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Industriedenkmalpflege in Deutschland. "Die ... - DenkmalDebatten

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Axel Föhl<br />

<strong>Industriedenkmalpflege</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. "<strong>Die</strong> verspätete Nation"<br />

aus: Bauten der Industrie und Technik. Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz Bd. 47. Berl<strong>in</strong> 2000, S. 28–38<br />

"Türme aus Stahl und Eisen, nach den Gesetzen des Ingenieurs errichtet, re<strong>in</strong>ste Zweckbau-<br />

ten, formen sich zu überwältigenden Kunstwerken der Architektur. Unsere Augen fangen<br />

langsam an, die großartige Schönheit dieser Schöpfungen zu sehen, Empf<strong>in</strong>dung für sie zu<br />

bekommen. Wenn Kunst Zeitausdruck se<strong>in</strong> kann, s<strong>in</strong>d unsere Industriebauten die stärksten<br />

Zeugen heutiger Kunst."<br />

Nach dem im vorigen Kapitel Gesagten ersche<strong>in</strong>en die hier zitierten Worte e<strong>in</strong>es saarländi-<br />

schen Denkmalpflegers e<strong>in</strong>igermaßen erstaunlich. Notiert wurden diese E<strong>in</strong>drücke im Jahr<br />

1924. Sie nehmen vorweg, was Paul Clemen <strong>in</strong> der preußischen Rhe<strong>in</strong>prov<strong>in</strong>z e<strong>in</strong> Jahr spä-<br />

ter noch e<strong>in</strong>mal festhielt. Bei den Denkmalpflegern ist der Rückgriff auf ästhetische Katego-<br />

rien noch selbstverständlich: Der Saarländer Keuth konstatiert "überwältigende Kunstwerke<br />

der Architektur", "großartige Schönheit" und "stärkste Zeugen heutiger Kunst". Se<strong>in</strong> rhe<strong>in</strong>i-<br />

scher Kollege spricht von "absoluter Schönheit" und "Gebilde der Raumkunst", immerh<strong>in</strong><br />

aber auch schon "eigentlich charakteristischen Denkmälern" (vgl. S. 8). Interessant ist, daß<br />

beide die Kategorien der Kunst- und Architekturanschauung auf re<strong>in</strong>e Ingenieurkonstruk-<br />

tionen, nämlich <strong>in</strong> beiden Fällen Hüttenwerke (Keuth das von Völkl<strong>in</strong>gen, Clemen das von<br />

Rhe<strong>in</strong>hausen), übertragen und nicht beispielsweise über Umspannwerke der Neuen Sach-<br />

lichkeit oder Peter Behrens Turb<strong>in</strong>enhalle von 1909 reden. Beide Zitate s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Beleg für<br />

die Tendenz, den Blickw<strong>in</strong>kel der Denkmalpflege primär auf den Begriff des "Kunstschönen"<br />

e<strong>in</strong>zustellen, selbst wenn man dafür notfalls diesen Begriff erweitern muß um Bereiche, die<br />

zuvor unter dieser Kategorie nicht bewertbar erschienen waren. Dennoch muß man vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund der Zeit, <strong>in</strong> der diese Äußerungen getan wurden, anerkennen, daß sie ange-<br />

sichts der damals noch weitverbreiteten Unwilligkeit, diesseits der Schwelle zum 19. Jahr-<br />

hundert überhaupt noch Denkmale der Baukunst zu akzeptieren, bereits e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Modernität aufweisen. Vor allem Clemens H<strong>in</strong>weis auf die "Werkbauten als die eigentlich<br />

charakteristischen Denkmäler" der Epoche deutet kommende Entwicklungen an. Den histo-<br />

rischen Zeugniswert der Denkmäler stellte man erst nach dem Zweiten Weltkrieg stärker<br />

heraus.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs hatte es auch schon früher, vor dem Ersten Weltkrieg nämlich, e<strong>in</strong>e kurze Phase<br />

der Öffnung der Kunstdenkmalpflege zum Industriebau h<strong>in</strong> gegeben. Dokumentiert ist das<br />

im Heft 1 der "Mitteilungen des Rhe<strong>in</strong>ischen Vere<strong>in</strong>s für Denkmalpflege und Heimatschutz"<br />

aus dem Jahr 1910. Unter dem Obertitel "Industriebauten" vere<strong>in</strong>igt dieses Themenheft<br />

e<strong>in</strong>en Überblick über "geschichtliche Industriebauten" (Aachen, Sachsen, Bergisches Land)<br />

und "neuzeitliche Industriebauten", wo unter anderem Behrens, Theodor Fischer und Bruno<br />

Taut eigene Bauten präsentieren. <strong>Die</strong> Gegenüberstellung historischer und soeben fertigge-<br />

stellter Bauwerke ist <strong>in</strong> der Denkmalpflege nicht eben gängiges Verfahren, um nicht zu<br />

sagen: höchst ungewöhnlich. Der Grund: Man hatte soeben <strong>in</strong> Barmen, "im Industriebezirke<br />

des Bergischen Landes", se<strong>in</strong>e Jahrestagung abgehalten und der Rhe<strong>in</strong>ische Vere<strong>in</strong> hatte<br />

den Ort wohl mit dem E<strong>in</strong>druck verlassen, daß der zeitgenössische Industriebau von allem<br />

anderen als überragender Qualität war. Im Bewußtse<strong>in</strong>, daß den "Werkbauten e<strong>in</strong>e beson-<br />

ders große Zukunft" bevorstünde, erachtete man e<strong>in</strong>e Gegenüberstellung alter und neuer<br />

Technikbauten für nützlich, wobei man bei beiden Wert darauf legte, daß sie "Wahrhaftig-<br />

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aus: Bauten der Industrie und Technik. Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz Bd. 47. Berl<strong>in</strong> 2000, S. 28–38<br />

keit" und "weise Knappheit der Form" besäßen. <strong>Die</strong> Anwendung dieser Kriterien kommt<br />

denn auch bei der Auswahl der vorgestellten Beispiele klar zum Ausdruck. Woher das Inte-<br />

resse am Werkbau und die parteiische Haltung für Wahrhaftigkeit kamen, wird deutlich,<br />

wenn man sich die Person des Schriftführers des Rhe<strong>in</strong>ischen Vere<strong>in</strong>s, F. W. Bredt, ansieht.<br />

<strong>Die</strong>ser Dr. Bredt hatte nämlich kurz vor der Barmer Tagung an der zweiten Jahresversamm-<br />

lung des Deutschen Werkbundes <strong>in</strong> Frankfurt a. M. als Vertreter des Rhe<strong>in</strong>ischen Vere<strong>in</strong>s für<br />

