Segmentberichterstattung von Stromverteilnetzbetreibern - unter ...
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<strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> -<br />
<strong>unter</strong> besonderer Berücksichtigung des buchhalterischen Unbundling<br />
im Rahmen der Schweizer Strommarktliberalisierung<br />
DISSERTATION<br />
der Universität St. Gallen,<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erlangung der Würde eines<br />
Doktors der Wirtschaftswissenschaften<br />
vorgelegt <strong>von</strong><br />
Markus Flatt<br />
<strong>von</strong><br />
Thalwil (Zürich)<br />
Genehmigt auf Antrag <strong>von</strong><br />
Herrn Prof. Dr. Thomas Berndt<br />
und<br />
Frau Prof. Dr. Anne d'Arcy<br />
Dissertation Nr. 3766<br />
Gutenberg Druck 2010
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissen-<br />
schaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne<br />
damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.<br />
St. Gallen, den 17. Mai 2010<br />
Der Rektor:<br />
Prof. Ernst Mohr, PhD
I Vorwort<br />
Vorwort<br />
Eine erfolgreiche Liberalisierung bedingt in Netzwerkindustrien eine effektive Regulierung<br />
des natürlichen Infrastrukturmonopols. Nur so kann sichergestellt werden, dass<br />
sich in den liberalisierten Bereichen effiziente Marktpreise bilden und die Monopolstellung<br />
nicht missbräuchlich ausgenutzt wird. Die somit notwendige Entflechtung <strong>von</strong><br />
Netz und übrigen Tätigkeiten lässt sich leicht beschreiben und gesetzlich verankern.<br />
Deren effektive Umsetzung in einer bestehenden Marktstruktur mit zahlreichen vertikal<br />
und horizontal integrierten Unternehmen <strong>unter</strong>schiedlichster Struktur ist jedoch in<br />
der Realität eine herausfordernde Aufgabe. Auch die Einführung eines kostenbasierten<br />
Regulationsmodells ist rein betriebswirtschaftlich problemlos. Aber auch ein einfaches<br />
Modell ist nicht davor gefeit, bei dessen erstmaligen Anwendung zu Unklarheiten Anlass<br />
zu geben und zu teilweise massiven Änderungen in den Preisstrukturen zu führen.<br />
Die Schweizer Strommarktliberalisierung hat diese Differenz zwischen theoretischer<br />
Vorgabe und praktischer Umsetzung deutlich gezeigt. Viele Fragen zur geltenden Gesetzgebung<br />
sind bis heute offen, die Rechtsunsicherheit erheblich. Eine Praxis etabliert<br />
sich erst langsam, nicht zuletzt auch weil wesentliche Grundsatzentscheide <strong>von</strong> Bundesrat<br />
und Regulationsbehörde umstritten sind.<br />
Wie lässt sich diese Situation verbessern? Aus meiner Sicht braucht es dazu drei zentrale<br />
Elemente: Transparenz, Vertrauen und Zeit. Transparenz im Monopolbereich zur<br />
Klärung vieler offener Fragen, zur Verhinderung <strong>von</strong> Missbräuchen und zur Beseitigung<br />
des Generalverdachts der Abzockerei. Vertrauen in die Arbeit der Netzbetreiber<br />
als öffentliche Unternehmen und in die Arbeit der Regulationsbehörde ElCom. Und<br />
letztlich Zeit zur Schaffung <strong>von</strong> Transparenz und Vertrauen. Die Etablierung fairer und<br />
betriebswirtschaftlich angemessener Spielregeln für alle Netzbetreiber braucht gerade<br />
im wohl am stärksten fragmentierten Strommarkt der Welt seine Zeit. Mit neuen Regulationsmodellen<br />
sollte vor diesem Hintergrund zurückhaltend umgegangen werden und<br />
primär die Umsetzung der bestehenden Pflichten konkretisiert werden.<br />
Dazu will die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten. Die öffentliche <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> ist ein aus meiner Sicht zentrales Element<br />
zur Schaffung <strong>von</strong> Transparenz über den Monopolbereich Verteilnetz. Die offen<br />
gehaltene gesetzliche Vorgabe gab mir die Chance, diese Thematik in ihrer Tiefe zu<br />
erfassen und konkrete Gestaltungsempfehlungen für die betroffenen Netzbetreiber,
Vorwort II<br />
aber auch für die in den Gesetzgebungsprozess involvierten Akteure zu erarbeiten. Vor<br />
diesem Hintergrund bin ich gespannt, wie die Diskussionen um die Offenlegungspflichten<br />
<strong>von</strong> Netzbetreibern <strong>unter</strong> geltendem Recht und im Zuge der anstehenden Gesetzesrevision<br />
weiter verlaufen werden. Es würde mich freuen, wenn meine Arbeit dieser<br />
Diskussion als sachliche Grundlage dienen kann.<br />
Rückblickend war die Erarbeitung dieser Dissertation bereichernd für mich als Berater,<br />
für mich als Wissenschaftler, aber insbesondere auch für mich als Person. Ohne die<br />
Unterstützung <strong>von</strong> meinem Umfeld wäre diese Leistung nicht möglich gewesen. Gerne<br />
möchte ich daher an dieser Stelle allen Personen danken, welche mich in den letzten<br />
drei Jahren auf diesem Weg begleitet haben.<br />
Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Thomas Berndt. Er hat mir den nötigen Freiraum<br />
für die Erarbeitung dieses sehr spezifischen Themas gelassen, dessen Praxisorientierung<br />
<strong>unter</strong>stützt und mir gleichzeitig die Richtung zum Ziel immer wieder aufgezeigt.<br />
Frau Prof. Dr. Anne d'Arcy möchte ich für ihre wertvollen Beiträge als Koreferentin<br />
danken. Mit ihren Inputs zur Methodik, zum Fachlichen sowie ihrer stetigen Forderung<br />
zur Konzentration hat sie meine Dissertation massgeblich mitgeprägt.<br />
Danken möchte ich allen Interviewpartnern und allen Vertretern <strong>von</strong> Verteilnetzbetreibern,<br />
welche sich die Zeit für mein Anliegen genommen haben. Sie haben mir mit ihrer<br />
Bereitschaft eine empirische Herangehensweise ermöglicht. Für die Förderung<br />
meiner Weiterbildung und die grosszügige Unterstützung meiner Auszeit möchte ich<br />
meinem ehemaligen Arbeitgeber, der BDO AG, und meinem Team in Solothurn ganz<br />
herzlich danken. Speziell danke ich Herrn Dr. Reto Flury, Herrn Jörg Zimmermann<br />
und Herrn Beat Sterchi für die zahlreichen Diskussionen, die aufwendigen Reviews<br />
und die wertvollen Inputs aus fachlicher und praktischer Sicht.<br />
Mein grösster Dank gilt meiner Familie. Meiner Frau Astrid danke ich <strong>von</strong> Herzen für<br />
ihre Unterstützung, ihr Verständnis und ihre Liebe. Mit unserer Tochter Sarina hat sie<br />
mir zum Abschluss dieser Dissertation das schönste Geschenk meines Lebens bereitet.<br />
Ich danke meinen Eltern, welche mich seit jeher bedingungslos <strong>unter</strong>stützt und gefördert<br />
haben. Sie tragen grossen Anteil daran, dass ich heute auf eine erfolgreiche Ausbildung<br />
zurückblicken darf. Leider durfte meine Mutter den Abschluss meiner Dissertation<br />
nicht mehr erleben. Meinen Eltern widme ich dieses Buch.<br />
Solothurn, 23. Juli 2010 Markus Flatt
III Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort I<br />
Inhaltsverzeichnis III<br />
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis VII<br />
Abkürzungsverzeichnis XIII<br />
Abstract XVI<br />
1 Einleitung 1<br />
1.1 Ausgangslage und Problemstellung 1<br />
1.2 Zielsetzung der Arbeit und übergreifende Forschungsfrage 7<br />
1.3 Abgrenzungen und Begriffsdefinitionen 8<br />
1.3.1 Wertschöpfungsstufe 8<br />
1.3.2 Geographischer Fokus 9<br />
1.3.3 Finanzielle Berichterstattung 10<br />
1.3.4 Rechnungswesen 10<br />
1.3.5 Ausgewählte Anspruchsgruppen 11<br />
1.4 Methodik 12<br />
1.5 Aufbau der Arbeit 13<br />
2 Grundlagen 15<br />
2.1 Struktur der Schweizer Stromverteilung 15<br />
2.2 Unbundling <strong>von</strong> integrierten EVU 17<br />
2.2.1 Ökonomische Begründung des Unbundling 17<br />
2.2.2 Formen des Unbundling 19<br />
2.2.3 Unbundling vs. Integration 22<br />
2.2.4 Informatorisches Unbundling und Tarifregulation 24<br />
2.3 Rechnungslegung <strong>von</strong> Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> 27<br />
2.3.1 Privatrechtliche Rechnungslegungsvorschriften 30<br />
2.3.2 Öffentlich-rechtliche Rechnungslegungsvorschriften 39<br />
2.3.3 Branchenspezifische Vorgaben zur Rechnungslegung 45<br />
2.4 Kapitalmarktorientierte <strong>Segmentberichterstattung</strong> 47<br />
2.4.1 Relevanz der <strong>Segmentberichterstattung</strong> 47<br />
2.4.2 <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS 8 50<br />
2.4.3 Nutzen und Kosten der <strong>Segmentberichterstattung</strong> 53<br />
2.4.4 Bedeutung für Schweizer Stromverteilnetzbetreiber 55
Inhaltsverzeichnis IV<br />
3 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 57<br />
3.1 Ziel und Entwicklung der Vorgaben zur Segmentrechnung Netz 57<br />
3.2 Vorgaben zur Segmentrechnung Netz in StromVG und StromVV 61<br />
3.2.1 Buchhalterisches Unbundling 61<br />
3.2.2 Bewertung 61<br />
3.2.3 Offenlegung 62<br />
3.3 Vergleichbare Vorgaben in der EU 63<br />
3.3.1 Richtlinien 96/92/EG und 2003/54/EG 63<br />
3.3.2 Umsetzung <strong>von</strong> Art. 19 der Richtlinie 2003/54/EG in Deutschland 67<br />
3.3.3 Umsetzung <strong>von</strong> Art. 19 der Richtlinie 2003/54/EG in Österreich 70<br />
3.4 Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe 72<br />
3.4.1 Art. 10 StromVG 73<br />
3.4.2 Art. 11 StromVG 78<br />
3.5 Ableitung der Grundsätze ordnungsmässiger <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
(GoS) nach StromVG 86<br />
3.6 Vergleich mit der <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS 8 91<br />
3.7 Zwischenfazit und Positionierung aus rechtlicher Sicht 94<br />
4 Theoretische Konzepte zur Umsetzung 96<br />
4.1 Buchhalterisches Unbundling 96<br />
4.1.1 Segmentkonzeption 97<br />
4.1.2 Segmentbildung 99<br />
4.1.3 Finanzbuchhalterische Segmentierung 105<br />
4.1.4 Betriebsbuchhalterische Segmentierung 109<br />
4.1.5 Statistische Segmentierung 117<br />
4.1.6 Erstsegmentierung der Bilanz 122<br />
4.1.7 Segmentierung der Erfolgsrechnung 134<br />
4.1.8 Folgesegmentierung der Bilanz 146<br />
4.2 Bewertung 151<br />
4.2.1 Kalkulatorische und buchmässige Bewertung 153<br />
4.2.2 Bewertung der Netzanlagen 155<br />
4.2.3 Bewertung <strong>von</strong> Eigenleistungen 171<br />
4.2.4 Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 173
V Inhaltsverzeichnis<br />
4.3 Offenlegung 177<br />
4.3.1 Aussagekraft der Segmentausweise 179<br />
4.3.2 Gliederung 181<br />
4.3.3 Publikationsform 188<br />
4.4 Zwischenfazit und Positionierung aus konzeptioneller Sicht 189<br />
5 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen 192<br />
5.1 Methodik 192<br />
5.1.1 Datenerhebung 192<br />
5.1.2 Datenauswertung 194<br />
5.2 Inhaltszusammenfassung 195<br />
5.2.1 Vor- und Nachteile der Strommarktliberalisierung 195<br />
5.2.2 Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit des buchhalterischen Unbundling 197<br />
5.2.3 Ziel und Nutzen der Segmentrechnung Netz 198<br />
5.2.4 Ausgestaltung der Segmentrechnung Netz 200<br />
5.2.5 Vereinheitlichungsbedarf der Rechnungslegung 202<br />
5.2.6 Entwicklung <strong>von</strong> Regulation und Marktstruktur 203<br />
5.3 Zwischenfazit und Positionierung aufgrund der Expertengespräche 205<br />
6 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 207<br />
6.1 Methodik 207<br />
6.1.1 Datenerhebung 207<br />
6.1.2 Datenauswertung 208<br />
6.1.3 Rücklaufstatistik und Stichprobenumfang 210<br />
6.2 Strukturmerkmale 212<br />
6.2.1 Rechtsformen 212<br />
6.2.2 Eigentümerstruktur 213<br />
6.2.3 Grössenstruktur 214<br />
6.2.4 Wertschöpfungsstruktur 223<br />
6.3 Buchhalterisches Unbundling 226<br />
6.3.1 Umgesetzte Formen des Unbundling 226<br />
6.3.2 Zukünftige Unbundling-Massnahmen 228<br />
6.3.3 Umsetzung des buchhalterischen Unbundling 229<br />
6.4 Bewertung 235<br />
6.4.1 Rechnungslegungsvorschriften 235<br />
6.4.2 Bewertungsdifferenzen 239<br />
6.4.3 Wertbasis für Segmentrechnung Netz 244
Inhaltsverzeichnis VI<br />
6.5 Offenlegung 246<br />
6.5.1 Bestandteile der Segmentrechnung Netz 246<br />
6.5.2 Gliederung der Segmentrechnung Netz 248<br />
6.5.3 Publikationsform 252<br />
6.5.4 Prüfung der Segmentrechnung Netz 255<br />
6.5.5 Veröffentlichung 256<br />
6.6 Zwischenfazit und Positionierung gemäss der Befragung <strong>von</strong><br />
<strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> 259<br />
7 Gestaltungsempfehlungen 262<br />
7.1 Grundsatz: Segment- statt Jahresrechnung 262<br />
7.2 Buchhalterisches Unbundling 265<br />
7.2.1 Organisatorische Abbildung der Segmentierung 265<br />
7.2.2 Konsistente Datengrundlage der Kosten- und Segmentrechnung 268<br />
7.3 Bewertung 271<br />
7.3.1 Aussagekräftige Rechnungslegung 271<br />
7.3.2 Ausweis kalkulatorischer Werte 273<br />
7.4 Offenlegung 275<br />
7.4.1 <strong>Segmentberichterstattung</strong> als Teil der Finanzberichterstattung 275<br />
7.4.2 Ausweis relevanter Positionen zum Netz 277<br />
7.4.3 Erläuterung und Überleitung der Segmentrechnung 281<br />
7.4.4 Prüfung der <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach Art. 11 StromVG 283<br />
7.5 Empfehlungen zu einer Gesetzesänderung 287<br />
7.6 Empfehlungen zur Umsetzung 288<br />
7.6.1 Umsetzungsbeispiel: EW Muster AG 288<br />
7.6.2 Umsetzung in Kleinstbetrieben 291<br />
7.6.3 Umsetzung in öffentlich-rechtlichen Betrieben 292<br />
7.7 Schlussfolgerungen 294<br />
7.7.1 Ergebnisse der Arbeit 294<br />
7.7.2 Zielerreichung der Arbeit 296<br />
7.7.3 Offene Fragen und weitere Entwicklung 298<br />
8 Thesenförmige Zusammenfassung 299<br />
Anhang 302<br />
Quellenverzeichnis 320
VII Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />
Abbildungen<br />
Abbildung 1-1: Wertschöpfungskette Stromgeschäft ................................................ 9<br />
Abbildung 1-2: Aufbau der Arbeit – Konzeptinhalte .............................................. 13<br />
Abbildung 1-3: Aufbau und Gliederung der Arbeit ................................................. 14<br />
Abbildung 2-1: Unbundling der Netzebenen im Sektor Strom ............................... 18<br />
Abbildung 2-2: Komponenten des Elektrizitätstarifs .............................................. 26<br />
Abbildung 2-3: Öffentlich- und privatrechtliche Schweizer<br />
Stromverteilnetzbetreiber ............................................................... 27<br />
Abbildung 2-4: Übersicht Rechnungslegungsstandards .......................................... 29<br />
Abbildung 2-5: Rechtsformen und Rechnungslegungsstandards der<br />
ausgewählten grossen Verteilnetzbetreiber (n=20) ........................ 38<br />
Abbildung 2-6: Wesentliche Einflussfaktoren auf die<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>von</strong> EVU ............................................... 56<br />
Abbildung 3-1: Positionierung der Segmentrechnung Netz aus rechtlicher<br />
Sicht ................................................................................................ 95<br />
Abbildung 4-1: Mögliche Segmentierung nach dem Shared-Service-Ansatz ....... 100<br />
Abbildung 4-2: Interne Werteflüsse beim Vertriebsunbundling nach dem<br />
All-in-Modell ............................................................................... 102<br />
Abbildung 4-3: Interne Werteflüsse beim Vertriebsunbundling nach dem<br />
Shared-Service-Ansatz ................................................................. 102<br />
Abbildung 4-4: Werteflüsse beim vollständigen Vertriebsunbundling .................. 102<br />
Abbildung 4-5: Mögliche Segmentierung kleiner EVU ohne eigenständige<br />
Vertriebsfunktion .......................................................................... 103<br />
Abbildung 4-6: Mögliche Segmentierung nach Sparten bei<br />
unselbstständigen Gemeindewerken ............................................ 104<br />
Abbildung 4-7: Funktionsweise getrennter Rechnungskreise ............................... 106<br />
Abbildung 4-8: Funktionsweise der getrennten Kontenführung ........................... 107
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis VIII<br />
Abbildung 4-9: Funktionsweise Zusatzkontierung ................................................ 108<br />
Abbildung 4-10: Kostenrechnungsschema des VSE (KRSV) ................................. 112<br />
Abbildung 4-11: Ableitung der Segmenterfolgsrechnung <strong>von</strong> der<br />
Kostenrechnung ............................................................................ 114<br />
Abbildung 4-12: Primärdatenaufteilung intersegmentärer Verrechnungen<br />
(IV) ............................................................................................... 115<br />
Abbildung 4-13: Beispiel für das Verfahren der Restschlüsselverteilung ............... 132<br />
Abbildung 4-14: Schematische Aufwands- und Ertragshierarchie .......................... 134<br />
Abbildung 4-15: Beispiel der Fortschreibung des Sachanlagevermögens .............. 147<br />
Abbildung 4-16: Beispiel des Finanzierungsnachweises durch die<br />
Segmentgeldflussrechnung ........................................................... 148<br />
Abbildung 4-17: Beispiel des Liquiditätsnachweises durch die<br />
Segmentgeldflussrechnung ........................................................... 149<br />
Abbildung 4-18: Mögliche Bewertungssysteme eines<br />
Stromverteilnetzbetreibers ........................................................... 151<br />
Abbildung 4-19: Sachliche Abgrenzung zwischen Aufwand / Ertrag und<br />
Kosten / Erlösen ........................................................................... 153<br />
Abbildung 4-20: Illustrativer Verlauf der Anlagenrestwerte je<br />
Abschreibungsmethode ................................................................ 164<br />
Abbildung 4-21: Illustrativer Verlauf des Gewinns vor Zinsen je<br />
Abschreibungsmethode bei einer maximalen<br />
Kapitalverzinsung <strong>von</strong> 4.55% ...................................................... 165<br />
Abbildung 4-22: Entwicklung der Gesamtkapitalrentabilität (ROA) je<br />
Abschreibungsmethode ................................................................ 167<br />
Abbildung 4-23: Gliederungsansätze (schematisch) ............................................... 181<br />
Abbildung 4-24: Gliederungsbeispiel der Segmentrechnung Netz nach VSE ........ 185<br />
Abbildung 4-25: Positionierung der Segmentrechnung Netz aus<br />
konzeptioneller Sicht .................................................................... 191<br />
Abbildung 5-1: Vor- und Nachteile der Strommarktliberalisierung (Anzahl<br />
Nennungen) .................................................................................. 195
IX Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />
Abbildung 5-2: Beurteilung des buchhalterischen Unbundling (Anzahl<br />
Nennungen) .................................................................................. 197<br />
Abbildung 5-3: Zielsetzung und Nutzen der Segmentrechnung Netz<br />
(Anzahl Nennungen) .................................................................... 199<br />
Abbildung 5-4: Ausgestaltung der Segmentrechnung Netz (Anzahl<br />
Nennungen) .................................................................................. 201<br />
Abbildung 5-5: Vereinheitlichungsbedarf (Anzahl Nennungen) ........................... 202<br />
Abbildung 5-6: Entwicklung <strong>von</strong> Regulation und Marktstruktur (Anzahl<br />
Nennungen) .................................................................................. 204<br />
Abbildung 5-7: Positionierung der Segmentrechnung Netz gemäss<br />
Expertengesprächen ..................................................................... 205<br />
Abbildung 6-1: Datenselektion Stichprobe ............................................................ 211<br />
Abbildung 6-2: Rechtsformen der Stromverteilnetzbetreiber (n=113) .................. 212<br />
Abbildung 6-3: Eigentümerstruktur <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> (n=113) ...... 213<br />
Abbildung 6-4: Häufigkeit der Vollzeitstellen gesamthaft und im Netz<br />
(klassiert, n=111) .......................................................................... 214<br />
Abbildung 6-5: Anteile pro Rechtsform an Kleinbetrieben mit bis zu zehn<br />
Vollzeitstellen (n=111) ................................................................. 216<br />
Abbildung 6-6: Häufigkeit der Absatzmenge in GWh (klassiert, n=113) ............. 217<br />
Abbildung 6-7: Absatzmenge in GWh pro Stromverteilnetzbetreiber<br />
(n=111) ......................................................................................... 218<br />
Abbildung 6-8: Häufigkeit der Verteilnetzebenen 3-7 (n=113) ............................. 218<br />
Abbildung 6-9: Häufigkeit der Netznutzungserträge in Mio. CHF (klassiert,<br />
n=105) .......................................................................................... 219<br />
Abbildung 6-10: Korrelation der Grössenkennzahlen (n=105) ............................... 221<br />
Abbildung 6-11: Horizontale Integration der Stromverteilnetzbetreiber<br />
(n=113) ......................................................................................... 223<br />
Abbildung 6-12: Typen der vertikalen Integration (n=113) .................................... 224<br />
Abbildung 6-13: Wertschöpfungsstruktur nach Grössenklassen (n=113) ............... 225<br />
Abbildung 6-14: Umsetzungsgrad der Unbundlingformen (n=113) ....................... 226
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis X<br />
Abbildung 6-15: Umgesetzte Unbundlingformen nach Grössenklassen<br />
(n=113) ......................................................................................... 227<br />
Abbildung 6-16: Beurteilung weitergehender Unbundling-Massnahmen ............... 228<br />
Abbildung 6-17: Unbundling <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz (n=102) ................ 230<br />
Abbildung 6-18: Segmentierungsverfahren <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz<br />
(Hauptmethode) ............................................................................ 230<br />
Abbildung 6-19: Aufteilungsverfahren bei nicht direkt zuordenbaren<br />
Positionen der Erfolgsrechnung und der Bilanz<br />
(Hauptmethode) ............................................................................ 233<br />
Abbildung 6-20: Rechnungslegungsvorschriften beim integrierten<br />
Einzelabschluss <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> (n=103) ........... 236<br />
Abbildung 6-21: Rechnungslegungsstandards nach Grössenklassen (n=103) ........ 237<br />
Abbildung 6-22: Rechnungslegungsstandards der Segmentrechnung Netz<br />
(n=98) ........................................................................................... 239<br />
Abbildung 6-23: Bewertungsdifferenzen zwischen Buchwerten und<br />
kalkulatorischen Werten im Anlagevermögen nach<br />
Rechnungslegungsstandards (n=92) ............................................. 241<br />
Abbildung 6-24: Bewertungsdifferenzen zwischen Buchwerten und<br />
kalkulatorischen Werten im Anlagevermögen nach<br />
Netzgrösse (n=92) ........................................................................ 242<br />
Abbildung 6-25: Umgang mit wesentlichen Bewertungsdifferenzen (n=50) .......... 243<br />
Abbildung 6-26: Wertbasis für Segmentrechnung Netz (n=88) .............................. 245<br />
Abbildung 6-27: Bestandteile der Segmentrechnung Netz (n=91) .......................... 246<br />
Abbildung 6-28: Bisherige Verbreitung der <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
(n=102) ......................................................................................... 248<br />
Abbildung 6-29: Ausweis zusätzlicher Segmente in der Sparte Strom (n=84) ....... 249<br />
Abbildung 6-30: Vertikale Offenlegung der Segmenterfolgsrechnung (n=91) ....... 250<br />
Abbildung 6-31: Vertikale Offenlegung der Segmentbilanz (n=91) ....................... 251<br />
Abbildung 6-32: Gliederung der Erfolgsrechnung (n=86) ...................................... 252
XI Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />
Abbildung 6-33: Geplante Publikationsform der Segmentrechnung Netz<br />
(n=92) ........................................................................................... 253<br />
Abbildung 6-34: Revision der Segmentrechnung Netz (n=87) ............................... 255<br />
Abbildung 6-35: Veröffentlichungspraxis Gesamtabschluss (n=101) ..................... 257<br />
Abbildung 6-36: Geplantes Datum der Erstpublikation der Segmentrechnung<br />
Netz (n=82) .................................................................................. 259<br />
Abbildung 6-37: Positionierung der Segmentrechnung Netz als Ergebnis der<br />
Befragung ..................................................................................... 261<br />
Abbildung 7-1: Beispielhafte Segmentrechnung Netz der EW Muster AG .......... 289<br />
Abbildung 7-2: Beispielhafte Überleitung der Segmentrechnung Netz der<br />
EW Muster AG ............................................................................. 290<br />
Abbildung 7-3: Empfohlene Positionierung der Segmentrechnung Netz als<br />
Alternative zur eigenständigen Jahresrechnung einer<br />
Netzgesellschaft ........................................................................... 295
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis XII<br />
Tabellen<br />
Tabelle 2-1: Überblick zu den Formen des Unbundling .................................... 20<br />
Tabelle 2-2: Ausgewählte grosse Verteilnetzbetreiber der Schweiz................... 37<br />
Tabelle 2-3: Segmentausweise nach IFRS 8 ...................................................... 52<br />
Tabelle 3-1: Grundsätze ordnungsmässiger <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
(GoS) nach StromVG ..................................................................... 86<br />
Tabelle 4-1: Relevante Standards zur buchmässigen Bewertung der<br />
Sachanlagen .................................................................................. 156<br />
Tabelle 5-1: Gesprächspartner in 15 Expertengesprächen im Überblick ......... 193<br />
Tabelle 6-1: Definition der Grössenklassen nach Netznutzungsertrag<br />
(n=113) ......................................................................................... 222<br />
Tabelle 6-2: Charakteristika <strong>von</strong> Betreibern <strong>von</strong> Mikro- bzw.<br />
Kleinstverteilnetzsegmenten (n=58) ............................................ 222<br />
Tabelle 6-3: Charakteristika <strong>von</strong> Betreibern <strong>von</strong> kleinen<br />
Verteilnetzsegmenten (n=33) ....................................................... 222<br />
Tabelle 6-4: Charakteristika <strong>von</strong> Betreibern <strong>von</strong> mittleren<br />
Verteilnetzsegmenten (n=11) ........................................................ 222<br />
Tabelle 6-5: Charakteristika <strong>von</strong> Betreibern <strong>von</strong> grossen<br />
Verteilnetzsegmenten (n=11) ........................................................ 223<br />
Tabelle 6-6: Grössenmerkmale nach Rechnungslegungsstandards (n=98) ...... 238
XIII Abkürzungsverzeichnis<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
AG Aktiengesellschaft<br />
BFE Bundesamt für Energie<br />
BilMOG Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (Deutschland)<br />
BJ Bundesamt für Justiz<br />
CEO Chief Executive Officer<br />
CGU Cash Generating Unit<br />
CHF Schweizer Franken<br />
CODM Chief Operating Decision Maker<br />
DBG Bundesgesetz über die direkten Bundessteuern<br />
DCF Discounted Cashflow<br />
DSO Distribution System Operator<br />
E-OR Entwurf zu den Änderungen des Schweizerischen Obligationenrechts<br />
EBIT Earnings before Interest and Taxes<br />
EG Europäische Gemeinschaft<br />
ElCom Eidgenössische Elektrizitätskommission<br />
ElWOG Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (Österreich)<br />
EMG Elektrizitätsmarktgesetz<br />
EnG Energiegesetz<br />
EnWG Gesetz über die Elektrizität- und Gasversorgung (Deutschland)<br />
ER Erfolgsrechnung<br />
EU Europäische Union<br />
EVU Elektrizitätsversorgungs<strong>unter</strong>nehmen<br />
FASB Financial Accounting Standards Board<br />
FER Fachempfehlung für Rechnungslegung<br />
FTE Full Time Equivalents
Abkürzungsverzeichnis XIV<br />
GAAP Generally Accepted Accounting Principles<br />
GoR Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung<br />
GoS Grundsätze ordnungsmässiger <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
GWh Gigawattstunden<br />
HGB Handelsgesetzbuch (Deutschland, Österreich)<br />
HRM Harmonisiertes Rechnungsmodell, bzw. neu Harmonisiertes Rechnungslegungsmodell<br />
HWP Handbuch der Wirtschaftsprüfung<br />
IAS International Accounting Standards<br />
IASB International Accounting Standards Board<br />
IASCF International Accounting Standards Committee Foundation<br />
IDW Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.<br />
IFRIC International Financial Reporting Interpretations Committee<br />
IFRS International Financial Reporting Standards<br />
IPSAS International Public Sector Accounting Standards<br />
IPSASB International Public Sector Accounting Standards Board<br />
IV Interne bzw. intersegmentäre Verrechnung<br />
KEV Kostendeckende Einspeisevergütung<br />
KMU Kleine und mittlere Unternehmen<br />
KRSG Kostenrechnungsschema zur Ermittlung der Gestehungskosten für die<br />
Energielieferung an Endverbraucher mit Grundversorgung<br />
KRSV Kostenrechnungsschema für Verteilnetzbetreiber der Schweiz<br />
kWh Kilowattstunden<br />
MWST Mehrwertsteuer<br />
MWSTG Mehrwertsteuergesetz<br />
MWh Megawattstunden<br />
NNE Netznutzungsentgelt bzw. Netznutzungsertrag<br />
NBVN Netzbewertung <strong>von</strong> Verteilnetzen der Schweiz
XV Abkürzungsverzeichnis<br />
NNMV Netznutzungsmodell für das Schweizerische Verteilnetz<br />
OR Schweizerisches Obligationenrecht<br />
PUE Eidgenössische Preisüberwachung<br />
RAG Revisionsaufsichtsgesetz<br />
ROA Return on Assets<br />
RRG Entwurf Schweizerisches Rechnungslegungs- und Revisionsgesetz<br />
rTPA regulated Third Party Access<br />
SDL Systemdienstleistungen<br />
SEC Securities and Exchange Commission<br />
SFAS Statements of Financial Accounting Standards<br />
SLA Service Level Agreement<br />
SME Small and Medium-sized Entities<br />
SRS Schweizerisches Rechnungslegungsgremium für den öffentlichen Sektor<br />
StromNEV Stromnetzentgeltverordnung (Deutschland)<br />
StromVG Stromversorgungsgesetz<br />
StromVV Stromversorgungsverordnung<br />
TPA Third Party Access<br />
UGB Unternehmensgesetzbuch (Österreich)<br />
US United States<br />
USA United States of America<br />
VSE Verband Schweizerischer Elektrizitäts<strong>unter</strong>nehmen<br />
WAS Wahlmodell abgesicherte Stromversorgung
Abstract XVI<br />
Abstract<br />
Deutsch<br />
Die Liberalisierung des Schweizer Strommarktes per 1. Januar 2009 bringt für die<br />
rund 800 Schweizer Stromverteilnetzbetreiber neue Regelungen im Rahmen der Buchführung,<br />
der Rechnungslegung und der finanziellen Berichterstattung mit sich. Mit den<br />
für alle Betriebe – unabhängig <strong>von</strong> deren Grösse, Rechtsform und Eigentum – geltenden<br />
Vorschriften des buchhalterischen Unbundling (Art. 10 Abs. 1 und 3 StromVG),<br />
der Erstellung einer separaten Jahresrechnung für jedes Netz (Art. 11 StromVG) sowie<br />
deren Veröffentlichung (Art. 12 Abs. 1 StromVG) werden die Stromverteilnetzbetreiber<br />
zu einer öffentlichen <strong>Segmentberichterstattung</strong> über ihre Monopolaktivität Verteilung<br />
und damit zu einer Public Accountability verpflichtet. Die diesbezüglichen Vorgaben<br />
auf Stufe Gesetz und Verordnung sind jedoch äusserst knapp gehalten und entsprechend<br />
auslegungsbedürftig. Ein Leitfaden zum buchhalterischen Unbundling ist<br />
vom Verband Schweizerischer Elektrizitäts<strong>unter</strong>nehmen (VSE) erst im Dezember 2009<br />
publiziert worden. Diese Dissertation hat sich daher zum Ziel gesetzt, basierend auf<br />
einer Rechtsauslegung, konzeptionellen Erkenntnissen zur kapitalmarktorientierten<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> sowie auf empirischen Untersuchungen – anhand <strong>von</strong> Expertengesprächen<br />
und durch eine repräsentative Befragung <strong>von</strong> Vertretern betroffener Betriebe<br />
– konkrete Gestaltungsempfehlungen zur <strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
zu erarbeiten. Die Rechtsauslegung sowie die empirischen Ergebnisse<br />
zeigen – nicht zuletzt bedingt durch die hohe Fragmentierung des Marktes<br />
und die Heterogenität der Stromverteilnetzbetreiber – die Notwendigkeit solcher Gestaltungsempfehlungen<br />
auf. Ohne einheitliche Normen und entsprechende Praxis werden<br />
diesbezüglich weder die Zielsetzung der Transparenz des StromVG erreicht noch<br />
die Erwartungen der Anspruchsgruppen erfüllt. Die Gestaltungsempfehlungen zeigen<br />
einen Ansatz der Segmentrechnung im Sinne eines Regulatory Management Approach<br />
auf, der im Vergleich zu einer vollständigen, aber fiktiven Jahresrechnung eines rechtlich<br />
überwiegend integriert betriebenen Segments Verteilnetz entscheidende Vorteile<br />
mit sich bringt und trotz der heterogenen Marktakteure einheitlich anwendbar ist.
XVII Abstract<br />
Englisch<br />
The liberalization of the Swiss electricity market on January 1, 2009 has imposed new<br />
rules of accounting and financial reporting on the approximately 800 Swiss Distribution<br />
System Operators (DSOs). The requirements for unbundling of accounts (Art. 10<br />
§1 & 3 of the Federal Electricity Supply Act), for preparing a separate financial statement<br />
for each network (Art. 11) and its publication (Art. 12 §1) oblige all DSOs – irrespective<br />
of their size, legal form and ownership – to assure public accountability by<br />
means of public segment reporting on their monopoly distribution activities. Due to<br />
the very terse specifications for the corresponding laws and regulations, a need for interpretation<br />
exists. The Association of Swiss Electricity Companies did not issue a<br />
manual on the unbundling of accounts until December 2009. This dissertation consequently<br />
aims to develop specific recommendations on segment reporting for Swiss<br />
DSOs on the basis of legal interpretations as well as conceptual findings on segment<br />
reporting in capital markets and by gathering empirical data from expert interviews<br />
and a representative survey. The interpretation of the law and the empirical findings<br />
show the necessity of such recommendations – not least due to the high fragmentation<br />
of the market and the heterogeneity of Swiss DSOs. Without consistent standards and<br />
uniform practice, the target of transparency of the Federal Electricity Supply Act and<br />
the expectations of the stakeholders cannot be achieved. This dissertation therefore<br />
recommends a segment reporting procedure based on a regulatory management approach<br />
which has significant advantages over a complete but fictitious annual statement<br />
of a largely integrated distribution segment and may be uniformly applied despite<br />
the heterogeneity of the market participants.
Einleitung 1<br />
1 Einleitung<br />
1.1 Ausgangslage und Problemstellung<br />
"Accounting is influenced by the context in<br />
which it operates."<br />
Hooks & Perera (2006)<br />
Die Liberalisierung <strong>von</strong> Netzwerkindustrien 1 und die damit verbundene Herausforde-<br />
rung der Entflechtung (Unbundling) der zu regulierenden Monopolinfrastruktur <strong>von</strong><br />
den übrigen Aktivitäten zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs steht in der<br />
Schweiz wie auch international seit Jahren im Brennpunkt der politischen Diskussion.<br />
Die Zielsetzung, die Rolle des Staates auf die Gewährleistung stabiler Rahmenbedin-<br />
gungen in Form <strong>von</strong> Sektor-Regulationen zu beschränken, um die Behebung <strong>von</strong><br />
Marktversagen sicherzustellen und auf dieser Basis die Entstehung <strong>von</strong> Wettbewerb<br />
zugunsten der Konsumenten zu ermöglichen, stellt für sämtliche Akteure eine Heraus-<br />
forderung dar. 2 Denn längst nicht alle Märkte wurden so erfolgreich liberalisiert wie<br />
der Telekommunikationsmarkt Mitte der neunziger Jahre. Im Bereich der Verkehrsinf-<br />
rastruktur sowie des Postmarktes sind die Diskussionen um die Formen der Liberali-<br />
sierung und um deren Vor- und Nachteile noch voll im Gang. 3<br />
Im Unterschied zu den genannten Märkten, welche <strong>von</strong> wenigen Marktakteuren ge-<br />
prägt sind, ist der Strommarkt in der Schweiz stark fragmentiert und <strong>von</strong> zahlreichen<br />
privat- und öffentlich-rechtlichen Versorgungs<strong>unter</strong>nehmen gekennzeichnet, die sich<br />
überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand (Gemeinden, Kantone) befinden. In<br />
der Schweiz gibt es mit rund 800 Stromnetzbetreibern ähnlich viele Betriebe wie im<br />
deutlich grösseren Nachbarland Deutschland. Die Liberalisierung dieses Sektors betrifft<br />
daher hierzulande nicht nur national und international agierende Energiekonzerne,<br />
sondern auch Kleinbetriebe auf lokaler Ebene. Aufgrund dieser Ausgangslage erhöhen<br />
sich die Anforderungen bezüglich der Marktliberalisierung und der damit verbundenen<br />
Regulation der Stromnetze als natürliche Monopole.<br />
1 Etwa Verkehr (Bahn, Aviatik), Post, Telekommunikation, Elektrizitäts- und Gasversorgung.<br />
2<br />
Vgl. zur Regulation <strong>von</strong> Netzwerkindustrien: EIDGENÖSSISCHES DEPARTEMENT FÜR UMWELT<br />
(2007).<br />
3<br />
Vgl. zu einzelnen Netzsektoren und deren Regulierungsform: VATERLAUS et al. (2003).
2 Einleitung<br />
Seit dem 1. Januar 2009 ist der Schweizer Strommarkt auf Basis des Stromversor-<br />
gungsgesetzes (StromVG) und dessen Verordnung (StromVV) teilweise liberalisiert.<br />
Der Schweizer Strommarkt erfährt eine stufenweise Liberalisierung, indem ab 2009<br />
die Wahlfreiheit des Stromlieferanten für Endverbraucher mit einem durchschnittlichen<br />
Jahresverbrauch <strong>von</strong> über 100 MWh eingeführt wurde. 4 Die Wahlfreiheit des<br />
Stromlieferanten für alle Endverbraucher ist erst ab 2014 vorgesehen. 5 Demgegenüber<br />
wurde die Regulation der Netzinfrastruktur vollständig eingeführt und die eidgenössische<br />
Elektrizitätskommission ElCom als unabhängiger Regulator eingesetzt.<br />
Die Öffnung des Strommarktes befindet sich in der Schweiz erst im Anfangsstadium –<br />
nicht zuletzt aufgrund des Scheiterns des ersten Liberalisierungsversuchs im Jahr 2003<br />
infolge der Ablehnung des Elektrizitätsmarktgesetzes (EMG) durch das schweizerische<br />
Stimmvolk. Diesbezüglich sind die anderen europäischen Staaten der Schweiz voraus.<br />
Mit der ersten Elektrizitätsmarktrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (EG) <strong>von</strong><br />
1996 6 wurde die Strommarktliberalisierung in der Europäischen Union (EU) lanciert<br />
und auf ein einheitliches Fundament gestellt. Der daraus entstandenen Marktdynamik<br />
konnte sich die Schweiz als Drehscheibe und Nadelöhr <strong>von</strong> Strom zwischen Nord- und<br />
Südeuropa nicht entziehen. Spätestens nach dem Entscheid des Bundesgerichtes vom<br />
17. Juni 2003, welches aus kartellrechtlichen Gründen die Durchleitung <strong>von</strong> Strom<br />
<strong>von</strong> Drittlieferanten gegen angemessene Entschädigung ermöglichte, war der Strommarkt<br />
für Grossbezüger fallweise geöffnet. 7 Zur Erlangung <strong>von</strong> Rechtssicherheit und<br />
zur Reduktion <strong>von</strong> Transaktionskosten fallweiser Durchleitungen wurde somit trotz<br />
der gescheiterten EMG-Abstimmung eine Regelung der Liberalisierung auf Bundesebene<br />
nötig, wobei als Lehren aus der erstmaligen Ablehnung der Liberalisierung die<br />
Versorgungssicherheit und die Transparenz für das StromVG ins Zentrum rückten. 8<br />
4<br />
Art. 6 des Bundesgesetz über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG) (2008).<br />
5<br />
Art. 34 Abs. 3 StromVG: Der zweite Marktöffnungsschritt <strong>unter</strong>steht dabei dem fakultativen Referendum.<br />
6<br />
Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften<br />
für den Elektrizitätsbinnenmarkt (1996).<br />
7<br />
BGE 129 II 497: Die Freiburger Elektrizitätswerke wurden verpflichtet, den Strom der Watt zugunsten<br />
der Migros gegen einen angemessenen Preis durch ihr Netz durchzuleiten. Dabei hielt<br />
das Bundesgericht fest, dass der Umstand, dass das EMG in der Volksabstimmung abgelehnt<br />
worden ist, nicht als Grund gegen die Anwendung des Kartellgesetzes auf den Elektrizitätsbereich<br />
dienen kann. Ebenfalls wurde festgestellt, dass keine nationale oder kantonale Wettbewerbsausschlussklausel<br />
besteht, welche den Wettbewerb in diesem Sektor ausschliessen würde. Vgl. ausführlicher<br />
dazu STRAUB (2005), S. 143ff.<br />
8 BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 9f. oder KUHN (2005), S. 14.
Einleitung 3<br />
Die Liberalisierung des Strommarktes setzt – analog zu anderen Netzwerkindustrien –<br />
die Regulierung des Netzes als natürliches Monopol voraus. 9 Einerseits muss für die<br />
Markteilnehmer ein diskriminierungsfreier Netzzugang (Third Party Access, TPA) ge-<br />
währleistet sein. 10 Andererseits sollen bei den Netzbetreibern die Wertschöpfungsstu-<br />
fen im Wettbewerb (Produktion, Handel, Vertrieb) vom Netzbetrieb als Monopolbe-<br />
reich getrennt werden (Unbundling). 11 Diese Entflechtung soll unerwünschte und<br />
wettbewerbsverzerrende Quersubventionierungen durch die Ausnutzung der Monopol-<br />
stellung verhindern und hat gemäss Art. 10 Abs. 3 StromVG auf Stufe der Verteilnetze<br />
im Minimum in der Buchhaltung zu erfolgen (buchhalterisches Unbundling):<br />
Art. 10 Entflechtung<br />
1 Die Elektrizitätsversorgungs<strong>unter</strong>nehmen haben die Unabhängigkeit des<br />
Netzbetriebs sicherzustellen. Quersubventionierungen zwischen dem Netz-<br />
betrieb und den übrigen Tätigkeitsbereichen sind <strong>unter</strong>sagt.<br />
2 […]<br />
3 Die Elektrizitätsversorgungs<strong>unter</strong>nehmen müssen die Verteilnetzbereiche<br />
mindestens buchhalterisch <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeitsbereichen entflech-<br />
ten.<br />
Die Vorgabe des buchhalterischen Unbundling wird in Art. 11 des StromVG wie folgt<br />
konkretisiert:<br />
Art. 11 Jahres- und Kostenrechnung<br />
1 Die Betreiber und Eigentümer <strong>von</strong> Verteil- und Übertragungsnetzen<br />
erstellen für jedes Netz je eine Jahresrechnung sowie eine Kostenrech-<br />
nung, die beide <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeitsbereichen entflochten sind. Die<br />
Kostenrechnung ist der ElCom jährlich vorzulegen.<br />
9 Ein natürliches Monopol besteht grundsätzlich, wenn eine einzelne Unternehmung das gesamte<br />
Angebot zu tieferen Preisen anbieten kann, als wenn mehrere Firmen dieses zur Verfügung stellen<br />
würden. Vgl. Kapitel 2.1 nachstehend.<br />
10 Vgl. ausführlich zu den einzelnen Netzzugangsmodellen etwa STRAUB (2005), S. 49ff. In der<br />
Schweiz gilt gemäss Art. 13 StromVG ein regulierter Third Party Access (rTPA). Aufgrund der<br />
zweistufigen Liberalisierung haben feste Endverbraucher (Endkunden mit einem durchschnittlichen<br />
Jahresverbrauch <strong>von</strong> <strong>unter</strong> 100 MWh) gemäss Art. 6 Abs. 6 StromVG in der Übergangsphase<br />
bis 2014 noch keinen Anspruch auf Netzzugang.<br />
11 In der Schweiz besteht gemäss Art. 10 StromVG auf Stufe der Verteilnetze die Pflicht, ein buchhalterisches<br />
und ein informatorisches Unbundling vorzunehmen. Das schweizerische Übertragungsnetz<br />
muss demgegenüber an die nationale Netzgesellschaft Swissgrid übertragen werden.<br />
Vgl. dazu ausführlicher Kapitel 2.2.2.
4 Einleitung<br />
2 Der Bundesrat kann Mindestanforderungen für die Vereinheitlichung der<br />
Rechnungslegung und Kostenrechnung erlassen.<br />
Sowohl die Jahres- wie auch die Kostenrechnung sind <strong>von</strong> den Netzbetreibern zu ent-<br />
flechten. Die ElCom als Regulator ist Adressat der entflochtenen Kostenrechnung für<br />
das Netz, um die Aufsicht über die Einhaltung der gesetzeskonformen Berechnung der<br />
Entschädigung für den Netzzugang (Netznutzungsentgelt 12 ) ausüben zu können. Der<br />
Verband Schweizerischer Elektrizitäts<strong>unter</strong>nehmen (VSE) hat – basierend auf dem<br />
Subsidiaritätsprinzip 13 – bereits im Jahr 2007 detaillierte Richtlinien zur Kostenrechnung<br />
und zur Bewertung als Basis für die Kalkulation erlassen. 14<br />
Die auf der Grundlage der entflochtenen Kostenrechnung erstmalig <strong>von</strong> den Energiepreisen<br />
gesonderte Kalkulation und Offenlegung der Netztarife 15 hat den Start der Liberalisierung<br />
in der Schweiz geprägt. Die <strong>von</strong> den Netzbetreibern angekündigten<br />
Preiserhöhungen führten zu zahlreichen Kundenreaktionen und einer öffentlichen<br />
Kontroverse über die Effekte der Liberalisierung. 16 Auf politischer Ebene wurde durch<br />
den Bundesrat am 12. Dezember 2008 eine Verordnungsänderung erlassen, welche<br />
<strong>unter</strong> anderem die maximal zulässigen Bewertungsansätze für die Netzinfrastruktur<br />
senkte und damit die Preissteigerungen zumindest vorübergehend dämpfte. 17 Entsprechend<br />
standen die der Preiskalkulation zugrundeliegende Kostenrechnung und die entsprechenden<br />
Bewertungsfragen bisher im Zentrum der Marktöffnung. Demgegenüber<br />
hat die zweite Verpflichtung für Netzbetreiber, nach Art. 11 StromVG auch "für jedes<br />
Netz je eine Jahresrechnung" zu erstellen, welche gemäss Art. 12 Abs. 1 StromVG<br />
unabhängig <strong>von</strong> der Rechtsform und den Eigentumsverhältnissen zu veröffentlichen<br />
ist, bisher wenig Beachtung gefunden.<br />
12<br />
Art. 14 StromVG.<br />
13<br />
Art. 3 Abs. 2 StromVG.<br />
14<br />
Netznutzungsmodell Schweizerisches Verteilnetz (NNMV): WITSCHI et al. (2008); Kostenrechnungsschema<br />
Verteilnetzbetreiber (KRSV): MUNZ (2008); Netzbewertung <strong>von</strong> Verteilnetzen<br />
(NBVN): BRAUN (2007).<br />
15<br />
Art. 6 Abs. 3 StromVG: Aufschlüsselung der Elektrizitätstarife nach Netznutzung, Energielieferung<br />
und Abgaben.<br />
16<br />
Vgl. etwa GUSEWSKI (2008), SCHÜRPF (2008), WIDRIG (2008) und WEISS (2008).<br />
17<br />
Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2008d). Die Verordnungsänderung führte per 1. Januar 2009 für<br />
Haushaltkunden zu reduzierten Strompreiserhöhungen <strong>von</strong> rund 8%, wobei die Nachhaltigkeit<br />
der Änderungen umstritten blieb. Vgl. VERBAND SCHWEIZERISCHER<br />
ELEKTRIZITÄTSUNTERNEHMEN VSE (2009) oder WEISS (2009).
Einleitung 5<br />
Dies dürfte sich jedoch bald ändern. Mit der erstmaligen Publikationspflicht einer ent-<br />
flochtenen Jahresrechnung bis spätestens am 31. August 2010 wird jeder Schweizer<br />
Netzbetreiber zu einer zwingenden finanziellen Rechenschaft über seine Vermögens-,<br />
Finanz- und Ertragslage im Monopolbereich Netz verpflichtet. Die bisher überwiegend<br />
emotional geführte Preisdiskussion im Kontext der Strommarktliberalisierung kann<br />
mit dieser Publizität auf eine sachliche Grundlage gestellt werden. Die verschiedenen<br />
Anspruchsgruppen eines Netzbetreibers, insbesondere dessen Kunden, dürften die ent-<br />
flochtene Jahresrechnung zukünftig insbesondere im Kontext <strong>von</strong> Preiserhöhungen<br />
konsultieren und je nach Situation ihre Forderungen – in der Regel nach tieferen oder<br />
zumindest stabilen Preisen – durchzusetzen versuchen. Es stellt sich damit letztlich die<br />
Frage, ob Dritte die vom Netzbetreiber geltend gemachten Kosten inklusive Kapital-<br />
verzinsung, welche früher oder später im Gewinnausweis der entflochtenen Jahres-<br />
rechnung ihren Niederschlag finden, gemäss Vorgabe <strong>von</strong> Art. 15 Abs. 1 StromVG als<br />
angemessen beurteilen. Diese Beurteilung dürfte dabei auch losgelöst <strong>von</strong> den regulatorischen<br />
Maximalvorgaben erfolgen, so dass auch in Situationen mit aus rechtlicher<br />
Sicht "korrekten" Tarifen ein öffentlicher Druck auf die Preispolitik des betroffenen<br />
Netzbetreibers entstehen kann.<br />
Zusätzlich haben betroffene Marktakteure auf der Basis dieser Publizität die Möglichkeit,<br />
an die ElCom zu gelangen und bei dieser eine vertiefte Überprüfung der Tarifund<br />
Gewinnsituation zu verlangen. Die ElCom kann gemäss Art. 19 Abs. 2 StromVV<br />
verfügen, dass ungerechtfertigte Gewinne aus überhöhten Netznutzungs- bzw. Elektrizitätstarifen<br />
durch Senkung dieser kompensiert werden müssen. Auch die ElCom<br />
selbst dürfte als Regulator ein Interesse an der Publizität der entflochtenen Jahresrechnung<br />
im Rahmen der Datenbeschaffung und mit Aussicht auf eine gewisse Selbstregulation<br />
haben.<br />
Aufgrund dieser Relevanz der entflochtenen Jahresrechnung und der möglichen Reaktionen<br />
auf deren Publikation ist es bemerkenswert, dass diese Thematik bisher nicht<br />
intensiver diskutiert und die gesetzlichen Vorgaben nicht weiter konkretisiert wurden.<br />
Die Fokussierung des Gesetzgebers auf die Kostenrechnung erstaunt auch aus der<br />
Sicht des Rechnungswesens, da doch die Entflechtung der Jahresrechnung eng mit der<br />
entflochtenen Kostenrechnung zusammenhängt und aufgrund der Rahmenbedingungen<br />
und der Publizität hohe Anforderungen mit sich bringt. Diese Anforderungen an die<br />
entflochtene Jahresrechnung für das Netz im Sinne <strong>von</strong> Art. 12 Abs. 1 StromVG können<br />
wie folgt gruppiert und im Laufe dieser Arbeit nach dieser Systematik vertieft<br />
werden:
6 Einleitung<br />
a) Buchhalterisches Unbundling<br />
Die entflochtene Jahresrechnung ist eng mit der Kostenrechnung für das Netz<br />
verknüpft, da beide Rechnungen grundsätzlich auf den gleichen Buchhaltungsdaten<br />
aufbauen. Letztlich sind beide Ausweise <strong>unter</strong>schiedliche Auswertungen<br />
des gleichen Sachverhalts. Die Unbundling-Vorgaben in Art. 10 Abs. 3<br />
StromVG schreiben daher folgerichtig die Entflechtung auf Stufe der Buchhaltung,<br />
und nicht auf Stufe einer Auswertung vor. Bei der grundlegenden Entflechtung<br />
der Buchhaltungssysteme bestehen wesentliche Abgrenzungsfragen.<br />
b) Bewertung<br />
Die heterogene Marktstruktur – mit lokalen Versorgungs<strong>unter</strong>nehmen bis hin zu<br />
international tätigen Energiekonzernen – erschwert einheitliche Vorgaben in<br />
Bezug auf die Rechnungslegung. Dies beeinflusst den Ausweis einer entflochtenen<br />
Jahresrechnung für das Netz nicht nur in formeller, sondern auch in materieller<br />
Hinsicht. Insbesondere stellen sich Fragen im Zusammenhang mit der<br />
Bewertung <strong>von</strong> Anlagen bzw. mit dem Umgang <strong>von</strong> Bewertungsdifferenzen<br />
zwischen der Kosten- und der Jahresrechnung.<br />
c) Offenlegung 18<br />
Nach Art. 662 Abs. 2 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) besteht eine<br />
Jahresrechnung aus Erfolgsrechnung, Bilanz und Anhang. Gemäss dem bisher<br />
geltenden Harmonisierten Rechnungsmodell (HRM I) der kantonalen Finanzdirektoren<br />
für die Rechnungslegung <strong>von</strong> öffentlich-rechtlichen Körperschaften<br />
19 besteht eine Jahresrechnung aus einer Laufenden Rechnung, einer<br />
Investitionsrechnung und einer Bestandesrechnung. Laut dem IAS Framework<br />
der International Financial Reporting Standards (IFRS) umfasst eine Jahresrechnung<br />
Erfolgsrechnung, Bilanz, Eigenkapitalnachweis, Geldflussrechnung<br />
18<br />
Die Offenlegung ist grundsätzlich nicht mit einer Publizitätspflicht gleichzusetzen. Gemäss BEHR<br />
(2005), S. 96, ist Offenlegung (Disclosure) in der Rechnungslegung der Fachbegriff für den Ausweis<br />
bestimmter Informationen und sagt noch nichts über deren Adressaten aus. In der juristischen<br />
Literatur wird <strong>unter</strong> dem Begriff Offenlegung oft auch die Definition der Publikationspflichten<br />
verstanden. In dieser Arbeit werden <strong>unter</strong> dem Titel Offenlegung jeweils sowohl die<br />
Vorgaben zur Disclosure als auch die Frage der Publizität der entsprechenden Informationen behandelt.<br />
Beide Themen werden jedoch durch die entsprechende Wortwahl <strong>von</strong>einander <strong>unter</strong>schieden.<br />
19<br />
Vgl. KONFERENZ DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN (1981).
Einleitung 7<br />
und Anhang. 20 Sowohl die Bestandteile der Jahresrechnung wie auch deren<br />
Ausgestaltung bei Anwendung des jeweiligen Standards sind basierend auf dem<br />
StromVG offen und <strong>unter</strong> Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Vor-<br />
gabe zu beurteilen. Die Publizitätspflicht für den Tätigkeitsbereich Netz stellt<br />
eine Art zwingende, öffentliche <strong>Segmentberichterstattung</strong> dar, welche eine bis-<br />
weilen nicht vorhandene Transparenz <strong>von</strong> Netzbetreibern gegenüber sämtlichen<br />
Anspruchsgruppen mit sich bringt.<br />
Soll die gesetzlich vorgegebene, öffentliche Rechenschaftspflicht einer entflochtenen<br />
Jahresrechnung für das Netz zur Erreichung der übergreifenden Teilzielsetzung des<br />
StromVG nach Transparenz für alle Marktakteure 21 beitragen, so wird es unabdingbar<br />
sein, den rund 800 Schweizern Netzbetreibern Richtlinien zur Umsetzung vorzugeben.<br />
1.2 Zielsetzung der Arbeit und übergreifende Forschungsfrage<br />
Die vorliegende Dissertation hat zum Ziel, den Sinn und Zweck, die Anforderungen<br />
sowie den Stand der Umsetzung der vom Gesetzgeber in Art. 11 StromVG verlangten,<br />
entflochtenen Jahresrechnung im Sinne einer Segmentrechnung Netz 22 zu erforschen<br />
und darauf aufbauend Gestaltungsempfehlungen zu erarbeiten. Die Dissertation fokussiert<br />
sich daher auf die <strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> und<br />
klammert dabei die Vorschriften auf Ebene des Übertragungsnetzes aus. 23<br />
Das Ziel der Dissertation soll auf Basis der Auslegung der gesetzlichen Vorgaben, der<br />
Aufarbeitung theoretischer Konzepte, der Führung <strong>von</strong> Expertengesprächen sowie einer<br />
breit angelegten Erhebung bei Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> über den<br />
Stand und die Vorgehensweise in der Praxis erreicht werden. Mit dem Ziel der Entwicklung<br />
<strong>von</strong> Gestaltungsempfehlungen ist – in Abgrenzung zu dem <strong>von</strong> ULRICH im<br />
Zusammenhang mit praxisorientierten Aussagen im Rahmen der anwenderorientierten<br />
Wissenschaft geprägten Begriff der Gestaltungsregeln 24 – eine bewusste Abschwächung<br />
des Anspruchs der Allgemeingültigkeit der erarbeiteten Erkenntnisse für die<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> verbunden. Ob bzw. inwie-<br />
20<br />
IAS 1.8; Siehe INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (2005).<br />
21<br />
BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 9f.<br />
22<br />
Dieser Begriff wird nachfolgend als Arbeitsbegriff für die entflochtene Jahresrechnung nach Vorgabe<br />
<strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG für das Verteilnetz verwendet.<br />
23<br />
Zur Abgrenzung beider Wertschöpfungsstufen und deren Begründung siehe Kapitel 1.3.1 hiernach.<br />
24<br />
Vgl. ULRICH (1984), S. 180.
8 Einleitung<br />
weit sich die im Rahmen der vorliegenden Dissertation erarbeitenden, normativen<br />
Empfehlungen aus der Kombination <strong>von</strong> Theorie und Empirie zu Gestaltungsregeln<br />
für die Branche im Sinn <strong>von</strong> ULRICH entwickeln, oder ob sie lediglich eine Moment-<br />
aufnahme aus einem noch jungen und dynamischen Liberalisierungsprozess darstellen,<br />
müssen die Adressaten entscheiden.<br />
Die übergreifende Forschungsfrage der Dissertation lässt sich demnach wie folgt formulieren:<br />
Nach welchen Gestaltungsempfehlungen sollen die Schweizer Stromverteilnetzbetreiber<br />
über ihre Aktivitäten im Monopolbereich Verteilnetz<br />
gegenüber ihren Anspruchsgruppen im Rahmen der finanziellen<br />
Berichterstattung öffentlich Rechenschaft ablegen?<br />
1.3 Abgrenzungen und Begriffsdefinitionen<br />
Die übergreifende Forschungsfrage beinhaltet mehrere explizite Abgrenzungen, die in<br />
der Folge erläutert und begründet werden. Darüber hinaus ergibt sich aus der Vielschichtigkeit<br />
des Themas die Notwendigkeit einiger weiterer, wesentlicher Abgrenzungen.<br />
Anhand der Abgrenzungen werden auch die für die Arbeit zentralen Begriffe<br />
definiert.<br />
1.3.1 Wertschöpfungsstufe<br />
Mit dem Begriff Stromverteilnetzbetreiber grenzt die übergreifende Forschungsfrage<br />
das Erkenntnisinteresse der Dissertation entlang der horizontalen Integration auf die<br />
Sparte Strom und entlang der vertikalen Integration auf die Wertschöpfungsstufe des<br />
Verteilnetzes ein. Es stehen weder die Stromproduktion, noch die Übertragung des<br />
Stromes 25 , noch der Stromhandel 26 im Vordergrund. Aufgrund der historischen Verflechtung<br />
der Verteilnetzes mit dem Stromvertrieb 27 – also dem Verkauf des Stromes<br />
an den Endverbraucher – wird sich die Dissertation im Rahmen des Unbundling auch<br />
mit dieser Wertschöpfungsstufe vertieft auseinandersetzen. Unter dem Begriff Vertei-<br />
25<br />
Die Stromübertragung lässt sich dabei technisch <strong>von</strong> der Stromverteilung abgrenzen: Zum Übertragungsnetz<br />
gehören in der Schweiz die Höchstspannungsleitungen (220 – 380 kV, Netzebene 1),<br />
zur Verteilung die überregionalen, die regionalen sowie die lokalen Verteilnetze inklusive Transformierung<br />
(Netzebenen 2-7). Vgl. zum Netzebenenmodell WITSCHI et al. (2008), S. 15ff.<br />
26<br />
Zur Abgrenzung des Vertriebs vom Handel: Vgl. MEISTER (2007), S. 259.<br />
27<br />
Der Stromvertrieb (Verkauf / Handel <strong>von</strong> Strom) ist grundsätzlich vom Netzvertrieb (Zählwesen,<br />
Netzverträge, Betreuung reiner Netzkunden) zu <strong>unter</strong>scheiden. Der Stromvertrieb wird auch als<br />
Stromverkauf beschrieben.
Einleitung 9<br />
lung wird nachfolgend immer das Verteilnetz verstanden. Demgegenüber wird der<br />
Begriff Vertrieb in dieser Arbeit für den Verkauf <strong>von</strong> Strom an den Endkunden 28 ver-<br />
wendet. Mit dem freien Netzzugang ist es in einem liberalisierten Markt möglich, dass<br />
der für die Verteilung des Stroms bis zum Endkunden zuständige Netzbetreiber nicht<br />
mehr gleichzeitig auch Verkäufer des Produkts Strom ist.<br />
Abbildung 1-1: Wertschöpfungskette Stromgeschäft 29<br />
Die Abgrenzung des Betrachtungsobjekts Stromverteilung <strong>von</strong> der Stromübertragung<br />
hat zwei wesentliche Gründe. Erstens bestehen hinsichtlich der Technik, der Kosten-<br />
struktur sowie der Netznutzung wesentliche Unterschiede. Zweitens wird die Strom-<br />
übertragung in der Schweiz neu – durch eine rechtliche Entflechtung (Legal Unbund-<br />
ling) – <strong>von</strong> Swissgrid als nationale Netzgesellschaft wahrgenommen. 30 Deren finan-<br />
zielle Berichterstattung soll im Rahmen dieses Dissertationsprojekts nicht <strong>unter</strong>sucht<br />
werden.<br />
Monopol<br />
Produktion Übertragung Verteilung<br />
Handel Vertrieb<br />
1.3.2 Geographischer Fokus<br />
Die Dissertation fokussiert sich auf die spezifische Situation des Schweizer Strommarktes<br />
und auf dessen heterogene Akteure in der Stromverteilung. Zur Darstellung<br />
theoretischer Konzepte befasst sich die Arbeit aber auch – soweit dies aufgrund der<br />
<strong>unter</strong>schiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen sinnvoll ist – mit der Situation in<br />
anderen europäischen Ländern, insbesondere in Deutschland und Österreich.<br />
28<br />
Hierfür wird auch der Begriff der Versorgung verwendet. Vgl. BRUNEKREEFT (2003), S. 135ff.<br />
29<br />
In Anlehnung an STENDER (2008), S. 16.<br />
30<br />
Die Rahmenbedingungen der nationalen Netzgesellschaft sind im StromVG in den Art. 18ff. festgehalten.<br />
Die Entflechtungsform auf Stufe der Übertragungsnetze und die damit zusammenhängenden<br />
Rahmenbedingungen sind Brennpunkte der europäischen Liberalisierungsdiskussion. Vgl.<br />
Ziff. 2.1 zum Unbundling sowie weiterführend POLLITT (2008), VAN KOTEN & ORTMANN (2008)<br />
oder HASLAUER (2008). Zur Funktion <strong>von</strong> Swissgrid: vgl. etwa AEBI (2008).
10 Einleitung<br />
1.3.3 Finanzielle Berichterstattung<br />
Die Dissertation fokussiert sich mit der Segmentrechnung Netz auf die für die Aktivität<br />
Verteilung gemäss Art. 11 StromVG zu erfolgende Rechnungslegung <strong>von</strong> Stromver-<br />
teilnetzbetreibern. Die entflochtene Kostenrechnung und die kalkulatorischen Kosten<br />
werden in der vorliegenden Arbeit nur insofern behandelt, als ein Zusammenhang mit<br />
der Erstellung oder dem Ausweis der Segmentrechnung Netz besteht.<br />
Da sich der Ausweis einer entflochtenen Jahresrechnung in der Regel nur auf ein spe-<br />
zifisches Segment eines Elektrizitätsversorgungs<strong>unter</strong>nehmens (EVU) bezieht, 31 stellt<br />
dieser Ausweis eine Art <strong>Segmentberichterstattung</strong> dar. Diese definiert sich als Rechen-<br />
schaftspflicht eines Unternehmens im Rahmen der finanziellen Berichterstattung über<br />
seine einzelnen Aktivitäten und deren Beitrag zum Gesamtergebnis. 32 Daher wird in<br />
dieser Arbeit für die Umschreibung der entflochtenen Jahresrechnung für jedes Netz<br />
nach Art. 11 Abs. 1 StromVG der Terminus Segmentrechnung Netz verwendet.<br />
1.3.4 Rechnungswesen<br />
Gemäss dem Handbuch der Wirtschaftsprüfung (HWP) können Buchführung und<br />
Rechnungslegung als Teile des Rechnungswesens <strong>unter</strong>schieden werden: 33<br />
“Das Rechnungswesen dient der zahlenmässigen Erfassung und Verarbei-<br />
tung der für die Buchführenden vermögensmässig erheblichen internen und<br />
externen Vorgänge (Buchführung im engeren Sinne) und zur Darstellung<br />
der jeweiligen wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Unternehmen<br />
(Rechnungslegung).“<br />
Die vorliegende Arbeit befasst sich im Zusammenhang mit Fragen der Bewertung und<br />
der Offenlegung vor allem mit Themen der Rechnungslegung. Da der Aufbau <strong>von</strong> Finanz-<br />
und Betriebsbuchhaltung im Rahmen der Fragestellung zur Umsetzung des<br />
buchhalterischen Unbundling eine zentrale Rolle spielt, widmet sich die Arbeit in diesem<br />
Bereich auch der Buchführung. Dabei wird die Betriebsbuchhaltung als ein mit<br />
der Finanzbuchhaltung verbundenes Rechnungssystem zur Erfassung der Kosten und<br />
Erlöse sowie des Ergebnisses einzelner Leistungen, Leistungsgruppen, Betriebsteile<br />
31 Eine Ausnahme bildet der Fall einer eigenständigen Netzgesellschaft, deren einzige Aktivität<br />
darin besteht, das Verteilnetz zu betreiben und damit die Verteilung des Stroms an Endkunden sicherzustellen.<br />
Dieser Fall ist in der Schweiz aufgrund der historischen Marktstruktur <strong>von</strong> integrierten<br />
Elektrizitätsversorgungs<strong>unter</strong>nehmen bisher selten anzutreffen.<br />
32 Vgl. zur Definition <strong>von</strong> <strong>Segmentberichterstattung</strong>: KÖHLE (2006), S. 25f.<br />
33 HWP, Ziff. 2.111. Siehe SCHWEIZERISCHE TREUHANDKAMMER (1998).
Einleitung 11<br />
und ganzer Betriebe definiert. 34 Die gemäss Art. 11 StromVG zwingend erforderliche<br />
Kostenrechnung wird als Synonym zum Begriff Betriebsbuchhaltung verwendet. Die<br />
Arbeit befasst sich nicht weitergehend mit dem Thema der Kostenrechnung und der<br />
damit zusammenhängenden Kalkulation der Netznutzungsentgelte.<br />
Weder bei der Finanz- noch bei der Betriebsbuchhaltung stehen grundsätzliche Formen<br />
und Ausgestaltungsmöglichkeiten sowie technische Umsetzungsformen im Erkenntnis-<br />
interesse der Dissertation. Diese bietet daher keine vertiefte Behandlung <strong>von</strong> Grundla-<br />
gen und Prinzipien der Buchführung und der Rechnungslegung, sondern verweist wo<br />
nötig auf entsprechende Standardliteratur.<br />
1.3.5 Ausgewählte Anspruchsgruppen<br />
Grundsätzlich haben verschiedenste Kreise im Umfeld <strong>von</strong> Unternehmungen ein grosses<br />
Interesse daran, dass sie sich auf die Zahlen einer Jahresrechnung verlassen können.<br />
Laut dem HWP sind dies insbesondere Eigentümer, Gläubiger, Banken, Mitarbeitende<br />
und die Öffentlichkeit. 35 Die Segmentrechnung Netz stellt – im Unterschied zur<br />
Jahresrechnung einer Gesellschaft – eine Zusatzinformation über das in der Regel integrierte<br />
Segment Netz dar. Grundsätzlich ist eine erweiterte finanzielle Transparenz<br />
für die meisten Anspruchsgruppen <strong>von</strong> Interesse. Für die Segmentrechnung Netz dürften<br />
sich insbesondere die Eigentümer, die Kunden und die involvierten Behörden interessieren.<br />
Als Eigentümer steht dabei die öffentliche Hand (Gemeinden, Kantone) und<br />
damit indirekt die Öffentlichkeit im Vordergrund. Die ans Netz gebundenen Kunden<br />
<strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> sind ihrerseits an Transparenz und entsprechenden<br />
Rechtsmitteln interessiert. Beiden Gruppen kann die Segmentrechnung Netz als spezifische<br />
Informationsquelle zum Monopolbetrieb dienen. Aufgrund des rechtlichregulatorischen<br />
Kontexts der Stromversorgung sind auch die zuständigen Behörden<br />
Adressaten der finanziellen Berichterstattung. Die Revisionsstellen <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
sind in diesem Kontext ebenfalls eine relevante Anspruchsgruppe, da je<br />
nach Form der Berichterstattung die zuständigen Wirtschaftsprüfer im Rahmen der<br />
Umsetzung mit einbezogen werden und im Falle <strong>von</strong> Review- oder Prüfungsarbeiten<br />
einheitliche Richtlinien als Grundlagen benötigen. 36<br />
34<br />
HWP, Ziff. 2.111.<br />
35<br />
HWP, Ziff. 1.1.<br />
36<br />
Grundsätzlich sieht das StromVG keine Prüfungspflicht der Segmentrechnung Netz vor. Hingegen<br />
kann beispielsweise bei einer Publikation im Anhang oder bei einer gesellschaftsrechtlichen Entflechtung<br />
eine Prüfung notwendig werden (vgl. dazu Kapitel 4.3.3 hiernach).
12 Einleitung<br />
Die Würdigung der Umsetzungsvorhaben der Branche sowie die Selbstreflexion der<br />
Empfehlungen zur Segmentrechnung Netz werden sich demzufolge auf die Ansprüche<br />
und Einschätzungen folgender ausgewählter Anspruchsgruppen beziehen:<br />
• Öffentlich-rechtliche Eigentümer: öffentliche Hand (Gemeinden, Kantone)<br />
• Kunden: Freie und feste Endverbraucher im Sinne <strong>von</strong> Art. 6 StromVG<br />
• Bundesbehörden: Bundesamt für Energie (BFE), Regulationsbehörde ElCom<br />
und Eidgenössische Preisüberwachung (PUE)<br />
• Revisionsstellen <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
1.4 Methodik<br />
Die Dissertation basiert methodisch auf dem Ansatz der anwendungsorientierten Forschung.<br />
Das methodische Vorgehen geht <strong>von</strong> Problemstellungen in der Praxis aus und<br />
strebt die Gewinnung praxisrelevanter Handlungsempfehlungen an. 37 Die vorliegende<br />
Arbeit stellt die Praxisrelevanz durch die Zeitnähe der Thematik sowie durch die Ableitung<br />
konkreter Handlungsempfehlungen sicher. Sie basiert einerseits auf den ausgelegten<br />
Rechtsgrundlagen, Branchenrichtlinien, Rechnungslegungsstandards und auf<br />
Fachliteratur. Andererseits werden empirische Quellen in Form <strong>von</strong> Unternehmenspublikationen,<br />
Expertengesprächen und einer Befragung <strong>von</strong> 747 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
verarbeitet. Bei den explorativen Expertengesprächen wurden mit Vertretern<br />
pro Anspruchsgruppe sowie mit Branchenvertretern 15 Interviews durchgeführt. 38 Das<br />
empirische Hauptziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, eine repräsentative Befragung<br />
durchzuführen, welche es ermöglicht, die erarbeiteten Erkenntnisse mit dem<br />
Stand und der Richtung der Umsetzung in der Praxis zu vergleichen und aus diesem<br />
Vergleich Gestaltungsempfehlungen für das praktische Handeln abzuleiten. Die deskriptive<br />
Untersuchung beschreibt das aktuelle Verhalten der befragten Unternehmen<br />
im interessierenden Handlungskontext. 39 Dementsprechend wurde diese Untersuchung<br />
anhand <strong>von</strong> praxisbezogenen Fragestellungen strukturiert und nach strukturellen und<br />
thematischen Antworten ausgewertet. 40<br />
37<br />
Vgl. ULRICH (1984), S. 192.<br />
38<br />
Vgl. Anhang 1: Interviewleitfaden.<br />
39<br />
BORTZ & DÖRING (2006), S. 51.<br />
40<br />
Vgl. Anhang 2: Fragebogen der Online-Befragung.
