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Hans Weiss, ehem. Geschäftsleiter SL und FLS, Bern - Fonds ...

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20 Jahre <strong>Fonds</strong> Landschaft Schweiz <strong>FLS</strong> / 20 ans de <strong>Fonds</strong> Suisse pour le Paysage FSP<br />

„Blitzlichter“ / "Visions éclairs"<br />

<strong>Hans</strong> <strong>Weiss</strong>, <strong>ehem</strong>. <strong>Geschäftsleiter</strong> <strong>SL</strong> <strong>und</strong> <strong>FLS</strong>, <strong>Bern</strong>:<br />

Kulturlandschaft 2030:<br />

Ware Landschaft oder Wahre Landschaft?<br />

Die Landschaft hat es schwer. Wie kein anderes Umweltgut hat sie einen sehr hohen<br />

<strong>und</strong> letzten Endes unbezahlbaren Wert. Aber sie hat keinen Preis. Für das<br />

Trinkwasser, die Luftqualität oder ges<strong>und</strong>e Nahrungsmittel zahlen wir mit der<br />

grössten Selbstverständlichkeit. Auch für die Energie zahlen wir, es ist zwar zu<br />

wenig, aber es käme niemandem in den Sinn, die Energie solle nichts kosten. Die<br />

Landschaft dagegen konsumieren wir zum Nulltarif.<br />

Nun hat die Landschaft natürlich sehr wohl einen Preis! Nur erscheint er auf keinem<br />

Preisschild eines Konsumartikels <strong>und</strong> in keiner Kostenrechnung eines<br />

Unternehmens. Den Preis der Landschaft zahlen wir in der Form der fortschreitenden<br />

Schmälerung, Zerstückelung, Zerschneidung, Zersiedelung, Versiegelung,<br />

Begradigung, Normierung, kurz: mit dem Ersatz gewachsener Landschaften durch<br />

künstliche oder scheinnatürliche Triviallandschaften. Zwar gibt es auch Massnahmen<br />

zur Erhaltung oder zur ansatzweisen Wiederherstellung der Landschaft, aber es sind<br />

aufs Ganze gesehen immer noch bloss Tropfen auf einen heissen Stein. Auf dem<br />

Markt sind diese Leistungen überhaupt nicht oder sehr stark unterbewertet. Der<br />

Widerspruch zwischen Anspruch <strong>und</strong> effektivem Verhalten spiegelt sich auch in der<br />

Werbung. Im öffentlichen Raum <strong>und</strong> virtuell auf den Bildschirmen ist die Landschaft<br />

mit immer schöneren Bildern omnipräsent - in der Wirklichkeit fristet sie ein<br />

Aschenbrödeldasein <strong>und</strong> ist weltweit einem schnellen Zerfallsprozess ausgesetzt.<br />

Ich sage hier nichts Neues. Die Wiederholung ist nur gerechtfertigt durch die bisher<br />

unbeantwortete Frage: Wie kommt es denn zu diesem rational kaum erklärbaren<br />

Paradoxon: Volkswirtschaftlich gehört die Landschaft neben Bildung, Produktivität<br />

<strong>und</strong> politischer Stabilität zu den höchsten, ja unverzichtbaren Gütern unseres<br />

Landes. Im wirtschaftlichen <strong>und</strong> politischen Leben hat sie aber einen völlig<br />

marginalen Stellenwert.<br />

Woher also der Widerspruch? Für ungezählte Generationen vor uns war die<br />

Landschaft das selbstverständliche Nebenprodukt ihrer Arbeit mit der Natur. (Das gilt<br />

selbst für die Wildnis <strong>und</strong> die Hochalpen, denn auch diese sind in ihrer<br />

Wahrnehmung kulturelles Produkt.)<br />

Die Landschaft gehört zu den wichtigsten „Ökosystemleistungen“ überhaupt. Aber<br />

das Wissen, dass sie durch eine intensive <strong>und</strong> den jeweiligen Naturräumen lokal <strong>und</strong><br />

regional angepasste Arbeit des Menschen geschaffen wurde <strong>und</strong> nur so – wenn auch<br />

mit gewandelten Arbeitsformen- erhalten werden kann, dieses Wissen ist unserer


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Gesellschaft innerhalb von bloss einer Generation fast restlos abhandengekommen.<br />