Denkmalpflege und Heimatschutz teilgenommen. Es war ihm gelungen, die von Walter<br />

Gropius soeben erst zusammengestellte "Ausstellung vorbildlicher Fabrikbauten" nach<br />

Barmen zu holen, wo er auch e<strong>in</strong>en öffentlichen Vortrag über Verkehrs- und Fabrikbauten<br />

hielt. Ferner spricht das Mitteilungsheft des Rhe<strong>in</strong>ischen Vere<strong>in</strong>s von 1910 davon, daß <strong>in</strong><br />

Barmen die erste Nummer der neuen Zeitschrift "Industriebau" verteilt worden sei, die ab<br />

sofort monatlich ersche<strong>in</strong>e (sie erschien bis 1931). Es gab also gleich am Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er neu-<br />

en Ära der Industriearchitektur e<strong>in</strong>e erstaunliche Übere<strong>in</strong>stimmung denkmalpflegerischer,<br />

bauhistorischer und zeitgenössisch-architektonischer Bestrebungen für e<strong>in</strong>en qualitätvollen<br />

Industriebau, für den man darüber h<strong>in</strong>aus auch direkte Anregungen von den historischen<br />

Beispielen erhoffte. <strong>Die</strong> Ersche<strong>in</strong>ungsform als vorbildlich erachteter historischer Industrie-<br />

bauten wurde ganz offensichtlich für fähig gehalten, H<strong>in</strong>weise und Inspiration zu geben für<br />

zeitgenössische Bauaufgaben im Bereich der Industriearchitektur. Der "Rhe<strong>in</strong>ische Vere<strong>in</strong><br />

für Denkmalpflege und Heimatschutz" unterscheidet sogar <strong>in</strong> städtebaulicher H<strong>in</strong>sicht zwei<br />

Fälle: "Von e<strong>in</strong>er Fabrik, die der Bauherr <strong>in</strong> e<strong>in</strong> historisch oder neuzeitlich entwickeltes ferti-<br />

ges Milieu setzen will, muß man heute verlangen, daß sie dort nicht nur ihrer selbst wegen<br />

stehen will und kann. Hier ist erforderlich, nach e<strong>in</strong>em gesunden Kompromiß zu streben."<br />

Andererseits gibt es aber "Fabrikviertel, <strong>in</strong> denen sich der Industriebau frei aus sich selbst<br />

heraus entwickeln kann. Hier greift das noch wichtigere Erfordernis Platz, daß Architekt und<br />

Bauherr ihm ke<strong>in</strong>en zufälligen oder gleichgültigen, sondern e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der Zweckbestimmung<br />

klaren und wahrhaftigen Ausdruck geben." E<strong>in</strong> angesichts der baulichen Misere der Gewer-<br />

begebiete und Industrieparks der 1990erJahre beherzigenswertes Ans<strong>in</strong>nen. Selten war<br />

Denkmalpflege – und hier sogar <strong>Industriedenkmalpflege</strong> – auf e<strong>in</strong>em so aufgeklärten Stand,<br />

selten war man sich auch se<strong>in</strong>er Sache so sicher, daß man beherzt <strong>in</strong> der aktuellen Archi-<br />

tekturdebatte Stellung bezog. Wie breit das Interesse war, belegt die Tatsache, daß das<br />

Herausgebervorwort der 1910-Publikation zwischen dem Bildmotiv der Hochöfen der<br />

Kruppschen Friedrich-Alfred-Hütte, die Paul Clemen so begeistert hatte, und der Abbildung<br />

e<strong>in</strong>er niederrhe<strong>in</strong>ischen W<strong>in</strong>dmühle stand. Man kann dar<strong>in</strong>, wenn man will, e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>nerrhe<strong>in</strong>ische denkmalpflegerische Konstante erblicken: Als Landeskonservator Günther<br />

Borchers die Ergebnisse der Jahrestagung der Landesdenkmalpfleger 1973 "Denkmalpflege<br />

im rhe<strong>in</strong>ischen Ballungsraum" dokumentiert, auf der die Technik- und Industriedenkmale<br />

ebenfalls e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielten, wählt er als Titelbild wiederum e<strong>in</strong>e niederrhe<strong>in</strong>sche<br />

W<strong>in</strong>dmühle, diesmal vor dem H<strong>in</strong>tergrund des gewaltigen Ste<strong>in</strong>salzwerkes der Firma Solvay.<br />

Aber zurück zu den Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg und dem Rhe<strong>in</strong>ischen Vere<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong>e<br />

Initiative sollte für lange Zeit der progressivste Ansatz von <strong>Industriedenkmalpflege</strong> se<strong>in</strong>, um<br />

so mehr, als hier im Mittelpunkt der Betrachtungen schon der eigentliche Industriebau und<br />

nicht die gewerblich-traditionelle Anlage steht. Allerd<strong>in</strong>gs muß auch hier e<strong>in</strong>schränkend<br />

bemerkt werden, daß die technischen Denkmale primär als baukünstlerische Denkmale be-<br />

trachtet werden. Ihre ästhetische Qualität stand vor allem auch deswegen im Vordergrund,<br />

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da ja das leitende Forschungs<strong>in</strong>teresse aus dem Verlangen gespeist wurde, Anregungen und<br />

Vorbilder für den zeitgenössischen Industriebau zu gew<strong>in</strong>nen. "Der heutige Architekt, neuen<br />

Bedürfnissen dienend", sagt Schmid <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz zu den historischen Aachener Werk-<br />

bauten <strong>in</strong> den Mitteilungen des Rhe<strong>in</strong>ischen Vere<strong>in</strong>s 1910 dazu, wird sie nicht nachahmen<br />

können. Aber er wird von ihrem Geiste, <strong>in</strong> dem sie ausgeführt, von dem Material, das zu<br />

ihrer Herstellung verwendet wurde, e<strong>in</strong>iges Nützliche entnehmen können. Weiteren Bestre-<br />

bungen dieser Art machte dann zunächst e<strong>in</strong>mal der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und<br />

hernach die mißliche ökonomische Situation nach 1918 e<strong>in</strong> Ende. E<strong>in</strong>e bemerkenswerte<br />

Parallele zur Situation <strong>in</strong> der <strong>Industriedenkmalpflege</strong> f<strong>in</strong>det sich im Schicksal des Deutschen<br />

Museums <strong>in</strong> München. <strong>Die</strong>se 1903 als "Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft<br />

und Technik" gegründete, aber erst 1925 endgültig eröffnete Institution sah sich <strong>in</strong> ihrem<br />