Einleitung 13<br />
1.5 Aufbau der Arbeit<br />
Der Aufbau der Arbeit orientiert sich entlang der Problemstellung und der darauf ba-<br />
sierenden Zielsetzung. Jeder Teil der Arbeit setzt sich einzeln mit den in der Problem-<br />
stellung dargestellten Themenbereichen Unbundling, Bewertung und Offenlegung aus-<br />
einander, auf deren Basis sich die nach Art. 11 StromVG verlangte Segmentrechnung<br />
Netz ausgestalten lässt. Die drei Themenbereiche stellen im Rahmen dieser Arbeit die<br />
Konzeptinhalte dar, nach welchen die Gestaltungsempfehlungen aufgebaut werden.<br />
Abbildung 1-2: Aufbau der Arbeit – Konzeptinhalte 41<br />
Die Gliederung der Arbeit folgt der wissenschaftlichen Vorgehensweise: Basierend auf<br />
der theoretischen Herleitung wird die empirische Untersuchung ausgewertet. Durch<br />
den Abgleich <strong>von</strong> Theorie und Empirie werden die Gestaltungsempfehlungen entwi-<br />
ckelt.<br />
„Segmentrechnung Netz“<br />
In einem ersten Schritt werden die für die Arbeit wesentlichen Grundlagen zu den<br />
Themen Unbundling, Struktur der Schweizer Stromverteilung, Rechnungslegung in<br />
der Schweiz sowie zur kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong> erörtert (Kapitel<br />
2). In Kapitel 3 erfolgt – basierend auf den rechtlichen Grundlagen – die Auslegung<br />
der gesetzlichen Vorgaben des StromVG zur Erstellung der Segmentrechnung<br />
Netz sowie die Ableitung <strong>von</strong> rechtskonformen Grundsätzen für eine ordnungsmässige<br />
Umsetzung. Auslegung und Grundsätze bilden die Basis für die Erarbeitung <strong>von</strong><br />
rechtskonformen Gestaltungsempfehlungen. Neben der Darlegung möglicher auf<br />
Fachliteratur, Rechnungslegungsstandards und Branchenrichtlinien basierender Konzepte<br />
(Kapitel 4) werden mit der empirischen Untersuchung die Einschätzungen <strong>von</strong><br />
Branchenexperten (Kapitel 5) sowie die aktuelle Situation und Sicht betroffener<br />
41 Eigene Darstellung.<br />
Offenlegung<br />
Bewertung<br />
Unbundling<br />
Auslegungsbedürftige rechtliche Vorgaben<br />
Strukturelle Rahmenbedingungen
14 Einleitung<br />
Stromverteilnetzbetreiber mit einbezogen (Kapitel 6). Dieser Einbezug basiert auf den<br />
theoretischen Erkenntnissen und stellt die konzeptionellen Ansätze der aktuellen Un-<br />
ternehmensrealität gegenüber. Aus diesem Abgleich und den daraus gewonnen Er-<br />
kenntnissen werden in Kapitel 7 die Gestaltungsempfehlungen zur Segmentberichter-<br />
stattung <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> festgehalten und aus rechtlicher, konzeptioneller<br />
und empirischer Sicht gewürdigt. Kapitel 8 fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen.<br />
Theoretischer Teil<br />
Empirischer Teil<br />
Normativer Teil<br />
2.<br />
Grundlagen<br />
Abbildung 1-3: Aufbau und Gliederung der Arbeit 42<br />
42 Eigene Darstellung.<br />
5.<br />
Erwartungen ausgewählter<br />
Anspruchsgruppen<br />
1.<br />
Einleitung<br />
3.<br />
Vorgaben des<br />
StromVG<br />
7.<br />
Gestaltungsempfehlungen<br />
6.<br />
Umsetzung durch<br />
Stromverteilnetzbetreiber<br />
8.<br />
Thesenförmige Zusammenfassung<br />
4.<br />
Theoretische<br />
Konzepte zur<br />
Umsetzung
Grundlagen 15<br />
2 Grundlagen<br />
2.1 Struktur der Schweizer Stromverteilung<br />
Gemäss der Publikationsseite des VSE haben anfangs 2009 747 Stromverteilnetz-<br />
betreiber die gesetzlich vorgegebenen Informationen, insbesondere die Tarife nach<br />
neuem Recht, erstmals publiziert. 43 Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die überwiegende<br />
Mehrheit aller Verteilnetzbetreiber dieser Aufforderung nachgekommen ist. Die Anzahl<br />
der Schweizer Stromverteilnetzbetreiber kann auf dieser Basis auf aktuell rund<br />
800 geschätzt werden. Ein Vergleich mit älteren Quellen lässt den Schluss zu, dass im<br />
Laufe der Zeit eine gewisse Marktbereinigung erfolgte, wobei sich die betreffenden<br />
Autoren auf Schätzungen beziehen oder keine Angaben zur Herkunft der Daten machen.<br />
44 Die Anzahl der Verteilnetzbetreiber in der Schweiz ist mit derjenigen im flächenmässig<br />
mehrfach grösseren Deutschland vergleichbar. Aktuelle Erhebungen gehen<br />
<strong>von</strong> 855 deutschen Verteilnetzbetreibern aus. 45 Der Schweizer Stromverteilungsmarkt<br />
ist somit stark fragmentiert: So beläuft sich das durchschnittliche Versorgungsgebiet<br />
bei einer Landesfläche <strong>von</strong> rund 41'285 km 2 auf gerade mal 52 km 2 . Demgegenüber<br />
besteht in Deutschland, das eine Fläche <strong>von</strong> rund 357'104 km 2 aufweist, ein 8.5-mal<br />
grösseres Versorgungsgebiet pro Verteilnetzbetreiber <strong>von</strong> durchschnittlich 418 km 2 . 46<br />
In bevölkerungsmässig vergleichbaren Ländern wie Dänemark oder Österreich existieren<br />
101 bzw. 130 Verteilnetzbetreiber. 47 Die hohe Marktfragmentierung in der Schweiz<br />
wirft nicht nur Fragen bezüglich der Effizienz auf, 48 sondern hat auch hohe Anforderungen<br />
an die Regulation der Netzinfrastruktur zur Folge.<br />
43<br />
www.strom.ch; Auswertung vom 24. Januar 2009. Gemäss Art. 10 StromVV hatten sämtliche<br />
Netzbetreiber ihre entflochtenen Tarife bis spätestens am 31. August 2008 erstmals über diese Internetseite<br />
zu veröffentlichen. Per 31. August 2009 gilt neu die Seite der ElCom<br />
www.strompreis.elcom.admin.ch als zentrale Publikationsseite.<br />
44<br />
So berichtet WALSER beispielsweise 1977 noch <strong>von</strong> rund 1'200 Schweizer EVU. Das BFE geht<br />
im Jahr 2004 im erläuternden Bericht zum StromVG-Entwurf <strong>von</strong> rund 900 EVU aus. D'ARCY &<br />
BURRI (2009), S. 133, beziffern die Anzahl EVU mit 850. Gewisse Differenzen sind dabei in den<br />
<strong>unter</strong>schiedlichen Abgrenzungen begründet: Netzeigentümer sind nicht zwingend gleichzeitig<br />
auch Netzbetreiber, und reine Produktionsgesellschaften sind nicht <strong>von</strong> den Vorgaben des buchhalterischen<br />
Unbundling gemäss StromVG betroffen.<br />
45<br />
Vgl. COMMISSION OF THE EUROPEAN COMMUNITIES (2009), S. 40.<br />
46<br />
Analyse in Anlehnung an FILIPPINI & BANFI (2005), S. 20.<br />
47<br />
Vgl. COMMISSION OF THE EUROPEAN COMMUNITIES (2009), S. 40.<br />
48<br />
Vgl. zur Effizienz der Schweizer Stromverteilung etwa WILD (2000) oder auch WILMS (2001).
16 Grundlagen<br />
Grundsätzlich lassen sich die Schweizer Verteilnetzbetreiber in Überlandwerke, in re-<br />
gionale und in lokale Verteilwerke einteilen. Als national und international agierende<br />
Überlandwerke sind die Energie Ouest Suisse (EOS), die Berner Kraftwerke (BKW),<br />
die Aare Tessin AG für Elektrizität (ATEL), die Nordostschweizer Kraftwerke (NOK),<br />
die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL), die Centralschweizer Kraftwerke<br />
(CKW) und das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) tätig. EOS und ATEL haben<br />
im Januar 2009 zur ALPIQ fusioniert. NOK, CKW und EGL gehören zur AXPO<br />
Gruppe und werden <strong>unter</strong> dem Dach der AXPO Holding AG konsolidiert. Der gesamte<br />
Schweizer Strommarkt wird durch die drei Konzerne ALPIQ, AXPO und BKW dominiert.<br />
49 Dies gilt insbesondere für die Wertschöpfungsstufen Produktion, Handel und<br />
Übertragung. 50 Im Vergleich zu den zwei grössten europäischen Energiekonzernen,<br />
dem deutschen E.ON-Konzern und der Electricité de France (EDF), sind die grössten<br />
Schweizer Werke jedoch immer noch als verhältnismässig klein einzustufen. 51 Mit<br />
grössenmässig deutlichem Abstand folgen die regionalen Verteilnetzbetreiber. Dies<br />
sind insbesondere kantonale und städtische Werke – wie beispielsweise die AEW<br />
Energie AG (AEW), die Elektra Birseck (EBM) oder die Elektra Baselland (EBL) –<br />
die sich neben der Produktion durch einen verhältnismässig hohen Anteil an Verteilund<br />
Vertriebsaktivitäten auszeichnen. Bei den lokalen Verteilwerken handelt es sich<br />
demgegenüber oft um reine Wiederverkäufer, die meistens im Besitz <strong>von</strong> Städten oder<br />
Gemeinden sind. 52 Beispiele sind die Energie Wasser Bern (EWB), die St. Galler<br />
Stadtwerke (SGSW) oder die Regio Energie Solothurn (RES).<br />
Gemäss der nationalen Elektrizitätsmarktstatistik aus dem Jahr 2007 befinden sich<br />
82.7% des Kapitals der in der Schweiz tätigen EVU im Besitz der öffentlichen Hand. 53<br />
In der Realität dürfte dieser Anteil sogar noch höher sein, da die Statistik die zahlrei-<br />
49 ALPIQ (2008, pro forma): Umsatz CHF 15.8 Mia., Bilanzsumme CHF 21.4 Mia.; APXO<br />
(2007/08): Umsatz CHF 7.5 Mia., Bilanzsumme CHF 17.5 Mia.; BKW (2008): Umsatz CHF 3.4<br />
Mia., Bilanzsumme CHF 6 Mia. Vgl. die Grössenkennzahlen der einzelnen Unternehmen in Ziff.<br />
2.3.1 e).<br />
50 Vgl. SCHMIDLI (2005), S. 40: Die drei Konzerne erzeugen zusammen mehr als 50% der Landesproduktion<br />
an Strom und besitzen gemeinsam das Übertragungsnetz fast vollständig. Sie sind<br />
demnach neu massgeblich an der Swissgrid beteiligt.<br />
51 E.ON (2008): Umsatz € 86.8 Mia., Bilanzsumme € 157 Mia; EDF (2008): Umsatz € 64.3 Mia.,<br />
Bilanzsumme € 200.3 Mia. Zum Vergleich siehe Fussnote 49 oben.<br />
52 SCHMIDLI (2005), S. 45.<br />
53 BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2008e), S. 43. Die Statistik bezieht sich auf 183 EVU, die gemeinsam<br />
95% der Landeserzeugung und 62.8% der gesamtschweizerischen Verteilung ausmachen.
Grundlagen 17<br />
chen unselbstständigen Gemeindewerke nicht mit einschliesst. 54 Diese enge Verflech-<br />
tung mit der öffentlichen Hand ist in Bezug auf die Durchsetzung der regulatorischen<br />
Vorgaben grundsätzlich positiv zu beurteilen. Hingegen können daraus Interessenkonflikte<br />
zwischen der Regulation auf Bundesebene und der <strong>von</strong> Eigentümerinteressen<br />
geprägten Ebene der Kantone bzw. der Gemeinden entstehen. Zusätzlich besteht bei<br />
Gemeindewerken die Problematik, dass aufgrund fehlender politischer Akzeptanz <strong>von</strong><br />
rechtlichen Ausgliederungen in eigenständige Gesellschaften vielerorts zahlreiche finanzielle<br />
und personelle Verflechtungen <strong>von</strong> Gemeinden und EVU bestehen bleiben. 55<br />
Die regulatorische Vorgabe der Unabhängigkeit des Netzbetriebs im Rahmen des Art.<br />
10 StromVG gewinnt in diesem Kontext zusätzlich an Relevanz. 56<br />
2.2 Unbundling <strong>von</strong> integrierten EVU<br />
2.2.1 Ökonomische Begründung des Unbundling<br />
Ein natürliches Monopol besteht grundsätzlich dann, wenn eine einzelne Unternehmung<br />
das gesamte Angebot zu tieferen Preisen anbieten kann, als wenn mehrere Firmen<br />
dieses zur Verfügung stellen würden. 57 Die Existenz natürlicher Monopole ist<br />
aber noch keine hinreichende Bedingung für eine Regulation. 58 Regulationsbedarf entsteht<br />
erst, wenn ein natürliches Monopol nicht angreifbar ist, zum Beispiel aufgrund<br />
<strong>von</strong> Ein- und Austrittsbarrieren. Dies trifft bei Stromnetzen aufgrund konzessionsrechtlicher,<br />
baurechtlicher und umweltschutzrechtlicher Barrieren zu. 59 Die Identifikation<br />
solcher natürlicher Monopole ist im Fall <strong>von</strong> vertikal integrierten Unternehmen<br />
jedoch erschwert, da sich das natürliche Monopol entweder auf einzelne Wertschöpfungsstufen<br />
begrenzt oder durch Verbundeffekte (Economies of Scope) auch nachgelagerte<br />
Wertschöpfungsstufen beeinflusst. 60<br />
54<br />
BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 11.<br />
55<br />
Vgl. zu den Organisationsformen öffentlicher Werke weiterführend etwa WELTERT (1990),<br />
S. 117ff.<br />
56<br />
Dies bestätigt auch die Erfahrung in Deutschland. Vgl. GOES (2003), S. 90.<br />
57<br />
Vgl. etwa DIEKMANN et al. (2007), S. 18, JOSKOW & SCHMALENSEE (1983), S. 29ff.,<br />
ZENHÄUSERN et al. (2008), S. 14f., RECHSTEINER (2001), S. 6.<br />
58<br />
Vgl. DEMSETZ (1988), S. 269ff., zit. in ZENHÄUSERN et al. (2008), S. 15.<br />
59<br />
Vgl. STRAUB (2005), S. 43f. Dieser Tatbestand ist bereits in Bezug auf den Netzbetrieb oder den<br />
Netz<strong>unter</strong>halt umstritten. So begründet etwa SAPLACAN (2008) die Begrenzung des Monopols auf<br />
das Infrastruktur-Eigentum und empfiehlt zur Erreichung ökonomisch effizienter Strukturen eine<br />
zwingende Ausschreibung <strong>von</strong> Tätigkeiten im Netz.<br />
60<br />
Vgl. JOSKOW & SCHMALENSEE (1983), S. 30.
18 Grundlagen<br />
Generell lassen sich bei Netzwerkindustrien drei abstrakte Netzebenen <strong>unter</strong>scheiden,<br />
die in Bezug auf den Strommarkt wie folgt angewendet werden können:<br />
Ebene I: Nutzen<br />
• Netznutzung: Handel und Vertrieb <strong>von</strong> Strom<br />
Ebene II: Logisch<br />
• Netzmanagement: Netzbetrieb, Messung, Leittechnik,<br />
Systemdienstleistungen<br />
Ebene III: Physisch<br />
• Netzinfrastruktur: Bau und Instandhaltung der Übertragungsund<br />
Verteilnetze, Netzanschlüsse<br />
Abbildung 2-1: Unbundling der Netzebenen im Sektor Strom 61<br />
Unbundling<br />
Ebene I ist die Nutzungsebene, auf der insbesondere die Stromlieferung und der Han-<br />
del stattfinden. Ebene II ist die logische Ebene, auf welcher die Netznutzung geleitet,<br />
gemessen und systemtechnisch sichergestellt wird. Hier sind im Strommarkt insbesondere<br />
die Systemdienstleistungen auf Stufe des Übertragungsnetzes erwähnenswert, die<br />
gemäss Art. 15 Abs. 2a StromVV in den Aufgabenbereich der nationalen Netzgesellschaft<br />
fallen. Auf Stufe der Verteilnetze werden die Aufgaben des Netzmanagement<br />
(vor allem Netzbetrieb und Messung) durch die einzelnen Verteilnetzbetreiber erbracht.<br />
Ebene III stellt die eigentliche Netzinfrastruktur dar.<br />
Im Sektor Strom hat sich gezeigt, dass eine Notwendigkeit für ein Unbundling besteht,<br />
da die Charakteristika geschützter, natürlicher Monopole insbesondere auf der physischen<br />
Ebene der Netzinfrastruktur und teilweise auf der logischen Ebene des Netzmanagements<br />
identifiziert werden können. 62 Vor allem die Ebene der Netzinfrastruktur<br />
zeichnet sich angebots- und nachfrageseitig durch positive externe Effekte aus, da de-<br />
61 In Anlehnung an ZENHÄUSERN et al. (2008), S. 21 und 29, und <strong>unter</strong> Verwendung der Terminologie<br />
der Branche gemäss MUNZ (2008). Dabei ist der Netzbetrieb auf Ebene II im engeren Sinn<br />
definiert (Netzführung und -überwachung, Schaltung, Netzplanung, etc.). Der juristisch verwendete<br />
Begriff des Netzbetriebs umfasst sämtliche Tätigkeiten eines Netzbetreibers inklusive Bau<br />
und Instandhaltung. Vgl. dazu weiterführend Kapitel 3.4.1 hiernach.<br />
62<br />
Vgl. DIEKMANN et al. (2007), S. 21. Demgegenüber begrenzt SAPLACAN (2008) diese auf die<br />
reine Netzinfrastruktur.
Grundlagen 19<br />
ren Durchschnittskosten bei zunehmender Angebotsmenge sinken. 63 Die daher be-<br />
gründete Entflechtung und Regulation der Übertragungs- und Verteilnetze gilt als Vor-<br />
aussetzung für den Erfolg der Strommarktliberalisierung, da eine vollständige Libera-<br />
lisierung die Markteffizienz senken und zu politisch nicht gewollten Effekten – wie<br />
dem Bau <strong>von</strong> Parallelinfrastrukturen – führen würde. 64 Das BFE begründet die Regula-<br />
tion gemäss StromVG auf Basis dieser Überlegungen wie folgt: 65<br />
„Das Elektrizitätsnetz ist ein so genanntes natürliches Monopol. Es ist öko-<br />
nomisch und ökologisch nicht sinnvoll, mehrere Elektrizitätsnetze neben-<br />
einander aufzubauen. Es gilt daher der Grundsatz: Kein Wettbewerb im<br />
Netz, aber Wettbewerb beim Energiehandel. Voraussetzung für den Wettbe-<br />
werb beim Energiehandel ist, dass Dritte die Elektrizitätsnetze zur Durchleitung<br />
<strong>von</strong> Strom benutzen dürfen. Die Stromversorgungsgesetzgebung regelt<br />
die Modalitäten dieser Nutzung. Damit wird Rechtssicherheit geschaffen.<br />
Das Bundesgericht hat zwar schon 2003 gestützt auf das Kartellgesetz<br />
entschieden, dass Elektrizitätsnetze Dritten für die Durchleitung <strong>von</strong> Strom<br />
zur Verfügung gestellt werden müssen. Über die Konditionen mussten jedoch<br />
bisher in jedem Einzelfall Verhandlungen und <strong>unter</strong> Umständen sogar<br />
Gerichtsprozesse geführt werden.“<br />
2.2.2 Formen des Unbundling<br />
Das Unbundling der Netze und der übrigen Tätigkeiten kann im Rahmen einer Regulation<br />
in verschiedenen Formen vorgegeben werden. Insbesondere lassen sich folgende<br />
Hauptformen des Unbundling <strong>unter</strong>scheiden:<br />
FORM AUSPRÄGUNG ANWENDUNG<br />
Buchhalterisches<br />
Unbundling / Unbundling<br />
of Accounts<br />
Trennung des Netzbetriebs <strong>von</strong> den<br />
übrigen Tätigkeiten im Rahmen der<br />
Buchhaltung zur Verhinderung <strong>von</strong><br />
Quersubventionierungen. Daraus<br />
resultieren entflochtene Kosten- und<br />
Jahresrechnungen.<br />
63<br />
Vgl. ZENHÄUSERN et al. (2008), S. 14.<br />
64<br />
Vgl. JOSKOW & SCHMALENSEE (1983).<br />
65<br />
BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2008c), S. 2.<br />
Schweiz: Gemäss Art. 10 Abs. 3<br />
i.V.m. Art. 11 StromVG für jedes<br />
Übertragungs- und Verteilnetz.<br />
EU: Gemäss Art. 19 Abs. 3 der<br />
Richtlinie 2003/54/EG für jedes<br />
Übertragungs- und Verteilnetz.
20 Grundlagen<br />
Informatorisches<br />
Unbundling / Confidentiality<br />
Organisatorisches /<br />
Operationelles / ManagementUnbundling<br />
Rechtliches / Legal<br />
Unbundling<br />
Eigentumsrechtliches<br />
/ Ownership Unbundling<br />
Umsetzung der internen Vertraulichkeit<br />
zwischen Netzbetrieb und<br />
Stromvertrieb; Gleichbehandlung des<br />
internen Stromverkaufs wie Drittlieferanten<br />
(Nichtdiskriminierung).<br />
Unabhängige Organisationseinheit<br />
für den Netzbetrieb inklusive personeller<br />
Trennung und weitgehend<br />
autonomer Entscheidungsbefugnisse.<br />
Ausgliederung des Netzbetriebs in<br />
eine separate Netzgesellschaft. Das<br />
Netzeigentum kann beim integrierten<br />
EVU (in der Regel Muttergesellschaft)<br />
verbleiben.<br />
Trennung des Netzbetriebs inklusive<br />
des Eigentums am Netz vom integrierten<br />
EVU. Qualifikation abhängig<br />
<strong>von</strong> anschliessenden Eigentümerstrukturen<br />
der Netzgesellschaft.<br />
Tabelle 2-1: Überblick zu den Formen des Unbundling 67<br />
Schweiz: Alle Netzbetreiber gemäss<br />
Art. 10 Abs. 2 StromVG.<br />
EU: Übertragungs-und Verteilnetzbetreiber<br />
gemäss Art. 12 bzw. 16 der<br />
Richtlinie 2003/54/EG.<br />
Schweiz: Gemäss Art. 18 StromVG<br />
nur auf Stufe Übertragungsnetz<br />
(Swissgrid).<br />
EU: Gemäss Art. 10 und 15 der<br />
Richtlinie 2003/54/EG für alle Netzbetreiber<br />
mit Ausnahme <strong>von</strong> Verteilnetzbetreibern<br />
mit weniger als<br />
100'000 angeschlossenen Kunden.<br />
Schweiz: Gemäss Art. 33 Abs. 1<br />
StromVG nur auf Stufe Übertragungsnetz<br />
(ab 1.1.2009).<br />
EU: Gemäss Art. 10 und 15 der<br />
Richtlinie 2003/54/EG für alle Netzbetreiber<br />
mit Ausnahme <strong>von</strong> Verteilnetzbetreibern<br />
mit weniger als<br />
100'000 angeschlossenen Kunden.<br />
Schweiz: Gemäss Art. 33 Abs. 4<br />
StromVG durch die Übertragung der<br />
Übertragungsnetze auf die nationale<br />
Netzgesellschaft Swissgrid (ab 1.1.<br />
2013). 66<br />
EU: Die Richtlinie 2003/54/EG sieht<br />
diese Form der Trennung nicht vor.<br />
66 Die Swissgrid verfügt damit ab dem 1.1.2013 über das direkte Eigentum am Schweizerischen<br />
Übertragungsnetz. Sie selbst verbleibt aber im Eigentum der bisherigen Netzeigentümer. Nach<br />
Auslegung <strong>von</strong> PRICEWATERHOUSECOOPERS (2009), S. 26, qualifiziert dies im Fall der Schweiz<br />
als eigentumsrechtliches Unbundling. Diese Qualifikation ist in Abgrenzung zum rechtlichen Unbundling<br />
in der Regel <strong>von</strong> den Anteilen abhängig, welche die bisherigen Netzeigentümer nach der<br />
Übertragung besitzen. Auszuschliessen wäre eine Beherrschung durch einzelne, bisherige Eigentümer.<br />
Vgl. dazu etwa BAUR & SCHMIDT-PREUSS (2006), S. 23, oder HASLAUER (2008), S. 11.<br />
67 Eigene Darstellung in Anlehnung an BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2008c), S. 14; HECKELMANN<br />
(2006), S. 30; BAUR & SCHMIDT-PREUSS (2006), S. 3ff.; BRITSCH & KÜPER (2007), S. 29ff.
Grundlagen 21<br />
Die in der Schweiz mit dem StromVG geltende Lösung des buchhalterischen und des<br />
informatorischen Unbundling auf Stufe der rund 800 Verteilnetzbetreiber ist vor dem<br />
Hintergrund der heterogenen und fragmentierten Marktstruktur als verhältnismässig<br />
einzustufen. 68 Im Vergleich zu den Vorgaben der EG 69 sind die Entflechtungsbestim-<br />
mungen für die regional und national tätigen Verteilnetzbetreiber mit mehr als 100'000<br />
Endkunden jedoch moderat. 70 Vergleichbare Anbieter in der EU müssen seit der Ein-<br />
führung der Richtlinie 2003/54/EG ihren Netzbetrieb organisatorisch und rechtlich<br />
entflechten. 71 Das BFE begründet im erläuternden Bericht zum Entwurf des StromVG<br />
den Unterschied damit, dass die EG-Schwelle <strong>von</strong> 100'000 Kunden <strong>unter</strong> Gleichbe-<br />
handlungsgesichtspunkten heikel und stattdessen die sachliche Grenzziehung zwischen<br />
Übertragungs- und Verteilnetz zu bevorzugen sei. 72 Hierbei ist allerdings zu beachten,<br />
dass im Entwurf zu Art. 10 Abs. 3 StromVG vom 30. Juni 2004 durch das BFE auch<br />
das organisatorische Unbundling inklusive der Entscheidungsautonomie für alle Verteilnetzbetreiber<br />
explizit vorgesehen war und somit für kleine und mittlere Verteilnetzbetreiber<br />
in der Schweiz im Vergleich zu den Vorgaben in der EG sogar strengere Unbundling-Vorschriften<br />
gegolten hätten. Diese weitgehende Entflechtungsvorgabe wurde<br />
aber im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses abgeschwächt, indem in Art. 10 Abs.<br />
1 StromVG nur noch allgemein die Sicherstellung der Unabhängigkeit des Netzbetriebs<br />
verlangt wird. 73<br />
Am Beispiel Deutschland ist festzustellen, dass die Einschätzung der Auswirkungen<br />
der strengeren Unbundlingvorschriften <strong>unter</strong>schiedlich ausfällt. BAUER beurteilt die<br />
aktuell geltenden Vorgaben aus juristischer Sicht beinahe enthusiastisch: 74<br />
68 Eine organisatorische Trennung wäre bei vielen kleinen Netzbetreibern aufgrund <strong>von</strong> Personalunionen<br />
nicht realisierbar, so dass eine entsprechend strenge Unbundling-Vorgabe in der Schweiz<br />
viele Betriebe zur Aufgabe der Vertriebsfunktion zwingen würde. Eine rein rechtliche Trennung<br />
würde zu hohen Transaktionskosten führen und ohne Kombination mit organisatorischen Auflagen<br />
kaum eine Wirkung erzielen. Denkbar wären indes grössenabhängige Vorgaben. Vgl. dazu<br />
auch TREBILCOCK & GAL (1999) zit. in RECHSTEINER (2001), S. 157.<br />
69 Europäische Gemeinschaft (EG) als formeller Rechtskörper der Europäischen Union (EU).<br />
70 In der Schweiz dürften schätzungsweise nur rund 20 Verteilnetzbetreiber über mehr als 100'000<br />
Kunden im Verteilnetzbereich verfügen.<br />
71 Wobei in Bezug auf die rechtliche Entflechtung für Verteilnetzbetreiber die Übergangsfrist vom<br />
1. Juli 2004 auf den 1. Juli 2007 verschoben wurde. Vgl. dazu Kapitel 3.3.1 hiernach.<br />
72 BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 64.<br />
73 Vgl. die Auslegung in Kapitel 3.4.1a), letzter Abschnitt, sowie die Einwände der Branche im<br />
Rahmen der Vernehmlassung: BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004a), S. 16.<br />
74 BAUR & SCHMIDT-PREUSS (2006), S. 9.
22 Grundlagen<br />
„Das integrierte Energieversorgungs<strong>unter</strong>nehmen wird es in Zukunft<br />
grundsätzlich nicht mehr geben. Die durch innerstaatliche Regelungen <strong>von</strong><br />
der [rechtlichen und organisatorischen] Entflechtung freistellbaren "klei-<br />
nen" Stadtwerke (nicht mehr als 100'000 angeschlossene Kunden) können<br />
vernachlässigt [sic!] werden.“<br />
Beachtenswert ist dabei, dass <strong>von</strong> den 855 deutschen Verteilnetzbetreibern 779 kleine<br />
und mittlere Gesellschaften durch die sogenannte De-minimis-Regelung <strong>von</strong> den<br />
schärferen Unbundling-Vorgaben befreit bleiben; bisher haben da<strong>von</strong> 705 Betreiber<br />
Gebrauch gemacht. 75 Für die 150 anderen Unternehmen zeigen etwa die Autoren der<br />
Wirtschaftsprüfungs- und -beratungsgesellschaft PRICEWATERHOUSECOOPERS auf,<br />
dass selbst beim rechtlichen Unbundling eine Übertragung der Netze nicht notwendig<br />
ist, da ein Netzbetrieb im Pachtmodell möglich bleibt. 76 Auch bei der organisatori-<br />
schen Entflechtung ist es trotz getrennter Zuständigkeiten zulässig, den Netzbetrieb im<br />
Extremfall in Form einer Ein-Personen-Gesellschaft auszugestalten, wobei die zuständigen<br />
Mitarbeitenden im integrierten Mutter<strong>unter</strong>nehmen – mit Ausnahme der Bereiche<br />
Produktion, Handel und Vertrieb – tätig bleiben können. Es ist daher möglich, wesentliche<br />
Leistungen (zum Beispiel Bau, Instandhaltung oder Netzführung) beim integrierten<br />
Versorgungs<strong>unter</strong>nehmen zu belassen und im Sinne einer Minimal-<br />
Ausgliederung nur zwingend notwendige Leitungs- und Entscheidungsaufgaben (zum<br />
Beispiel Netzstrategie, Vorgaben Netzführung, Entscheid Netznutzungsentgelte oder<br />
Kapazitätsvergabe) effektiv auf den Netzbetreiber auszulagern. 77<br />
2.2.3 Unbundling vs. Integration<br />
Grundsätzlich lässt sich die optimale Struktur eines Unternehmens durch eine möglichst<br />
effiziente Gestaltung sämtlicher internen und externen Beziehungen mit dem<br />
Ziel der Minimierung <strong>von</strong> Transaktionskosten bestimmen. 78 Aufgrund der Existenz<br />
<strong>von</strong> wesentlichen Grössenvorteilen (Economies of Scale) sowie <strong>von</strong> Verbundeffekten<br />
75<br />
Vgl. COMMISSION OF THE EUROPEAN COMMUNITIES (2007), S. 30; COMMISSION OF THE<br />
EUROPEAN COMMUNITIES (2009), S. 40. Weitere Ausführungen zu der De-minimis-Regelung in<br />
Bezug auf Abgrenzungskriterien stellen etwa TÖDTMANN & SETZ (2006), S. 68ff., dar.<br />
76<br />
Vgl. im Überblick BRITSCH & KÜPER (2007), S. 29f.; BRITSCH & RAUSCH (2007) zur Umsetzung<br />
des rechtlichen Unbundling; LIESENHOFF & KÜPER (2007) zur Umsetzung des organisatorischen<br />
Unbundling.<br />
77<br />
Vgl. zu den Ausgestaltungsvarianten: LIESENHOFF & KÜPER (2007), S. 128.<br />
78 Vgl. WILLIAMSON (1975), S. 8: Grundsätzlich ist die Transaktionsabwicklung innerhalb eines<br />
Unternehmens mit derjenigen über den Markt zu vergleichen. Entscheidend für die Wahl zwischen<br />
Organisation oder Markt ist die relative Effizienz.
Grundlagen 23<br />
(Economies of Scope) agieren Stromverteilnetzbetreiber mehrheitlich in der Form <strong>von</strong><br />
horizontal und vertikal integrierten Versorgungs<strong>unter</strong>nehmen. 79 Auf der Basis einer<br />
mehrjährigen Studie deutscher EVU zeigen MÜLLER et al. auf, wie eine erfolgreiche<br />
Diversifikationsstrategie <strong>von</strong> Schweizer EVU im liberalisierten Umfeld aussehen<br />
kann. 80 Dabei wird deutlich, dass sowohl die vertikale Integration mehrerer Wertschöpfungsstufen<br />
innerhalb der Sparte Strom als auch die horizontale Integration anderer<br />
Infrastruktursparten aufgrund der Skalen- und Verbundeffekte als erfolgsversprechend<br />
gelten. 81 Im Fall der horizontalen Integration besteht das Ziel primär darin, dem<br />
Kunden eine Vollversorgung aus einer Hand bieten zu können sowie andererseits<br />
durch den koordinierten Bau und Unterhalt verschiedener Leitungen in einem Schacht<br />
sowie durch eine gemeinsame Betriebs- und Verwaltungsorganisation wesentliche<br />
Synergien zu generieren. 82 Sogenannte Querverbund<strong>unter</strong>nehmen sind neben der Sparte<br />
Elektrizität insbesondere in den Sparten Gas, Wärme, Licht, Wasser, Abwasser und<br />
Telekommunikation tätig. 83 So wurden in der Schweiz seit den sechziger Jahren zahlreiche<br />
öffentlich-rechtliche Gemeinde-, Stadt und Kantonswerke aufgrund <strong>von</strong> Organisationsvorteilen<br />
in den Sparten Gas, Wasser und Elektrizität zusammengelegt. 84<br />
Die Umsetzung <strong>von</strong> Unbundling-Vorgaben im Rahmen der Strommarktliberalisierung<br />
zielt in erster Linie auf die vertikale Desintegration zwischen dem Netz und den übrigen<br />
Aktivitäten ab und kann je nach Intensität der Vorgabe zu tiefgreifenden Anpassungen<br />
führen. 85 Dadurch entsteht die latente Gefahr <strong>von</strong> Synergieverlusten infolge<br />
79<br />
Vgl. etwa JOSKOW & SCHMALENSEE (1983), S. 25ff., in Bezug auf die USA, MÜLLER et al.<br />
(2008) in Bezug auf Deutschland oder FILIPPINI & BANFI (2005) in Bezug auf die Schweiz.<br />
80<br />
Studie über die Existenz und die Qualität der Diversifikationsstrategien im deutschen Markt <strong>von</strong><br />
1995 bis 2000: MÜLLER et al. (2008).<br />
81<br />
FARSI et al. (2008), S. 140, beziffern die Synergien aus vertikaler Integration auf 4-15% Kosteneinsparungen<br />
aus Economies of Scope und 7-15% Kosteneinsparungen aus Economies of Scale.<br />
Kleinere EVU können gar bis zu 30% Kosteneinsparungen aus Economies of Scope erzielen.<br />
82<br />
Vgl. MÜLLER et al. (2008), S. 407.<br />
83<br />
Strom, Gas und Wärme lassen sich <strong>unter</strong> dem Begriff "Energie" zusammenfassen. Die Abkürzung<br />
EVU steht daher auch regelmässig für Energieversorgungs<strong>unter</strong>nehmen.<br />
84<br />
Vgl. WALSER (1977). Die folgenden Städte hatten sich damals zu diesem Schritt entschlossen:<br />
Aarau, Chur, Genf, La Chaux-de-Fonds, Lausanne, Lugano, Luzern, Olten, Sion, Solothurn,<br />
St.Gallen, Thun, Winterthur, Yverdon und Zug (Sonderfälle waren damals Zug mit der Wasserwerke<br />
Zug AG und Genf mit einer selbständige Anstalt).<br />
85<br />
FLEGEL & DOTZENRATH (2006), S. 139. Vgl. auch STENDER (2008), S. 39ff., oder SCHWARZ<br />
(2002) zur Entwicklung der Organisationsformen und neuen Funktionen im Zuge des Unbundling.
24 Grundlagen<br />
zukünftig notwendig werdenden Doppelspurigkeiten. 86 In grösseren Betrieben kann<br />
dieser Gefahr mit einer entsprechende Neustrukturierung der vom Unbundling betrof-<br />
fenen Prozesse, mit dem Einsatz <strong>von</strong> IT-Systemen mit getrennter Datenhaltung oder<br />
mit anderen organisatorischen Massnahmen begegnet werden.<br />
In Bezug auf die horizontale Integration stellt sich die Frage, inwiefern entsprechende<br />
Unbundling-Vorgaben ebenfalls zu einer Desintegration führen können. 87 Das<br />
StromVG bezieht sich ausschliesslich auf die Sparte Strom und behandelt daher nur<br />
die vertikale Integration. Im Fall <strong>von</strong> Deutschland umfasst das Energiewirtschaftgesetz<br />
(EnWG) die Sparten Gas und Strom. 88 Dabei zeigt sich, dass der spartenübergreifende<br />
Betrieb <strong>von</strong> entflochtenen Netzen die Unbundling-Vorgaben erfüllt, soweit im Rahmen<br />
der buchhalterischen Entflechtung Aufschluss über jede Netzaktivität der einzelnen<br />
Sparten erfolgen kann. 89 Für integrierte EVU bedeutet das grundsätzlich, dass die<br />
buchhalterische Entflechtung trotz der Vorgabe des rechtlichen Unbundling ihre Bedeutung<br />
behält. 90 Im Fall der Schweiz dürfte es daher in Bezug auf das informatorische<br />
Unbundling nach Art. 10 Abs. 2 StromVG ebenfalls nicht schädlich sein, wenn der<br />
Netzbereich spartenübergreifend tätig bleibt und damit entsprechende Synergien beibehalten<br />
werden können. Demgegenüber ist buchhalterisch auch ein Unbundling der<br />
Stromnetze <strong>von</strong> den Netzen anderer Sparten nötig.<br />
2.2.4 Informatorisches Unbundling und Tarifregulation<br />
Zusammen mit dem buchhalterischen Unbundling soll das zwingende informatorische<br />
Unbundling die Unabhängigkeit des Netzbetriebs im Minimum bezüglich vertraulicher<br />
und finanzieller Informationen sicherstellen. Es gilt der Grundsatz der Nichtdiskriminierung,<br />
welcher besagt, dass ein vertikal integriertes EVU eigene Bedürfnisse, das<br />
heisst insbesondere Bedürfnisse aus den Bereichen Handel und Vertrieb, bei der Netznutzung<br />
und bei der Zuteilung der Netzkapazitäten nicht bevorzugt behandeln darf. 91<br />
Nach Art. 10 StromVG sollen die Vertraulichkeit der wirtschaftlich sensiblen Informa-<br />
86<br />
STENDER (2008) beschreibt denn auch die Zielsetzung der Unbundling-Vorgaben als Verhinderung<br />
wettbewerbswidriger Synergieeffekte.<br />
87<br />
Vgl. FARSI et al. (2008).<br />
88<br />
Die Liberalisierung in der EU bezieht sich generell auf den Energiemarkt, und damit auf die Sparten<br />
Strom- und Gas, wobei für jede Sparte eine separate Richtlinie erlassen wurde. Strom: Richtlinie<br />
2003/54/EG; Gas: Richtlinie 2003/55/EG.<br />
89<br />
Vgl. TÖDTMANN & SETZ (2006), S. 60ff., oder FLEGEL & DOTZENRATH (2006), S. 140.<br />
90<br />
Dies bestätigt auch POULLIE (2007), S. 204.<br />
91<br />
Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 63.
Grundlagen 25<br />
tionen gegen aussen sowie gegen innen in Bezug auf andere Tätigkeitsbereiche ge-<br />
schützt werden.<br />
Das buchhalterische Unbundling, dessen Umsetzung in den nachfolgenden Kapiteln<br />
vertieft wird, manifestiert sich in den nach Art. 11 StromVG <strong>von</strong> den Netzbetreibern<br />
und Netzeigentümern zu erstellenden Jahres- und Kostenrechnungen. Demgegenüber<br />
lässt sich die Existenz des informatorischen Unbundling <strong>von</strong> aussen kaum beurteilen.<br />
Zudem besteht bei der Umsetzung des informatorischen Unbundling ein grosser Auslegungsbedarf,<br />
da die wirtschaftlich sensiblen Daten des Netzbetriebs definiert werden<br />
müssen. Die Schweiz hat diesbezüglich noch keine Richtlinien entwickelt. Das BFE<br />
verweist auf das Beispiel Deutschland, wo zum Beispiel Name, Adresse und Verbraucherdaten<br />
eines Netznutzers als sensibel gelten. 92 Entsprechende Publikationen lassen<br />
erkennen, wie schwierig die Umsetzung des informatorischen Unbundling in der Realität<br />
ist, und dass in der Regel auch organisatorische und systemtechnische Massnahmen<br />
dazu nötig sind. 93 Der Unterschied zum organisatorischen Unbundling ist vor diesem<br />
Hintergrund bedeutend kleiner, als gemeinhin erwartet wird. Entsprechend bezeichnen<br />
viele Kenner die Vorgabe der informatorischen Entflechtung als die gravierendste<br />
Entflechtungsvorschrift. 94 Wie sich die im Fall der Schweiz noch nicht weiter<br />
konkretisierten Vorgaben zum informatorischen Unbundling bei den zahlreichen kleineren<br />
<strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> umsetzen lassen, ist noch offen. Funktionen <strong>von</strong> Vertrieb<br />
und Verteilung werden hier aufgrund der Betriebsgrössen oft in Personalunion<br />
ausgeführt. Bei mittleren und grösseren Betrieben wäre beim Einsatz <strong>von</strong> Querschnittabteilungen<br />
(Shared Services) eine interne Vertraulichkeit durch Einführung <strong>von</strong> Chinese<br />
Walls erforderlich. 95 Inwiefern sich eine entsprechende, einheitliche Praxis zur<br />
Umsetzung des informatorischen Unbundling auf Verteilnetzebene in der Schweiz<br />
etablieren wird, hängt massgeblich <strong>von</strong> künftigen Vorgaben der Branche entlang dem<br />
Subsidiaritätsprinzip bzw. <strong>von</strong> der ElCom ab.<br />
Losgelöst <strong>von</strong> dieser Umsetzungsproblematik bringt die aus dem informatischen und<br />
buchhalterischen Unbundling resultierende, getrennte Informationsbereitstellung durch<br />
92<br />
Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2008c), S. 14. Gemäss FLEGEL & DOTZENRATH (2006), S. 141,<br />
sind insbesondere die Prozesse Vertrieb, Mess- und Zählerwesen, Energiedatenmanagement,<br />
Kundenbetreuung und Abrechnung vom informatorischen Unbundling betroffen.<br />
93<br />
Vgl. etwa BUNDESNETZAGENTUR (2007), TÖDTMANN & SETZ (2006), S. 90ff., oder DIRKS &<br />
KLIEVE (2007).<br />
94<br />
BRITSCH & KÜPER (2007), S. 31.<br />
95 Vgl. TÖDTMANN & SETZ (2006), S. 94.
26 Grundlagen<br />
integrierte EVU eine Verbesserung der Transparenz. Kongruent damit ist die Vorgabe<br />
zum getrennten Ausweis der Bestandteile des Elektrizitätstarifs 96 im Rahmen der<br />
Rechnungsstellung an Kunden gemäss Art. 6 Abs. 3 StromVG. Die Kosten des Netzes<br />
sind durch den Netznutzungstarif und die Kosten der Stromlieferung durch den Ener-<br />
gieliefertarif – also ohne Quersubventionierung – zu refinanzieren. Zusätzlich sind<br />
Abgaben an die öffentliche Hand separat auszuweisen. Aus Sicht der Verteilnetzbetrei-<br />
ber sind neben den primär durch die Konzessionspflicht begründeten Abgaben und<br />
Leistungen an Gemeinwesen sowie der nationalen Abgabe zur Förderung erneuerbarer<br />
Energie (Kostendeckende Einspeisevergütung, KEV) 97 auch die Systemdienstleistungen<br />
(SDL) der Swissgrid eine Art Abgabe, welche oft separat ausgewiesen wird. 98<br />
Elektrizitätstarif (sog. All-in-Tarif)<br />
Netznutzungstarif Energieliefertarif Abgaben<br />
Netznutzung<br />
Rp./kWh<br />
CHF/kW<br />
CHF/Monat<br />
Systemdienstleistungen<br />
Swissgrid<br />
Rp./kWh<br />
Abbildung 2-2: Komponenten des Elektrizitätstarifs 99<br />
Gemäss dem Prinzip des Unbundling kann sich die Regulation auf das Netz und damit<br />
auf die Bestandteile des Netznutzungstarifs beschränken. Aufgrund der Ausrichtung<br />
des StromVG auf Versorgungssicherheit enthält das Schweizer Modell jedoch sowohl<br />
in der ersten Phase der Teilliberalisierung (feste Endverbraucher gemäss Art. 6<br />
StromVG) als auch nach der vollständigen Öffnung (Wahlmodell abgesicherte Stromversorgung<br />
(WAS) gemäss Art. 7 StromVG) zusätzlich eine Teil-Regulation im Bereich<br />
Vertrieb, indem die Energieliefertarife für Endverbraucher mit Grundversorgung<br />
durch die ElCom zu überwachen sind. 100 Entsprechend sind die Verteilnetzbetreiber<br />
96 Dabei verwendet das StromVG für die regulierten Bereiche den Begriff "Tarif", wohingegen im<br />
liberalisierten Teil des Marktes der Begriff "Preis" verwendet wird. Vgl.<br />
PRICEWATERHOUSECOOPERS (2009), S. 12.<br />
97 Aktuell 0.45 Rp./kWh, gemäss Art. 15b des Energiegesetzes (EnG) maximal 0.6 Rp./kWh. Vgl.<br />
BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2008b), S.7.<br />
98<br />
Gemäss Art. 31b der revidierten StromVV beträgt der Tarif für die SDL bis 2013 maximal 0.4<br />
Rp./kWh.<br />
99<br />
In Anlehnung an EIDGENÖSSISCHE ELEKTRIZITÄTSKOMMISSION ELCOM (2008b), TAMI (2008),<br />
S. 31, und ITEN et al. (2001), S. 15ff.<br />
100 Art 22 Abs. 2 lit. b StromVG.<br />
Strom<br />
Rp./kWh<br />
Abgaben und<br />
Leistungen an<br />
Gemeinwesen<br />
Rp./kWh<br />
Abgabe für<br />
Förderung<br />
erneuerbarer<br />
Energien (KEV)<br />
Rp./kWh
Grundlagen 27<br />
gemäss Art. 6 Abs. 4 StromVG verpflichtet, auch für diesen Bereich eine Kostenträ-<br />
gerrechnung zu führen. Damit müssen EVU im Bedarfsfall, zusätzlich zum Unbund-<br />
ling des Netzes, auch die Angemessenheit der Energieliefertarife nachweisen kön-<br />
nen. 101<br />
2.3 Rechnungslegung <strong>von</strong> Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
Die Rechnungslegung <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> wird auf einer ersten Ebene<br />
massgeblich durch die Rechtsform und die damit verbundenen, rechtlichen Vorgaben<br />
geprägt. Dabei können die privatrechtlich insbesondere als Aktiengesellschaft (AG)<br />
oder Genossenschaft organisierten Stromverteilnetzbetreiber <strong>von</strong> den öffentlich-<br />
rechtlich selbstständigen und unselbstständigen Betrieben <strong>unter</strong>schieden werden. 102<br />
Öffentlich-rechtliche<br />
Betriebe<br />
60%<br />
Privatrechliche<br />
Gesellschaften<br />
40%<br />
Abbildung 2-3: Öffentlich- und privatrechtliche Schweizer Stromverteilnetzbetreiber 103<br />
Gemäss einer Analyse <strong>von</strong> 747 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> – diese stellen in Kapitel 6<br />
die Erhebungsgrundgesamtheit der empirischen Befragung dar – entfällt der Anteil<br />
privatrechtlich organisierter Stromverteilnetzbetreiber aktuell auf rund 40% aller<br />
Netzbetreiber, wobei sich Aktiengesellschaften und Genossenschaften etwa die Waage<br />
101 Art. 6 Abs. 1, bzw. Art. 7 Abs. 1 StromVG; in der ersten Phase der Marktöffnung besteht mit Art.<br />
6 Abs. 5 StromVG i.V.m. Art. 4 StromVV die Pflicht, die Energie im Rahmen der Grundversorgung<br />
zu Gestehungskosten abzugeben. Vgl. dazu weiterführend die Weisung durch die<br />
EIDGENÖSSISCHE ELEKTRIZITÄTSKOMMISSION ELCOM (2008a) sowie die Branchenempfehlung<br />
KRSG des VSE <strong>von</strong> MUNZ & DORR (2009).<br />
102 Vgl. die detaillierte Darstellung der verschiedenen Rechtsformen in der Schweizer Elektrizitätswirtschaft<br />
bei WELTERT (1990), S. 96ff. Er bezeichnet die unselbstständigen Gemeindebetriebe –<br />
in Abgrenzung zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten – als unselbstständige Verwaltungszweige<br />
öffentlich-rechtlicher Körperschaften.<br />
103 Eigene Auswertung <strong>von</strong> 747 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> auf Basis der Publikationsseite des VSE<br />
(www.strom.ch) vom 24. Januar 2009. Die Auswertung erfolgte entlang des Namens (Firma) des<br />
Netzbetreibers und in unklaren Fällen durch eine Validierung im Handelsregister.
28 Grundlagen<br />
halten. Rund 60% der Unternehmen sind öffentlich-rechtlich strukturiert, wobei die<br />
unselbständigen Anstalten klar überwiegen. 104 Als selbstständige Anstalten sind etwa<br />
grössere Gemeinde- und Stadtwerke sowie einzelne Kantonswerke tätig. 105<br />
Diese Ausgangslage verdeutlicht, dass die Rechnungslegung dieser Branche nicht nur<br />
<strong>von</strong> den privatrechtlichen Standards nach Schweizer Handelsrecht, den nationalen<br />
Swiss GAAP FER oder den internationalen IFRS, sondern vor allem auch durch öf-<br />
fentlich-rechtliche Rechnungslegungsvorgaben beeinflusst wird. Dabei stehen die kan-<br />
tonal umgesetzten Vorgaben nach dem harmonisierten Rechnungsmodell (HRM I) so-<br />
wie dessen Weiterentwicklung (HRM II), welche in Anlehnung an die International<br />
Public Sector Accounting Standards (IPSAS) erarbeitet wurde, zur Disposition.<br />
Bezogen auf die Schweiz sind demnach die in Abbildung 2-4 dargestellten Rechnungs-<br />
legungsstandards relevant. Dabei wurden die ebenfalls international anerkannten US<br />
GAAP mangels Anwendung in der Schweizer Strombranche ausgeklammert. Die An-<br />
wendung der US GAAP durch Schweizer Unternehmen dürfte generell abnehmen, da<br />
mit den weitgehenden Harmonisierungen zwischen IFRS und US GAAP und der An-<br />
erkennung der IFRS an den amerikanischen Börsen ab 2008 durch die Security and<br />
Exchange Commission (SEC) die IFRS bedeutende Schritte in Richtung global aner-<br />
kannte Rechnungslegungsstandards machen. 106 In Bezug auf die IPSAS ist anzumer-<br />
ken, dass diese nicht direkt auf öffentlich-rechtlich selbstständige Stromverteilnetz-<br />
betreiber angewendet werden können, da für sogenannte Government Business En-<br />
terprises 107 die IFRS zur Anwendung gelangen sollen. 108 Eine Anwendung <strong>von</strong> IPSAS<br />
durch Gemeinden kann aber die Rechnungslegung <strong>von</strong> unselbstständigen Stromver-<br />
teilnetzbetreibern wesentlich beeinflussen.<br />
104 Diese Anteile bestätigt auch die empirische Erhebung bei Schweizer EVU <strong>von</strong> SONDEREGGER<br />
(2004), S. 113, welche im Jahr 2003 mit 42% unselbstständigen und 17% selbstständigen Anstalten<br />
einen Anteil öffentlich-rechtlicher Betriebe <strong>von</strong> 58% ausweist (inkl. 1% Kooperationen).<br />
105 Bekannte Beispiele: Elektrizitätswerke der Städte Bern, Interlaken, Langenthal, Olten, Solothurn<br />
oder die Elektrizitätswerke der Kantone Nidwalden, Genf und Zürich.<br />
106 Vgl. BERGMANN (2009), S. 194.<br />
107 Government Business Enterprises werden gemäss IPSAS 1.6 als Einheiten definiert, welche <strong>unter</strong><br />
anderem auf eigenen Namen Rechtsgeschäfts eingehen und ihr Geschäft finanziell und operationell<br />
selbstständig durchführen können. Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass diese Definition vor allem<br />
auf selbständige Anstalten, nicht aber auf unselbständige Betriebe nach Schweizer Recht zutrifft.<br />
108 INTERNATIONAL PUBLIC SECTOR ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IPSASB) (2004), S. 15.
Grundlagen 29<br />
Rechnungslegungsstandards<br />
Öffentlich-rechtlich<br />
Harmonisiertes Rechnungsmodell<br />
(HRM) I<br />
Harmonisiertes Rechnungslegungsmodell<br />
(HRM) II<br />
International Public Sector Accounting<br />
Standards (IPSAS)<br />
Abbildung 2-4: Übersicht Rechnungslegungsstandards 109<br />
Unabhängig <strong>von</strong> den gesetzlichen Minimalvorgaben orientieren sich immer mehr Un-<br />
ternehmen, private Organisationen und staatliche Institutionen an betriebswirtschaft-<br />
lich geprägten und mit höheren Anforderungen verbundenen Standards. 110 Wie <strong>von</strong><br />
den IPSAS explizit gefordert, ist es in der Schweiz zulässig, dass öffentlich-rechtliche<br />
Betriebe sich an privatrechtlichen Rechnungslegungsstandards orientieren oder diese<br />
vollständig anwenden. 111 Dies gilt insbesondere für öffentlich-rechtlich selbstständige<br />
Anstalten, deren Rechnungslegung spezialgesetzlich festgelegt wird. 112 Gleiches gilt<br />
für Aktiengesellschaften oder Genossenschaften, welche ihre Rechnungslegung <strong>unter</strong><br />
109 Eigene Darstellung.<br />
110 BEHR (2007).<br />
Anforderungsniveau<br />
Privatrechtlich<br />
Vorschriften zur kaufmännischen<br />
Buchführung (Art. 957ff OR)<br />
Ordnungsmässige Rechnungslegung<br />
gemäss Aktienrecht (Art. 662ff OR)<br />
Fachempfehlung zur Rechnungslegung<br />
(Swiss GAAP FER)<br />
International Financial Reporting<br />
Standards (IFRS)<br />
111 So wenden zum Beispiel die Stadtwerke Winterthur trotz ihrer rechtlichen Unselbstständigkeit<br />
eine eigenständige Rechnungslegung nach öffentlichem Recht an, wobei die Darstellung in Anlehnung<br />
an die Vorgaben der Privatwirtschaft erfolgt. Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich<br />
(EKZ) lehnen sich im Rahmen der Rechnungslegung der öffentlich-rechtlichen selbständigen Anstalt<br />
an das Schweizer Aktienrecht an. Die Energie Wasser Bern (EWB) wendet als öffentlichrechtliche<br />
Anstalt vollständig Swiss GAAP FER an.<br />
112 Vgl. etwa das Gesetz betreffend die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ-Gesetz) (1983)<br />
oder das Reglement Energie Wasser Bern (ewr) (2001).
30 Grundlagen<br />
Einhaltung der gesetzlichen Minimalvorgaben nach Swiss GAAP FER oder IFRS ausgestalten<br />
können. 113<br />
Gemeinsam sind allen Standards die Vorgabe der Einhaltung der Grundsätze ordnungsmässiger<br />
Rechnungslegung (GoR), welche bezogen auf den Inhalt insbesondere<br />
die Prinzipien der Vollständigkeit, der Wahrheit, der Klarheit, der Qualität der Information<br />
und der Stetigkeit umfassen. 114 Trotzdem <strong>unter</strong>scheiden sich die Rechnungslegungsstandards<br />
teilweise deutlich <strong>von</strong>einander. Insbesondere ergeben sich in der Frage<br />
der Informationsqualität noch immer gewichtige Differenzen in der Auslegung. Dies<br />
lässt sich primär mit dem inneren Spannungsverhältnis zwischen einzelnen Grundsätzen<br />
und deren Gewichtung begründen. 115<br />
2.3.1 Privatrechtliche Rechnungslegungsvorschriften<br />
a) Kaufmännische Buchführung<br />
Gesetzlich gelten für jede Rechtsform mit den Vorschriften zur kaufmännischen Buchführung<br />
in Art. 957 bis 964 OR minimale Standards. So haben gemäss Art. 858 OR<br />
alle im Handelsregister eingetragenen Firmen – wie zum Beispiel die in der Strombranche<br />
zahlreich vertretenen Genossenschaften – die äusserst knappen Vorschriften<br />
zur kaufmännischen Buchführung einzuhalten. Diese schreiben vor, dass pro Jahr<br />
mindestens einmal ein Inventar, eine Bilanz und eine Erfolgsrechnung nach den Prinzipien<br />
der Vollständigkeit, Klarheit und Übersichtlichkeit zu erstellen ist. 116 Bemerkenswert<br />
ist, dass es gemäss Art. 960 OR zulässig ist, Aktiven zu demjenigen Wert<br />
113 Duales Modell der Erfüllung zweier Standards. Alternativ werden, vor allem aus steuerlichen<br />
Gründen, zwei Abschlüsse erstellt: einer nach OR (Handelsbilanz) und einer zum Beispiel nach<br />
IFRS. Dies gilt insbesondere im Fall <strong>von</strong> konsolidierten Abschlüssen, da das Schweizer Recht<br />
keine eigentliche Konzernrechnungslegung kennt.<br />
114 Vgl. HWP Ziff. 2.13. WALSER (1977), S. 44, bestätigt die Geltung der GoR im öffentlichrechtlichen<br />
Umfeld mit einem exemplarischen Verweis auf die Finanzverordnung des Kantons<br />
Aargau. Die Grundsätze des Rechnungswesens sind zum Beispiel im Fall des Kantons Zürich in<br />
Art. 9 des Finanzhaushaltgesetzes geregelt. Sie enthalten insbesondere die Prinzipien der Jährlichkeit,<br />
der Klarheit, der Vollständigkeit sowie der Bruttoverbuchung. Diese sind auch für Gemeinden<br />
verbindlich. Vgl. Art. 9 Gesetz über den Finanzhaushalt des Kantons (Finanzhaushaltsgesetz)<br />
(1979) sowie Art. 139 Gesetz über das Gemeindewesen (Gemeindegesetz) (1926).<br />
115 HWP Ziff. 2.13.<br />
116 Art. 958 und 959 OR. Diese Grundsätze stellen nach HWP 2.2113 lediglich eine nicht abschliessende<br />
Konkretisierung der allgemein anerkannten kaufmännischen Grundsätze dar.
Grundlagen 31<br />
anzusetzen, der ihnen zum Zeitpunkt der Bilanzierung zukommt. Das allgemeine<br />
Schweizer Buchführungsrecht lässt also eine Bewertung zu aktuellen Ansätzen zu. 117<br />
b) Aktienrecht<br />
Die aktienrechtlichen Bestimmungen in Art. 662 bis 671 OR stellen als lex specialis zu<br />
den allgemeinen kaufmännischen Buchführungsvorschriften höhere Anforderungen an<br />
die Rechnungslegung <strong>von</strong> Aktiengesellschaften in Bezug auf deren Einzel- und Konzernabschluss.<br />
Gemäss Art. 662 OR besteht ein Jahresabschluss aus einer Jahresrechnung,<br />
einem Jahresbericht sowie <strong>unter</strong> Umständen einer konsolidierten Konzernrechnung.<br />
Die aktienrechtliche Jahresrechnung besteht aus einer Erfolgsrechnung, einer<br />
Bilanz und einem Anhang, welche im Minimum gemäss den Vorgaben in Art. 663a bis<br />
Art. 663c OR zu gliedern sind. 118 Das Aktienrecht enthält vom Vorsichts- und Imparitätsprinzip<br />
geprägte Bewertungsvorschriften, welche die Bildung stiller Reserven explizit<br />
zulassen. 119 Dies führt nicht zu einer zwingend angemessenen Darstellung der<br />
Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage (Fair Presentation), sondern nur zu einer möglichst<br />
nahen Form. 120 Im Gegensatz zu ausländischem Handelsrecht verzichtet das<br />
Schweizer Aktienrecht auf ausführliche Regelungen, 121 was den Handlungsspielraum<br />
für bilanzierende Unternehmen begünstigt. Entsprechend hoch sind die Freiheitsgrade<br />
des Schweizer Handelsrechts im internationalen Vergleich zu bewerten. 122 Dieser Umstand<br />
hat dazu geführt, dass 1985 die Rechnungslegungsempfehlungen Swiss GAAP<br />
FER ins Leben gerufen wurden und Schweizer Unternehmen bereits anfangs der neunziger<br />
Jahre internationale Rechnungslegungsstandards übernommen haben. 123<br />
117<br />
MEYER (2008a), S. 157.<br />
118<br />
Art. 662 Abs. 2 OR<br />
119<br />
Art. 669 OR: Dabei wird zwischen Wiederbeschaffungsreserven und darüber hinausgehenden<br />
stillen Reserven <strong>unter</strong>schieden. Die Bildung und Auflösung ist der Revisionsstelle im Einzelnen<br />
mittzuteilen. Im Anhang ist jedoch nur die Nettoauflösung offenzulegen. Vgl. MEYER (2008a),<br />
S. 159. Vgl. weiterführend zu den stillen Reserven im Schweizer Aktienrecht WÜEST (1992),<br />
S. 252ff.<br />
120<br />
Diese Ausgestaltung war bei der Aktienrechtsreform 1992 umstritten, da die Gefahr der Beibehaltung<br />
des Status quo in materieller Hinsicht bestand. Vgl. dazu WÜEST (1992), S. 51ff.<br />
121<br />
Zum Beispiel im Vergleich zu den deutschen HGB. Vgl. etwa HAYN et al. (2008).<br />
122<br />
Vgl. die Studie <strong>von</strong> D'ARCY (2000), nach welcher die nationale Rechnungslegung in der Schweiz<br />
<strong>unter</strong> den 15 <strong>unter</strong>suchten Ländern die grössten Freiheitsgrade aufweist.<br />
123<br />
Vgl. ACHLEITNER & BEHR (2000), S. 75.
32 Grundlagen<br />
c) Swiss GAAP FER<br />
Das Ziel der Swiss GAAP FER besteht darin, durch die Konkretisierung der aktien-<br />
rechtlichen Bestimmungen und weiterführender Standards zu Einzelthemen die Aussa-<br />
gekraft und Vergleichbarkeit <strong>von</strong> Einzel- und Konzernabschlüssen zu erhöhen und den<br />
Informationsgehalt sowie die Konzeption der Rechnungslegung an das internationale<br />
Niveau anzunähern. 124 Der in der Schweiz aufgrund des veralteten Aktienrechts beste-<br />
hende Accounting Gap soll durch die Swiss GAAP FER als Rechnungslegungsstan-<br />
dard für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geschlossen werden. 125 Dabei stehen<br />
im Unterschied zu dem vom Vorsichtsprinzip geprägten Aktienrecht die Fair Presenta-<br />
tion, und damit das Prinzip des True and Fair View, im Zentrum. 126 So ist es <strong>unter</strong><br />
Swiss GAAP FER – analog zu IFRS – nicht erlaubt, <strong>unter</strong> dem Vorwand der Vorsicht<br />
stille Reserven zu bilden. 127 Die Swiss GAAP FER orientieren sich entsprechend nicht<br />
nur formell, sondern auch materiell an den IFRS. Es ist die Politik <strong>von</strong> Swiss GAAP<br />
FER, wenn immer möglich keinen Wiederspruch zu den IFRS zu provozieren, aber<br />
keinesfalls deren Detaillierungsgrad anzustreben. 128 Sind aus Sicht der Fachkommissi-<br />
on FER andere Lösungen nötig, werden diese in der Regel mit der Einräumung eines<br />
Wahlrechts ausgestaltet, um die Kompatibilität zu IFRS weitgehend zu erhalten. Die<br />
Swiss GAAP FER sind damit im Vergleich zu den IFRS mit höheren Freiheitsgraden<br />
ausgestaltet und richten sich entsprechend an kleinere und mittelgrosse Organisationen<br />
sowie an Konzerne mit aus finanzieller Sicht nationaler Ausstrahlung. 129 Ebenfalls<br />
sind sie als Minimalstandard für Unternehmen vorgegeben, welche an den Nebenseg-<br />
menten der Schweizer Börse kotiert sind. 130<br />
Seit dem 1. Januar 2007 sind die Swiss GAAP FER modular aufgebaut und können in<br />
Abhängigkeit <strong>von</strong> Grössenkriterien, welche gemäss Art. 727 OR auch bezüglich der<br />
124 STIFTUNG FÜR EMPFEHLUNGEN ZUR RECHNUNGSLEGUNG (2007), S. 10.<br />
125 MEYER & TEITLER (2004), S.718.<br />
126 FER Rahmenkonzept 1. Das Konzept des True and Fair View (ein den tatsächlichen Verhältnissen<br />
entsprechendes Bild) hängt eng mit dem Prinzip der Fair Presentation (angemessene Darstellung)<br />
zusammen. Die Begriffe entsprechen sich gemäss COTTING & BOEMLE (2000) nach dem Verständnis<br />
<strong>von</strong> IFRS. In dieser Arbeit wird daher nur der Begriff der Fair Presentation verwendet.<br />
127 FER Rahmenkonzept 13.<br />
128 BEHR (2002).<br />
129 MEYER (2008c), S. 289.<br />
130 Am Hauptsegment der Schweizer Börse ist seit dem 1. Januar 2005 im Rahmen der EG-<br />
Bestimmungen die Anwendung <strong>von</strong> IFRS oder US GAAP vorgeschrieben. Vgl. SIX SWISS<br />
EXCHANGE (2007), Ziff. 10f.
Grundlagen 33<br />
Pflicht für eine ordentliche Revision massgeblich sind, entweder nur im Ausmass der<br />
sogenannten Kern-FER oder aber in vollem Umfang eingehalten werden. 131 Die Kern-<br />
FER stellen mit dem Rahmenkonzept sowie den FER Standards 1-6 (Grundlagen, Be-<br />
wertung, Gliederung, Geldflussrechnung, Ausserbilanzgeschäfte und Anhang) eine<br />
minimale formelle und materielle Vergleichbarkeit durch die Prinzipienorientierung<br />
sicher.<br />
Die Verbreitung <strong>von</strong> Swiss GAAP FER wurde im Jahr 1997 in einer nicht repräsentativen<br />
Studie bei 40 Schweizer Unternehmen, welche am ausserbörslichen Markt gehandelt<br />
wurden, analysiert. 132 30% der <strong>unter</strong>suchten Unternehmen wendeten damals<br />
Swiss GAAP FER an. Die grosse Mehrheit der Unternehmen publizierte ihren Abschluss<br />
nach den Minimalvorgaben des Aktienrechts. Im Rahmen dieser Studie fiel<br />
auf, dass primär Unternehmen mit der Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung<br />
Anwender <strong>von</strong> Swiss GAAP FER waren. Gleiches bestätigte eine umfassendere Studie<br />
im Jahr 2003 bei 118 kleinen und mittelgrossen Unternehmen. 133 Hier machte der Anteil<br />
<strong>von</strong> Swiss GAAP FER ebenfalls 30% der befragten Unternehmen aus. Der Anteil<br />
<strong>von</strong> Unternehmen mit einer Anwendung <strong>von</strong> IFRS betrug laut dieser Studie 23%, so<br />
dass der Anteil an Unternehmen mit rein aktienrechtlichen Abschlüssen auf <strong>unter</strong> 50%<br />
gesunken ist. 134 Im Fall <strong>von</strong> Unternehmen mit reinen Einzelabschlüssen stellte jedoch<br />
das Aktienrecht mit 83% aller Fälle der noch immer massgebliche Standard dar. Ebenfalls<br />
zeigte sich, dass das steigende Anspruchsniveau der Standards mit der durchschnittlichen<br />
Grösse der bilanzierenden Unternehmen korrelierte. 135 Für Swiss GAAP<br />
FER lagen die Median-Werte der Untersuchung bei einer Bilanzsumme <strong>von</strong> CHF 122<br />
Mio., einem Nettoumsatz <strong>von</strong> CHF 157 Mio. und rund 500 Mitarbeitenden. Die reinen<br />
131<br />
FER 1.2: Sofern zwei der folgenden Kriterien in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht überschritten<br />
werden, ist es zulässig, dass sich die Rechnungslegung nur auf die Kern-FER beschränkt:<br />
Bilanzsumme <strong>von</strong> CHF 10 Mio., Umsatz <strong>von</strong> CHF 20 Mio. und 50 Vollzeitstellen im<br />
Jahresschnitt.<br />
132<br />
Vgl. EBERLE & BEHR (1999).<br />
133<br />
INSTITUT FÜR RECHNUNGSWESEN & CONTROLLING DER UNIVERSITÄT ZÜRICH & BDO VISURA<br />
(2004).<br />
134<br />
Diese Entwicklung konnte auch BÜTLER (2006) bestätigen. In seiner Stichprobe <strong>von</strong> 156 mittleren<br />
und grossen Unternehmen, welche nicht zur Anwendung <strong>von</strong> IFRS verpflichtet waren, belief<br />
sich der Anteil der Anwender <strong>von</strong> Aktienrecht auf 48% und derjenige <strong>von</strong> Swiss GAAP FER auf<br />
rund 35% der befragten Unternehmen.<br />
135<br />
Der Zusammenhang zwischen dem Offenlegungsgrad <strong>von</strong> Finanzinformationen und der Unternehmensgrösse<br />
wurde mehrfach empirisch bestätigt. Vgl. etwa BUZBY (1975), LANG &<br />
LUNDHOLM (1993) oder mit Bezug auf die Schweizer Rechnungslegung MÖCKLI (1997), S. 189,<br />
oder BÜTLER (2006), S. 16ff.
34 Grundlagen<br />
Anwender des Aktienrechts waren demgegenüber im Schnitt rund einen Drittel kleiner,<br />
die Anwender <strong>von</strong> IFRS um mehr als die Hälfte grösser.<br />
d) IFRS<br />
Mit zunehmender Unternehmensgrösse und entsprechender Publizität wird <strong>von</strong> international<br />
agierenden Schweizer Unternehmen die Anwendung der IFRS erwartet. Deren<br />
global weit fortgeschrittene Akzeptanz mit Anwendung in über 100 Ländern und deren<br />
breit abgestützte Entwicklung seit den siebziger Jahren führten zur Ausrichtung der<br />
meisten Weiterentwicklungsprojekte <strong>von</strong> nationalen Rechnungslegungsvorschriften<br />
nach den IFRS. 136 KÜTING bezeichnet die Dominanz der IFRS in Bezug auf die konsolidierte<br />
Rechnungslegung als "Resonanz auf die Globalisierung und Konzernierung<br />
der Weltwirtschaft". 137 Mit der nationalen Umsetzung der sogenannten IAS-<br />
Verordnung 1606/2002 vom 19. Juli 2002 wurden die IFRS für alle Publikumsgesellschaften<br />
der EU ab dem 1. Januar 2005 zu einer zwingenden Vorgabe. 138 Dabei werden<br />
die vom International Accounting Standards Board (IASB) herausgegebenen und laufend<br />
angepassten IFRS nicht zwingend auf direktem Weg für verbindlich erklärt, sondern<br />
oft – über nationale Anerkennungsprozesse – erst indirekt und teilweise mit geringfügigen<br />
Änderungen für die betroffenen Unternehmen. 139 Die Schweiz kennt in<br />
Bezug auf die IFRS nur die direkte Anerkennung. Dies hängt gemäss BERGMANN damit<br />
zusammen, dass hierzulande die existierenden Rechnungslegungsgremien (Fachkommission<br />
FER bzw. Schweizerisches Rechnungslegungsgremium für den öffentlichen<br />
Sektor SRS) mit ihren Empfehlungen (Swiss GAAP FER bzw. HRM II) keine<br />
indirekte Übernahme <strong>von</strong> IFRS bzw. IPSAS vollziehen, sondern bisher eigene, abweichende<br />
nationale Standards entwickeln, welche entsprechend primär für kleine und<br />
mittlere Institutionen Geltung erlangen. 140<br />
Die Erkenntnis der speziellen Berücksichtigung <strong>von</strong> KMU, für welche die Anwendung<br />
der umfangreichen IFRS in der Regel aufgrund <strong>von</strong> Kosten- und Nutzenabwägungen<br />
keine Option ist, trieb das IASB seit mehreren Jahren die Einführung des neuen, integ-<br />
136<br />
Zur historischen Entwicklung der IFRS: vgl. etwa ACHLEITNER & BEHR (2000), S. 45ff. Zur aktuellen<br />
Verbreitung der IFRS: vgl. www.iasb.org/About+Us.<br />
137<br />
KÜTING (2007), S. 220.<br />
138<br />
Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards<br />
(2002).<br />
139<br />
Vgl. BERGMANN (2009), S. 194ff.<br />
140 BERGMANN (2009), S. 199.
Grundlagen 35<br />
ralen Standards "International Financial Reporting Standard for Small and Medium-<br />
sized Entities (IFRS for SMEs)" voran. 141 Der neue Standard wurde im Juli 2009 vom<br />
IASB publiziert. 142<br />
Das IASB gibt in Bezug auf den Anwenderkreis keine Grössenkriterien vor, sondern<br />
überlässt diese Definition den nationalen Standardsetzern. Von der Anwendung ausge-<br />
schlossen werden lediglich Unternehmen mit einer öffentlichen Rechenschaftspflicht<br />
(Public Accountability). Dies sind insbesondere börsenkotierte Gesellschaften sowie<br />
Gesellschaften mit treuhänderischen Funktionen wie Banken, Versicherungen oder<br />
Pensionskassen. 143<br />
e) Bedeutung für Stromverteilnetzbetreiber<br />
Das ISAB wollte, dass auch Versorgungs<strong>unter</strong>nehmen wie Strom-, Gas oder Wasserversorger<br />
aufgrund des öffentlichen Versorgungsauftrages der öffentlichen Rechenschaftspflicht<br />
(Public Accountability) <strong>unter</strong>stellt werden sollten: 144<br />
"[…] an entity also has public accountability if it is a public utility or similar<br />
entity that provides an essential public service."<br />
Stromverteilnetzbetreiber wären damit als Versorgungs<strong>unter</strong>nehmen mit öffentlichem<br />
Auftrag <strong>von</strong> der Anwendung der IFRS for SMEs ausgeschlossen und damit zur Anwendung<br />
der auf Gross<strong>unter</strong>nehmen ausgerichteten IFRS verpflichtet worden. Das<br />
IASB hat sich jedoch aufgrund entsprechender Vernehmlassungsbeiträge schlussendlich<br />
gegen die erweiterte Definition der Public Accountability entschieden: 145<br />
"Most respondents to the discussion paper, and also the working group,<br />
pointed out that in many jurisdictions entities that provide public services<br />
can be very small - for example, refuse collection companies, water companies,<br />
local power generating or distribution companies, and local cable television<br />
companies. Respondents argued that the nature of the users of the<br />
financial statements, rather than the nature of the business activity, should<br />
determine whether full IFRSs should be required."<br />
141<br />
Vgl. dazu im Detail SHABANAJ (2006), S. 25ff.<br />
142<br />
Vgl. INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (2009b).<br />
143<br />
IFRS for SMEs 1.3.<br />
144<br />
IFRS for SMEs, BC 60.<br />
145<br />
IFRS for SMEs, BC 61.
36 Grundlagen<br />
Die insbesondere auch für die Schweiz geltende Herausforderung der Fragmentierung<br />
der Marktstruktur und damit der Kleinheit einzelner Versorgungs<strong>unter</strong>nehmen hat somit<br />
auch beim IASB zum Schluss geführt, dass trotz einer nicht in Abrede gestellten<br />
Public Accountability dieser Betriebe aufgrund ihrer Grössenverhältnisse auf die<br />
strenge Vorgabe der IFRS zu verzichten sei.<br />
Die Abwägung des IASB zeigt, dass bei Versorgungs<strong>unter</strong>nehmen wie <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
infolge ihrer Funktion öffentliche Interessen bestehen, aufgrund deren<br />
selbst bei kleinen Betrieben verhältnismässig hohe Anforderungen an die finanzielle<br />
Berichterstattung begründet werden können. SONDEREGGER nennt die EVU daher öffentliche<br />
Unternehmen, unabhängig <strong>von</strong> deren Eigentumsverhältnissen. 146 In diesem<br />
Kontext ist zu verstehen, weshalb BEHR die Swiss GAAP FER gerade auch für öffentlich-rechtliche<br />
Unternehmen als eine prüfenswerte Option beurteilt. 147<br />
Die Anwendung <strong>von</strong> privatrechtlichen Rechnungslegungsstandards lässt sich anhand<br />
einer Auswertung der Geschäftsberichte grösserer Schweizer Verteilnetzbetreiber illustrieren.<br />
Die nicht repräsentative Auswertung umfasst die sechs Überlandwerke<br />
EOS, BKW, ATEL, NOK, EGL und CKW. 148 Das siebte Überlandwerk, EWZ, <strong>unter</strong>steht<br />
aufgrund seiner unselbstständigen Rechtsform als Gemeindebetrieb den öffentlich-rechtlichen<br />
Rechnungslegungsvorgaben und ist daher nachfolgend nicht enthalten.<br />
Darüber hinaus wurden 14 weitere, grosse Verteilnetzbetreiber in die Auswertung mit<br />
einbezogen. Die ausgewählten Verteilnetzbetreiber lassen sich in Bezug auf deren Unternehmensgrösse<br />
wie folgt zusammenfassen: 149<br />
146 Vgl. SONDEREGGER (2004), S. 23.<br />
147 Vgl. BEHR (2005), S. 115.<br />
148 Die zur ALPIQ fusionierten Gesellschaften ATEL und EOS sind noch separat dargestellt. Die<br />
Auswertung basiert auf den letzten Geschäftsberichten der beiden Fusionspartner. Die AXPO-<br />
Gesellschaften NOK, EGL und CKW sind ebenfalls basierend auf ihren Geschäftsberichten separat<br />
ausgewiesen.<br />
149 Eigene Auswertung, basierend auf den im April 2009 verfügbaren letzten konsolidierten Jahresrechnungen<br />
der Unternehmen aus den Jahren 2007, 2007/2008 oder 2008. Im Fall der ED erfolgte<br />
die Umrechnung mit CHF 1.50 /€.
