Auswertung vornimmt.<br />
media spectrum: Zum Thema Web-Monitoring.<br />
Wie wichtig ist dieses neue Geschäftsfeld für Sie?<br />
Winicker: Web-Monitoring ist für uns insgesamt<br />
ein Wachstumsbereich. Aber im<br />
Grunde ist Web-Monitoring nicht neu,<br />
PR-Abteilungen beobachten schon lange,<br />
was veröffentlicht wird. Jetzt haben<br />
sich aber die Wege und die Absender<br />
von veröffentlichten Inhalten verändert.<br />
Mit Web-Monitoring gelingt es, Informationen<br />
sowie den Meinungs- und Erfahrungsaustausch<br />
im Netz zu beobachten.<br />
Wir arbeiten hier mit einer Software<br />
<strong>zum</strong> automatisierten Scannen von Foren,<br />
Blogs und Bewertungsportalen.<br />
Die Beiträge werden dann von uns detailliert<br />
analysiert. Interessanterweise<br />
kann Web-Monitoring aber auch unser<br />
Tun umkehren. Das eröffnet neue Möglichkeiten,<br />
den klassischen Frage-Antwort-Ansatz<br />
in der Marktforschung zu<br />
erweitern.<br />
media spectrum: Inwiefern?<br />
Winicker: Im Internet ist es jetzt so, dass<br />
wir Antworten und Aussagen zu Fragen<br />
bekommen, die wir noch nicht gestellt haben.<br />
Oft entsteht im Internet eine Eigendynamik<br />
– hier sind wir als Marktforscher<br />
gefordert, die Informationen zu sammeln<br />
und zu analysieren.<br />
media spectrum: Wie entwickelt sich die Nachfrage<br />
nach mobiler Marktforschung bei Ihnen?<br />
Winicker: Wie sich der Bereich bei uns<br />
entwickeln wird, hängt stark davon ab,<br />
wie sich das Thema Mobile Marketing im<br />
Markt generell behaupten wird. Wir ha-<br />
der GfK. Beide sind Geschäftsführer. Martina<br />
Winicker ist auch im Vorstand des BVM (Berufsverband<br />
Deutscher Markt- und Sozialforscher)<br />
tätig. Schwerpunkt-Branchen der <strong>Ifak</strong><br />
sind Health, Kommunikation, Media, Konsum<br />
und Mobility.<br />
ben mit mobilen Befragungen bisher<br />
recht gute Erfahrungen gemacht, beispielsweise<br />
mit Event- oder Messebefragungen.<br />
Bei Studien, bei denen es den<br />
Befragten freigestellt ist, ob man den Fragebogen<br />
<strong>auf</strong> dem Handy, dem PC oder<br />
dem Laptop beantwortet, beobachten wir,<br />
dass viele dann doch die bequemere<br />
Möglichkeit – also PC und Laptop – bevorzugen.<br />
Mobile Research steckt derzeit<br />
noch in den Kinderschuhen, ist für uns<br />
aber definitiv ein Zukunfsthema. Y<br />
Glossar<br />
Paper + Pencil: Form der Face-to-Face-<br />
Befragung, bei der die Antworten der Befragten<br />
handschriftlich in den Fragebogen<br />
eingetragen werden.<br />
Face-to-Face: Bezeichnung für die mündliche,<br />
persönliche Befragung durch einen Interviewer,<br />
wobei es <strong>zum</strong> direkten Kontakt<br />
zwischen Interviewer und Interviewtem<br />
kommt.<br />
CATI: Computer Assisted Telephone Interview;<br />
computerunterstützte Befragung per<br />
Telefon. Im Gegensatz <strong>zum</strong> CAPI müssen die<br />
Interviewer hier nicht persönlich beim Befragten<br />
erscheinen.<br />
CAPI: Computer Assisted Personal Interview;<br />
Befragung, bei der der Interviewer die<br />
Antworten des Befragten direkt über ein entsprechendes<br />
Computerprogramm erfasst.<br />
PDA: Personal Digital Assistant, tragbarer,<br />
kleiner Computer.<br />
Ad-hoc-Studien: Einmalige Erhebung von<br />
Daten zu einem bestimmten, oft aktuellen<br />
Untersuchungszweck.<br />
Quelle: www.marktforschung.de<br />
24 www.media-spectrum.de media spectrum 10.10