Bestreben, dem Ingenieur und Techniker e<strong>in</strong>e dem Geisteswissenschaftler vergleichbare<br />

gesellschaftliche Stellung zu erkämpfen, durch Krieg und Nachkrieg ebenfalls um Jahrzehnte<br />

zurückgeworfen. Auch die Standesorganisation der Ingenieure, der 1856 gegründete "Vere<strong>in</strong><br />

Deutscher Ingenieure", der seit 1909 als technikhistorische Zeitschrift die "Technikgeschich-<br />

te. Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie" herausgegeben hatte, begann erst<br />

Ende der 20er Jahre, nämlich 1927, mit e<strong>in</strong>er neuen Rubrik "Technische Kulturdenkmäler"<br />

(Bd. 17), die ab 1930 (Bd. 20) als "Technische Kulturdenkmale" firmierten. Ohne daß<br />

näher zu sagen ist, welcher Institution, dem VDI, dem Deutschen Museum oder der Denk-<br />

malpflege, die Neuaufnahme des seit der Vorkriegszeit ruhenden Impulses zur Erhaltung<br />

technischer Denkmale zu verdanken ist, wird auch im Spiegel der Veröffentlichungen der<br />

Denkmalämter deutlich, daß die D<strong>in</strong>ge auf diesem Felde <strong>in</strong> Bewegung geraten waren. Fest-<br />

zustellen ist allerd<strong>in</strong>gs – und diese Wahrnehmung sollte sich auch nach dem Zweiten Welt-<br />

krieg erneut e<strong>in</strong>stellen – daß es nicht die Denkmalpflege war, von der die e<strong>in</strong>schlägigen<br />

Initiativen ausg<strong>in</strong>gen. Dem widerspricht nicht die Tatsache, daß e<strong>in</strong>zelne Denkmalpfleger<br />

außerordentliche Energien entwickelten, um dem Gedanken der Erhaltung technischer<br />

Denkmale Geltung zu verschaffen. An erster Stelle zu nennen ist hier der damals im Bonner<br />

Amt tätige Prov<strong>in</strong>zialbaurat Theodor Wildemann, dessen zahlreiche Veröffentlichungen ab<br />

1928 die auch von den damaligen Amtschefs Renard und Metternich unterstützten Versuche<br />

belegen, der Gattung der technischen "Kultur"-Denkmäler, wie es damals hieß, zu erhöhter<br />

Aufmerksamkeit und Geltung zu verhelfen. <strong>Die</strong>s gilt nicht nur für die Rhe<strong>in</strong>prov<strong>in</strong>z: Auch <strong>in</strong><br />

Brandenburg, Sachsen und Oberschlesien, den neben Rhe<strong>in</strong>land-Westfalen höchst<strong>in</strong>dustria-<br />

lisierten Teilen des Deutschen Reiches, rührten sich im Laufe der 30er Jahre Bestrebungen<br />

zu Erfassung und Erhaltung technischer Denkmale. So stellen die Themenhefte 5 und 6 der<br />

"Brandenburgischen Jahrbücher" 1937 "Technische Kulturdenkmale <strong>in</strong> der Mark Branden-<br />

burg" auf über hundertzwanzig Seiten vor. Das "Schlesische Jahrbuch" befaßt sich 1935/36<br />

mit den "Alten Industriebauten <strong>in</strong> Oberschlesien". Im neu gegründeten badischen Denkmal-<br />

amt entsteht ab 1936 e<strong>in</strong> Separatverzeichnis von "Denkmälern der Technik" Unter dem<br />

Begriff "Technischer Monumentalurkunden unserer heimischen Vergangenheit und Gegen-<br />

wart" werden aber wieder nur "Brunnenstuben, Wasch- und Backhäuser oder We<strong>in</strong>torkel"<br />

und dergleichen versammelt. <strong>Die</strong> Publikationen fußen dabei zum Teil bereits auf systema-<br />

tisch erhobenen Fakten. Fragebogenaktionen sollten erste <strong>in</strong>ventarähnliche Übersichten<br />

über den Bestand an technischen Denkmalen erbr<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong>e Fragebogenaktion bzw. e<strong>in</strong>en<br />

Aufruf zur Mitteilung von Objekten hatte auch Conrad Matschoß, der Herausgeber der<br />

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"Technikgeschichte" des VDI, 1926 gestartet, um Material für se<strong>in</strong>e ab 1927 laufende Rubrik<br />

"Technische Kulturdenkmäler" zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

Da es e<strong>in</strong>e Geschichte der <strong>Industriedenkmalpflege</strong> noch nicht gibt, sei nur kurz der Versuch<br />

e<strong>in</strong>er Charakterisierung der Erfassungs- und Erhaltungsbestrebungen technischer Denkmale<br />

<strong>in</strong>nerhalb und außerhalb der eigentlichen Denkmalpflege<strong>in</strong>stitutionen zwischen 1910<br />

und dem Beg<strong>in</strong>n des Zweiten Weltkrieges unternommen: Neu vom ersten Jahrzehnt des<br />

20. Jahrhunderts an ist das Interesse an Erforschung und Erhaltung von Sachzeugen der<br />

Technikgeschichte. Es entspr<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>mal der Wahrnehmung des Erlöschens traditioneller<br />

Fertigungs- und Bearbeitungsmethoden im Zuge der Hoch<strong>in</strong>dustrialisierung des Deutschen<br />

Reiches ab etwa 1870, die sich etwa 1890/1900 noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong>tensivierte. Vor dieser Zeit<br />

hatte lediglich die Industrie selbst sporadisch und aus pragmatischen Gründen die punktuel-<br />

le Erhaltung e<strong>in</strong>zelner Anlagen angestrebt, so zum Beispiel der Bergbau aus dem Interesse<br />

an unentdeckten Lagerstätten (Ra<strong>in</strong>er Slotta). Zu dem Bewußtwerden des Verschw<strong>in</strong>dens<br />

lange Zeit unverändert gebliebener gewerblicher Tätigkeit und ihrer Überreste, die unter-<br />

halb und neben <strong>in</strong>dustrieller Aktivität bislang fortgedauert hatten, trat das <strong>in</strong> der Gründung<br />

des Deutschen Museums manifest werdende berufsständische Interesse der Ingenieure und<br />

Techniker, sich über den Erwerb "technischer Stammbäume" auf die bisher von anderen<br />

Diszipl<strong>in</strong>en gehaltene Ebene gesellschaftlicher Achtung und Anerkennung emporzuschw<strong>in</strong>-<br />

gen. Der Begriff "technisches Kulturdenkmal" hat hier se<strong>in</strong>en Ursprung, ebenso der Name<br />

des Deutschen Museums "von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik". Architek-<br />

turhistorisch kam am Rande noch das Motiv h<strong>in</strong>zu, <strong>in</strong> dem Fundus der überkommenen Nutz-<br />

architektur nach Vorbildern zu suchen, die bei der Formulierung e<strong>in</strong>er der Phase der Hoch-<br />