Grundlagen 37<br />
GESELLSCHAFT / GRUPPE ABSATZ<br />
IN MWH 150<br />
UMSATZ<br />
IN MIO. CHF<br />
BILANZSUMME<br />
IN MIO. CHF<br />
STELLEN<br />
(FTE) 151<br />
AEW-Gruppe 4'169'000 415 1762 244<br />
ATEL-Gruppe 96'328'000 12'897 10'566 9'944<br />
BWK-Gruppe 25'969'000 3'392 5'989 2'781<br />
CKW-Gruppe 5'422'000 752 1'573 1'624<br />
Elektra Baselland (EBL) 644'153 100 163 135<br />
EBM-Gruppe 1'601'100 271 452 572<br />
EGL-Gruppe 31'221'000 4'167 7'180 602<br />
Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen<br />
(EKS)<br />
609'220 80 202 82<br />
EKT-Gruppe 1'384'300 123 344 90<br />
Elektrizitätswerke des Kantons Zürich<br />
(EKZ)<br />
6'032'000 680 1'702 959<br />
EOS-Gruppe 91'371'000 2'244 4'679 660<br />
Energie Wasser Bern (EWB) 1'054'004 392 1'190 640<br />
EWL-Gruppe 561'100 213 303 211<br />
FMV-Gruppe 1'795'200 140 332 60<br />
ED-Gruppe 7'840'000 1'041 2'330 672<br />
Groupe E 2'818'000 848 2'017 764<br />
NOK-Gruppe 29'764'000 2'624 8'708 1'490<br />
Rätia Energie-Gruppe 12'582'000 1'826 2'185 600<br />
Group Romande Energie 2'670'000 572 2'164 729<br />
Service Industriels de Genève (SIG) 2'767'000 865 3'315 1'606<br />
Tabelle 2-2: Ausgewählte grosse Verteilnetzbetreiber der Schweiz<br />
Diese grösseren Stromverteilnetzbetreiber der Schweiz mit eigener Rechtspersönlichkeit<br />
sind vorwiegend als Aktiengesellschaften ausgestaltet, welche ihre Rechnungslegung<br />
auf Stufe des Einzelabschlusses nach Aktienrecht und auf Stufe des konsolidierten<br />
Gruppenabschlusses nach IFRS erstellen. Das vom Vorsichtsprinzip geprägte Akti-<br />
150<br />
Im Gesamtabsatz sind auch Handels- und Produktionsvolumen enthalten.<br />
151<br />
Vollzeitstellen, sofern verfügbar. In Einzelfällen wurde nur die Anzahl Mitarbeitenden angegeben.
38 Grundlagen<br />
enrecht hat aber auch bei grösseren Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> noch immer<br />
eine wesentliche Bedeutung. Swiss GAAP FER wurde in dieser Auswahl nur <strong>von</strong> der<br />
öffentlich-rechtlichen Anstalt EWB und <strong>von</strong> den Aktiengesellschaften EKS und der<br />
Groupe E eingesetzt. 152 In Bezug auf sämtliche privatrechtlich organisierten Verteil-<br />
netzbetreiber ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass aufgrund der Marktstruktur sowie der hohen<br />
Anzahl an Genossenschaften ein deutlicher Überhang zugunsten der minimalen ge-<br />
setzlichen Vorgaben der kaufmännischen Buchführung bzw. des Aktienrechts gegen-<br />
über <strong>von</strong> Standards wie Swiss GAAP FER oder IFRS besteht. 153<br />
öffentlich-rechtlich<br />
selbständige<br />
Anstalten<br />
15% Aktienrecht<br />
30%<br />
Genossenschaften<br />
10%<br />
Abbildung 2-5: Rechtsformen und Rechnungslegungsstandards der ausgewählten grossen Verteilnetzbetreiber<br />
(n=20)<br />
Die IFRS for SMEs haben aufgrund ihrer Neuheit aktuell noch keine Bedeutung für<br />
Schweizer Stromverteilnetzbetreiber. In Anlehnung an die generelle Einschätzung <strong>von</strong><br />
LEIBFRIED ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die IFRS for SMEs insbesondere für grössere<br />
Swiss GAAP FER-Anwender eine Option darstellen könnten. 154 Demgegenüber dürf-<br />
ten die kleinen Stromverteilnetzbetreiber mit der Option auf Anwendung der Kern-<br />
FER vorerst nicht zum Anwenderkreis der IFRS for SMEs gehören. 155 Auf dieser Ebe-<br />
ne findet eher eine Kosten-/Nutzen-Abwägung der Kern-FER im Vergleich zur reinen<br />
152 Anzumerken bleibt, dass Swiss GAAP FER gemäss der Empfehlung des VSE insbesondere bei<br />
Partnerwerken – das heisst, bei partnerschaftlich betriebenen Kraftwerken – zum Einsatz gelangt.<br />
Da solche Partnerwerke überwiegend keine Verteilnetze betreiben, dürfte der Anteil <strong>von</strong> Swiss<br />
GAAP FER auf der Stufe Verteilung im Vergleich zur gesamten Strombranche <strong>unter</strong>durchschnittlich<br />
ausfallen. Vgl. zur Branchenempfehlung SCHÄRLI et al. (2008).<br />
153 Vgl. dazu die empirische Auswertung in Kapitel 6.4.1 hiernach.<br />
154 Vgl. LEIBFRIED (2007), S. 63.<br />
Aktiengesellschaften<br />
75%<br />
155 So auch PFAFF & GLANZ (2009).<br />
IFRS<br />
55%<br />
Swiss GAAP FER<br />
15%
Grundlagen 39<br />
Anwendung der gesetzlichen Minimalvorgaben statt. Aus regulatorischer Sicht sind<br />
die IFRS for SMEs als eine weitere Option zur Vereinheitlichung der Rechnungsle-<br />
gung zu betrachten.<br />
2.3.2 Öffentlich-rechtliche Rechnungslegungsvorschriften<br />
Die Rechnungslegung der öffentlichen Hand hat sich – basierend auf der kameralistischen<br />
Buchführung – über Jahrhunderte hinweg darauf konzentriert, Einnahmen und<br />
Ausgaben darzustellen, die Budgetierung und deren Einhaltung offenzulegen und über<br />
die vom Souverän gesprochenen Investitionskredite Rechenschaft abzulegen. 156 In den<br />
letzten Jahrzehnten hat sich jedoch auch die öffentlich-rechtliche Rechnungslegung<br />
zunehmend <strong>von</strong> der sich am Geldfluss orientierenden Darstellung gelöst und sich<br />
durch die Einführung <strong>von</strong> zeitlichen Abgrenzungen an die privatrechtliche Rechnungslegung<br />
angeglichen. 157 Ein wichtiger Schritt war dabei die gesamtschweizerische<br />
Harmonisierung der Rechnungslegung durch die Einführung des Harmonisierten<br />
Rechnungsmodells (HRM I), welches 1977 in seiner ersten Fassung <strong>von</strong> der kantonalen<br />
Finanzdirektorenkonferenz verabschiedet wurde. 158<br />
a) Harmonisiertes Rechnungsmodell<br />
Im Vordergrund <strong>von</strong> HRM I stand neben der Vereinheitlichung des kantonalen und<br />
kommunalen Haushaltsrechts die Trennung zwischen Konsum und Investitionen durch<br />
die Einführung einer Laufenden Rechnung – in Anlehnung an die privatwirtschaftliche<br />
Erfolgsrechnung – sowie einer da<strong>von</strong> getrennten Investitionsrechnung. 159 Die Investitionsrechnung<br />
bezweckt die Information über die Finanzierung <strong>von</strong> Investitionen. Dabei<br />
werden Investitionen – in Abweichung <strong>von</strong> der gängigen kaufmännischen Buchhaltung<br />
– nicht direkt in der Bilanz 160 aktiviert, sondern zuerst über die Investitionsrech-<br />
156<br />
Vgl. BEHR (2005), S. 114, sowie zur Kameralistik im Speziellen EICHHORN (1993), S. 107ff.<br />
157<br />
HRM I verlangt zwar in Bezug auf Rechnungsabgrenzungen die Einhaltung des Soll-Prinzips,<br />
indem am Ende einer Periode sämtliche Guthaben und Verpflichtungen ausgewiesen werden sollen.<br />
Offenbar besteht aber in der Praxis diesbezüglich Handlungsbedarf: So hat zum Beispiel der<br />
Regierungsrat des Kantons Zürich die Verordnung über den Gemeindehaushalt im Jahr 2008<br />
diesbezüglich angepasst und entsprechende transitorische Konten neu eingeführt. Vgl.<br />
GEMEINDEAMT DES KANTONS ZÜRICH (2008a), S. 2. Analog enthalten die neuen Empfehlungen<br />
zu HRM II ebenfalls eine explizite Vorgabe für Rechnungsabgrenzungsposten: Vgl. KONFERENZ<br />
DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN (2008): HRM II 5.<br />
158<br />
KONFERENZ DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN (1981), S. 12.<br />
159<br />
Die sogenannte Verwaltungsrechnung besteht aus der Laufenden Rechnung und der Investitionsrechnung.<br />
Vgl. KONFERENZ DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN (1981), S. 25.<br />
160<br />
Unter HRM I auch als Bestandesrechnung bezeichnet.
40 Grundlagen<br />
nung erfasst und erst anschliessend in der Bilanz verbucht. 161 Die Investitionsrechnung<br />
dient dabei dem Nachweis der Finanzierung sowie der Budgetkontrolle und stellt im<br />
Vergleich zur Privatwirtschaft eine auf Investitionen ins Verwaltungsvermögen be-<br />
schränkte Geldflussrechnung dar. 162 Eine Jahresrechnung nach den Vorgaben <strong>von</strong><br />
HRM I besteht somit aus einer Erfolgsrechnung (Laufende Rechnung), einer Bilanz<br />
(Bestandesrechnung) und einer Investitionsrechnung. 163<br />
In Bezug auf die materiellen Ansatz- und Bewertungsvorschriften weichen die öffent-<br />
lich-rechtlichen Standards nach HRM I selbst <strong>von</strong> den knappen und durch das Vor-<br />
sichtsprinzip geprägten Vorgaben des Aktienrechts ab. So wird ein Anlagegut in der<br />
Regel erst bei der Überschreitung hoher Aktivierungsgrenzen aktiviert. 164 Aktivierte<br />
Anlagen werden <strong>unter</strong> HRM I im Normalfall mit minimal 10% degressiv abgeschrie-<br />
ben, wobei zusätzliche Abschreibungen nicht ausgeschlossen sind. Weitere materielle<br />
Differenzen ergeben sich aus dem Umstand der Ermittlung des Reingewinns, indem<br />
bei unselbstständigen <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> nach HRM I insbesondere die Ver-<br />
zinsung der Spezialfinanzierung 165 , umfangreiche Rücklagen sowie Gratisleistungen<br />
an die Trägergemeinde die Erfolgsrechnung beeinflussen können. 166<br />
Ferner ist festzuhalten, dass nach der föderalistischen Tradition der Schweiz die Aus-<br />
gestaltung der Rechnungslegungsvorgaben sowie deren Durchsetzung in den einzelnen<br />
Kantonen und Gemeinden nach wie vor <strong>unter</strong>schiedlich sind. Nach FLURY wurde mit<br />
HRM I versucht, den "zentrifugal wirkenden Kräften" mittels institutionalisierter Zu-<br />
sammenarbeit auf freiwilliger Basis zu begegnen. 167 Daher wurde HRM I auch erst seit<br />
1999 in allen Kantonen implementiert. 168<br />
161 Vgl. HRM I, Rz. 411ff.<br />
162 GAMPER et al. (2004), S. 83, bezeichnen die Investitionsrechnung als unvollständige Geldfluss-<br />
rechnung.<br />
163 Ein Anhang ist <strong>unter</strong> HRM I nicht explizit gefordert. In der Regel werden jedoch nach kantonalen<br />
Vorgaben entsprechende Anhangsinformationen verlangt. Vgl. etwa im Kanton Bern: Art. 80a<br />
Gemeindeverordnung (GV) (1998).<br />
164 Gemäss HRM I, Rz. 416, sind Aktivierungsgrenzen <strong>von</strong> bis zu CHF 50'000 bei Gemeinden zugelassen.<br />
In den meisten Kantonen wurde die Aktivierungsgrenze jedoch – in Abhängigkeit <strong>von</strong> der<br />
Einwohnerzahl – bis auf CHF 100'000 erhöht.<br />
165 Unter Spezialfinanzierung wird nach HRM I, Rz. 453, die vollständige oder teilweise Zuordnung<br />
<strong>von</strong> Einnahmen zu bestimmten Aufgaben verstanden (zweckgebundene Einnahmen).<br />
166 Vgl. WALSER (1977), S. 44ff.<br />
167 FLURY (2002), S. 134.<br />
168 STADLER (1999), S. 18ff.
Grundlagen 41<br />
b) HRM II und IPSAS<br />
Aufgrund der weiterhin bestehenden Verschiedenheit der kantonalen Rechnungsle-<br />
gungssysteme und der Weiterentwicklungen des Rechnungswesen im privaten wie<br />
auch im öffentlichen Sektor hat die Finanzdirektorenkonferenz im Jahr 2002 entschie-<br />
den, das aktuell gültige HRM I-Handbuch aus dem Jahr 1981 (2. Auflage) grundsätz-<br />
lich überarbeiten zu lassen und ein Schweizerisches Rechnungslegungsgremium für<br />
den öffentlichen Sektor (SRS) ins Leben zu rufen, um die Harmonisierung zwischen<br />
den Kantonen zu verbessern, aber auch, um die Vergleichbarkeit der hiesigen Rechnungslegungssysteme<br />
mit den internationalen IPSAS-Standards zu gewährleisten. 169<br />
Bei den IPSAS steht eine adäquate Angleichung der öffentlich-rechtlichen Rechnungslegung<br />
an die Standards <strong>von</strong> IFRS durch die Einführung des Prinzips der Fair Presentation<br />
im Zentrum, um die Aussagekraft öffentlicher Rechnungen, deren Verständlichkeit<br />
für die Adressaten sowie deren Vergleichbarkeit zu erhöhen. 170 Die Weiterentwicklung<br />
<strong>von</strong> HRM I zum Harmonisierten Rechnungslegungsmodell für die Kantone und<br />
Gemeinden (HRM II) folgt in wesentlichen Punkten den internationalen Vorgaben<br />
nach IPSAS. Insbesondere besteht die Jahresrechnung nach HRM II neu aus einer<br />
zweistufigen Erfolgsrechnung, einer Bilanz, einer Investitionsrechnung, einer Geldflussrechnung<br />
sowie einem ausführlichen Anhang. 171 Dass eine Investitionsrechnung<br />
verlangt wird, stellt nicht etwa einen Verstoss gegen die IPSAS dar, sondern ist als Zusatzausweis<br />
zum Cashflow aus Investitionstätigkeit der Geldflussrechnung in Bezug<br />
auf das Verwaltungsvermögen zu verstehen und mit der periodengerechten Budgetierungstradition<br />
der Schweiz zu begründen. 172 Zudem werden in HRM II die anzuwendenden<br />
GoR an die Vorgaben <strong>von</strong> IPSAS angepasst und im Vergleich zu HRM I stärker<br />
gewichtet. So sollen die anerkannten Grundsätze der Bruttodarstellung, der Periodenabgrenzung,<br />
der Fortführung, der Wesentlichkeit, der Verständlichkeit, der Zuverlässigkeit,<br />
der Vergleichbarkeit und der Stetigkeit nun auch im öffentlichen Recht explizit<br />
gelten. In Bezug auf das zentrale Prinzip der Fair Presentation ist HRM II im<br />
Vergleich zu den IPSAS jedoch <strong>von</strong> einem politischen Konsens gekennzeichnet, indem<br />
nach HRM II nur die Vorgabe eines möglichst weitgehend der tatsächlichen Ertrags-,<br />
Vermögens- und Finanzlage entsprechenden Bildes gilt. Damit fehlt, ähnlich wie beim<br />
169 KONFERENZ DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN (2008), S. 16.<br />
170<br />
Vgl. IPSAS 1; siehe INTERNATIONAL PUBLIC SECTOR ACCOUNTING STANDARDS BOARD<br />
(IPSASB) (2007).<br />
171<br />
HRM II 01.1.<br />
172 Vgl. BERGMANN (2008), S. 577f.
42 Grundlagen<br />
geltenden Aktienrecht, eine eigentliche Verpflichtung zur Fair Presentation. 173 Die<br />
Finanzdirektorenkonferenz begründet diese Abweichung mit dem Zielkonflikt zwi-<br />
schen dem Prinzip <strong>von</strong> True and Fair View und der Finanzpolitik und knüpft die nach<br />
HRM II zulässige Abweichung <strong>von</strong> der Fair Presentation an entsprechende Transpa-<br />
renzvorgaben. 174 Dies führt dazu, dass in materieller Hinsicht auch zukünftig Unter-<br />
schiede im öffentlich-rechtlichen Sektor bestehen bleiben dürften, da nicht alle Kanto-<br />
ne gleichermassen <strong>von</strong> den Freiheitsgraden nach HRM II Gebrauch machen werden. 175<br />
So hat sich zum Beispiel der Kanton Zürich mit der Einführung des Gesetzes über<br />
Controlling und Rechnungslegung für eine Anlehnung an IPSAS entschieden. 176 Die<br />
Konferenz der Kantonalen Finanzdirektoren empfiehlt den Kantonen und Gemeinden,<br />
die seit 2008 geltenden Fachempfehlungen nach HRM II innerhalb <strong>von</strong> 10 Jahren um-<br />
zusetzen. 177<br />
c) Bedeutung für Stromverteilnetzbetreiber<br />
Wie bereits ausgeführt, haben die Rechnungslegungsvorgaben des öffentlichen Rechts<br />
für öffentlich-rechtlich selbstständige EVU oftmals eine <strong>unter</strong>geordnete Bedeutung. 178<br />
So gelten für diese im Handelsregister eingetragenen Stromverteilnetzbetreiber 179 ne-<br />
ben den Vorgaben zur kaufmännischen Buchführung nach Art. 957ff OR in der Regel<br />
spezialgesetzliche Vorschriften.<br />
Demgegenüber sind für unselbstständige Gemeinde- und Stadtwerke aktuell noch die<br />
Vorgaben <strong>von</strong> HRM I – bzw. dessen kantonale und gemeinderechtliche Ausgestaltung<br />
– <strong>von</strong> Relevanz. Je nach kantonaler Auslegung besteht jedoch ein Spielraum hinsichtlich<br />
der Anlehnung der Rechnungslegung an privatwirtschaftliche Standards. So erlaubt<br />
beispielsweise eine Verordnung im Kanton Zürich den unselbstständigen Strom-<br />
173<br />
HRM II 02.01.<br />
174<br />
KONFERENZ DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN (2008), S. 19. So sind zum Beispiel zusätzliche<br />
Abschreibungen nach HRM II 04.13 im ausserordentlichen Aufwand gesondert auszuweisen.<br />
Ähnlich wie bei der Aktienrechtsreform 1992 war auch diese Aufweichung der Fair Presentation<br />
umstritten, da die Gefahr der Beibehaltung des Status quo in materieller Hinsicht besteht.<br />
175<br />
Vgl. BAUR et al. (2008), S. 572, BERGMANN (2008), S. 580f.<br />
176<br />
Gesetz über Controlling und Rechnungslegung (CRG) (2006).<br />
177<br />
GEMEINDEAMT DES KANTONS ZÜRICH (2008b), S. 3.<br />
178<br />
Bei einer Konsolidierungspflicht in die Rechnung der Verwaltung (je nach kantonaler Praxis)<br />
bleibt jedoch die Form der Gemeinderechnung relevant. Unter HRM II soll die Konsolidierungspflicht<br />
einheitlicher geregelt werden, wobei der Einbezug <strong>von</strong> Anstalten offen bleibt. Vgl. HRM<br />
II 13.04.<br />
179<br />
Gemäss Art. 7 Handelsregisterverordnung (HRegV) (2007).
Grundlagen 43<br />
verteilnetzbetreibern seit 1999 grundsätzlich, ihre Abschreibungen – entgegen den<br />
Vorgaben nach HRM I – nach betriebswirtschaftlichen Kriterien vorzunehmen. 180 Ge-<br />
mäss Art. 5a dieser Verordnung ist es für Anlagen der Elektrizitätsversorgung sogar<br />
zulässig, eine Neubewertung auf den betriebswirtschaftlichen Anschaffungsrestwert –<br />
vergleichbar zu den Vorgaben <strong>von</strong> Swiss GAAP FER oder IFRS – vorzunehmen.<br />
Die neuen Vorgaben nach HRM II bzw. IPSAS spielen derzeit für Stromverteilnetz-<br />
betreiber noch kaum eine Rolle. Mit der Einführung des Gesetzes über Controlling und<br />
Rechnungslegung und der Überarbeitung des Gemeindegesetzes bis Ende 2009 im<br />
Kanton Zürich ist anzunehmen, dass unselbstständige Stromverteilnetzbetreiber dieses<br />
Kantons als Erste die neuen Vorgaben umsetzen werden müssen. Von den beiden Pi-<br />
lotgemeinden Buchs (HRM II) und Kloten (IPSAS) betreibt allerdings keine ein<br />
Stromverteilnetz in unselbstständiger Form. 181 Somit werden die neuen öffentlich-<br />
rechtlichen Rechnungslegungsstandards für unselbstständige Stromverteilnetzbetreiber<br />
in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. Es ist daher empfehlenswert, die<br />
absehbaren Entwicklungen der öffentlich-rechtlichen Rechnungslegung im Zuge der<br />
Anpassungen des Rechnungswesens bezüglich der Erstellung einer Segmentrechnung<br />
Netz gemäss StromVG zu antizipieren.<br />
Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die nach HRM I vielfach an-<br />
gewendete Lösung der in die Gemeinderechnung integrierten Rechnungsführung ohne<br />
eigene Betriebsrechnung (vor allem ohne eigenständige Bilanz) in Form <strong>von</strong> Spezial-<br />
finanzierungen pro Sparte (zum Beispiel Strom, Wasser, Gas) die neuen Unbundling-<br />
Anforderungen nach Art. 10 StromVG nicht erfüllen kann. 182 Zwar sind die Stromver-<br />
teilnetzbetreiber trotz Integration in die Gemeinderechnung zur sogenannten Eigen-<br />
wirtschaftlichkeit verpflichtet und müssen diese durch Ausweis eines angemessenen<br />
Gewinns und der Selbstfinanzierung innerhalb der Gemeinderechnung auch nachwei-<br />
sen. 183 Die buchhalterische Eigenständigkeit kann sich jedoch nach HRM I – insbe-<br />
180 Verordnung über die Abschreibungen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten (BAV)<br />
(1999). Im Kanton Aargau besteht für Netzbetreiber durch die Vorgabe des kantonalen Gemeindeinspektorats,<br />
ab 1.1.2009 Abschreibungen auf Neuinvestitionen nach betriebswirtschaftlichen<br />
Kriterien vornehmen zu müssen, eine ähnliche Bestimmung. Vgl. URECH (2008), S. 2.<br />
181 Bei der Industrielle Betriebe Kloten AG handelt es sich um eine selbstständige Unternehmung im<br />
Gemeindebesitz, die nach IPSAS konsolidiert wird. Vgl. GAMPER & BERGMANN (2004), S. 31.<br />
In Buchs befindet sich kein Stromverteilnetzbetreiber im Gemeindebesitz. Vgl. GEMEINDEAMT<br />
DES KANTONS ZÜRICH (2008b), S. 18.<br />
182 Vgl. dazu die Ausführungen im letzten Abschnitt <strong>von</strong> Kapitel 4.1.2.<br />
183 Vgl. WALSER (1977), S. 40.
44 Grundlagen<br />
sondere in kleinen Verhältnissen – auf die getrennte Erfassung <strong>von</strong> Aufwand und Er-<br />
trag auf die jeweiligen Dienststellen 184 sowie auf eine entsprechend gegliederte Inves-<br />
titionsrechnung beschränken. In der Bilanz werden im Verwaltungsvermögen 185 nur<br />
spezifische Aktiven (Vorräte, Anlagen) sowie entsprechende Reserven und Rückstel-<br />
lungen als Spezialfinanzierung des Eigenwirtschaftsbetriebs separat geführt und aus-<br />
gewiesen. Die Idee dahinter ist die Ermöglichung transparenter Vorfinanzierungen<br />
zweckgebundener Tätigkeiten (Fonds-Modell). So sind denn auch Rücklagen in Form<br />
<strong>von</strong> Spezialfinanzierungen durch die Gemeinde zu verzinsen, da sie eine zweckgebun-<br />
dene Schuld gegenüber Dritten darstellen. 186 Die Empfehlungen nach HRM I halten<br />
jedoch fest, dass im Interesse der Transparenz und der Funktion des Eigenkapitals als<br />
allgemeine Reserve <strong>von</strong> der Rücklagen- oder Reservenbildung aus Ertragsüberschüs-<br />
sen abzusehen sei. 187 In der Praxis zeigt sich allerdings, dass viele unselbstständige<br />
Stromverteilnetzbetreiber wesentliche Spezialfinanzierungsreserven im Sinne <strong>von</strong> Ei-<br />
genkapital aufgebaut haben, deren Begründung weit über das gebührenfinanzierte Mo-<br />
nopol des Verteilnetzes hinausgeht. 188 Durch die Anwendung zurückhaltender Ansatz-<br />
und Bewertungsregeln wurden zusätzlich stille Reserven in wesentlichem Umfang ge-<br />
bildet, deren Zweckgebundenheit fragwürdig ist. 189 BUSCHOR hielt bereits 1993 fest,<br />
dass die Lösung der Spezialfinanzierungen die Anforderungen moderner Kosten- und<br />
Wirkungsrechnungen nicht zu erfüllen vermöge und dass das Sektorisierungsproblem<br />
<strong>unter</strong> HRM I ungenügend gelöst sei. 190 Unter HRM II bleibt die Form der Spezialfi-<br />
184<br />
In der Regel in der Form einer Dienststelle pro Sparte: zum Beispiel Elektrizitätsversorgung und<br />
Wasserversorgung.<br />
185<br />
Unter Verwaltungsvermögen werden diejenigen Aktiven zusammengefasst, welche zur Erfüllung<br />
der öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen (HRM I, Rz. 407). Demgegenüber werden <strong>unter</strong> dem<br />
Finanzvermögen Vermögenswerte verstanden, welche ohne Einschränkung der Aufgabenerfüllung<br />
veräussert werden können (z. B. Wertpapiere, HRM I, Rz. 405).<br />
186<br />
HRM I, Rz. 454.<br />
187<br />
HRM I, Rz. 455.<br />
188<br />
Vgl. BUSCHOR (1993), S. 220ff. Ertragsüberschüsse <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> resultieren<br />
oft auch aus deren vertikaler Integration durch den Betrieb eigener Produktionsanlagen oder weitergehender<br />
Dienstleistungen.<br />
189<br />
Vgl. dazu SIGRIST (2008), der die Verfälschung der Vermögens- und Ertragslage, welche auch<br />
<strong>unter</strong> HRM II zulässig bleibt, insbesondere in Bezug auf öffentliche Unternehmen für fragwürdig<br />
und aus Sicht der Adressaten für kontraproduktiv hält. Die Existenz <strong>von</strong> hohen stillen Reserven<br />
zeigt sich auch im Rahmen der Preisdiskussion. Die gemäss den Vorgaben der StromVV für die<br />
Kalkulation möglichen Aufwertungen des Anlagevermögens wurden seitens der Verbraucher heftig<br />
kritisiert. Vgl. dazu D'ARCY & BURRI (2009), S. 136, aus Sicht der Regulation.<br />
190 BUSCHOR (1993), S. 254f.
Grundlagen 45<br />
nanzierungen weiterhin bestehen, neu werden aber Spezialfinanzierungen mit Fremd-<br />
bzw. mit Eigenkapitalcharakter <strong>unter</strong>schieden. 191<br />
Was die unselbstständigen Stromverteilnetzbetreiber betrifft, ist festzuhalten, dass sie<br />
sektoriell als öffentliche Unternehmen gelten 192 und entsprechend nach HRM II auch<br />
nicht zur engeren Verwaltung gehören (Kreis 1). Als unselbstständige Anstalten sind<br />
sie Teil der weiteren Behörden (Kreis 2), welche nach HRM II zwingend in der Gemeinderechnung<br />
zu konsolidieren sind. 193 Auch gemäss HRM I sind sie in der Organisation<br />
und Ausgestaltung ihrer internen Buchführung grundsätzlich frei. 194 Etliche<br />
Stromverteilnetzbetreiber führen denn auch ihr Rechnungswesen nach privatrechtlichen<br />
Standards und leiten daraus – durch Umgruppierungen, Umklassierungen und<br />
Umbenennungen – ihren öffentlich-rechtlichen Abschluss ab. 195 Bereits <strong>unter</strong> HRM I<br />
wurde daher vorgesehen, dass öffentliche Betriebe, wie zum Beispiel Stromverteilnetzbetreiber,<br />
eigene Rechnungen führen dürfen, welche in der Verwaltungsrechnung<br />
zu konsolidieren sind. 196 Basierend auf dieser grundlegenden buchhalterischen Entflechtung<br />
lassen sich in der Folge auch die Anforderungen des StromVG an das Unbundling<br />
auf der Stufe des Segments Netz, die aus Sicht der Betriebsführung nötige<br />
Transparenz sowie eine Vergleichbarkeit mit privatrechtlichen Betrieben erreichen.<br />
2.3.3 Branchenspezifische Vorgaben zur Rechnungslegung<br />
Basierend auf der Aktienrechtsreform im Jahr 1992 publizierte der VSE im Jahr 1993<br />
ein Handbuch für die Buchführung und Rechnungslegung <strong>von</strong> Elektrizitätswerken, das<br />
die Anwendung des Aktienrechts auch für Stromverteilnetzbetreiber, welche nicht als<br />
AG ausgestaltet sind, empfahl. 197 Dieses Handbuch ist vergriffen und nur noch in<br />
191<br />
HRM II 08.6.<br />
192<br />
KONFERENZ DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN (2008), S. 150f.<br />
193<br />
HRM II 13.7.<br />
194<br />
WALSER (1977), S. 42f.<br />
195<br />
Ein Beispiel sind die Stadtwerke Zürich (EWZ), welche ihre Jahresrechnung in Form einer eigenständigen,<br />
konsolidierten Erfolgsrechnung, Bilanz und Geldflussrechnung in Anlehnung an die<br />
Privatwirtschaft präsentieren. Ein weiteres Beispiel sind die bereits erwähnten Stadtwerke Winterthur,<br />
welche ihre Rechnung ebenfalls in ausführlicher Art und Weise <strong>von</strong> der Verwaltungsrechnung<br />
separat publizieren. In den Gemeinderechnungen werden diese Betriebsrechnungen konsolidiert<br />
und nur noch in Form eines Zusammenzugs nach den Vorgaben <strong>von</strong> HRM I innerhalb eines<br />
Departements der Verwaltung dargestellt.<br />
196 HRM I, Rz. 460ff. So auch WELTERT (1990), S. 122. Er verweist auf die Bestrebungen, unverfälschte<br />
Kalkulationsgrundlagen und bessere Transparenz zu erreichen.<br />
197 HIRTER et al. (1993).
46 Grundlagen<br />
Form einer Kontenplan-Übersicht beim VSE verfügbar. 198 Eine verpflichtende Vorgabe<br />
des VSE in Bezug auf Rechnungslegung existiert heute nicht.<br />
Sowohl zur Rechnungslegung nach Swiss GAAP FER wie auch nach IFRS existiert je<br />
ein branchenspezifisches Handbuch, welches die jeweiligen Standards in Bezug auf<br />
die Anwendung für EVU kommentiert und Umsetzungsempfehlungen abgibt. 199 Das<br />
VSE-Handbuch Rechnungslegung und Reporting nach Swiss GAAP FER für Partnerwerke<br />
basiert auf der neuen Ausgabe der Swiss GAAP FER vom 1. Januar 2007. Es hat<br />
zum Ziel, die Rechnungslegung <strong>von</strong> partnerschaftlich gehaltenen Gesellschaften, insbesondere<br />
<strong>von</strong> Kraftwerken, nach einem anerkannten und einheitlichen Standard vorzugeben<br />
und deren Überleitbarkeit zu den IFRS sicherzustellen. Das Handbuch beinhaltet<br />
vor allem auch Vorgaben zur einheitlichen Gliederung der Jahresrechnung und<br />
zu einem standardisierten Reporting. In ähnlicher Weise bezweckt auch das branchenspezifische<br />
IFRS-Handbuch durch Empfehlungen zu ausgewählten IAS- und IFRS-<br />
Standards das Erreichen einer möglichst hohen Harmonisierung in der Anwendung der<br />
IFRS in der Branche sowie eine entsprechende Koordination mit den verschiedenen<br />
Wirtschaftsprüfern. 200<br />
Im Rahmen der Vorbereitung auf die Strommarktliberalisierung hat der VSE das<br />
Schwergewicht bei den branchenspezifischen Vorgaben im technischen und kalkulatorischen<br />
Bereich gelegt. Neben dem umfassenden Handbuch zum betrieblichen Rechnungswesen<br />
<strong>von</strong> Elektrizitäts<strong>unter</strong>nehmen aus dem Jahr 2004 201 wurden nach den Vorgaben<br />
<strong>von</strong> StromVG und StromVV Empfehlungen zur Kostenrechnung bzw. zur Kalkulation<br />
entwickelt. 202 Aus Sicht der Rechnungslegung <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
enthält das Handbuch für das betriebliche Rechnungswesen Hinweise zur Bewertung<br />
und Abschreibung <strong>von</strong> Anlagen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive, zum Umgang<br />
mit Anschlusskostenbeiträgen im Rahmen der Anlagebuchhaltung und im Grundsatz<br />
zur Frage des buchhalterischen Unbundling. In Bezug auf Letzteres weist das Handbuch<br />
auch auf die Zusammenhänge zwischen Betriebs- und Finanzbuchhaltung, und<br />
damit auf die Möglichkeiten der Harmonisierung zwischen interner und externer<br />
198 Gemäss Mailauskunft des Rechtsdienstes des VSE vom 11. Februar 2008.<br />
199 Vgl. SCHÄRLI et al. (2008) bzw. VÖGELI et al. (2008).<br />
200 VÖGELI et al. (2008), Register 2, S. 1.<br />
201 SPAAR & KOPRIWA (2004).<br />
202 Kostenrechnungsschema für Schweizer Verteilnetzbetreiber (KRSV) und Kostenrechnungsschema<br />
zur Ermittlung der Gestehungskosten für die Energielieferung an Endverbraucher mit Grundversorgung<br />
(KRSG). Vgl. MUNZ (2008) bzw. MUNZ & DORR (2009).
Grundlagen 47<br />
Rechnungslegung hin. 203 Das Kostenrechnungsschema für Verteilnetzbetreiber (KRSV)<br />
war in seiner ersten Ausgabe aus dem Jahr 2007 noch explizit auf den Zusammenhang<br />
zwischen der Kostenrechnung und der Segmentrechnung Netz eingegangen. Dabei<br />
wurden eine Branchenempfehlung zur Rechnungslegung im Netzbereich nach Klärung<br />
der Rechtsgrundlagen in Aussicht gestellt und grundsätzliche Überlegungen zur Über-<br />
leitung der Kostenrechnung zur Segmentrechnung Netz vorgenommen. 204 Dieses Kapi-<br />
tel wurde jedoch in der zweiten Auflage der Richtlinie gestrichen.<br />
Erst im Dezember 2009 ist der neue Leitfaden zur Umsetzung des Unbundling der Jah-<br />
resrechnung erschienen. 205 Dieser ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits zum<br />
EMG erschienenen Unbundling-Leitfadens 206 und befasst sich mit dem buchhalteri-<br />
schen Unbundling sowie mit der Frage der Offenlegung. Aus den allgemein geltenden<br />
GoR werden auch ausgewählte Grundsätze für das Unbundling in der Finanzbuchhal-<br />
tung festgehalten. 207 Im Zentrum stehen dabei die verschiedenen Verfahren zur Schlüs-<br />
selung nicht direkt zuordenbarer Positionen. 208 Im Übrigen bezieht sich der Leitfaden<br />
auf die Behandlung der einzelnen Positionen der Erfolgsrechnung und der Bilanz. 209<br />
Was die Offenlegung betrifft, illustriert der Leitfaden die Gliederung einer entflochte-<br />
nen Jahresrechnung, bestehend aus Erfolgsrechnung und Bilanz einer Aktiengesell-<br />
schaft und einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. 210 Die Thematik der Bewertung<br />
wird vom VSE durch einen Verweis auf geltendes Recht abgehandelt. Eine Vereinheit-<br />
lichung der Rechnungslegung im engeren Sinne erfolgt nicht.<br />
2.4 Kapitalmarktorientierte <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
2.4.1 Relevanz der <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
Die Rechenschaft eines Unternehmens im Rahmen der finanziellen Berichterstattung<br />
über seine einzelnen Aktivitäten und deren Beitrag zum Gesamtergebnis nennt sich<br />
203<br />
Vgl. SPAAR & KOPRIWA (2004), Ziff. 10.4.4. und 10.4.5.<br />
204<br />
Vgl. MUNZ (2007), S. 25.<br />
205<br />
Vgl. MEYER (2009).<br />
206<br />
Vgl. VSE (2001).<br />
207<br />
Vgl. dazu Kapitel 3.5; dort wird dieser Ansatz zur Ableitung <strong>von</strong> Grundsätzen ordnungsmässiger<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> (GoS) nach Art. 11 Abs. 1 StromVG weiterverfolgt.<br />
208<br />
Vgl. dazu ausführlich Kapitel 4.1.5.<br />
209 Vgl. Kapitel 4.1.3ff., welche jeweils auf den Leitfaden als Quelle verweisen.<br />
210 Vgl. Kapitel 4.3.2b) hiernach.
48 Grundlagen<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong>. 211 Diese hat sich im Zuge der Unternehmensdiversifikation<br />
auf verschiedene Produkte oder Dienstleistungen, auf verschiedene geographische<br />
Märkte und auf verschiedene Wertschöpfungsstufen entwickelt. Das Ziel der Seg-<br />
mentberichterstattung besteht darin, den Informationsverlust auf Stufe der berichter-<br />
stattenden Einheit zu mildern und den Adressaten der Rechnungslegung Informationen<br />
über die Chancen und Risiken der <strong>unter</strong>schiedlichen Geschäftsaktivitäten und Märkte<br />
zur Verfügung zu stellen. 212<br />
Im Rahmen der kapitalmarktorientierten Berichterstattung sind Investoren und Analysten,<br />
deren Anforderungen in die internationalen Standards zur <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
eingeflossen sind, die Hauptadressaten der <strong>Segmentberichterstattung</strong>. 213 Das Bedürfnis<br />
des Kapitalmarktes besteht darin, anhand der Offenlegung <strong>von</strong> Segmentdaten<br />
ein besseres Verständnis für die Unternehmung und deren Entwicklung als Ganzes zu<br />
erhalten. Aus diesem Grund orientiert sich die <strong>Segmentberichterstattung</strong> aus Kapitalmarktsicht<br />
an den vier qualitativen Charakteristika des IAS-Framework, welche die<br />
Decision Usefulness des Jahresabschlusses und damit die Informationsqualität der offengelegten<br />
Segmentdaten sicherstellen sollen: 214<br />
1. Verbesserung der Verständlichkeit des Jahresabschlusses (Understandability)<br />
2. Bereitstellung <strong>von</strong> relevanten Informationen zuhanden des Kapitalmarktes für<br />
die Evaluation der <strong>unter</strong>schiedlichen Chancen und Risiken (Relevance)<br />
3. Ermöglichung einer besseren zeitlichen, innerbetrieblichen und zwischenbetrieblichen<br />
Vergleichbarkeit (Comparability)<br />
4. Bereitstellung <strong>von</strong> verlässlichen Informationen über die einzelnen Segmente<br />
(Reliability)<br />
Die <strong>Segmentberichterstattung</strong> ist gemäss den internationalen Rechnungslegungsstandards<br />
IFRS 8 215 bzw. IPSAS 18 ein anerkanntes und für Publikumsgesellschaften verpflichtendes<br />
Element des Anhangs der Jahresrechnung. Die anderen für Schweizer<br />
Stromverteilnetzbetreiber relevanten Rechnungslegungsstandards kennen die Vorgabe<br />
einer umfassenden <strong>Segmentberichterstattung</strong> hingegen nicht. Swiss GAAP FER sieht<br />
211<br />
Vgl. KÖHLE (2006), S. 25f.<br />
212<br />
Vgl. GEIGER (2002), S. 47.<br />
213<br />
KIND (2000), S. 9ff.<br />
214<br />
In Anlehnung an ZAGROSEK (2006), S. 45, und ULBRICH (2006), S. 177.<br />
215<br />
IFRS 8 gilt für alle nach dem 1.1.2009 beginnenden Geschäftsperioden und ersetzt den vormaligen<br />
Standard zur <strong>Segmentberichterstattung</strong> IAS 14. Vgl. dazu ausführlicher Ziff. 2.4.2 hiernach.
Grundlagen 49<br />
im Rahmen der Konzernberichterstattung nur die Ausweispflicht <strong>von</strong> Umsätzen nach<br />
Segmenten vor, sofern sich diese erheblich <strong>von</strong>einander <strong>unter</strong>scheiden. 216 Unter HRM<br />
wird eine funktionale Gliederung der Erfolgsrechnung zur finanzstatistischen Erfas-<br />
sung <strong>von</strong> Einnahmen und Ausgaben vorgenommen. 217 Dieser Ausweis kann als eine<br />
Art <strong>Segmentberichterstattung</strong> interpretiert werden. Gleiches gilt für die nach dem<br />
Grundsatz der Kostentransparenz separat zu erfassenden Spezialfinanzierungen. 218 Die<br />
Aussagekraft dieser Teilrechnungen ist jedoch – je nach Art und Tiefe der Erfassung<br />
und der Offenlegung – vielfach beschränkt. 219<br />
Wie einleitend festgehalten, können die Anforderungen des StromVG bezüglich des<br />
buchhalterischen Unbundling und der Erstellung einer Segmentrechnung Netz als eine<br />
spezifische Form der <strong>Segmentberichterstattung</strong> aufgefasst werden, 220 auch wenn der<br />
Vergleichbarkeit zwischen der kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong> und<br />
den Anforderungen nach StromVG Grenzen gesetzt sind. 221 So lässt sich das buchhal-<br />
terische Unbundling mit dem für die <strong>Segmentberichterstattung</strong> geltenden Grundsatz<br />
der Disaggregation vergleichen, indem eine Auftrennung der buchhalterisch aggregier-<br />
ter Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage verlangt wird. 222 Hingegen fehlt im StromVG<br />
die Verpflichtung zur Publikation der integrierten Jahresrechnung, so dass die Seg-<br />
mentrechnung Netz im Gegensatz zur kapitalmarktorientierten Segmentberichterstat-<br />
tung ihre Geltung auch als separate Offenlegung erlangen soll. Indes bleibt eine Publi-<br />
kation der Segmentrechnung Netz als zusätzliches Informationsinstrument im Anhang<br />
zur integrierten Jahresrechnung eine Option für die Schweizer Verteilnetzbetreiber,<br />
welche es im Zusammenhang mit der Frage der Offenlegung zu vertiefen gilt. 223<br />
216 FER 30.70.<br />
217 HRM II 03.2. Unter HRM I zeichnet sich die Darstellung der Laufenden Rechnung für jede einzelne<br />
Verwaltungseinheit durch eine sehr starke Disaggregation nach funktionalen und institutionellen<br />
Vorgaben aus.<br />
218 HRM II 08.9.<br />
219 So kann nur eine ausgeglichene Summendarstellung vorgenommen werden, da über die Spezialfinanzierung<br />
ein Ausgleich erfolgt. Die Aussagekraft ist in solchen Fällen äusserst tief. Auch nach<br />
HRM II 08.6 kann der bilanzielle Ausweis der Spezialfinanzierung saldiert (netto) erfolgen.<br />
220 Dies bestätigen auch D'ARCY & BURRI (2009), S. 130f.<br />
221 Vgl. dazu die vergleichenden Ausführungen in Kapitel 3.6.<br />
222 Vgl. zum Grundsatz der Disaggregation sowie zum Spannungsfeld mit dem Autonomous Entity<br />
Approach die Ausführungen in Kapitel 4.1.1 hiernach. Im Allgemeinen wird auch <strong>von</strong> der Disaggregationsfunktion<br />
des gesamten Anhangs gesprochen, in welchem die <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
in der Regel darzustellen ist. Vgl. etwa D'ARCY (2006), S. 207.<br />
223 Vgl. Kapitel 4.3.3.
50 Grundlagen<br />
Für die Schweizer Verteilnetzbetreiber ergeben sich vor diesem Hintergrund in Abhän-<br />
gigkeit des heute angewendeten Rechnungslegungssystems zwei primäre Fragestellungen.<br />
Diejenigen Verteilnetzbetreiber, welche freiwillig oder aufgrund ihrer Börsenkotierung<br />
den Vorgaben <strong>von</strong> IFRS <strong>unter</strong>stehen, sind <strong>von</strong> den neuen Vorgaben nach<br />
IFRS 8 direkt betroffen. Bei diesen Unternehmen stellt sich die Frage, inwiefern die<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS 8 die regulatorische Anforderung an eine Segmentrechnung<br />
Netz bereits erfüllt bzw. inwiefern sich in Zukunft eine gesetzlich induzierte<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> nach StromVG mit der kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
nach IFRS 8 verbinden lässt. Gemäss § 9 des IAS Framework<br />
sollen die IFRS nebst den Anforderungen anderer Adressaten gerade auch Informationsbedürfnisse<br />
aus regulatorischer Sicht befriedigen: 224<br />
“Governments and their agencies are interested in the allocation of resources<br />
and, therefore, the activities of entities. They also require information<br />
in order to regulate the activities of entities, determine taxation policies<br />
and as the basis for national income and similar statistics.”<br />
Für die überwiegende Mehrheit der Verteilnetzbetreiber, welche sich nicht an die Vorgaben<br />
<strong>von</strong> IFRS halten müssen oder sich bewusst für eine Anwendung der rechtlichen<br />
Vorgaben nach OR oder HRM entscheiden, stellt sich die Frage, inwiefern eine Anlehnung<br />
an IFRS 8 als internationaler Benchmark für die Rechnungslegung <strong>von</strong> Unternehmenssegmenten<br />
Sinn machen kann und mit den Anforderungen <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1<br />
StromVG zu vereinbaren ist. Dieser für die vorliegende Arbeit grundlegenden Fragestellung<br />
wird in den nachfolgenden Kapiteln vertieft nachgegangen; in Kapitel 7 wird<br />
sie im Rahmen der Gestaltungsempfehlungen beantwortet.<br />
2.4.2 <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS 8<br />
Mit dem Standard IFRS 8 Operating Segments 225 hat das IASB – in Abstimmung auf<br />
den etablierten Standard SFAS 131 <strong>von</strong> US GAAP – die kapitalmarktorientierte <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
<strong>unter</strong> IFRS neu definiert. Der neue Standard verlangt die Anwendung<br />
des sogenannten Management Approach. Dieser Ansatz verpflichtet alle Unternehmen,<br />
deren Eigen- oder Fremdkapitalinstrumente öffentlich gehandelt werden,<br />
im Anhang zur Jahresrechnung eine auf der internen Management-Berichterstattung<br />
224<br />
INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (2001): IAS Framework § 9 lit. f.<br />
225<br />
INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (2006a).
Grundlagen 51<br />
basierende <strong>Segmentberichterstattung</strong> offenzulegen. 226 Damit soll den Adressaten der<br />
Jahresrechnung aus der Perspektive des Managements („through the eyes of manage-<br />
ment“) Einblick in das Unternehmen gewährt werden. 227 Der Management Approach<br />
fördert damit die Harmonisierung <strong>von</strong> interner und externer Berichterstattung. 228 Ent-<br />
sprechend definiert IFRS 8 ein operatives Segment in Bezug auf den internen Repor-<br />
tingprozess. 229 Operative Segmente sind Unternehmensteile 230 , über welche separate<br />
Finanzinformationen vorliegen, die <strong>von</strong> zentralen Entscheidungsträgern (Chief Opera-<br />
ting Decision Maker, CODM) im Rahmen der Ressourcenallokation und Performance-<br />
Messung regelmässig überprüft werden. 231 Eine Differenzierung zwischen der exter-<br />
nen und internen Berichterstattung erfolgt nach IFRS 8 nur noch in Bezug auf Grös-<br />
senkriterien für die Offenlegung der Reportable Segments sowie anhand der Möglich-<br />
keit, Operating Segments mit gleichen wirtschaftlichen Charakteristika zu aggregie-<br />
ren. 232 Ebenfalls sind neu auch vertikal integrierte Segmente, welche überwiegend un-<br />
ternehmensinterne Erträge generieren, berichtspflichtig. 233<br />
Die Offenlegung soll den Adressaten ermöglichen, die Charakteristik und die finan-<br />
ziellen Auswirkungen der einzelnen Segmentaktivitäten sowie das wirtschaftlich Um-<br />
feld des Unternehmens zu beurteilen. 234 Neben generellen Informationen zu den Seg-<br />
menten und deren Bildung sollen für jedes Reportable Segment Gewinn- bzw. Verlust,<br />
interne und externe Segmentumsätze, spezifische Aufwendungen, Segmentaktiven und<br />
226 Vgl. zum Anhang nach IFRS LEIBFRIED & WEBER (2006) sowie weiterführend zum Management<br />
Approach etwa KÖHLE (2006), S. 103ff., PAUL & LARGAY (2005), BERGER & HANN (2003),<br />
HALLER & PARK (1999).<br />
227 INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (2006b), S. 1.<br />
228 Vgl. zur Rolle der <strong>Segmentberichterstattung</strong> im Rahmen der Harmonisierung des internen und<br />
externen Rechnungswesens etwa ULBRICH (2006) oder D'ARCY (2006), S. 211ff. in Bezug auf die<br />
IAS 14 bzw. HALLER (2006), S. 161ff., oder BLASE & MÜLLER (2009) in Bezug auf IFRS 8.<br />
229 IFRS 8.5.<br />
230 Die Segmentdefinition kann dabei sowohl auf Stufe Konzern als auch auf Stufe der Einzelgesellschaft<br />
erfolgen. Gemäss IFRS 8.4 ist es zulässig, dass der Ausweis auf Stufe Einzelabschluss <strong>unter</strong>bleibt,<br />
wenn bereits ein Ausweis im Konzernabschluss der Gesellschaft erfolgt ist.<br />
231 ZAGROSEK (2006), S. 27. Dies kann beispielsweise der CEO, der COO, der zuständige Spartenleiter<br />
oder die Geschäftsleitung als Ganzes sein. Die Bestimmung des relevanten CODM bedingt<br />
sachgerechtes Ermessen. Vgl. BRYOIS (2008), S. 650.<br />
232<br />
Aggregation <strong>von</strong> Operating Segments: IFRS 8.12; Grössenkriterien zur Offenlegung: IFRS<br />
8.13ff.<br />
233 Vgl. WENK & JAGOSCH (2008), S. 665, zum massgeblichen Unterschied zur <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
vertikal integrierter Segmente <strong>unter</strong> IAS 14.<br />
234 IFRS 8.20.
52 Grundlagen<br />
-verbindlichkeiten, Investitionen sowie entsprechende Überleitungen zu den konsoli-<br />
dierten Zahlen ausgewiesen werden. 235 Nach IFRS 8 ist es ausdrücklich erlaubt, auf<br />
eine Segmentierung und/oder auf eine Offenlegung <strong>von</strong> Positionen der Erfolgsrech-<br />
nung und der Bilanz, die intern nicht an den CODM rapportiert werden, zu verzichten.<br />
236 In der Literatur wird der Ansatz der kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
daher als partielle Segmentierung bezeichnet. 237 Eine totale Segmentierung<br />
wird <strong>von</strong> den börsenkotierten Gesellschaften weder im internen Rechnungswesen noch<br />
im extern zu erfolgenden Ausweis verlangt.<br />
IFRS 8.23 schränkt die zwingende Offenlegung auf die für die wirtschaftliche Beurteilung<br />
zentralen Grössen Segmentgewinn bzw. -verlust und Segmentaktiven ein. 238 Die<br />
nach IFRS 8 in Abhängigkeit <strong>von</strong> der internen Berichterstattung offenzulegenden<br />
Segmentausweise können wie folgt zusammengefasst werden: 239<br />
ERFOLGSRECHNUNG BILANZ ZUSATZINFORMATIONEN<br />
Segmentgewinn /-verlust<br />
Externe und interne Umsätze<br />
Zinsertrag und -aufwand<br />
Abschreibungen<br />
Andere wesentliche Erträge<br />
und Aufwendungen<br />
Ertrag aus Beteiligungen nach<br />
der Equity-Methode<br />
Gewinnsteueraufwand / -ertrag<br />
Weitere wesentliche nicht cashwirksame<br />
Positionen<br />
Tabelle 2-3: Segmentausweise nach IFRS 8<br />
Total der Segmentaktiven<br />
Total der Segmentverbindlichkeiten<br />
Wert der Beteiligungen nach<br />
der Equity-Methode<br />
Investitionen ins Anlagevermögen<br />
Segmentbeschreibung<br />
Angaben zur Segmentdatenermittlung<br />
Überleitungsrechnungen<br />
Informationen über Produkte<br />
und Dienstleistungen<br />
Angaben zur Bewertung (Verrechnungspreise,Segmentergebnis,<br />
etc.)<br />
Informationen zu geographischen<br />
Märkten und wesentlichen<br />
Kunden<br />
235<br />
IFRS 8.21.<br />
236<br />
KÖHLE (2006), S. 115, oder HALLER (2006), S. 163f. Vgl. dazu auch die Ausführungen zu IFRS 8<br />
in Kapitel 2.4.2 hiervor.<br />
237<br />
Vgl. zur Thematik des Segmentierungsgrades: KIND (2000), S. 100, GEIGER (2002), S. 154ff.,<br />
oder HALLER & KEPLER (2000), S. 776.<br />
238<br />
Wobei das IASB im Rahmen des Annual Improvement Project 2008 plant, die zwingende Offenlegung<br />
der Segmentaktiven in eine bedingte Offenlegung umzuwandeln. Diese soll neu nur noch<br />
erfolgen müssen, wenn das Segmentvermögen in der Berichterstattung an den CODM auch intern<br />
verwendet wird. Vgl. RICHTER & ROGLER (2009b), S. 257.<br />
239 IFRS 8.23 und 8.24. Vgl. auch die Synopse mit IAS 14 bei ALVAREZ & BÜTTNER (2006), S. 317,<br />
oder bei WENK & JAGOSCH (2008), S. 668.
Grundlagen 53<br />
Nicht nur die Segmentbildung und Offenlegung, sondern auch die Ermittlung der<br />
Segmentausweise folgt dem Management Approach. So hat das Unternehmen in seiner<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> die Zahlen in gleicher Weise offenzulegen, wie sie auch in-<br />
tern verwendet werden. 240 Abweichungen <strong>von</strong> den Bewertungsvorgaben <strong>von</strong> IFRS sind<br />
daher ausdrücklich erlaubt, müssen jedoch in Überleitungsrechnungen zum integrier-<br />
ten Abschluss ausgewiesen und erläutert werden. Diese Ausweitung auf die Segment-<br />
datenbestimmung wird auch als Full Management Approach bezeichnet. 241<br />
2.4.3 Nutzen und Kosten der <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
Eine <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach den Vorgaben <strong>von</strong> IFRS 8 bedeutet für die bilan-<br />
zierenden Unternehmen eine wesentlich erhöhte Transparenz im Vergleich zur reinen<br />
Darstellung des Gesamtabschlusses. Das Ziel der <strong>Segmentberichterstattung</strong>, die Adres-<br />
saten über die Profitabilität, die Entwicklung und die Risiken einzelner Aktivitäten zu<br />
informieren, führt zu Kontroversen in Bezug auf den Nutzen und die direkten und indi-<br />
rekten Kosten der Offenlegung. Diese Kontroversen finden in zahlreichen Studien ihren<br />
Niederschlag. 242<br />
Der Nutzen der <strong>Segmentberichterstattung</strong> wurde durch mehrere Studien nachgewiesen.<br />
So stellen etwa EPSTEIN und PALEPU anhand einer Untersuchung bei Analysten dar,<br />
dass die Mehrheit der Befragten die Ergebnisausweise pro Segment als eine der wichtigsten<br />
Informationsquellen einstufen. 243 GEIGER fasst empirische Nachweise zusammen,<br />
welche diesen Nutzen aus Sicht der Investoren – nämlich eine höhere Prognosegenauigkeit,<br />
eine bessere Einschätzung der Chancen und Risiken sowie tiefere systematische<br />
Risiken – für die <strong>Segmentberichterstattung</strong> belegen. 244<br />
Seitens der Unternehmen wird die <strong>Segmentberichterstattung</strong> aufgrund <strong>von</strong> direkten<br />
und indirekten Kosten oft vermieden oder möglichst knapp gehalten. Unter direkten<br />
Kosten werden insbesondere die Kosten der Datenaufbereitung inklusive deren Prüfung<br />
verstanden. Mit der Einführung des Management Approach <strong>unter</strong> IFRS soll ge-<br />
240<br />
IFRS 8.25.<br />
241<br />
Vgl. FINK & ULBRICH (2006), S. 242.<br />
242<br />
Diese Arbeit erhebt nicht den Anspruch sämtliche empirischen Arbeiten des grossen Felds der<br />
Forschung zur Offenlegung <strong>von</strong> Unternehmensinformationen wiederzugeben. Die hier dargestellten<br />
Arbeiten stellen lediglich eine Auswahl dar. Eine umfassendere Übersicht mit Bezug auf die<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> bietet etwa KÖHLE (2006), S. 73ff.<br />
243<br />
EPSTEIN & PALEPU (1999).<br />
244 GEIGER (2002), S. 60ff.
54 Grundlagen<br />
mäss den Überlegungen des IASB eine Reduktion dieser direkten Kosten erzielt wer-<br />
den, indem auf die intern verfügbaren Daten abgestützt wird. 245 Dabei ist festzuhalten,<br />
dass ein empirisch nachweisbarer Zusammenhang zwischen der rechtlichen Struktur<br />
eines Unternehmens und dessen Segmentbildung besteht, was durch erhebliche Seg-<br />
mentierungssynergien und entsprechende Kosteneinsparungen zu begründen ist. 246 Die<br />
Form der <strong>Segmentberichterstattung</strong> als Offenlegung eines Zwischenschritts des Kon-<br />
solidierungsprozesses ist entsprechend weit verbreitet. 247<br />
Deutlich kontroverser verläuft die Diskussion über die potenziellen indirekten Kosten<br />
einer <strong>Segmentberichterstattung</strong>. Untersuchungen in den USA und in Grossbritannien<br />
sowie die Vernehmlassungsantworten zu den <strong>Segmentberichterstattung</strong>sstandards ha-<br />
ben gezeigt, dass Konkurrenznachteile als Hauptgrund gegen eine entsprechende Of-<br />
fenlegung geltend gemacht werden. 248 Das IASB hat sich aber gegen eine Competitive<br />
Harm Exemption ausgesprochen, um nicht ein faktisches Wahlrecht zu schaffen. 249<br />
BOTOSAN und STANFORD haben in ihrer Publikation durch den Vergleich der Segment-<br />
ausweise <strong>unter</strong> den alten US GAAP Vorgaben <strong>von</strong> SFAS 14 und den aktuellen Vorga-<br />
ben <strong>von</strong> SFAS 131 nachgewiesen, dass das Management <strong>von</strong> Unternehmen in weniger<br />
wettbewerbsintensiven Branchen vor der Einführung des Management Approach auf<br />
eine <strong>Segmentberichterstattung</strong> verzichtet hat, um einzelne hoch profitable Segmente<br />
nicht ausweisen müssen. 250 NICHOLS und STREET konnten in Bezug auf die Weiterent-<br />
wicklung <strong>von</strong> IAS 14 ebenfalls belegen, dass der Entscheid, die Segmentausweise of-<br />
fenzulegen, negativ korreliert mit überdurchschnittlichen Renditen sowie mit der An-<br />
zahl der Branchen, in denen das Unternehmen tätig ist. 251 BERGER und HANN waren<br />
aufgrund fehlender Signifikanz nicht imstande, den Zusammenhang zwischen Rendi-<br />
ten und Segmentausweisen empirisch zu bestätigen, wiesen jedoch stattdessen nach,<br />
245 IFRS 8.BC9. Diese Einschätzung teilt etwa auch HALLER (2006), S. 165, wohingegen<br />
PRICEWATERHOUSECOOPERS (2006) aufgrund der Ausweitung der Prüfung auf interne Reportingsysteme<br />
auch eine Erhöhung der indirekten Kosten für realistisch hält.<br />
246 PRENCIPE (2004), S. 333.<br />
247 Vgl. KIND (2000), S. 21.<br />
248 Vgl. GRAY et al. (1990) mit einer Untersuchung in den USA und in Grossbritannien oder<br />
ETTREDGE et al. (2002) mit einer Auswertung der Vernehmlassungsantworten zum damaligen<br />
Entwurf der SFAS 131 der US GAAP.<br />
249 IFRS 8.BC44.<br />
250 BOTOSAN & STANFORD (2005).<br />
251 NICHOLS & STREET (2007).
Grundlagen 55<br />
dass das Management aufgrund <strong>von</strong> Agency Costs ein Interesse daran hat, Segmente<br />
mit einer schlechten Performance nicht separat offenlegen zu müssen. 252<br />
Aufgrund dieser Erkenntnisse über den Nutzen und die Kosten zusätzlicher Transpa-<br />
renz sowie der damit verbundenen Anreize für die betroffenen Unternehmen erstaunt<br />
es nicht, dass die <strong>Segmentberichterstattung</strong> einen eher stiefmütterlich behandelten<br />
Komplex in der Rechnungslegung darstellt. 253 Mehrere Studien konnten nachweisen,<br />
dass im Rahmen der <strong>Segmentberichterstattung</strong> bisher wesentliche Abweichungen zwi-<br />
schen Soll- und Ist-Zustand existieren und dass die Rolle der Wirtschaftsprüfer bei der<br />
Durchsetzung der Normen in diesem Bereich entscheidend ist. 254<br />
2.4.4 Bedeutung für Schweizer Stromverteilnetzbetreiber<br />
Die Ausgangslage für die <strong>Segmentberichterstattung</strong> in der Elektrizitätsbranche kann<br />
durch vier wesentliche, vom jeweiligen Rechnungslegungsstandard unabhängige Ein-<br />
flussfaktoren charakterisiert werden (vgl. Abbildung 2-6). Der hohe Grad an Integrati-<br />
on verschiedener Aktivitäten in horizontaler und vertikaler Richtung macht eine Seg-<br />
mentierung überhaupt erst relevant. 255 Aufgrund der physikalisch und technisch ge-<br />
prägten Wertschöpfung sind die Kern-Aktivitäten der EVU weitgehend vergleichbar. 256<br />
Die neuen gesetzlichen Anforderungen des Unbundling zwischen der Netzinfrastruktur<br />
und den übrigen Tätigkeiten führen zu einer Standardisierung der Segmentierung in-<br />
nerhalb der Sparte Strom, welche sich auf die Organisation sowie auf die <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
auswirken kann. Eine Studie <strong>von</strong> KRIETE und WERNER bei 24 grossen<br />
europäischen EVU zeigt, dass die Vorgabe des buchhalterischen Unbundling durch die<br />
zwingende interne Entflechtung innerhalb der Sparte Strom die Berichterstattung nach<br />
IFRS auf konsolidierter Ebene im Sinne einer Standardisierung geprägt hat. 257 Selbst<br />
wenn die Unbundling-Vorgaben keinen direkten Einfluss auf die Segmentberichterstat-<br />
252<br />
BERGER & HANN (2007). Vgl. zur Principal-Agency-Theory im Zusammenhang mit der <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
GEIGER (2002), S. 53ff.<br />
253<br />
So auch BOEMLE (1996), S. 30, in Bezug auf die Schweizer <strong>Segmentberichterstattung</strong>.<br />
254<br />
Vgl. etwa ALVAREZ & FINK (2003), PRATHER-KINSEY & MEEK (2004), S. 223, oder STREET et al.<br />
(2000).<br />
255<br />
Vgl. Ziff. 2.2.3 hiervor.<br />
256<br />
So auch die Erwartung <strong>von</strong> KRIETE & WERNER (2003), S. 248.<br />
257<br />
Vgl. KRIETE & WERNER (2003), S. 252f. Ihre Studie basiert auf Geschäftsberichten nach IFRS,<br />
welche <strong>unter</strong> der alten EG-Richtlinie 96/92/EG erstellt wurden. Aufgrund der <strong>unter</strong>schiedlichen<br />
Aggregation einzelner Tätigkeiten zu einem Reportable Segment bestanden trotz Angleichung<br />
noch immer wesentliche Unterschiede, was die Vergleichbarkeit erschwerte.
56 Grundlagen<br />
tung nach IFRS haben, ist festzuhalten, dass auch in der Schweiz eine Harmonisierung<br />
der internen Segmentierung, und damit auch der kapitalmarktorientierten Segment-<br />
ausweise erfolgen dürfte.<br />
Abbildung 2-6: Wesentliche Einflussfaktoren auf die <strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>von</strong> EVU 258<br />
Als weiterer Einflussfaktor auf die Qualität und den Umfang der Offenlegung können<br />
die grundsätzlich gute Profitabilität sowie vor allem die hohen Reserven <strong>von</strong> Schwei-<br />
zer EVU identifiziert werden. 259 Basierend auf den dargestellten empirischen Erkennt-<br />
nissen <strong>von</strong> BOTOSAN und STANFORD sowie <strong>von</strong> NICHOLS und STREET zur Segmentbe-<br />
richterstattung ist zu erwarten, dass sich die Elektrizitätsbranche durch eine zurückhal-<br />
tende Offenlegungspolitik auszeichnen wird. 260 Diese dürfte vor dem Hintergrund der<br />
Durchsetzbarkeit auch für die regulatorischen Vorgaben <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG<br />
relevant sein.<br />
258 Eigene Darstellung.<br />
Unbundling-<br />
Vorgabe<br />
Vergleichbare<br />
Wertschöpfung<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
Ertrags-,<br />
Vermögensund<br />
Finanzlage<br />
Hohe<br />
Integration<br />
259 Vgl. dazu die empirische Studie bei 39 Schweizer EVU <strong>von</strong> SCHMIDLI (2005), S. 167ff.<br />
260 Vgl. die Ausführungen zu den Studien <strong>von</strong> BOTOSAN & STANFORD (2005) und NICHOLS &<br />
STREET (2007) in Ziff. 2.4.3 hiervor. Bei KÖHLE (2006), S. 245, schneidet die Branche Utilities<br />
im Vergleich zu den übrigen Branchen am schlechtesten ab.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 57<br />
3 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
3.1 Ziel und Entwicklung der Vorgaben zur Segmentrechnung Netz<br />
Die Transparenzvorgaben für Verteilnetzbetreiber stellen ein zentrales und im Rahmen<br />
des Gesetzgebungsprozesses unbestrittenes Element des StromVG dar. Die Transpa-<br />
renz gilt als eine der vier Säulen der Strommarktliberalisierung. 261 Aus dem Bericht<br />
des BFE zum damaligen Entwurf des StromVG lässt sich zur Zielsetzung der Transpa-<br />
renz Folgendes entnehmen: 262<br />
„Transparenz ist wichtig für das Bereitstellen der notwendigen Informatio-<br />
nen für alle Akteure. Transparenz impliziert die Abschaffung bzw. das Ver-<br />
meiden <strong>von</strong> wettbewerbsverzerrenden Informationsasymmetrien. Die<br />
Marktakteure und insbesondere die ElCom sollen alle relevanten bzw. für<br />
ihre Ziele und Verantwortlichkeiten notwendigen Informationen in aktueller<br />
Form zur Verfügung haben. Transparenz soll dazu dienen, Marktverständnis<br />
und -vertrauen auf allen Wertschöpfungsstufen zu schaffen. Zudem ist<br />
Transparenz die Basis für Markt- und Regulations-Verbesserungen auf allen<br />
Wertschöpfungsstufen. Sie soll zudem Missbrauch und Täuschung auf allen<br />
Wertschöpfungsstufen verhindern.<br />
Eine Situation wird dann als transparent angesehen, wenn die zu deren objektiven<br />
Beurteilung notwendigen Informationen „verfügbar/erhältlich“,<br />
„verständlich“ und „vergleichbar“ sind.“<br />
Die Pflicht zum informatorischen und buchhalterischen Unbundling (Art. 10<br />
StromVG), zur Erstellung einer entflochtenen Segmentrechnung Netz (Art. 11<br />
StromVG) und zu deren Veröffentlichung (Art. 12 Abs. 1 StromVG) lässt sich also mit<br />
dem Ziel nach Transparenz für alle Marktakteure begründen. Die angestrebte Transparenz<br />
ist darüber hinaus zur Überprüfung der Zielsetzung des Unbundling – der Verhinderung<br />
<strong>von</strong> Quersubventionierungen und Diskriminierungen beim Netzzugang – zentral,<br />
wobei der vertraulichen Kostenrechnung eine entscheidende Rolle zukommt. 263<br />
Demgegenüber steht für die Segmentrechnung Netz die Transparenz gegen aussen und<br />
damit die Public Accountability im Vordergrund.<br />
261<br />
Die vier Säulen des StromVG: Marktmodell, Versorgungssicherheit, Transparenz und Erneuerbare<br />
Energien: vgl. BACHER & STEINMANN (2005), S. 6.<br />
262<br />
BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 41.<br />
263<br />
Vgl. Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1648f.
58 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
Im Gesetzgebungsprozess wurden die bezüglich der Segmentrechnung Netz gestellten<br />
Anforderungen laufend reduziert und explizite Vorgaben auf Stufe Gesetz gestri-<br />
chen. 264 In dem vom Volk verworfenen EMG aus dem Jahr 2000 war in Art. 7 Abs. 1<br />
und 2 <strong>unter</strong> dem Stichwort Rechnungsführung noch Folgendes festgehalten worden: 265<br />
1 Unternehmen, die in den Bereichen Erzeugung, Übertragung oder Vertei-<br />
lung tätig sind, müssen in ihrer Buchhaltung für jeden dieser Bereiche so-<br />
wie für allfällige sonstige Aktivitäten getrennte Konten führen. Die Jahres-<br />
rechnungen müssen getrennte Bilanzen und Erfolgsrechnungen enthalten;<br />
die Jahresrechnungen für Übertragung oder Verteilung sind zu veröffentli-<br />
chen.<br />
2 Unternehmen nach Absatz 1 vereinbaren <strong>unter</strong> Berücksichtigung interna-<br />
tionaler Normen und Empfehlungen anerkannter Fachorganisationen ein<br />
Reglement über die Rechnungsführung sowie Inhalt und Form der Jahres-<br />
rechnungen. Soweit notwendig, kann das zuständige Departement entspre-<br />
chende Bestimmungen erlassen.<br />
Das EMG hat – im Gegensatz zum geltenden StromVG – insbesondere den Begriff<br />
Jahresrechnung durch die Vorgabe der Erstellung <strong>von</strong> getrennten Bilanzen und Erfolgsrechnungen<br />
konkretisiert. Ebenfalls wurde die Branche dazu verpflichtet, ein<br />
Reglement zur Rechnungsführung und Rechnungslegung <strong>unter</strong> Berücksichtigung internationaler<br />
Rechnungslegungsstandards zu erlassen. Die Regelungen des EMG hätten<br />
somit für sämtliche Schweizer Verteilnetzbetreiber, unabhängig <strong>von</strong> deren Grösse<br />
und Rechtsform, eine Orientierung an internationalen Rechnungslegungsstandards mit<br />
sich gebracht. 266<br />
Diese Anforderung wurde im ersten Entwurf des StromVG (E-StromVG) vom Juni<br />
2004 des BFE durch den expliziten Verweis auf das Aktienrecht reduziert und in Art.<br />
18 E-StromVG wie folgt formuliert: 267<br />
1<br />
Verteilnetze und Übertragungsnetze, die als Teil eines integrierten Elektrizitätsversorgungs<strong>unter</strong>nehmens<br />
geführt werden, müssen jeweils mindes-<br />
264<br />
Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 7.<br />
265<br />
Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) (2000).<br />
266<br />
Interessant ist dabei festzuhalten, dass sich der damalige Leitfaden des VSE entgegen des Wortlauts<br />
des EMG nur auf das Schweizerische Obligationenrecht und das öffentliche Recht bezog<br />
und keine Anlehnung an internationale Standards vorsah. Vgl. VSE (2001), S. 1.<br />
267<br />
BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), E-StromVG.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 59<br />
tens buchhalterisch <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeitsbereichen entflochten wer-<br />
den, die nicht mit der Verteilung oder Übertragung zusammenhängen.<br />
2 Betreiber und Eigentümer <strong>von</strong> Verteil- und Übertragungsnetzen erstellen<br />
unabhängig <strong>von</strong> der Rechtsform des Unternehmens für jedes Netz je eine<br />
Jahresrechnung nach den Bestimmungen über das Aktienrecht sowie eine<br />
Kostenrechnung, die beide <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeitsbereichen entfloch-<br />
ten sind.<br />
3 Der Bundesrat kann Mindestanforderungen für die Vereinheitlichung der<br />
Rechnungslegung und Kostenrechnung erlassen und insbesondere einen<br />
anerkannten Rechnungslegungsstandard vorschreiben.<br />
Das BFE hält im seinem Bericht zum damaligen StromVG-Entwurf fest, dass die Vorgaben<br />
der Rechnungslegung nach Aktienrecht im Sinne der Transparenz und Vergleichbarkeit<br />
insbesondere auch für öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen gelten<br />
sollen. 268 Die weitergehende Transparenzvorgabe der Orientierung an internationalen<br />
Rechnungslegungsstandards des EMG wurde mit dem Absatz 3 in den Geltungsbereich<br />
des Subsidiaritätsprinzips verschoben. Der Bundesrat wollte sich allerdings vorbehalten,<br />
auf Stufe der StromVV die Vorgabe zur Anwendung eines anerkannten<br />
Rechnungslegungsstandards zu erlassen. Die Absicht, auch im Bereich der Rechnungslegung<br />
ein hohes Mass an Vergleichbarkeit zwischen den Verteilnetzbetreibern zu erreichen,<br />
wurde daher nicht gänzlich fallen gelassen. Insbesondere war in Art. 17 Abs. 2<br />
E-StromVG vorgesehen, dass neben der Jahresrechnung nach Aktienrecht auch die<br />
Kostenrechnung durch die Netzbetreiber hätte veröffentlicht werden müssen. Dieser<br />
weitgehende Einblick in wirtschaftlich sensible Informationen wurde im Rahmen der<br />
Vernehmlassung vom VSE sowie <strong>von</strong> zahlreichen Verteilnetzbetreibern abgelehnt. 269<br />
Demgegenüber wurden die Veröffentlichung der entflochtenen Jahresrechnung und<br />
damit die Public Accountability <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> nur <strong>von</strong> einem einzigen<br />
Unternehmen kritisiert.<br />
In Bezug auf Art. 18 E-StromVG gingen die Meinungen im Rahmen der Vernehmlassung<br />
auseinander. 270 Mehrere Stadt- und Gemeindewerke forderten in Anbetracht des<br />
Subsidiaritätsprinzips, den Verweis auf internationale Rechnungslegungsstandards zu<br />
268<br />
Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 73.<br />
269<br />
Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004a), S. 21. Die Angemessenheit der Wahrung der Vertraulichkeit<br />
in Bezug auf die Kostenrechnung bestätigen auch D'ARCY & BURRI (2009), S. 129.<br />
270<br />
Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004a), S. 21.