Es war kein bloss intellektuelles Wissen, sondern ein über Generationen erworbenes<br />

<strong>und</strong> tradiertes Erfahrungswissen.<br />

Ich will aber der Frage nicht ausweichen, wie denn die Landschaft in 20 Jahren <strong>und</strong><br />

hoffentlich auch darnach aussehen sollte. Ich kann es mir dabei einfach machen. Ich<br />

verweise auf die schon sehr vielen sicht- <strong>und</strong> greifbaren Beispiele, wo mit Hilfe des<br />

<strong>FLS</strong> Flecken <strong>und</strong> grössere Gebiete modellartig gerettet, regeneriert oder aufgewertet<br />

wurden. Die Rolle des <strong>FLS</strong> <strong>und</strong> der privaten - auch der lokalen! - Organisationen, die<br />

sich für Landschafts- <strong>und</strong> Naturschutz einsetzen, sehe ich als eine Übergangslösung.<br />

Sie helfen Natur- <strong>und</strong> Kulturwerte in eine Zeit hinüberzuretten, für welche die schöne<br />

Landschaft nicht mehr eine verbrauchbare Ware <strong>und</strong> auch nicht bloss eine Kulisse<br />

für Fun <strong>und</strong> die Vertreibung von Langeweile ist. Der <strong>FLS</strong> hat gleichsam die Funktion<br />

einer Arche Noah. Sie soll solange auf dem Ozean einer nur verbrauchenden<br />

Gesellschaft schwimmen, bis die Landschaft wieder das Ergebnis eines<br />

haushälterischen Umgangs mit unseren unvermehrbaren natürlichen<br />

Lebensgr<strong>und</strong>lagen geworden ist.<br />

Zu glauben, dass dieses Ziel ohne tiefgreifende Änderungen unseres auf Wachstum<br />

<strong>und</strong> Verbrauch ausgerichteten Wirtschaftssystems erreichbar ist, halte ich für eine<br />

Illusion. Und das wiederum ist nicht ohne einen ebenso tiefgreifenden<br />

Mentalitätswandel möglich. Es braucht mit anderen Worten nicht so sehr neue<br />

Gesetzte, neue Konzepte <strong>und</strong> neue Strategien. Was haben wir nicht schon alles an<br />

Konzepten, zu Umwelt, Energie, Verkehr, Raumentwicklung <strong>und</strong> Landschaft erstellt!<br />

Die Berge von B<strong>und</strong>esordnern, Broschüren <strong>und</strong> CDs haben bis jetzt nicht mehr als<br />

eine Maus geboren. Im Gr<strong>und</strong> wissen wir es alle sehr gut: Solange eine<br />

Anspruchshaltung vorherrscht, wonach fast alles zu jeder Zeit verfügbar <strong>und</strong> fast<br />

jeder Ort schnell <strong>und</strong> bequem erreichbar sein muss, ist die Rettung der Landschaft<br />

ein verlorenes Rennen. Denn in der Landschaft findet schlussendlich diese<br />

Anspruchshaltung ihren getreuen Niederschlag. Es geht also darum, nicht nur<br />

umzudenken, sondern auch um-zu handeln. Das hat schon der römischen<br />

Philosophen Seneca erkannt <strong>und</strong> mit einem Spruch festgehalten, der, genau<br />

bedacht, nicht entmutigend sondern ermutigend ist: „Nicht weil die Dinge so schwer<br />

sind, packen wir sie nicht an, sondern sie sind nur deshalb so schwer, weil wir sie<br />

nicht anpacken.“<br />

<strong>Hans</strong> <strong>Weiss</strong>, Dipl. Ing. ETH, war <strong>Geschäftsleiter</strong> der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz <strong>SL</strong> (1970 – 1991) <strong>und</strong> anschliessend<br />

des <strong>Fonds</strong> Landschaft Schweiz <strong>FLS</strong>. Heute freiberuflich tätig.<br />

Adresse: Gesellschaftsstrasse 14 A, CH - 3012 <strong>Bern</strong>, E-Mail: hweiss@bluewin.ch

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