<strong>in</strong>dustrialisierung angemessenen architektonischen Ausdrucksform behilflich se<strong>in</strong> könnten.<br />

Kurzfristig berührten sich dabei vergleichsweise unmittelbar historisches und aktuelles Bau-<br />

geschehen, wie die 1910 vom Rhe<strong>in</strong>ischen Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Barmen abgehaltene Jahrestagung zu<br />

Industriebauten belegt. <strong>Die</strong> im Spannungsfeld von Werkbund, Rhe<strong>in</strong>ischem Vere<strong>in</strong> und<br />

kommerziellen Interessen 1910 gegründete Zeitschrift "Der Industriebau", die schon <strong>in</strong> der<br />

ersten Nummer e<strong>in</strong>e Rubrik "Beschreibung alter Fabrikbauten" führte, belegt diese Tatsa-<br />

che. Der Erste Weltkrieg beendete - soweit bis jetzt zu sehen - auf allen Sektoren erst e<strong>in</strong>-<br />

mal jegliche Aktivität für mehr als e<strong>in</strong> Jahrzehnt. <strong>Die</strong> Motive für die Wiederaufnahme von<br />

Bestrebungen zu Erforschung und Erhaltung technischer Denkmale s<strong>in</strong>d nicht ganz e<strong>in</strong>fach<br />

auszumachen. Der relativ späte Zeitpunkt gegen Ende der 20er Jahre zeigt zunächst e<strong>in</strong>mal,<br />

daß man die knappen Mittel der Wirtschaftskrisenjahre auf anderes konzentrierte, zum an-<br />

deren bedurfte es sicher auch. e<strong>in</strong>er gewissen Vorlaufzeit, bis man mit Ergebnissen an die<br />

Öffentlichkeit treten konnte. Ob die heraufziehende Weltwirtschaftskrise und der mit ihr<br />

verbundene Zuwachs an Skepsis gegenüber dem technisch-<strong>in</strong>dustriellen System e<strong>in</strong>e Rolle<br />

spielte, ist noch nicht untersucht. E<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>gerzeig <strong>in</strong> diese Richtung stellt aber vielleicht die<br />

Tatsache dar, daß zwischen den Kriegen die Zeugnisse der handwerklich-gewerblichen Pro-<br />

duktionsweise das Feld beherrschten. Hatte das Themenheft des Rhe<strong>in</strong>ischen Vere<strong>in</strong>s 1910<br />

noch zum Ersche<strong>in</strong>ungszeitpunkt m<strong>in</strong>imal siebzig Jahre alte, veritable Fabrikbauten ange-<br />

führt, so f<strong>in</strong>den sich Ende der 20erJahre nur mehr W<strong>in</strong>d- und Wassermühlen, vierhundert<br />

Jahre alte Rhe<strong>in</strong>kräne oder alte Dorfschmieden im Vordergrund. Auch verme<strong>in</strong>tliche Aus-<br />

nahmen, wie die ab 1930 auf Veranlassung des Aachener Lehrstuhl<strong>in</strong>habers für Bauge-<br />

schichte, Rene von Schäfer, vorgenommenen Bauaufnahmen von Tuchfabriken des 18. und<br />

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frühen 19. Jahrhunderts, stellen ke<strong>in</strong>e technik-, wirtschafts- oder sozialgeschichtlichen<br />

Fragen, sondern betrachten ihre Objekte re<strong>in</strong> Stil- und bauentwicklungsgeschichtlich. Auffäl-<br />

lig ist auch, daß die eher gewerblichen denn <strong>in</strong>dustriellen Objekte stets <strong>in</strong> landschaftlich-<br />

naturräumlichen Zusammenhängen gesehen s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong> Zusammenhang, der weniger funktio-<br />

nal als stimmungsmäßig-romantisierend behandelt wird. <strong>Die</strong>s ist möglicherweise e<strong>in</strong> weite-<br />

res Indiz für e<strong>in</strong>e unbewußte Abkehr von der <strong>in</strong>ternational-<strong>in</strong>dustriellen Welt. So ist die<br />

Betrachtungsweise dessen, was man zwischen 1910 und 1939 für denkmalwert hält, entwe-<br />

der re<strong>in</strong> technikgeschichtlich bed<strong>in</strong>gt mit der Tendenz, die Objekte <strong>in</strong> fortschreitende und<br />

damit "fortschrittliche" Entwicklungsreihen zu br<strong>in</strong>gen, oder sie zehrt von e<strong>in</strong>er nostalgisch<br />

bee<strong>in</strong>flussten, die Bauten als Teile der pastoralen Szene wertenden Wehmut, wenn man es<br />

überspitzt ausdrücken will. Deutlich wird auf jeden Fall, daß von der Möglichkeit, die Bauten<br />

und Anlagen als Geschichtsdokumente im umfassenden S<strong>in</strong>ne zu sehen, ke<strong>in</strong> Gebrauch ge-<br />

macht wurde. <strong>Die</strong>s erstaunt umso mehr, als Voraussetzungen dazu <strong>in</strong> den meisten gesetzli-<br />

chen Regelungen der Zeit durchaus gegeben waren. <strong>Die</strong> Weimarer Verfassung von 1919<br />

spricht zum Beispiel von "Denkmälern der Kunst, Geschichte und Natur". <strong>Die</strong> damit zwangs-<br />

läufig <strong>in</strong> den Vordergrund rückende Wertung der Denkmale nach kunstgeschichtlichen Krite-<br />

rien verh<strong>in</strong>derte wirksam die Beschäftigung mit Objekten, die – der damaligen Auffassung<br />

entsprechend – "stillosen" Zeiten entstammten, die nach herrschender Anschauung spätes-<br />

tens <strong>in</strong> der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen. <strong>Die</strong> Techniker, die von solch<br />

hemmenden Anschauungen noch am ehesten hätten frei se<strong>in</strong> können, erlahmen bald <strong>in</strong><br />

ihrem ursprünglichen Enthusiasmus. 1928 noch hatten das Deutsche Museum, der Deutsche<br />