60 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
streichen. Einzelne Vertreter waren der Ansicht, dass öffentlich-rechtliche Betriebe und<br />
Genossenschaften nicht zur Führung einer zusätzlichen Rechnung nach Aktienrecht<br />
verpflichtet werden dürften. Andere Stromverteilnetzbetreiber sowie der VSE verlang-<br />
ten demgegenüber aus Gründen der Transparenz die Vorgabe eines anerkannten Rech-<br />
nungslegungsstandards anstelle des Aktienrechts.<br />
Aufgrund der generellen Kritik anlässlich der Vernehmlassung an der Regelungsdichte<br />
des E-StromVG vom Juni 2004 wurde die Vorlage zuhanden des Parlaments auf die<br />
wichtigsten Grundsätze reduziert. 271 Die Fassung des vom Bundesrat verabschiedeten<br />
StromVG-Entwurfs entspricht in Art. 11 der vom Parlament verabschiedeten Version.<br />
Art. 11 Abs. 1 StromVG enthält keine expliziten Verweise mehr zu den Bestandteilen<br />
der Jahresrechnung und zur Rechnungslegung. Der Bundesrat behält sich gemäss Art.<br />
11 Abs. 2 StromVG zwar vor, Vorschriften zur Vereinheitlichung der Rechnungslegung<br />
zu erlassen, sollten die Netzbetreiber nicht auf freiwilliger Basis – im Sinne des Subsidiaritätsprinzips<br />
gemäss Art. 3 Abs. 2 StromVG – eine einheitliche Lösung erreichen.<br />
272 Der Verweis auf anerkannte Rechnungslegungsstandards wurde jedoch gestrichen.<br />
Der Bundesrat beschreibt in seiner Botschaft die Unabdingbarkeit einer Vereinheitlichung<br />
der Kostenrechnung als der Informationsbasis für die Regulation. Auf die<br />
Jahresrechnung bzw. die ebenfalls im Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Vereinheitlichung<br />
der Rechnungslegung wird demgegenüber nicht weiter eingegangen. Auf Stufe<br />
der am 1. April 2008 in Kraft gesetzten Verordnung 273 hat der Bundesrat keinen<br />
Gebrauch <strong>von</strong> der Möglichkeit einer Vereinheitlichungsvorgabe gemacht. Wie in Kapitel<br />
2.3.3 festgehalten, hat die Branche ihrerseits bisher auch auf eine Vereinheitlichung<br />
der Rechnungslegung verzichtet. Im neuen Leitfaden zur Umsetzung des Unbundling<br />
der Jahresrechnung gibt der VSE vorwiegend Empfehlungen zu möglichen Unbundling-Verfahren<br />
sowie zur Offenlegung ab. In Bezug auf die vor allem für die Bewertung<br />
massgeblichen Rechnungslegungsstandards wurde grundsätzlich auf die <strong>unter</strong>schiedlichen<br />
gesetzlichen Minimalvorgaben des Privatrechts (OR) und des öffentlichen<br />
Rechts (HRM) verwiesen, wobei eine Anwendung <strong>von</strong> Swiss GAAP FER oder<br />
IFRS nicht ausgeschlossen wird. 274<br />
271<br />
Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1612.<br />
272<br />
Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1649.<br />
273<br />
Stromversorgungsverordnung (StromVV) (2008).<br />
274 Vgl. MEYER (2009), S. 12.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 61<br />
3.2 Vorgaben zur Segmentrechnung Netz in StromVG und StromVV<br />
3.2.1 Buchhalterisches Unbundling<br />
Basis für die Erstellung der Segmentrechnung Netz ist die auch für die Kostenrechnung<br />
grundlegende Vorgabe der buchhalterischen Entflechtung des Verteilnetzes in Art. 10<br />
Abs. 1 und 3 StromVG. In Absatz 1 werden die EVU dazu verpflichtet, Quersubventi-<br />
onierungen zwischen dem Netzbetrieb und den übrigen Tätigkeitsbereichen zu verhin-<br />
dern. Das buchhalterische Unbundling erfordert somit <strong>von</strong> den Netzbetreibern eine<br />
verursachungsgerechte Zuteilung der Erträge und Aufwendungen zum Netz und ihren<br />
übrigen Aktivitäten. Die Botschaft zum StromVG hält dabei fest, dass die Gefahr einer<br />
Ausnutzung der Monopolstellung bei EVU insbesondere durch Quersubventionierungen<br />
<strong>von</strong> wettbewerblichen Tätigkeiten durch das Netz besteht. 275 Dabei geht es zum<br />
Beispiel um den Anreiz eines Netzbetreibers, zulasten der Netztarife möglichst günstige<br />
Strompreise anbieten zu können, so dass der Wechsel für den Kunden möglichst<br />
unattraktiv wird. 276 In Art. 7 Abs. 5 StromVV wird dieser Grundsatz der verursachergerechten<br />
Kostenallokation in Bezug auf die Verteilung <strong>von</strong> Gemeinkosten nochmals<br />
festgehalten. Netzbetreiber müssen Schlüsselungen <strong>von</strong> Gemeinkosten sachgerecht<br />
und nachvollziehbar ausgestalten, schriftlich dokumentieren und stetig anwenden. Dabei<br />
wird deutlich, wie eng in diesem Bereich der Rechnungsführung die externe Sicht<br />
der Segmentrechnung Netz mit der internen Sicht der Kostenrechnung verbunden ist.<br />
Art. 10 Abs. 3 StromVG bezieht sich nur noch auf Stromverteilnetzbetreiber, welche<br />
die Verteilnetze aus den genannten Gründen im Minimum buchhalterisch entflechten<br />
müssen. Die Vorgabe ist als Minimalanforderung ausgestaltet, so dass den Verteilnetzbetreibern<br />
die Umsetzung weitergehender Unbundling-Formen möglich ist. Führt ein<br />
Netzbetreiber als freiwillige Massnahme ein rechtliches Unbundling seines Verteilnetzes<br />
durch, behalten die Vorgaben <strong>von</strong> Art. 10 Abs. 1 StromVG ihre Bedeutung.<br />
3.2.2 Bewertung<br />
Durch den Wegfall des Verweises auf einen einheitlich anzuwendenden Rechnungslegungsstandard<br />
sowie durch den Verzicht des Bundesrates auf den Erlass <strong>von</strong> Ausführungsbestimmungen<br />
zur Vereinheitlichung der Rechnungslegung auf Stufe der Verordnung<br />
enthält weder das geltende StromVG noch die aktuelle StromVV Ansatz- und<br />
275<br />
Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1648.<br />
276<br />
Vgl. zu den Anreizeffekten der Regulation: DIEKMANN et al. (2007), S. 44ff.
62 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
Bewertungsvorschriften für die Segmentrechnung Netz. Inwiefern die Vorgaben zur<br />
kalkulatorischen Bewertung gemäss Art. 15 StromVG und Art. 13 StromVV für die<br />
Segmentrechnung Netz <strong>von</strong> Relevanz sein können, wird nachfolgend aus rechtlicher,<br />
konzeptioneller und empirischer Sicht zu prüfen sein. 277<br />
Die Vorgabe <strong>von</strong> Art. 7 Abs. 4 StromVV, laut welchen Netzbetreiber und Netzeigen-<br />
tümer Regeln ausweisen müssen, nach deren Investitionen aktiviert werden, bezieht<br />
sich gemäss der Artikelüberschrift <strong>von</strong> Art. 7 StromVV nicht nur auf die Kostenrech-<br />
nung, sondern auch auf die Jahresrechnung. Die vom Rechnungslegungsstandard geprägten<br />
Aktivierungsregeln der Segmentrechnung Netz fallen somit ebenfalls <strong>unter</strong><br />
diese Bestimmung, so dass im Fall der Anwendung <strong>unter</strong>schiedlicher Aktivierungsund<br />
Abschreibungsregeln beide Bewertungskreise zu dokumentieren sind.<br />
3.2.3 Offenlegung<br />
Nach Art. 11 StromVG sind sowohl die Betreiber als auch die Eigentümer <strong>von</strong> Verteilund<br />
Übertragungsnetzen zur Erstellung einer entflochtenen Segmentrechnung Netz<br />
verpflichtet. Es bestehen aber weder auf Stufe des StromVG noch auf der Ebene der<br />
Verordnung explizite Vorgaben zu den Bestandteilen der Segmentrechnung Netz sowie<br />
zu deren Form und Gliederung. Eine Prüfung durch eine Revisionsstelle ist nicht vorgesehen.<br />
Was <strong>unter</strong> der Segmentrechnung Netz aus Sicht des Gesetzgebers genau zu<br />
verstehen ist, wird daher nachfolgend auszulegen sein.<br />
Demgegenüber hält das Gesetz die Veröffentlichungspflicht der entflochtenen Segmentrechnung<br />
Netz in Art. 12 Abs. 1 StromVG explizit fest. Der dabei verwendete<br />
Begriff "Jahresrechnung" ist dabei nicht mit der integrierten Jahresrechnung 278 des<br />
Gesamt<strong>unter</strong>nehmens oder der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft (Gemeinde) zu verwechseln.<br />
Das Gesetz bezieht sich mit dem Begriff "Jahresrechnung" ausschliesslich<br />
auf die entflochtene Segmentrechnung Netz nach Art. 11 Abs. 1 StromVG, da es sich<br />
hierbei im Hinblick auf die vorgegebene Transparenz um Informationen im Zusammenhang<br />
mit der Netznutzung handelt. 279 Diese Vorgabe wird auf Stufe StromVV<br />
277<br />
Vgl. dazu die Ausführungen in den Kapiteln 3.4.2c), 4.2 und 6.4.3 sowie die Gestaltungsempfehlung<br />
in Kapitel 7.3.2 hiernach.<br />
278<br />
Als integrierte Jahresrechnung – oder alternativ als Gesamtabschluss – wird in dieser Arbeit die<br />
nicht segmentierte Jahresrechnung verstanden. Dabei kann es sich – im Unterschied zu einer konsolidierten<br />
Jahresrechnung – auch um die Jahresrechnung einer einzelnen Gesellschaft handeln.<br />
Konsolidiert und integriert sind daher nicht zwingend gleichzusetzen.<br />
279<br />
Vgl. Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1649.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 63<br />
noch konkretisiert: Art. 10 StromVV schreibt allen Netzbetreibern vor, sämtliche In-<br />
formationen nach Art. 12 Abs. 1 StromVG inklusive der Angabe der gesamten Abga-<br />
ben und Leistungen an Gemeinwesen jährlich jeweils bis spätestens am 31. August<br />
über eine einzige Adresse im Internet zu publizieren. 280 Entsprechend ist da<strong>von</strong> auszu-<br />
gehen, dass die ersten Segmentrechnungen Netz nach dem Abschluss des ersten voll-<br />
ständigen Geschäftsjahres <strong>unter</strong> den Vorgaben <strong>von</strong> StromVG und StromVV, das heisst<br />
bis am 31. August 2010, veröffentlicht werden.<br />
3.3 Vergleichbare Vorgaben in der EU<br />
3.3.1 Richtlinien 96/92/EG und 2003/54/EG<br />
Die im Jahr 1996 erlassene Richtlinie 96/92/EG betreffend gemeinsame Vorschriften<br />
für den Elektrizitätsbinnenmarkt galt für die erste Liberalisierungsperiode der EU <strong>von</strong><br />
1999 bis 2004. 281 Die im Jahr 2003 erlassene, neue Richtlinie 2003/54/EG musste per<br />
1. Juli 2004 weitgehend umgesetzt sein. 282 Eine wesentliche Verschärfung erfuhren<br />
dabei die Vorgaben zum Unbundling. 283 Die Richtlinie 96/92/EG enthielt – vergleich-<br />
bar mit dem geltenden Schweizer StromVG – für Stromverteilnetzbetreiber erst die<br />
Vorgabe des informatorischen und buchhalterischen Unbundling. 284 Die Vorgabe des<br />
organisatorischen Unbundling gilt gemäss der Richtlinie 2003/54/EG seit dem 1. Juli<br />
2004, diejenige des rechtlichen Unbundling seit dem 1. Juli 2007. 285<br />
a) Buchhalterisches Unbundling<br />
Das buchhalterische Unbundling hat jedoch durch die Einführung des rechtlichen Un-<br />
bundling nicht an Gültigkeit verloren und ist in Art. 19 der Richtlinie 2003/54/EG für<br />
alle EVU mit Übertrags- oder Verteilnetzaktivitäten in ähnlicher Form wie in der<br />
280 Diese Publikationsplattform stellt seit dem 31. August 2009 die ElCom <strong>unter</strong><br />
www.strompreis.elcom.admin.ch zur Verfügung.<br />
281 Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend<br />
gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (1996).<br />
282 Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt<br />
und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (2003).<br />
283 Zu den generellen Anpassungen und zur Entwicklung des EG-Elektrizitätsrechts: vgl. etwa<br />
STRAUB (2005), S. 70ff.<br />
284 Informatorisches Unbundling in Art. 11, buchhalterisches Unbundling in Art. 14 Abs. 3 der EG-<br />
Richtlinie.<br />
285 Art. 30 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/54/EG.
64 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
Richtlinie 1996/92/EG enthalten. 286 In den Erwägungen zur Richtlinie 1996/92/EG<br />
wurde in Bezug auf die Anforderungen hinsichtlich des buchhalterischen Unbundling<br />
Folgendes festgehalten: 287<br />
"Die Rechnungslegung aller integrierten Elektrizitäts<strong>unter</strong>nehmen muss ein<br />
Höchstmaß an Transparenz aufweisen, insbesondere im Hinblick auf die<br />
Feststellung <strong>von</strong> möglichen missbräuchlichen Ausnutzungen einer marktbeherrschenden<br />
Stellung, die zum Beispiel in anomal hohen oder niedrigen<br />
Tarifen oder in der Anwendung <strong>unter</strong>schiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen<br />
Leistungen bestehen können. Hierfür muss die Rechnungslegung<br />
für jede Aktivität getrennt erfolgen."<br />
Entsprechend sah die Richtlinie 1996/92/EG vor, dass integrierte EVU in ihrer internen<br />
Buchführung getrennte Konten für die Aktivitäten in den Bereichen Erzeugung,<br />
Übertragung und Verteilung führen müssen, als ob diese Aktivitäten <strong>von</strong> separaten<br />
Firmen geführt würden (Fiktion rechtlicher Selbstständigkeit). 288 Dabei waren in Art. 2<br />
der Richtlinie die Erzeugung als Stromproduktion, die Übertragung als Stromtransport<br />
über ein Hochspannungsverbundnetz und die Verteilung als Stromtransport mit mittlerer<br />
und niedriger Spannung zum Zwecke der Stromversorgung <strong>von</strong> Kunden definiert.<br />
Die dabei unklare Abgrenzung zwischen Verteilnetz und Versorgung führte zur umstrittenen<br />
Auslegung, dass die Aktivitäten der Übertragung und Verteilung auch den<br />
Ertrag und den Aufwand des Energiegeschäfts beinhalten durften. 289 Mit der Richtlinie<br />
2003/54/EG wurde diese umstrittene Abgrenzungsfrage durch eindeutige Definitionen<br />
der Begriffe Übertragung und Verteilung geklärt. 290 Die Versorgung wird nun als Verkauf<br />
– einschließlich des Weiterverkaufs – <strong>von</strong> Elektrizität an Kunden explizit <strong>von</strong> der<br />
Verteilung abgegrenzt und im Rahmen des buchhalterischen Unbundling <strong>unter</strong> den<br />
286 Der Umstand, dass mit einem rechtlichen Unbundling eine gesonderte Rechnungslegung nach<br />
gesetzlichen Vorgaben zur Pflicht wird, führt nicht zwingend zur Entbehrlichkeit der buchhalterischen<br />
Unbundling-Vorgaben. Dies gilt einerseits für alle Verteilnetzbetreiber, welche <strong>unter</strong> die<br />
Ausnahmebestimmung <strong>von</strong> <strong>unter</strong> 100'000 Kunden nach Art. 15 der Richtlinie 2003/54/EG fallen.<br />
Ferner sind, wie bereits in Kapitel 2.2.3 angesprochen, nach Art. 17 der Richtlinie vertikale Kombinationsnetzgesellschaften<br />
möglich, welche die verschiedenen Netzaktivitäten ebenfalls buchhalterisch<br />
trennen müssen. Gleiches gilt für spartenübergreifende Netzgesellschaften, Konzerne sowie<br />
für Netzeigentümer. Vgl. BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 134, oder LEVERKUS (2006),<br />
S. 261ff.<br />
287 Erwägungen Nr. 32 der Richtlinie 96/92/EG.<br />
288 Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 96/92/EG.<br />
289 Vgl. LEVERKUS (2006), S. 259, BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 30ff.<br />
290 Art. 2 Nr. 3, 5 und 19 der Richtlinie 2003/54/EG.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 65<br />
übrigen elektrizitätswirtschaftlichen Tätigkeiten subsumiert. Die übrigen Aktivitäten<br />
innerhalb der Sparte Strom können konsolidiert werden. Damit entfällt im Unterschied<br />
zur Richtlinie 96/92/EG auch die Verpflichtung das Segment Erzeugung buchhalterisch<br />
separat zu erfassen. 291<br />
Diese Vorgaben sind grundsätzlich mit den relativ knappen Regeln nach Art. 10 und 11<br />
StromVG vergleichbar. Im Gegensatz zur Schweizer Regelung ist das buchhalterische<br />
Unbundling in der EU durch die Revisionsstelle überprüfen zu lassen. Diese muss insbesondere<br />
kontrollieren, ob die Verpflichtung zur Vermeidung <strong>von</strong> Diskriminierung<br />
und Quersubventionierung eingehalten wird. 292<br />
b) Bewertung<br />
In Bezug auf Bewertungsvorschriften gibt die nunmehr geltende Richtlinie<br />
2003/54/EG – wie schon die ausser Kraft gesetzte Richtlinie 96/92/EG – vor, dass<br />
EVU ihre integrierten Jahresabschlüsse ungeachtet ihrer Rechtsform und ihrer Eigentumsverhältnisse<br />
nach der Vierten Richtlinie 78/660/EWG zu erstellen haben. 293 Im<br />
Gegensatz zum geltenden Schweizer StromVG beinhalten die EG-Vorgaben somit einen<br />
expliziten Verweis auf den europäischen Rechnungslegungsstandard bzw. auf dessen<br />
nationale Umsetzung. 294 Inwiefern die Vorgabe des Rechnungslegungsstandards<br />
auch für die einzelnen Segmentrechnungen gilt, ist auf EG-Ebene nicht explizit geregelt.<br />
Die Richtlinie 96/92/EG gab in Art. 3 vor, dass die einzelnen Segmentrechnungen<br />
(Erzeugung, Übertragung, Verteilung, Übriges) in den Anhang des Jahresabschlusses<br />
aufzunehmen seien. Aufgrund der Disaggregationsfunktion des Anhangs war <strong>unter</strong><br />
dieser Vorgabe die Massgeblichkeit der Vierten Richtlinie für die Segmentrechnungen<br />
anzunehmen. Da diese Offenlegung im Anhang des Gesamtabschlusses mit der Einführung<br />
der geltenden Richtlinie 2003/54/EG weggefallen ist und in Art. 19 Abs. 3<br />
stattdessen nur noch die interne Rechnungslegung angesprochen wird, kann diese Begründung<br />
nicht mehr herangezogen werden. Hingegen hält POULLIE fest, dass der<br />
Ausdruck der internen Rechnungslegung nicht mit der Betriebsbuchhaltung gleichzusetzen<br />
sei; der Begriff beziehe dabei lediglich auf die Frage der externen Publizität. 295<br />
Aufgrund der Einschätzungen zur deutschen Umsetzung im alten und neuen EnWG ist<br />
291<br />
LEVERKUS (2006), S. 262.<br />
292<br />
Art. 19 Abs. 4 der Richtlinie 2003/54/EG.<br />
293<br />
Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 96/92/EG.<br />
294<br />
In Deutschland zum Beispiel das Handelsgesetzbuch HGB.<br />
295 POULLIE (2007), S. 221.
66 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
da<strong>von</strong> auszugehen, dass die Segmentrechnungen zusammen mit dem integrierten Ab-<br />
schluss zu erstellen und prüfen zu lassen sind, weshalb die Vorgaben des Rechnungs-<br />
legungsstandards ebenfalls für die Segmentrechnungen massgeblich sind. 296<br />
HENNEMANN schliesst diesbezüglich insbesondere auch die <strong>unter</strong>schiedliche Nutzung<br />
<strong>von</strong> Wahlrechten zwischen Gesamt- und Segmentabschluss aus. 297<br />
Die Vierte Richtlinie bezweckt die Koordination der einzelstaatlichen Vorschriften<br />
über die Gliederung und den Inhalt des Jahresabschlusses sowie des Lageberichts, fer-<br />
ner über die Bewertungsmethoden und die Offenlegung. 298 Gemäss Art. 2 Abs. 3 der<br />
Richtlinie muss der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen-<br />
des Bild der Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage der Gesellschaft vermitteln. Die<br />
Richtlinie setzt jedoch das Prinzip der Fair Presentation aufgrund zahlreicher Bewer-<br />
tungsspielräume und Wahlmöglichkeiten auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ver-<br />
gleichbar mit den IFRS durch. 299 Dennoch hat das in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie fest-<br />
gehaltene Vorsichtsprinzip zugunsten einer besseren Informationsfunktion – verglichen<br />
mit dem geltenden Schweizer Aktienrecht – eine geringere Bedeutung.<br />
Die Bewertungsvorgaben in der geltenden Richtlinie 2003/54/EG für die Segmentbe-<br />
richte <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> sind demzufolge strenger als im geltenden<br />
StromVG; dieses verfügt über keinerlei Verweise auf einen geltenden Rechnungsle-<br />
gungsstandard und ist daher im Vergleich zu den europäischen Vorgaben deutlich we-<br />
niger bestimmt.<br />
c) Offenlegung<br />
Auch die Offenlegung im Rahmen der <strong>Segmentberichterstattung</strong> ist in den EG-<br />
Richtlinien im Gegensatz zum StromVG klarer geregelt. Gemäss den Vorgaben der<br />
EG-Richtlinie 96/92/EG waren für jede Aktivität eine Bilanz und eine Ergebnisrechnung<br />
300 zu erstellen und die Regeln der Zuteilung <strong>von</strong> Aktiven und Passiven sowie <strong>von</strong><br />
296<br />
Vgl. HENNEMANN (2008), S. 69f., in Bezug auf das neue EnWG oder BOLSENKÖTTER &<br />
POULLIE (2003), S. 43, in Bezug auf das alte EnWG.<br />
297<br />
HENNEMANN (2008), S. 70. Analog auch LEVERKUS (2006), S. 271.<br />
298<br />
Erwägung Nr. 1, Vierte Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund <strong>von</strong> Artikel 54 Absatz 3<br />
Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß <strong>von</strong> Gesellschaften bestimmter Rechtsformen<br />
(1978). Vgl. weiterführend dazu etwa die Ausführungen im HWP, Ziff. 2.3341.<br />
299<br />
SETHE (2009), S. 29.<br />
300<br />
Term der deutschen Richtlinie. Im englischen Richtlinientext wird vom Profit and Loss Account<br />
gesprochen. Die Interpretation <strong>von</strong> PEROUTKA (2001), S. 69, dass die Ergebnisrechnung im Unterschied<br />
zur Erfolgsrechnung nicht bis auf die Stufe Reingewinn zu erfolgen habe, erscheint da-
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 67<br />
Aufwendungen und Erträgen zu den einzelnen Segmenten zu erläutern. 301 Dabei wurde<br />
das Prinzip der Stetigkeit explizit vorgegeben, so dass Änderungen dieser Regeln nur<br />
in Ausnahmefällen zulässig und entsprechend transparent zu begründen waren. Ver-<br />
bunden mit der Offenlegung dieser Segmentrechnungen und Erläuterungen im Anhang<br />
des Gesamtabschlusses war eine Publikationspflicht zuhanden der Öffentlichkeit. 302<br />
Die damalige Veröffentlichungsplicht ging aufgrund der Verpflichtung zur integrierten<br />
Publikation im Anhang des Gesamtabschlusses über die in der Schweiz geltende Vorgabe<br />
zur Veröffentlichung der Segmentrechnung Netz gemäss Art. 12 Abs.1 StromVG<br />
hinaus.<br />
Mit der neuen Richtlinie 2003/54/EG wurden sowohl die Offenlegungs- wie auch die<br />
Publikationspflichten angepasst. Nach Art. 19 Abs. 3 der geltenden Richtlinie besteht<br />
für Stromverteilnetzbetreiber "nur" noch die Pflicht, im Rahmen der internen Rechnungslegung<br />
pro Aktivität je eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung zu<br />
erstellen. Auf explizite Vorgaben zu Erläuterungen im Anhang sowie auf die Aufnahme<br />
der Segmentrechnungen im Anhang des Gesamtabschlusses wurde verzichtet. Somit<br />
entfällt für EVU ohne Verpflichtung zum rechtlichen Unbundling auf europäischer<br />
Ebene auch die zwingende Vorgabe der Publikationspflicht der entflochtenen Segmentrechnung<br />
Netz. 303 Der Einblick in die entflochtenen Teilrechnungen ist bei diesen kleineren<br />
Gesellschaften gemäss Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie nur noch für die Regulationsbehörden<br />
bindend. Durch die Vorgabe des rechtlichen Unbundling für Stromverteilnetzbetreiber<br />
mit mehr als 100'000 Kunden sowie der unveränderten Pflicht zur<br />
Veröffentlichung des gesamten Jahresabschlusses bleibt die Publikationspflicht der<br />
Segmentrechnung Netz in Form einer eigenständigen gesellschaftsrechtlichen Jahresrechnung<br />
jedoch bestehen. Der Vergleich dieser Mindestvorgaben der EG mit dem<br />
Schweizer Stromrecht bringt daher lediglich eine Differenz in der Publikationspflicht<br />
kleiner Verteilnetzbetreiber zutage.<br />
3.3.2 Umsetzung <strong>von</strong> Art. 19 der Richtlinie 2003/54/EG in Deutschland<br />
Deutschland hat die geltenden EG-Vorgaben zum buchhalterischen Unbundling und<br />
zur Rechnungslegung im Jahr 2005 im Rahmen seiner nationalen Gesetzgebung in Art.<br />
her unzulässig. Der Begriff "Ergebnisrechnung" ist als Synonym zur Erfolgs- bzw. zur Gewinn-<br />
und Verlustrechnung zu behandeln.<br />
301 Art. 14 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 96/92/EG.<br />
302 Art. 14 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 96/92/EG.<br />
303 Art. 18 der Richtlinie 2003/54/EG; vgl. dazu auch KRIETE (2004), S. 1275.
68 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
10 EnWG übernommen. 304 Das alte EnWG aus dem Jahr 1998 beinhaltete – basierend<br />
auf der EG Richtlinie 96/92/EG – ebenfalls bereits Vorgaben zum buchhalterischen<br />
Unbundling. 305 Die geltenden deutschen Regelungen in Art. 10 EnWG zeichnen sich<br />
im Unterschied zur EG-Richtlinie vor allem durch ihre ausführlichere Form aus. Das<br />
Gesetz umfasst neben dem Elektrizitätssektor auch die Gasversorgung.<br />
Art. 10 Abs. 1 EnWG verweist hinsichtlich der Erstellung, Prüfung und Publikation<br />
des Gesamtabschlusses auf die Vorschriften für Kapitalgesellschaften des deutschen<br />
Handelsrechts nach HGB. Dieses war bisher, ähnlich dem Schweizer Aktienrecht, vom<br />
Vorsichtsprinzip geprägt. 306 Mit dem im Frühling 2009 verabschiedeten Bilanzrechts-<br />
modernisierungsgesetz (BilMoG) wird das HGB jedoch per 1. Januar 2010 umfassend<br />
revidiert und an die Prinzipen und Vorgaben <strong>von</strong> IFRS angenähert. 307 Dies bedeutet für<br />
die 855 deutschen Stromverteilnetzbetreiber – unabhängig <strong>von</strong> deren Rechtsform und<br />
Eigentumsverhältnissen – die Vorgabe einer einheitlichen, an internationalen Standards<br />
ausgerichteten Rechnungslegung. 308 Die nach Art. 10 Abs. 1 EnWG vorgeschriebene<br />
Unabhängigkeit <strong>von</strong> Rechtsform und Eigentümerschaft tangiert dabei die grössenab-<br />
hängigen Erleichterungen nach HGB nicht, so dass kleine und mittlere Stromverteil-<br />
netzbetreiber <strong>von</strong> Erleichterungen in Bezug auf die Offenlegung profitieren können. 309<br />
Art. 10 Abs. 3 EnWG verweist auch explizit auf die Massgeblichkeit <strong>von</strong> HGB für die<br />
Segmentrechnungen. Diese sind gemäss EnWG im Bereich Strom für die Übertragung,<br />
die Verteilung und für die anderen Tätigkeiten innerhalb der Sparte sowie für übrige<br />
304 Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG) (2005).<br />
305 Einen Vergleich der beiden Vorgaben zum buchhalterischen Unbundling bietet LEVERKUS (2006).<br />
306 Vgl. zum Charakter der bisherigen HGB etwa BUCHHOLZ (2007), S. 21ff.<br />
307 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz - BilMoG)<br />
(2009). Vgl. dazu die Änderungen und Einschätzungen basierend auf dem Entwurf zum BilMoG<br />
bei PADBERG & WERNER (2008) oder KÜTING (2008).<br />
308 Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche unselbstständige EVU, welche in Deutschland als Eigenbetriebe<br />
bezeichnet werden. Vgl. APPEL & BARTH (2008).<br />
309 Vgl. POULLIE (2007), S. 197. Zu den Erleichterungen für kleine Unternehmen (Umsatz < € 9.86<br />
Mio., Bilanzsumme < € 4.84 Mio., Arbeitnehmer < 50) gehören nach HGB beispielsweise die Befreiung<br />
<strong>von</strong> der Pflicht zur Erstellung eines Anlagegitters, eine reduzierte Gliederung <strong>von</strong> Bilanz<br />
und Erfolgsrechnung sowie weniger verlangte Informationen im Anhang. Von mittelgrossen Unternehmen<br />
(Umsatz < € 38.5 Mio., Bilanzsumme < € 19.25 Mio., Arbeitnehmer < 250) werden<br />
insbesondere weniger Informationen im Anhang gefordert. Vgl. LORSON (2008), S. 12ff.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 69<br />
Tätigkeiten zu erstellen. 310 Das EnWG geht im Unterschied zum EG-Recht ebenfalls<br />
auf die direkte und indirekte Zuordnung <strong>von</strong> Konten zu den Aktivitäten ein und legt<br />
fest, dass Schlüsselungen sachgerecht und für Dritte nachvollziehbar zu erfolgen ha-<br />
ben. Analog dazu hat das EnWG auch den Passus zur Erläuterung der Allokationsre-<br />
geln im Vergleich zur geltenden EG-Richtlinie nicht gestrichen und eine zusätzliche<br />
Offenlegung zu den Abschreibungsmethoden vorgegeben.<br />
Vor der Einführung des neuen EnWG wurde in Deutschland die Veröffentlichungs-<br />
pflicht der Segmentrechnungen mit dem Fehlen einer Regulierungsbehörde begrün-<br />
det. 311 Aus dem Umstand, dass externe Beobachter und Marktteilnehmer auf die An-<br />
gaben der EVU selbst angewiesen waren, resultierte die Anforderung, dass die Trans-<br />
parenz in der externen Rechnungslegung der EVU deutlich höher sein müsse als all-<br />
gemein üblich. Entsprechend dieser Argumentation wurde in Deutschland die grösse-<br />
nunabhängige Veröffentlichungspflicht der Segmentrechnungen mit dem neuen EnWG<br />
und der Einführung der BUNDESNETZAGENTUR als Regulator – analog zu den europäi-<br />
schen Vorgaben – fallen gelassen. Die Segmentrechnung Netz wird somit nur noch bei<br />
grösseren EVU infolge des rechtlichen Unbundling in Form einer eigenständigen<br />
HGB-Jahresrechnung publiziert. Art. 10 Abs. 5 EnWG gibt zusätzlich für alle EVU die<br />
jährliche Informationspflicht an den Regulator vor. Diesem sind der Jahresabschluss<br />
nach HGB, sämtliche segmentspezifischen Bilanzen und Erfolgsrechnungen inklusive<br />
Erläuterungen sowie der Revisionsbericht einzureichen. Letzterer muss auch die Einhaltung<br />
der Vorgaben <strong>von</strong> Art. 10 Abs. 3 EnWG bestätigen. 312<br />
Im Unterschied zur Regelung in der Schweiz liegt in Deutschland der Fokus des buchhalterischen<br />
Unbundling – nach den Vorgaben der EG – im Bereich der Buchführung<br />
und Rechnungslegung. Die für die Kalkulation der Netznutzungsentgelte notwendigen<br />
Vorgaben zur entflochtenen Kostenrechnung, welche in der Schweiz das StromVG<br />
sowie die StromVV im Bezug auf das Rechnungswesen schwergewichtig prägen, sind<br />
in Deutschland auf Gesetzesebene nur im Grundsatz enthalten. 313<br />
310<br />
Ein Energieversorgungs<strong>unter</strong>nehmen mit den Sparten Strom und Gas, welches in allen vom<br />
EnWG betroffenen Aktivitäten tätig ist, hat neun Bereiche zu trennen und separat abzuschliessen.<br />
Vgl. LEVERKUS (2006), S. 263.<br />
311<br />
KRIETE & WERNER (2004), S. 176.<br />
312 Vgl. IDW PS 610: INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER IN DEUTSCHLAND E.V. (2006a).<br />
313 Art. 21ff. EnWG enthalten Vorgaben zur Bildung <strong>von</strong> Netzentgelten, delegieren aber konkrete<br />
Vorgaben zur Kostenrechnung auf die Ebene der Verordnung. Mit der Verordnung über die Entgelte<br />
für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung – Strom-<br />
NEV) (2005) wurde dieser Verpflichtung nachgekommen.
70 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
3.3.3 Umsetzung <strong>von</strong> Art. 19 der Richtlinie 2003/54/EG in Österreich<br />
Österreich hat die Vorgaben zur Rechnungslegung und zum buchhalterischen Unbund-<br />
ling seit 1998 in Art. 8 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (El-<br />
WOG) auf Bundesstufe umgesetzt. 314 Die Norm wurde über die Jahre mehrfach ange-<br />
passt, nicht zuletzt durch die Inkraftsetzung der Richtlinie 2003/54/EG. Unter anderem<br />
wurde Art. 8 ElWOG in Bezug auf die Abgrenzungen der einzelnen Aktivitäten kon-<br />
kretisiert sowie explizit um die Prüfungspflicht des buchhalterischen Unbundling er-<br />
weitert. Gemäss Art. 8 Abs. 3 Ziff. 1 ElWOG sind integrierte EVU verpflichtet, eigene<br />
Konten im Rahmen <strong>von</strong> Rechnungskreisen a) für die Erzeugungs-, Stromhandels- und<br />
Versorgungstätigkeiten, b) für Übertragungstätigkeiten und c) für Verteilungstätigkeiten<br />
zu führen. Gemäss Ziff. 2 des gleichen Absatzes sind für jeden Rechnungskreis<br />
eine Bilanz, eine Ergebnisrechnung sowie die Zuweisungsregeln zu veröffentlichen.<br />
Gleiches gilt auch für die Tätigkeiten ausserhalb des Elektrizitätsbereiches, für welche<br />
ein konsolidierter Segmentausweis zulässig ist. 315 Interessant ist der explizite Verweis<br />
der österreichischen Regelung auf den Einsatz <strong>von</strong> Rechnungskreisen – ein Verweis,<br />
der weder auf Ebene der EG noch im deutschen EnWG eine Entsprechung findet. Gemäss<br />
PEROUTKA kann daraus jedoch nicht etwa die Erfordernis einer doppelten Buchführung<br />
für jede Aktivität abgeleitet werden. 316<br />
Die Veröffentlichungspflicht für die einzelnen Segmentrechnungen wurde – über die<br />
Vorgaben der EG hinaus und im Unterschied zur Anpassung in Deutschland – in Art. 8<br />
Abs. 3 Ziff. 3 ElWOG auch für EVU ohne rechtliches Unbundling beibehalten. Ein<br />
expliziter Verweis auf die Veröffentlichung der Informationen im Anhang zum integrierten<br />
Jahresabschluss fehlt allerdings. Art. 8 Abs. 1 ElWOG beschränkt die Veröffentlichungspflicht<br />
auf Netzbetreiber, deren unmittelbare und mittelbare Abgabe an<br />
Strom neun GWh pro Jahr überschreitet. Die übrigen EVU haben eine Version des Abschlusses<br />
sowie der Segmentrechnungen am Sitz der Verwaltung zur Verfügung der<br />
Öffentlichkeit bereitzuhalten. Die Veröffentlichungspflicht wird in Österreich nach den<br />
314<br />
Art. 8 ElWOG: Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft<br />
neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz - ElWOG) (1998).<br />
315<br />
Art. 8 Abs. 3 Ziff. 3 ElWOG. Unklar bleibt im Wortlaut, wie mit übrigen Tätigkeiten innerhalb<br />
des Elektrizitätsbereiches umzugehen ist. Denkbar sind beispielsweise Installations- oder<br />
Contracting-Dienstleistungen. In Deutschland ist dies in Art. 10 Abs. 3 EnWG explizit durch die<br />
getrennte Behandlung <strong>von</strong> übrigen Tätigkeiten innerhalb und ausserhalb des Sektors Strom geregelt.<br />
316<br />
PEROUTKA (2001), S. 68. Vgl. zu den verschiedenen Methoden des buchhalterischen Unbundling<br />
ausführlicher Kapitel 4.1 hiernach.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 71<br />
Vorgaben des Handelsrechts grundsätzlich durch die Publikation im Amtsblatt bzw. bei<br />
kleineren Gesellschaften durch die Eintragung im Handelsregister (Firmenbuch) er-<br />
füllt. 317<br />
Im Gegensatz zur EG-Richtlinie oder zum deutschen EnWG enthält das ElWOG kei-<br />
nen expliziten Verweis auf die Vorschriften des österreichischen Handelsrechts. Ge-<br />
mäss dem VERBAND DER ELEKTRIZITÄTSWERKE ÖSTERREICHS (VEÖ) hat sich die<br />
Darstellung der Bilanzen und Ergebnisrechnungen pro Aktivität zum Zweck der Über-<br />
sichtlichkeit an der Gliederung des Handelsrechts zu orientieren, wobei eine verdünnte<br />
Gliederung möglich ist. 318 PEROUTKA beurteilt die Vorschriften des ElWOG in Bezug<br />
auf die Veröffentlichungspflichten als lex specialis zum österreichischen Handelsrecht<br />
und im Bereich der <strong>Segmentberichterstattung</strong> als Erweiterung der handelsrechtlichen<br />
Vorgaben. 319 Jedoch weist er gleichzeitig darauf hin, dass gemäss der österreichischen<br />
Umsetzung – entgegen der deutschen Regelung – die Verpflichtung zur Erstellung <strong>von</strong><br />
Jahresabschlüssen nicht erweitert werde, da kein <strong>von</strong> der Rechtsform unabhängiger<br />
Verweis auf die Vorschriften für Kapitalgesellschaften bestehe. 320 Diese Auslegung<br />
wiederspricht jedoch der Vorgabe der Richtlinie 2003/54/EG. Diese verpflichtet alle<br />
EVU der EG-Mitgliedstaaten dazu ihre Rechnungslegung – unabhängig <strong>von</strong> Rechts-<br />
form und Eigentumsverhältnissen – nach einer der Vierten Richtlinie 78/660/EWG<br />
entsprechenden, nationalen Rechtsvorschrift zu erstellen. Demnach ist auch in Österreich<br />
richtlinienkonform da<strong>von</strong> auszugehen, dass nach Art. 8 ElWOG die erhöhten Anforderungen<br />
für Kapitalgesellschaften des per 1. Januar 2007 neu eingeführten Unternehmensgesetzbuches<br />
(UGB) für die Rechnungslegung sowie für die <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
aller EVU Geltung haben. 321 Im Gegensatz zum deutschen BilMoG strebt<br />
das neue UGB keine materielle Annäherung des österreichischen Handelsrechts an<br />
internationale Rechnungslegungsstandards an, sondern konzentriert sich weiterhin auf<br />
den Gläubigerschutz. 322<br />
317<br />
Vgl. VERBAND DER ELEKTRIZITÄTSWERKE ÖSTERREICHS VEÖ (1999), S. 13, zit. in PEROUTKA<br />
(2001), S. 61. Eine Pflicht zur Veröffentlichung im Internet besteht grundsätzlich nicht.<br />
318<br />
VERBAND DER ELEKTRIZITÄTSWERKE ÖSTERREICHS VEÖ (1999), S. 9, zit. in PEROUTKA (2001),<br />
S. 25.<br />
319<br />
Vgl. PEROUTKA (2001), S. 26ff.<br />
320<br />
PEROUTKA (2001), S. 60.<br />
321<br />
Bundesgesetz über besondere zivilrechtliche Vorschriften für Unternehmen (Unternehmensgesetzbuch<br />
- UGB) (2005), Art. 221ff. Das UGB hat per 1. Januar 2007 das österreichische Handelsgesetzbuch<br />
(HGB) ersetzt.<br />
322 Vgl. KREJCI & BYDLINSKI (2007), UGB § 189, Rz. 8.
72 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
Nach dieser Auslegung sind die in Österreich geltenden Vorgaben zum buchhalteri-<br />
schen Unbundling, zur Bewertung und zur Offenlegung der Segmentrechnungen<br />
grundsätzlich mit der Situation für deutsche Stromverteilnetzbetreiber vergleichbar,<br />
auch wenn zwischen den jeweils neuen nationalen Rechnungslegungsvorgaben Diffe-<br />
renzen vorhanden sind. Ein wesentlicher Unterschied zu Deutschland besteht in der<br />
Publikationspflicht der Segmentrechnungen. Im Gegensatz zur Publikationspflicht in<br />
der Schweiz gemäss Art. 11 Abs. 1 StromVG besteht in Österreich die Notwendigkeit,<br />
neben der Netzinfrastruktur auch die anderen Aktivitäten im Sektor Strom sowie die<br />
übrigen Tätigkeiten je als Segmentrechnung zu veröffentlichen. Dies führt im Ver-<br />
gleich zur Schweiz zu einer wesentlich umfassenderen Publikationspflicht.<br />
3.4 Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe<br />
Die im Vergleich zu den EG-Normen knappe Formulierung 323 zum buchhalterischen<br />
Unbundling in Art. 10 Abs. 1 und 3 StromVG sowie zur entflochtenen Jahresrechnung<br />
in Art. 11 Abs. 1 StromVG fordert eine Konkretisierung der Anforderungen zur Erstel-<br />
lung einer Segmentrechnung Netz. Gemäss der Praxis des Bundesgerichts ist die Nähe<br />
zur Norm für die Wertung der verschiedenen Auslegungselemente entscheidend. So ist<br />
ein Gesetz in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. 324 Wenn dieser nicht völ-<br />
lig klar ist, so ist die Norm nach deren Zweck, den ihr zugrundeliegenden Wertungen<br />
und deren Systematik zu interpretieren. 325<br />
Es ist festzuhalten, dass das buchhalterische Unbundling nach Art. 10 StromVG und<br />
die Ausgestaltung der Segmentrechnung Netz nach Art. 11 StromVG gemäss den Pro-<br />
tokollen der beratenden National- und Ständeratskommissionen auf Stufe der parla-<br />
mentarischen Beratung des StromVG keine Diskussionsthemen waren. 326<br />
323 HÖHN (1993), S. 24, weist dabei auf die Vor- und Nachteile der Regelungsdichte hin. Nach seiner<br />
Einschätzung wird die Fähigkeit genereller Normen eher überschätzt. Dies gilt insbesondere für<br />
Erlasse, welche sich auch an Laien richten. Die Verantwortlichen <strong>von</strong> Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
als Laien zu bezeichnen, wäre in diesem Zusammenhang sicherlich verfehlt. Jedoch<br />
führt die äusserst knappe Regelungsdichte im vorliegend behandelten Bereich zu zahlreichen<br />
Auslegungsfragen, welche für die mit der Umsetzung betrauten Verantwortlichen eher eine<br />
Last denn eine Chance darstellen. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit ist kritisch zu beurteilen.<br />
324 BGE 105 Ib 49, Erw. 3a, zit. in HÖHN (1993), S. 123.<br />
325 Ähnlich auch BGE 114 Ia 191, Erw. 3b, zit. in HÖHN (1993), S. 124.<br />
326 In der parlamentarischen Beratung standen die aus politischer Sicht zentralen Themen, wie die<br />
Förderung erneuerbarer Energien, die schrittweise Marktöffnung oder die Ausgliederung der<br />
Swissgrid im Zentrum. In Bezug auf die Jahres- und Kostenrechnung wurde vor allem über histo-
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 73<br />
3.4.1 Art. 10 StromVG<br />
a) Unabhängigkeit des Netzbetriebs<br />
Nach Art 10 Abs. 1 StromVG haben die EVU "die Unabhängigkeit des Netzbetriebs<br />
sicherzustellen". Unter Netzbetrieb werden gemäss technischem und organisatori-<br />
schem Verständnis Funktionen wie Netzführung und -überwachung, Schaltung, Netz-<br />
planung, Betriebsmessung, Kommunikation im Netz, Schutztechnik sowie weitere<br />
Funktionen auf der Planungs- und Steuerungsebene subsumiert. 327 Zentrale Tätigkeiten<br />
wie Netzbau, Instandhaltung, hoheitliche Installationskontrolle oder Netzvertrieb 328<br />
werden dagegen vom Netzbetrieb im engeren Sinne <strong>unter</strong>schieden. Alternativ kann der<br />
Begriff Netzbetrieb im weiteren Sinne auch zur Bezeichnung sämtlicher für das Funk-<br />
tionieren des Netzes notwendigen Tätigkeiten eines Netzbetreibers verwendet werden.<br />
Aus teleologischer Sicht ist für das StromVG die weite Auslegung des Wortlauts angemessen.<br />
Entsprechend der Zielsetzung des Unbundling soll die Stromverteilung als<br />
natürliches Monopol insbesondere vom Stromverkauf entflochten werden. 329 So versteht<br />
auch die Botschaft den Begriff Netzbetrieb als Synonym für die Wertschöpfungsstufe<br />
Verteilung, welche <strong>von</strong> den vor- und nachgelagerten Märkten der Erzeugung, des<br />
Handels oder der Versorgung abzugrenzen ist. 330 Eine reine Entflechtung des Netzbetriebs<br />
im engeren Sinne und ein Verbleib sämtlicher anderer Netzfunktionen <strong>unter</strong> den<br />
übrigen Aktivitäten würden auch der Zielsetzung der Abbildung sämtlicher Netzkosten<br />
widersprechen. Dies kann mit dem systematischen Element bestätigt werden. Art. 15<br />
Abs. 2 StromVG definiert nämlich die Betriebskosten als Kosten für die mit dem Betrieb<br />
direkt zusammenhängenden Leistungen, insbesondere für Systemdienstleistungen<br />
und Unterhalt. Art. 7 Abs. 3 StromVV schreibt die zwingend auszuweisenden Kosten<br />
der Netze vor. Darin sind neben den Betriebskosten der Netze auch die Kosten für<br />
Mess- und Informationswesen sowie für Netzanschlüsse explizit aufgeführt. Art. 8<br />
StromVG definiert die Aufgaben der Netzbetreiber. Dar<strong>unter</strong> fallen die Gewährleis-<br />
rische Anschaffungswerte oder Wiederbeschaffungswerte als kalkulatorische Bewertungsansätze<br />
beraten. Im Übrigen wurde den Vorschlägen der Botschaft Folge geleistet.<br />
327<br />
Vgl. im Detail die Aktivitätenliste in der Branchenrichtlinie KRSV; MUNZ (2008), S. 16.<br />
328<br />
Unter Netzvertrieb können Funktionen wie Kundenmessung, Vertragsmanagement, Kalkulation<br />
Netznutzungsentgelte oder Kundensupport zusammengefasst werden. Vgl. GOES (2003), S. 102.<br />
329<br />
Vgl. DIEKMANN et al. (2007), S. 21; vgl. Kapitel 2.2.1 hiervor.<br />
330<br />
Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1648.
74 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
tung eines sicheren, leistungsfähigen und effizienten Netzes 331 sowie die Organisation<br />
der Netznutzung. 332 Gemäss der Botschaft ist Art. 8 Abs. 1 lit. a StromVG als umfas-<br />
sende Verpflichtung für den adäquaten Ausbau, den sicheren Betrieb und den permanenten<br />
Unterhalt des Netzes zu verstehen. 333 Diese Auslegung entspricht auch dem<br />
Begriffsverständnis im deutschen EnWG, welches die Netzbetreiber dazu verpflichtet,<br />
ihr Netz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht auszubauen.<br />
334 Eine Abgrenzung des Netzbetriebs im engeren Sinne würde diese Aktivitäten<br />
nicht umfassen und damit diesen Bestimmung auf Gesetzes- und Verordnungsebene<br />
widersprechen. Demgegenüber fallen gemäss der Definition des natürlichen Monopols<br />
weitergehende, für den Netzbetrieb nicht zwingende Tätigkeiten, welche in Konkurrenz<br />
zu anderen Anbietern erbracht werden, nicht <strong>unter</strong> den Geltungsbereich des nach<br />
Art. 10 Abs. 1 StromVG zu entflechtenden Netzbetriebs. Aufgrund der Wettbewerbssituation<br />
ist es vielmehr angebracht, diese Tätigkeiten – sofern sie wesentlich sind – im<br />
Rahmen der Segmentierung vom Monopolbereich abzugrenzen. 335<br />
Diese Auslegung des Netzbetriebs hat keinen Einfluss auf die Art der Ausführung der<br />
Tätigkeiten. Es bleibt einem Netzbetreiber weiterhin unbenommen, einzelne Tätigkeiten<br />
– wie beispielsweise den Bau und die Instandhaltung des Netzes – im Auftragsverhältnis<br />
an ein Dritt<strong>unter</strong>nehmen, an ein verbundenes Unternehmen oder an eine andere<br />
Organisationseinheit auszulagern. 336 Die Kosten dieser Dienstleistungen, und nur diese,<br />
fallen nach vorliegender Auslegung in den entflochtenen Teil des Netzbetriebs.<br />
Die Unabhängigkeitsvorgabe wird in Art. 2 und 3 des gleichen Artikels konkretisiert,<br />
indem die informatorische und buchhalterische Entflechtung für Verteilnetzbetreiber<br />
vorgegeben wird. Eine darüber hinausgehende Auslegung des Wortlauts Unabhängig-<br />
331<br />
Art. 8 Abs. 1 lit. a StromVG.<br />
332<br />
Art. 8 Abs. 1 lit. b StromVG.<br />
333<br />
Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1646.<br />
334<br />
Art. 11 Abs. 1 EnWG; vgl. auch KLAUER (2006), S. 114.<br />
335<br />
Dabei ist es denkbar, dass bei wesentlichen Netzdienstleistungen für Dritte neben dem Netz und<br />
dem Vertrieb ein weiteres Segment gebildet wird (zum Beispiel Service). Ist eine solche Tätigkeit<br />
für Dritte hingegen unwesentlich, kann die Abgrenzung <strong>von</strong> der Monopolaktivität im Netz auch<br />
durch getrennte Kostenträgerrechnungen erfolgen. Damit wäre eine Abbildung innerhalb des<br />
Segments Netz, und damit ein Ausweis in der Segmentrechnung Netz, nicht auszuschliessen.<br />
336 Die Frage der Auslagerung der Funktionen ist insbesondere <strong>unter</strong> den Vorgaben des rechtlichen<br />
Unbundling entscheidend. Vgl. die Strukturmodelle bei KLAUER (2006).
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 75<br />
keit wäre aus systematischer Sicht nicht zulässig. 337 Eine personelle oder organisatori-<br />
sche Unabhängigkeit wird demnach auch in der Botschaft für Verteilnetzbetreiber aus<br />
Gründen der Marktstruktur und der schwierigen Überprüfbarkeit ausgeschlossen. 338<br />
b) Entflechtung der Verteilnetzbereiche<br />
Art. 10 Abs. 3 StromVG schreibt die buchhalterische Entflechtung zwischen den Ver-<br />
teilnetzbereichen und den übrigen Tätigkeitsbereichen vor. Im Gegensatz zu den euro-<br />
päischen Vorgaben spricht das StromVG nur <strong>von</strong> der "Entflechtung" und verzichtet auf<br />
die explizite Vorgabe der Führung getrennter Konten. Nach Art. 10 Abs. 3 Satz 1 des<br />
deutschen EnWG ist das Ziel der Kontentrennung die Vermeidung <strong>von</strong> Diskriminierung<br />
und Quersubventionierung zwischen den Tätigkeitsbereichen. 339 Diese Zielsetzung<br />
ist im StromVG in Art. 10 Abs. 1 ebenfalls verankert. Das europäische Recht<br />
geht aber noch weiter und gibt die Fiktion der rechtlichen Selbstständigkeit explizit<br />
vor. 340 Ob diesen Vorgaben wäre aufgrund des Wortlauts zu vermuten, dass für die Verteilnetzbereiche<br />
nach den Vorgaben der EG eine eigenständige, doppelte Buchhaltung<br />
zu führen ist. Jedoch zeigen die Auslegung und die Praxis sowohl in Deutschland wie<br />
auch in Österreich, dass die Umsetzung des buchhalterischen Unbundling nicht zwingend<br />
eine Vervielfachung der Konten in der Finanzbuchhaltung mit sich bringt und<br />
dass auch eine nachträgliche Zuordnung zu den einzelnen Bereichen <strong>unter</strong> Wahrung<br />
der Überleitungsfähigkeit ausreichend ist. 341 Eine Verpflichtung zur vollständigen<br />
Trennung der Buchhaltung in einzelne, in sich geschlossene Segmentbuchhaltungen<br />
besteht demnach auch in der EU nicht. Vor diesem Hintergrund kann für die offenere<br />
Regelung der Schweiz keine strengere Auslegung der Entflechtungsbestimmung vertreten<br />
werden. 342 Solange die verschiedenen Unbundling-Methoden die Anforderungen<br />
der jeweiligen Rechnungslegung und die Vorgaben <strong>von</strong> Art. 7 Abs. 5 StromVV einhalten<br />
und eine Überleitung zur integrierten Rechnung möglich bleibt, steht diesen Freiheitsgraden<br />
in der Umsetzung nichts entgegen.<br />
337<br />
Missverständlich ist dabei die Stellungnahme des BFE, welches die organisatorische Entflechtung<br />
für kleine Netzbetreiber als bindend darstellt. Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2008c), S. 14.<br />
338<br />
Vgl. Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1647.<br />
339<br />
LEVERKUS (2006), S. 267.<br />
340<br />
Vgl. TÖDTMANN & SETZ (2006), S. 95.<br />
341<br />
Vgl. INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER IN DEUTSCHLAND E.V. (2006b), S. 468, POULLIE<br />
(2007), S. 222, LEVERKUS (2006), S. 267, PEROUTKA (2001), S. 65ff.<br />
342<br />
So auch der VSE im aktuellen Unbundling-Leitfaden. Vgl. MEYER (2009), S. 8.
76 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
Auch die in Art. 10 Abs. 3 StromVG verwendeten Begriffe "Verteilnetzbereiche" und<br />
"übrige Tätigkeitsbereiche" sind im StromVG legal nicht näher umschrieben. Das Ge-<br />
setz definiert in diesem Zusammenhang lediglich den Begriff "Verteilnetz" als Elektri-<br />
zitätsnetz hoher, mittlerer und niederer Spannung zum Zwecke der Belieferung <strong>von</strong><br />
Endverbrauchern oder EVU. 343 In Abweichung zum Absatz 1 <strong>von</strong> Art. 10 StromVG<br />
wird nicht mehr der Begriff Netzbetrieb, sondern der Begriff Verteilnetzbereiche ver-<br />
wendet. Diese Begriffs<strong>unter</strong>scheidung ist darauf zurückzuführen, dass Art. 10 Abs. 3<br />
StromVG nur für die Verteilnetzebene gilt, wohingegen die Unabhängigkeit des Netz-<br />
betriebs nach Art. 10 Abs. 1 StromVG grundsätzlich auch für die Übertragungsnetz-<br />
ebene <strong>von</strong> Bedeutung ist.<br />
Vor dem Hintergrund der Auslegungsdiskussion <strong>unter</strong> der alten EG-Richtlinie<br />
96/92/EG ist auch hinsichtlich des StromVG zu beurteilen, inwiefern die Versorgung<br />
bzw. der Stromvertrieb zwingend vom Verteilnetzbereich zu entflechten ist. 344 Dabei<br />
ist aus der Sicht der historischen Auslegung die Entwicklung des Wortlauts vom EMG<br />
bis zum geltenden StromVG relevant. Das in der Zeit der ersten EG-Richtlinie erarbeitete<br />
EMG war bezüglich der Definition der Verteilung ebenso unscharf und sah die<br />
buchhalterische Entflechtung der Bereiche Erzeugung, Übertragung und Verteilung<br />
vor. 345 Gemäss RECHSTEINER wäre es aber auch <strong>unter</strong> dem EMG unzulässig gewesen,<br />
die Bereiche Stromhandel und Stromvertrieb den Bereichen Übertragung oder Verteilung<br />
zuzuordnen, da damit der Zweck des Unbundling weitgehend vereitelt worden<br />
wäre. 346 Um diese Auslegungsdiskussion zu verhindern, wurde im ersten Entwurf zum<br />
StromVG vom Juni 2004 die buchhalterische Entflechtung auf die Abgrenzung der<br />
"Verteil- und Übertragungsnetze" <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeiten beschränkt. 347 Dieser<br />
Wortlaut wurde zwar nach der Vernehmlassung im Sinne <strong>von</strong> Art. 10 Abs. 3 StromVG<br />
gekürzt, an dessen Auslegung ändert sich aber nichts. Anhand des Begriffs "Verteilnetzbereiche"<br />
wird die explizite Abgrenzung zur Versorgung beibehalten. Mit Hilfe des<br />
systematischen Elements lässt sich diese Abgrenzung mit Verweis auf Art. 11 Abs. 1<br />
StromVG bestätigen. Die eng mit dem buchhalterischen Unbundling zusammenhän-<br />
343<br />
Art 4 Abs. 1 lit. i StromVG.<br />
344<br />
Vgl. LEVERKUS (2006), S. 259, BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 30ff. Vgl. Kapitel 3.3.1 a)<br />
hiervor.<br />
345<br />
Art. 7 Abs. 1 EMG.<br />
346<br />
RECHSTEINER (2001), S. 160.<br />
347<br />
Art. 18 Abs. 1 E-StromVG; vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b).
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 77<br />
gende Verpflichtung 348 zur Erstellung einer entflochtenen Jahres- und Kostenrechnung<br />
schreibt eine Rechnung "für jedes Netz" vor. Damit wird der zu entflechtende Bereich<br />
– in Übereinstimmung zu der zuvor erfolgten Auslegung der Unabhängigkeit des<br />
Netzbetriebs – auf das Netz als Vermögenswert und auf die damit verbundenen Funk-<br />
tionen eingegrenzt.<br />
Entgegen dieser Auslegung ist dem StromVG und der StromVV aus Sicht des VSE<br />
nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Stromlieferung an feste Endverbraucher 349 dem<br />
Verteilnetzbereich zuzuordnen ist und damit in der Jahres- und Kostenrechnung des<br />
Verteilnetzes enthalten sein soll. 350 Diese Unklarheit wird mit dem Grundversorgungsauftrag<br />
nach Art. 6 StromVG und dessen Regulation begründet. 351 Die Teilregulation<br />
des Stromvertriebs könnte damit in der Schweiz zur gleichen Problematik führen wie<br />
bereits in der EU <strong>unter</strong> der ersten Elektrizitätsmarkt-Richtlinie. Wie die vorstehenden<br />
Ausführungen jedoch gezeigt haben, ist es nach Art. 10 Abs. 1 und 3 StromVG weder<br />
nach dem Wortlaut, noch nach der Systematik, noch nach der Historie, noch nach dem<br />
Zweck der Norm zulässig, aufgrund der aus Versorgungssicht erfolgten Teilregulierung<br />
des Stromverkaufs das Prinzip des buchhalterischen Unbundling des Verteilnetzbereichs<br />
zu verwässern. Eine solche Auslegung würde nämlich für zahlreiche kleinere<br />
Verteilnetzbetreiber, welche als reine Wiederverkäufer agieren, einen weitgehenden<br />
Verzicht auf das buchhalterische Unbundling bedeuten. Im neuen Unbundling-<br />
Leitfaden hat der VSE diese Auslegung bestätigt. 352<br />
Diese Sicht <strong>unter</strong>stützen auch D'ARCY und BURRI als Vertreter der ElCom. 353 Dabei<br />
gehen sie jedoch noch über die hier vertretene Auslegung hinaus, indem Sie neben der<br />
Segmentrechnung Netz auch eine Pflicht der Netzbetreiber zur Veröffentlichung eines<br />
zusätzlichen, entflochtenen Segments für die Energielieferung an Endverbraucher mit<br />
Grundversorgung befürworten. Dieser weiten Auslegung kann aufgrund des Wortlauts<br />
<strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG in Bezug auf die entflochtene Jahresrechnung nicht gefolgt<br />
werden. Auch beinhaltet der Wortlaut <strong>von</strong> Art. 6 Abs. 4 StromVG nur die Ver-<br />
348 Im E-StromVG vom Juni 2004 waren beide Sachverhalte noch im gleichen Artikel 18 geregelt.<br />
349 Art. 6 StromVG und Art. 4 StromVV.<br />
350 Vgl. MUNZ (2007), S. 23.<br />
351 Vgl. dazu Kapitel 2.2.4 hiervor.<br />
352 Vgl. MEYER (2009), S. 6.<br />
353 Vgl. D'ARCY & BURRI (2009), S. 129f.
78 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
pflichtung für Verteilnetzbetreiber, für den Tarifbestandteil der Energielieferung eine<br />
Kostenträgerrechnung zu führen. Die Botschaft hält dazu Folgendes fest: 354<br />
"Die Verpflichtung, für den Anteil Energie eine separate Kostenträgerrech-<br />
nung zu führen, schafft Transparenz und verhindert eine Quersubventionie-<br />
rung. Damit können die Endverteiler im Bedarfsfall nachweisen, dass die<br />
Energietarife auf den tatsächlichen Kosten basieren und die Preisvorteile<br />
an die Haushalte weitergegeben wurden. Die Überwachung der Elektrizitätstarife<br />
obliegt nach Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe a StromVG dem Regulator<br />
(ElCom)."<br />
Diese zusätzliche Kostenträgerrechnung ist als Element der Kostenrechnung mit der<br />
schrittweisen Umsetzung der Liberalisierung und dem preispolitischen Schutz der<br />
Haushaltskunden bis zur vollständigen Liberalisierung begründet. Dieses rechtliche<br />
Monopol gilt nur in der Übergangsfrist bis 2013, da anschliessend nach dem Willen<br />
des Gesetzgebers auch Haushaltkunden vom freien Markt sollen profitieren können. 355<br />
Daher ist die Verpflichtung rein kalkulatorischer Natur und kann nicht mit der ökonomisch<br />
begründeten Vorgabe des buchhalterischen Unbundling des natürlichen Monopols<br />
Verteilnetz gleichgesetzt werden. Der Zweck dieser Bestimmung erfordert es daher<br />
gemäss dem Wortlaut nicht, analog zur Segmentrechnung Netz eine weitere Segmentrechnung<br />
für die Energielieferung im Rahmen der Grundversorgung zu veröffentlichen.<br />
Ein Ausweis zuhanden der ElCom ist jedoch zwingend.<br />
3.4.2 Art. 11 StromVG<br />
a) Netzbetreiber und Netzeigentümer<br />
Nach dem Wortlaut <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG wird der Adressatenkreis des buchhalterischen<br />
Unbundling <strong>unter</strong> der Überschrift "Jahres- und Kostenrechnung" neben<br />
den Netzbetreibern auch auf die Eigentümer <strong>von</strong> Netzen erweitert. Dies stellt eine Präzisierung<br />
zu Art. 10 Abs. 3 StromVG dar, welcher die Verpflichtung zum buchhalterischen<br />
Unbundling allgemein für Elektrizitätsversorgungs<strong>unter</strong>nehmen (EVU) vor-<br />
354<br />
Vgl. Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1645.<br />
355<br />
Wobei der Vorbehalt des fakultativen Referendums nach Art. 34 StromVG besteht. Ebenfalls<br />
bleibt es dem Kunden unbenommen, auch nach der vollständigen Liberalisierung nach dem WAS-<br />
Modell <strong>von</strong> Art. 7 StromVG beim bisherigen Lieferanten zu verbleiben und nicht am Markt teilzunehmen.<br />
Die Pflicht der Netzbetreiber nach Art. 6 Abs. 5 StromVG, ihre Preisvorteile am freien<br />
Markt vollständig weiterzugeben, entfällt jedoch, da der Kunde dann selbst über seinen Stromlieferanten<br />
wird entscheiden können.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 79<br />
schreibt. In der parlamentarischen Beratung wurde darauf hingewiesen, dass im<br />
StromVG zur Verhinderung einer zu engen Eingrenzung bewusst auf eine Definition<br />
<strong>von</strong> EVU verzichtet worden sei. 356 Demgegenüber umfasst die geltende deutsche De-<br />
finition <strong>von</strong> EVU in Art. 3 Ziff. 18 EnWG explizit auch Netzeigentümer.<br />
Unabhängig <strong>von</strong> dieser begrifflichen Differenz zwischen Art. 10 Abs. 3 und Art. 11<br />
Abs. 1 StromVG bleibt bezüglich des Wortlauts <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG festzuhalten,<br />
dass Netzeigentümer ihre Rechnung ebenfalls entflechten müssen. Dies bestätigt<br />
auch der Botschaftstext, nach welchem die Bestimmung <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1<br />
StromVG, und damit auch die Verpflichtung zum buchhalterischen Unbundling nach<br />
Art. 10 Abs. 3 StromVG, für die Eigentümer des schweizerischen Übertragungsnetzes<br />
ebenso wie für allfällige, vom Betrieb getrennte Eigentümer <strong>von</strong> Verteilnetzen gelten.<br />
357 Bemerkenswert ist dabei, dass nach der Botschaft nicht nur das direkte Eigentum<br />
an Netzanlagen, sondern auch das indirekte Eigentum – in Form der Beteiligung<br />
an der Swissgrid – <strong>unter</strong> die Bestimmungen <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG fallen soll.<br />
Die Botschaft erweitert damit das Netzeigentum über den rechtlichen Eigentumsbegriff<br />
hinaus auch auf das wirtschaftliche Eigentum. 358 Würde dieser weiten Auslegung<br />
gefolgt, könnte für sämtliche Beteiligungen an Netzgesellschaften, auch durch Private<br />
oder durch öffentliche Trägerschaften, eine Pflicht zum buchhalterischen Unbundling<br />
abgeleitet werden. Eine derart weitgehende Auslegung der Unbundling-Anforderung<br />
ist jedoch aus teleologischer Sicht nicht zu vertreten. Diese Frage ist in Deutschland<br />
nach Art. 10 Abs. 3 EnWG eindeutig geregelt, indem nur bei wirtschaftlicher Nutzung<br />
des Eigentumsrechts auch für den Netzeigentümer die Pflicht zum buchhalterischen<br />
Unbundling besteht. 359 Eine solche wirtschaftliche Nutzung erfolgt insbesondere in<br />
Form <strong>von</strong> Pachtmodellen. 360 Klassischerweise betrifft dies integrierte EVU, welche<br />
den Netzbetrieb rechtlich verselbstständigen und das Netz anstelle einer Eigentums-<br />
356<br />
Gemäss Einsicht in das Protokoll der zuständigen Ständeratskommission vom 12. Januar 2006.<br />
357<br />
Vgl. Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1649.<br />
358<br />
Wobei das wirtschaftliche Eigentum abhängig <strong>von</strong> der effektiven Einflussnahme ist. So wird beispielsweise<br />
die Qualifikation des eigentumsrechtlichen Unbundling da<strong>von</strong> abhängig gemacht,<br />
über welchen Anteil ein einzelner Beteiligter nach der Trennung noch verfügt (vgl. Fussnote 66).<br />
Liegt die Beteiligung <strong>unter</strong> 50%, entfällt aufgrund der fehlenden Kontrolle grundsätzlich auch die<br />
buchhalterische Konsolidierungspflicht. Der indirekte Eigentumsbegriff dürfte sich daher konsequenterweise<br />
nur auf Kontrollbeteiligungen beziehen.<br />
359 Vgl. POULLIE (2007), S. 204.<br />
360 HENNEMANN (2008), S. 51.
80 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
übertragung nur an die Tochtergesellschaft verpachten. 361 Solche EVU sind in der<br />
Schweiz bereits gemäss Art. 10 StromVG explizit verpflichtet, die buchhalterische<br />
Trennung vorzunehmen. Denkbar sind beispielsweise aber auch Pachtmodelle zwi-<br />
schen Gemeinden und Verteilnetzbetreibern. Durch Art. 11 Abs. 1 StromVG sind auch<br />
öffentlich-rechtliche Körperschaften, die zwar über das direkte Eigentum am Netz ver-<br />
fügen, dieses jedoch nicht selber betreiben, zur Führung getrennter Rechnungen ver-<br />
pflichtet.<br />
Reine Netzeigentümer sind gemäss dem Wortlaut <strong>von</strong> Art. 12 Abs. 1 StromVG nicht<br />
<strong>von</strong> der Veröffentlichungspflicht der entflochtenen Jahresrechnung betroffen. Diese<br />
Pflicht bezieht sich explizit nur auf die Netzbetreiber, auch die sich die vorliegende<br />
Arbeit konzentriert.<br />
b) Rechnungen für jedes Netz<br />
Aus Sicht der Verteilnetzbetreiber stellt sich bei Art. 11 Abs.1 StromVG die Frage, was<br />
der Gesetzgeber mit der Präzisierung des buchhalterischen Unbundling "für jedes<br />
Netz" beabsichtigte. Netze lassen sich auf verschiedene Arten <strong>von</strong>einander abgrenzen.<br />
Der Wortlaut ist diesbezüglich unbestimmt. Anhand der systematischen Auslegung ist<br />
eine Verpflichtung zu einer Differenzierung des buchhalterischen Unbundling aufgrund<br />
geographischer Kriterien auszuschliessen. So gibt das StromVG in Art. 14 Abs.<br />
3 lit. c vor, dass Netznutzungsentgelte "im Netz eines Netzbetreibers pro Spannungsebene<br />
und Kundengruppe einheitlich" sein müssen. Es wäre infolge dieses Verbots<br />
einer regionalen Preisdifferenzierung nicht zweckmässig, regionale Netze im Rahmen<br />
des buchhalterischen Unbundling <strong>unter</strong>scheiden zu müssen.<br />
Hingegen ist die Unterscheidung der Spannungsebenen im Gesetz verankert. Das<br />
Schweizer Netzebenenmodell sieht eine Übertragungsnetzebene und sechs Verteilnetzebenen<br />
vor, <strong>von</strong> denen vier als Spannungsebenen gelten. 362 Neben der Vorgabe in Art.<br />
14 StromVG ist die Differenzierung nach Netzebenen auch auf Verordnungsebene enthalten:<br />
Art. 7 Abs. 3 lit. d StromVV verpflichtet die Netzbetreiber, die Kosten höherer<br />
Netzebenen in ihrer Kostenrechnung separat auszuweisen. Art. 16 StromVV gibt in<br />
Bezug auf das Verteilnetz vor, wie die Kosten zwischen den Netzebenen aufzuteilen<br />
sind. Das Netznutzungsentgelt darf dabei die pro Netzebene anrechenbaren Kosten<br />
361 Vgl. ausführlich zu Pachtmodellen und deren Ausgestaltung: FENZL (2006).<br />
362 Vgl. WITSCHI et al. (2008), S. 16.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 81<br />
sowie Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen nicht übersteigen. 363 All diese Rege-<br />
lungen haben einen direkten Bezug zur Kostenrechnung bzw. zu der darauf basieren-<br />
den Kalkulation der Netznutzungstarife. Die Branchenrichtlinie zur Kostenrechnung<br />
(KRSV) gibt denn auch folgerichtig den Aufbau der Kostenstellen- und Kostenträger-<br />
rechnung entlang der Netz- bzw. Spannungsebenen vor. 364 Aus diesen Ausführungen<br />
wird deutlich, dass es sich bei diesen Vorschriften und Richtlinien um Vorgaben zur<br />
Strukturierung der Kostenrechnung, und nicht um die Vorgabe der Führung getrennter<br />
Kostenrechnungen pro Netzebene handelt. Aus systematischer Sicht ist Art. 11 Abs. 1<br />
StromVG in Bezug auf die Differenzierung zwischen den Netzen daher nur auf die<br />
Abgrenzung zwischen der Übertragungs- und der Verteilnetzebene auszulegen. 365<br />
c) Jahresrechnung und Rechnungslegung<br />
Wie im Kapitel 3.1 zur Entwicklung des StromVG dargestellt, wurden die Regelungen<br />
zur Jahresrechnung, und damit zur Rechnungslegung, auf das Minimum reduziert. Der<br />
explizite Verweis auf das Aktienrecht, welcher in Art. 18 Abs. 2 E-StromVG noch vorhanden<br />
war, wurde nach der Vernehmlassung gestrichen. Ohne diese Streichung wäre<br />
– rein nach dem Wortlaut und in Verbindung mit Art. 662 Abs. 2 OR – der Ausweis<br />
einer Erfolgsrechnung, einer Bilanz und eines Anhangs für den Netzbereich nötig gewesen,<br />
als ob die Verteilung <strong>von</strong> einer eigenständigen Aktiengesellschaft ausgeübt<br />
würde. Das EMG gab für die entflochtene Jahresrechnung den Ausweis einer Erfolgsrechnung<br />
und einer Bilanz vor, verzichtete aber auf einen Anhang. 366 Diese Regelung<br />
entspricht formell den geltenden Vorgaben auf europäischer Ebene in Art. 18 Abs. 3<br />
der Richtlinie 2003/54/EG.<br />
Allen privat- und öffentlich-rechtlichen Rechnungslegungsstandards sowie dem vergleichbaren<br />
europäischen Recht ist gemein, dass die Jahresrechnung im Minimum aus<br />
einer Erfolgsrechnung und einer Bilanz zu bestehen hat. Dies ist auch bezüglich des<br />
Wortlauts konsistent, hätte der Gesetzgeber anstelle <strong>von</strong> Jahresrechnung sonst einen<br />
präziseren Begriff – zum Beispiel Erfolgs- oder Ergebnisrechnung – verwenden können.<br />
Auch hinsichtlich des Prinzips der doppelten Buchhaltung muss eine Jahresrech-<br />
363<br />
Art. 16 Abs. 2 StromVV.<br />
364<br />
MUNZ (2008), S. 21 und 24. Die Kostenträgerrechnung konzentriert sich in der Regel auf die<br />
Spannungsebenen (Produkte). Reine Transformationsebenen sind aufgrund der fehlenden Anschlüsse<br />
bzw. der fehlenden Ausspeisung nicht zwingend als Kostenträger auszugestalten.<br />
365<br />
So auch MEYER (2009), S. 6.<br />
366 Art 7 Abs. 2 EMG.
82 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
nung zwingend aus einer Perioden- (Erfolgsrechnung) und einer Stichtagsrechnung<br />
(Bilanz) bestehen. 367 Die Auslegung aufgrund des Wortlautes führt somit trotz des<br />
Wegfalls der Vorgabe eines einheitlichen Rechnungslegungsstandards auf Gesetzesstu-<br />
fe zur Forderung nach einer einheitlichen Erstellung der Segmentrechnung Netz, beste-<br />
hend aus einer Erfolgsrechnung und einer Bilanz. 368 Gemäss dem Wortlaut kann damit<br />
indirekt auch aus dem StromVG – aufgrund der Pflicht zum bilanziellen Unbundling –<br />
die Geltung der im EG-Recht explizit verankerten Fiktion der rechtlichen Eigenstän-<br />
digkeit gefolgert werden.<br />
Aus systematischer Sicht lässt sich die Auslegung nach dem Wortlaut bestätigen. Zwar<br />
ist innerhalb der Norm StromVG keine Interpretationshilfe für die Jahresrechnung aufzufinden.<br />
Jedoch sind die Bestandteile einer Jahresrechnung in den kaufmännischen<br />
Grundsätzen in Art. 957 Abs. 1 und 3 OR, die für alle im Handelsregister eingetragenen<br />
Firmen gelten, mit der Vorgabe der Erstellung einer jährlichen Betriebsrechnung<br />
zur Feststellung der Ergebnisse der einzelnen Geschäftsjahre und einer Bilanz mit dem<br />
Ausweis der Vermögens- und Finanzierungssituation identifizierbar. Auch im öffentlichen<br />
Recht sind mit HRM I und HRM II die Erfolgsrechnung und die Bilanz die Basis-Komponenten<br />
der Jahresrechnung. Die für Schweizer Stromverteilnetzbetreiber<br />
geltenden Gesetze stützen damit die Interpretation der minimalen Ausgestaltung der<br />
Jahresrechnung mit einer Erfolgsrechnung und einer Bilanz. Dieses Erfordernis gilt<br />
unabhängig <strong>von</strong> der Rechtsform des Unternehmens, also auch für öffentlich-rechtlich<br />
unselbstständige Verteilnetzbetreiber. 369<br />
Durch den bewussten Verzicht der Vorgabe des Aktienrechts auf Gesetzesstufe ist es –<br />
im Unterschied zum EG-Recht – nicht zulässig, dessen rechtsformübergreifende Anwendung<br />
alleine aufgrund des Begriffs Jahresrechnung zu fordern. Dies begründet<br />
auch die Existenz <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 2 StromVG, gemäss dem sich der Bundesrat vorbehält,<br />
Mindestanforderungen bezüglich der Vereinheitlichung der Rechnungslegung zu<br />
erlassen, soweit die Netzbetreiber nicht auf freiwilliger Basis eine Standardisierung<br />
erreichen. 370 Mangels Vorgabe eines einheitlichen Rechnungslegungsstandards sind die<br />
367<br />
Vgl. BEHR (2005), S. 32ff.<br />
368<br />
So auch MEYER (2009), S. 6.<br />
369<br />
Die Rechtsformunabhängigkeit wird in der Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und<br />
zum Stromversorgungsgesetz (2004), S. 1649, nochmals explizit betont.<br />
370<br />
Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1649. Wie bereits in Kapitel 3.1 festgehalten, wurde <strong>von</strong> dieser Option zur Vereinheitlichung<br />
erst beschränkt Gebrauch gemacht. Der Unbundling-Leitfaden des VSE konzentriert sich primär
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 83<br />
betroffenen Verteilnetzbetreiber jedoch nicht gänzlich frei bei der formellen und mate-<br />
riellen Ausgestaltung der entflochtenen Erfolgsrechnung und Bilanz für das Verteil-<br />
netz. Die Differenzierung zwischen Kosten- und Jahresrechnung sowie der explizite<br />
Verweis in Art. 11 Abs. 2 StromVG auf die möglicherweise zu vereinheitlichenden<br />
Rechnungslegungsvorschriften implizieren die Relevanz der geltenden Rechnungsle-<br />
gungsvorschriften der Gesellschaften für die Erstellung der Segmentrechnung Netz. 371<br />
Die Stromverteilnetzbetreiber haben zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit die<br />
Überleitbarkeit der Segmentrechnung zum integrierten Abschluss zu gewährleisten. 372<br />
So sind nach dem StromVG für Aktiengesellschaften im Minimum die Bestimmungen<br />
des Aktienrechts, für Genossenschaften die Regeln der kaufmännischen Buchführung,<br />
für öffentlich-rechtliche Anstalten die Vorgaben der Spezialgesetze und für unselbst-<br />
ständige EVU die Vorschriften nach HRM massgeblich. 373<br />
Diese Auslegung führt konsequenter Weise zu der nach dem Wortlaut beabsichtigten,<br />
grundsätzlichen Differenzierung zwischen der Jahres- und der Kostenrechnung: Die<br />
Segmentrechnung Netz ist als Jahresrechnung nach StromVG basierend auf buchmäs-<br />
sigen Werten laut den Vorgaben des jeweiligen Rechnungslegungsstandards zu erstel-<br />
len. 374 Demgegenüber gelten für die Kostenrechnung Netz die kalkulatorischen Bewer-<br />
tungsvorschriften gemäss Art. 15 StromVG bzw. Art. 12 und 13 StromVV.<br />
Teleologisch sind die Auslegung nach dem Wortlaut und nach der Systematik in Bezug<br />
auf die rechtsformunabhängige Vorgabe der Erstellung einer Segmentrechnung Netz,<br />
bestehend aus einer entflochtenen Erfolgsrechnung und einer Teilbilanz für den Netz-<br />
bereich, hinsichtlich der Zielerreichung zu würdigen. Zum grundlegenden Transpa-<br />
renz-Ziel des StromVG im Bereich des natürlichen Monopols leistet der öffentliche<br />
Ausweis der entflochtenen Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage nach Massgabe des<br />
auf die Umsetzung des buchhalterischen Unbundling und geht in Bezug auf die Rechnungslegung<br />
nicht über die offenen Vorgaben des StromVG hinaus.<br />
371 Dies bestätigt auch der explizite Verweis der Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes<br />
und zum Stromversorgungsgesetz (2004), S. 1649, auf die <strong>unter</strong>schiedlichen Rechnungslegungsstandards.<br />
372 So auch D'ARCY & BURRI (2009), S. 130.<br />
373 So auch der VSE im neuen Unbundling-Leitfaden. Nach seiner Auslegung hat sich die Segmentrechnung<br />
grundsätzlich auf die Bewertungsvorgaben des OR bzw. des öffentlichen Rechts zu<br />
stützen, wobei auch Swiss GAAP FER und IFRS möglich sind. Vgl. MEYER (2009), S. 8.<br />
374 Vgl. MEYER (2009), S. 8. Dies entspricht auch der Beurteilung <strong>unter</strong> den europäischen Vorgaben,<br />
welche für die Segmentrechnungen ebenfalls keine expliziten Bewertungsvorschriften machen.<br />
Vgl. zur Massgeblichkeit des Handelsrechts etwa PEROUTKA (2001), S. 48, HENNEMANN (2008),<br />
S. 70, oder LEVERKUS (2006), S. 271.
84 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
jeweils geltenden Rechnungslegungsstandards einen wesentlichen Beitrag. Jedoch gilt<br />
es die qualitativen Anforderungen an die Transparenz, welche das BFE mit Verfügbar-<br />
keit, Verständlichkeit und Vergleichbarkeit qualifiziert hat, 375 einzuhalten. Ohne deren<br />
Erfüllung würde das Ergebnis der Umsetzung keinen genügenden Beitrag zur Transpa-<br />
renz leisten und dem Adressaten nicht erlauben, sich objektiv ein Bild über den ent-<br />
flochtenen Monopolbereich Verteilnetz zu machen.<br />
Vor diesem Hintergrund kann die bisherige Auslegung um zwei qualitative Anforde-<br />
rungen erweitert werden: Erstens ist es zweckmässig, die Annahmen zur Erstellung der<br />
Segmentrechnung Netz in geeigneter Form zu erläutern. Da der Ausweis auf einem<br />
theoretischen (buchhalterischen) Unbundling basiert und in der Regel keine vollstän-<br />
dige Trennung in rechtlicher Hinsicht erfolgt ist, sind Annahmen zur Zuteilung sowie<br />
eine Methodik zur Aufteilung der Positionen <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz nötig.<br />
Die wesentlichen Grundannahmen dazu gilt es auch <strong>unter</strong> den Vorgaben des StromVG<br />
zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit in einem Erläuterungsteil zur Segment-<br />
rechnung offenzulegen. 376 Zweitens ist trotz <strong>unter</strong>schiedlicher Rechnungslegungsstan-<br />
dards eine möglichst weitgehende Vergleichbarkeit sicherzustellen. Dabei ist zu be-<br />
rücksichtigen, dass eine <strong>unter</strong>schiedliche Ausprägung der Zielsetzung hinsichtlich der<br />
Vergleichbarkeit zwischen der Jahres- und der Kostenrechnung besteht. So bezieht<br />
sich die Botschaft zum Ziel der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit insbesondere<br />
auf die Kostenrechnung Netz und stellt deren Vereinheitlichung in den Vordergrund: 377<br />
„Eine Vereinheitlichung wird insofern erforderlich sein, als dass die Kos-<br />
tenrechnung über ihre traditionelle Funktion der internen Unternehmens-<br />
rechnung hinaus, zukünftig der ElCom zur Überprüfung der anrechenbaren<br />
Kosten dienen wird. Einheitliche Methoden im Sinne eines verbindlichen<br />
Kostenrechnungsschemas sind im Hinblick auf Transparenz sowie Ver-<br />
gleichbarkeit und damit einer wirksamen Regulierung der Netznutzungs-<br />
entgelte unabdingbar.“<br />
375 BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 41.<br />
376 Diese Einschätzung ist auch systematisch konsistent mit den Anforderungen gemäss Art. 7 Abs. 5<br />
StromVV. Der alte Unbundling-Leitfaden des VSE zum Art. 7 EMG sah damals – im Unterschied<br />
zum aktuellen Unbundling-Leitfaden – ebenfalls ein Erläuterungsteil vor. Diese Anforderung<br />
wurde offenbar fallen gelassen. Vgl. VSE (2001), S. 1.<br />
377 Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1649.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 85<br />
Diese Priorisierung der kostenrechnerischen Einheitlichkeit äussert sich auch in Art.<br />
15 Abs. 1 StromVG, welcher mit der Vorgabe der Anrechnung der Kosten eines effi-<br />
zienten Netzes die Aufgabe der ElCom beinhaltet, basierend auf den Kostenrechnun-<br />
gen der Netzbetreiber Netzkostenvergleiche durchzuführen. 378 Dieses anspruchsvolle<br />
Ziel der vergleichbaren Darstellung <strong>von</strong> rund 800 Stromverteilnetzen kann aufgrund<br />
des differenzierten Zwecks der Rechnungslegung nicht gleichermassen auch für die<br />
Segmentrechnung Netz gelten. 379 Für diese steht die Rechenschafts- und Dokumentationsfunktion<br />
über die Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage und deren Veränderung im<br />
Zentrum. 380 Die Vergleichbarkeit bezieht sich in der Rechnungslegungstheorie – im<br />
Unterschied zur Kostenrechnung – vorwiegend auf die intertemporale Vergleichbarkeit<br />
<strong>von</strong> Abschlüssen über die Zeit hinweg, so dass die Adressaten die Entwicklung<br />
beurteilen können. 381 Dies bedeutet, dass der Grundsatz der Stetigkeit mit dem<br />
StromVG an Bedeutung gewinnt. 382 Die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit ist als<br />
Grundsatz nur in kapitalmarktorientierten Standards ausgeprägt vorhanden. 383<br />
Die aus Sicht der Adressaten wünschbare Situation der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit<br />
der Segmentrechnungen Netz durch die Anwendung eines einheitlichen<br />
Rechnungslegungsstandards kann daher nach geltenden Vorgaben <strong>von</strong> StromVG und<br />
StromVV auch aus teleologischer Sicht nicht gefordert werden. Hingegen führt das<br />
teleologische Auslegungselement durch die Zielsetzung der möglichst weitgehenden<br />
Vergleichbarkeit zu einer Einschränkung der Massgeblichkeit der Rechnungslegungsvorschriften<br />
in Bezug auf die Offenlegung: Die prinzipielle Gültigkeit der Massgeblichkeit<br />
steht einer anzustrebenden Vereinheitlichung der Segmentrechnung Netz, insbesondere<br />
auch in deren Form, nicht entgegen.<br />
378 Gemäss D'ARCY & BURRI (2009), S. 133ff., hat die ElCom zusammen mit dem VSE zu diesem<br />
Zweck einen Erhebungsbogen für eine vergleichbare und systematische Erhebung der Kostenrechnungsdaten<br />
bei den rund 800 Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> entwickelt. Dieser kam<br />
für die Tarife 2010 im Herbst 2009 erstmals bei den 100 grössten Betrieben zum Einsatz.<br />
379 Vgl. zu den Zielen der Rechnungslegung etwa HANDSCHIN (2008), S. 1, oder BEHR (2005), S. 25.<br />
380 Vgl. auch die Zielsetzung nach IFRS im IAS Framework Ziff. 12. Diese Einschätzung teilt<br />
PEROUTKA (2001), S. 21, auch für die Berichterstattungsvorgaben <strong>von</strong> EVU in Österreich.<br />
381 HANDSCHIN (2008), S. 28. Das Rahmenkonzept der Swiss GAAP FER begründet in Ziff. 31 den<br />
Grundsatz der Vergleichbarkeit wie folgt: "Den Empfängern der Jahresrechnung muss es möglich<br />
sein, die Jahresrechnung über längere Zeit hinweg zu vergleichen."<br />
382 Explizit festgehalten in Art. 7 Abs. 5 StromVV.<br />
383 IAS Framework Ziff. 39: "Users must also be able to compare the financial statements of different<br />
entities in order to evaluate their relative financial position, performance and changes in financial<br />
position." Vgl. dazu den Vergleich <strong>von</strong> StromVG und IFRS 8 in Kapitel 3.6 hiernach.
