2 3 Liebe Leser „Der kleine Tag“, so heißt ein wunderschönes Kindermusical. Worum geht es darin? Hinter den Sternen, diesen reingepieksten Löchern im Himmel, ist ein riesengroßes, strahlend helles Licht. Das ist das Reich der Tage. Die Tage sind lebendige Lichtwesen, die nur ein einziges Mal zur Erde reisen dürfen. Wenn ein Tag auf der Erde war, kehrt er mit seinen Erinnerungen ins Lichtreich zurück. Alle anderen warten schon gespannt, was er zu erzählen hat. Jedes Mal entsteht ein Wettstreit darüber, wer der wichtigste Tag ist. Da wird berichtet von großartigen Erfindungen, Sensationen, aber auch von Katastrophen und Verbrechen. Jeder Tag will den anderen überbieten. Endlich kam der Tag des „kleinen Tages“. Wie war er aufgeregt. Dann nahm er allen Mut zusammen, ließ sich durch sein Sternenloch plumpsen und verschwand. Und er fiel. Es war ein herrliches Gefühl. Er ließ sich einfach tragen. Ganz leicht wurde er. Endlich lag sie vor ihm – die Erde. Sein Tag begann. Und er kam nicht mehr heraus aus dem Staunen. Er rieb sich die Augen, als er wieder zurück sollte. Die Stunden waren nur so dahingeflogen. Im Lichtreich warteten schon alle Tage auf seine Rückkehr und auf seinen Bericht. Der „kleine Tag“ war zufrieden mit seinem Tag. Es war ein glücklicher und froher Tag. Und er erzählte mit leuchtenden Augen von all den schönen kleinen Erlebnissen, die ihm auf der Erde geschenkt wurden. Die anderen Tage gähnten: „Kein neuer Weltrekord? Nichts Wichtiges? Keine Katastrophen? Keine Unfälle, Kriege und Verbrechen? – Ist ja langweilig! Ab mit dir in die letzte Reihe, du unbedeutender Tag!“ Der kleine Tag rannte davon. Weit weg, bis an den Rand des Lichtreiches. Ihm war ganz schwindelig. Scham, Angst, Wut, Traurigkeit. Er begriff nicht, was geschehen war. Der alte, weise Tag war ihm leise gefolgt. „Du warst ein guter Tag! Hast schöne Dinge gesehen. Wenn du nur ein paar Menschen Freude gebracht hast, dann hat sich deine Reise schon gelohnt.“ Aber der „kleine Tag“ wollte sich nicht trösten lassen. Einsam stand er abseits und weinte. Der alte, weise Tag nahm ihn vorsichtig in den Arm und erzählte ihm seine Geschichte: „Ich bin schon 2000 Jahre alt. Als mein Tag damals auf der Erde vorüber war, kam ich genauso glücklich ins Lichtreich zurück wie du. Denn ich hatte auch schöne Dinge erlebt. Da gab es Hirten auf dem Feld mit ihren Schafen. Einen Engel habe ich gesehen und einen besonders hellen, leuchtenden Stern. Und dann war da dieses einfache Paar. Der Mann war Zimmermann und die Frau war schwanger. Und ich war so erleichtert, als die beiden einen trockenen Stall fanden. Stell dir das vor: Der kleine Schreihals, den die beiden bekamen, das war ein richtiger Wonneproppen. Jesus haben sie ihn genannt.“ „Das muss wirklich ein wunderschöner Tag gewesen sein!“, freute sich der „kleine Tag“. „Naja“, meinte der alte, weise Tag, „eigentlich schon. Aber die anderen fanden meinen Tag nur öde und langweilig. Und ich musste in die letzte Reihe. 30 Jahre lang. Dann kam nämlich ein anderer Tag am Abend eines 24. Dezember zurück. Einer meiner Nachfolger. Und der erzählte von einem Jesus Christus, der die Welt veränderte. Nur mit Worten und seiner Liebe, die er den Menschen schenkte. Und er ging zu den Armen, Schwachen und Kranken. Er überzeugte die Menschen, dass die Welt besser würde, wenn sie ihm folgen würden. Ja, und dann kamen die anderen Tage darauf, dass dieser Jesus der Schreihals war, der an meinem Tag geboren wurde. Seit diesem Augenblick stehe ich in der ersten Reihe und habe sie nie wieder verlassen. Also: Hab Geduld, kleiner Tag! Auch du wirst noch ein großer Tag.“ Irgendwann war es wieder Zeit im Jahreskalender für den Nachfolger des „kleinen Tages“. Alle waren schon wieder ganz gespannt, was er berichten würde. „Es war ein toller Tag. Überall auf der Erde wurde gefeiert. In allen Ländern. Auf allen Kontinenten.“ „Bravo, klasse“, schallte es durch das Reich der Tage. „Nein, nein, es war gar nicht wegen mir. Letztes Jahr am selben Tag, als mein Vorgänger auf der Erde war, da gab es nämlich einen Tag, an dem kein einziges Verbrechen passiert ist. Nirgendwo auf der Erde wurde gekämpft. Und das ist den Menschen erst so richtig bewusst geworden, als der Tag vorbei war. Deswegen soll an diesem Tag jetzt jedes Jahr Feiertag sein. Und immer an diesem Tag werden die Menschen singen, lachen und tanzen und sich an diesen wunderschönen Tag erinnern, den friedlichsten Tag aller Zeiten.“ Die anderen Tage steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. „Wisst ihr was – das war doch der kleine Tag! Ja, ich erinnere mich auch. Toll! Phantastisch! Los, komm, kleiner Tag. Vor mit dir in die erste Reihe!“ Und da stand er nun, der „kleine Tag“, in der ersten Reihe. Aber er sagte gar nichts. Er strahlte. Tief in seinem kleinen Herzen hatte er es immer gewusst: Er war ein guter Tag. Und er dachte sich: Gerechtigkeit! Ja, es gibt doch noch Gerechtigkeit. Und Frieden auf Erden für alle Menschen. Eine ruhige, besinnliche Adventszeit, ein friedvolles Weihnachtsfest und ein gesegnetes neues Jahr wünscht Ihnen allen Ihr Pfarrer Reinhard Weigel.