Bund Heimatschutz und der Vere<strong>in</strong> Deutscher Ingenieure die "Deutsche Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

zur Erhaltung technischer Kulturdenkmäler" gegründet mit dem Ziel, für diese e<strong>in</strong>en "ähnli-<br />

chen" Schutz wie für Kunstdenkmale zu erreichen. Alle Beteiligten nennen <strong>in</strong> Beispiellisten<br />

die Objekte, die sie dabei im S<strong>in</strong>ne haben: Wasserräder, W<strong>in</strong>dmühlen, We<strong>in</strong>pressen, Web-<br />

stuben. Denkt man an den achtzehn Jahre älteren Ansatz des Rhe<strong>in</strong>ischen Vere<strong>in</strong>s, verblüfft<br />

die Flucht <strong>in</strong> die vor<strong>in</strong>dustrielle Idylle. Man muß sich allerd<strong>in</strong>gs klarmachen, daß auf diese<br />

Weise Interessenkonflikten mit der Industrie, die ja sowohl für das Deutsche Museum als<br />

auch für den VDI e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle spielte, aus dem Wege gegangen werden konnte.<br />

<strong>Die</strong> lauschigen Kle<strong>in</strong>anlagen der Handwerkszeit ließen sich, was die Last ihrer Unterhaltung<br />

betraf, an die öffentliche Hand "loswerden". Man dachte an "Patenschaften" mit Stadtver-<br />

waltungen. Beim Deutschen Museum sollte e<strong>in</strong> "Führer durch die technischen Kulturdenk-<br />

mäler <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>" ersche<strong>in</strong>en. Aber die Aktivitäten des Deutschen Museums ließen<br />

nach. Der Deutsche Bund Heimatschutz übernahm die <strong>in</strong> München aufgelaufenen Bestände<br />

und startete e<strong>in</strong>e umfängliche Fragebogenaktion, an der auch die Landesdenkmalämter<br />

beteiligt wurden. In e<strong>in</strong>em Schreiben, das daraufh<strong>in</strong> das Württembergische Amt für Denk-<br />

malpflege im Jahr 1931 an Partner im Lande verschickte, war ausdrücklich die Aufforderung<br />

enthalten: "Nur altertümliche Anlagen sollen genannt werden." Immerh<strong>in</strong> fragt man nach<br />

Dampfmasch<strong>in</strong>en, "soweit diese Masch<strong>in</strong>en Anfangsglieder wichtiger technischer Entwick-<br />

lungsreihen s<strong>in</strong>d". Greifbarstes Resultat ist das 1932 von Conrad Matschoß, Direktor des<br />

VDI, und Werner L<strong>in</strong>dner, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Bundes<br />

Heimatschutz, herausgegebene Buch "Technische Kulturdenkmale". Es wurde gefördert von<br />

der 1926 gegründeten Agricola-Gesellschaft, die damit nach dem Repr<strong>in</strong>t von Agricolas "De<br />

re metallica Libri XII" ihre zweite technikgeschichtliche Publikation unterstützte. Mit L<strong>in</strong>dner<br />

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trat erneut e<strong>in</strong>e Interessenrichtung auf den Plan, die sich historischem wie zeitgenössischem<br />

Industriebau zuwandte. Se<strong>in</strong>e beiden Publikationen "<strong>Die</strong> Ingenieurbauten <strong>in</strong> ihrer guten<br />

Gestaltung" (1923) und "Bauten der Technik. Ihre Form und Wirkung" (1927) belegen das<br />

e<strong>in</strong>drucksvoll <strong>in</strong> ihrer formalen Gegenüberstellung alter und neuer Bauten, wenn dies auch<br />

gelegentlich im Formalen stecken bleibt, wie der Vergleich der Veste Karaferia bei Saloniki<br />

mit dem Breslauer Wasserturm von 1871 zeigt, unter dessen über viertausend Kubikmeter<br />

fassendem Wasserreservoir e<strong>in</strong>e Dampfmasch<strong>in</strong>e <strong>in</strong> mehrstöckigem Gußeisengestell <strong>in</strong>stal-<br />

liert ist. Bevor <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> der Zweite Weltkrieg ausbricht, ist noch e<strong>in</strong>e Aktivität zum<br />

Schutz technischer Denkmale zu erwähnen: Wilhelm Claas' unablässige Mühe zur Begrün-<br />

dung e<strong>in</strong>es "Freilichtmuseums technischer Kulturdenkmäler", e<strong>in</strong> seit der Gründung des<br />

Deutschen Museums 1903 une<strong>in</strong>gelöstes Versprechen. 1939 veröffentlicht Claas "<strong>Die</strong> tech-<br />

nischen Kulturdenkmale im Bereich der früheren Grafschaft Mark". <strong>Die</strong> Museumspläne soll-<br />

ten, wie auch viele andere Bestrebungen zur Erhaltung technischer und <strong>in</strong>dustrieller Denk-<br />

male, erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg reifen. Erst ab 1963 wurden sie im Mäck<strong>in</strong>ger-<br />

Bachtal bei Hagen verwirklicht.<br />

Von den 1950er und 60er Jahren ist, was Aktivitäten der Denkmalpflege mit Bezug auf In-<br />

dustriebauten betrifft, nichts Neues zu berichten. W<strong>in</strong>d- und Wassermühlen waren Objekte<br />

von Erhaltungsbemühungen und Bezuschussungen durch öffentliche Mittel, der Gesichts-<br />

kreis war also im Vergleich mit der Zwischenkriegszeit noch ähnlich eng. 1966 ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong><br />

der Reihe der "Denkmäler des Rhe<strong>in</strong>landes", die nun immerh<strong>in</strong> nicht mehr, wie zu Clemens<br />

Zeiten "Kunstdenkmäler" hießen, der Band, der die Industrie- und Montanstadt Duisburg<br />

zum Inhalt hatte. Obwohl der Klappentext davon spricht, daß "nicht nur die eigentlichen<br />

Kunstdenkmäler", sondern auch "wichtige Kulturdenkmäler" berücksichtigt se<strong>in</strong> würden,<br />

f<strong>in</strong>det man mit dem Hebeturm der Ruhrort-Homberger-Trajektanstalt gerade e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges<br />

Technikdenkmal, das zudem kurz darauf abgebrochen werden sollte, <strong>in</strong> der durch die Bau-<br />

ten und Anlagen von Zechen- und Hüttenwerken wie kaum e<strong>in</strong> anderer deutscher Ort ge-<br />

prägten "Stadt Montan". Kurze Zeit später, nämlich 1968, bot aber die aufkommende und<br />

auch <strong>in</strong> die Öffentlichkeit getragene Debatte um den drohenden Abbruch der von Architekt<br />