86 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
3.5 Ableitung der Grundsätze ordnungsmässiger <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
(GoS) nach StromVG<br />
Die rechtliche Auslegung der Vorgaben des StromVG und der StromVV ermöglicht es,<br />
in Anlehnung an die übergreifend geltenden GoR spezifische Grundsätze ordnungsmässiger<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> (GoS) nach StromVG abzuleiten. Diese basieren<br />
nebst den durch die Massgeblichkeit der Rechnungslegung auch für die Segmentrechnung<br />
Netz relevanten GoR auf den Besonderheiten des buchhalterischen Unbundling,<br />
welche ihren Anknüpfungspunkt in den Vorgaben <strong>von</strong> Art 7 Abs. 5 StromVV haben. 384<br />
Die GoS sollen gewährleisten, dass der Zielsetzung <strong>von</strong> Art. 11 StromVG, die Transparenz<br />
im Monopolbereich durch eine über die Zeit hinweg vergleichbare, sachgerechte<br />
und nachvollziehbare Darstellung der Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage des<br />
Netzbetriebs zu erhöhen, Rechnung getragen wird. Für die rund 800 Stromverteilnetzbetreiber<br />
bedarf es minimaler Leitplanken zur Gewährleistung der Rechtskonformität,<br />
welche unabhängig <strong>von</strong> der Grösse, den Ressourcen, der Organisation, der Rechtsform<br />
und des Rechnungslegungsstandards erzielt werden muss.<br />
Unbundling<br />
a) Sach- und periodengerechte Abgrenzung<br />
b) Vorrang der direkten, symmetrischen Zuordnung<br />
c) Zulässigkeit <strong>von</strong> Schlüsselungen bei unvertretbarem Aufwand, sofern indirekte<br />
Zuteilung verursachergerecht, sachgerecht und nachvollziehbar erfolgt.<br />
d) Stetigkeit der Entflechtung<br />
Bewertung e) Massgeblichkeit der Schweizerischen Rechnungslegungsvorschriften oder<br />
eines anerkannten Rechnungslegungsstandards<br />
Offenlegung f) Wesentlichkeit<br />
g) Nachvollziehbarkeit<br />
h) Stetigkeit in Darstellung und Offenlegung<br />
Tabelle 3-1: Grundsätze ordnungsmässiger <strong>Segmentberichterstattung</strong> (GoS) nach StromVG 385<br />
Die in Tabelle 3-1 nach den Konzeptinhalten Unbundling, Bewertung und Offenlegung<br />
zusammengefassten GoS nach StromVG werden nachfolgend einzeln erläutert.<br />
384<br />
Eine vergleichbare Herleitung <strong>unter</strong> Anwendung massgeblicher GoR erstellt POULLIE (2007),<br />
S. 219, <strong>unter</strong> dem deutschen EnWG. Auch im Unbundling-Leitfaden des VSE werden zentrale<br />
GoR als massgebliche Grundsätze genannt sowie zusätzliche Anforderungen bezüglich der<br />
Schlüsselung formuliert (vgl. MEYER (2009), S. 8). Die vorliegenden GoS sind eine Adaption<br />
beider Ansätze bei gleichzeitiger Konkretisierung auf Basis der Auslegung <strong>von</strong> StromVG und<br />
StromVV.<br />
385<br />
In Anlehnung an MEYER (2009), S. 8, und POULLIE (2007), S. 219.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 87<br />
a) Sach- und periodengerechte Abgrenzung<br />
Aufgrund der Unbundling-Vorgabe in Art. 10 Abs. 1 und 3 StromVG ist neben dem<br />
GoR der periodengerechten Abgrenzung auch die sachgerechte Abgrenzung der Aktivitäten<br />
im Sinne der Entflechtung des Netzbetriebs <strong>von</strong> Bedeutung. Die Abgrenzung<br />
der Verteilnetzaktivitäten hat sachgerecht und in einer für sachverständige Dritte nachvollziehbaren<br />
Art und Weise zu erfolgen. 386 In diesem Kontext haben auch die GoR<br />
der Vollständigkeit und der Nachprüfbarkeit als Anforderungen an die Qualität der Information<br />
Geltung. 387<br />
b) Vorrang der direkten, symmetrischen Zuordnung<br />
Die direkte Zuordnung <strong>von</strong> Aufwand- und Ertragspositionen sowie <strong>von</strong> Aktiven und<br />
Passiven zur Verteilung und zu den übrigen Tätigkeiten ist der indirekten Zuordnung<br />
oder Schlüsselung vorzuziehen. Soweit eine direkte Zuordnung möglich ist, darf sie<br />
nur <strong>unter</strong>bleiben, wenn sie einen unvertretbaren Aufwand erfordern würde, indem ein<br />
deutliches Missverhältnis zwischen dem zusätzlichen Aufwand und dem dadurch erreichbaren<br />
Informationsgewinn entstünde. 388 Diese Priorisierung ergibt sich auch explizit<br />
aus Art. 7 Abs. 5 Satz 1 StromVV, aufgrund dessen der Netzbetreiber dem Netz<br />
Einzelkosten direkt zuordnen muss. Die Buchhaltung ist daher derart einzurichten,<br />
dass eine möglichst weitgehend getrennte Erfassung und direkte Segmentzuordnung<br />
erreicht wird.<br />
Zur Einhaltung der Sachgerechtigkeit hat die Zuordnung in Bilanz und Erfolgsrechnung<br />
symmetrisch zu erfolgen, so dass die mit einer Bilanzposition zusammenhängenden<br />
Aufwendungen und Erträge dem gleichen Segment zugeordnet werden, wie die<br />
Bilanzposition selbst. 389<br />
c) Zulässigkeit <strong>von</strong> verursachergerechten, sachgerechten und nachvollziehbaren<br />
Schlüsselungen<br />
Die indirekte Zuordnung <strong>von</strong> Aufwand- und Ertragspositionen sowie <strong>von</strong> Aktiven und<br />
Passiven zu den Segmenten ist zwar zulässig, aber an qualitative Anforderungen gebunden.<br />
Eine indirekte Zuordnung durch Anwendung <strong>von</strong> Schlüsselungen oder <strong>von</strong><br />
386<br />
Vgl. MEYER (2009), S. 8.<br />
387<br />
Vgl. HWP, Ziff. 2.131.<br />
388<br />
POULLIE (2007), S. 212.<br />
389<br />
Vgl. KIND (2000), S. 101.
88 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
innerbetrieblichen Leistungsverrechnungen hat die Prinzipien der Verursachungsge-<br />
rechtigkeit, der Sachgerechtigkeit sowie der Nachvollziehbarkeit einzuhalten. Art. 7<br />
Abs. 5 StromVV gibt ebenfalls vor, dass die Verfahren und Grundlagen der indirekten<br />
Zuordnung schriftlich zu dokumentieren sind.<br />
Sachgerechte Schlüsselungen müssen das Prinzip der symmetrischen Allokation so-<br />
weit wie möglich einhalten und daher in Bilanz und Erfolgsrechnung kongruent erfol-<br />
gen. Allfällige asymmetrische Effekte sind nach dem Grundsatz der Nachvollziehbar-<br />
keit zu erläutern. 390<br />
d) Stetigkeit der Entflechtung<br />
Art. 7 Abs. 5 StromVV gibt die stetige Anwendung in Bezug auf die Schlüsselung ex-<br />
plizit vor. Diese Stetigkeit gilt in formeller Hinsicht 391 für die gesamte Entflechtung<br />
und bezieht sich in materieller Hinsicht auch auf die Schlüsselungsbasis bzw. auf interne<br />
Verrechnungspreise. 392 Die Abgrenzungsregeln sind zusammen mit den Schlüsseln<br />
im Rahmen der Implementierung zu definieren, zu dokumentieren und anschliessend<br />
stetig anzuwenden. Die materielle Stetigkeit der Rechnungslegung hat in Bezug<br />
auf die Ansatz- und Bewertungsvorschriften durch die Massgeblichkeit der Rechnungslegungsvorschriften<br />
(siehe nachfolgend) ebenfalls Gültigkeit.<br />
e) Massgeblichkeit der Rechnungslegungsvorschriften<br />
Was die Ansatz- und Bewertungsvorschriften betrifft, sind nach der erfolgten Gesetzesauslegung<br />
in Minimum die Schweizerischen Rechnungslegungsvorschriften nach<br />
OR oder dem öffentlichen Recht massgeblich. Eine weitergehende Anwendung anerkannter<br />
Rechnungslegungsstandards schliesst das StromVG jedoch nicht aus, so dass<br />
für die Segmentrechnung Netz auch Standards wie Swiss GAAP FER oder IFRS bei<br />
Verwendung im Einzel- oder Konzernabschluss der Gesellschaft möglich sind. 393 Entscheidend<br />
ist die Überleitbarkeit des Segmentausweises auf den integrierten Abschluss.<br />
Damit haben die je nach Standard <strong>unter</strong>schiedlich gewichteten GoR sowie die<br />
standardspezifischen Anforderungen an die Informationsqualität Geltung.<br />
390<br />
Eine solche Regelung sieht auch IFRS 8.27(f) vor. Vgl. ALVAREZ & BÜTTNER (2006), S. 313.<br />
391<br />
Die formelle Stetigkeit kann <strong>von</strong> der materiellen Stetigkeit <strong>unter</strong>schieden werden. Die formelle<br />
Stetigkeit bezieht sich auf die Form der Darstellung. Die materielle Stetigkeit gibt vor, dass die<br />
Bewertung stetig anzuwenden ist. Vgl. PEROUTKA (2001), S. 53f.<br />
392 Vgl. BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 44.<br />
393 So auch der VSE im neuen Unbundling-Leitfaden. Vgl. MEYER (2009), 8.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 89<br />
f) Wesentlichkeit<br />
Das Prinzip der Wesentlichkeit hat trotz einer fehlenden Verankerung im Wortlaut des<br />
OR nach Schweizerischem Recht Geltung, da es bei der Rechnungslegung nicht auf<br />
die absolute Genauigkeit ankommt. 394 Unbedeutende Einflussgrössen, die das Urteil<br />
des Informationsempfängers nicht beeinflussen, können im Grundsatz als unwesentlich<br />
ausser Acht gelassen werden.<br />
Die Anwendung des Wesentlichkeitsprinzips ist in Bezug auf die Abwägungen beim<br />
buchhalterischen Unbundling, auf die Bewertung und auf die Offenlegung grundsätzlich<br />
unbestritten. 395 Hingegen kann die Anwendung des Wesentlichkeitsprinzips zur<br />
Annahme führen, dass das buchhalterische Unbundling aufgrund unwesentlicher Positionen<br />
oder Tätigkeiten nicht oder nicht vollständig durchgeführt werden müsse. 396 So<br />
ist bei kleinen EVU, die ihr Verteilnetz als reine Wiederverkäufer betreiben und die<br />
lokalen Kunden zu Gestehungskosten mit Strom versorgen, die Situation nicht untypisch,<br />
dass der Stromvertrieb lediglich in Bezug auf den Umsatz und den Einkauf wesentlich<br />
ist. Oft kann dem Stromvertrieb in solchen Fällen nicht einmal eine Personaleinheit<br />
zugeteilt werden, so dass die Abgrenzung des Stromvertriebs – gemessen am<br />
Personalanteil, am Gewinnbeitrag oder am Vermögen – <strong>unter</strong> die Wesentlichkeitsgrenze<br />
fallen würde. Ebenfalls ist es möglich, dass der Anteil der Aktivität Verteilung im<br />
Vergleich zum Gesamt<strong>unter</strong>nehmen unwesentlich ist. Dies ist zum Beispiel bei Gesellschaften<br />
mit hohen Produktions- oder Handelsanteilen denkbar. In diesen Fällen könnte<br />
aus Wesentlichkeitsgründen auf das buchhalterische Unbundling, und somit auch<br />
auf den getrennten Ausweis einer Jahres- und Kostenrechnung, verzichtet werden.<br />
Die Literatur ist sich indes über die Geltung des Wesentlichkeitsprinzips in Bezug auf<br />
das buchhalterische Unbundling sowie über die Bestimmung der Wesentlichkeitsgrenzen<br />
uneins. BOLSENKÖTTER, POULLIE oder LEVERKUS bejahen im Rahmen der deutschen<br />
Rechtslage eine weite Auslegung des Wesentlichkeitsprinzips grundsätzlich,<br />
wobei sie sich nicht konkret zu Wesentlichkeitsgrenzen äussern. 397 Eine Abwägung der<br />
verschiedenen quantitativen Wesentlichkeitsgrenzen nehmen hingegen KRIETE und<br />
394<br />
HWP, Ziff. 2.222.<br />
395<br />
Die Anwendbarkeit des Prinzips bestätigt grundsätzlich auch der VSE. Vgl. MEYER (2009), S. 8.<br />
396<br />
Vgl. LEVERKUS (2006), S. 264.<br />
397<br />
Vgl. BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 44, LEVERKUS (2006), S. 264.
90 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
WERNER vor. 398 Sie befürworten mangels Alternativen den Umsatzanteil der einzelnen<br />
Aktivitäten am gesamten Erlös mit Strom. In Analogie zu den Grössenkriterien <strong>von</strong><br />
IFRS 8 wäre in Bezug auf den Umsatz, den Gewinn oder die Aktiven auch die Anwen-<br />
dung der 10%-Grenze denkbar. 399 HENNEMANN nimmt demgegenüber eine Würdigung<br />
der Vor- und der Nachteile einer Ausdehnung des Wesentlichkeitsprinzips auf die<br />
Segmentdefinition vor und kommt zum Ergebnis, dass einem Verzicht auf das rechts-<br />
form- und eigentumsunabhängige Unbundling nur in äusserst begrenzten Einzelfällen<br />
zuzustimmen sei, und dass in solchen Fällen eine vorherige Abstimmung mit dem Re-<br />
gulator empfehlenswert sei. 400 PEROUTKA verweist auf ein österreichisches Gutachten,<br />
welches die Wesentlichkeitsgrenze auf 1% der abgesetzten Strommenge beziffert. 401<br />
Aufgrund der Auslegung des StromVG spricht die gesetzliche Anforderung der ge-<br />
trennten Netzkostenermittlung und der Kalkulation <strong>von</strong> entflochtenen Netznutzungs-<br />
entgelten gegen eine Ausdehnung des Wesentlichkeitsprinzips auf die Frage der Un-<br />
bundling-Pflicht. Diese Einschätzung teilt das BFE, welches das buchhalterische Un-<br />
bundling nach dem StromVG auch für kleine EVU als verbindlich vorschreibt und<br />
Ausnahmen explizit verneint. 402 Für die Segmentrechnung Netz dürfte das Prinzip der<br />
Wesentlichkeit nach den Vorgaben des geltenden StromVG somit nur <strong>unter</strong> der qualita-<br />
tiven Einschränkung der zwingenden Durchführung des buchhalterischen Unbundling<br />
und dessen Offenlegung zur Anwendung gelangen.<br />
g) Nachvollziehbarkeit<br />
Im Rahmen der Auslegung der gesetzlichen Vorgaben wurde bereits auf die aus Grün-<br />
den der Nachvollziehbarkeit notwendigen Erläuterungen zur Segmentrechnung Netz<br />
hingewiesen. Art. 7 Abs. 5 StromVV bezieht sich auf die Nachvollziehbarkeit <strong>von</strong><br />
Schlüsselungen. Gleiches gilt aber auch für die Segmentbildung, für die Bewertung<br />
und die Offenlegung. Die Segmentrechnung Netz als Ganzes wird für sachverständige<br />
Dritte erst durch die Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit sämtlicher Komponenten<br />
verständlich. Diese Anforderung hängt eng mit dem GoR der Klarheit zusammen.<br />
398 Vgl. KRIETE & WERNER (2004), S. 177.<br />
399 IFRS 8.13. Die drei Kriterien gelten alternativ. Sobald eines erfüllt wird, ist ein separater Seg-<br />
mentausweis nach IFRS nötig.<br />
400 Vgl. HENNEMANN (2008), S. 49f.<br />
401 Vgl. PEROUTKA (2001), S. 53. Das zitierte Gutachten <strong>von</strong> HAUBRICH & SWOBODA (1998) bezieht<br />
sich dabei auf die Abgrenzung eines unwesentlichen Erzeugungsanteils an der "Gesamtaufbringung".<br />
402 Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2008c), S. 14.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 91<br />
h) Stetigkeit in Darstellung und Offenlegung<br />
Die Stetigkeit gilt nicht nur in Bezug auf die Entflechtungsverfahren und die Bewer-<br />
tungsvorschriften gemäss den Rechnungslegungsstandards, sondern speziell für die<br />
Segmentrechnung Netz auch hinsichtlich der Darstellung und der Offenlegung. 403 Die-<br />
se formelle Stetigkeit ist eine Voraussetzung für die Erreichung einer über den Zeitver-<br />
lauf vergleichbaren Segmentrechnung Netz.<br />
3.6 Vergleich mit der <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS 8<br />
Die Ergebnisse der rechtlichen Auslegung sowie die daraus abgeleiteten GoS nach<br />
StromVG zeigen relevante Ähnlichkeiten mit der <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS<br />
8 auf, gleichzeitig aber auch wesentliche Unterschiede. Bezüglich ihrer Zielsetzungen<br />
besteht hinsichtlich des Konzepts der Public Accountability <strong>von</strong> Segmenten eine Kon-<br />
gruenz beider Berichterstattungsformate, indem durch die <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
nach StromVG sowie nach IFRS 8 die Transparenz für die Adressaten der im öffentli-<br />
chen Interesse stehenden Gesellschaften auf Segmentebene erhöht werden soll. Wäh-<br />
rend bei IFRS 8 die Begründung der Public Accountability <strong>von</strong> Segmenten in der Bör-<br />
senkotierung der Gesellschaft sowie in der Decision Usefulness disaggregierter Infor-<br />
mationen liegt, gilt die Public Accountability aus Sicht des StromVG aufgrund des<br />
öffentlichen Versorgungsauftrages und der Monopolsituation nur für das Netz.<br />
Wesentliche Unterschiede können durch die fehlende Pflicht der Publikation der Seg-<br />
mentrechnung Netz im Anhang zur integrierten Jahresrechnung, durch die Anwendung<br />
des Management Approach sowie aufgrund der Offenlegungskriterien <strong>unter</strong> IFRS 8<br />
begründet sein. Im Unterschied zu IFRS ist im StromVG die Segmentierung durch die<br />
Entflechtung des Netzes <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeiten vorgegeben. Nur wenn Gesell-<br />
schaften aufgrund der Unbundling-Vorgaben eine organisatorische Abbildung der Entflechtung<br />
des Netzes vornehmen, 404 und wenn zwischen dem internen Berichtswesen<br />
und den regulatorischen Anforderungen eine weitgehende Kongruenz besteht, dürften<br />
sich die Ergebnisse der <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach StromVG und nach IFRS 8 nahekommen.<br />
Ebenfalls geht IFRS 8 <strong>von</strong> einer partiellen Segmentierung und einer entsprechend<br />
reduzierten Offenlegung aus, da die ausgewählten Segmentdaten im Kontext<br />
zur integrierten Jahresrechnung als Zusatzinformation im Anhang publiziert wer-<br />
403<br />
Vgl. MEYER (2009), S. 8.<br />
404<br />
Ohne dabei zwingend die Vorgaben eines organisatorischen Unbundling in Anlehnung an die<br />
europäische Praxis mit weitgehender personeller Unabhängigkeit einhalten zu müssen.
92 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
den. Die Auslegung einer eigenständigen Jahresrechnung im Sinne <strong>von</strong> Erfolgsrech-<br />
nung und Bilanz lässt demgegenüber, zumindest nach dem Wortlaut, eher eine totale<br />
Segmentierung und Offenlegung erwarten. Die <strong>unter</strong> IFRS 8 zwingende Mindestoffen-<br />
legung des Segmentergebnisses und des Segmentvermögens würde den Anforderungen<br />
einer entflochtenen Jahresrechnung nach der Auslegung <strong>von</strong> Art. 10 und 11 StromVG<br />
nicht gerecht. Entsprechend ist auch die Literatur zum buchhalterischen Unbundling –<br />
basierend auf den prinzipiell ähnlichen Vorgaben der EU – geprägt <strong>von</strong> einer weitge-<br />
henden Segmentierung als formell gleichwertiger Ersatz zum rechtlichen Unbundling.<br />
Die GoS nach StromVG dürften aufgrund ihrer Rechtfertigung in den GoR weitgehend<br />
auch für die <strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>unter</strong> IFRS zutreffen. Einen Unterschied bildet<br />
die nach dem StromVG eingeschränkte Wesentlichkeit in Bezug auf das Unbundling.<br />
Unter IFRS führen gerade die Wesentlichkeitsgrenzen in der Segmentbildung und Offenlegung<br />
trotz ähnlicher Strukturen zu <strong>unter</strong>schiedlichen Segmentausweisen. 405<br />
Die entlang der Decision Usefulness <strong>unter</strong> IFRS geltenden, qualitativen Anforderungen<br />
der Verständlichkeit, der Relevanz, der Vergleichbarkeit und der Verlässlichkeit spiegeln<br />
sich in den GoS nach StromVG mehrheitlich wider. 406 Die Verständlichkeit integrierter<br />
Abschlüsse wird durch die Darstellung <strong>von</strong> segmentierten Daten grundsätzlich<br />
verbessert, indem zusätzliche Informationen zu einzelnen Aktivitäten offengelegt werden.<br />
Die Verständlichkeit der segmentierten Daten entspricht dem GoS der Nachvollziehbarkeit.<br />
Anerkannte Instrumente der <strong>Segmentberichterstattung</strong>, welche die Verständlichkeit<br />
bzw. die Nachvollziehbarkeit verbessern, sind daher auch <strong>unter</strong> den Vorgaben<br />
des StromVG zu befürworten. Die Relevanz der offengelegten Informationen ist<br />
eng mit den GoS der Wesentlichkeit und der Nachvollziehbarkeit verbunden. Die<br />
Segmentrechnung ist nur verständlich und die Informationen sind nur relevant, wenn<br />
alle wesentlichen Informationen dargestellt werden. 407 In Bezug auf die Vergleichbarkeit<br />
besteht ein qualitativer Unterschied zwischen der <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach<br />
StromVG und derjenigen nach IFRS 8. Der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit<br />
wird – gemäss der Auslegung für die Segmentrechnung Netz – aufgrund der kostenrechnerischen<br />
Vergleichbarkeit durch den Regulator weniger Gewicht beigemessen, als<br />
dies in der kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong> der Fall ist. Dennoch<br />
wird mit Art. 11 Abs. 2 StromVG eine Vereinheitlichung, und damit eine höhere Ge-<br />
405 So auch die empirischen Erkenntnisse <strong>von</strong> KRIETE & WERNER (2003). Vgl. Kapitel 2.4.4 hiervor.<br />
406 Vgl. Kapitel 2.4.1 zu den vier qualitativen Charakteristika gemäss dem IAS-Framework.<br />
407 HANDSCHIN (2008), S. 28.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 93<br />
wichtung der Vergleichbarkeit, nicht ausgeschlossen. Hinsichtlich des GoS der Stetig-<br />
keit steht ohne weitere Vereinheitlichungsvorgaben die intertemporale Vergleichbarkeit<br />
im Zentrum. Dabei ist in Bezug auf die IFRS 8 anzumerken, dass gerade mit der Ein-<br />
führung des Full Management Approach die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit<br />
<strong>von</strong> Segmenten auch <strong>unter</strong> IFRS an Bedeutung verloren hat. 408 Die Anforderung nach<br />
Verlässlichkeit lässt sich mit den GoS der Sachgerechtigkeit, der Verursachergerech-<br />
tigkeit sowie der überwiegend direkten Zuordenbarkeit vergleichen. Segmentierte Informationen,<br />
welche diese Anforderungen erfüllen, sind aus Sicht der <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
nach den Vorgaben des StromVG als verlässlich zu beurteilen. 409 Im Unterschied<br />
zur <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS 8 muss die Segmentrechnung Netz<br />
nicht <strong>von</strong> einer Revisionsstelle geprüft werden. Auch die ElCom verfügt weder über<br />
die personellen Ressourcen 410 noch hat sie gemäss Art. 22 StromVG den Auftrag, die<br />
Rechnungslegung <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> zu überprüfen. 411 Somit dürfte die<br />
Richtigkeit und Gesetzeskonformität der Segmentrechnung Netz – im Unterschied zur<br />
Segmentrechnung nach IFRS 8 – in der Regel <strong>von</strong> unabhängiger Seite nicht geprüft<br />
werden. Die <strong>von</strong> aussen wahrgenommene Verlässlichkeit bleibt damit eingeschränkt.<br />
Mit diesem Vergleich zwischen den GoS und den qualitativen Anforderungen an die<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS 8 wird deutlich, dass die Erkenntnisse aus der<br />
Theorie und der Praxis zur <strong>Segmentberichterstattung</strong> für die Umsetzung einer zweckmässigen<br />
Segmentrechnung Netz auch <strong>unter</strong> den Vorgaben des StromVG <strong>von</strong> Relevanz<br />
sein können. Einer Harmonisierung der kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
und der <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach StromVG ist aus konzeptioneller Sicht als<br />
möglich, wenn auch nicht als notwendig zu beurteilen. Mit der zunehmenden Bedeutung<br />
des Verteilnetzes in einem Unternehmen dürfte eine Harmonisierung beider Berichterstattungsformate<br />
an Relevanz gewinnen.<br />
408<br />
Dies ist auch der Hauptkritikpunkt an der Einführung der IFRS 8, und damit am Full Management<br />
Approach. Vgl. dazu die abweichenden Meinungen der IASB-Mitglieder GÉLARD und<br />
LEISENRING in IFRS 8.DO1ff., die empirischen Erkenntnisse <strong>von</strong> PAUL & LARGAY (2005) sowie<br />
die kritischen Beiträge <strong>von</strong> GROTTKE & KRAMMER (2008) und GEIGER (2002), S. 95.<br />
409<br />
Wobei die für die Erfassung und Verarbeitung <strong>von</strong> Informationen geltenden Grundsätze dadurch<br />
nicht eingeschränkt werden, sondern bereits auf Stufe des Gesamtabschlusses Geltung haben.<br />
410<br />
Gemäss Beschreibung der Organisation auf www.elcom.admin.ch (Zugriff am 28. Juli 2009) beschäftigt<br />
die ElCom im Fachsekretariat aktuell 23 Mitarbeitende.<br />
411 Die Aussage beschränkt sich bewusst auf die Rechnungslegung. Der Auftrag zur Überprüfung der<br />
Tarife (Art. 22 Abs. 2 lit a und b StromVG) impliziert auch die Prüfung des Verbots <strong>von</strong> Quersubventionierungen<br />
nach Art. 10 Abs. 1 StromVG, und damit der entflochtenen Rechnungsführung.
94 Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes<br />
3.7 Zwischenfazit und Positionierung aus rechtlicher Sicht<br />
Trotz der knappen rechtlichen Vorgaben im StromVG sowie der stärkeren Gewichtung<br />
der Kostenrechnung auf Ebene der StromVV konnten anhand der verschiedenen Aus-<br />
legungselemente unbestimmte Rechtsbegriffe zum buchhalterischen Unbundling und<br />
zur Segmentrechnung Netz präzisiert und darauf aufbauend Grundsätze zur ordnungs-<br />
mässigen <strong>Segmentberichterstattung</strong> (GoS) nach dem StromVG hergeleitet werden.<br />
Auslegung und GoS dienen in der Folge der Evaluation theoretischer Konzepte, der<br />
Würdigung der empirischen Ergebnisse und der Entwicklung <strong>von</strong> Gestaltungsempfeh-<br />
lungen.<br />
Die Segmentrechnung Netz soll die Public Accountability des Versorgungs<strong>unter</strong>nehmens<br />
in Bezug auf dessen konzessionierte und regulierte Monopolinfrastruktur sicherstellen<br />
und damit einen wesentlichen Beitrag zur Transparenz leisten. Die Stromverteilnetzbetreiber<br />
bringen dadurch letztlich öffentlich zum Ausdruck, dass das Verbot<br />
<strong>von</strong> Quersubventionierungen und Diskriminierungen sowie die regulatorischen Vorgaben<br />
zur Netzentgeltermittlung eingehalten wurden. Zur Prüfung der Einhaltung dieser<br />
Vorgaben im Verdachts- oder Prüfungsfall dient der dafür zuständigen ElCom die detaillierte<br />
und vertrauliche Kostenrechnung. Die Konsistenz der beiden Auswertungen<br />
ist auf der Basis der getrennten Buchführung sicherzustellen, welche die Grundlage für<br />
die Segment- wie auch für die Kostenrechnung darstellt.<br />
Nach Auslegung <strong>von</strong> Art. 11 StromVG haben die Stromverteilnetzbetreiber eine Segmentrechnung<br />
Netz zu erstellen, bestehend aus einer entflochtenen Erfolgsrechnung<br />
und einer entflochtenen Bilanz, die den Stand und die Entwicklung der Ertrags-, Vermögens-<br />
und Finanzlage nach dem Grundsatz der Stetigkeit dokumentieren. Das zu<br />
entflechtende Segment Verteilnetz ist mit dem Netzbetrieb im weiteren Sinne zu umschreiben<br />
und umfasst sämtliche für den Bau, die Instandhaltung, den Betrieb und die<br />
Weiterentwicklung eines leistungsfähigen, sicheren und effizienten Verteilnetzes nötigen<br />
Funktionen. Damit wird das buchhalterische Unbundling zwischen dem natürlichen<br />
Monopol des Netzbetriebs und den Tätigkeiten im Wettbewerb sichergestellt. Die<br />
aktuell bestehende Teilregulierung im Bereich der Grundversorgung für feste Endverbraucher<br />
nach Art. 6 StromVG beeinflusst die Abgrenzung des Verteilnetzes <strong>von</strong><br />
den übrigen Aktivitäten nicht. Die Segmentrechnung Netz hat im Minimum die für den<br />
Gesamtbetrieb geltenden, gesetzlichen Rechnungslegungsvorschriften einzuhalten. Im<br />
Gegensatz zu den kalkulatorischen Werten der Kostenrechnung stellt sie grundsätzlich<br />
auf buchmässige Werte ab. Die Segmentrechnung Netz ist jährlich bis am 31. August<br />
auf der zentralen Publikationsseite der ElCom zu veröffentlichen.
Vorgaben des Stromversorgungsgesetzes 95<br />
Aufgrund dieser Erkenntnisse lässt sich die Segmentrechnung Netz als weitgehend<br />
segmentierte Jahresrechnung für das Netz – bestehend aus einer Erfolgsrechnung und<br />
Bilanz nach dem jeweiligen Rechnungslegungsstandard – bezüglich Segmentierungs-<br />
grad und Informationsqualität positionieren. Der Wortlaut des StromVG, die Empfeh-<br />
lungen des VSE sowie die europäische Praxis legen die Fiktion der rechtlichen Selbst-<br />
ständigkeit des Netzes durch eine möglichst totale Segmentierung nahe.<br />
Informationsqualität<br />
Nicht segmentierte<br />
Grössen<br />
Einheitliche, geprüfte<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Vorgabe EG-Richtlinie<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Wortlaut StromVG<br />
Abbildung 3-1: Positionierung der Segmentrechnung Netz aus rechtlicher Sicht<br />
Segmentierte<br />
Grössen<br />
Aufgrund der Heterogenität der Schweizer Rechnungslegung sowie der fehlenden Re-<br />
visionspflicht dürften insbesondere die Verlässlichkeit und die Vergleichbarkeit der<br />
Segmentrechnung Netz – selbst bei Einhaltung der GoS – beschränkt bleiben. Vor dem<br />
Hintergrund der in Kapitel 2.4.3 dargelegten Anreizsituation der Stromverteilnetz-<br />
betreiber dürfte die auslegungsbedürftige Rechtslage einer zurückhaltenden Offenle-<br />
gung Vorschub leisten und damit eine relativ tiefe Informationsqualität bewirken. Die-<br />
se Erwartung wird durch die offen gehaltenen, gesetzlichen Rechnungslegungsvor-<br />
schriften noch verstärkt. Auch im Vergleich zu den europäischen Vorgaben, welche<br />
eine einheitliche Rechnungslegung und eine Revision des buchhalterischen Unbund-<br />
ling vorsehen, besteht aus Sicht der Informationsqualität ein wesentlicher Unterschied.<br />
Der Nutzen der Segmentrechnung Netz dürfte somit ohne Vereinheitlichungsvorgaben<br />
beschränkt und deren Zielerreichung im Sinne der Public Accountability fraglich sein.
96 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
4 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
4.1 Buchhalterisches Unbundling<br />
Die Vorgabe des buchhalterischen Unbundling kann im Rechnungswesen durch ver-<br />
schiedene Anpassungen und Verfahren erfüllt werden. Deren Anwendung ist <strong>unter</strong><br />
Einhaltung der GoS gemäss Kapitel 3.5 <strong>unter</strong>nehmensspezifisch zu evaluieren. Dabei<br />
gehen die Verfahren im Grundsatz <strong>von</strong> der Zielsetzung der totalen Segmentierung der<br />
Erfolgsrechnung und der Bilanz aus. Je stärker integriert ein Stromverteilnetzbetreiber<br />
agiert und je grösser der Anteil der segmentübergreifend tätigen Mitarbeitenden ist,<br />
desto anspruchsvoller erweist sich diese totale Entflechtung. 412<br />
Bevor die einzelnen Segmentdaten mithilfe verschiedener Verfahren direkt oder indirekt<br />
ermittelt werden können, sind die Segmentkonzeption und die Segmentbildung<br />
vorzunehmen. Letztere hängt eng mit der Organisation und den personellen Strukturen<br />
zusammen. Daher ist es wahrscheinlich, dass trotz der fehlenden Vorgabe des organisatorischen<br />
Unbundling im StromVG auch bei Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
organisatorische Anpassungen zur Ermöglichung einer verlässlichen Segmentierung<br />
vorgenommen werden. Je nach resultierender Struktur lassen sich basierend auf der<br />
Finanzbuchhaltung oder der Betriebsbuchhaltung mehrere Verfahren der Entflechtung<br />
systemtechnisch <strong>unter</strong>scheiden. Ferner kann der Zeitbezug der Zuteilung der Positionen<br />
auf die Segmente differenziert werden. Die systemtechnisch anspruchsvolle, laufende<br />
Aufteilung der Buchungen auf die einzelnen Segmente wird als dynamisch oder<br />
progressiv bezeichnet. 413 Demgegenüber wird <strong>unter</strong> der statischen oder retrograden<br />
Zuordnung die Aufteilung der Positionen auf die Segmente nach dem Abschluss einer<br />
Periode verstanden. Die anspruchsvollere dynamische Zuordnung hat den entscheidenden<br />
Vorteil, dass das Prinzip der Doppik eingehalten wird und sich somit auch in<br />
den Segmentabschlüssen der Gewinnausweis <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz entsprechen.<br />
414 Durch die Anwendung <strong>von</strong> retrograden Zuordnungsverfahren entstehen<br />
demgegenüber erklärungsbedürftige bilanzielle Differenzpositionen, welche offen gezeigt<br />
oder aber mit einzelnen Bilanzpositionen verrechnet werden müssen. 415<br />
412<br />
Vgl. AUER (2004), S. 9.<br />
413<br />
Vgl. BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 45.<br />
414<br />
Vgl. POULLIE (2007), S. 214.<br />
415<br />
Vgl. dazu ausführlicher Kapitel 4.1.8c) hiernach.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 97<br />
4.1.1 Segmentkonzeption<br />
Bei der Konzeption der <strong>Segmentberichterstattung</strong> stellt sich die Frage, welches Bild<br />
durch die Segmentierung primär vermittelt werden sollte. 416 Dabei wird in der Literatur<br />
zur <strong>Segmentberichterstattung</strong> der Autonomous Entity Approach vom Disaggregation<br />
Approach <strong>unter</strong>schieden. 417 Nach dem Autonomous Entity Approach soll die fiktive<br />
wirtschaftliche und rechtliche Unabhängigkeit eines Segments <strong>unter</strong>stellt werden. 418<br />
Entsprechend verlangt dieser Ansatz, dass interne Beziehungen zwischen Segmenten<br />
wie mit Dritten zu Marktpreisen abzubilden seien und dass – in letzter Konsequenz –<br />
über die Segmente hinweg bestehende Synergien eliminiert werden müssten. 419 Dieser<br />
Ansatz geht einher mit der Zulässigkeit <strong>von</strong> Unterschieden zwischen den segmentierten<br />
und den konsolidierten Daten, so dass abweichende Ansatz- und Bewertungsvorschriften<br />
auf Segmentebene angewendet werden können. 420 Demgegenüber bindet der<br />
Disaggregation Approach die Segmentbildung und -darstellung eng an den integrierten<br />
Abschluss. Synergieeffekte sind auf die jeweiligen Segmente zu schlüsseln und interne<br />
Verrechnungen können zu kostenbasierten, internen Verrechnungspreisen erfolgen. 421<br />
Eine vom integrierten Abschluss abweichende Darstellung der Ertrags-, Vermögensund<br />
Finanzlage ist nicht erlaubt. Entsprechend sinkt nach diesem Ansatz auch die Bedeutung<br />
der Überleitungsrechnung der Segmente zum integrierten Abschluss. Diese<br />
hat <strong>unter</strong> dem Autonomous Entity Approach eine zentrale Bedeutung, damit die Fiktion<br />
der Selbstständigkeit nachvollziehbar ausgestaltet werden kann. 422<br />
Beide konzeptionellen Ansätze werden in der Literatur auf ihre Vor- und Nachteile<br />
gewürdigt. 423 HALLER hält dazu fest, dass für beide Ansätze berechtigte Argumente<br />
anzuführen seien, wobei die Argumente zugunsten des Disaggregation Approach aus<br />
416 HALLER (2006), S. 147.<br />
417<br />
Vgl. zu den Ansätzen etwa HALLER & KEPLER (2000), S. 767; KIND (2000), S. 88ff.; KÖHLE<br />
(2006), S. 116ff.; GEIGER (2002), S. 146ff.; ULBRICH (2006), S. 20.<br />
418<br />
KÖHLE (2006), S. 116.<br />
419<br />
Nach ULBRICH (2006), S. 20, könnte dies theoretisch dazu führen, dass gemeinschaftlich genutzte<br />
Vermögenswerte fiktiv mehrfach geführt werden müssten, um entsprechende Synergien zu neutralisieren.<br />
420 Vgl. GEIGER (2002), S. 147.<br />
421 KÖHLE (2006), S. 119.<br />
422 KIND (2000), S. 88.<br />
423<br />
Vgl. ausführlich KÖHLE (2006), S. 123, ULBRICH (2006), S. 22f., oder GEIGER (2002), S. 149ff.,<br />
in Bezug auf die Sicht der Shareholder.
98 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Sicht der Anreizverträglichkeit und der Wirtschaftlichkeit überwiegen. 424 Auch die gel-<br />
tenden <strong>Segmentberichterstattung</strong>sstandards basieren primär auf dem Disaggregation<br />
Approach. 425 Mit dem in IFRS 8 verankerten Management Approach, welcher die Dar-<br />
stellung <strong>von</strong> internen Segmentdaten in Abweichung zu den integrierten Abschlusszah-<br />
len ausdrücklich erlaubt, wird jedoch deutlich, dass auch Elemente des Autonomous<br />
Entity Approach in die <strong>Segmentberichterstattung</strong>spraxis eingeflossen sind. Prinzipiell<br />
ermöglicht der Management Approach die Ausnutzung der vollen Bandbreite zwischen<br />
den beiden Ansätzen zur Segmentkonzeption. 426<br />
In Bezug auf die buchhalterische Entflechtung bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> würde<br />
sich die Anwendung des Autonomous Entity Approach durch eine weitgehende Selbst-<br />
ständigkeit des Verteilnetzbereichs auszeichnen, indem dieser befugt wäre, intern und<br />
extern Leistungen zu Marktpreisen oder marktorientierten Verrechnungspreisen zu beziehen.<br />
Dies kann insbesondere die Aussagekraft des Segmentausweises erhöhen. Retrograde<br />
Aufteilungen und Schlüsselungen <strong>von</strong> gemeinsam genutzten Vermögenswerten<br />
würden weitgehend vermieden. Demgegenüber würde ein stärker auf Schlüsselungen<br />
basierendes, buchhalterisches Unbundling eher dem Konzept des Disaggregation<br />
Approach entsprechen. Im einfachsten Fall würde der Jahresabschluss mittels Schlüsseln<br />
retrograd zwischen dem Segment Netz und den übrigen Tätigkeiten aufgeteilt –<br />
wobei hier die Einhaltung des GoS des Vorrangs direkter Zuordnungen zu prüfen wäre.<br />
Das StromVG äussert sich im Rahmen der Vorgaben zum buchhalterischen Unbundling<br />
nicht zu dieser grundlegenden Ausrichtungsfrage. Der im europäischen Recht explizit<br />
vorhandene Grundsatz der Fiktion der rechtlichen Selbstständigkeit des Verteilnetzbereichs<br />
würde die Anwendung des Autonomous Entity Approach nahelegen.<br />
POULLIE hält in Bezug auf die deutsche Praxis fest, dass Entflechtungssysteme mit der<br />
Anwendung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung die Fiktion der Selbstständigkeit<br />
besser erfüllen als die reine Disaggregation <strong>von</strong> konsolidierten Daten mittels<br />
Schlüsselungen auf die einzelnen Segmente. 427 Jedoch dürfte es auch <strong>unter</strong> dem<br />
Grundsatz des Autonomous Entity Approach für Stromverteilnetzbetreiber keine Option<br />
sein, sämtliche Synergieeffekte vollständig zu eliminieren und eine fiktive Aufblähung<br />
der Ressourcen durchzuführen. Dies dürfte insbesondere <strong>von</strong> dem Hintergrund<br />
424<br />
HALLER (2006), S. 147.<br />
425<br />
OSTMEIER (2004), S. 121; HALLER & PARK (1994), S. 513.<br />
426<br />
FINK & ULBRICH (2007), S. 34.<br />
427<br />
Vgl. POULLIE (2007), S. 218.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 99<br />
der kostenbasierten Regulation der Netznutzungsentgelte seitens der ElCom kaum als<br />
zulässig beurteilt werden. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ist, selbst <strong>unter</strong> den ex-<br />
pliziten EU-Vorgaben zur Kontentrennung, die Zulässigkeit <strong>von</strong> rein disaggregieren-<br />
den Schlüsselverfahren unbestritten. 428 Solange demnach die angewendete Segment-<br />
konzeption gemäss der in Art. 10 Abs. 1 StromVG enthaltenen Unabhängigkeitsvorga-<br />
be Quersubventionierungen zwischen dem Netzbetrieb und den übrigen Tätigkeitsbe-<br />
reichen zu verhindern vermag – zum Beispiel bei der Festlegung <strong>von</strong> internen Ver-<br />
rechnungspreisen – und die GoS eingehalten werden, dürfte nach dem StromVG die<br />
Segmentkonzeption nach beiden Ansätzen möglich sein. 429<br />
Für das buchhalterische Unbundling bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> sind beide Ansätze<br />
<strong>unter</strong> den spezifischen Umständen abzuwägen. Die Segmentkonzeption bildet einen<br />
wichtigen Grundsatzentscheid für das buchhalterische Unbundling <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>.<br />
Dabei ist festzuhalten, dass sich die beiden Ansätze in der praktischen<br />
Umsetzung nicht trennscharf <strong>von</strong>einander abgrenzen lassen. Insbesondere dürfte aus<br />
Sicht eines Konzerns mit dezentralen Strukturen der Unterschied zwischen den beiden<br />
Ansätzen bedeutend kleiner ausfallen, als aus theoretischer Sicht beschrieben wird. 430<br />
4.1.2 Segmentbildung<br />
Die Segmentbildung hat die zwingende Vorgabe des StromVG der Entflechtung des<br />
Verteilnetzbereichs <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeiten einzuhalten. Dabei hat jeder Stromverteilnetzbetreiber<br />
verschiedene Ausgestaltungsvarianten mit <strong>unter</strong>schiedlichem Einfluss<br />
auf die Struktur des Unternehmens individuell zu evaluieren. 431 So können beispielsweise<br />
dem Segment Verteilnetz nur die elementaren Netzbetriebsfunktionen im<br />
engeren Sinne mit einer schlanken Personalausstattung direkt zugeordnet werden. 432<br />
Weitere Leistungen werden bei dieser Variante bei anderen Segmenten der Unternehmung<br />
oder bei Dritten eingekauft. Diese Variante ist insbesondere in Fällen anzutreffen,<br />
in denen Installationsabteilungen Arbeiten am eigenen Netz ausführen sowie<br />
Dienstleistungen für Dritte erbringen. Diese organisatorisch verankerte Abgrenzung<br />
führt zur Etablierung einer internen Kunden- und Lieferantenbeziehung und zur Ver-<br />
428<br />
Vgl. etwa POULLIE (2007), S. 218; BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 45; HENNEMANN<br />
(2008), S. 55; jeweils mit Verweisen auf deutsche Gesetzesmaterialien.<br />
429<br />
Vgl. zur Thematik diskriminierungsfreier Verrechnungspreise LEVERKUS (2006), S. 267.<br />
430<br />
HALLER (2006), S. 147.<br />
431<br />
Vgl. weiterführend zur Organisation <strong>von</strong> Stromnetzbetreibern: GOES (2003), S. 88ff.<br />
432 Vgl. zur Abgrenzung des Netzbetriebs im engeren Sinne Kapitel 3.4.1 hiervor.
100 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
meidung zahlreicher Zuordnungsprobleme <strong>von</strong> übergreifend tätigem Personal und ge-<br />
meinsam genutzten Vermögenswerten. Eine solche Segmentbildung folgt weitgehend<br />
der Idee des hiervor bereits erläuterten Autonomous Entity Approach. In der deutschen<br />
Praxis hat sich nach diesem Grundgedanken der Shared-Service-Ansatz etabliert. 433<br />
Dabei werden insbesondere Verwaltungs- und Vertriebsfunktionen über das gesamte<br />
Unternehmen gebündelt und einem eigenen Segment zugewiesen. Diejenigen Res-<br />
sourcen 434 , die sich nicht eindeutig dem Verteilnetz oder anderen operativen Segmen-<br />
ten zuweisen lassen, sind im Segment Shared-Services angesiedelt und werden <strong>von</strong><br />
diesem je nach Nutzung intern verrechnet. So können diesem Bereich auch Funktionen<br />
wie das Beteiligungsmanagement oder die Finanzierung zugewiesen und damit zahl-<br />
reiche Probleme bei der Allokation <strong>von</strong> Bilanzpositionen vermieden werden. 435 Wie<br />
bereits in Kapitel 2.2.4 dargelegt, kann ein solcher Ansatz auch zu einer effizienten<br />
Erfüllung des informatorischen Unbundling zwischen dem Netzbetrieb und dem<br />
Stromvertrieb beitragen. Eine dieser Segmentierung angepasste Struktur könnte wie<br />
folgt aussehen:<br />
Netzbetreiber<br />
Zentrale Dienste<br />
Abbildung 4-1: Mögliche Segmentierung nach dem Shared-Service-Ansatz 436<br />
Das Segment Netz kann in dieser Organisation sowohl Leistungen <strong>von</strong> den zentralen<br />
Diensten als auch <strong>von</strong> anderen operativen Segmenten beziehen. Je nach Aufgabenauf-<br />
teilung kann das Segment Netz damit schlank organisiert und entsprechend relativ ein-<br />
fach <strong>von</strong> den übrigen Aktivitäten buchhalterisch entflochten werden. Insbesondere<br />
lässt sich mit einer solchen Segmentierung auch sicherstellen, dass die Segmentrech-<br />
nung Netz konsequent <strong>von</strong> netznahen Dienstleitungen im Wettbewerb getrennt wird.<br />
Als netznahe Dienstleistungen <strong>von</strong> Stromnetzbetreibern führt GOES etwa Tätigkeiten<br />
433 Vgl. OTTO (2007), S. 263ff.<br />
434 Unter Ressourcen werden Mitarbeitende oder Kapital verstanden.<br />
435 So empfiehlt etwa DORPRIGTER (2001), S. 167ff., eine zentrale Allokation für die Unternehmensfinanzierung<br />
in Form eines Finanzfondskonzepts. Vgl. zur Segmentierung <strong>von</strong> Bilanzpositionen:<br />
Kapitel 4.1.6 hiernach.<br />
436 Eigene Darstellung.<br />
Vertrieb<br />
Netz Dienstleistungen
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 101<br />
für Netzkunden (zum Beispiel Installationsarbeiten, Energieberatung, Kommunikationstechnik,<br />
weitere Versorgungsangebote), für andere Betreiber oder für Eigentümer<br />
<strong>von</strong> Stromnetzen (zum Beispiel Betriebsführung, Instandhaltung, Sicherheitsprüfungen),<br />
für Stromlieferanten (zum Beispiel Übernahme des Netznutzungsmanagements,<br />
Vertragswesen) sowie für sonstige Kunden (zum Beispiel Vermietung <strong>von</strong> Infrastruktur<br />
wie Glasfaserleitungen) auf. 437 Erfolgt eine Auftrennung, so ist bei segmentübergreifender<br />
Tätigkeit der Mitarbeitenden aus Sicht des buchhalterischen Unbundling<br />
der Shared-Service-Ansatz prüfenswert.<br />
In Bezug auf die Abgrenzung zwischen Vertrieb und Netz ist insbesondere die Organisation<br />
des Kundenkontakts und der Rechnungsstellung, also die Schnittstelle zwischen<br />
Strom- und Netzvertrieb, zu prüfen. Die überwiegende Mehrheit der Schweizer EVU<br />
dürfte kein Interesse an einem Ergebnis haben, bei welchem der Kunde nach der<br />
Durchführung des buchhalterischen Unbundling zwei Rechnungen erhält: einmal für<br />
den Strom und einmal für das Netz. Beim Shared-Service-Ansatz können die Rechnungsstellung<br />
und die Bündelung des Kundenkontakts zentral und <strong>unter</strong> weitgehender<br />
Beibehaltung der Synergien erfolgen. Die Lösung, dass der Stromvertrieb gleichzeitig<br />
auch die Vertriebsfunktionen des Netzes übernimmt, ist vor dem Hintergrund der Anforderungen<br />
des informatorischen Unbundling des StromVG problematisch. Aus Sicht<br />
des buchhalterischen Unbundling steht dieser Lösung jedoch nichts entgegen, solange<br />
die getrennte Erfassung der Netznutzungserträge und der damit zusammenhängenden<br />
Debitoren gewährleistet ist. 438 Die Zuteilung auf die Segmente kann dabei über die<br />
direkte Zuordnung oder über eine innerbetriebliche Verrechnung erreicht werden. 439<br />
Unabhängig <strong>von</strong> der Wahl des geeigneten Modells haben die Stromverteilnetzbetreiber<br />
im Minimum eine interne Verrechnung zwischen dem Segment Verteilnetz und den<br />
übrigen Aktivitäten vorzusehen: die Verrechnung der Wirkverluste. Diese werden definiert<br />
als die Differenz zwischen der Bereitstellung der elektrischen Energie im Netz<br />
und dem Verbrauch bei den Endkunden. 440 Die Wirkverluste entstehend durch die<br />
Transformierung sowie durch den Transport des Stromes. Sie sind dem Netz verursachergerecht<br />
zu verrechnen und können nach Art. 15 Abs. 2 StromVG im Netznutzungsentgelt<br />
angerechnet werden.<br />
437<br />
GOES (2003), S. 72.<br />
438<br />
Vgl. zur Problematik der getrennten Debitorenerfassung Kapitel 4.1.6a) hiernach.<br />
439<br />
Vgl. LEVERKUS (2006), S. 268f.<br />
440<br />
MUNZ (2008), S. 16.
102 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Folgende drei Werteflussmodelle lassen sich in Bezug auf das buchhalterische Un-<br />
bundling beim Vertrieb darstellen: 441<br />
a) All-in-Modell<br />
Kunde<br />
Abbildung 4-2: Interne Werteflüsse beim Vertriebsunbundling nach dem All-in-Modell<br />
b) Shared-Service-Ansatz<br />
Kunde<br />
Abbildung 4-3: Interne Werteflüsse beim Vertriebsunbundling nach dem Shared-Service-Ansatz<br />
c) Vollständiges Unbundling<br />
Stromvertrieb<br />
Shared Service<br />
Netzvertrieb<br />
Ertrag Netznutzung<br />
Dienstleistungsgebühr<br />
Entschädigung<br />
Wirkverluste<br />
Ertrag Netznutzung<br />
Dienstleistungsgebühr<br />
Kunde Entschädigung<br />
Wirkverluste<br />
Stromvertrieb<br />
Netzvertrieb<br />
Abbildung 4-4: Werteflüsse beim vollständigen Vertriebsunbundling<br />
Ertrag Strom<br />
Netzvertrieb Stromvertrieb<br />
Entschädigung<br />
Wirkverluste<br />
Alle drei Modelle sind aus Sicht des buchhalterischen Unbundling realisierbar, da die<br />
Entflechtung durch direkte Zuordnung oder interne Verrechnung stattfindet. Der dritte<br />
Ansatz wird wohl aus Gründen der Kundenorientierung und wegen des zusätzlichen<br />
Ressourcenbedarfs selten zur Anwendung gelangen. Die Einführung eines Shared-<br />
Services-Segments dürfte insbesondere für mittlere und grössere Stromverteilnetz-<br />
betreiber ein empfehlenswerter Ansatz darstellen, der zudem auch die Einhaltung wei-<br />
tergehender Unbundling-Anforderungen ermöglicht. Für kleine Werke ist der Shared-<br />
441 Eigene Darstellungen. Der Netzvertrieb stellt einen Teil des Segments Netzes dar.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 103<br />
Service-Ansatz nur bedingt realisierbar, da sie gar über keine eigentliche Stromvertriebsstruktur<br />
verfügen. Kleinere Werke sind bisher in der Regel traditionell in einen<br />
kaufmännischen und einen technischen Bereich eingeteilt, wobei im technischen Funktionsbereich<br />
nebst dem Netzbetrieb auch die bisher begrenzt nötigen Funktionen des<br />
Stromvertriebs enthalten waren. 442 Der Stromvertrieb beschränkt sich auf den Einkauf<br />
<strong>von</strong> Strom am neuerdings freien Markt und dessen Weiterverkauf an überwiegend feste<br />
Endverbraucher. 443 In solchen Fällen kann es verhältnismässig sein, für das buchhalterische<br />
Unbundling in Anlehnung an das oben dargelegte All-in-Modell eine Segmentierung<br />
einzuführen, welche einen <strong>von</strong> aussen nur begrenzt sichtbaren Niederschlag in<br />
der Organisation des Unternehmens findet, indem der bisher rein kaufmännische Bereich<br />
– unten dargestellt als Administration – neu die Funktion des Stromvertriebs<br />
übernimmt.<br />
Netzbetreiber<br />
Administration /<br />
Vertrieb<br />
Netz Dienstleistungen<br />
Abbildung 4-5: Mögliche Segmentierung kleiner EVU ohne eigenständige Vertriebsfunktion 444<br />
Bei Kleinstwerken, welche im "Extremfall" 445 nur <strong>von</strong> einer Person betrieben werden,<br />
ist die Segmentbildung vollständig <strong>von</strong> der organisatorischen Realität losgelöst. Diese<br />
Fälle sollten jedoch bezüglich der Anzahl der Buchungsfälle überschaubar sein, so<br />
dass mit einem entsprechenden, einfachen Unbundling-Verfahren ein ausreichend genaues<br />
Entflechtungs-Ergebnis erreicht werden kann.<br />
Bei unselbstständigen Gemeindewerken, die gemäss HRM traditionell nach Sparten<br />
segmentiert sind und deren integrierte Organisation durch die fehlende Konsolidierung<br />
<strong>unter</strong> HRM oft gar keinen Niederschlag im Rechnungswesen findet, ist ein Zwischen-<br />
442<br />
Vgl. GOES (2003), S. 89.<br />
443<br />
Für EVU gilt die Liberalisierungsgrenze <strong>von</strong> 100 MWh nach Art. 6 Abs. 2 StromVG nicht, da<br />
sich diese nur auf Endverbraucher beschränkt. Auch Kleinst-EVU haben demnach seit dem 1. Januar<br />
2009 freien Zugang zum Beschaffungsmarkt.<br />
444<br />
Eigene Darstellung.<br />
445<br />
Für die Schweiz ist dieser Fall nicht selten, sondern insbesondere bei lokalen Elektra-<br />
Genossenschaften und kleinen Gemeindewerken verbreitet. Vgl. dazu die Auswertung nach Vollzeitstellen<br />
in der empirischen Erhebung im nachfolgenden Kapitel 6.2.3.
