Lesung Heinz Strunk Das Elend der Anderen Jan Langehein einen Namen wie Heinz Strunk denkt sich, sollte man meinen, niemand freiwillig aus – schon gar niemand, der sich in der hippen Hamburger Pop- und Kulturszene mit Leuten herumtreibt, die auf Edel-Pseudonyme wie Jacques Palminger oder Rocko Schamoni hören. Und doch heißt auch Heinz Strunk in Wirklichkeit gar nicht so, sondern Mathias Halfpape, und hat sich den Namen, unter dem er später berühmt werden sollte, Anfang der 90er Jahre für eine Ansage auf einem Ärzte-Album ausgesucht. Zu dieser Zeit war Strunk bereits ein Jahrzehnt lang mit einer Tanzkapelle über Volksfeste und Dorfhochzeiten in der norddeutschen Provinz getourt. Weitere zehn Jahre später verarbeitete er diese Zeit in dem Roman »Fleisch ist mein Gemüse« und schaffte seinen Durchbruch als Autor. Mit den Juxanruf-Aktionen von Studio Braun hatte sich Strunk einen Namen bei der spaßaffinen Großstadtjugend gemacht; seine Arbeit als Autor entdeckte nun auch das gehobene Feuilleton. Während erstere vor allem die brüllende Komik der strunkschen Texte mag, hebt letzteres sein Talent hervor, mit den Mitteln des Humors die Tragik freizulegen, die unter dem Alltag verborgen liegt. Die Ergebnisse sind 4 literarisches zentrum göttingen das neue programm ab 9. februar überall in der stadt arno geiger | karen duve | bascha mika | silke scheuermann | péter nádas & richard swartz | john patrick | abbas khider & alawiyya sobh | rafael horzon u.v.m. düstere straße 20 37073 göttingen tel. +49 551 4956823 info@lit-zentrum-goe.de www.literarisches-zentrum-goettingen.de dabei nicht <strong>im</strong>mer herausragend: Den Kurzroman »Fleckenteufel« von 2009 etwa kann man durchaus als lustlos runtergerotzte Pubertätsklamotte lesen, ohne den beschriebenen Unfällen mit Körperflüssigkeiten eine besondere literarische Qualität be<strong>im</strong>essen zu müssen. In seinem neuesten Werk reist »Heinz Strunk in Afrika« umher, und beobachtet dort weniger den fremden Kontinent als sich selbst – er kämpft mit Alkohol, mit Sex und mit der Frage, wie man angesichts übervoller Hotelbuffets sein Gewicht halten kann. Das ist die inzwischen bekannte humoristische Beschreibung des eigenen Elends, mit der Strunk seinen Lesern den Spiegel vorhält. Doch dann, als man schon ganz eingelullt ist, knallt plötzlich ein Stück Realität in die Handlung – ein Bürgerkrieg in Kenia; das Elend der Anderen. Und das kannte man von Heinz Strunk so bislang noch nicht. Heinz Strunk liest am 7.2. um 20:00 Uhr <strong>im</strong> Jungen Theater aus seinem neuen Buch »Heinz Strunk in Afrika« (Rowohlt Polaris 2011, 272 Seiten, 13,95 EUR). Literaturgeschichte Howl & The Beats Die Freiheit der Kunst Michael Saager VieLLeicht ist was dran an der These des Beat-Literatur- Experten Frank Schäfer. »Immer wenn der an der wirtschaftlichen Konjunkturkurve angedockte Zeitgeist einmal mehr ganz unten ist und sich die große Frage stellt, wo das noch alles hingehen soll, dann erinnert man sich gern an die Beats und ihre Posen«, schreibt er in der »Zeit«. Aber geht’s denn nicht gerade wieder aufwärts? Glücklicherweise müssen wir das hier nicht vertiefen, so wenig wie wir der Frage nachgehen können, ob die Beat Generation, dieser drogenverseuchte, sexbesessene, schießwütige Haufen von unkonformistischen Schriftstellern und entwurzelten Dichtern mit großer Vorliebe fürs Kaputte, ob also diese durchaus exper<strong>im</strong>entierfreudige Riege von Sprachkünstlern mehr als eine Handvoll Werke geschaffen hat, derer es sich zu erinnern lohnt. Konjunktur haben die Beats jedenfalls: Gleich zwei kanonische Werke, William S. Burroughs’ »Naked Lunch« und Jack Kerouacs »On the Road«, sind kürzlich in neuer Übersetzung erschienen. Dann gibt es da »The Beats«, eine Graphic Novel der Geschichte der Beat-Literatur, herausgegeben von Harvey Pekar (»American Splendor«) und Paul Buhle. Möglicherweise fehlt den holzschnittartigen Schwarzweiß-Panels ein wenig Schwung, aber da das Werk in erster Linie eine liebevolle Einführung ins Thema sein will und keine rasante Comicgeschichte, ist das nicht so wichtig. Während sich »The Beats« literaturhistorisch relevanten Personendaten und Lebensepisoden Kerouacs, Burroughs’ oder Allen Ginsbergs widmet, kapriziert sich »Howl«, der Doku-Spielfilm von Rob Epstein und Jeffrey Friedman, ganz auf »Howl« aus dem Jahr 1957 – auf das legendäre Gedicht des damals 30jährigen Allen Ginsberg. In Rückblicken wird erzählt und mit Hilfe von An<strong>im</strong>ationen. Das Gedicht und sein Dichter als Fall für die Justiz: Die staatlichen Tugendwächter mochten die Outing-Passagen darin gar nicht leiden; den schwulen Urheber und Sohn einer jüdischen Kommunistin natürlich auch nicht. Erstaunlicherweise siegte am Ende die Freiheit der Kunst. »The Beats: Die Geschichte der Beat-Literatur« (Walde + Graf 2010, 208 Seiten, 22,95 EUR) / »Howl«; Regie: Rob Epstein, Jeffrey Friedman; mit James Franco; USA 2010; 90 Minuten; ab 25.2. <strong>im</strong> Kino Lumière Kleine Texte 5