Bruno Mähr<strong>in</strong>g und Ingenieur Re<strong>in</strong>hold Krohn 1902/1903 realisierten zentralen Masch<strong>in</strong>en-<br />

halle der Schachtanlage Zollern II/IV <strong>in</strong> Dortmund-Böv<strong>in</strong>ghausen zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen e<strong>in</strong>en ersten wirksamen Ansatzpunkt, Bauten und Anlagen der Technik und In-<br />

dustrie <strong>in</strong> die Arbeit der Denkmalpflege h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Dabei war die Denkmalpflege als<br />

Institution reaktiver, nicht der aktive Partner. Daß die Zollern-Halle im Dezember 1969 un-<br />

ter Denkmalschutz gestellt wurde, g<strong>in</strong>g auf die Initiative von Hochschul- und Presseleuten,<br />

aber auch Künstlern und Politikern zurück. Im nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> muß man erkennen, daß der<br />

ausgeprägte Jugendstilcharakter e<strong>in</strong>iger Hallenelemente Auslöser der Proteste gegen den<br />

Abbruch gewesen ist, mehr als die Tatsache, daß es sich hier um e<strong>in</strong>e der ersten Maschi-<br />

nenzentralen und um e<strong>in</strong> sehr frühes Beispiel der Elektroförderung auf Bergbauanlagen<br />

handelte. Immerh<strong>in</strong> war das Thema <strong>Industriedenkmalpflege</strong> damit unwiderruflich <strong>in</strong> der<br />

Welt. In Bonn schloß derweil Roland Günter, Inventarisator beim Landeskonservator Rhe<strong>in</strong>-<br />

land, die Manuskripte für die Kurz<strong>in</strong>ventare der Ruhrgebietsstädte Mülheim und Oberhausen<br />

ab. Im Gegensatz zum Duisburg-Band Egon Verheyens von 1966 waren hier nun durchaus<br />

Zeugnisse der <strong>in</strong>dustriellen Entwicklung beider Städte berücksichtigt. E<strong>in</strong> Jahr später, 1970,<br />

wurde der Architekt und Archäologe Günther Borchers Chef des Bonner Amtes. Das im<br />

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Grundlagentexte auf www.denkmaldebatten.denkmalschutz.de<br />

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aus: Bauten der Industrie und Technik. Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz Bd. 47. Berl<strong>in</strong> 2000, S. 28–38<br />

gleichen Jahr von der Landesregierung Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen verabschiedete "Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen-Programm 1975" bot ihm den Rahmen zur fälligen Revision denkmalpflegerischer<br />

Tätigkeit im hoch<strong>in</strong>dustrialisierten Rhe<strong>in</strong>land: "In Zukunft", so lautet die e<strong>in</strong>schlägige Passa-<br />

ge des Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen-Programms, "wird die Landesregierung verstärkt die Erhaltung<br />

wertvoller Bauwerke sichern, die für die technische und wirtschaftliche Entwicklung des<br />

Landes charakteristisch s<strong>in</strong>d." In der nun folgenden Def<strong>in</strong>ition von Objekten, die damit ge-<br />

me<strong>in</strong>t se<strong>in</strong> sollten, wird entschieden der Schritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zeitgemäße Pflege technisch-<br />

<strong>in</strong>dustrieller Denkmale getan: "Dazu gehören unter anderem Fördertürme, Masch<strong>in</strong>enhallen,<br />

Schleusen und Schachtgebäude". E<strong>in</strong>e Beispielliste macht unmißverständlich deutlich, daß<br />

der Aufgabenbereich der Denkmalpflege endgültig über die W<strong>in</strong>d- und Wassermühlen, Web-<br />

stuben und We<strong>in</strong>torkel h<strong>in</strong>ausgewachsen ist. E<strong>in</strong> Erlaß des Kultusm<strong>in</strong>isteriums setzt die In-<br />

tention des NRW-Programms 1975 um: <strong>Die</strong> Landeskonservatoren sollten die technischen<br />

Denkmale dokumentieren und sichern. 1971 werden die ersten beiden Folgen der damit<br />

vom Rhe<strong>in</strong>ischen Amt neu begründeten Reihe der "Arbeitshefte des Landeskonservators<br />

Rhe<strong>in</strong>land" vorgelegt: "Technische Kulturdenkmäler. Arbeitersiedlungen 1" und "Dokumen-<br />

tation technischer Denkmäler. Denkmäler der Stolberger Mess<strong>in</strong>g<strong>in</strong>dustrie". Zweierlei ist<br />

bemerkenswert. E<strong>in</strong>mal sucht das Denkmalamt mit den "Arbeitsheften" neue, schnellere<br />

und erschw<strong>in</strong>glichere Wege <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e breite Öffentlichkeit, als dies mit den le<strong>in</strong>engebundenen<br />

Kunstdruck-Bänden bisheriger Denkmalpublikationen der Fall war. Zum anderen vollzieht<br />

die Rhe<strong>in</strong>ische Denkmalpflege schon bei der zweiten Veröffentlichung den emanzipativen<br />

und objektivierenden Schritt weg vom Begriff des "technischen Kulturdenkmals", dem doch<br />

allzusehr die Reste des Anerkennungsstrebens der Ingenieure und Techniker der Jahrhun-<br />

dertwende angehaftet hatten. "Technische Denkmäler" war nun der Begriff für viele weitere<br />

Publikationen, bis 1976 zur Vere<strong>in</strong>heitlichung der Term<strong>in</strong>ologie <strong>in</strong> der Publikation "Techni-<br />

sche Denkmale im Rhe<strong>in</strong>land" die "Denkmäler" von den "Denkmalen" (wie es zuvor konse-<br />

quenterweise schon im DDR-Sprachgebrauch gehandhabt wurde) abgelöst wurden. Zur<br />

noch genaueren Def<strong>in</strong>ition des Arbeitsfeldes lautet seit den 1980er Jahren der Begriff<br />

"Denkmale der Technik und Industrie".<br />

Organisatorisch trugen als erste das westfälische und das rhe<strong>in</strong>ische Denkmalamt den neu-<br />

en Anforderungen Rechnung. Ende 1973 wurden <strong>in</strong> Münster, Mitte 1974 <strong>in</strong> Bonn die ersten<br />

beiden Referenten für <strong>Industriedenkmalpflege</strong> e<strong>in</strong>gestellt. <strong>Die</strong> Vorreiterrolle dieses Bundes-<br />

landes blieb seitdem ungebrochen. Im Jahre 1994 arbeiten <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen fünf In-<br />

dustriedenkmalpfleger, <strong>in</strong> allen alten Bundesländern zusammen s<strong>in</strong>d es lediglich sieben, <strong>in</strong><br />

den östlichen Ländern derzeit vier, <strong>in</strong>sgesamt also nur elf ausschließlich mit Aufgaben der<br />