104 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
schritt nötig. 446 Um eine Segmentbildung nach den Vorgaben des StromVG und damit<br />
ein buchhalterisches Unbundling innerhalb der Sparte Elektrizität zu ermöglichen, ist<br />
zuerst die Entflechtung des Rechnungswesens <strong>von</strong> der Gemeinderechnung sicherzu-<br />
stellen. 447<br />
Gemeinde<br />
Verwaltung<br />
Verwaltung<br />
Verwaltung<br />
Verwaltung<br />
Verwaltung<br />
Verwaltung<br />
Elektrizität<br />
Gas Wasser<br />
Netzbetreiber<br />
Abbildung 4-6: Mögliche Segmentierung nach Sparten bei unselbstständigen Gemeindewerken<br />
Das unselbstständige Gemeindewerk muss zur Durchführung des buchhalterischen<br />
Unbundling entweder über eine vollständige, alle Sparten umfassende, konsolidierte<br />
Erfolgsrechnung und Bilanz verfügen oder die Stromversorgung <strong>von</strong> den übrigen Ak-<br />
tivitäten trennen. Dies ist auf dem Weg einer rechtlichen Verselbstständigung oder nur<br />
buchhalterisch <strong>unter</strong> HRM möglich. 448 Die Entflechtung kann weitgehend auf den Da-<br />
ten und den etablierten Verrechnungsprinzipien der Gemeinderechnung aufbauen –<br />
zum Beispiel auf der internen Verrechnung <strong>von</strong> Verwaltungsleistungen oder <strong>von</strong> Zin-<br />
sen –, wobei sie insbesondere bilanziell weiter geht als die übliche Form einer reinen<br />
Spezialfinanzierung, die oft nur das Anlagevermögen und die Reserven bzw. Rückstellungen<br />
umfasst. Ist das Unbundling auf dieser Ebene nicht erfüllt, müssten die Entflechtungsverfahren<br />
– insbesondere in Bezug auf die Bilanzpositionen – über das gesamte<br />
Gemeinwesen hinweg zur Anwendung gelangen. Ein solches Vorgehen dürfte in<br />
der Regel weder sachgerecht noch nachvollziehbar sein. Ist das Unbundling zwischen<br />
Gemeinde und EVU einmal vollzogen, kommen beim kommunalen Stromverteilnetzbetreiber<br />
die gleichen Modelle und Verfahren des buchhalterischen Unbundling zum<br />
Einsatz wie bei rechtlich eigenständigen Unternehmen.<br />
446<br />
Vgl. WALSER (1977).<br />
447<br />
Vgl. LATCOVIC (2000), S. 262f., zit. in GOES (2003), S. 90.<br />
448<br />
Vgl. zur Zulässigkeit einer eigenen Betriebsrechnung für kommunale Eigenwirtschaftsbetriebe<br />
die Ausführungen in Kapitel 2.3.2.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 105<br />
4.1.3 Finanzbuchhalterische Segmentierung<br />
Für die Umsetzung des buchhalterischen Unbundling liegt die Aufgliederung oder die<br />
Aufteilung der Konten der Erfolgsrechnung und der Bilanz im Rahmen der Finanzbuchhaltung<br />
auf der Hand. Vor dem Hintergrund der Fiktion der rechtlichen Selbstständigkeit<br />
des Netzbereiches ist eine eigenständig geführte Finanzbuchhaltung die<br />
konsequenteste Art des buchhalterischen Unbundling. Jedoch kann eine vollständige<br />
Trennung der Finanzbuchhaltung und aller damit verbundenen Nebenbuchhaltungen 449<br />
zu einem erheblichen Mehraufwand führen. 450 Wie bereits dargelegt, besteht aus diesem<br />
Grund auch kein rechtlicher Zwang zu einer Vervielfachung der Konten in der<br />
Finanzbuchhaltung. 451 Der Vorteil der finanzbuchhalterischen Segmentierung liegt in<br />
der Anknüpfung der Entflechtung auf Ebene der Verbuchung. Durch die laufend getrennte<br />
Verbuchung wird dem Prinzip der weitgehend direkten Zuordnung Rechnung<br />
getragen. Durch die Segmentierung auf Stufe der Finanzbuchhaltung ist – im Unterschied<br />
zur erfolgsrechnungsbezogenen Betriebsbuchhaltung – die Einhaltung der Doppik<br />
relativ einfach zu gewährleisten, indem die Zuordnung zwischen Erfolgsrechnungs-<br />
und Bilanzkonten ohne spezielle systemtechnischen Anforderungen synchron<br />
erfolgen kann.<br />
a) Getrennte Rechnungskreise<br />
Die Form getrennter Rechnungskreise für den Netzbereich und die übrigen Tätigkeiten<br />
stellt die konsequenteste Art der Trennung dar. Unter Rechnung- oder Buchungskreis<br />
versteht man die kleinste organisatorische Einheit des externen Rechnungswesens, für<br />
die eine vollständige, in sich abgeschlossene Buchhaltung abgebildet werden kann. 452<br />
Der Kontenplan wird bei diesem Verfahren nicht erweitert, sondern in den Rechnungskreisen<br />
mehrfach verwendet. Je nach Segment sind dabei auch kontenplanmässige Differenzierungen<br />
möglich. Die Ableitung des Gesamtabschlusses ist bei diesem Verfahren,<br />
bei dem eine konzernartige Rechnungslegungsstruktur geschaffen wird, nur noch<br />
über eine Konsolidierung der einzelnen Rechnungskreise möglich. 453 Diese Lösung<br />
kommt damit der Umsetzung eines rechtlichen Unbundling, bei welchem die getrennte<br />
449<br />
Etwa die Kreditoren- und Debitoren- , die Lohn- oder die Anlagebuchhaltung.<br />
450<br />
POULLIE (2007), S. 225.<br />
451<br />
Vgl. POULLIE (2007), S. 222; LEVERKUS (2006), S. 267; PEROUTKA (2001), S. 65ff.<br />
452 EBELING et al. (2001), S. 77ff., zit. in HENNEMANN (2008), S. 55.<br />
453 HENNEMANN (2008), S. 55.
106 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Netzgesellschaft aus rechtlicher Sicht zur Führung einer eigenen Finanzbuchhaltung<br />
verpflichtet wird, sehr nahe. 454<br />
EVU<br />
Abbildung 4-7: Funktionsweise getrennter Rechnungskreise 455<br />
Sowohl Aufwand und Ertrag wie auch die Veränderung der Bilanzpositionen werden<br />
nach diesem Verfahren direkt pro Segment verbucht. Da auf Schlüsselungen verzichtet<br />
wird, gilt die eindeutige Zuordenbarkeit der einzelnen Buchungssachverhalte auf die<br />
Segmente für dieses Unbundling-Verfahren als Voraussetzung. 456 Dies impliziert eine<br />
gewisse Betriebsgrösse und eine entsprechende Organisationsstruktur. Bei Leistungen<br />
zwischen den Segmenten sind relativ aufwendige, interne Verrechnungssysteme auf<br />
der Basis <strong>von</strong> Service Level Agreements (SLA) erforderlich. 457<br />
b) Getrennte Kontierung<br />
In kleineren Verhältnissen ist die Einführung eines neuen Rechnungskreises für das<br />
Verteilnetz mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden. Insbesondere die so ge-<br />
454 Vgl. dazu die Variante des Unbundling über die Finanzrechnung des VSE in SPAAR & KOPRIWA<br />
(2004), Ziff. 10.4.5.<br />
455 Eigene Darstellung.<br />
Netz Übriges<br />
Erfolgsrechnung<br />
Bilanz<br />
456 PEROUTKA (2001), S. 97.<br />
Interne Verrechnungen<br />
Erfolgsrechnung<br />
Aufwand Ertrag Aufwand Ertrag<br />
Interne Forderungen<br />
Bilanz<br />
Aktiven Passiven Aktiven Passiven<br />
Direkte Zuordnung<br />
der Buchungen<br />
457 Vgl. zur innerbetrieblichen Leistungsverrechnung: Kapitel 4.2.4.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 107<br />
schaffene Konsolidierungspflicht sowie die notwendigen, umfassenden Verrechnungs-<br />
systeme sind für kleinere Stromverteilnetzbetreiber in der Regel keine wirtschaftliche<br />
Option. Demgegenüber ist die Möglichkeit naheliegend, anstelle der horizontalen<br />
Segmentierung der Buchhaltung über Rechnungskreise eine vertikale Aufgliederung<br />
des Kontenplans zur Segmentierung vorzunehmen. Im Minimum werden dabei die<br />
wesentlichen Konten der Erfolgsrechnung und der Bilanz in eine Kontengruppe Netz,<br />
eine Kontengruppe Übrige Aktivitäten und eine Kontengruppe für nicht direkt zuor-<br />
denbare Positionen aufgeteilt.<br />
EVU<br />
Erfolgsrechnung<br />
Aufwand<br />
Netz<br />
Aufwand<br />
Übriges<br />
Aufwand<br />
Allgemein<br />
Ertrag<br />
Netz<br />
Ertrag<br />
Übriges<br />
Ertrag<br />
Allgemein<br />
Abbildung 4-8: Funktionsweise der getrennten Kontenführung 458<br />
Die Segmentierung erfolgt bei diesem Verfahren manuell auf Stufe der Kontierung und<br />
im Fall <strong>von</strong> residualen, nicht direkt zuordenbaren Positionen über deren Schlüsselung.<br />
Segmentübergreifende Positionen können dabei auch anhand <strong>von</strong> Schlüsseln auf dem<br />
jeweiligen Buchungsbeleg aufgeteilt und entsprechend verbucht werden. Die Schlüsse-<br />
lung wird damit nicht im Buchhaltungssystem hinterlegt, sondern bedarf zum Nach-<br />
vollzug eine aufwendige Einzelbelegprüfung. Daher wird die Abbildung in einer sepa-<br />
raten Kontengruppe, welche auf den Abschluss hin pro Kontenart stetig geschlüsselt<br />
wird, den GoS der Nachvollziehbarkeit und Stetigkeit in der Regel besser gerecht. 459<br />
Das Verfahren der Kontentrennung hat den Nachteil, dass der Kontenplan um ein<br />
Mehrfaches erweitert und damit aufgebläht wird. So verzichtet beispielsweise auch der<br />
KMU-Kontenrahmen ab der Stufe des sonstigen Betriebsaufwandes auf eine Bereichs-<br />
458 Eigene Darstellung.<br />
Schlüsselungen<br />
Schlüsselungen<br />
Aktiven<br />
Netz<br />
Aktiven<br />
Übriges<br />
Aktiven<br />
Allgemein<br />
459 Vgl. BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 73.<br />
Bilanz<br />
Passiven<br />
Netz<br />
Passiven<br />
Übriges<br />
Passiven<br />
Allgemein<br />
Direkte und indirekte<br />
Zuordnung<br />
der Buchungen
108 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
<strong>unter</strong>scheidung mit der Begründung, dass der Administrationsaufwand sonst drastisch<br />
erhöht würde. 460 Bereits bei tiefer Komplexität des Betriebs wird die Finanzbuchhaltung<br />
unübersichtlich, so dass die Gefahr einer Einschränkung der Ordnungsmässigkeit<br />
der Buchführung entsteht. 461<br />
c) Zusatzkontierung<br />
Als sinnvolle Zwischenlösung zwischen einem eigenen Rechnungskreis für das Verteilnetz<br />
und der Aufblähung des Kontenplans durch die Kontentrennung dienen Zusatzkontierungen.<br />
Durch die Einführung sogenannter Geschäftsbereiche kann ohne<br />
Verlust der Übersicht eine Segmentierung für das Verteilnetz erzielt werden. 462<br />
EVU<br />
Bilanz<br />
Aktiven Passiven<br />
Netz Übriges<br />
Aufwand Aufwand<br />
Abbildung 4-9: Funktionsweise Zusatzkontierung 463<br />
Neben der klassischen, vierstelligen Kontonummerierung, bestehend aus Kontenklasse,<br />
Kontenhauptgruppe, Kontengruppe und Konten<strong>unter</strong>gruppe, kann jedes Konto<br />
durch eine weitere Stelle für das Segment eindeutig einem Bereich zugeordnet werden.<br />
Dabei ist es denkbar, einen zusätzlichen Geschäftsbereich entsprechend dem Shared-<br />
Service-Ansatz vorzusehen und dadurch Schlüsselungen nicht direkt zuordenbarer Po-<br />
460<br />
STERCHI (1996), S. 172. Eine Bereichsaufteilung innerhalb des Kontenplans ist beim Ertrag, beim<br />
Waren- und beim Personalaufwand als Alternative zu einer Kostenrechnung vorgesehen.<br />
461<br />
Vgl. PEROUTKA (2001), S. 97; HENNEMANN (2008), S. 54.<br />
462 Vgl. POULLIE (2007), S. 223.<br />
463 Eigene Darstellung.<br />
Ableitung<br />
Erfolgsrechnung<br />
Netz<br />
Direkte Zuordnung<br />
der Buchungen in ER<br />
Netz<br />
Aktiven Passiven<br />
Netz<br />
Ertrag Ertrag<br />
Aktiven Passiven<br />
Übriges
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 109<br />
sitionen zu minimieren. Buchhaltungssysteme wie SAP oder Abacus ermöglichen bei<br />
Anwendung der konsequenten Zusatzkontierung auch segmentierte Auswertungen der<br />
Bilanz. 464 So wird zum Beispiel bei nicht eindeutig zuordenbaren Debitoren- oder<br />
Kreditorenbuchungen über die entsprechende Ertrags- oder Aufwandzuordnung eine<br />
symmetrische Aufteilung in der Bilanz erzeugt. Damit wird das Prinzip der Doppik<br />
eingehalten, so dass Differenzpositionen in der Bilanz vermieden werden. Anders als<br />
beim Einsatz getrennter Rechnungskreise sind Geschäftsbereiche in Bezug auf seg-<br />
mentübergreifende Stammdaten und den Einsatz der Kostenrechnung flexibler.<br />
Unselbstständige Gemeindewerke ohne eigene Buchführung wenden durch die funkti-<br />
onale Gliederung <strong>von</strong> HRM in der Erfolgsrechnung eine Art Zusatzkontierung an. Die<br />
einzelnen Bereiche werden im harmonisierten Kontenplan als Dienststellen mit drei-<br />
stelligen Nummern <strong>von</strong>einander <strong>unter</strong>schieden. 465 Im Kanton Aargau zum Beispiel<br />
wurde das buchhalterische Unbundling durch die finanzbuchhalterische Trennung der<br />
bisherigen Elektrizitätsversorgung in die zwei neuen Dienststellen Verteilung und Üb-<br />
riges <strong>unter</strong> HRM offiziell vorgegeben. 466 Die Schlüsselung einer nicht eindeutig einer<br />
Dienststelle zuordenbaren Position erfolgt meistens laufend und manuell bei der Ver-<br />
buchung. Dies bringt die bereits erwähnten Nachteile bezüglich der Nachvollziehbar-<br />
keit und der Stetigkeit mit sich, welche nur mit einer entsprechend umfassenden Do-<br />
kumentation der anzuwendenden Schlüsselungen gemildert werden können. Für eine<br />
besser nachvollziehbare Schlüsselung am Ende der Periode müsste ein weiteres Gefäss<br />
– etwa durch Kontentrennung oder in Form einer temporären Dienststelle – geschaffen<br />
werden. Damit nähert sich der Aufbau der Finanzbuchhaltung an die Form und Funktion<br />
der Betriebsbuchhaltung an.<br />
4.1.4 Betriebsbuchhalterische Segmentierung<br />
Mit der technischen Möglichkeit der Abbildung <strong>von</strong> Geschäftsbereichen durch Zusatzkontierungen<br />
in der Finanzbuchhaltung wird der Zusammenhang zwischen Finanzund<br />
Betriebsbuchhaltung deutlich. Die Abgrenzung beider Systeme ist infolge der Verschmelzung<br />
der Auswertungsmöglichkeiten aus praktischer Sicht zunehmend weniger<br />
wichtig. So sind heute Kostenrechnungsmodule oft im Lieferumfang der Finanzbuchhaltungslösung<br />
enthalten, um eine synchrone Verbuchung in der Finanz- und in der<br />
464<br />
Vgl. PEROUTKA (2001), S. 106. Die Geschäftsbereiche sind als selbständig bilanzierende Einheiten<br />
zu definieren.<br />
465<br />
Vgl. KONFERENZ DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN (2008), S. 194ff.<br />
466 Vgl. URECH (2008).
110 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Betriebsbuchhaltung sicherzustellen. Daher ist es für das buchhalterische Unbundling<br />
auch naheliegend, die Segmentierung über die Kostenrechnung zu vollziehen. Dies gilt<br />
nicht zuletzt auch aufgrund der Vorgabe <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG und des damit<br />
verbundenen Anspruchs nach Konsistenz zwischen der Kosten- und der Segmentrech-<br />
nung. Die sich daraus ergebenden Segmentierungssynergien sind insbesondere für<br />
Stromverteilnetzbetreiber, für die sich eine finanzbuchhalterische Entflechtung nicht<br />
als sinnvoll erweist, <strong>von</strong> Interesse.<br />
a) Harmonisierung zwischen Kostenrechnung und Segmentrechnung Netz<br />
Die Übernahme der Daten aus der internen Kostenrechnung in die gegen aussen zu<br />
publizierende Segmentrechnung Netz entspricht prinzipiell der Idee des <strong>von</strong> den internationalen<br />
Rechnungslegungsstandards geprägten Management Approach. Die <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
gilt als einer der Haupttreiber der Harmonisierung zwischen internem<br />
und externem Rechnungswesen. 467 Die Kostenrechnung bzw. die Kosten- und<br />
Erlösrechnung 468 stellt dabei eine zentrale Komponente des internen Rechnungswesens<br />
dar, ohne die eine externe Rechnungslegung in den meisten Fällen gar nicht ordnungsmässig<br />
erstellt werden könnte. 469 Ihr Hauptzweck besteht in der Bereitstellung<br />
<strong>von</strong> Informationen zur Unterstützung, Kontrolle und Koordination <strong>unter</strong>nehmungsinterner,<br />
vor allem kurzfristiger Entscheidungen. 470 Im Kontext des StromVG ist die<br />
Kostenrechnung nebst ihrer Funktion der internen Unternehmenssteuerung ein regulatorisch<br />
vorgeschriebenes Instrument zum Nachweis der gesetzeskonformen Kalkulation<br />
der Netzentgelte sowie der Elektrizitätstarife für feste Endverbraucher.<br />
467<br />
Vgl. etwa WAGENHOFER (2006), S. 6, HALLER (2006), S. 143ff., oder auch WEISSENBERGER<br />
(2006), S. 34. Für das interne Rechnungswesen werden auch die Begriffe Controlling oder Management<br />
Accounting verwendet, wobei exakte Begriffsabgrenzungen oft fehlen. Vgl. dazu GOES<br />
(2003), S. 15.<br />
468<br />
Grundsätzlich ist der Begriff Kosten- und Erlösrechnung zutreffender als der verkürzte Begriff<br />
Kostenrechnung, da in diesem Rechenwerk auch die Erlöse erfasst und den entsprechenden Produkten<br />
zugewiesen werden. Im öffentlichen Sektor wird aufgrund der marginalen Bedeutung <strong>von</strong><br />
Erlösen in der Regel der Terminus Kosten- und Leistungsrechnung verwendet. Vgl. FLURY<br />
(2002), S. 13.<br />
469 So wird die Kostenrechnung zwingend für die in der Rechnungslegung nötige Ermittlung <strong>von</strong><br />
Herstellungskosten zur Bewertung <strong>von</strong> Vorratsbeständen und Anlagen im Bau oder zur Quantifizierung<br />
<strong>von</strong> Eigenleistungen benötigt. Dies trifft nicht nur auf Stromverteilnetzbetreiber zu, sondern<br />
generell, insbesondere jedoch für die produzierende Industrie. Vgl. in Bezug auf die Bewertung<br />
<strong>von</strong> Halb- und Fertigfabrikaten sowie <strong>von</strong> langfristigen Fertigungsaufträgen WAGENHOFER<br />
(2006), S. 8. Vgl. zur Begründung der gesetzlichen Pflicht: PFAFF & V. BHICKNAPAHARI (2007).<br />
470 EWERT & WAGENHOFER (2008), S. 5.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 111<br />
Die Harmonisierungsbestrebungen sind dabei primär auf die durch die Anwendung<br />
<strong>von</strong> internationalen Rechnungslegungsstandards im externen Rechnungswesen stark<br />
gestiegenen Informationsbedürfnisse zurückzuführen. 471 Die Umsetzung eines voll-<br />
ständig integrierten Rechnungswesens würde den vollständigen Verzicht der Anwen-<br />
dung <strong>von</strong> kalkulatorischen Kosten und Erlösen bedeuten. 472 Begründet wird die Har-<br />
monisierung insbesondere mit der Wirtschaftlichkeit bei der Erstellung sowie mit der<br />
erhöhten Verständlichkeit, da auf aufwendige Abstimmbrücken zwischen interner und<br />
externer Rechnung verzichtet werden kann. 473 In der deutschsprachigen Literatur wird<br />
eine vollständige Integration beider Rechenwerke aufgrund ihres <strong>unter</strong>schiedlichen<br />
Zwecks oft als nicht sachgerecht verworfen. Hingegen besteht Einigkeit darüber, dass<br />
sich die Differenzen zwischen der internen Kostenrechnung und der externen Berichterstattung<br />
durch die Weiterentwicklung der Rechnungslegung auf ein Minimum beschränken<br />
lassen. 474 Die Erstellung der <strong>Segmentberichterstattung</strong> durch die Datensegmentierung<br />
in der Kostenrechnung ist dabei ein branchenübergreifend anerkannter Ansatz,<br />
den es aus Sicht der Stromverteilnetzbetreiber zu würdigen gilt. 475 Die <strong>unter</strong> den<br />
Vorgaben des StromVG zu beurteilende Frage der materiellen Harmonisierung in Bezug<br />
auf die Bewertung wird nachfolgend (im Kapitel 4.2) vertieft behandelt.<br />
b) Kostenrechnungsschema bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
Das vom VSE entwickelte Kostenrechnungsschema für Verteilnetzbetreiber stellt die<br />
Zusammenhänge zwischen der Finanzbuchhaltung und der Betriebsbuchhaltung schematisch<br />
dar. Dabei wird deutlich, dass aufgrund der Wesentlichkeit und der Dauer <strong>von</strong><br />
Investitions- und Unterhaltsprojekten die Leistungsrechnung, die Auftragsrechnung<br />
und die Anlagerechnung für EVU zentrale betriebliche Hilfsrechnungen darstellen.<br />
Diese Hilfsrechnungen bilden, zusammen mit den Daten aus der Finanzbuchhaltung,<br />
die Grundlage für die verursachergerechte Allokation der Kosten und Erlöse auf die<br />
entsprechenden Organisationseinheiten und Aktivitäten (Kostenstellen) sowie auf die<br />
Produkte und Dienstleistungen (Kostenträger).<br />
471<br />
Vgl. WAGENHOFER (2006), S. 7.<br />
472<br />
WEISSENBERGER (2006), S. 31.<br />
473<br />
Vgl. zu den Vor- und Nachteilen sowie dem Integrationsgrad etwa KÜPPER (1999), S. 8ff.,<br />
MÄNNEL (1999), S. 16ff., WEISSENBERGER (2006), S. 46f., oder KAMMER (2005), S. 127ff.<br />
474<br />
Vgl. etwa das Konzept der partiellen Integration bei WEISSENBERGER (2006), S. 50ff.<br />
475<br />
So ist nach SCHÖB (2008), S. 24, eine Umsetzung der <strong>Segmentberichterstattung</strong> ohne Unterstützung<br />
des internen Rechnungswesens gar nicht möglich.
112 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Gehälter<br />
Debitoren<br />
Kreditoren<br />
Personalleistung<br />
Betriebsmittel<br />
Finanzbuchhaltung<br />
Leistungsrechnung<br />
Abbildung 4-10: Kostenrechnungsschema des VSE (KRSV) 476<br />
Lager<br />
Profitcenter-/ Costcenterrechnung<br />
Investitionen<br />
Instandhaltung<br />
Gemeinkostenaufträge<br />
Kundenaufträge<br />
Auftrags- und<br />
Projektrechnung<br />
Anlagerechnung<br />
Kostenstellenrechnung<br />
Kostenträgerrechnung<br />
Eine Buchung wird beim synchronen Einsatz einer Betriebsbuchhaltung, ähnlich dem<br />
Verfahren der Zusatzkontierung in der Finanzbuchhaltung, mit der Angabe der zugehö-<br />
rigen Kostenstelle, des entsprechenden Auftrages oder des Kostenträgers eindeutig<br />
einem Objekt der Kostenrechnung zugewiesen. Dabei sind in der Regel trotz der Har-<br />
monisierungsbestrebungen auch sachliche Abgrenzungen nötig, welche zum Beispiel<br />
den finanzbuchhalterischen Aufwand <strong>von</strong> den betriebsbuchhalterischen Kosten <strong>unter</strong>-<br />
scheiden. Für Stromverteilnetzbetreiber sind mit der Ausgestaltung der Kostenrech-<br />
nung als Vollkostenrechnung im Minimum die kalkulatorischen Zinsen als sogenannte<br />
Anders- oder Zusatzkosten zu berücksichtigen, welche in der Finanzbuchhaltung nur<br />
in Form <strong>von</strong> Fremdkapitalzinsen Niederschlag finden. 477 Der Kontenplan der Finanzbuchhaltung<br />
kann daher durch die Integration der Betriebsbuchhaltung in Konten<br />
(Verbuchung nur in der Finanzbuchhaltung), in Kostenarten (Verbuchung in beiden<br />
Rechenwerken) und in internen Verrechnungen (Verbuchung nur in der Betriebsbuchhaltung)<br />
differenziert werden. 478<br />
476<br />
MUNZ (2008), S. 20.<br />
477<br />
Vgl. etwa RÖÖSLI (2004), S. 83f. Vgl. in Bezug auf die materielle Harmonisierung: Kapitel 4.2<br />
hiernach.<br />
478<br />
Vgl. STERCHI (1996), S. 206.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 113<br />
Als Alternative zur synchronen Form der Verbuchung ist für kleinste Stromverteilnetz-<br />
betreiber auch eine statische Form der Kostenrechnung in Form eines periodisch ma-<br />
nuell erstellten Betriebsabrechnungsbogens als Grundlage für die gesetzlich vorgege-<br />
bene Kalkulation nicht auszuschliessen. Ein solches Verfahren ist mit der statistischen<br />
Segmentierung zu vergleichen, welche in Kapitel 4.1.5 behandelt wird.<br />
c) Kostenstellen- und Auftragsrechnung als Basis für die Segmentierung<br />
Zur betriebsbuchhalterischen Segmentierung dienen aus der Kostenrechnung insbe-<br />
sondere die segmentierbaren Kostenstellen und Aufträge als Sammler <strong>von</strong> aufwand-<br />
gleichen Kosten und ertragsgleichen Erlösen. 479 Der Grossteil des Buchungsaufkom-<br />
mens eines Stromverteilnetzbetreibers kann über Kostenstellen und Aufträge abgewi-<br />
ckelt werden. Inwiefern dabei anstelle der indirekten Verbuchung über Aufträge der<br />
Projektrechnung direkt auf einzelne Kostenträger kontiert wird, spielt bezüglich der<br />
Segmentierung grundsätzlich keine Rolle. Dies sind Fragen der Konzeption des be-<br />
trieblichen Rechnungswesens und dessen systemtechnischer Umsetzung. Aufgrund der<br />
Flexibilität und der Periodenunabhängigkeit der Projektrechnung sowie wegen der ho-<br />
hen Anzahl verschiedener Projektarten wird die Verbuchung über Aufträge in der Re-<br />
gel bevorzugt. 480 In einfachen Verhältnissen ist es auch denkbar, dass Stromverteil-<br />
netzbetreiber nur eine Kostenstellenrechnung als Basis für die Segmentierung der auf-<br />
wandgleichen Kosten verwenden. Die Erträge lassen sich dabei vornehmlich über eine<br />
getrennte Kontierung in der Finanzbuchhaltung eindeutig den Segmenten zuordnen. So<br />
ist zu erklären, dass die EVU in Deutschland zu Beginn der Liberalisierung zu Un-<br />
bundling-Zwecken vorwiegend nur über eine Kostenstellenrechnung verfügten. 481 Für<br />
die Schweizer EVU ist dies aufgrund der Vorgaben zur Führung <strong>von</strong> Kostenträger-<br />
rechnungen im StromVG keine Option.<br />
Entsprechend kann das Kostenrechnungsschema des VSE um die Ableitung der Seg-<br />
menterfolgsrechnung in Abbildung 4-11 erweitert werden. Die Kostenstellen sind den<br />
definierten Segmenten zuzuordnen und so zu gruppieren, dass sie entsprechend den<br />
Segmentdefinitionen aggregiert werden können. 482 Bei den Kostenstellen und Kosten-<br />
479<br />
Dies bestätigt auch SCHÖB (2008) in Bezug auf die Industrie.<br />
480<br />
Ein Ansatz mit einer sehr detaillierten Kostenträgerstruktur zur direkten Verbuchung auf Kostenträger<br />
empfiehlt demgegenüber das Umsetzungsdokument Gridaccount vom VSE. Vgl. BILL<br />
(2008).<br />
481<br />
Vgl. ROSS & SCHRÖDER (2000), S. 366.<br />
482 POULLIE (2007), S. 226.
114 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
trägern kann das Segment direkt im Stammsatz hinterlegt werden. Bei Aufträgen ist<br />
die Segmentzuordnung über die Stammdaten oder über die Materialart möglich. 483 Die<br />
Gliederung der Kostenstellen innerhalb des Segments Verteilnetz ist durch die gesetzlichen<br />
Auswertungsvorgaben in Art. 7 Abs. 3 StromVV, die Vorgabe der Kostenwälzung<br />
in Art. 16 StromVV sowie durch die Richtlinien des VSE in den wesentlichen<br />
Zügen definiert. 484 Infolge der Notwendigkeit der Bildung <strong>von</strong> Kostenstellen pro<br />
Netzebene zwecks Sicherstellung der gesetzlichen Kostenwälzung 485 werden bei<br />
<strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> Kosten, die vielfach direkt einem Auftrag oder einem Kostenträger<br />
zuordenbar wären, zuerst über Kostenstellen verbucht. Die Anzahl der direkten<br />
Buchungen auf Aufträge und Kostenträger reduziert sich daher im Wesentlichen<br />
auf die ertragsgleichen Erlöse sowie auf projektspezifische Tatbestände.<br />
Finanzbuchhaltung<br />
Leistungsrechnung<br />
Lager<br />
Profitcenter-/ Costcenterrechnung<br />
Investitionen<br />
Instandhaltung<br />
Gemeinkostenaufträge<br />
Kundenaufträge<br />
Auftrags- und<br />
Projektrechnung<br />
Anlagerechnung<br />
Kostenstellenrechnung<br />
Kostenträgerrechnung<br />
Segmenterfolgsrechnung<br />
Abbildung 4-11: Ableitung der Segmenterfolgsrechnung <strong>von</strong> der Kostenrechnung 486<br />
PersonalPersonalaufwandPersonalaufwandaufwandBetriebsBetriebsaufwandBetriebsaufwandaufwandAbschreiAbschreibungenAbschreibungenbungen<br />
MaterialMaterialaufwandMaterialaufwandaufwandBestandesBestandesänderungenBestandesänderungenänderungen<br />
Ertrag<br />
Ertrag<br />
Ertrag<br />
In Abhängigkeit der vorgenommenen Segmentbildung sind übergreifende Vorkostenund<br />
Gemeinkostenstellen wie Gebäude-, IT-, Fahrzeug-, Material-, Vertriebs- und<br />
Verwaltungskostenstellen einem Segment zuzuordnen und <strong>von</strong> diesem zu verrechnen<br />
bzw. über Umlagen zu verteilen (zum Beispiel über den Shared-Service-Ansatz). Sol-<br />
483<br />
Vgl. SCHÖB (2008), S. 25ff., welcher die Zuordnung über die Materialart empfiehlt.<br />
484<br />
Vgl. dazu die konkreten Gestaltungs- und Gliederungsempfehlungen bei BILL (2008).<br />
485<br />
Vgl. zur Kostenwälzung die Ausführungen im Netznutzungsmodell für das Schweizer Verteilnetz<br />
bei WITSCHI et al. (2008), S. 34ff.<br />
486<br />
Eigene Darstellung in Anlehnung an MUNZ (2008), S. 20, und SCHÖB (2008), S. 25.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 115<br />
che Verrechnungen oder Umlagen können automatisiert über die Leistungserfassung<br />
oder aufgrund <strong>von</strong> festgelegten Schlüsseln über die speziell dafür eingerichteten Ver-<br />
rechnungspositionen erfolgen und bedürfen, im Unterschied zu den finanzbuchhalteri-<br />
schen Unbundlingverfahren, keiner aufwendigen, durch SLA gestützten, internen<br />
Rechnungsstellung. 487<br />
Segment Netz<br />
Kostenstellen<br />
PersonalPersonalPersonalaufwandaufwandaufwandBetriebsBetriebsBetriebsaufwandaufwandaufwandAbschreiAbschrei-<br />
... bungenbungen<br />
Aufträge<br />
MaterialMaterialMaterialaufwandaufwandaufwandBestandesBestandesänderungen<br />
...<br />
änderungen<br />
Kostenträger<br />
Ertrag<br />
Ertrag Ertrag<br />
Abbildung 4-12: Primärdatenaufteilung intersegmentärer Verrechnungen (IV) 488<br />
Umlagen und Verrechnungen zwischen Objekten eines Segments sind aus Sicht der<br />
Segmentierung nicht weiter relevant bzw. lediglich zu konsolidieren. Für die Ableitung<br />
der Segmenterfolgsrechnung kann die aufwand- und ertragsartengerechte Primärerfas-<br />
sung herangezogen werden. Finden hingegen Umlagen und Verrechnungen zwischen<br />
Objekten verschiedener Segmente statt, ist die Erhaltung der Primärdaten systemtech-<br />
nisch sicherzustellen, um die Segmenterfolgsrechnung nach dem Gesamtkostenverfah-<br />
ren aufstellen zu können. Eine Auflösung der internen Umlagen und eine Verrechnung<br />
nach den ursprünglichen Aufwandarten (Material-, Personal-, Betriebsaufwand, etc.)<br />
487 SCHÖB (2008), S. 26, hält die Einführung fester Transferpreise und die damit verbundene Ergebnisverantwortung<br />
eines Service-Segments im Vergleich zum Nutzen für oft zu zeitaufwendig.<br />
488 Eigene Darstellung.<br />
IV Verwaltung &<br />
Vertrieb<br />
IV Wirkverluste<br />
Aufteilung<br />
Beschaffungsaufwand<br />
Personalaufwand<br />
...<br />
Segment Vertrieb<br />
Kostenstellen<br />
PersonalPersonalPersonalaufwandaufwandaufwandBetriebsBetriebsBetriebsaufwandaufwandaufwandAbschreiAbschrei-<br />
... bungenbungen<br />
Aufträge<br />
MaterialMaterialMaterialaufwandaufwandaufwandBestandesBestandesänderungen<br />
...<br />
änderungen<br />
Kostenträger<br />
Ertrag<br />
Ertrag Ertrag
116 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
kann durch den Einsatz moderner Buchhaltungssoftware gewährleistet werden. 489 So<br />
könnte beispielsweise die nach dem All-in-Modell vom Segment Vertrieb zu erfolgen-<br />
de, interne Verrechnung der Verwaltung- und der Vertriebskosten sowie der Wirkver-<br />
luste zulasten des Netzes <strong>unter</strong> Aufteilung in die Primärkosten erfolgen. Damit wird in<br />
der Segmentrechnung Netz ein artengerechter Ausweis des Aufwandanteils ermöglicht.<br />
Aufgrund der relativ hohen Systemanforderungen gilt es laut dem VSE wie auch nach<br />
der Literatur für vertretbar, wenn die Sekundärkosten für die Segmentrechnung Netz<br />
nicht aufwendig aufgeteilt, sondern in einer separaten Zeile ausgewiesen werden. 490<br />
Alternativ ist es <strong>unter</strong> dem Autonomous Entity Approach vertretbar, dass Verrechnun-<br />
gen anderer Segmente wie Drittkosten behandelt und dementsprechend aus Sicht des<br />
Segments – zum Beispiel <strong>unter</strong> den Fremdleistungen oder <strong>unter</strong> dem Verwaltungsauf-<br />
wand – verbucht werden. Eine Aufteilung in die einzelnen Aufwandarten des sendenden<br />
Segments kann <strong>unter</strong>bleiben, solange die Identifikation als interne Leistung gewährleistet<br />
bleibt. Gleiches gilt auch bei der Anwendung interner Verrechnungen über<br />
in SLA festgelegte Verrechnungspreise. In diesem Fall wird die Aufwand- und Ertragsartengerechtigkeit<br />
gemäss dem Autonomous Entity Approach eingehalten, da aufgrund<br />
der internen Rechnungsstellung zu Drittpreisen eine Verbuchung analog zur<br />
Verbuchung <strong>von</strong> externen Kreditoren sachgerecht ist. 491<br />
d) Ausgestaltung als Profit- / Cost-Center-Rechnung<br />
Wird die Kostenrechnung nach den dargestellten Anforderungen der Segmentierung<br />
aufgebaut und die Ableitung <strong>von</strong> Segmenterfolgsrechnungen systemtechnisch <strong>unter</strong>stützt,<br />
kann die Umsetzung des buchhalterischen Unbundling in der Betriebsbuchhaltung<br />
auch in der Form einer Profit- und Cost-Center-Rechnung erfolgen. Diese Form<br />
<strong>unter</strong>stützt die Ermittlung des Ergebnisses einer organisatorischen Einheit der Unternehmung<br />
nach dem Gesamtkostenverfahren. 492 Charakteristisch für die Ausgestaltung<br />
<strong>von</strong> Profit- oder Cost-Center ist deren Eigenständigkeit und Ergebnisverantwortung. 493<br />
Je nach Betriebsgrösse kann das Segment Netz aus verschiedenen eigenständigen Profit-<br />
und Cost-Center bestehen oder aber ein einziges Profit-Center bilden. Der VSE<br />
489<br />
Vgl. BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 85, am Beispiel <strong>von</strong> SAP R/3 <strong>unter</strong> Anwendung der<br />
Methode "Verteilung" im Modul CO (Controlling).<br />
490<br />
Vgl. MEYER (2009), S. 13, POULLIE (2007), S. 226, oder SCHÖB (2008), S. 29.<br />
491 Vgl. zur Offenlegung interner Verrechnungen Kapitel 4.3.2b), letzter Abschnitt.<br />
492<br />
SPAAR & KOPRIWA (2004), Ziff. 9.1.<br />
493<br />
Vgl. dazu weiterführend PEROUTKA (2001).
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 117<br />
empfiehlt insbesondere grösseren <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> den Einsatz einer Profit-<br />
und Cost-Center-Rechnung zum Zweck des Unbundling. 494 Systemtechnisch ist die<br />
Profit- und Cost-Center-Rechnung vergleichbar mit der Einführung <strong>von</strong> Geschäftsbe-<br />
reichen. Jede Buchung wird dabei mit der Angabe der jeweiligen Profit- oder Cost-<br />
Center-Nummer eindeutig einem Bereich zugewiesen. Dies ermöglicht die bereichsbe-<br />
zogene Protokollierung sämtlicher Buchungen in der Erfolgsrechnung und der Bilanz,<br />
und damit deren vollständige Segmentierung. Leistungsfähige EDV-Programme ge-<br />
währleisten somit auf dieser Basis nicht nur die naheliegende Ableitung der segmen-<br />
tierten Erfolgsrechnung, sondern auch die Aufteilung der Bilanzkonten. 495<br />
4.1.5 Statistische Segmentierung<br />
Die bisher dargestellten Verfahren haben alle zum Ziel, die Segmentierung weitestge-<br />
hend dynamisch bzw. progressiv zu vollziehen und retrograde Schlüsselungen auf ein<br />
Minimum zu beschränken. Alle Verfahren – mit Ausnahme der getrennten finanzbuchhalterischen<br />
Kontierung – setzen leistungsfähige Buchhaltungssysteme und deren spezifische<br />
Parametrisierung voraus. Insbesondere die automatisierte, vollständige Entflechtung<br />
der Bilanz ist systemtechnisch anspruchsvoll und in der Regel nicht für alle<br />
Positionen wirtschaftlich durchführbar. Die Führung getrennter Rechnungskreise und<br />
die damit verbundene Konsolidierungspflicht dürften primär für grosse Stromverteilnetzbetreiber,<br />
welche alternativ auch ein rechtliches Unbundling vollziehen könnten,<br />
in Frage kommen. Die Variante der vollständig getrennten Kontierung dürfte nur in<br />
nicht komplexen, kleinen Betrieben eingesetzt werden können, da sonst die Einhaltung<br />
der Ordnungsmässigkeit fraglich wird und die Risiken in Bezug auf Buchungs- und<br />
Kontierungsfehler erhöht werden. 496 Es ist daher durch die Stromverteilnetzbetreiber –<br />
in Abhängigkeit ihrer Grösse, Organisation und ihrer systemtechnischen Umgebung –<br />
zu evaluieren, inwiefern die progressive Entflechtung mit dem Verfahren der statistischen<br />
Segmentierung ergänzt werden soll, um eine totale Segmentierung zu erreichen.<br />
Die statistische Segmentierung erfolgt retrograd zum Ende der jeweiligen Periode<br />
durch die Übernahme <strong>von</strong> Kontensalden in ein Tabellenkalkulationsprogramm. 497 Dort<br />
494<br />
Vgl. SPAAR & KOPRIWA (2004), Ziff. 10.4.4.3. und Kapitel 9.<br />
495<br />
Vgl. am Beispiel <strong>von</strong> SAP R/3: BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 86f.<br />
496<br />
Vgl. HENNEMANN (2008), S. 58. Ähnlich auch beim INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER IN<br />
DEUTSCHLAND E.V. (2006b), S. 468.<br />
497<br />
Vgl. POULLIE (2007), S. 227.
118 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
erfolgt die Segmentierung aufgrund der Informationen aus der Finanz- und der Be-<br />
triebsbuchhaltung, wobei bei Restposten Schlüsselungen zum Einsatz kommen.<br />
Aus rechtlicher Sicht ist die statistische Segmentierung des Abschlusses nach den geltenden<br />
Vorgaben <strong>von</strong> StromVG und StromVV – wie im Kapitel 3.4.1 festgehalten –<br />
zulässig, solange die GoS nach StromVG eingehalten werden. 498 Um der Anforderung<br />
des Vorrangs der direkten Zuordnung Rechnung zu tragen, ist auch die statistische<br />
Segmentierung durch Elemente der zuvor dargestellten Verfahren zu ergänzen. So ist<br />
es beispielsweise unabhängig <strong>von</strong> der Betriebsgrösse und der Struktur möglich, wesentliche<br />
Positionen – wie die fakturierten Netznutzungserträge, die externen Vorliegernetzkosten,<br />
wesentliche Betriebs- und Unterhaltskosten oder die Netzanlagen und<br />
deren Abschreibungen – über eine entsprechende Verbuchung direkt dem Segment<br />
Netz zuzuordnen. Eine rein statistische Aufteilung solch eindeutiger Positionen auf die<br />
verschiedenen Segmente wäre nicht sachgerecht. Demgegenüber bringt die direkte<br />
Zuordnung <strong>von</strong> bereichsübergreifendem Anlagevermögen – zum Beispiel der Büroausstattung<br />
– auf mehrere Segmente im Vergleich zur Schlüsselung nur einen unwesentlichen<br />
Informationsgewinn. 499 Auch die Stundenerfassung jedes segmentübergreifend<br />
tätigen Mitarbeitenden einzig zum Zweck des Unbundling wird in der Regel als<br />
unvertretbarer Aufwand angesehen. 500 In solchen Fällen ist die auf sachgerechten und<br />
stetig angewendeten Schlüsseln basierende, statistische Segmentierung angemessen.<br />
Um das Ausmass der Schlüsselung dennoch zu begrenzen, sind die dargestellten Konzepte,<br />
wie etwa die Segmentbildung nach dem Shared-Service-Ansatz, im Rahmen der<br />
Segmentbildung zu evaluieren. HAASE betont in diesem Zusammenhang, dass verbleibende<br />
Allokationsprobleme Zeichen ungenauer Kompetenzabgrenzungen seien und<br />
organisatorischer Präzisierungen bedürften. 501<br />
Für die Umsetzung der statistischen Segmentierung stehen die Definition und Dokumentation<br />
sachgerechter Schlüssel zur Aufteilung nicht direkt zuordenbarer Positionen<br />
im Vordergrund. Der neue Unbundling-Leitfaden des VSE zeigt die Möglichkeiten zur<br />
Schlüsselung <strong>von</strong> nicht direkt zuordenbaren Positionen auf. Dazu wird pro Position der<br />
Erfolgsrechnung und der Bilanz eine Empfehlung abgegeben, wobei nur in Einzelfäl-<br />
498<br />
Vgl. Kapitel 3.5 hiervor.<br />
499<br />
LEVERKUS (2006), S. 271.<br />
500<br />
HENNEMANN (2008), S. 59.<br />
501<br />
Vgl. HAASE (1996), S. 21.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 119<br />
len eine vollständig direkte Zuordnung vorgegeben wird. 502 Aufgrund der Empfehlung<br />
der Schlüsselung <strong>von</strong> Restposten sämtlicher Positionen der Jahresrechnung entspricht<br />
der Ansatz des VSE dem Prinzip der totalen Segmentierung. Dabei werden gemäss<br />
VSE folgende vier Vorgehensweisen <strong>unter</strong>schieden: 503<br />
"a) Direkte Zuordnung soweit möglich. Schlüsselung der nicht direkt zu-<br />
ordenbaren Aufwände und Erträge aufgrund <strong>von</strong> nachvollziehbaren<br />
und sachgerechten Schlüsseln, die aus der Finanzbuchhaltung abge-<br />
leitet werden.<br />
b) Direkte Zuordnung soweit möglich. Schlüsselung der nicht direkt zu-<br />
ordenbaren Aufwände und Erträge aufgrund <strong>von</strong> Schlüsseln, die aus<br />
der Betriebsbuchhaltung (Kostenstellen- und Auftragsrechnung) abge-<br />
leitet werden. Geschlüsselt werden in diesem Fall jedoch noch immer<br />
die Aufwendungen und Erträge der Finanzbuchhaltung. Die Betriebsbuchhaltung<br />
dient lediglich als Schlüsselungshilfe.<br />
c) Direkte Zuordnung soweit möglich. Nicht direkt zuordenbare Aufwände<br />
und Erträge werden <strong>unter</strong> Mithilfe der internen Leistungsverrechnung<br />
zwischen den Aktivitäten verrechnet. In diesem Fall werden nicht<br />
mehr die Aufwände und Erträge der Finanzbuchhaltung, sondern Kosten<br />
und Erlöse bzw. interne Leistungen verrechnet.<br />
d) Je nach Ausgestaltung des Rechnungswesens ist auch eine gemischte<br />
Form möglich."<br />
Die ersten beiden Vorgehensweisen sind klassische statistische Verfahren. Anstelle der<br />
vollständigen Ableitung der Segmentrechnung Netz aus den Systemen der Finanz- und<br />
Betriebsbuchhaltung werden die Buchhaltungsinformationen für die Schlüsselung der<br />
Restposten des integrierten Abschlusses eingesetzt. Als mögliche Schlüssel empfiehlt<br />
der VSE primär die Verwendung <strong>von</strong> Umsatz-, Mitarbeiter- und Anlageschlüsseln. 504<br />
Sämtliche Schlüssel beziehen sich immer auf die direkt erfolgten Zuordnungen <strong>von</strong><br />
502 So wird beispielsweise beim Umsatz eine Schlüsselung ausgeschlossen oder bei betriebsfremden<br />
Positionen auf eine Zuordnung zum Segment Netz verzichtet. Bei einzelnen Bilanzpositionen<br />
werden die direkte Zuteilung vorgegeben oder konkrete Schlüssel empfohlen. Vgl. zu den einzelnen<br />
Positionen und deren Segmentierung die Ausführungen ab Kapitel 4.1.6 hiernach.<br />
503 MEYER (2009), S. 11.<br />
504 Vgl. MEYER (2009), S. 8ff.
120 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Umsätzen, Mitarbeitenden 505 oder Anlagewerten. Eine sachgerechte Anwendung dieser<br />
Schlüssel impliziert somit immer eine genügend hohe Basis an direkt zugeordneten<br />
Summen bzw. Mengen im Vergleich zu den zu schlüsselnden Beträgen. In der Litera-<br />
tur wird auf weitere üblicherweise verwendete Schlüssel verwiesen: 506 So bieten sich<br />
beispielsweise als Bezugsgrössen auch Ergebnisgrössen, Aufwandgrössen, operative<br />
Mengen – wie zum Beispiel die Anzahl Zähler oder Strommengen – oder gemischte<br />
Grössen an. OTTO empfiehlt aufgrund der Erfahrungen mit dem deutschen Regulator,<br />
die Anzahl verwendeten Schlüssel auf einige wenige zu begrenzen. 507 Diese wenigen<br />
Schlüssel sollten jedoch auf Kostentreibern, welche aus Prozessanalysen resultieren,<br />
abgeleitet werden, um verursachergerecht, stetig und belastbar zu sein. Umsatzschlüs-<br />
sel gelten zum Beispiel als nicht verursachergerecht für die Kostenallokation, da der<br />
Umsatz kein Kostentreiber ist. 508 Dies gilt bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> insbesondere<br />
auch in Bezug auf den Vertrieb oder bei allfälligen Handelsaktivitäten. Beide Bereiche<br />
zeichnen sich durch hohe Umsätze, aber eine tiefe eigene Wertschöpfung aus. Eine<br />
Verteilung <strong>von</strong> Kosten zwischen Netz und Vertrieb aufgrund eines Umsatzschlüssels<br />
würde den Vertrieb entgegen der Verursachung belasten, dafür das Netz begünstigen.<br />
Zu prüfen ist auch die Anwendung <strong>von</strong> Mischschlüsseln, welche verschiedene Ausprä-<br />
gungen einzelner Aktivitäten berücksichtigen können, da dadurch die Belastbarkeit<br />
und die Stetigkeit bei Änderungen einer Schlüsselbezugsgrösse erhöht werden. 509 Eine<br />
Untersuchung <strong>von</strong> entflochtenen Jahresrechnungen aus dem Jahr 1999 in Deutschland<br />
zeigt, dass die Schlüsselung nach Umsätzen – trotz konzeptioneller Schwäche –, Anla-<br />
gevermögen (Anschaffungs- oder Restwerte) und Personal (Anzahl und/oder Aufwand)<br />
gegenüber anderen Schlüsselverfahren deutlich überwiegen. 510<br />
In der Literatur wird auf die Problematik der statistischen Verteilung der Positionen am<br />
Ende des Geschäftsjahres auf die Aktivitäten durch Schlüsselung – und nicht durch<br />
Fortschreibung der Segmentrechnung auf Basis <strong>von</strong> Eröffnungsbilanzen – verwie-<br />
505<br />
Dabei dürfte die Anwendung <strong>von</strong> Vollzeitstellen anstelle <strong>von</strong> Köpfen sachgerecht sein.<br />
506<br />
Vgl. etwa BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 47, oder LEVERKUS (2006), S. 272.<br />
507<br />
OTTO (2007), S. 260.<br />
508<br />
Vgl. dazu die Standardliteratur zur Kostenrechnung und der Anwendung <strong>von</strong> verursachergerechten<br />
Schlüsseln. So etwa bei HORNGREN et al. (2002), S. 484ff.<br />
509<br />
OTTO (2007), S. 261, spricht sich explizit für die Anwendung solcher Mischschlüssel aus und<br />
bezeichnet sie gegenüber der Anwendung einer einzigen Bezugsgrösse als sachgerechter.<br />
510<br />
KRIETE & WERNER (2004), S. 189, anhand einer Untersuchung der Nennungen der Schlüsselgrössen<br />
in den Erläuterungen zur Unbundling-Berichterstattung <strong>von</strong> 75 EVU im Jahr 1999.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 121<br />
sen. 511 Die Erfahrungen in Deutschland zeigen, dass geschlüsselte Positionen der Er-<br />
folgsrechnung und der Bilanz im Laufe der Zeit zu hohen, erklärungsbedürftigen Dif-<br />
ferenzpositionen in den Segmentbilanzen führen können, welche vom Regulator kri-<br />
tisch beurteilt und vereinzelt nicht anerkannt wurden. 512 So kann aus konzeptioneller<br />
Sicht der Ansatz vertreten werden, dass die Erstellung <strong>von</strong> Segmentrechnungen auf<br />
einer geschlossenen Rechnungskonzeption und nicht auf kasuistische Einzelregelun-<br />
gen beruhen sollte. 513 Dieser Anspruch würde in Bezug auf die statistische Segmentie-<br />
rung bedingen, dass sämtliche Allokationen und Schlüsselungen im Rahmen der Erst-<br />
segmentierung (Segmentierung der Eröffnungsbilanz) sachgerecht erfolgen und an-<br />
schliessend nicht mehr geschlüsselt, sondern fortgeschrieben werden. Dies ist jedoch<br />
in der Realität bei retrograden Verfahren selten vollständig möglich. 514 Daher geht der<br />
VSE in seinem neuen Unbundling-Leitfaden auch da<strong>von</strong> aus, dass Differenzen in den<br />
Bilanzsummen über aktive oder passive interne Verrechnungspositionen in separaten<br />
Zeilen auszuweisen sind. 515<br />
Unbestritten ist der erhebliche <strong>unter</strong>nehmerische Ermessensspielraum bei der Auswahl<br />
und der Anwendung <strong>von</strong> Schlüsseln. 516 Allerdings beschränkt sich dieser Ermessens-<br />
spielraum nicht auf die statistische Segmentierung, sondern ist auch bei der Ausgestal-<br />
tung <strong>von</strong> kostenrechnerischen Umlage- oder internen Verrechnungsverfahren inhärent.<br />
Dies bestätigt auch das FINANCIAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (FASB) als ame-<br />
rikanische Standardsetzer im Zusammenhang mit der <strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>unter</strong><br />
US GAAP: 517<br />
"In addition, there are no generally accepted accounting principles for al-<br />
locating joint costs, jointly used assets, or jointly incurred liabilities to<br />
511 KRIETE & WERNER (2004), S. 182: "Um eine aussagekräftige Analyse zu ermöglichen, ist daher<br />
die Fortschreibung der Aktivitätenbilanz zwingend notwendig." Vgl. auch POULLIE (2007),<br />
S. 214.<br />
512 Vgl. OTTO (2007), S. 263.<br />
513 Vgl. HAASE (1996), S. 20, oder KIND (2000), S. 108. Letzterer schliesst sich HAASES Einschätzung<br />
an und illustriert ein geschlossenes Segmentierungsmodell auf Basis der partiellen Segmentierung.<br />
514 Vgl. BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 113.<br />
515 Vgl. MEYER (2009), S. 16.<br />
516 Vgl. HENNEMANN (2008), S. 60, oder SANNELLA (1991). Letzterer <strong>unter</strong>suchte die Problematik<br />
arbiträrer Kostenallokationen im Zusammenhang mit dem Ausweis <strong>von</strong> Segmentergebnissen und<br />
wies Signalling-Anreize des Managements zur Optimierung der erwarteten Bewertung <strong>von</strong> Unternehmen<br />
nach.<br />
517 SFAS 131.84.
122 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
segments or for pricing intersegment transfers. As a consequence, it generally<br />
is no feasible to present segment profitability in accordance with generally<br />
accepted accounting principles."<br />
Entsprechend wichtig ist die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen an die Dokumentation<br />
zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit sowie der Stetigkeit in der Anwendung.<br />
4.1.6 Erstsegmentierung der Bilanz<br />
Nach der Darstellung der verschiedenen Segmentierungsverfahren und deren Möglichkeiten<br />
sowie deren Eignung und Grenzen wird die Datensegmentierung nachfolgend<br />
für die wesentlichen Positionen der Bilanz und im nächsten Kapitel für diejenigen<br />
der Erfolgsrechnung vertieft, ohne dass Anspruch auf Vollständigkeit erhoben<br />
wird. Dabei spielt das gewählte Segmentierungsverfahren eine <strong>unter</strong>geordnete Rolle,<br />
solange die entsprechenden Zuordnungen sachgerecht erfolgen können.<br />
Um eine konsistente Fortführung der segmentierten Jahresrechnung zu ermöglichen,<br />
gilt es zu Beginn – als Basis für die Segmentrechnung Netz – die Eröffnungsbilanz im<br />
Sinne einer Erstsegmentierung aufzuteilen. Die derart segmentierten Aktiven und Passiven<br />
bilden die Grundlage für die Segmenterfolgsrechnung als Periodenrechnung,<br />
welche die Veränderungen der Salden der segmentierten Bilanz zum Ende der Periode<br />
erklären soll. Auch wenn das Prinzip der Doppik durch die Anwendung <strong>von</strong> retrograden<br />
Verfahren nicht zwingend für jede Position eingehalten werden kann, sollte zur<br />
Wahrung der Konsistenz eine Fortschreibung der wesentlichen Segmentbilanzpositionen<br />
angestrebt werden. 518<br />
Weiter wird <strong>unter</strong>stellt, dass die Segmentierung der Jahresrechnung mit der Segmentierung<br />
der Kostenrechnung nach den Vorgaben des StromVG und der StromVV konsistent<br />
erfolgt. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, wie eng die beiden Rechenwerke<br />
in Bezug auf die Segmentbildung und die Datenbasis miteinander verknüpft<br />
sind. Unabhängig da<strong>von</strong>, ob als Segmentierungsgrundlage die Kostenrechnung herangezogen<br />
wird oder nicht, sollte das buchhalterische Unbundling übergreifend und einheitlich<br />
erfolgen. Entsprechend ist die Vermögensallokation zum Netz und zu den übrigen<br />
Tätigkeiten in der Jahresrechnung auch für die nach den Vorgaben in Art. 15<br />
StromVG zu bestimmenden, anrechenbaren Betriebs- und Kapitalkosten der Kosten-<br />
518<br />
Dies bestätigen auch KRIETE & WERNER (2004), S. 182, KIND (2000), S. 111, oder POULLIE<br />
(2007), S. 244f.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 123<br />
rechnung massgeblich, wobei sich deren Bewertung wesentlich <strong>unter</strong>scheiden kann. 519<br />
Falls diese Einheitlichkeit im buchhalterischen Unbundling nicht eingehalten wird und<br />
beispielsweise Aktiven in der Segmentrechnung Netz nicht erfasst, aber deren Kapital-<br />
kosten in der Kostenrechnung dem Netz angerechnet werden, besteht für Stromverteil-<br />
netzbetreiber das latente Risiko, dass die ElCom solche Kosten in der Kostenrechnung<br />
nicht anerkennt.<br />
a) Nettoumlaufvermögen<br />
Das betriebsnotwendige Nettoumlaufvermögen des Segments Netz kann nach Art. 13<br />
Abs. 3 lit. a Ziff. 2 StromVV in der Kostenrechnung kalkulatorisch verzinst und für die<br />
Netzentgeltermittlung angerechnet werden. Aus Sicht der Stromverteilnetzbetreiber ist<br />
es somit wichtig, die Positionen des Nettoumlaufvermögens möglichst vollständig und<br />
verlässlich zu segmentieren, um dessen Anrechnung nachweisen zu können.<br />
Eine wesentliche Position des Nettoumlaufvermögens sind die flüssigen Mittel. Diese<br />
umfassen in der Regel die Bargeldbestände, die Guthaben auf Post- und Bankkonten,<br />
Festgelder mit einer Laufzeit <strong>von</strong> höchstens drei Monaten sowie Kontokorrentguthaben<br />
bei anderen Segmenten oder Gruppengesellschaften. 520 Sie werden als kurzfristige,<br />
hoch liquide Aktiven charakterisiert. 521 Im Rahmen der Erstsegmentierung kann<br />
dem Netz entweder ein Anteil an den Beständen des Gesamt<strong>unter</strong>nehmens zugeteilt<br />
oder aber auf eine Zuteilung verzichtet werden. Da der effektive Anteil der Liquidität<br />
pro Segment ohne Trennung sämtlicher Geldströme nicht zu eruieren ist, wird häufig<br />
auf eine Zuteilung im Rahmen der Erstsegmentierung verzichtet und stattdessen eine<br />
interne Kontokorrentlösung etabliert. 522 DORPRIGTER illustriert dieses Vorgehen durch<br />
die Bildung eines zentralen Finanzfonds, an welchem die operativen Segmente beteiligt<br />
sind. 523 Wird hingegen dem Segment Netz bereits ein Anfangsbestand an flüssigen<br />
Mitteln zugeordnet, ist dieser nach dem Kriterium der Betriebsnotwendigkeit zu würdigen.<br />
524 Angesicht der bei Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> vergleichsweise ho-<br />
519<br />
Vgl. zur Bewertung und zu den entsprechenden Differenzen zwischen Jahres- und Kostenrechnung<br />
Kapitel 4.2 hiernach.<br />
520<br />
Vgl. SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 3, S. 18.<br />
521<br />
KIND (2000), S. 114.<br />
522<br />
Vgl. KIND (2000), S. 117.<br />
523<br />
Vgl. DORPRIGTER (2001).<br />
524<br />
Art. 15 Abs. 3 lit. a Ziff. 2 StromVV. Vgl. OTTO (2007), S. 256, zu den <strong>unter</strong>schiedlichen Auslegungen<br />
der Betriebsnotwendigkeit durch Regulatoren in Deutschland.
124 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
hen Liquidität dürfte sich die Frage der Betriebsnotwendigkeit – vor dem Hintergrund<br />
der gesetzlichen Vorgabe eines effizienten Netzbetriebs – stellen. 525 Entscheidend dürf-<br />
te dabei neben statischen Bilanzkennzahlen insbesondere auch der Investitionsbedarf<br />
sein, welcher eine auf einen Stichtag bezogene, hohe Liquidität rechtfertigen kann.<br />
Wertpapiere werden je nach Liquidität und Fristigkeit ebenfalls im Nettoumlaufvermögen<br />
bilanziert. Auch diese können einem zentralen Finanzfonds oder direkt einem<br />
Segment zugeordnet werden. Eine direkte Zuteilung zu operativen Segmenten kann –<br />
im Unterschied zu langfristigen Beteiligungen, deren Begründung nicht in der Liquiditätsbewirtschaftung<br />
liegt – selten verursachergerecht erfolgen. Analog zu den flüssigen<br />
Mitteln wird auch bei solchen Positionen die Frage der Betriebsnotwendigkeit zu klären<br />
sein.<br />
Wesentlich ist für Stromverteilnetzbetreiber die Segmentierung der Forderungen aus<br />
Lieferung und Leistung. Diese Forderungen sowie allfällige Wertberichtigungen sind<br />
dem Netz aufgrund des getrennten Ausweises der Netznutzungsentgelte auf den Kundenrechnungen<br />
– analog zur getrennten Ertragsverbuchung – grundsätzlich direkt zuordenbar.<br />
526 Vereinfachend kann bei einer aufgrund des All-in-Modells oder des Shared-Service-Ansatzes<br />
erfolgten Segmentbildung eine interne Fakturierung des Anteils<br />
der Netznutzung an den Gesamtrechnungen und eine separate Verbuchung auf ein entsprechendes<br />
Bilanzkonto vorgenommen werden. Die Verbuchung der Mehrwertsteuer<br />
erfolgt dadurch zentral, so dass sich eine entsprechende Segmentierung dieser Position<br />
erübrigt. In kleineren Verhältnissen ist es entsprechend auch möglich, den Offenpostenbestand<br />
im Rahmen der Erstsegmentierung aufzuteilen und auf eine laufend getrennte<br />
Verbuchung zu verzichten. Übrige Forderungen 527 sind hingegen in der Regel<br />
nur bei progressiven Verbuchungsverfahren vollständig segmentierbar und werden in<br />
der Praxis demnach oft geschlüsselt. 528 Interne Forderungen zwischen Segmenten sind<br />
in Abhängigkeit der Verrechnungspraxis zu berücksichtigen und zur Sicherstellung der<br />
Konsolidierung in getrennten Konten zu verbuchen.<br />
525<br />
Vgl. zu der Liquiditätssituation Schweizer EVU: SCHMIDLI (2005), S. 190.<br />
526<br />
Vgl. MEYER (2009), S. 15, oder KIND (2000), S. 117.<br />
527<br />
Gemäss HWP Ziff. 2.3406 bestehen die übrigen Forderungen insbesondere aus kurzfristigen Finanzforderungen<br />
sowie aus Forderungen gegenüber der Steuerverwaltung, den Sozialversicherungen<br />
und dem Personal.<br />
528<br />
Vgl. PEROUTKA (2001), S. 157.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 125<br />
Vorratspositionen wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können bei der Erstsegmentie-<br />
rung nach Verwendungszweck auf die Segmente aufgeteilt werden. Vorräte wie Leer-<br />
rohre, Kabel, Verteilerkästen und ähnliche Komponenten sind dem Netz zuzuweisen.<br />
Materialien, welche segmentübergreifend genutzt werden – zum Beispiel vom Netz-<br />
und <strong>von</strong> einem Dienstleistungssegment –, müssen je nach Segmentbildung geschlüs-<br />
selt oder aber eindeutig einem Segment zugeteilt und bei Bezug durch andere Segmen-<br />
te entsprechend verrechnet werden. Im Fall <strong>von</strong> Schlüsselungen ist bei Ersatzteilen<br />
eine Schlüsselung gemäss dem Anlagevermögen, im Fall <strong>von</strong> Hilfs- und Betriebsstof-<br />
fen aufgrund des Materialaufwands sachgerecht. 529<br />
Bei Rechnungsabgrenzungspositionen kann weitgehend eine direkte Zuordnung nach<br />
dem zugrundeliegenden Aufwand bzw. Ertrag erfolgen. 530 Was die Segmentrechnung<br />
Netz betrifft, sind insbesondere noch nicht fakturierte oder bereits vereinnahmte An-<br />
schlussbeiträge <strong>von</strong> Kunden relevant. 531 Die Aktivierung bzw. Passivierung dieser Bei-<br />
träge ist periodengerecht mit der Inbetriebnahme des Netzanschlusses im Anlagever-<br />
mögen bzw. im langfristigen Fremdkapital des Segments Netz vorzunehmen.<br />
Zur Ermittlung des Nettoumlaufsvermögens sind vom Umlaufvermögen die kurzfristi-<br />
gen Verbindlichkeiten in Abzug zu bringen. Dabei sind neben den bereits erwähnten,<br />
passiven Rechnungsabgrenzungen vor allem Verbindlichkeiten aus Lieferung und<br />
Leistung relevant. Aufgrund der segmentierten Aufwanderfassung sollte eine getrennte<br />
Kontierung der Kreditoren sowie der intersegmentären, kurzfristigen Verbindlichkeiten<br />
weitgehend möglich sein. Je nach Segmentbildung sind wiederum Kreditoren denkbar,<br />
welche analog zur entsprechenden Aufwandposition geschlüsselt oder aber einem<br />
zentralen Segment zugeteilt werden können. Im Fall der Schlüsselung <strong>von</strong> Restposten<br />
bietet sich die Verwendung eines Aufwandschlüssels an. 532<br />
529 Vgl. POULLIE (2007), S. 231.<br />
530 POULLIE (2007), S. 233.<br />
531 Dabei wird zwischen Netzanschlussbeiträgen und Netzkostenbeiträgen <strong>unter</strong>schieden. Mit dem<br />
Netzanschlussbeitrag finanziert der anzuschliessende Grundeigentümer den durch den Stromverteilnetzbetreiber<br />
zu erstellenden Netzanschluss inklusive eines Verwaltungskostenanteils. Das Eigentum<br />
des Netzbetreibers am Netzanschluss wird dadurch nicht tangiert. Der Netzkostenbeitrag<br />
ist demgegenüber ein verursachergerechter Beitrag an das Verteilnetz des Netzbetreibers. Der<br />
Netzanschlussbeitrag wird buchhalterisch den Erstellungskosten abgesetzt und der residuale Wert<br />
aktiviert. Der Netzkostenbeitrag kann nicht eindeutig einer Komponente zugewiesen werden. Er<br />
sollte daher passiviert und über die Anlagennutzungsdauer aufgelöst werden. Der VSE empfiehlt<br />
die Anwendung dieser Bruttoverbuchung, schliesst aber die Nettomethode nicht aus. Vgl. dazu<br />
die VSE-Empfehlungen <strong>von</strong> BRAUN (2007), S. 29f., und IMFELD et al. (2004), S. 11.<br />
532 Vgl. POULLIE (2007), S. 234.
126 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Kurzfristige Finanzverbindlichkeiten sind ebenfalls <strong>unter</strong> dem Nettoumlaufvermögen<br />
zu subsumieren. Meistens sind dies Kontokorrentverbindlichkeiten, welche in engem<br />
Zusammenhang mit der Liquiditätshaltung stehen und dementsprechend gleich wie die<br />
liquiden Mittel behandelt werden sollten. Andererseits werden in dieser Position – zum<br />
Beispiel nach Swiss GAAP FER oder IFRS – auch Anteile an langfristigem Fremdka-<br />
pital mit einer Restlaufzeit <strong>von</strong> <strong>unter</strong> zwölf Monaten verbucht. 533 Solche Positionen<br />
sind analog zu den langfristigen Finanzverbindlichkeiten zu segmentieren; darauf wird<br />
nachfolgend noch näher eingegangen. Gleiches gilt für den kurzfristigen Anteil an<br />
Rückstellungen.<br />
Übrige kurzfristige Verbindlichkeiten sind je nach Aufwandsegmentierung ebenfalls zu<br />
segmentieren und allenfalls nach einem Aufwandschlüssel zu verteilen.<br />
b) Finanzanlagevermögen<br />
Für das Segment Netz <strong>von</strong> Verteilnetzbetreibern hat das Finanzanlagevermögen in der<br />
Regel eine ungeordnete Bedeutung. Beteiligungen an Gesellschaften sind grundsätzlich<br />
nur dann dem Netz zuzuordnen, wenn die Beteiligung einen direkten Bezug zum<br />
Netzbetrieb hat. 534 Häufig werden Beteiligungen nicht dem Netz, sondern den übrigen<br />
Aktivitäten zugeordnet. Erfolgt eine Zuordnung aufgrund des sachlichen Zusammenhangs,<br />
sind entsprechende Beteiligungserträge oder allfällige Wertberichtigungen auch<br />
der Segmentrechnung Netz anzurechnen. Solche Nebenerträge oder Wertberichtungen<br />
sind im Rahmen der Kostenrechnung auf gesonderten Kostenträgern zu führen oder<br />
sachlich abzugrenzen. Für die Berechnung der Kapitalkosten nach Art. 15 Abs. 3<br />
StromVG dürften Finanzanlagen nur in begründeten Fällen angerechnet werden können,<br />
da sich Gesetz und Verordnung ausschliesslich auf Netzanlagen und damit auf<br />
Sachanlagen beziehen. Auch ist diesbezüglich mit einer restriktiven Auslegung durch<br />
die ElCom zu rechnen, welche im Rahmen ihres Erhebungsbogens bisher gar keine<br />
Möglichkeit vorsieht, Finanzanlagen als anrechenbare Vermögenswerte anzugeben. 535<br />
533<br />
Vgl. SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 3, S. 27.<br />
534<br />
Gemäss VSE ist eine Schlüsselung bei einer Beteiligung an einem integrierten EVU möglich, so<br />
dass die Segmentrechnung den Anteil am Netz ausweist. Vgl. MEYER (2009), S. 15.<br />
535<br />
Diese Aussage basiert auf der ersten Version des Erhebungsbogens zur Kostenrechnung der El-<br />
Com, der für die Tarifkalkulationsrunde 2010 eingesetzt wurde.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 127<br />
c) Sachanlagevermögen<br />
Aufgrund der Anlageintensität eines Stromverteilnetzbetreibers ist das Sachanlagevermögen<br />
die wichtigste, zu segmentierende Bilanzkontengruppe. 536 Deren Segmentierung<br />
ist im Besonderen auch relevant für Berechnung der kalkulatorischen Kapitalkosten<br />
zur Bestimmung der Netznutzungsentgelte nach Art. 15 StromVG. Analog zum<br />
betriebsnotwendigen Nettoumlaufvermögen besteht auch in diesem Bereich aus Sicht<br />
der Stromverteilnetzbetreiber ein Anreiz, das vom Netz ausschliesslich oder gemeinschaftlich<br />
genutzte Anlagevermögen möglichst umfassend direkt oder indirekt der<br />
Segmentrechnung Netz zuzuweisen.<br />
Grundsätzlich kann die Zuweisung der Verteilnetzanlagen – bestehend aus Grundstücken,<br />
Unterwerken, Kabel- und Freileitungen, Transformationsstationen, Kabelverteilkabinen,<br />
Trassees und Schächten, Steueranlagen, Hausanschlüssen, Messgeräten und<br />
der Netzdokumentation – direkt über separate Bilanzkonten erfolgen. 537 Dazu gehören<br />
auch geleistete Anzahlungen sowie Anlagen im Bau. Ferner sind weitere ausschliesslich<br />
fürs Netz genutzte, mobile und immobile Anlagen (zum Beispiel Werkstätten oder<br />
IT-Systeme) direkt zuzuweisen. Die Zuteilung der segmentübergreifend genutzten<br />
Sachanlagen (zum Beispiel Verwaltungsgebäude oder Büroeinrichtungen) auf die<br />
Segmente hängt wiederum massgeblich <strong>von</strong> der Segmentbildung ab. Entweder kann<br />
eine Schlüsselung der Vermögenswerte 538 oder aber eine direkte Zuordnung zu einem<br />
Segment vorgenommen werden, welches die Nutzung der gemeinschaftlichen Infrastruktur<br />
intern verrechnet. 539 Die für die kapitalmarktorientierte <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
bestehende Option der Nicht-Allokation auf die Segmente und des stattdessen<br />
reinen Ausweises im Rahmen der Überleitungsrechnung folgt dem Ansatz der partiellen<br />
Segmentierung. 540 Dieser Ansatz ist aus Sicht der Stromverteilnetzbetreiber in Bezug<br />
auf das Sachanlagevermögen nicht attraktiv, da dadurch das dem Verteilnetz zuge-<br />
536 Nach den Auswertungen <strong>von</strong> SCHMIDLI (2005), S. 172, beläuft sich das Anlagevermögen bei<br />
Schweizer EVU im Verhältnis zum Umlaufvermögen auf das Doppelte bis Dreifache. STENDER<br />
(2008), S. 18f., zeigt am Beispiel <strong>von</strong> EDF die Kapitalintensität bei integrierten EVU auf. Mit<br />
€ 71 Mrd. Bilanzwert machen die Netze bei EDF 51% der gesamten Aktiven aus (2006). Aufgrund<br />
der Marktmacht <strong>von</strong> EDF gibt diese Zahl einen Eindruck über die Kapitalbindung im gesamtfranzösischen<br />
Markt. Die Kapitalbindung auf Stufe der Verteilung dürfte nochmals deutlich<br />
höher liegen.<br />
537 Vgl. zur Typisierung der Verteilnetzanlagen: SPAAR & KOPRIWA (2004), Kapitel 5, S. 4ff.<br />
538 Empfehlung VSE. Vgl. MEYER (2009), S. 15.<br />
539 Vgl. LEVERKUS (2006), S. 272.<br />
540 Vgl. KIND (2000), S. 113.
128 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
ordnete, investierte Kapital künstlich reduziert und die damit verbundenen Betriebs-<br />
und Kapitalkosten im Rahmen der Kalkulation nicht anrechenbar wären. Dieser Nach-<br />
teil kann entweder durch die geschlüsselte Aufteilung oder durch die ausschliessliche<br />
Zuteilung gemischt genutzter Anlagen zu einem Segment, welches diese verrechnet,<br />
vermieden werden. Bei der indirekten Verrechnung ist sicherzustellen, dass nicht nur<br />
die aufwandgleichen Betriebskosten und die buchmässigen Abschreibungen in die<br />
Umlage oder die Verrechnung einfliessen, sondern auch, dass die Verrechnung auf der<br />
Basis der kalkulatorischen Kosten oder zu Marktpreisen erfolgt. 541 Bei Netzbetreibern,<br />
deren Wertschöpfung in den übrigen Aktivitäten im Vergleich zum Netzbetrieb an-<br />
teilsmässig gering ist, ist auch eine vollständige Zuordnung im Segment Netz und eine<br />
Weiterverrechnung geringer Kostenanteile für die Vertriebsleistung denkbar.<br />
d) Immaterielles Anlagevermögen<br />
Immaterielles Anlagevermögen <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> kann insbesondere in<br />
Form <strong>von</strong> Konzessionen und Nutzungsrechten, Software und Lizenzen sowie aus<br />
Goodwill aus Akquisitionen bestehen. Solche Positionen sind dem jeweiligen Segment<br />
direkt zuzuordnen. Für das Netz sind insbesondere Konzessions- und Nutzungsrechte<br />
relevant, wobei – je nach Rechnungslegungsstandard und Zuteilungsverfahren – auf<br />
eine Aktivierung verzichtet wird. Nach Swiss GAAP FER sind zu aktivierende Nut-<br />
zungsrechte vertraglich vereinbarte, einmalige Entschädigungen an einen Vertrags-<br />
partner für die Benützung <strong>von</strong> dessen Anlagen. 542 Hingegen führen Konzessionsver-<br />
träge mit jährlich an die Gemeinde abzuführenden Konzessionszahlungen des Strom-<br />
verteilnetzbetreibers für die Nutzung <strong>von</strong> öffentlichem Grund und Boden nicht zu ei-<br />
ner Aktivierung, sondern zu einem entsprechenden, jährlichen Betriebsaufwand.<br />
Falls bei Akquisitionen <strong>von</strong> Netzen im Rahmen eines Asset oder eines Share Deals ein<br />
Goodwill bezahlt wurde, indem der bezahlte Kaufpreis für das Netz den auf den ur-<br />
sprünglichen Anschaffungskosten linear abgeschriebenen Restwert der Anlagen über-<br />
steigt, so stellt sich vor dem Hintergrund der Regulierung der anrechenbaren Kapital-<br />
kosten die Frage, inwiefern aus solchen Transaktionen immaterielle Vermögenswerte<br />
im Segment Netz ausgewiesen und nach Vorgabe des jeweiligen Rechnungslegungs-<br />
541 Vgl. dazu Kapitel 4.2.4 hiernach.<br />
542 SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 3, S. 12.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 129<br />
standards aktiviert und folgebewertet werden können. 543 Aufgrund der Rechtslage laut<br />
Art. 15 Abs. 3 StromVG sind bei der Kalkulation für das Netz nur die ursprünglichen,<br />
vom Kaufpreis unabhängigen Herstellungskosten der jeweiligen Anlagen anrechen-<br />
bar. 544 Bezahlt ein Stromverteilnetzbetreiber mehr als den kalkulatorischen Restwert<br />
eines Netzes, ist die Werthaltigkeit in Bezug auf den zu viel bezahlten Betrag aus Sicht<br />
des Netzes zumindest fraglich, da dieser Betrag nicht über das Netznutzungsentgelt<br />
abgeschrieben oder verzinst werden kann. 545 Da jedoch beim Kauf eines Netzes in der<br />
Regel in nicht unwesentlichem Umfang feste und freie Endverbraucher übernommen<br />
werden, kann ein Goodwill bei Netzkäufen folgerichtig durch das mit dem Netz verbundenen<br />
Stromgeschäft begründet werden. Entsprechend ist es verursachergerecht,<br />
im Fall der Aktivierung entsprechender immaterieller Aktiven oder Goodwillpositionen<br />
aus Netzkäufen, diese nicht der Segmentrechnung Netz zuzuordnen, sondern den<br />
übrigen Tätigkeiten. Dadurch wird auch die Konsistenz in der Zuordnung mit dem anrechenbaren<br />
investierten Kapitel der Kostenrechnung sichergestellt. 546<br />
e) Rückstellungen<br />
Gemäss den Empfehlungen des VSE sind die Rückstellungen den Segmenten direkt<br />
entsprechend der abzudeckenden Risiken zuzuordnen. 547 Je nach Rechnungslegungsstandard<br />
können Rückstellungen für Altersvorsorge nötig sein. 548 Solche sind aufgrund<br />
der Zuordnung der entsprechenden Mitarbeitenden zu segmentieren. Da auch ehemalige<br />
Mitarbeitende da<strong>von</strong> betroffen sind, dürfte je nach Segmentbildung keine vollständige<br />
Segmentierung gelingen. Eine Schlüsselung kann über den Personalaufwandsschlüssel<br />
erfolgen. 549<br />
543<br />
Vgl. zur hier nicht weiter vertieften Thematik der Kaufpreisallokation (Purchase Price Allocation)<br />
etwa BALLWIESER (2005) oder SCHILLING & VASSALLI (2007) zur praktischen Umsetzung<br />
<strong>unter</strong> IFRS 3.<br />
544<br />
So auch die Einschätzung der EIDGENÖSSISCHES ELEKTRIZITÄTSKOMMISSION ELCOM (2009),<br />
S. 14.<br />
545<br />
Dem Einfluss der kalkulatorischen Bewertungsvorgaben auf die handelsrechtlichen Werte widmet<br />
sich Kapitel 4.2.2 hiernach noch im Detail.<br />
546<br />
Dies bezieht sich lediglich auf die Segmentierung, und nicht auf die Bewertung einzelner Anlagen.<br />
Im Rahmen der Bewertung können aufgrund der Vorgaben der jeweiligen Rechnungslegungsstandards<br />
wesentliche Unterschiede zwischen beiden Rechenwerken bestehen bleiben.<br />
547<br />
MEYER (2009), S. 16.<br />
548<br />
Etwa nach FER 16 bzw. IAS 19.<br />
549<br />
Vgl. POULLIE (2007), S. 233, oder LEVERKUS (2006), S. 274.
130 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Rückstellungen aus Spezialfinanzierungen bei Gemeindewerken nach HRM, welche<br />
oft Rücklagen für künftige Investitionen darstellen und sich daher auch als Reserven<br />
mit Eigenkapitalcharakter ausweisen liessen, können aufgrund ihrer Zweckgebunden-<br />
heit bei der Erstsegmentierung anteilig dem Netz zugewiesen werden.<br />
f) Passivierte Netzkostenbeiträge<br />
Netzkostenbeiträge <strong>von</strong> Kunden werden nach den Empfehlungen des VSE nicht direkt<br />
den jeweiligen Investitionsprojekten in Abzug gebracht, sondern separat erfasst und<br />
passiviert. 550 Diese Positionen können eindeutig der Segmentbilanz Netz zugewiesen<br />
und über die Laufzeit in der Segmenterfolgsrechnung Netz aufgelöst werden. Diese<br />
Vorgehensweise ist konsistent mit den Vorgaben für die Kostenrechnung, in welcher<br />
nach Art. 13 Abs. 4 StromVV bereits in Rechnung gestellte Betriebs- und Kapitalkos-<br />
ten für betriebsnotwendige Vermögenswerte in Abzug gebracht werden müssen. 551<br />
g) Unternehmensfinanzierung: Eigenkapital und Finanzverbindlichkeiten<br />
Die Unternehmensfinanzierung besteht aus dem Eigenkapital und den Finanzverbind-<br />
lichkeiten. Auch die bereits behandelten, liquiden Mittel können der Unternehmensfi-<br />
nanzierung zugeordnet werden, da diese letztendlich im Rahmen der Erstsegmentierung<br />
<strong>von</strong> der Ausstattung mit Kapital abhängen. 552 Im Unterschied zu den liquiden<br />
Mitteln, welche als Position im betriebsnotwendigen Umfang in die Berechnung des<br />
im Rahmen der Kalkulation verzinsbaren Nettoumlaufvermögen einfliessen können,<br />
besteht zwischen der Finanzierungsstruktur mit Eigenkapitel und Finanzverbindlichkeiten<br />
und der Kalkulation nach den Vorgaben des StromVG bzw. der StromVV kein<br />
Zusammenhang. Gemäss Art. 13 Abs. 3 lit. b StromVV ist der kalkulatorische Zinssatz<br />
(Weighted Average Cost of Capital, WACC), welcher sich theoretisch aus der Finan-<br />
550<br />
Vgl. Fussnote 531.<br />
551<br />
Diese Vorgabe war im Entwurf des StromVG noch klarer vorhanden. Dementsprechend äusserte<br />
sich auch das BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 66: "In Absatz 3 [Art. 12 E-StromVG] werden<br />
die bereits in Artikel 5 Absatz 3 angesprochenen, mit Netzkosten- und Netzanschlussbeiträgen<br />
finanzierten Vermögenswerte dahingehend aufgegriffen, dass über individuelle Beiträge finanzierte<br />
Vermögenswerte bei der Ermittlung der Netznutzungsentgelte auszunehmen sind. Damit<br />
soll verhindert werden, dass bereits über individuelle Beiträge finanzierte Vermögenswerte noch<br />
einmal in die Berechnung der Netznutzungsentgelte eingehen. Die über Netzanschlussbeiträge finanzierten<br />
Investitionen werden dem Anlagevermögen des Netzbetreibers, differenziert nach der<br />
jeweiligen Spannungsebene, zugerechnet. Die erhobenen Beiträge sind der jeweiligen Spannungsebene<br />
gutzuschreiben. Dass heisst, dass sie entsprechend der Abschreibungen kostenmindernd<br />
zugunsten der Netznutzungsentgelte aufzulösen sind." Im geltenden StromVG ist in Art. 14<br />
Abs. 3 lit. d nur noch <strong>von</strong> "individuell in Rechnung gestellten Kosten" die Rede.<br />
552 Vgl. LEVERKUS (2006), S. 274.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 131<br />
zierungsstruktur 553 des jeweiligen Unternehmens determiniert, für sämtliche Stromver-<br />
teilnetzbetreiber einheitlich und unabhängig <strong>von</strong> der individuellen Kapitalstruktur<br />
festgelegt. 554 Die dem WACC zugrundegelegte, normierte Kapitalstruktur für das Ver-<br />
teilnetz kann der Botschaft zum StromVG entnommen werden: 555<br />
"Hinsichtlich der Verzinsung nach Eigen- und Fremdkapital soll wie auch<br />
im EMG <strong>von</strong> einer normierten Kapitalstruktur ausgegangen werden (30%<br />
Eigenkapital, 70% Fremdkapital). Diese Kapitalstruktur orientiert sich<br />
ausgehend <strong>von</strong> den geringen Risiken des Netzbetriebs als Monopolbereich<br />
an einer möglichst kostengünstigen Finanzierung."<br />
Die im Rahmen der Erstsegmentierung der Segmentrechnung Netz zugewiesene Finan-<br />
zierungsstruktur ist somit für die Kalkulation unerheblich und kann vom Stromverteil-<br />
netzbetreiber nach verschiedenen Ansätzen vorgenommen werden. Dieser kann dem<br />
Segment Netz etwa aufgrund der Kapitalstruktur des Gesamt<strong>unter</strong>nehmens oder basie-<br />
rend auf dem Anlagenschlüssel einen sachgerechten Anteil an den Finanzverbindlich-<br />
keiten sowie am gesamten Eigenkapital zuweisen. 556 PEROUTKA empfiehlt die Anwen-<br />
dung eines Restschlüsselverfahrens, welches sich aus der Einhaltung der Bilanzrelati-<br />
onen des Gesamtabschlusses und aus der Summengleichheit der einzelnen Teilbilanzen<br />
ergibt. 557 Dieses in Abbildung 4-13 illustrierte und auf den Ausgleich der Teilbilanzen<br />
bedachte Verfahren zeigt den Zusammenhang zwischen der Segmentierung der Unter-<br />
nehmensfinanzierung und den übrigen, bisher beschriebenen Segmentierungen anderer<br />
Bilanzpositionen auf. Nur bei grossen und dezentral organisierten Unternehmen dürfte<br />
in der Praxis die Möglichkeit bestehen, Finanzverbindlichkeiten weitgehend direkt<br />
einem Segment zuzuteilen. Eine Zuteilung der einzelnen Bestandteile des Eigenkapi-<br />
tals ist aufgrund des Zusammenhangs mit der rechtlichen Gesellschaftsstruktur auszu-<br />
553 Wobei betriebswirtschaftlich korrekt auf Markt- und nicht auf Buchwerte abzustützen wäre. Häufig<br />
wird jedoch die vereinfachende Annahme getroffen, dass sich Markt- und Buchwerte entsprechen.<br />
Dies gilt insbesondere für das Fremdkapital.<br />
554 Gemäss der entsprechenden Weisung der ElCom für die Tarifkalkulation 2010 ist dieser aktuell<br />
bei 4.55% festgesetzt. Vgl. EIDGENÖSSISCHE ELEKTRIZITÄTSKOMMISSION ELCOM (2009).<br />
555 Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1654.<br />
556 Gemäss den Empfehlungen des VSE sind das langfristige Fremdkapital und das anteilige Eigenkapital<br />
bei der Erstsegmentierung gemäss den Bilanzkennzahlen aufzuteilen, damit sich "vernünftige<br />
Finanzierungsverhältnisse ergeben". Speziell wird dabei auf die Anwendung des Anlagendeckungsgrades<br />
verwiesen. Vgl. MEYER (2009), S. 16.<br />
557 Vgl. PEROUTKA (2001), S. 157ff.
132 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
schliessen, sofern keine rechtliche Entflechtung des Netzbetreibers stattgefunden hat.<br />
Eine direkte Zuteilung <strong>von</strong> Kapital zu einzelnen Vermögenswerten ist auch aus be-<br />
triebswirtschaftlicher Sicht fragwürdig, da sich die Finanzierung und deren Konditio-<br />
nen in der Regel auf das gesamte Unternehmen beziehen. 558 So wird zum Beispiel der<br />
Entscheid, eine Neuinvestition über einen Betriebskredit zu finanzieren, nicht mit dem<br />
Charakter der Investition begründet, sondern vielmehr mit der bestehenden Finanzie-<br />
rungsstruktur des gesamten Unternehmens.<br />
1. Ausgangslage<br />
Total Aktiven 230<br />
Zugewiesenes Fremdkapital 50<br />
Langfr. Finanzverbindlichkeiten 60<br />
Fremdkapital 110<br />
Nominalkapital 40<br />
Reserven 70<br />
Gewinnvortrag 10<br />
Eigenkapital 120<br />
Total Passiven 230<br />
Bilanzausgleichsbedarf -<br />
2. Restschlüsselung<br />
Total Aktiven 230<br />
Zugewiesenes Fremdkapital 50<br />
Langfr. Finanzverbindlichkeiten 60<br />
Fremdkapital 110<br />
Nominalkapital 40<br />
Reserven 70<br />
Gewinnvortrag 10<br />
Eigenkapital 120<br />
Total Passiven 230<br />
Bilanzausgleichsbedarf -<br />
Abbildung 4-13: Beispiel für das Verfahren der Restschlüsselverteilung 559<br />
Der Ermessenspielraum bei der Erstsegmentierung der Kapitalstruktur ist als hoch ein-<br />
zustufen. KIND bezeichnet die Segmentierung der Kapitalstruktur als einen höchst sub-<br />
jektiven Prozess. 560 So könnte für Stromverteilnetzbetreiber ein Anreiz bestehen, der<br />
Segmentbilanz Netz aus Publizitätsgründen einen möglichst hohen Anteil an Fremdka-<br />
pital zuzuweisen, um damit in der Segmenterfolgsrechnung Netz möglichst hohe Fi-<br />
558 Vgl. POULLIE (2007), S. 239, DORPRIGTER (2001), S. 167.<br />
559 Eigene Darstellung in Anlehnung an PEROUTKA (2001), S. 158f.<br />
560 KIND (2000), S. 130.<br />
Gesamt Netz Übriges<br />
CHF Mio. % CHF Mio. Anteil in % CHF Mio. Anteil in %<br />
100% 170 74% 60 26%<br />
22% 42<br />
84% 8<br />
16%<br />
26% 0% 0%<br />
48% 42 38% 8 7%<br />
17% 0% 0%<br />
30% 0% 0%<br />
4% 0% 0%<br />
52% -<br />
0% -<br />
0%<br />
100% 42 18% 8 3%<br />
71% 52 29%<br />
128<br />
Gesamt Netz Übriges<br />
CHF Mio. % CHF Mio. Anteil in % CHF Mio. Anteil in %<br />
100% 170 74% 60 26%<br />
22% 42<br />
26% 43<br />
48% 85<br />
17% 28<br />
30% 50<br />
4% 7<br />
52% 85<br />
100% 170<br />
-<br />
84% 8<br />
71% 17<br />
77% 25<br />
71% 12<br />
71% 20<br />
71% 3<br />
71% 35<br />
74% 60<br />
-<br />
16%<br />
29%<br />
23%<br />
29%<br />
29%<br />
29%<br />
29%<br />
26%
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 133<br />
nanzierungskosten ausweisen zu können. Je nach Wesentlichkeit und Zinsstruktur<br />
kann dadurch der buchmässige Gewinnausweis herabgesetzt und damit der Erklä-<br />
rungsbedarf in Bezug auf die nur kalkulatorisch zulässige Verzinsung des Eigenkapi-<br />
tals reduziert werden.<br />
Aufgrund des hohen Ermessenspielraums und der weitgehend arbiträren Erstsegmentierung<br />
einzelner Finanzierungspositionen ist als Alternative zur Schlüsselung die interne<br />
Verrechnung einer zentralen Finanzfondlösung – analog zur Behandlung der liquiden<br />
Mittel – zu evaluieren. Anstelle effektiver Fremd- und Eigenkapitalpositionen<br />
wird in der Segmentbilanz Netz auf der Passivseite nur eine interne Finanzierungposition<br />
ausgewiesen und dadurch im Rahmen der externen Publizität auf die Fiktion der<br />
Segmentierung aufmerksam gemacht. 561 Kongruent mit dieser internen Finanzierung<br />
werden sämtliche Segmentergebnisse laufend an das mit der Finanzierung betraute<br />
Segment oder an den eigens dafür geschaffenen Finanzfonds abgeführt. Die interne<br />
Verzinsung des zur Verfügung gestellten Kapitals kann je nach Verrechnungspraxis<br />
<strong>unter</strong>schiedlich ausgestaltet werden. Um dem Autonomous Entity Approach Rechnung<br />
zu tragen und den Erfolgsausweis in der Segmentrechnung Netz nicht durch eine interne<br />
Eigenkapitalverzinsung zu verzerren, dürfte sich auch bei der internen Verrechnungslösung<br />
eine diskussionswürdige Aufteilung in einen verzinslichen Fremd- und<br />
einen nicht zu verzinsenden Eigenkapitalanteil aufdrängen. Jedoch kann die arbiträre<br />
Aufgliederung fiktiver Bestände einzelner Finanzierungspositionen vermieden werden.<br />
Die dargestellten Lösungsansätze haben gezeigt, dass eine sachgerechte, totale Segmentierung<br />
der Unternehmensfinanzierung nur bedingt möglich ist. Entsprechend ist<br />
die Segmentierung <strong>von</strong> Eigenkapital und Finanzverbindlichkeiten in der Literatur zur<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> ohne deren effektive Abstützung in Form <strong>von</strong> gesellschaftsrechtlichen<br />
Trennungen umstritten. 562 Im Rahmen der kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
nach IFRS 8 wird daher die Segmentierung <strong>von</strong> Finanzverbindlichkeiten<br />
nur verlangt, wenn die Information – im Sinne des Management Approach –<br />
auch im internen Reporting verfügbar ist. Auf eine Verpflichtung zur Segmentierung<br />
wurde seitens des IASB aufgrund der beschriebenen Allokationsschwierigkeiten bewusst<br />
verzichtet. 563<br />
561 Vgl. POULLIE (2007), S. 240, oder LEVERKUS (2006), S. 276.<br />
562<br />
Vgl. ausführlich dazu KIND (2000), S. 125ff.<br />
563<br />
IFRS 8.BC36 mit Verweis auf SFAS 131. 96.
134 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
4.1.7 Segmentierung der Erfolgsrechnung<br />
Konzeptionell kann die Erfolgsrechnung anhand ihrer Gliederung in Bezug auf die<br />
Anforderungen an die Segmentierung wie folgt aufgeteilt werden:<br />
Segmentspezifische Verursachung<br />
Segmenterfolgsrechnung Netz<br />
Direkt allozierbare Aufwände und Erträge<br />
Gemeinsame Aufwände und Erträge<br />
Zentrale & administrative<br />
Aufwände und Erträge<br />
Zinsen und<br />
Steuern<br />
Sachgerechte Segmentierbarkeit<br />
Abbildung 4-14: Schematische Aufwands- und Ertragshierarchie 564<br />
Die Unterscheidung in direkt und indirekt zuordenbare Aufwände und Erträge wurde<br />
bereits im Rahmen der Unbundling-Verfahren beschrieben. KIND <strong>unter</strong>teilt die indirekten<br />
Aufwände und Erträge in drei weitere Gruppen und bezeichnet gemeinsame Aufwände<br />
und Erträge – in Anlehnung an BOERSEMA und VAN WEELDEN – als Positionen,<br />
die sich aufgrund ihres operativen Bezugs mehreren Segmenten verursachungsgerecht<br />
zuordnen lassen. 565 Demgegenüber stehen zentrale und administrative Aufwände und<br />
Erträge nicht direkt mit der operativen Tätigkeit in Verbindung und fallen weitgehend<br />
unabhängig vom Ausmass der betrieblichen Tätigkeit an. Zinsen und Steuern sind gesondert<br />
da<strong>von</strong> zu behandeln. Die Anrechnung <strong>von</strong> Fremdkapitalzinsen hängt direkt<br />
<strong>von</strong> der Lösung bezüglich der zuvor dargestellten Frage der Kapitalallokation im<br />
Rahmen der Erstsegmentierung der Bilanz ab. Die Steuern fallen abhängig vom effek-<br />
564<br />
Eigene Darstellung in Anlehnung an KIND (2000), S. 136.<br />
565<br />
Vgl. KIND (2000), S. 137, sowie BOERSEMA & VAN WEELDEN (1992), S. 152.<br />
Ergebnis vor Zinsen und Steuern<br />
(Earnings Before Interest &<br />
Taxes, EBIT)<br />
Ergebnis nach Zinsen und Steuern<br />
(EarningsAfter Taxes, EAT)
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 135<br />
tiven Unternehmensergebnis an, so dass sich bei deren Aufteilung die Frage nach dem<br />
Bezug zu den ausgewiesenen Segmentergebnissen stellt. Die schematisch und nicht<br />
trennscharf <strong>von</strong>einander abzugrenzenden Gruppen der Abbildung 4-14 <strong>unter</strong>scheiden<br />
sich daher bezüglich ihrer segmentspezifischen Verursachung, welche <strong>von</strong> den direkt<br />
zuordenbaren Aufwänden und Erträgen bis zu den Zinsen und Steuern abnimmt. Damit<br />
nimmt die Schwierigkeit einer sachgerechten und belastbaren Zuordnung zu. Es ist<br />
daher nachvollziehbar, weshalb in der Praxis <strong>Segmentberichterstattung</strong>en oft nur bis<br />
auf Stufe des Gewinns vor Zinsen und Steuern (Earnings Before Interest and Taxes,<br />
EBIT) erstellt werden und dabei auf die Verteilung <strong>von</strong> zentralen Overheadkosten ver-<br />
zichtet wird. 566 WENK und JAGOSCH bezeichnen den EBIT gar als Benchmark für das<br />
Segmentergebnis. 567 Solche partiellen Segmentierungen sind nach IFRS 8 <strong>unter</strong> dem<br />
Management Approach zulässig, sofern diese Tiefe der Segmentierung dem internen<br />
Reporting an den CODM entspricht. 568<br />
Im Unterschied zur kapitalmarktorientierten Berichterstattung ist es für Stromverteil-<br />
netzbetreiber – aufgrund des erläuterten Zusammenhangs zwischen der Segmentrech-<br />
nung und der Kostenrechnung Netz – erstrebenswert, möglichst sämtliche Aufwände<br />
direkter und indirekter Natur dem Segment Netz zur Sicherstellung und zur konsisten-<br />
ten Begründung der Anrechnung im Rahmen der Kalkulation zuzuteilen. Würden zent-<br />
rale und administrative Kosten nicht segmentiert, bestünde das Risiko, dass solche Po-<br />
sitionen <strong>von</strong> der ElCom im Rahmen der Kalkulation nicht anerkannt werden. Dies gilt<br />
auch für die nach Art. 7 Abs. 3 StromVV anteilig anrechenbaren, direkten Steuern. 569<br />
Hingegen ist der Entscheid in Bezug auf die Fremdkapitalzinsen aus Sicht der Kosten-<br />
rechnung – analog zur Kapitalstruktur – nicht relevant, da kalkulatorische Zinsen zur<br />
Anwendung gelangen. Die Sicherstellung der Anrechenbarkeit als betriebsnotwendige<br />
566 Oft wird in der Literatur diesbezüglich vom Betriebsgewinn pro Segment gesprochen. Positionen<br />
wie Steuern, Zinsen oder Ausserordentliches sind in der Regel nicht darin enthalten. Ebenfalls ist<br />
es möglich, bei fehlender Zurechenbarkeit auf einer vernünftiger Grundlage (Reasonable Basis)<br />
auch zentrale Aufwendungen nicht zu segmentieren. Vgl. BOERSEMA & VAN WEELDEN (1992),<br />
S. 149ff., MÖCKLI (1997), S. 59, KIND (2000), S. 150ff.<br />
567 Sie beziehen sich dabei auf eine Auswertung <strong>von</strong> 110 HDAX-Unternehmen, <strong>von</strong> welchen 69%<br />
den EBIT als Segmentergebnis verwendet haben. Vgl. WENK & JAGOSCH (2008), S. 668. Ähnlich<br />
auch BLASE & MÜLLER (2009), S. 540, in Bezug auf eine nicht repräsentative Auswertung <strong>von</strong><br />
13 vorzeitigen Erstanwendern <strong>von</strong> IFRS 8 in Deutschland, dar<strong>unter</strong> E.ON und RWE.<br />
568 IFRS 8.23.<br />
569 Nicht etwa die kalkulatorischen Steuern, sondern die anteiligen, direkten Steuern des Verteilnet-<br />
zes.
136 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Netzkosten begründet für die Segmenterfolgsrechnung Netz somit eine möglichst weit-<br />
gehende Segmentierung.<br />
a) Ertrag aus Netznutzung (inkl. Abgaben)<br />
Als Umsatz des Segments Netz ist der Netznutzungsertrag direkt der Segmentrechnung<br />
Netz zuordenbar. Gemäss den getrennt in Rechnung zu stellenden Komponenten des<br />
Elektrizitätstarifs umfasst der Netznutzungsertrag das den Endverbrauchern angelastete<br />
Entgelt für den Stromtransport auf den Netzebenen 1 - 7 sowie für die dazugehörigen<br />
Systemdienstleistungen (SDL). 570 Symmetrisch zur Lösung der Debitorenallokation<br />
kann der Ertrag direkt separat kontiert oder aber indirekt <strong>von</strong> der zentralen Vertriebsstelle<br />
intern weiterverrechnet werden. 571<br />
Die den Endverbrauchern nach Art. 12 Abs. 2 StromVG separat in Rechnung zu stellenden<br />
Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen sowie die nationale Abgabe für die<br />
kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) sind als Ertrag ebenfalls der Segmentrechnung<br />
Netz direkt zuzuordnen, sofern deren Begründung oder Erhebung mit dem Verteilnetz<br />
verbunden ist. Die KEV kann gemäss Art. 15b Abs. 2 EnG <strong>von</strong> den Netzbetreibern<br />
auf die Endverbraucher überwälzt werden und ist daher eindeutig dem Netz<br />
zuzuordnen. Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen stellen insbesondere Konzessionszahlungen<br />
für die Benutzung des öffentlichen Grundes und Bodens für das Verteilnetz<br />
dar und sind daher nicht nur aufwands-, sondern auch ertragsseitig bei der tarifmässigen<br />
Überwälzung auf Endverbraucher dem Netz zuzuordnen. Hingegen sind<br />
allfällige Konzessionszahlungen im Zusammenhang mit Produktionsanlagen – zum<br />
Beispiel Wasserzinsen – da<strong>von</strong> abzugrenzen und direkt den übrigen Tätigkeiten zuzuweisen.<br />
Gratisleistungen an die öffentliche Hand, wie zum Beispiel die unentgeltliche<br />
Zurverfügungstellung <strong>von</strong> Strom für die öffentliche Beleuchtung, gelten ebenfalls als<br />
Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen, die dem Netzkunden separat zu fakturieren<br />
sind. 572 Dabei ist entscheidend, inwiefern die Kosten in Form entgangener Erlöse<br />
durch das Netz zu finanzieren sind oder nicht. Erfolgt vom Vertrieb eine Rechnung für<br />
den Strom der öffentlichen Beleuchtung, und wird diese anstatt <strong>von</strong> der Gemeinde<br />
durch das Segment Netz beglichen, so ist die Zuordnung sowohl ertrags- wie auch<br />
aufwandsseitig eindeutig. Hingegen ist es nicht zwingend, dass das Netz sämtliche<br />
570<br />
Vgl. Abbildung 2-2.<br />
571<br />
Zum Beispiel nach dem All-in-Modell oder dem Shared-Service-Ansatz gemäss Kapitel 4.1.2. So<br />
auch POULLIE (2007), S. 235, oder PEROUTKA (2001), S. 142ff.<br />
572<br />
Vgl. SCHMIDLI (2005), S. 181.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 137<br />
solche Kosten zu übernehmen hat. Sollte zum Beispiel die Fakturierung durch den<br />
Vertrieb an die Gemeinde <strong>unter</strong>bleiben und fällt damit die Gratisleistung nicht im<br />
Segment Netz an, ist auch keine Verrechnung dieser Leistung durch das Netz gerechtfertigt.<br />
Da Leistungen und Abgaben an Gemeinden jedoch nach Art. 14 Abs. 1<br />
StromVG als anrechenbare Kosten gelten, dürfte deren Refinanzierung im Netz für<br />
Stromverteilnetzbetreiber zu bevorzugen sein. In Bezug auf die Abgaben und Leistungen<br />
an Gemeinwesen ist somit entscheidend, dass im Rahmen der Segmentierung die<br />
Symmetrie zwischen Aufwand und Ertrag sichergestellt wird. 573<br />
Auch Erlösminderungen sind grundsätzlich direkt dem jeweiligen Segment zuzuordnen.<br />
574 Bei der Gewährung <strong>von</strong> Rabatten auf dem gesamten Endkundentarif ist eine<br />
Zurechnung auf die einzelnen Preiskomponenten zu vollziehen.<br />
b) Übrige Erträge<br />
Allfällige interne Erträge die auf der internen Leistungsverrechnung basieren, sind separat<br />
zu kontieren und auszuweisen. Die dem Netz eindeutig zugeordneten und in der<br />
Bilanz passivierten Netzkostenbeiträge werden über eine durchschnittliche Anlagennutzungsdauer<br />
aufgelöst. Die aus der Auflösung resultierenden Erträge sind entsprechend<br />
der Symmetrie zwischen Bilanz und Erfolgsrechnung ebenfalls der Segmentrechnung<br />
Netz zuzuweisen.<br />
573 Je nach Art und Bemessung der Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen kann es beim Stromverteilnetzbetreiber<br />
zu Differenzen zwischen den auf einer Vorkalkulation in Rp./kWh basierenden,<br />
eingenommenen Erträgen und den effektiv angefallenen Aufwendungen kommen. Übersteigt<br />
der eingenommene Ertrag für Abgaben die effektiven Aufwendungen für Abgaben und Leistungen<br />
an Gemeinwesen, müsste aufgrund der Vorgabe <strong>von</strong> Art. 14 Abs. 1 StromVG eine entsprechende<br />
passive Abgrenzung erfolgen. Diese Überlegung ist je nach Rechnungslegungsstandard zu<br />
prüfen und trifft auch auf Deckungsdifferenzen beim Netznutzungsentgelt zu. Die Existenz positiver<br />
Deckungsdifferenzen in der Kostenträgerrechnung Netznutzung kann grundsätzlich zur Passivierungspflicht<br />
in der Finanzbuchhaltung führen, da dadurch eine Verpflichtung zur Zurückzahlung<br />
zu hoher Netzentgelte nach den Vorgaben des StromVG entsteht. Umgekehrt ist es fraglich,<br />
ob für Stromverteilnetzbetreiber bei der Verrechnung <strong>von</strong> Abgaben oder Netzentgelten <strong>unter</strong> den<br />
rechtlichen Maximalvorgaben auch eine Möglichkeit besteht, solche negativen Deckungsdifferenzen<br />
zukünftig zu kompensieren. Unter der Anwendung des je nach Rechnungslegungsstandard<br />
mehr oder weniger stark ausgeprägten Imparitätsprinzips wären Differenzen zulasten der Segmentrechnung<br />
Netz – indem zum Beispiel der Aufwand für Abgaben den verrechneten Ertrag<br />
übersteigt – periodengerecht und erfolgswirksam zu verbuchen. Für eine Aktivierung dürfte eine<br />
entsprechende Praxis der ElCom zur Sicherstellung der Anrechenbarkeit erforderlich sein. Unter<br />
IFRS befasst sich der neue Exposure Draft des IASB zu Rate-regulated Activities genau mit dieser<br />
Problematik. Vgl. INTERNATIONAL ACCOUNTING STANDARDS BOARD (IASB) (2009a), insbesondere<br />
IE25ff.<br />
574 Vgl. MEYER (2009), S. 11.
138 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Die Bestandsänderungen sind in Abhängigkeit zur Segmentierung der Vorratsbestände<br />
auf die Segmente aufzuteilen. Unabhängig vom Zuteilungsverfahren der Bestände hat<br />
die Bestandsänderung der Segmentrechnung Netz der ausgewiesenen Differenz zwischen<br />
Anfangs- und Endbestand der Vorräte zu entsprechen. 575<br />
Eigenleistungen sind der Segmentrechnung Netz nur im Ausmass der segmentintern<br />
erbrachten Eigenleistungen durch Mitarbeitende des Netzes zu aktivieren. 576 Erbringt<br />
ein anderes Segment aktivierbare Leistungen für das Netz – zum Beispiel eine auch für<br />
Dritte tätige Installationsabteilung durch den Bau <strong>von</strong> Netzanlagen – so führt dies für<br />
die Segmentrechnung Netz zu einem intern zu verrechnenden Fremdleistungsaufwand,<br />
welcher entweder aufwandartengerecht oder über eine separate Verrechnungsposition<br />
ausgewiesen wird. 577 Würde hingegen dieser Anteil als aktivierte Eigenleistungen in<br />
der Segmentrechnung Netz verbucht, so käme dies infolge des Fehlens des korrespondierenden<br />
Personalaufwandes einer Ergebnisverschiebung bzw. einer Quersubventionierung<br />
gleich. 578<br />
c) Beschaffungsaufwand<br />
Als Beschaffungsaufwand ist der Segmentrechnung Netz die separat vom vorliegenden<br />
Übertragungs- oder Verteilnetzbetreiber in Rechnung gestellte Netznutzung für die<br />
höheren Netzebenen direkt zuzuweisen. Über eine interne Verrechnung ist der Anteil<br />
des Stromaufwandes für die Wirkverluste des Verteilnetzes ebenfalls der Segmentrechnung<br />
Netz anzulasten. 579 Dies gilt unabhängig da<strong>von</strong>, ob die Energie aus eigener Produktion<br />
stammt oder fremd bezogen wurde.<br />
Die vom Stromverteilnetzbetreiber nicht beeinflussbaren Abgaben im Zusammenhang<br />
mit dem Verteilnetz sind ebenfalls auf dieser Stufe zu verbuchen, um die Darstellung<br />
eines aussagekräftigen Bruttogewinns zu ermöglichen. 580 Dar<strong>unter</strong> fallen die SDL der<br />
575<br />
Vgl. PEROUTKA (2001), S. 145.<br />
576<br />
Vgl. POULLIE (2007), S. 236.<br />
577<br />
Nachfolgend wird jeweils <strong>von</strong> einer aufwandartengerechten Zuordnung ausgegangen. Alternativ<br />
liessen sich sämtliche internen Verrechnungen in einer Position zusammenfassen. Vgl. zu beiden<br />
Gliederungsvarianten 4.3.2b) hiernach.<br />
578<br />
PEROUTKA (2001), S. 145.<br />
579<br />
Vgl. Kapitel 4.1.2.<br />
580<br />
Abgaben wie die KEV oder auch die SDL als Teil der Netznutzung stellen für den Stromverteilnetzbetreiber<br />
reine Durchleitungspositionen dar. Aus Sicht der Stromverteilnetzbetreiber erfolgt<br />
damit eine unnötige Aufblähung der Segmentrechnung Netz, welche durch Verrechnung oder bilanzielle<br />
Durchleitung der entsprechenden Abgaben vermieden werden könnte. Sämtliche Abga-
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 139<br />
Swissgrid sowie die KEV als nationale Förderabgabe. Beide Abgaben werden sämtli-<br />
chen <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> <strong>von</strong> der Swissgrid in Rechnung gestellt. Demgegen-<br />
über lassen sich Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen <strong>von</strong> den einzelnen Strom-<br />
verteilnetzbetreibern auf vertraglicher Ebene beeinflussen und werden daher üblicher-<br />
weise im Betriebsaufwand <strong>unter</strong> Abgaben ausgewiesen. 581 So basieren beispielsweise<br />
Konzessionsabgaben auf individuell ausgehandelten Konzessionsverträgen, welche als<br />
unverzichtbare Produktionsfaktoren bezeichnet werden. 582 Die informatorische Ent-<br />
flechtung auf der Ertragsseite nach Art. 12 Abs. 2 StromVG führt somit nicht zu einer<br />
Umqualifizierung in der Rechnungslegung.<br />
d) Material und Fremdleistungen<br />
Diese Kontengruppe umfasst gemäss den Branchenvorgaben den gesamten Material-<br />
verbrauch sowie die Aufwendungen und Fremdleistungen für den Unterhalt, die Repa-<br />
raturen und den Ersatz der Anlagen. 583 Diese Aufwände lassen sich dem Netz in der<br />
Regel über die entsprechend klassierten Unterhaltsaufträge direkt zuordnen. 584 Darun-<br />
ter können auch interne Leistungen <strong>von</strong> anderen Segmenten fallen, welche für das<br />
Netz beispielsweise Unterhaltsarbeiten ausführen. Je nach Segmentbildung und Umfang<br />
des Outsourcing kann diese Aufwandposition in der Segmentrechnung Netz bezüglich<br />
ihrer Wesentlichkeit steigen.<br />
e) Personalaufwand<br />
Die Segmentierbarkeit des Personalaufwandes hängt eng mit der Segmentbildung und<br />
der entsprechenden Organisationsstruktur eines Netzbetreibers zusammen. Insbesondere<br />
bei kleinen Betrieben dürfte eine Aufteilung <strong>von</strong> Stellenprozenten auf einzelne<br />
Funktionen bzw. eine entsprechende Schlüsselung unumgänglich sein. Dabei wird der<br />
überwiegende Personalanteil bei reinen Wiederverkäufern aufgrund der Wertschöp-<br />
ben stellen jedoch als Teil der den Endverbrauchern verrechneten Kosten im Sinne der Mehrwertsteuer<br />
einen Umsatz dar. Auch handelsrechtlich gelten die Abgaben als Aufwand, welcher<br />
über die Erfolgsrechnung zu verbuchen ist, da dessen Überwälzung auf Kunden möglich, aber<br />
nicht zwingend ist. Die Pflicht zur Entflechtung der Tarife ist dabei nicht mit einem mehrwertsteuerrechtlich<br />
möglichen Inkasso im Auftrag <strong>von</strong> Dritten nach Art. 11 MWSTG gleichzusetzen.<br />
Diese Einschätzung entspricht auch dem Bruttoprinzip, welches gegen eine Verrechnung<br />
sprechen würde.<br />
581 Vgl. etwa SCHÄRLI et al. (2008) in Bezug auf Swiss GAAP FER mit dem Ausweis in der Kontengruppe<br />
Abgaben, Kapital- und sonstige Steuern.<br />
582 Vgl. GOES (2003), S. 139.<br />
583 Vgl. HIRTER et al. (1993) oder SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 4, S. 3.<br />
584 PEROUTKA (2001), S. 148.
140 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
fung im Netz anfallen. Zur Sicherstellung einer sachgerechten Allokation dürfte aber<br />
auch in Kleinverhältnissen ein Anteil des gemeinsamen und des zentralen Personal-<br />
aufwandes – insbesondere die Unternehmensleitung und -verwaltung – dem Stromver-<br />
trieb zu belasten sein.<br />
Grundsätzlich kann der Personalaufwand, der insbesondere aus Löhnen, Gehältern,<br />
Gratifikationen und Sozialversicherungen besteht, entsprechend der Zuteilung der<br />
Mitarbeitenden zu den einzelnen Tätigkeiten direkt zuordnet werden. 585 Dabei ist gemäss<br />
der Segmentbildung eine vollständige Zuordnung <strong>von</strong> segmentübergreifend tätigen<br />
Mitarbeitenden mit operativem Bezug anstelle <strong>von</strong> deren Schlüsselung zu prüfen.<br />
Entsprechende Leistungen würden wiederum intern verrechnet. Zentrale Personalaufwendungen<br />
sind je nach Segmentierungsverfahren zu schlüsseln oder intern zu verrechnen.<br />
Gleiches dürfte für übergreifende Personalnebenkosten gelten.<br />
Da die Segmentierung der Mitarbeitenden die Basis für den vielfach angewendeten<br />
Mitarbeiterschlüssel nach Vollzeitstellen bzw. gemäss dem Personalaufwand darstellt,<br />
ist ihr erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
f) Abschreibungen<br />
Aus der Erstsegmentierung des Anlagevermögens und der stetigen Folgezuordnung<br />
der Investitionen ergeben sich – <strong>unter</strong> Einhaltung der Symmetrie zwischen Segmentbilanz<br />
und Segmenterfolgsrechnung – die Abschreibungen der Segmentrechnung Netz<br />
direkt. 586 Wurden Teile des zentral genutzten Anlagevermögens aufgeschlüsselt, so<br />
lässt sich der anteilige Abschreibungsaufwands ebenfalls identifizieren.<br />
g) Übriger Betriebsaufwand<br />
Der übrige Betriebsaufwand <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> setzt sich je nach Kontenplan<br />
aus mehr oder weniger differenzierten Aufwandspositionen zusammen. So werden<br />
in der Regel die Aufwände für die Räumlichkeiten, für Fahrzeuge und Transport,<br />
für Versicherungen und Gebühren, für die Beratung und Dienstleistungen, für Werbung<br />
und Öffentlichkeitsarbeit, für Abgaben (zum Beispiel Konzessionsaufwand), für die<br />
Verwaltung sowie für die Informatik <strong>unter</strong>schieden.<br />
Diese sind verursachergerecht zu segmentieren. Aufwände im Zusammenhang mit<br />
Netzanlagen – zum Beispiel <strong>von</strong> Versicherungen, Mieten, Beratungsleistungen oder<br />
585<br />
Vgl. POULLIE (2007), S. 236.<br />
586<br />
So auch MEYER (2009), S. 12.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 141<br />
spezifischer Informatiksysteme – können dem Netz direkt zugeordnet werden. 587 Glei-<br />
ches gilt, wie bereits zuvor <strong>unter</strong> Abschnitt c) erläutert, für die dem Netz anzulasten-<br />
den und <strong>von</strong> diesem den Endverbrauchern transparent verrechneten Abgaben und Leis-<br />
tungen an Gemeinwesen. Bei Aufwänden im Zusammenhang mit Mitarbeitenden –<br />
zum Beispiel für Büromaterial oder Telefongebühren – dürfte sich die Anwendung des<br />
Mitarbeiterschlüssels bzw. entsprechenden interne Verrechnungen als sachgerecht er-<br />
weisen. Zentrale Aufwände, zum Beispiel Kosten für den Verwaltungsrat oder die Re-<br />
vision, können aufgrund der fehlenden Verursachung auf Segmentebene nur über all-<br />
gemeine Schlüssel oder Umlagen segmentiert werden. 588<br />
Eine Zuweisung eines Anteils am Aufwand für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit<br />
(Public Relations) zur Segmentrechnung Netz dürfte aufgrund des Monopolcharakters<br />
des Verteilnetzes seitens der ElCom kritisch beurteilt werden. 589 Da der Endverbrau-<br />
cher in Bezug auf den Netzanschluss und dessen Nutzung keine Wahl hat, stellt sich<br />
diesbezüglich die Frage nach der Notwendigkeit <strong>von</strong> Werbe- und Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Diese dürfte sich weitgehend auf Massnahmen der Öffentlichkeitarbeit im Zusammen-<br />
hang mit der Informationsbereitstellung (zum Beispiel Internetauftritt), dem Unternehmensauftritt<br />
sowie auf Massnahmen in Bezug auf eine nachhaltige Netznutzung<br />
(zum Beispiel Informationen zu Hoch- und Niedertarifzeiten oder zur gesteuerten Abschaltung<br />
in Hochlastzeiten) beschränken. Auch in Deutschland standen im Rahmen<br />
der zweiten Genehmigungsrunde der Entgeltregulierung <strong>unter</strong> anderem die aufwandgleichen<br />
Kosten für Sponsoring und Werbung im besonderen Fokus der Regulierungsbehörden.<br />
590 Entsprechend ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass ein Grossteil dieser Aufwände<br />
nicht der Segmentrechnung Netz zuzuordnen sind, sondern dem Stromvertrieb sowie<br />
anderen Tätigkeiten im Wettbewerb. Die direkte oder geschlüsselte Zuordnung <strong>von</strong><br />
Einzelpositionen zum Netz muss entsprechend gut begründet werden können.<br />
587<br />
Vgl. PEROUTKA (2001), S. 149.<br />
588<br />
Für die Segmentierungen solcher gemeinsamer und zentraler Aufwandspositionen scheint der<br />
Rückgriff auf die gesetzlich notwendige Kostenrechnung effizient zu sein, da diese Fragen auch<br />
im Rahmen der Kalkulation gelöst werden müssen. Dies stellt zudem eine konsistente Handhabung<br />
zwischen Kosten- und Jahresrechnung sicher. Vgl. dazu Kapitel 4.1.4 hiervor.<br />
589<br />
Diese kritische Haltung wurde <strong>von</strong> BURRI als Vertreter des Fachsekretariats der ElCom an der<br />
St.Galler Energietagung am 28. November 2008 in Baden angesprochen. Vgl. BURRI (2008),<br />
S. 14.<br />
590<br />
OTTO (2007), S. 258.
142 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
h) Betriebsfremde und ausserordentliche Positionen<br />
Betriebsfremde Aufwendungen oder Erträge können aus Ereignissen oder Geschäfts-<br />
vorfällen entstehen, die sich klar <strong>von</strong> der gewöhnlichen Betriebstätigkeit der Gesell-<br />
schaft <strong>unter</strong>scheiden (zum Beispiel Erträge und Aufwendungen aus betriebsfremden<br />
Immobilien). 591 Solche Positionen sind gemäss VSE nicht der Segmentrechnung Netz,<br />
sondern direkt den übrigen Tätigkeiten zuzuweisen. 592<br />
Hingegen können auch im Netzbereich ausserordentliche Ereignisse zur Verbuchung<br />
ausserordentlicher Erträge und Aufwendungen führen, wobei in der Rechnungsle-<br />
gungspraxis der Begriff ausserordentlich eng ausgelegt werden soll. 593 Solche Positio-<br />
nen sind aufgrund der spezifischen Einzelereignisse direkt zuordenbar. 594 Alternativ<br />
können zur Darstellung aussagekräftiger Segmentergebnisse ausserordentliche Effekte<br />
auch nur den übrigen Tätigkeiten zugeteilt werden. Im Rahmen der kapitalmarktorien-<br />
tierten Segmentierung wird die Zuordnung ausserordentlicher Positionen im Segment-<br />
ergebnis aus Gründen der Vergleichbarkeit meist abgelehnt, eine transparente, separate<br />
Darstellung aber nicht ausgeschlossen. 595 Da solche Positionen im Rahmen der Kos-<br />
tenrechnung unabhängig vom Segmentierungsentscheid über sachliche Abgrenzungen<br />
ausgeschieden, und damit nicht für die stetig zu erfolgende Kalkulation berücksichtigt<br />
werden, ist es – solange ein transparenter Ausweis erfolgt – auch bezüglich der konsistenten<br />
Basis für die anrechenbaren Kosten grundsätzlich unerheblich, ob diese Positionen<br />
in die Segmentrechnung Netz einbezogen werden oder nicht.<br />
i) Finanzertrag und -aufwand<br />
Die bisherigen Ausführungen zur Segmentierung der Erfolgsrechnung zeigen, dass<br />
eine Segmentierung bis auf Stufe des EBIT durch den Einsatz entsprechender Segmen-<br />
591<br />
Vgl. SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 4, S. 7.<br />
592<br />
MEYER (2009), S. 12. Ähnlich empfehlen auch HÖFNER & POHL (1993) aus Sicht des Value Based<br />
Management zum Zweck der finanziellen Unternehmensführung ausserordentliche Einflüsse<br />
in künstlichen Geschäftsbereichen – analog zu den liquiden Mitteln und Beteiligungen – zu erfassen.<br />
593<br />
HWP Ziff. 2.3510.<br />
594 PEROUTKA (2001), S. 153.<br />
595 Vgl. MÖCKLI (1997) , S. 60; BOERSEMA & VAN WEELDEN (1992), S. 155. Gemäss DREHER<br />
(1999) zit. in GEIGER (2002), S. 201, ist dabei fraglich, aus welcher Sicht die Ausserordentlichkeit<br />
zu beurteilen ist. Aus Sicht des einzelnen Segments können Sachverhalte ausserordentlich<br />
sein, welche seitens des Unternehmens als ordentlich klassiert würden. Die Beantwortung dieser<br />
Frage hängt <strong>von</strong> dem im Rahmen der Segmentkonzeption festgelegten Ansatz ab und dürfte für<br />
die meisten Stromverteilnetzbetreiber unwesentlich sein.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 143<br />
tierungsverfahren weitestgehend möglich ist und in Bezug auf die Zuteilung konsistent<br />
mit der Kostenrechnung erfolgen kann. Dies zeigt auch die in Bezug auf Abbildung<br />
4-14 erläuterte Praxis der kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong>. Die<br />
Segmentierung <strong>unter</strong>halb des EBIT ist aufgrund der Schwierigkeit der Zuordnung der<br />
Kapitalstruktur – wie in Kapitel 4.1.6 im Zusammenhang mit der Erstsegmentierung<br />
aufgezeigt – sowie aufgrund der Anknüpfung an rechtlichen Strukturen (Steuersubjek-<br />
te) fraglich und wird in der Literatur mehrheitlich abgelehnt. 596 Wurde im Rahmen der<br />
Erstsegmentierung dennoch eine direkte oder indirekte Zuteilung <strong>von</strong> Fremdkapital<br />
zum Segment Netz vorgenommen, so ist dessen Verzinsung als Finanzaufwand zur<br />
Einhaltung der Symmetrie direkt in der Segmenterfolgsrechnung Netz auszuweisen. 597<br />
POULLIE empfiehlt, bei fehlender Zuweisbarkeit einzelner Kreditverträge zum Netz die<br />
Ermittlung der periodenbezogenen Zinsaufwände über Näherungsrechnungen anhand<br />
<strong>von</strong> Durchschnittszinsen zu vollziehen. 598 Auf die Herleitung der dafür notwendigen<br />
Endbeständen der Fremdmittel in der segmentieren Bilanz wird im folgenden Kapitel<br />
zur Folgesegmentierung noch vertieft eingegangen.<br />
Grundsätzlich ist somit der Zinsaufwand – in der Regel der wesentlichste Teil des Fi-<br />
nanzaufwandes – gemäss der Erst- und Folgesegmentierung der entsprechenden Ver-<br />
bindlichkeiten direkt zu segmentieren. Übrige Positionen des Finanzaufwandes, wie<br />
zum Beispiel Bankspesen, sind entsprechend den betroffenen Vermögenswerten mög-<br />
lichst direkt zuzuweisen oder je nach Erstsegmentierung zu schlüsseln.<br />
Finanzerträge und -aufwendungen, welche direkt mit dem Finanzanlagevermögen oder<br />
mit kurzfristigen Finanzierungen zusammenhängen, sind ebenfalls analog zur Bilanz-<br />
segmentierung aufzuteilen. Da das Finanzanlagevermögen für die Segmentrechnung<br />
Netz eine <strong>unter</strong>geordnete Bedeutung hat, dürften solche Ertrags- und Aufwandpositio-<br />
nen vollständig den übrigen Tätigkeiten zuzuordnen sein. 599 Andernfalls müssen die<br />
Erträge und Kosten fallspezifisch eruiert und segmentiert werden können. Die Finanz-<br />
aufwendungen dürfen jedoch nicht mit den Finanzerträgen verrechnet, sondern sollten<br />
nach Vorgabe der jeweiligen Rechnungslegung separat ausgewiesen werden. 600<br />
596 Vgl. etwa BOERSEMA & VAN WEELDEN (1992), S. 152, GEIGER (2002), S. 198f., oder MÖCKLI<br />
(1997), S. 59f.<br />
597 Vgl. PEROUTKA (2001), S. 151f.<br />
598 Vgl. POULLIE (2007), S. 250. Dies bestätigt auch GEIGER (2002), S. 244.<br />
599 Vgl. zur Bedeutung und Allokation <strong>von</strong> Finanzanlagen Kapitel 4.1.6b) hiervor.<br />
600 HWP Ziff. 2.3507.
144 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
j) Steueraufwand<br />
Auch die Segmentierung des Steueraufwandes wird in der Literatur zur Segmentbe-<br />
richterstattung als nicht sachgerecht bezeichnet, sofern die Segmentbildung nicht mit<br />
einer gesellschaftsrechtlichen Trennung einhergeht. 601 Aus Sicht der Stromverteilnetz-<br />
betreiber hingegen ist – wie einleitend zu diesem Kapitel bereits erwähnt – eine Seg-<br />
mentierung des Steueraufwandes allerdings zu befürworten, da nach Art. 7 Abs. 3<br />
StromVV anteilige direkte Steuern als anrechenbare aufwandgleiche Kosten gelten.<br />
Unter den direkten Steuern werden diejenigen Steuern verstanden, bei denen Steuerob-<br />
jekt und Steuerberechnungsgrundlage identisch sind, indem letztere als Steuerobjekt<br />
bezeichnet wird. 602 Dazu gehören in Bezug auf juristische Personen die Steuern auf<br />
Gewinn 603 und Kapital sowie – in etwa der Hälfte der Kantone – Liegenschaftssteuern<br />
bzw. Steuern auf Grundbesitz als Minimalsteuern. Indirekte Steuern sind vor allem<br />
Verkehrssteuern wie beispielsweise die Mehrwertsteuer, Handänderungssteuern oder<br />
Emissionsabgaben. 604<br />
Unselbstständige Gemeindewerke <strong>unter</strong>liegen in Bezug auf direkte Steuern keiner<br />
Steuerpflicht, da sich keine eigene Rechtspersönlichkeit haben. 605 Alle Steuergesetze<br />
sehen die Befreiung <strong>von</strong> juristischen Personen mit öffentlich-rechtlichem Charakter<br />
(Bund, Kantone, Gemeinden, Kirchgemeinden und ihre Anstalten) vor, wobei öffent-<br />
lich-rechtliche selbstständige Anstalten des kantonalen Rechts in der Regel eine Ge-<br />
winn- bzw. Einkommenssteuer und – auf kantonaler Ebene – eine Steuer auf dem Ka-<br />
pital bzw. Vermögen entrichten, sofern sie nicht aufgrund ihres gemeinnützigen, sozia-<br />
601 Vgl. etwa SOLOMONS (1965), S. 116 zit. in KIND (2000), S. 150, oder GEIGER (2002), S. 199.<br />
602 HÖHN & WALDBURGER (2001), §2, Rz. 23.<br />
603 In einigen Kantonen bei juristische Personen inklusive Steuern auf Grundstückgewinnen.<br />
604 Wobei die Abgrenzung zwischen direkten und indirekten Steuern in der Lehre nach zwei Kriterien<br />
vorgenommen wird. Alternativ zur dargestellten Auslegung kann auch darauf abgestellt werden,<br />
ob Steuersubjekt und Steuerträger identisch sind oder nicht. Demnach ist für die Eingrenzung<br />
der direkten Steuern eine Auslegung der jeweiligen Rechtsnorm nötig. Vgl. HÖHN &<br />
WALDBURGER (2001), § 3, Rz. 73ff.<br />
605 Dagegen sind unselbstständige Gemeindewerke als unselbstständige Anstalten des öffentlichen<br />
Rechts nach Art. 21 Abs. 2 MWSTG zum Beispiel nicht <strong>von</strong> der MWST-Pflicht ausgenommen.<br />
Für sie gilt – analog zu natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts – die jährliche<br />
Umsatzgrenze <strong>von</strong> CHF 75'000 nach Abs. 1 des Artikels. Als Mehrwertsteuersubjekte gelten dabei<br />
nach Art. 23 Abs. 1 MWSTG grundsätzlich die autonomen Dienststellen einer Gemeinde, was<br />
je nach Gliederung eines Gemeindewerks zu mehreren Mehrwertsteuersubjekten innerhalb einer<br />
Organisation und damit zu erhöhten Anforderungen im Rahmen der Fakturierung und Rechnungslegung<br />
führt.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 145<br />
len oder kulturellen Zwecks oder wegen ihres bescheidenen Einkommens und/oder<br />
Vermögens <strong>von</strong> der Steuerpflicht befreit sind. 606<br />
Die Segmentierung des direkten Steueraufwandes dürfte damit für sämtliche steuer-<br />
pflichtigen Stromverteilnetzbetreiber <strong>von</strong> Bedeutung sein, so dass diese trotz der in der<br />
Regel fehlenden Verursachung im einzelnen Segment aufgeteilt werden. Der VSE<br />
empfiehlt die Gewinn- und Kapitalsteuern nach dem Segmentergebnis zu schlüsseln<br />
und Liegenschaftssteuern entsprechend der Vermögensallokation direkt zuzuteilen<br />
oder alternativ nach dem Anlagenschlüssel zu verteilen. 607 Dabei ist anzumerken, dass<br />
Kapitalsteuern sowie Liegenschaftssteuern in der Regel nicht im Steueraufwand, son-<br />
dern aufgrund des fehlenden Bezugs zum Gewinnausweis im übrigen Betriebsaufwand<br />
<strong>unter</strong> Abgaben ausgewiesen werden. 608 Die Segmentierung dieser Aufwendungen lässt<br />
sich sachgerecht entsprechend dem zugewiesenen Kapital bzw. der zugewiesenen Lie-<br />
genschaften vornehmen. Die ergebnisbasierte Schlüsselung der Gewinnsteuern kann<br />
bei Durchführung der totalen Segmentierung inklusive Zurechnung des steuerlich ab-<br />
zugsfähigen Finanzaufwandes durch eine verhältnismässig aufwendige Gewinnsteuer-<br />
ermittlung pro Segment oder aber über eine vereinfachte, proportionale Zurechnung<br />
der Gewinnsteuern des Gesamt<strong>unter</strong>nehmens erfolgen. 609 Diese proportionale Vertei-<br />
lung führt im Fall eines defizitären Segments zu internen Steuergutschriften und ent-<br />
sprechenden Mehrbelastungen der profitablen Segmente. Diese Vorgehensweise ist<br />
gemäss dem Autonomous Entity Approach prinzipiell vertretbar, wobei bei längeren<br />
Verlustsituationen – zum Beispiel im margenmässig engen Vertrieb – die Werthaltig-<br />
keit der steuerlichen Verlustvorträge nur dank profitablen Segmenten sichergestellt und<br />
die einseitige Vorteilszuwendung daher in Frage gestellt werden könnte. 610 Eine nach-<br />
haltig defizitäre Segmentrechnung Netz erscheint demgegenüber aufgrund der in der<br />
Schweiz geltenden kostenbasierten Entgeltregulation 611 zurzeit eher unwahrscheinlich.<br />
Demgegenüber liesse sich bei einem nicht nachhaltig auftretenden Segmentverlust vor<br />
Steuern aus Sicht des Segments ein latentes Steueraktivum erfolgswirksam abgrenzen,<br />
606 EIDGENÖSSISCHE STEUERVERWALTUNG ESTV (2008), S. 2 und 5.<br />
607 Vgl. MEYER (2009), S. 12.<br />
608 So zum Beispiel auch <strong>unter</strong> FER; vgl. auch SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 4, S. 8.<br />
609 Vgl. POULLIE (2007), S. 251, oder PEROUTKA (2001), S. 153.<br />
610 Nach Art. 67 Abs. 1 DBG sind Verlustvorträge über sieben Steuerperioden hinweg vortragbar und<br />
verlieren anschliessend ihre steuerliche Anrechenbarkeit.<br />
611 Sogenannte Cost+-Regulation. Vgl. zur alternativen Anreizregulation etwa BORSZCZ (2003) oder<br />
VATERLAUS et al. (2003), S. 12.
146 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
das in den Folgejahren aufgelöst werden könnte. Dieses Ziel wird mit der proportiona-<br />
len Verteilung ohne segmentsspezifische Aktivierung ebenfalls erreicht. 612<br />
Je nach Rechnungslegungsstandard ist auch das latente Steuerbetreffnis auf stillen Re-<br />
serven zu berücksichtigen. 613 Solche latenten Steuern entstehen durch zeitlich befriste-<br />
te Bewertungsdifferenzen zwischen der Steuerbilanz und der Segmentbilanz Netz. Da-<br />
bei kann die Zuweisung zum Netz aufgrund der zugeordneten Vermögenswerte, auf<br />
welche die Bewertungs<strong>unter</strong>schiede entfallen, direkt erfolgen.<br />
4.1.8 Folgesegmentierung der Bilanz<br />
Grundsätzlich ergibt sich die Folgesegmentierung 614 der Segmentbilanz Netz aus der<br />
Allokation <strong>von</strong> Aktiven und Passiven im Rahmen der Erstsegmentierung, der segmentierten<br />
Aufwendungen und Erträge sowie der nicht erfolgswirksam verbuchten Bestandsänderungen<br />
pro Segment. Letzteres können zum Beispiel die Investitionen pro<br />
Segment oder die anteiligen Amortisationen des Segment-Fremdkapitals sein. Konnten<br />
die Segmentierung der Erfolgsrechnung sowie die nicht erfolgswirksamen Bestandsänderungen<br />
basierend auf der Erstsegmentierung laufend getrennt verbucht werden,<br />
ergibt sich die Folgesegmentierung durch Fortschreibung automatisch. Alternativ wird<br />
die Folgesegmentierung der Bilanz analog zur Erstsegmentierung in Form einer erneuten,<br />
aber stetigen direkten und schlüsselmässigen Aufteilung vorgenommen. Die zweite<br />
Vorgehensweise hat den bereits im Zusammenhang mit der statistischen Segmentierung<br />
erwähnten Nachteil, dass durch erneute Schlüsselungen wiederum Abweichungen<br />
zwischen der Veränderung einzelner Bilanzpositionen und den korrespondierenden<br />
Grössen der Erfolgsrechnung entstehen, welche die Segmentrechnung Netz verzerren<br />
können. 615 Daher gilt es auch ohne vollständig getrennte Folgeverbuchung die Folgesegmentierung<br />
der Bilanz möglichst weitgehend auf der Fortschreibung aufzubauen,<br />
um damit die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Zur Sicherstellung einer konsistenten<br />
Fortschreibung der Bilanz dient die Feststellung der Cashflows pro Segment;<br />
diese vermögen zusammen mit der Segmenterfolgsrechnung die wesentlichen<br />
Schlussbestände der Bilanz zu erklären. 616<br />
612<br />
So auch PEROUTKA (2001), S. 153.<br />
613<br />
Etwa nach FER 11 oder IAS 12.<br />
614<br />
Vgl. zum Begriff der Folgesegmentierung: HAASE (1974), S. 87.<br />
615<br />
Vgl. Kapitel 4.1.5 hiervor.<br />
616<br />
Wobei in der Literatur zusätzlich noch der Eigenkapitalnachweis zum detaillierten Nachvollzug<br />
der Veränderungen einzelnen Eigenkapitalpositionen angeführt und <strong>von</strong> internationalen Rech-
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 147<br />
a) Operative und investive Cashflows<br />
Die operativen Cashflows umfassen sämtliche auf Segmentebene anfallenden betrieb-<br />
lichen Ein- und Auszahlungen – insbesondere Umsatzzahlungen, herstellungsbezogene<br />
Auszahlungen (Beschaffung, Material, Personal, etc.) und die Veränderung des Nettoumlaufvermögens<br />
mit Ausnahme der liquiden Mittel. 617 Der operative Cashflow des<br />
Segments kann dabei indirekt aus dem Ergebnis der Segmenterfolgsrechnung und den<br />
segmentspezifischen Zu- bzw. Abnahmen im Nettoumlaufvermögen ermittelt werden.<br />
618 Da die Ermittlung des Segmentergebnisses im Fall der totalen Segmentierung<br />
auch die anteiligen Steuern und die anteiligen Fremdkapitalzinsen beinhaltet und letztere<br />
<strong>von</strong> der Bestimmung des Schlussbestandes der Finanzverbindlichkeiten abhängen,<br />
kommt die Fortschreibung auf dieser Basis nicht ohne iterative Verfahren – wie sie<br />
zum Beispiel in Tabellenkalkulationsprogrammen möglich sind – aus.<br />
Die Fortschreibung des Sachanlagevermögens ist durch die konsequent getrennte Erfassung<br />
der investiven Cashflows, also der Ausgaben für Investitionen und Einnahmen<br />
aus Desinvestitionen pro Segment, möglich. Grundsätzlich ist in der Segmentrechnung<br />
Netz die in Abbildung 4-15 dargestellte Relation zwischen Bilanz, Erfolgsrechnung<br />
und dem Cashflow aus Investitionstätigkeit einzuhalten.<br />
Sachanlagevermögen Netz<br />
CHF Mio.<br />
Anfangsbestand 132.0<br />
+ Investitionen (cash wirksam) 7.9<br />
+ Aktivierte Eigenleistungen 1.5<br />
./. Desinvestitionen (cash wirksam) -<br />
./. Abschreibungen -7.4<br />
= Schlussbestand 134.0<br />
Abbildung 4-15: Beispiel der Fortschreibung des Sachanlagevermögens 619<br />
Schlussbestand nach Bilanz 134.0<br />
Differenz -<br />
nungslegungsstandards wie IFRS verlangt wird. Aus Sicht der Segmentierung gilt es in der Regel,<br />
die Fortschreibung des Eigenkapitals durch Gewinnvorträge aus der Segmenterfolgsrechnung<br />
sowie eine anteilige Dividendenausschüttung sicherzustellen.<br />
617<br />
Vgl. KIND (2000), S. 170. Da die Cashflow-Rechnung die Veränderung der liquiden Mittel erklären<br />
soll, ist deren Änderung im Nettoumlaufvermögen grundsätzlich zu exkludieren oder – je<br />
nach Situation – auf die betriebsnotwendige Liquiditätshaltung zu minimieren. Letztere kann als<br />
Investition – vergleichbar mit dem Lagerbestand – interpretiert und daher in den operativen Cashflow<br />
mit einbezogen werden. Vgl. etwa LODERER (2005), S. 596.<br />
618<br />
Vgl. zur indirekten und direkten Herleitung der Cashflow-Rechnung etwa WHITE et al. (2003),<br />
S. 75ff.<br />
619 Eigene Darstellung anhand fiktiver Beispielzahlen.
148 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Gelingt es, das Nettoumlaufvermögen und das Anlagevermögen bilanziell vollständig<br />
und sachgerecht zu segmentieren, und kann <strong>unter</strong> Einhaltung der Symmetrie die Segmenterfolgsrechnung<br />
erstellt werden, so lassen sich in einem ersten Schritt die operativen<br />
und investiven Segment-Cashflows ermitteln. Dabei sind für den anteiligen Finanz-<br />
und Steueraufwand bzw. für deren Abgrenzungspositionen <strong>von</strong> der Gesamtrechnung<br />
geschlüsselte Werte einzusetzen. Diese Rechnung zeigt nun den vorläufigen Finanzierungsüberschuss<br />
bzw. den Finanzierungsbedarf des Segments an. Abbildung<br />
4-16 illustriert diese Teil-Geldflussrechnung an einem Beispiel:<br />
Geldflussrechnung Gesamt Anteil Netz<br />
CHF Mio. CHF Mio.<br />
Unternehmensergebnis 18.5<br />
11.5<br />
Abschreibungen 10.0<br />
7.4<br />
Veränderungen Nettoumlaufvermögen 8.0<br />
-2.0<br />
Aktivierung <strong>von</strong> Eigenleistungen -1.5<br />
-1.5<br />
Auflösung <strong>von</strong> Netzkostenbeiträgen -2.5<br />
-2.5<br />
Veränderung Rückstellungen -<br />
-<br />
Cash Flow aus operativer Tätigkeit 32.5<br />
12.9<br />
Nettoinvestitionen -18.5<br />
-7.9<br />
Cash Flow aus Investitionstätigkeit -18.5<br />
-7.9<br />
Finanzierung 14.0<br />
5.0<br />
Abbildung 4-16: Beispiel des Finanzierungsnachweises durch die Segmentgeldflussrechnung 620<br />
b) Finanzielle Cashflows<br />
Der finanzielle Cashflow umfasst den Geldfluss aus Finanzierungstätigkeit und damit<br />
sämtliche Ein- und Auszahlungen an Fremd- und Eigenkapitalgeber. 621 Im Unterschied<br />
zum operativen und investiven Cashflow hängt der finanzielle Cashflow direkt vom<br />
umstrittenen Entscheid zur Segmentierung der Positionen der Unternehmensfinanzierung<br />
ab. Erfolgt keine vollständig getrennte Verbuchung der Finanzierungsströme, ist<br />
eine indirekte Herleitung der Schlussbestände notwendig.<br />
Würde der Segmentrechnung Netz im oben dargestellten Beispiel anstelle <strong>von</strong> Liquidität<br />
und aufgeteilten Beständen vom Fremd- und Eigenkapital lediglich eine minimale<br />
interne Finanzierung zugewiesen – bestehend aus einem internen Darlehen und einem<br />
internen Eigenkapitalanteil (interne Beteiligung bei übrigen Aktivitäten) – so müsste<br />
der finanzielle Cashflow die Geldflussrechnung auf null ausgleichen und somit eine<br />
Rückzahlung des internen Fremdkapitals oder eine interne Dividende <strong>von</strong> insgesamt<br />
620 Eigene Darstellung in Anlehnung an POULLIE (2007), S. 245. Fiktive Beispielzahlen.<br />
621 Vgl. SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 5, S. 1.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 149<br />
CHF 5.0 Mio. ausweisen. 622 Alternativ liesse sich anhand dieses approximativ ermit-<br />
telten Finanzierungsbedarfs auch eine Schlüsselung der Netto-Veränderung der Finan-<br />
zierung des Gesamt<strong>unter</strong>nehmens vornehmen. 623 Die dabei entstehenden Differenzen<br />
zwischen dem Finanzierungsbedarf bzw. -überschuss und der anteiligen Erhöhung<br />
oder Reduktion der Finanzierung führen zu Änderungen im Liquiditätsbestand.<br />
Geldflussrechnung Gesamt Anteil Netz<br />
CHF Mio. CHF Mio.<br />
Unternehmensergebnis 18.5<br />
11.5<br />
Abschreibungen 10.0<br />
7.4<br />
Veränderungen Nettoumlaufvermögen 8.0<br />
-2.0<br />
Aktivierung <strong>von</strong> Eigenleistungen -1.5<br />
-1.5<br />
Auflösung <strong>von</strong> Netzkostenbeiträgen -2.5<br />
-2.5<br />
Veränderung Rückstellungen -<br />
-<br />
Cash Flow aus operativer Tätigkeit 32.5<br />
12.9<br />
Nettoinvestitionen -18.5<br />
Cash Flow aus Investitionstätigkeit -18.5<br />
Finanzierung 14.0<br />
Veränderung Finanzierung -5.0<br />
Kapitalerhöhungen / -herabsetzung -<br />
Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit -5.0<br />
Total Cash Flow 9.0<br />
Liquide Mittel 01.01. 40.0<br />
Liquide Mittel 31.12. 49.0<br />
Bestandsänderung 9.0<br />
Abbildung 4-17: Beispiel des Liquiditätsnachweises durch die Segmentgeldflussrechnung 624<br />
Wurde hingegen der Segmentbilanz Netz im Rahmen der Erstsegmentierung ein Anteil<br />
Liquidität sowie eine anteilige Finanzierungsstruktur zugewiesen, ist die Veränderung<br />
des anteiligen Fremd- und Eigenkapitals ebenfalls zu segmentieren und der finanzielle<br />
Cashflow somit über die Bestandsänderungen festzustellen. In diesem Fall lässt sich<br />
die sich notwendigerweise ergebene Veränderung der liquiden Mittel aus der Seg-<br />
mentgeldflussrechnung ableiten. Abbildung 4-17 stellt das bereits oben präsentierte<br />
Beispiel durch die Ergänzung des finanziellen Cashflows dar und weist die Erklärung<br />
622 Vgl. zu dieser Methodik das ausführliche Beispiel bei KIND (2000), S. 172ff., wobei er aus Sicht<br />
der Segmentbewertung auf eine Segmentierung <strong>von</strong> Fremdkapitalzinsen und Steuern verzichtet<br />
und stattdessen auf eine reine, interne Eigenfinanzierung abstellt. Damit erübrigt sich die sonst<br />
notwendige Iteration zur Ermittlung des neuen anteiligen Finanz- und Steueraufwandes.<br />
623 So etwa illustriert bei BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 107f., in Bezug auf das Fremdkapital.<br />
Ein analoges Verfahren ist auch für das Eigenkapital im Falle <strong>von</strong> Kapitalveränderungen<br />
denkbar.<br />
-7.9<br />
-7.9<br />
624 Eigene Darstellung in Anlehnung an POULLIE (2007), S. 245. Fiktive Beispielzahlen.<br />
5.0<br />
-5.0<br />
-<br />
-5.0<br />
-0.0<br />
10.0<br />
10.0<br />
-0.0
150 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
der Bestandsänderung der dem Netz zugewiesenen Mittel über den Ausweis des totalen<br />
Segment-Cashflows nach.<br />
c) Bilanzausgleichspositionen<br />
Die dargestellten Beispiele zeigen, dass eine Fortschreibung ohne durchgängig getrennte<br />
Folgeverbuchung sämtlicher Geschäftsvorfälle nur annähernd, nämlich anhand<br />
<strong>von</strong> Hilfsrechnungen möglich ist, wobei basierend auf der Segmentbildung oder der<br />
Schlüsselung jeweils zwei der drei Endbestände – Liquidität, Fremd- und Eigenkapital<br />
– festgelegt sein müssen. Die residuale Position dient jeweils zum Bilanzausgleich. Im<br />
ersten Beispiel ist die Liquidität auf null festgesetzt (Prinzip der vollständigen internen<br />
Abschöpfung), so dass die gesamte Rechnung über die Finanzierung ausgeglichen<br />
werden muss. Im zweiten Beispiel ist der Bestand <strong>von</strong> Fremdkapital über die erneut<br />
erfolgte Schlüsselung Ende Jahr und das Eigenkapital durch die Fortschreibung des<br />
Anfangsbestandes zuzüglich des Segmentergebnisses determiniert, so dass die Bilanz<br />
über die Liquidität ausgeglichen wird. Anstelle eines solchen Ausgleiches ist auch die<br />
separate Darstellung eines Bilanzausgleichspostens auf der Aktiv- oder der Passivseite<br />
der Segmentbilanz möglich. 625 POULLIE hält vor dem Hintergrund dieser Segmentierungsmöglichkeiten<br />
fest, dass sich in Abhängigkeit <strong>von</strong><br />
• der Trennung oder Zusammenfassung des Eigen- und Fremdkapitalbereichs,<br />
• der Zuordnung des Eigen- und Fremdkapitalbereichs zu den einzelnen Segmenten<br />
oder ausserhalb der operativen Tätigkeiten,<br />
• der Bestimmung oder Nichtbestimmung eines Bilanzpostens als Residualgrösse<br />
bzw. der Verwendung eines separaten Bilanzausgleichpostens,<br />
• der prozentualen oder betragsmässigen Festlegung des Eigen- und Fremdkapitals<br />
und<br />
• der Erstsegmentierung oder der Fortschreibung des Eigen- und Fremdkapitals<br />
zahlreiche Gestaltungsvarianten <strong>unter</strong>scheiden lassen. 626 Diese gilt es aus Sicht des<br />
jeweiligen Stromverteilnetzbetreibers zu evaluieren, festzulegen, zu dokumentieren<br />
und anschliessend stetig anzuwenden. Die Verfahren und Hilfsrechnungen zeigen dabei<br />
die Grenzen der totalen Segmentierung bei fehlender vollständig getrennter Verbuchung<br />
nach Segmenten auf.<br />
625 Diese Ansicht vertritt der VSE im Unbundling-Leitfaden. Vgl. MEYER (2009), S. 16.<br />
626 POULLIE (2007), S. 240.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 151<br />
4.2 Bewertung<br />
Für die Bewertung der in der Segmentrechnung Netz ausgewiesenen Positionen der<br />
Erfolgsrechnung und der Bilanz gilt gemäss Auslegung <strong>von</strong> Art. 11 StromVG die<br />
Massgeblichkeit der Schweizerischen Rechnungslegungsvorschriften oder eines aner-<br />
kannten Rechnungslegungsstandards. Im Gegensatz zur Umsetzung des buchhalteri-<br />
schen Unbundling des Segments Netz ist die Bewertung somit keine organisations-<br />
und systemabhängige Verfahrensfrage mit grossem Ermessenspielraum. Dieser ist<br />
vielmehr durch die Ausgestaltung und Detaillierung des jeweilig angewendeten Rechnungslegungsstandards<br />
definiert. Aufgrund der fehlenden Vorgabe einer einheitlichen<br />
Rechnungslegung verfügen Schweizer Stromverteilnetzbetreiber in Bezug auf den anzuwenden<br />
Rechnungslegungsstandard über ein im Vergleich zu den europäischen<br />
<strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> zusätzliches Wahlrecht. Dieses äussert sich nicht darin,<br />
dass aufgrund der <strong>unter</strong>schiedlichen Rechtsformen verschiedene Standards zur Anwendung<br />
gelangen. Dieser Umstand ist aufgrund der fehlenden Vereinheitlichungsvorgabe<br />
in der StromVV zurzeit rechtlich so gegeben. Hingegen können sich Stromverteilnetzbetreiber,<br />
welche mehrere Bewertungssysteme führen, bewusst für oder gegen<br />
die Anwendung eines Standards zur Bewertung der Segmentrechnung Netz entscheiden.<br />
Es kann vorkommen, dass bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> – je nach Grösse und<br />
Struktur des Betriebs und dem Grad der Harmonisierung im Reporting – bis zu fünf<br />
Bewertungssysteme im Einsatz stehen:<br />
Steuerrecht<br />
(Tax Accounting)<br />
StromVG<br />
(Regulatory Accounting)<br />
OR / HRM<br />
(Legal Accounting)<br />
Reporting-Standard<br />
(Financial Accounting)<br />
Internes Reporting<br />
(Management Accounting)<br />
Abbildung 4-18: Mögliche Bewertungssysteme eines Stromverteilnetzbetreibers 627<br />
627 Eigene Darstellung.<br />
Segmentrechnung<br />
Netz
152 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Die Segmentrechnung Netz dürfte bei der überwiegenden Mehrheit der Schweizer<br />
Stromverteilnetzbetreiber – aufgrund <strong>von</strong> deren Grösse und Struktur sowie infolge der<br />
mit der Rechnungslegung verbundenen Freiheitsgrade – nach den für sie geltenden<br />
Minimalvorgaben ausgewiesen werden: das heisst nach OR bzw. nach HRM. 628 Grös-<br />
sere Stromverteilnetzbetreiber können sich demgegenüber dafür entscheiden – zum<br />
Beispiel aus Gründen der Nachvollziehbarkeit oder der Effizienz – ihre Segmentrech-<br />
nung Netz nach den nationalen Swiss GAAP FER oder den internationalen IFRS zu<br />
erstellen. 629 Dies kann insbesondere auch damit zusammenhängen, dass grössere Un-<br />
ternehmen dazu übergegangen sind, ihre Buchführung etwa direkt nach IFRS zu führen<br />
und einmal pro Jahr eine Überleitung auf den gesetzlich vorgeschrieben Abschluss<br />
nach OR zu vollziehen. 630 Leistungsfähige Buchhaltungssysteme sind darüber hinaus<br />
in der Lage, die Führung verschiedener Werte parallel zu ermöglichen. 631 In Bezug auf<br />
die Anlagebuchhaltung dürfte die Erfordernis zur parallelen Führung mehrerer Bewertungssysteme<br />
selbst bei kleinen <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> bestehen, da in der Regel<br />
im Minimum zwischen der buchmässigen und der kalkulatorischen Anlagebewertung<br />
ohne aufwendige jährliche Überleitungsrechnungen <strong>unter</strong>schieden werden muss. 632<br />
Es ist nicht das Ziel, vorliegend die einzelnen, zum Teil sehr <strong>unter</strong>schiedlichen Bewertungsvorschriften<br />
aller relevanten Rechnungslegungsstandards aufgrund <strong>von</strong> deren<br />
Massgeblichkeit darzulegen bzw. auf Unterschiede hin zu <strong>unter</strong>suchen. Vielmehr stellen<br />
sich für die Bewertung der Segmentrechnung Netz übergreifende Fragen zur Abstimmung<br />
mit der regulatorischen Kostenrechnung. Im Vordergrund stehen dabei die<br />
Anlagebewertung sowie die internen Verrechnungspreise.<br />
628 Vgl. dazu die Ergebnisse der empirischen Befragung in Kapitel 6.4.1.<br />
629 Die Frage der Darstellung auf Stufe des Konzern- oder des Einzelabschlusses dürfte massgeblich<br />
mit der Wahl des Rechnungslegungsstandards und der Publikationsform zusammenhängen. So ist<br />
es denkbar, dass ein Konzern einen gesellschaftsübergreifenden Ausweis des Segments Netz auf<br />
Stufe des konsolidierten Abschlusses erbringt und damit Synergien zur <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
nach IFRS 8 ausschöpfen kann. Grundsätzlich ist aber aus Sicht des StromVG da<strong>von</strong> auszugehen,<br />
dass jede rechtliche Einheit, welche als Netzbetreiber qualifiziert, auch in der Lage sein muss, einen<br />
Ausweis auf Stufe Einzelabschluss zu erbringen.<br />
630 Dieses System befürworten etwa LEIBFRIED & WEBER (2003), S. 22f., oder auch LÜDENBACH<br />
(2004), S. 325, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der handelsrechtliche Abschluss einmal<br />
pro Jahr, der Abschluss nach IFRS hingegen quartalsweise und zeitnah vorliegen muss.<br />
631 Vgl. zum Beispiel BARTHÉLEMY & WILLEN (2003) in Bezug auf SAP R/3.<br />
632 So auch die Empfehlung des VSE im Zusammenhang mit der Netzbewertung. Vgl. BRAUN<br />
(2007), S. 15.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 153<br />
4.2.1 Kalkulatorische und buchmässige Bewertung<br />
Wie im Rahmen der Gesetzesauslegung <strong>von</strong> Art. 11 StromVG festgehalten wurde, sind<br />
die Vorgaben zur Bemessung der Abschreibungen und der Kapitalverzinsung nach Art.<br />
15 Abs. 3 StromVG und Art. 13 StromVV kalkulatorischer Natur und beziehen sich<br />
ausschliesslich auf die zu Kalkulationszwecken jährlich zu erstellende und der ElCom<br />
zur Überprüfung einzureichende Kostenrechnung Netz. Die Unterscheidung gegenüber<br />
der Segmentrechnung Netz führt über sachliche Abgrenzungen, welche einerseits neut-<br />
rale Aufwände und Erträge ausscheiden und andererseits auf Stufe der Kostenrechnung<br />
die kalkulatorischen Kosten- und Erlöselemente als Zusatzkosten und -erlöse berück-<br />
sichtigen. 633<br />
Segmentrechnung Netz<br />
neutraler<br />
Aufwand / Ertrag<br />
Abbildung 4-19: Sachliche Abgrenzung zwischen Aufwand / Ertrag und Kosten / Erlösen 634<br />
Beide Rechnungen lassen sich – wie bereits im Zusammenhang mit der betriebsbuch-<br />
halterischen Segmentierung der Segmentrechnung Netz ausgeführt – durch eine enge<br />
Segmentdefinition sowie durch eine Harmonisierung der Bewertungen in Abhängig-<br />
keit <strong>von</strong> der Flexibilität des Rechnungslegungsstandards aneinander angleichen. 635 So<br />
können neutrale Aufwände bzw. Erträge, wie beispielsweise betriebsfremde Finanzer-<br />
träge, zusammen mit den korrespondierenden Vermögenspositionen – statt dem Seg-<br />
ment Netz – direkt den übrigen Aktivitäten zugewiesen werden. Ferner lassen sich un-<br />
633 Vgl. zu den sachlichen Abgrenzungen weiterführend etwa RÖÖSLI (2004), S. 83f., oder STAHL<br />
(1999), S. 33ff. Letzterer spricht sich für eine Sicherstellung der Überleitbarkeit zwischen internem<br />
und externem Rechnungswesen durch die Anwendung eines geschlossenen Rechenkreises<br />
und die Reduktion kalkulatorischer Grössen aus: "Wenn das Instrument der kalkulatorischen Abgrenzung<br />
zu intensiv genutzt wird, sinkt ganz deutlich die Aussagekraft und Transparenz der controllingorientierten<br />
Ergebnisrechnung. [...] Alle Differenzen sind in die Ergebnisrechnung zu überführen,<br />
da ohne sie keine Abstimmung zu erreichen ist."<br />
634 Eigene Darstellung in Anlehnung an MUNZ (2008), S. 9. Aufwand und Ertrag sind als Bestandteile<br />
der Segmentrechnung buchmässige Werte, wohingegen Kosten und Erlös als kalkulatorische<br />
Werte der Kostenrechnung entnommen werden.<br />
635 Vgl. Kapitel 4.1.4 hiervor.<br />
kosten- / erlösgleiche<br />
Aufwendungen /<br />
Erträge<br />
aufwand- /<br />
ertragsgleiche<br />
Kosten / Erlöse<br />
Zusatzkosten / -erlöse<br />
Kostenrechnung Netz
154 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
terschiedliche Aktivierungsgrenzen vermeiden, so dass auch dadurch keine neutralen<br />
Aufwände entstehen, welche für die Kostenrechnung zu aktivieren und abzuschreiben<br />
wären. Eine Angleichung der Abschreibungen ist dann möglich, wenn der jeweilige<br />
Rechnungslegungsstandard betriebswirtschaftliche Abschreibungen über die Nutzungsdauer<br />
zulässt. 636 In der Realität dürften aber gerade in Bezug auf die Abschreibungen<br />
<strong>von</strong> Netzanlagen aufgrund der bisherigen Aktivierungs- und Abschreibungspolitik<br />
bei vielen <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> wesentliche Differenzen bestehen. Auf diese<br />
Problematik wird daher im nächsten Abschnitt ausführlicher eingegangen.<br />
Unvermeidlich sind sachliche Abgrenzungen in Bezug auf ausserordentliche Positionen<br />
und auf die Fremdkapitalzinsen. Erstere sind für die zu Kalkulationszwecken erstellte,<br />
regulatorische Kostenrechnung nicht massgeblich, müssen jedoch nach dem<br />
Vollständigkeitsprinzip in der Jahresrechnung und damit – sofern sie überhaupt segmentierbar<br />
sind – auch in der Segmentrechnung Netz erfasst werden. 637 Die dem Netz<br />
zugewiesenen, effektiv angefallenen Fremdkapitalzinsen werden durch Zusatz- bzw.<br />
Anderskosten in Form <strong>von</strong> kalkulatorischen Fremd- und Eigenkapitalzinsen nach Vorgabe<br />
<strong>von</strong> Art. 13 Abs. 3 lit. b StromVV ersetzt. Insbesondere der Ansatz <strong>von</strong> kalkulatorischen<br />
Eigenkapitalzinsen in der Segmentrechnung Netz würde dem pagatorischen<br />
Grundsatz widersprechen, da diese Zinsen nicht direkt ausbezahlt, sondern über den<br />
offenen Ausweis eines Gewinns und dessen Verwendung thesauriert oder ausgeschüttet<br />
werden können. 638 Aufgrund des GoS der Massgeblichkeit der Rechnungslegungsstandards<br />
ist ein Ansatz kalkulatorischer Eigenkapitalzinsen für die Segmentrechnung Netz<br />
daher auszuschliessen. 639<br />
Könnten die sachlichen Abgrenzungen zwischen der Kostenrechnung und der Segmentrechnung<br />
Netz auf die Eigenkapitalverzinsung minimiert werden, so würde der in<br />
636<br />
Diese Voraussetzungen können insbesondere bei unselbstständigen Gemeindewerken, welche<br />
nach HRM I bilanzieren und keine Ausnahmeregelung kennen, nicht erfüllt sein.<br />
637<br />
Vgl. Kapitel 4.1.7h) hiervor.<br />
638<br />
Vgl. MÄNNEL (1999), S. 17f., welcher für die kostenrechnerische Trennung <strong>von</strong> Fremd- und Eigenkapitalzinsen<br />
plädiert, um die Identifikation <strong>von</strong> "Gewinnelementen" zu ermöglichen.<br />
639 So auch D'ARCY & BURRI (2009), S. 132. Sie bestätigen, dass diese Feststellung sogar auch für<br />
den Management Approach nach IFRS 8 gilt und verweisen dabei auf IFRS 8.23, welcher den<br />
Ausweis eines Segmentergebnisses verlangt. Da der zulässige Gewinn im Netz (zumindest im Bereich<br />
Netznutzung) regulatorisch auf die Eigenkapitalverzinsung beschränkt ist, würde die Segmentrechnung<br />
Netz kein Ergebnis mehr ausweisen. Anderer Meinung ist DORPRIGTER (2001),<br />
S. 167. Er spricht sich im Rahmen des Finanzfondkonzepts (vgl. dazu Kapitel 4.1.6a) für eine interne<br />
Verzinsung des Gesamtkapitals aus und hält diesen Ansatz auch <strong>unter</strong> den Vorgaben des alten<br />
EnWG, das heisst trotz Massgeblichkeit des HGB, für zulässig.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 155<br />
der Segmentrechnung Netz ausgewiesene Segmentgewinn der in der Kostenrechnung<br />
Netz eingerechneten Eigenkapitalverzinsung entsprechen. 640 Damit ist auch erklärbar,<br />
wieso gemäss dem Wortlaut <strong>von</strong> Art. 15 Abs. 1 StromVG die Betriebs- und Kapital-<br />
kosten des Verteilnetzbereichs einen angemessenen Betriebsgewinn beinhalten dürfen.<br />
4.2.2 Bewertung der Netzanlagen<br />
Die Bewertung der Netzanlagen, der wichtigsten Positionen der Segmentbilanz Netz,<br />
erfolgt aufgrund der Massgeblichkeit buchmässiger Werte basierend auf den Vorgaben<br />
des jeweiligen Rechnungslegungsstandards. Die zentralen Bewertungsvorschriften der<br />
relevanten Standards können wie folgt zusammengefasst werden:<br />
AKTIENRECHT HRM I HRM II FER IFRS<br />
Aktivierung <strong>von</strong> Sachanlagen<br />
Materielle Aktiven,<br />
welche dem<br />
Unternehmen zur<br />
langfristigen oder<br />
mehrmaligen<br />
Nutzung zur Verfügung<br />
stehen<br />
und durch Abnützung<br />
mittelbar in<br />
das Leistungsergebniseinge-<br />
hen. 641<br />
Aktivierung <strong>von</strong><br />
Ausgaben für den<br />
Erwerb <strong>von</strong> Vermögenswerten,<br />
welche über mehrere<br />
Jahre genutzt<br />
werden können<br />
(Verwaltungsvermögen).<br />
Auch<br />
Eigenleistungen<br />
sind zu aktivieren.<br />
642 Aktivierungsgrenze<br />
bis<br />
zu CHF 50'000.<br />
Aktiviert werden<br />
wesentliche Ausgaben<br />
mit einer<br />
mehrjährigen<br />
Nutzungsdauer<br />
(Verwaltungsvermögen).Aktivierungsgrenzen<br />
sind nach dem<br />
Prinzip der Wesentlichkeitfest-<br />
zulegen. 643<br />
Aktivierung sofern<br />
Markt- oder<br />
Nutzwert vorhanden,<br />
Nutzung<br />
über mehr als<br />
eine Periode und<br />
falls Aktivierungs<strong>unter</strong>grenze<br />
überschritten<br />
wird. Gleiches<br />
gilt für Eigenleistungen,<br />
sofern<br />
diese einzeln<br />
erfasst und gemessen<br />
werden<br />
können. 644<br />
Aktivierung nach<br />
dem Grundsatz<br />
der Einzelbewertung,<br />
sofern Future<br />
Economic Benefits<br />
bei einer<br />
Nutzung <strong>von</strong> über<br />
einer Periode<br />
wahrscheinlich<br />
sind und die Kosten<br />
verlässlich<br />
ermittelt werden<br />
können. 645<br />
640 Dieser aus Sicht der Harmonisierung beurteilte Idealzustand ist in der Realität nur auf Stufe Gewinn<br />
vor Zinsen möglich, da über den WACC nur normierte Fremdkapitalzinsen anstelle der effektiven<br />
Fremdkapitalzinsen anrechenbar sind. Dieser Fall dürfte aber aufgrund weiterer sachlicher<br />