Technik- und <strong>Industriedenkmalpflege</strong> betraute Mitarbeitern. Glücklicherweise bedeutet dies<br />

nicht, daß <strong>in</strong> den übrigen Ländern die Arbeit auf diesem Sektor brachliegt: Inventarisatoren<br />

wie Bezirksreferenten beziehen heute selbstverständlich, wenn auch nicht mit den nötigen<br />

Kapazitäten an Zeit und Mitarbeitern, Technik- und Industriedenkmale <strong>in</strong> ihre Tätigkeit e<strong>in</strong>.<br />

Seit den Tagen des NRW-Programms, der Zollern-II-Debatte und dem 12. Deutschen<br />

Kunsthistorikertag 1970 <strong>in</strong> Köln ist aber klar, daß die künstlerische Bedeutung historischer<br />

Objekte als alle<strong>in</strong>iges Kriterium für die Erhaltung von Bauwerken nicht mehr ausreicht. Zur<br />

Kunstgeschichte und -wissenschaft ist als Referenzlehre die Geschichtswissenschaft allge-<br />

me<strong>in</strong>, für die Industrie- und Technikdenkmale die Technik-, Wirtschafts- und Sozialge-<br />

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schichte im engeren S<strong>in</strong>ne h<strong>in</strong>zugekommen. Selbstverständlich machen oder ermöglichen<br />

Kunstdenkmale sozial-, wirtschafts- oder technikgeschichtliche Aussagen. Ebenso kann<br />

man, wie Ra<strong>in</strong>er Slotta <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er "E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Industriearchäologie" 1982 ausführt,<br />

Industrie- und Technikdenkmalen Informationen zu Kunst-, Gesellschafts- oder Religionsge-<br />

schichte entnehmen. Es ist also mehr der Vorrang der e<strong>in</strong>en oder anderen Bedeutungsebe-<br />

ne, der graduelle Unterschiede <strong>in</strong> der Herangehensweise bewirkt, als daß mit den Industrie-<br />

und Technikdenkmalen nun e<strong>in</strong>e gänzlich neuartige Denkmalgattung vorläge. Gerade dieser<br />

Vorrang aber rechtfertigt den Ruf nach im engeren S<strong>in</strong>ne fachkundigen Referenten für In-<br />

dustriedenkmale <strong>in</strong> den deutschen Denkmalämtern, e<strong>in</strong>e Forderung, die beim Blick <strong>in</strong> die<br />

Denkmalpflegepraxis benachbarter europäischer Länder nur bestätigt wird. So ist <strong>in</strong> Groß-<br />

britannien, dem Land, das e<strong>in</strong>e europäische Vorreiterrolle für <strong>Industriedenkmalpflege</strong> bean-<br />

spruchen kann, die klare Herausbildung spezieller Fachabteilungen schon lange vollzogen, ja<br />

s<strong>in</strong>d sogar fachspezifische Ausbildungsgänge entwickelt worden. Auch Frankreich besitzt –<br />

traditionell zentralistischen Mustern folgend. –<strong>in</strong> Paris e<strong>in</strong>e Fachkörperschaft zur Inventari-<br />

sation technischer und <strong>in</strong>dustrieller Denkmale, die "Cellule du patrimo<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dustriel" beim<br />

"lnventaire Genénéral". E<strong>in</strong> gewisses Äquivalent zu diesen landesweiten Organisationen<br />

stellt die seit 1983 existierende "Arbeitsgruppe <strong>Industriedenkmalpflege</strong>" der "Vere<strong>in</strong>igung<br />

der Landesdenkmalpfleger <strong>in</strong> der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong>" dar, die mit regelmäßig zwei<br />

dreitägigen Treffen im Jahr zum<strong>in</strong>dest versucht, e<strong>in</strong>e gewisse Koord<strong>in</strong>ation und Information<br />

zu Fragen der Behandlung technischer Denkmale bundesweit wirksam werden zu lassen. Zu<br />

den eigentlichen <strong>Industriedenkmalpflege</strong>rn kommen erfreulicherweise aus e<strong>in</strong>er Reihe von<br />

Ämtern bei diesen Tagungen regelmäßig auch Teilnehmer h<strong>in</strong>zu, die nur e<strong>in</strong>en Teil ihrer<br />

Arbeit diesem Sektor widmen können. Optimal bleibt natürlich das Ziel der Etablierung von<br />

Fachleuten <strong>in</strong> jedem Amt, e<strong>in</strong> Ziel, das augenblicklich bedauerlicherweise selbst <strong>in</strong> Bundes-<br />

ländern mit e<strong>in</strong>er geballten Menge technisch-<strong>in</strong>dustrieller Objekte nicht erreichbar sche<strong>in</strong>t.<br />

Von der Konferenz der Kultusm<strong>in</strong>ister – Unterabteilung Museen und Denkmalpflege – für<br />

den Sektor Industriedenkmale <strong>in</strong> den neuen Bundesländern 1991 <strong>in</strong> Aussicht genommene<br />

Initiativen s<strong>in</strong>d ausgeblieben. <strong>Die</strong>s ist angesichts der großen Zahl erst jetzt bekanntwerden-<br />

der Objekte und der riesigen zum Abbruch alter Industriestandorte fließenden Summen im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die technikgeschichtliche Bedeutung von Regionen wie Sachsen, Thür<strong>in</strong>gen,<br />

Berl<strong>in</strong> oder Sachsen-Anhalt schwer h<strong>in</strong>nehmbar. Glücklicherweise gab und gibt es auch<br />

außerhalb der <strong>in</strong>stitutionellen Denkmalpflege e<strong>in</strong>e Reihe von Aktivitäten auf dem Felde der<br />

Erfassung und Erforschung von Industriedenkmalen. Am weitesten zurückreichend und vom<br />

Volumen her bee<strong>in</strong>druckendsten ist die Publikationsreihe des seit 1976 "Deutschen – Berg-<br />

baumuseums Bochum". Etwa gleichzeitig mit der Aufnahme der Arbeit <strong>in</strong> den beiden nord-<br />

rhe<strong>in</strong>-westfälischen Denkmalämtern begann hier – gefördert von der Thyssen-Stiftung –e<strong>in</strong>e<br />

bundesweit angelegte Erfassung von "technischen Denkmälern". 1975 erschien der von Rai-<br />

ner Slotta erarbeitete erste Band e<strong>in</strong>er Querschnitt-Erfassung auf fast sechshundertfünfzig<br />

Seiten, dem 1977 e<strong>in</strong> zweiter für Objekte der Ver- und Entsorgung folgte. Seither hat Slotta<br />

bis 1988 weitere fünf umfängliche Inventare für verschiedene Sparten des Bergbaues vor-<br />

gelegt. Damit ist <strong>in</strong> Bochum, vor allem für den Montanbereich, e<strong>in</strong> beachtlicher Informati-<br />

onsfundus angesammelt, der von den übrigen Abteilungen und Aktivitäten des Museums<br />

ergänzt wird.<br />

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Im Zeitraum seit 1975 ist – teilweise aus den Bestrebungen der <strong>Industriedenkmalpflege</strong><br />

erwachsen – e<strong>in</strong>e größere Zahl von Industrie-, Technik- und Arbeitsmuseen entstanden, so<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Mannheim, Hamburg, Nürnberg und – mit vierzehn geplanten Außenstellen – <strong>in</strong><br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen. Auch hier wird bei aller Unterschiedlichkeit der Ansätze Vor- und Zu-<br />

arbeit zur <strong>Industriedenkmalpflege</strong> geleistet. <strong>Die</strong>s gilt, obwohl sich die Intentionen der Muse-<br />

en nachvollziehbarerweise und auch dann, wenn sie mit ihrem Standort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Industrie-<br />

denkmal angesiedelt s<strong>in</strong>d, deutlich vom Ansatz der <strong>Industriedenkmalpflege</strong> unterscheiden.<br />

Vor allem aber leisten sie mit der Erschließung ihres jeweiligen Umfeldes im S<strong>in</strong>ne von<br />

"Lehrpfaden" oder Führungen zu bestimmten Themen, wichtige Hilfe bei der Bewußtma-<br />

chung der Wichtigkeit des "<strong>in</strong>dustriellen Erbes". Der nicht eng fachbezogene Buchmarkt hat,<br />

zumeist mit Beteiligung von Denkmalpflegern, im Laufe der letzten fünfzehn Jahre Veröf-<br />

fentlichungen zu den Industrie- und Technikdenkmalen e<strong>in</strong>zelner Bundesländer vorgelegt,<br />

so für Bremen und Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz und Berl<strong>in</strong>.<br />

Mittlerweile liegen auch zahlreiche Untersuchungen zum Industriebaubestand e<strong>in</strong>zelner<br />

Städte vor, so unter anderem Volker Rödels ausgezeichnete zwei Bände "Ingenieurbaukunst<br />

<strong>in</strong> Frankfurt a. M. 1806-1914" (1983) und "Fabrikarchitektur <strong>in</strong> Frankfurt a. M. 1774-1924"<br />

(1984). Von den Denkmalämtern selbst s<strong>in</strong>d Monographien zu Fabrik- und Verkehrsbauten,<br />

so <strong>in</strong> Hamburg und Berl<strong>in</strong>, veröffentlicht worden, denen dr<strong>in</strong>glich e<strong>in</strong>e Fortsetzung zu wün-<br />

schen ist, z. B. für den Ostteil Berl<strong>in</strong>s. Nachdem auch <strong>in</strong> den 1980er Jahren die allgeme<strong>in</strong>en<br />

Kunstdenkmälerführer wie Dehio und Reclam <strong>in</strong> ihren Neuauflagen zögerlich Industriebau-<br />

ten berücksichtigten, liegt mittlerweile der erste monographische Führer "Zu Denkmalen der<br />

Industrie und Technik" (1992) vor. Im selben Jahr erschien auch <strong>in</strong> Oxford das erste welt-<br />

weite Handbuch zu Industriebauten und Anlagen: "Blackwell's Encyclopaedia of Industrial<br />

Archaeology".<br />

<strong>Die</strong>s beg<strong>in</strong>nt die Arbeit der <strong>Industriedenkmalpflege</strong> merklich zu erleichtern, da mit zuneh-<br />

mender Tendenz solcher Publikationen Vergleichsmaterial zur Verfügung steht. <strong>Die</strong>s kann<br />

für die oft schwierige Frage der Bewertung und E<strong>in</strong>ordnung mit Blick auf den gegebenenfalls<br />

auch vor Gericht zu vertretenden Denkmalwert <strong>in</strong>dustriehistorischer Objekte herangezogen<br />

werden. Von daher ist auch die Kenntnis möglichst vieler analoger Beispiele wichtig, auch<br />

wenn sie im E<strong>in</strong>zelfall auch e<strong>in</strong>mal zur Relativierung der Bedeutung e<strong>in</strong>es Objektes führt.<br />

E<strong>in</strong>e große Hilfe ist auch die mittlerweile durchweg gestiegene Akzeptanz technikhistorischer<br />

Bauten und Anlagen mit Blick auf ihre E<strong>in</strong>beziehung <strong>in</strong> neue Nutzungen. <strong>Die</strong> aufgrund der<br />

Anstrengungen vieler Beteiligter schwächer werdende Aversion gegen Zeugnisse histori-<br />

scher Arbeitswelt mit ihren vielfältigen Assoziationen von Schmutz, engen Verhältnissen und<br />

sozialer M<strong>in</strong>derwertigkeit ist zuweilen schon fast <strong>in</strong> das Gegenteil der modisch gefärbten<br />

Schickheit des Aufenthaltes <strong>in</strong> ehemals der Arbeitswelt vorbehaltenen Zonen umgeschlagen.<br />

Von New Yorker Lofts über Londoner Hafenbezirke bis zu Renommierkneipen im Fabrikam-<br />

biente gehen Aneignungsprozesse vor sich, die aus der Sicht des Denkmalpflegers mehr<br />

Verluste als Gew<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> sich bergen können. Wichtiger aber ist der Bruch mit dem generel-<br />

len Vorurteil, <strong>in</strong>dustriehistorische Anlagen seien zu unästhetisch, unwichtig oder un<strong>in</strong>teres-<br />

sant, um sich mit ihnen zu beschäftigen, e<strong>in</strong> Vorurteil, das durchaus auch <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Denkmalpflegezunft Anhänger fand. Unternehmungen wie die 1989 begonnene "Internatio-<br />

nale Bauausstellung Emscher Park", die 1994 erste Zwischenbilanz zieht, haben gezeigt,<br />

daß die schwerpunktmäßige E<strong>in</strong>beziehung von Industriedenkmalen <strong>in</strong> Stadt- und regional-<br />

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planerische Prozesse heute Zustimmung und Handlungsgrundlage für alle Beteiligten ist.<br />

Vor fünfundzwanzig, ja noch vor fünfzehn Jahren wäre dies undenkbar gewesen. Industrie-<br />

denkmalpflege <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ist als Ergebnis der Entwicklung e<strong>in</strong>es Vierteljahrhunderts<br />

selbstverständlicher Bestandteil im Umgang mit Geschichte geworden.<br />

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors<br />

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