Abgrenzungen selten bleiben.<br />
641 HWP Ziff. 2.3412.<br />
642 HRM I, Ziff. 413ff., 447.<br />
643 HRM II 10.01, 12.04f.<br />
644 FER 18.3, 18.4.<br />
645 IAS 16.6, 16.7.
156 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Erstbewertung<br />
Zu Anschaffungsoder<br />
zu Herstellkosten,<br />
wobei<br />
eine Aktivierung<br />
<strong>von</strong> Bauzinsen<br />
erlaubt ist. 646<br />
Folgebewertung<br />
Ordentliche Abschreibung<br />
über<br />
die Nutzungsdauer,<br />
wobei die<br />
Werthaltigkeit zu<br />
prüfen ist. ZusätzlicheAbschreibungen<br />
zu<br />
Wiederbeschaffungszwecken<br />
oder zur Bildung<br />
stiller Reser-<br />
ven. 651<br />
Zum Anschaf-<br />
fungswert. 647<br />
Degressive Abschreibung<br />
vom<br />
Restbuchwert <strong>von</strong><br />
mindestens 10%<br />
und maximal<br />
25% im gewogenen<br />
Mittel. 652<br />
Zum Anschaf-<br />
fungswert. 648<br />
Lineare oder degressive,betriebswirtschaftlicheAbschreibungen<br />
über Nutzungsdauer.ZusätzlicheAbschreibungen<br />
sind<br />
nur als ausserordentlicherAufwand<br />
möglich. 653<br />
Zu Anschaffungsoder<br />
zu Herstellkosten,<br />
wobei<br />
eine Aktivierung<br />
<strong>von</strong> Bauzinsen<br />
<strong>unter</strong> Auflagen<br />
erlaubt ist. 649<br />
Lineare, degressive<br />
oder leistungsbezogene<br />
Abschreibung<br />
über Nutzungsdauer,<br />
wobei die<br />
Werthaltigkeit zu<br />
prüfen ist.<br />
Alternative Folgebewertung<br />
zu<br />
aktuellen Wer-<br />
ten. 654<br />
Tabelle 4-1: Relevante Standards zur buchmässigen Bewertung der Sachanlagen<br />
Zu Anschaffungsoder<br />
zu Herstellkosten,<br />
wobei<br />
eine Aktivierung<br />
<strong>von</strong> Bauzinsen<br />
<strong>unter</strong> Auflagen<br />
erlaubt ist. 650<br />
Lineare, degressive<br />
oder leistungsbezogene<br />
Abschreibung<br />
über Nutzungsdauer,<br />
wobei die<br />
Werthaltigkeit zu<br />
prüfen ist. 655<br />
Alternative Folgebewertung<br />
bei<br />
verlässlicher Fair<br />
Value-<br />
Ermittlung. 656<br />
Wie bereits in Kapitel 2.3.1 festgehalten, ist für genossenschaftlich organisierte<br />
Stromverteilnetzbetreiber nach Art. 960 OR grundsätzlich auch eine Folgebewertung<br />
646<br />
Art. 665 OR; HWP Ziff. 2.3412.<br />
647<br />
HRM I, Ziff. 414.<br />
648<br />
HRM II 12.04.<br />
649<br />
FER 18.6, 18.7.<br />
650<br />
IAS 16.15ff. Die Aktivierung <strong>von</strong> Bauzinsen ist <strong>unter</strong> IAS 23 separat geregelt.<br />
651<br />
HWP Ziff. 2.3412, Art. 669 OR.<br />
652<br />
HRM I, Ziff. 449f.<br />
653<br />
HRM II 12.6.<br />
654<br />
FER 18.8ff. Wobei der Grundsatz der Einzelbewertung und der einheitlichen Bewertung pro Bilanzposition<br />
gilt.<br />
655<br />
IAS 16.43ff.<br />
656 IAS 16.29ff. Wobei der Grundsatz der einheitlichen Bewertung pro Anlageklasse gilt.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 157<br />
zu aktuellen Werten zulässig. Diese Möglichkeit ist für Aktiengesellschaften gemäss<br />
der Bewertungsgrenze <strong>von</strong> Art. 665 OR nach oben limitiert.<br />
a) Vergleich mit kalkulatorischen Vorgaben <strong>von</strong> StromVG und StromVV<br />
Die dargestellten, für die Stromverteilnetzbetreiber zur buchmässigen Bewertung der<br />
Netzanlagen und der übrigen dem Netz zugewiesenen Sachanlagen relevanten Vorga-<br />
ben können mit den kalkulatorischen Bewertungsvorschriften der StromVV verglichen<br />
werden. Nach Art. 15 Abs. 3 StromVG sind die bestehenden Anlagen kalkulatorisch<br />
auf Basis ihrer ursprünglichen Anschaffungs- bzw. Herstellkosten zu bewerten. Art. 13<br />
Abs. 3 StromVV schreibt vor, dass die jährlichen kalkulatorischen Abschreibungen<br />
basierend auf den Anschaffungs- bzw. den Herstellkosten bei linearer Abschreibung<br />
über eine festgelegte Nutzungsdauer auf den Restwert null berechnet werden müssen.<br />
Als Anschaffungs- bzw. Herstellkosten gelten gemäss Wortlaut nur die Baukosten der<br />
betreffenden Anlagen. Die jeweiligen Nutzungsdauern hat der VSE mit Angaben <strong>von</strong><br />
Bandbreiten für das Verteilnetz und für übrige Sachanlagen – gemäss der Verpflichtung<br />
nach Art. 13 Abs. 1 StromVV – festgelegt. 657<br />
Mit diesen Vorgaben schränken StromVG und StromVV die Erst- und Folgebewertung<br />
<strong>von</strong> Anlagen im Vergleich zu denjenigen Rechnungslegungsvorschriften ein, welche<br />
ebenfalls die Anwendung des Anschaffungswertprinzips sowie die lineare Abschreibung<br />
über die Nutzungsdauer vorschreiben oder im Rahmen <strong>von</strong> Wahlmöglichkeiten<br />
zulassen. Dies trifft auf die Vorgaben durch OR, HRM II, FER und IFRS zu. Unter<br />
HRM I ist die lineare Abschreibung über die Nutzungsdauer grundsätzlich nicht vorgesehen,<br />
aber je nach kantonalen Regelungen dennoch möglich. 658 Gemäss dem Wortlaut<br />
und nach Einschätzung der ElCom sind für die Kalkulation – wie im Zusammenhang<br />
mit der Abgrenzung <strong>von</strong> Goodwillpositionen bereits erwähnt – nur die ursprünglichen<br />
(historischen) Anlagenwerte relevant, und nicht etwa da<strong>von</strong> abweichende Handänderungspreise<br />
im Rahmen <strong>von</strong> Folgetransaktionen, wie zum Beispiel bei Netzkäufen<br />
oder Ausgliederungen. 659 Dies stellt einen massgeblichen Unterschied zu den Vorgaben<br />
sämtlicher Rechnungslegungsvorschriften dar. 660 Ferner wird die Abschreibungsme-<br />
657<br />
Netznutzungsmodell für Schweizerische Verteilnetze (NNMV): WITSCHI et al. (2008), S. 65f.<br />
Vgl. auch SPAAR & KOPRIWA (2004), Kapitel 5, S. 4ff.<br />
658<br />
Vgl. Fussnote 180.<br />
659<br />
Vgl. Kapitel 4.1.6d).<br />
660<br />
Wobei sich die Differenz in der Praxis durch die entsprechende Kaufpreisbildung bzw. die Zuweisung<br />
allfälligen Goodwills zum Vertrieb für zukünftige Akquisitionen in Grenzen halten dürfte. Je
158 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
thode auf die lineare Methode beschränkt und die Festsetzung eines Anlagerestwerts<br />
ausgeschlossen. Zudem ist fraglich, inwiefern mit der Eingrenzung auf Baukosten laut<br />
Art. 13 Abs. 3 StromVV ein Unterschied gegenüber der üblichen Definition <strong>von</strong> An-<br />
schaffungs- und Herstellkosten in der Rechnungslegung erfolgt. Insbesondere dürfte<br />
die Aktivierung <strong>von</strong> Fremdkapitalzinsen umstritten sein. 661 Diese Differenzen zeigen,<br />
dass selbst bei einer Anlagebewertung nach betriebswirtschaftlich orientierten Rech-<br />
nungslegungsstandards wie FER oder IFRS Abweichungen <strong>von</strong> den kalkulatorischen<br />
Vorgaben nach StromVG und StromVV bestehen können. Jedoch dürfte die Praxis<br />
etlicher Stromverteilnetzbetreiber, welche bisher – insbesondere <strong>unter</strong> FER oder IFRS<br />
– nach dem Anschaffungsprinzip linear über die vom VSE vorgegebenen Nutzungs-<br />
dauern abgeschrieben haben, eine weitgehende Harmonisierung der buchmässigen und<br />
kalkulatorischen Anlagebewertung ermöglichen. 662 So wurde beispielsweise aufgrund<br />
der Wesentlichkeit sowie der Verpflichtung zur jährlichen Überprüfung oft auf den An-<br />
satz <strong>von</strong> Restwerten bei Verteilnetzanlagen verzichtet. 663<br />
Die stichtagsbezogenen Differenzen zwischen den kalkulatorischen Vorgaben <strong>von</strong><br />
StromVG und StromVV und der buchmässigen Bewertung gemäss Rechnungsle-<br />
gungsvorschriften sollten bei Segmentrechnungen nach FER oder IFRS daher geringer<br />
ausfallen als bei Segmentrechnungen nach OR oder HRM. 664 Bei den Letzteren sind<br />
aufgrund der dargestellten Bewertungsvorgaben im Vergleich zu den kalkulatorischen<br />
Werten deutlich zu tiefe Anlagewerte und erhebliche stille Reserven zu erwarten. Un-<br />
ter HRM sind die tiefen Bewertungen mit den hohen Aktivierungsgrenzen, der bisher<br />
(nach HRM I) in vielen Kantonen zwingenden, degressiven Abschreibung <strong>von</strong> 10%<br />
nach Einschätzung und Segmentierung könnten dadurch auch Wertberichtigungen auf bestehenden,<br />
die historischen Anlagewerte übersteigenden Aktivierungen der Vergangenheit nötig werden.<br />
Vgl. Abschnitt c) hiernach.<br />
661 So führt die Aktivierung <strong>von</strong> Fremdkapitalzinsen aus Sicht der Regulation zu einer doppelten<br />
Kostenverrechnung, indem die effektiven Zinsen aktiviert und auf dem aktivierten Betrag die kalkulatorischen<br />
Zinsen noch einmal verrechnet würden. Jedoch ist diese Problematik <strong>unter</strong> dem Aspekt<br />
der Wesentlichkeit zu beurteilen. Eine Elimination sämtlicher Zinsaktivierungen der Vergangenheit<br />
zu kalkulatorischen Zwecken bedingt eine aufwendige Aufarbeitung dieser Tatbestände<br />
sowie eine konsequente Parallelrechnung zu kalkulatorischen Zwecken.<br />
662 Die Branchenvorgaben zu FER 16 empfehlen beispielsweise die lineare Abschreibung basierend<br />
auf Anschaffungs- bzw. Herstellkosten. Vgl. SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 5, S. 1.<br />
663 Die in der Praxis oftmals in Frage gestellte Wesentlichkeit <strong>von</strong> Restwerten sowie deren relativ<br />
aufwendige jährliche Überprüfung bestätigen VÖGELI et al. (2008), Register 6, S. 2. Grundsätzlich<br />
sollten aber alle Anlagen, welche noch im Gebrauch sind, gemäss IFRS einen Restbuchwert<br />
ausweisen. Ein Ansatz <strong>von</strong> Restwerten dürfte somit <strong>unter</strong> IFRS im Vergleich zu anderen Rechnungslegungsvorschriften<br />
eher erforderlich sein.<br />
664 Vgl. dazu die Ergebnisse der empirischen Befragung in Kapitel 6.4.2.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 159<br />
sowie mit der Zulässigkeit <strong>von</strong> Überabschreibungen zu begründen. Unter OR sind Un-<br />
terbewertungen der Anlagen aufgrund der Zulässigkeit der Bildung stiller Reserven<br />
naheliegend, da die handelsrechtliche Bilanz für die steuerliche Veranlagung massgeb-<br />
lich ist. 665 Diese Differenzen sind der Grund, weshalb nach der Botschaft zum<br />
StromVG die kalkulatorischen Abschreibungen <strong>von</strong> den nach steuerlichen und finan-<br />
ziellen Aspekten ermittelten Abschreibungen der Finanzbuchhaltung <strong>unter</strong>schieden<br />
werden sollen. 666<br />
b) Unterbewertung <strong>von</strong> Netzanlagen in der Segmentrechnung Netz<br />
Bestehen bei den für die Segmentrechnung Netz relevanten Buchwerten nach dem je-<br />
weiligen Rechnungslegungsstandard im Vergleich zu den an der betriebswirtschaftli-<br />
chen Bewertung orientierten kalkulatorischen Vorgaben <strong>von</strong> StromVG und StromVV<br />
wesentliche Unterbewertungen – und damit stille Reserven –, sind diese zum Zweck<br />
der <strong>von</strong> vergangenen bilanzpolitischen Entscheiden unabhängigen Kalkulation nach<br />
Vorgaben <strong>von</strong> Art. 13 StromVV zu korrigieren. Dies hält das BFE in seinem Bericht<br />
zum Entwurf des StromVG explizit fest:<br />
"Sonderabschreibungen, welche aus steuerlichen oder finanziellen Gründen<br />
vorgenommen wurden und zur Bildung <strong>von</strong> stillen Rücklagen führten, sind<br />
<strong>von</strong> daher in der Kostenrechnung bzw. Betriebsbuchhaltung zu korrigieren.<br />
Daraus folgt, dass sich auch Unterschiede zwischen dem finanzbuchhalteri-<br />
schen Buchwert und dem auf Basis der Kostenrechnung ermittelten Anla-<br />
gewert ergeben können." 667<br />
Diejenigen Stromverteilnetzbetreiber, welche mit dieser Problematik konfrontiert sind,<br />
sehen sich dem Vorwurf ungerechtfertigter Aufwertungen und der damit zusammen-<br />
hängenden Generierung <strong>von</strong> sogenannten Windfall Profits ausgesetzt. 668 Diese Kritik<br />
665 Vgl. auch BRAUN (2007), S. 15.<br />
666 Botschaft zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz (2004),<br />
S. 1654.<br />
667 BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2004b), S. 68.<br />
668 Vgl. etwa SCHÜRPF (2008) zu den Reaktionen auf die Ankündigungen der Preiserhöhungen in der<br />
Schweiz. Die Aufwertungsthematik führte – neben anderen Elementen – zur Revision der Stromversorgungsverordnung<br />
vom 12. Dezember 2008, in welcher durch die vorübergehende Herabsetzung<br />
der kalkulatorischen Verzinsung die Windfall Profits gesenkt werden sollten. Dazu das<br />
BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2008d) in seiner Medienmitteilung: "Viele Netzbetreiber haben ihr<br />
Netz in der Vergangenheit deutlich schneller abgeschrieben, als dies aus wirtschaftlicher Sicht<br />
nötig gewesen wäre. Durch die Aufwertung ihrer Netze auf den gesetzlich zulässigen Höchstwert<br />
(Anschaffungs- oder Herstellrestwert), konnten diese Betreiber zusätzliche Gewinne erzielen. Um
160 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
ist aus Konsumentensicht infolge der angekündigten Preiserhöhungen verständlich.<br />
Hingegen ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht richtig und – wie dargelegt – recht-<br />
lich gemäss Art. 15 Abs. 3 StromVG zulässig, Effekte vergangener Bilanzpolitik für<br />
die Preiskalkulation zu eliminieren und damit für alle Netzbetreiber vergleichbare so-<br />
wie stetige Rahmenbedingungen zu schaffen. 669 HELBLING spricht in diesem Zusam-<br />
menhang auch <strong>von</strong> der ausschliesslichen Relevanz "richtiger" betrieblicher Werte als<br />
Grundlage für die Kalkulation und <strong>von</strong> der Verschleierung des wahren Bildes durch<br />
steuerliche und rechtliche Vorschriften. 670 Das Argument, dass aus Kundensicht bereits<br />
bezahlte Netze aufgewertet und ein zweites Mal abgeschrieben würden, ist insofern zu<br />
relativieren, als buchmässige Überabschreibungen gemäss dem Prinzip der sachlichen<br />
Abgrenzung in der internen Betriebsbuchhaltung auch schon vor der Strommarktlibe-<br />
ralisierung nicht als Basis für eine stetige Preiskalkulationen herangezogen wurden,<br />
sondern einzig dazu dienten, effektiv realisierte Gewinne aus steuerlichen oder finanz-<br />
politischen Gründen gemindert auszuweisen. Insofern müsste sich die Kritik aus Kun-<br />
densicht nicht auf den Aufwertungstatbestand bilanzpolitisch beeinflusster, betriebs-<br />
wirtschaftlich nicht relevanter Buchwerte <strong>von</strong> Anlagen im Rahmen der Kalkulation<br />
richten, sondern vielmehr auf die bisherige Fähigkeit der Bildung erheblicher Reser-<br />
ven in der Monopolsituation abzielen sowie auf die damit verbundene Verantwortung<br />
der EVU, Zurückhaltung bei Preiserhöhungen auszuüben. 671<br />
Aufgrund der Massgeblichkeit der Rechnungslegungsvorschriften erfolgt in der Jah-<br />
resrechnung bzw. in der entsprechenden Segmentrechnung Netz denn grundsätzlich<br />
auch keine Änderung der Bewertung der Netzanlagen. Es gilt das Höchstwertprinzip<br />
des jeweiligen Standards. So sind die Möglichkeiten <strong>von</strong> Aufwertungen in der Jahres-<br />
rechnung <strong>von</strong> Aktiengesellschaften gemäss Art. 665 OR begrenzt und in der Regel mit<br />
steuerlichen Konsequenzen verbunden. Eine Angleichung an die kalkulatorischen Vor-<br />
gaben des StromVG und der StromVV ist damit vielfach ausgeschlossen. Aufwertun-<br />
gen bei unselbstständigen Gemeinde- und Stadtwerken sind <strong>unter</strong> HRM I nicht vorge-<br />
diese Zusatzgewinne auszugleichen, senkt die revidierte StromVV die Kapitalverzinsung für die<br />
betriebsnotwendigen Vermögenswerte für eine Übergangszeit <strong>von</strong> fünf Jahren um 1 Prozent. Damit<br />
verringert sich auch der Gewinn der Netzbetreiber." Vgl. zur gleichen Problematik den Fall<br />
Neuseeland: HOOKS & PERERA (2006), S. 95.<br />
669 Vgl. zur Sicht der Branche: BRAUN (2007), S. 9.<br />
670 Vgl. HELBLING (1994), S. 67f.<br />
671 Vgl. in diesem Zusammenhang die Argumente der verschiedenen Anspruchsgruppen und der<br />
Branchenvertreter im Rahmen der Anhörung zur Revision der StromVV: BUNDESAMT FÜR<br />
ENERGIE (2008a).
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 161<br />
sehen und nur bei entsprechenden kantonalen Sonderregelungen möglich. 672 Wie fest-<br />
gehalten, dürften bei Swiss GAAP FER und IFRS keine wesentlichen Unterbewertun-<br />
gen bestehen. Aufgrund der Aktivierung <strong>von</strong> Fremdkapitalzinsen und der Anwendung<br />
<strong>von</strong> Restwerten besteht eher das Risiko, dass die regulatorisch anerkannte Bewertung<br />
tiefer ausfällt. 673 Hat ein Stromverteilnetzbetreiber seine Rechnungslegung in der Ver-<br />
gangenheit freiwillig beispielsweise <strong>von</strong> OR auf Swiss GAAP FER umgestellt – was<br />
dessen Kalkulation aufgrund der sachlichen Abgrenzungen nicht beeinflusst hat – ist<br />
ein vergleichbarer Aufwertungstatbestand bereits im Zeitpunkt der damaligen Umstellung<br />
eingetreten. Das gegen aussen entstandene Bild missbräuchlicher Aufwertungen<br />
zur Erzielung höherer Netznutzungsentgelte ist daher <strong>von</strong> der Buchwertsituation eines<br />
Stromverteilnetzbetreibers zu lösen und vor dem Hintergrund der wünschbaren Transparenz<br />
hinsichtlich der effektiven Anlagenwerte zu korrigieren. Entsprechend ist es im<br />
Interesse der Transparenz und der Aussagekraft der Segmentrechnung Netz wünschbar,<br />
dass möglichst viele Stromverteilnetzbetreiber, die neben den gesetzlichen Minimalvorschriften<br />
auch Rechnungslegungsstandards wie Swiss GAAP FER oder IFRS anwenden<br />
bzw. einhalten, ihren Segmentausweis auch nach diesen höherwertigen Standards<br />
erstellen. 674 Zudem wäre es positiv zu werten – und nicht als missbräuchlich<br />
aufzufassen –, wenn Verteilnetzbetreiber ihre Rechnungslegung aufgrund solch verzerrter<br />
Ausweise zunehmend auf anerkannte Standards umstellen würden.<br />
c) Überbewertung <strong>von</strong> Netzanlagen in der Segmentrechnung Netz<br />
Die buchmässige Unterbewertung <strong>von</strong> Netzanlagen ist aufgrund des hohen Anteils an<br />
nach OR oder HRM bilanzierenden <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> vielerorts Realität.<br />
Demgegenüber könnte theoretisch auch der Fall <strong>von</strong> buchmässigen Überbewertungen<br />
im Vergleich zu den regulatorisch zulässigen Maximalvorgaben für die Kalkulation<br />
eintreten. Im Fall <strong>von</strong> Unterbewertungen wurde festgehalten, dass höhere kalkulatorische<br />
Werte gemäss dem Höchstwertprinzip nicht zu einer zwingenden Anpassung der<br />
buchmässigen Bewertung führen bzw. dass Anpassungen sogar ausgeschlossen sein<br />
können und die Differenzierung über sachliche Abgrenzungen zwischen der Jahresund<br />
der Kostenrechnung erfolgt. Wird hingegen durch die Regulation die bisherige<br />
buchmässige Bewertung durch tiefere kalkulatorische Vorgaben in Frage gestellt, kann<br />
dies gemäss dem Niederstwertprinzip bzw. den entsprechenden Bewertungsvorgaben<br />
672<br />
Vgl. Fussnote 180 zur Möglichkeit einer Aufwertung im Kanton Zürich.<br />
673<br />
Vgl. für diesen Fall den nächsten Abschnitt.<br />
674<br />
Vgl. dazu die Auswertung der empirischen Erhebung in Kapitel 6.4.1b) hiernach.
162 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
<strong>von</strong> Sachanlagen eine Wertberichtigung (Impairment) nach sich ziehen. 675 So sind die<br />
einzelnen Sachanlagen etwa nach FER 18 oder nach IAS 16 jährlich auf ihre Werthal-<br />
tigkeit zu überprüfen. 676 Dabei ist der erzielbare Wert (Recoverable Amount) nach den<br />
jeweiligen Vorgaben des Standards zu bestimmen und der Buchwert nötigenfalls auf<br />
diesen Wert zu senken. 677<br />
Für die Bestimmung des erzielbare Werts ist nach Swiss GAAP FER und IFRS nicht<br />
nur dessen Verkaufs- oder Liquidationswert (Net Selling Price) relevant, sondern auch<br />
dessen Nutzwert (Value in Use), der dem Barwert der zu erwartenden, zukünftigen<br />
Geldzu- und Geldabflüsse aus der Nutzung einschliesslich des Restwerts entspricht. 678<br />
Dieser wird in der Regel mit der verbreitenden Discounted Cashflow-Methode (DCF)<br />
bestimmt. Da sich in der Praxis die Geldflüsse aus der Netznutzung in der Regel nicht<br />
einzelnen Anlagekomponenten zuordnen lassen, ist die kleinstmögliche Einheit an<br />
Vermögenswerten (Cash Generating Unit, CGU) zu bestimmen, die <strong>von</strong> anderen Akti-<br />
ven unabhängige Geldflüsse erzeugt. 679 Nach den Empfehlungen des VSE können dies<br />
beispielsweise die berichtspflichtigen Segmente sein. 680 Somit ist es möglich, dass die<br />
Segmentrechnung Netz als Basis für die Bestimmung der Werthaltigkeit der ihr zuge-<br />
wiesenen Anlagen herangezogen wird, 681 denn der für die CGU-Definition notwendi-<br />
ge, direkte Zusammenhang zwischen der Werthaltigkeit der Netzanlagen und der zu-<br />
lässigen Refinanzierung über cash-wirksame Netznutzungsentgelte ist gegeben. Wer-<br />
675 Vgl. zum Niederstwertprinzip und dem damit verbundenen Imparitätsprinzip etwa HANDSCHIN<br />
(2008), S. 76 und HWP Ziff. 2.232. Vgl. dazu auch den ED IFRS Rate-regulated Activities,<br />
ED 19.<br />
676 FER 18.10 bzw. IAS 16.30.<br />
677 Etwa nach den Vorgaben FER 20 oder nach IAS 36.<br />
678 IAS 36.30; FER 20.6; vgl. auch SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 13.<br />
679 MEYER (2008b), S. 318.<br />
680 Vgl. VÖGELI et al. (2008), Register 11, S. 2. Gemäss IAS 36.80(b) stellt das operative Segment<br />
nach IFRS 8 die höchst mögliche Ebene zur Identifizierung einer CGU dar. Vgl. auch HEINTGES<br />
et al. (2008), S. 2778.<br />
681 Denkbar wäre auch eine Definition <strong>von</strong> CGU aufgrund der Spannungsebenen, denen die Netzanlagen<br />
sowie die entsprechenden Cashflows aus der Netznutzung zugeteilt werden müssten. In der<br />
Praxis dürfte diese Ebene jedoch für Bewertungszwecke aufgrund zusätzlicher Allokationsprobleme<br />
weniger gut geeignet sein als ein Segment. Alternativ könnte auch argumentiert werden,<br />
dass der Vertrieb an feste Kunden, der direkt mit dem Netz zusammenhängt, aus Bewertungssicht<br />
in die CGU einbezogen werden müsste.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 163<br />
den die Netznutzungsentgelte durch regulatorische Vorgaben gesenkt, kann dies die<br />
Werthaltigkeit der Netzanlagen vorübergehend oder nachhaltig beeinträchtigen. 682<br />
In der Realität dürften solche Fälle auf Basis der geltenden Cost+-Regulation noch<br />
relativ selten sein. Jedoch sind Situationen denkbar, in denen die Werthaltigkeit inner-<br />
halb des regulierten Bereiches nicht mehr gegeben ist, da die Refinanzierung über das<br />
Netznutzungsentgelt regulatorisch eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen wird. Ein<br />
Beispiel dafür wäre ein allfälliger Goodwill aus dem Kauf eines Netzes. Wie im Zu-<br />
sammenhang mit der Allokation immaterieller Aktiven bereits ausgeführt, wäre eine<br />
solche Position bei fehlender Anerkennung durch den Regulator in der Segmentrech-<br />
nung Netz wertzuberichtigen oder deren Refinanzierung über eine entsprechende Allo-<br />
kation in der Segmentrechnung des Vertriebs bzw. der übrigen Tätigkeiten nachzuwei-<br />
sen. 683 Ausserdem könnte die Revision der StromVV vom 12. Dezember 2008 – in<br />
welcher mit Art. 31a Abs. 1 StromVV der kalkulatorische Zins für eine Übergangspha-<br />
se um 1% gesenkt wurde – zu einer vorübergehenden Wertberichtigung der betroffe-<br />
nen Anlagen führen. Dies hängt eng mit der Definition der CGU und mit den verwen-<br />
deten Bewertungsparametern zusammen. Desgleichen ist aus Sicht <strong>von</strong> Stromverteil-<br />
netzbetreibern zu prüfen, inwiefern eine Aktivierung <strong>von</strong> Netzanlagen zu einem nach<br />
dem synthetischen Bewertungsverfahren 684 ermittelten Anschaffungsrestwert noch<br />
möglich ist, da durch die Revision der StromVV mit Art. 13 Abs. 3 ein nachhaltiger,<br />
pauschaler Abzug <strong>von</strong> 20% auf synthetisch ermittelten Werten festgesetzt wurde. 685<br />
Diese Feststellungen gelten grundsätzlich nicht nur für Anwendung <strong>von</strong> Swiss GAAP<br />
FER oder IFRS, sondern aufgrund des Niederstwertprinzips auch nach OR bzw.<br />
HRM. 686 Daher ist festzuhalten, dass die kalkulatorischen Vorgaben zur Netzbewer-<br />
tung im StromVG sowie insbesondere in der StromVV indirekt auch Einfluss auf die<br />
buchmässige Bewertung <strong>von</strong> Anlagen in der Rechnungslegung haben können.<br />
682 So auch PURTSCHER (2000), S. 141ff., <strong>unter</strong> Verweis auf die Problematik <strong>von</strong> Investitionen, welche<br />
aufgrund der Marktöffnung unrentabel werden (Stranded Costs).<br />
683 Vgl. Kapitel 4.1.6d) hiervor.<br />
684 Als synthetisches Bewertungsverfahren werden die Bestimmung <strong>von</strong> Wiederbeschaffungswerten<br />
auf der Grundlage <strong>von</strong> Einheitspreisen und die anschliessende Rückindexierung auf die ursprünglichen<br />
Anschaffungswerte sowie deren lineare Abschreibung auf die relevanten Anschaffungsrestwerte<br />
bezeichnet. Vgl. dazu Art. 13 Abs. 4 StromVV sowie BRAUN (2007), S. 10.<br />
685 Diese Bestimmung ist aktuell noch Gegenstand gerichtlicher Überprüfung.<br />
686 Vgl. HWP Ziff. 2.3412
164 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
d) Umgang mit Bewertungsdifferenzen<br />
Da da<strong>von</strong> auszugehen ist, dass die überwiegende Mehrheit der Schweizer Stromverteilnetzbetreiber<br />
ihre Jahresrechnung nach OR oder nach HRM I erstellt, sind erhebliche<br />
Bewertungsdifferenzen zwischen den Buchwerten und den kalkulatorischen Anlagerestwerten<br />
zu erwarten. Diese Differenzen sind jedoch rein temporärer Natur, indem<br />
über Nichtaktivierung oder zu kurze Nutzungsdauern frühere Perioden zusätzlich belastet<br />
und spätere Perioden dafür entlastet werden. 687<br />
Dieser Effekt lässt sich nachfolgend an einem Beispiel illustrieren: Abbildung 4-20<br />
zeigt den Verlauf der Anlagerestwerte einer Investition in Netzanlagen <strong>von</strong> CHF 100<br />
Mio. und einer durchschnittlichen Nutzungsdauer <strong>von</strong> 40 Jahren einerseits bei einer<br />
mit den Vorgaben <strong>von</strong> Art 13 Abs. 2 StromVV konformen, linearen Abschreibung über<br />
die Nutzungsdauer auf null und andererseits bei einer buchmässigen, degressiven Abschreibungen<br />
<strong>von</strong> 10% vom jeweiligen Restbuchwert.<br />
Restwert in Mio. CHF<br />
100.0<br />
90.0<br />
80.0<br />
70.0<br />
60.0<br />
50.0<br />
40.0<br />
30.0<br />
20.0<br />
10.0<br />
-<br />
50.0<br />
Differenz Buchwert und<br />
kalkulatorischer Wert<br />
+ CHF 37.8 Mio. / + 310%<br />
Abbildung 4-20: Illustrativer Verlauf der Anlagenrestwerte je Abschreibungsmethode 688<br />
Abbildung 4-21 stellt die entsprechenden Gewinnausweise vor Zinsen dar. Als Basis<br />
wurde dazu der Gewinn vor Abschreibungen entsprechend den Kalkulationsvorgaben<br />
687<br />
Sogenannte Timing Differences. Entsprechend sind die Realisierung stiller Reserven, und damit<br />
die Steuerbelastung, auch nur zeitlich aufgeschoben. Nach FER 11 oder IAS 12 sind für solche<br />
zeitliche Differenzen in der Bewertung <strong>von</strong> Bilanzpositionen latente Steuern abzugrenzen.<br />
688<br />
Eigene Darstellung in Anlehnung an D'ARCY & BURRI (2009), S. 137.<br />
12.2<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Lineare Abschreibung auf Null Degressive Abschreibung 10%
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 165<br />
<strong>von</strong> Art. 13 StromVV vereinfacht aufgrund der Abschreibungen und der Kapitalver-<br />
zinsung der Restwerte berechnet.<br />
Gewinn vor Zinsen in Mio. CHF<br />
5.0<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
-<br />
-1.0<br />
-2.0<br />
-3.0<br />
-4.0<br />
Abbildung 4-21: Illustrativer Verlauf des Gewinns vor Zinsen je Abschreibungsmethode bei einer<br />
maximalen Kapitalverzinsung <strong>von</strong> 4.55% 689<br />
In Abbildung 4-20 sind die aus den zwei Abschreibungsmethoden resultierenden, we-<br />
sentlichen Bewertungs<strong>unter</strong>schiede ersichtlich. Bei halber Nutzungsdauer wird in der<br />
kalkulatorischen Bewertung ein Anlagerestwert <strong>von</strong> CHF 50 Mio. ausgewiesen (50%<br />
des Anschaffungswerts). Die kalkulatorische Abschreibung <strong>von</strong> CHF 2.5 Mio. pro Jahr<br />
kann als Element der anrechenbaren Kosten nach Art. 13 Abs. 2 StromVV in die Netznutzungsentgeltkalkulation<br />
einfliessen. Zudem ist nach Art. 13 Abs. 3 lit. a Ziff. 1<br />
StromVV die Verzinsung des Restwerts <strong>von</strong> CHF 50 Mio. mit einem maximalen Satz<br />
<strong>von</strong> 4.55% erlaubt. 690 Maximal sind damit weitere rund CHF 2.3 Mio. als kalkulatorische<br />
Zinsen anrechenbar. Beide Grössen ergeben zusammen den regulatorisch zulässigen<br />
Gewinn vor Abschreibungen und Zinsen im Jahr 20 <strong>von</strong> CHF 4.8 Mio. 691<br />
Demgegenüber weist ein Stromverteilnetzbetreiber, welcher nach HRM I in seiner Jahresrechnung<br />
mit 10% degressiv abgeschrieben hat, im Jahr 20 noch einen Anlagerest-<br />
689<br />
Eigene Darstellung.<br />
690<br />
Vgl. EIDGENÖSSISCHE ELEKTRIZITÄTSKOMMISSION ELCOM (2009). Zu beachten ist – nach Art.<br />
31a StromVV – der vorübergehende Abschlag <strong>von</strong> 1% auf Altanlagen.<br />
691<br />
Dabei wird <strong>unter</strong>stellt, dass sich das investierte Kapital auf den Anlagerestwert <strong>von</strong> CHF 50 Mio.<br />
beschränkt und dass weder weitere Sachanlagen noch betriebsnotwendiges Nettoumlaufvermögen<br />
existieren. Allfällige Steuereffekte sind in diesem Beispiel ausgeklammert.<br />
3.4<br />
2.3<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Lineare Abschreibung auf Null Degressive Abschreibung 10%
166 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
wert <strong>von</strong> CHF 12.2 Mio. aus (12% des Anschaffungswerts). Die Differenz zur Kalku-<br />
lation beläuft sich somit bei der gleichen aktivierten Investitionssumme im Ausgangs-<br />
jahr auf CHF 37.8 Mio. oder auf 310%. Diese als "Aufwertungspotential" wahrge-<br />
nommene Differenz illustriert die Wesentlichkeit des bei zahlreichen unselbstständigen<br />
Schweizer Gemeinde- und Stadtwerken zu erwartenden, hohen Bestands an stillen Re-<br />
serven. Aus Sicht der Erfolgsrechnung hat der betroffene Netzbetreiber somit in den<br />
ersten 20 Jahren der Anlagennutzung durch Überabschreibungen CHF 37.8 Mio. zu<br />
wenig Gewinn ausgewiesen. Abbildung 4-21 zeigt den dadurch wesentlich veränderten<br />
Gewinnausweis. Da der Gewinn vor Abschreibungen und Zinsen durch die Kalkulati-<br />
on im Jahr 20 mit CHF 4.8 Mio. vorgegeben ist und in diesem Jahr degressiv nur noch<br />
ordentliche Abschreibungen <strong>von</strong> CHF 1.4 Mio. zu verbuchen sind, fällt der Gewinn-<br />
ausweis vor Zinsen im Jahr 20 mit CHF. 3.4 Mio. buchmässig höher aus als der effektive<br />
Gewinn vor Zinsen <strong>von</strong> CHF 2.3 Mio. 692 Der Effekt der Überabschreibungen in<br />
den Jahren 1-13 wird somit in den Jahren 14 - 40 kompensiert, sofern die stillen Reserven<br />
nicht durch weitere Investitionen auf neue Anlagen übertragen werden können.<br />
Wäre nun ein Stromverteilnetzbetreiber im Jahr 20 aufgrund der Strommarktliberalisierung<br />
zum ersten Mal verpflichtet, eine Segmentrechnung Netz auszuweisen, würde<br />
er nach diesem Beispiel aufgrund der Massgeblichkeit des Rechnungslegungsstandards<br />
in der Segmentbilanz Netz den Buchwert der Netzanlagen <strong>von</strong> CHF 12.2 Mio. und in<br />
der Segmenterfolgsrechnung Netz einen buchmässigen Gewinn vor Zinsen <strong>von</strong> CHF<br />
3.4 Mio. ausweisen. Seitens der Adressaten würde ein solcher Ausweis zu einer verzerrten<br />
Gesamtkapitalrentabilität bzw. zu einem Return on Assets (ROA) <strong>von</strong> 28.2%<br />
führen. Effektiv beläuft sich jedoch der ROA im Jahr 20 auf die regulatorisch zulässigen<br />
4.55% (CHF 2.3 Mio. / CHF 50 Mio.), die – wie in Abbildung 4-22 dargestellt –<br />
stetig über die gesamte Nutzungsdauer anfallen. Demgegenüber wird der buchmässige<br />
Ausweis gegen Ende der Nutzungsdauer der Investition immer stärker verzerrt.<br />
692 Unter der Annahme, dass auf der Ebene des Ertrags und des Betriebsaufwandes keine Differenzen<br />
zwischen der Kalkulation und der Jahresrechnung bestehen. Der zulässige Netznutzungsertrag<br />
setzt sich somit aus den kalkulatorischen Kapitalzinsen und Abschreibungen sowie dem Betriebsaufwand<br />
inklusive Steuern zusammen.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 167<br />
return on assets (ROA)<br />
180.0%<br />
160.0%<br />
140.0%<br />
120.0%<br />
100.0%<br />
80.0%<br />
60.0%<br />
40.0%<br />
20.0%<br />
0.0%<br />
-20.0%<br />
28.2%<br />
Abbildung 4-22: Entwicklung der Gesamtkapitalrentabilität (ROA) je Abschreibungsmethode 693<br />
Je nach Rechnungslegungsstandard und Bilanzpolitik können diese Differenzen für<br />
den Ausweis in der Segmentrechnung Netz beibehalten, mittel- bis langfristig ausgegli-<br />
chen oder kurzfristig eliminiert werden. Dabei sind für die Stromverteilnetzbetreiber<br />
neben den Aspekten der Vertraulichkeit und der Nachvollziehbarkeit auch etwaige<br />
Steuerfolgen <strong>von</strong> Bedeutung. 694 Die Problematik verzerrter buchmässiger Ausweise<br />
kann aus Sicht eines Stromverteilnetzbetreibers zu fünf generellen Handlungsoptionen<br />
führen, die aus Sicht des einzelnen Betriebs zu evaluieren sind:<br />
i. Ausweis der Buchwerte und deren Erläuterung<br />
Naheliegend ist der Ausweis der buchmässigen Situation nach dem jeweiligen<br />
Rechnungslegungsstandard. Wird das Ergebnis wie im vorangestellten Beispiel<br />
in einem wesentlichen Ausmass verzerrt und besteht die Gefahr entsprechender<br />
Fehlinterpretationen durch die Adressaten, können die Abweichungen begründet<br />
und die Aussagekraft des Resultats im Rahmen <strong>von</strong> Erläuterungen relativiert<br />
werden. In diese Richtung ging der alte Unbundling-Leitfaden des VSE zu Art.<br />
7 EMG. Für die Erläuterungen wurde folgender Vorbehalt empfohlen: 695<br />
693<br />
Eigene Darstellung.<br />
694<br />
Wobei im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter auf mögliche Steuerfolgen und steuerliche Aspekte<br />
bei Umstrukturierungen im Zusammenhang mit der Anlagenbewertung eingegangen wird.<br />
695<br />
VSE (2001), S. 18. Der aktuelle Unbundling-Leitfaden sieht keinerlei Erläuterungen mehr vor.<br />
Vgl. MEYER (2009).<br />
4.6%<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Lineare Abschreibung auf Null Degressive Abschreibung 10%
168 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
"Der Umsatz bzw. das Netznutzungsentgelt (Briefmarke) ist auf Basis<br />
der kalkulatorischen Netzkosten gemäss Art. 6 EMG berechnet, welche<br />
aufgrund handelsrechtlicher/öffentlichrechtlicher oder steuerlicher<br />
Vorschriften <strong>von</strong> den Aufwendungen in vorliegender Erfolgsrechnung<br />
abweichen können. Bei der Beurteilung des ausgewiesenen Ergebnisses<br />
ist deshalb zu berücksichtigen, dass dieses zur Deckung der Verzinsung<br />
des eingesetzten Kapitals sowie der kalkulatorischen Abschreibungen<br />
dient."<br />
Dabei besteht zwangsläufig die Gefahr, dass Adressaten die ausgewiesene Gewinnsituation<br />
aus ihrer Sicht und aufgrund der ihnen vorliegenden Informationen<br />
trotz der Erläuterungen und der Relativierung der Buchwerte als zu hoch<br />
und als nicht konform mit der rechtlichen Vorgabe eines angemessenen Betriebsgewinns<br />
beurteilen. 696 Ihnen steht in diesem Fall das Mittel einer Beschwerde<br />
bei der ElCom zur Verfügung. 697 Selbst bei einer aus Sicht des Stromverteilnetzbetreibers<br />
positiven Verfügung der ElCom können dadurch jedoch<br />
erheblicher Verfahrensaufwand und bei den Kunden Missgunst entstehen.<br />
ii. Zusätzliche Abschreibung des Restbuchwerts<br />
Als alternative Handlungsoption bietet es sich daher an, den im vorangehenden<br />
Beispiel mit CHF 12.2 Mio. ausgewiesenen Restwert neben der ordentlichen<br />
degressiven Abschreibung zusätzlich abzuschreiben. Diese Option hängt direkt<br />
mit der Zulässigkeit <strong>von</strong> Überabschreibungen bei dem für die Segmentrechnung<br />
Netz relevanten Rechnungslegungsstandard zusammen. Da solche Überabschreibungen<br />
nach OR und HRM – unabhängig <strong>von</strong> den Vorgaben des<br />
StromVG – auch weiterhin möglich sind, dürfte diese Option für diejenigen<br />
Stromverteilnetzbetreiber mit den grössten Bewertungsdifferenzen zulässig<br />
sein. 698 Da die Restbuchwerte analog zum vorangehenden Beispiel in der Regel<br />
bereits äusserst tief sind, ist das Potenzial zusätzlicher Abschreibungen jedoch<br />
696<br />
Art. 15 Abs. 1 StromVG.<br />
697<br />
Die ElCom ist gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. a StromVG auch im Streifall im Zusammenhang mit<br />
Netznutzungsentgelten als erstinstanzliche Behörde zuständig.<br />
698 Ein Sonderfall sind dabei etwa die unselbstständigen Gemeindewerke des Kantons Aargau. Ihnen<br />
ist nach Weisung des Gemeindeinspektorats ab dem 1.1.2009 verboten, zusätzliche Abschreibungen<br />
auf Neuinvestitionen vorzunehmen. Sie sind verpflichtet, Investitionen ab dem 1.1.2009 auch<br />
<strong>unter</strong> HRM nach den Vorgaben des StromVG abzuschreiben. Überabschreibungen sind somit auf<br />
die bestehenden Restbuchwerte begrenzt. Vgl. URECH (2008), S. 2.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 169<br />
oft begrenzt und direkt <strong>von</strong> den aktuellen und den zukünftigen Investitionen ab-<br />
hängig. Die Problematik der Bewertungsdifferenzen wird daher nicht gelöst,<br />
sondern nur zeitlich aufgeschoben. Sobald eine Phase tieferer Investitionen ansteht,<br />
werden die Differenzen ersichtlich.<br />
iii. Zusätzlicher Ausweis der kalkulatorischen Werte<br />
Eine weitere Option besteht für Stromverteilnetzbetreiber darin, die kalkulatorische<br />
Anlagenbewertung und die effektiv notwendigen Abschreibungen in der<br />
Segmentrechnung Netz zusätzlich zu den Buchwerten auszuweisen. Um die<br />
Vorgabe der Massgeblichkeit des Rechnungslegungsstandards nicht zu verletzen,<br />
ist beim Ausweis in der Segmentrechnung Netz eine Überleitungsrechnung<br />
auf die Buchwerte nötig. 699 Alternativ können die Zahlen auch in den Erläuterungen<br />
offengelegt werden. Dadurch werden die Adressaten in die Lage versetzt,<br />
die Bewertungsdifferenzen nachzuvollziehen. Durch diese weitgehende<br />
Transparenz lässt sich das Risiko <strong>von</strong> Fehlinterpretationen zumindest reduzieren.<br />
Hingegen dürfte eine Abwägung <strong>unter</strong> Gewichtung der Vertraulichkeit der<br />
kalkulatorischen Anlagewerte <strong>von</strong>nöten sein.<br />
iv. Prospektive Änderung der Bewertungssystematik<br />
Stromverteilnetzbetreiber können sich aufgrund der wesentlichen Verzerrungen<br />
<strong>von</strong> Bewertungsdifferenzen oder infolge <strong>von</strong> Harmonisierungsüberlegungen dafür<br />
entscheiden, ihre Aktivierungs- und Abschreibungspolitik – beispielsweise<br />
mit dem Start der Strommarktliberalisierung am 1. Januar 2009 – den kalkulatorischen<br />
Vorgaben <strong>von</strong> Art. 13 Abs. 2 StromVV anzupassen und die Bewertungsdifferenzen<br />
dadurch mittel- bis langfristig zu eliminieren.<br />
Im Fall der Anwender <strong>von</strong> Swiss GAAP FER oder IFRS ist eine Harmonisierung<br />
in der Regel durch eine Veränderung der Einschätzung (Change in an Accounting<br />
Estimate) prospektiv möglich und entsprechend offenzulegen. 700 So<br />
können beispielsweise Anpassungen <strong>von</strong> Nutzungsdauern ohne Verpflichtung<br />
zu einer rückwirkenden Neubewertung (Restatement) <strong>von</strong> Anlagen erfolgen, indem<br />
der Restbuchwert über die angepasste Restnutzungsdauer abgeschrieben<br />
699<br />
Der VSE schliesst die Anwendung kalkulatorischer Werte in der Segmentrechnung Netz explizit<br />
aus. Mangels vorgesehener Erläuterungen geht der Unbundling-Leitfaden nicht auf die Option<br />
des zusätzlichen Ausweises ein. Vgl. MEYER (2009), S. 8.<br />
700<br />
IAS 16.76 i.V.m. IAS 8, FER 18.20.
170 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
wird. 701 Unter OR und HRM fehlen konkrete Vorgaben zum Umgang mit Ände-<br />
rungen in der Bewertungssystematik. Jedoch sind solche Änderungen – trotz<br />
des Grundsatzes der Stetigkeit – prospektiv nicht auszuschliessen. Für eine An-<br />
gleichung der Abschreibungsmethode an die Vorgaben <strong>von</strong> Art. 13 Abs. 2<br />
StromVV ist <strong>unter</strong> HRM I eine entsprechende Rechtsgrundlage erforderlich. 702<br />
Zudem muss bei der Umstellung auf HRM II beim Verwaltungsvermögen keine<br />
zwingende Aufwertung vorgenommen werden. 703 Vielmehr genügt es, die neuen<br />
Abschreibungsvorgaben prospektiv anzuwenden. Unter OR dürfte für steuer-<br />
pflichtige Stromverteilnetzbetreiber vor allem der Einfluss auf die Steuerbemes-<br />
sung <strong>von</strong> Bedeutung sein.<br />
Sind die Bewertungsdifferenzen wesentlich, führt die rein prospektive Änderung<br />
der Abschreibungsmethode möglicherweise ebenfalls zu vorübergehenden,<br />
erklärungsbedürftigen Effekten. So kann beispielsweise die für Gemeindewerke<br />
im Kanton Aargau geltende Regelung, dass Neuinvestitionen ab 1. Januar 2009<br />
betriebswirtschaftlich nach Vorgaben <strong>von</strong> Art. 13 Abs. 2 StromVV abgeschrieben<br />
werden müssen, bei bereits tiefen Restbuchwerten nach HRM dazu führen,<br />
dass mittelfristig Abschreibungssubstrat in wesentlichem Umfang fehlt und entsprechend<br />
hohe Gewinne anfallen werden. Die degressiven Abschreibungen der<br />
Restbuchwerte sind zunehmend zu vernachlässigen, die linearen Abschreibungen<br />
auf den Neuinvestitionen umfassen erst wenige Investitionsperioden und<br />
sind daher ebenfalls noch verhältnismässig tief. Die stillen Reserven werden<br />
somit bis zum Ersatz der letzten "Altanlage" über einen überhöhten Gewinnausweis<br />
aufgelöst. Das Ziel der Eliminierung <strong>von</strong> Bewertungsdifferenzen wird<br />
damit bei Nutzungsdauern <strong>von</strong> Verteilnetzkomponenten <strong>von</strong> bis zu 80 Jahren<br />
erst langfristig erreicht. Im vorher dargestellten Beispiel würde der buchmässige<br />
Restwert <strong>von</strong> CHF 12.2 Mio. ab dem Jahr 20 entweder weiterhin degressiv mit<br />
den in Abbildung 4-21 dargestellten Folgen für den Gewinnausweis abgeschrie-<br />
701<br />
Vgl. dazu auch die Ausführungen <strong>von</strong> SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 12, S. 6, zu Swiss GAAP<br />
FER oder <strong>von</strong> VÖGELI et al. (2008), Register 4, S. 9.<br />
702<br />
Vgl. dazu Fussnote 180.<br />
703 HRM II 19.2. Eine Aufwertung ist fakultativ, wobei die Aufwertungsreserve bei einem wesentlichen<br />
Umfang nicht dem Eigenkapital zugerechnet, sondern über die Erfolgsrechnung erfolgswirksam<br />
zur Minderung der Mehrbelastung durch Abschreibungen aufgelöst werden soll. Vgl.<br />
HRM II 19.14.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 171<br />
ben 704 oder aber neu über 20 Jahre linear mit CHF 0.6 Mio. pro Jahr verteilt.<br />
Beide Vorgehensweisen vermögen die Problematik der hohen stillen Reserven<br />
zu Beginn der Strommarktliberalisierung und deren verzerrende Wirkung auf<br />
die Segmentrechnung Netz nicht zu beseitigen.<br />
v. Retrospektive Änderung der Bewertungssystematik - Neubewertung<br />
Als letzte Alternative bleibt im Fall <strong>von</strong> wesentlichen Differenzen die konsequente<br />
Bereinigung der stillen Reserven der Vergangenheit durch Neubewertung<br />
des Anlagevermögens auf dessen betriebswirtschaftlichen Restwert nach<br />
den Vorgaben <strong>von</strong> Art. 13 Abs. 2 StromVV. Diese Option ist – wie <strong>unter</strong> Abschnitt<br />
b) oben bereits beschrieben – für Anwender der aktienrechtlichen Vorgaben<br />
nur begrenzt möglich und mit steuerlichen Konsequenzen verbunden und<br />
für öffentlich-rechtliche Betriebe in den meisten Kantonen nicht erlaubt. In solchen<br />
Situationen sind Neubewertungen nur durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen<br />
– wie etwa eine Ausgliederung eines unselbstständigen Gemeindewerkes<br />
in eine Aktiengesellschaft – oder durch die Umstellung auf einen<br />
anerkannten Rechnungslegungsstandard zu bewerkstelligen. Im letzteren Fall<br />
sind die Buchwerte im Rahmen des gesetzlichen Einzelabschlusses nicht da<strong>von</strong><br />
betroffen. Hingegen erfolgt der Ausweis der Jahres- bzw. der Segmentrechnung<br />
in einer für die Adressaten nachvollziehbaren und aussagekräftigen Form.<br />
Diese Optionen im Umgang mit wesentlichen Bewertungsdifferenzen zeigen auf, dass<br />
die Erläuterungen der in der Segmentrechnung Netz ausgewiesenen Buchwerte der<br />
Netzanlagen sowie deren Abschreibungen zur Sicherstellung der richtigen Schlüsse in<br />
Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des jeweiligen Stromverteilnetzbetreibers<br />
durch externe Adressaten unumgänglich ist. Die intensiv geführte Preisdiskussion<br />
dürfte diesen Ausweisen in der öffentlichen Segmentrechnung Netz zu einer<br />
zusätzlichen Bedeutung verhelfen. Durch den Verzicht auf Vereinheitlichungsvorgaben<br />
zur Rechnungslegung in der StromVV dürften – neben <strong>unter</strong>schiedlichen bisherigen<br />
Buchwerten – auch die neuen Bewertungen ungleich und mit oder ohne Annäherung<br />
an die kalkulatorischen Werte erfolgen.<br />
4.2.3 Bewertung <strong>von</strong> Eigenleistungen<br />
Die Aktivierung <strong>von</strong> Drittleistungen erfolgt auf der Basis <strong>von</strong> eindeutig dem Netz zuordenbaren<br />
Abrechnungen durch die externen Leistungserbringer. In Abhängigkeit <strong>von</strong><br />
704 Dies würde der Vorgabe des Kantons Aargau für Gemeindewerke entsprechen.
172 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
der jeweiligen Aktivierungsgrenze ist deren Erstbewertung weitgehend unumstritten.<br />
Jedoch sind gerade bei den anlageintensiven <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> in der Regel<br />
auch Eigenleistungen der dem Segment Netz zugewiesenen Mitarbeitenden im Zu-<br />
sammenhang mit selbst erstellten Anlagen oder Anlageteilen wesentliche Elemente der<br />
gesamten jeweiligen Investitionssumme. 705 Als Bewertungsgrundlage für solche Ei-<br />
genleistungen gelten die aus der Kosten- bzw. Auftragsrechnung abgeleiteten Herstel-<br />
lungskosten. 706 Gemäss den Vorgaben des VSE sind Eigenleistungen bei Investitionen<br />
zu aktivieren. 707 Ist dies in der Vergangenheit nicht oder nicht vollständig erfolgt, las-<br />
sen sich damit wesentliche Differenzen zwischen kalkulatorischen und buchmässigen<br />
Anlagewerten erklären. Da die historischen Aufzeichnungen <strong>von</strong> Eigenleistungen – im<br />
Unterschied zu den Drittleistungen – oft nicht in geeigneter Form verfügbar sind, kann<br />
sich eine vollständige Rekonstruktion der ursprünglichen Anschaffungswerte schwie-<br />
rig gestalten. In solchen Fällen ist die Anwendung der Ausnahmebestimmung nach<br />
Art. 13 Abs. 4 StromVV durch die synthetische Bewertung auf Basis <strong>von</strong> Einheitskos-<br />
ten begründbar. 708<br />
Als Herstellungskosten <strong>von</strong> Eigenleistungen werden diejenigen Kosten bezeichnet, die<br />
bei der Herstellung eines Gutes im Unternehmen selbst oder durch Veränderung eines<br />
früher erworbenen bzw. selbsthergestellten Gutes im eigenen Unternehmen entstehen.<br />
709 Dar<strong>unter</strong> fallen in erster Linie die Aufwendungen für Einzelmaterial (Rohstoffe,<br />
halbfertige Erzeugnisse, Bestandteile, Zubehörteile, Nebenkosten der Anschaffung<br />
usw.), für Einzellöhne (einschliesslich Sozialkosten, Ferienentschädigungen usw.) und<br />
für die Gemeinkosten der Herstellung. Nicht aktivierbar sind Verwaltungs- und Vertriebskosten<br />
sowie kalkulatorische Eigenkapitalzinsen. 710<br />
705<br />
Vgl. zur Eingrenzung der Eigenleistungen auf die Leistungen der Mitarbeitenden des Segments<br />
Netz: Kapitel 4.1.7b).<br />
706<br />
Vgl. GOES (2003), S. 173.<br />
707<br />
BRAUN (2007), S. 18.<br />
708<br />
Vgl. dazu Fussnote 684. Aufgrund des Malus <strong>von</strong> 20% auf sämtlichen synthetisch ermittelten<br />
Investitionen besteht ein Anreiz für Stromverteilnetzbetreiber, möglichst viele historische Aufzeichnungen<br />
zu Projekten – zum Beispiel in Form <strong>von</strong> Stundenrapporten – aufzuarbeiten und als<br />
Basis für die kalkulatorische Restwertbewertung <strong>von</strong> Eigenleistungen zu verwenden.<br />
709 HWP Ziff. 2.3412, lit. c.<br />
710 Vgl. FER 18.4, IAS 16. 22, HWP Ziff. 2.3412, lit. c. Vgl. auch BRAUN (2007), S. 18, SPAAR &<br />
KOPRIWA (2004), Kapitel 5, S. 6. Zur Problematik der aus Sicht der Rechnungslegung <strong>unter</strong> Auflagen<br />
zulässigen Aktivierung <strong>von</strong> Fremdkapitalzinsen siehe Fussnote 661.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 173<br />
Nach den Vorgaben <strong>von</strong> FER 18 und IAS 16 sind Eigenleistungen dann aktivierbar,<br />
wenn die zur Herstellung angefallenen Aufwendungen einzeln erfasst und verlässlich<br />
gemessen werden können. 711 Entsprechend wichtig ist die im Rahmen der Auftragsrechnung<br />
zu erfolgende Stundenaufschreibung der Mitarbeitenden des Segments Netz.<br />
Die Stunden werden nach einem internen Stundensatz ohne Verwaltungs-, Vertriebsund<br />
Gewinnzuschlag bewertet. 712<br />
4.2.4 Innerbetriebliche Leistungsverrechnung<br />
Demgegenüber sind Leistungen anderer Segmente des Unternehmens aus Sicht des<br />
Segments Netz keine Eigenleistungen, sondern intern zu verrechnende Drittleistungen.<br />
713 Dies gilt sowohl für aktivierbare Leistungen im Zusammenhang mit Investitionsprojekten<br />
wie auch für nicht aktivierbare Unterhalts-, Verwaltungs- oder Vertriebsarbeiten.<br />
Entsprechend ist die Bewertung dieser "internen Fremdleistungen" aus Segmentsicht<br />
grundsätzlich nicht mit der Bewertung <strong>von</strong> Eigenleistungen innerhalb des<br />
Segments gleichzusetzen. Das Verbot <strong>von</strong> Quersubventionierungen nach Art. 10 Abs. 1<br />
StromVG impliziert, dass intersegmentäre Leistungen intern zu mit Drittpreisen vergleichbaren<br />
Preisen verrechnet werden sollten. 714 Insbesondere dürfen interne und externe<br />
Leistungsbeziehungen, wie beispielsweise der Vertrieb eines Drittlieferanten im<br />
Vergleich zum eigenen Stromvertrieb, nicht <strong>unter</strong>schiedlich behandelt werden. 715 Dies<br />
entspricht der Segmentkonzeption des Autonomous Entity Approach – als wäre das<br />
Netz durch ein rechtliches Unbundling in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert worden.<br />
716 So wäre es nach der Meinung <strong>von</strong> BOLSENKÖTTER und POULLIE auch falsch, in<br />
der internen Leistungsverrechnung <strong>von</strong> Netzbetreibern lediglich eine Aufwandzuordnung<br />
ohne Marge zu sehen, da damit kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechender<br />
Segmentausweis erfolgen würde. 717 So würde ohne interne Gewinnverrechnung<br />
in einer mehrstufigen innerbetrieblichen Wertschöpfungskette nur das letzte<br />
Glied einen Erfolg ausweisen. Anderer Meinung ist PEROUTKA, der nach dem Grund-<br />
711<br />
Vgl. SCHÄRLI et al. (2008), Kapitel 12, S. 1.<br />
712<br />
BRAUN (2007), S. 18.<br />
713<br />
Vgl. dazu Kapitel 4.1.7b).<br />
714<br />
Vgl. LEVERKUS (2006), S. 267, oder HENNEMANN (2008), S. 64.<br />
715<br />
So sind durch das im StromVG verankerte Gebot der Nichtdiskriminierung bessere Konditionen<br />
für die Netznutzung oder die Kundenmessung zugunsten des internen Vertriebs ausgeschlossen.<br />
716<br />
Vgl. Kapitel 4.1.1 hiervor.<br />
717<br />
BOLSENKÖTTER & POULLIE (2003), S. 54. So auch HAASE (1996), S. 24, mit Bezug auf die Aussagekraft<br />
der Segmentausweise.
174 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
satz der Pagatorik für die Erfassung der zwischen den Aktivitäten bestehenden Leis-<br />
tungsbeziehungen im Rahmen der Unbundling-konformen <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
die Anwendung der tatsächlich angefallenen Aufwendungen und Erträge als richtig<br />
beurteilt und einen kalkulatorischen Gewinnaufschlag als nicht zulässig einstuft. 718<br />
Sein Verständnis entspricht einer restriktiv ausgelegten Segmentkonzeption nach dem<br />
Disaggregation Approach. 719 Restriktiv ist diese Auslegung insofern, als selbst in den<br />
anerkannten, vom Disaggregation Approach geprägten Standards zur Segmentbericht-<br />
erstattung eine interne Gewinnerzielung nicht ausgeschlossen wird, solange sie im<br />
Rahmen der Konsolidierung eliminiert werden kann. 720 Werden im Rahmen <strong>von</strong> inter-<br />
nen Leistungsbeziehungen auch gesellschaftsrechtliche Grenzen überschritten – zum<br />
Beispiel bei Leistungen einer Konzerngesellschaft an ihre Schwester- oder Muttergesellschaft<br />
– sind steuerrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, welche sich am<br />
Prinzip des Drittpreisvergleiches orientieren. 721 HAASE nennt Verrechnungspreise effizient,<br />
wenn sie Segmententscheidungen so steuern, dass sie dem Unternehmensoptimum<br />
entsprechen und zugleich die Segmentergebnisse leistungsgerecht ausweisen. 722<br />
Grundsätzlich besteht aus Sicht des Segments Netz <strong>unter</strong> Einhaltung der Gleichbehandlung<br />
<strong>von</strong> internen und externen Leistungsbeziehern je nach Leistungsart die Möglichkeit,<br />
interne Verrechnungen entweder auf der Grundlage verschiedener Kostendefinitionen<br />
oder auf der Basis <strong>von</strong> Marktpreisen vorzunehmen. 723 Darüber hinaus werden<br />
in der Literatur Ansätze zur Bestimmung <strong>von</strong> Verrechnungspreisen als Ergebnis<br />
interner Verhandlungen, in Form <strong>von</strong> dualen Preissystemen oder aufgrund <strong>von</strong> Opportunitätskostenüberlegungen<br />
behandelt. 724 Am ehesten finden sich in der Praxis kosten-<br />
718<br />
PEROUTKA (2001), S. 25.<br />
719<br />
Vgl. auch HALLER & PARK (1994), S. 513, welche darlegen, dass bei strenger Auslegung des<br />
Disaggregation Approach auch der Ausweis interner Segmentumsätze wegfallen und nur eine<br />
Aufteilung externer, buchmässiger Erträge auf die Segmente erfolgen würde. Eine derart restriktive<br />
Auslegung findet sich indes in den Standards zur <strong>Segmentberichterstattung</strong>, welche den<br />
Ausweis interner Umsätze explizit verlangen, nicht (etwa IFRS 8.23 lit. b).<br />
720<br />
Vgl. KÖHLE (2006), S. 119.<br />
721<br />
Sogenanntes "Arm's Length Principle". Vgl. dazu ausführlich etwa BORSTELL (2004), S. 174ff.<br />
722<br />
Vgl. HAASE (1996), S. 13. Besondere Relevanz erhalten interne Verrechnungspreissysteme auch<br />
bei <strong>von</strong> der Segmentleistung abhängigen Vergütungssystemen.<br />
723<br />
Vgl. HENNEMANN (2008), S. 63, wobei er zusätzlich noch die Option der zwischen den Segmenten<br />
ausgehandelte Preise anführt, diese jedoch aufgrund der gängigen Praxis anschliessend als<br />
nicht relevant beurteilt.<br />
724<br />
Vgl. etwa EWERT & WAGENHOFER (2000), S. 581ff., GEIGER (2002), S. 159ff., oder HORNGREN<br />
et al. (2003), S. 759ff.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 175<br />
orientierte Verrechnungspreise, gefolgt <strong>von</strong> marktorientierten Preisen. 725 Die übrigen<br />
Ansätze finden sich in der Praxis aufgrund ihrer Komplexität nur selten. Zudem stellen<br />
sie letztlich wiederum auf Marktpreisüberlegungen oder interne Kosten ab. 726<br />
Marktpreisorientierte Verrechnungspreissysteme sind aus Sicht des Autonomous Entity<br />
Approach zu bevorzugen, da sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Segments<br />
grundsätzlich am ehesten widerspiegeln. 727 Die Bedingungen zur sachgerechten An-<br />
wendung <strong>von</strong> Marktpreisen sind aber relativ restriktiv und können nicht immer ein-<br />
gehalten werden – vor allem dann nicht, wenn es um spezifische Dienstleistungen oder<br />
um Vertriebs- und Verwaltungsfunktionen geht oder enge Abhängigkeiten zwischen<br />
den Segmenten existieren. 728 Für viele Stromverteilnetzbetreiber dürften die Voraus-<br />
setzungen zur Anwendung <strong>von</strong> marktorientierten Verrechnungspreisen am ehesten bei<br />
Unterhalts- und Netzbauarbeiten erfüllt sein, sofern ein entsprechendes Service-<br />
Segment wirtschaftlich nicht überwiegend <strong>von</strong> der Leistungsbeziehung zum Netz ab-<br />
hängig ist. Oft werden in der Praxis auch Modifikationen am Marktpreis vorgenom-<br />
men, da interne Leistungsbeziehungen beispielsweise ohne Akquisitionsaufwand und<br />
ohne Finanzierung <strong>von</strong> Zahlungsausständen auskommen. 729 Im Fall <strong>von</strong> Stromverteil-<br />
netzbetreibern darf der Einsatz modifizierter Marktpreise in Bezug auf das Netz nicht<br />
zur Bevorteilung des internen Vertriebs im Vergleich zu externen Stromlieferanten füh-<br />
ren.<br />
Bei den in der Praxis vielfach vertretenen, kostenorientierten Verrechnungspreisen<br />
werden zahlreiche Kostendefinitionen <strong>unter</strong>schieden. So können nur aufwandgleiche<br />
Kosten als Basis herangezogen werden, indem auf den Einbezug einer kalkulatorischen<br />
Eigenkapitalverzinsung und damit eines innerbetrieblichen Gewinns verzichtet<br />
wird. Oft wird jedoch ein Vollkostensatz inklusive Gewinnzuschlag – explizit als<br />
Cost+-Satz <strong>von</strong> der Verrechnung ohne Gewinnanteil <strong>unter</strong>schieden – angewendet. 730<br />
Ein Cost+-Ansatz kann der kalkulatorischen Vollkostendefinition und damit auch den<br />
725<br />
EWERT & WAGENHOFER (2000), S. 582.<br />
726<br />
GEIGER (2002), S. 160.<br />
727<br />
Vgl. BOERSEMA & VAN WEELDEN (1992), S. 162.<br />
728<br />
HORNGREN et al. (2003), S. 762, nennen als Voraussetzungen einen perfekt kompetitiven Markt,<br />
die minimale Abhängigkeit der Segmente <strong>unter</strong>einander sowie die Äquivalenz interner und externer<br />
Bezugsquellen.<br />
729 Vgl. zu einzelnen Modifikationen etwa EWERT & WAGENHOFER (2000), S. 590.<br />
730<br />
So etwa bei HORNGREN et al. (2003), S. 763, oder auch bei EWERT & WAGENHOFER (2000),<br />
S. 590.
176 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Vorgaben <strong>von</strong> StromVG und StromVV entsprechen. Ist dies der Fall, resultiert für den<br />
Netzbereich auf der Ebene der für die Nutzungsentgeltdefinition relevanten kalkulato-<br />
rischen Vollkosten kein Unterschied, ob er nun die Leistungen selber erbringt oder in-<br />
tern <strong>von</strong> einem anderen Segment bezieht. 731 Für Stromverteilnetzbetreiber kann sich<br />
eine solche Lösung als effizient und einfach nachvollziehbar erweisen, da sie der Vor-<br />
gehensweise bei der sekundären Gemeinkostenverrechnung im Rahmen der Kosten-<br />
stellenrechnung entspricht. Ein Vorteil ist demnach die Einfachheit der Durchführung,<br />
da jedes Kostenrechnungssystem damit umgehen kann. 732<br />
Der VSE hat sich im Zusammenhang mit dem Aufbau des betrieblichen Rechnungs-<br />
wesens für einen auf den Herstellkosten basierenden Kostensatz ausgesprochen. 733<br />
Dabei wird auf auf die Problematik verwiesen, dass im Falle einer Aktivierung im Zu-<br />
sammenhang mit Investitionen ein Verrechnungspreis zu Vollkosten zu einer nicht zu-<br />
lässigen Aktivierung <strong>von</strong> Verwaltungs-, Vertriebs- und Gewinnzuschlägen führen wür-<br />
de. Da auf Ebene der konsolidierten Jahresrechnung die Bewertung <strong>von</strong> aktivierbaren<br />
Eigenleistungen inklusive Verwaltungs-, Vertriebs- und Gewinnzuschlägen nach<br />
Massgabe der Rechnungslegungsvorschriften ausgeschlossen ist, gilt es sicherzustel-<br />
len, dass allfällige, aus Segmentsicht zu Vollkosten oder höheren Drittpreisen verrech-<br />
neten, intersegmentären Leistungen für zu aktivierende Investitionsprojekte im Rah-<br />
men der Konsolidierung eliminiert und stattdessen nur die Herstellkosten dieser Leis-<br />
tungen als Eigenleistungen verbucht werden. In solchen Fällen können Herstell- bzw.<br />
Grenzkostenverfahren oder duale Verrechnungspreissysteme zum Einsatz gelangen,<br />
bei denen der Preis beim Leistungsbesteller nicht zwingend dem Preis beim Leistung-<br />
sersteller entsprechen muss. 734 Um im Zeitverlauf bei den aktivierten Summen schwie-<br />
rig nachzuvollziehende Differenzen zwischen dem Segment Netz und dem Gesamtun-<br />
ternehmen zu verhindern, dürfte in der Praxis in Bezug auf aktivierbare Leistungen<br />
<strong>von</strong> der Verrechnung entsprechender Kostenzuschläge abgesehen werden. So wird im<br />
Leitfaden zur Kostenrechnung des VSE im Zusammenhang mit der Zeit- und Leistungserfassung<br />
empfohlen, aufgrund der Wesentlichkeit der Personalkosten sich intern<br />
auf deren Zuteilung über personalkostenbasierte Stundensätze ohne Gemeinkosten-<br />
731 Vgl. GEIGER (2002), S. 162.<br />
732 EWERT & WAGENHOFER (2000), S. 600.<br />
733 Vgl. SPAAR & KOPRIWA (2004), Kapitel 7, S. 1f.<br />
734 Vgl. dazu ausführlich EWERT & WAGENHOFER (2000), S. 611ff.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 177<br />
und Gewinnzuschläge zu konzentrieren und damit eine einfache Aktivierung <strong>von</strong> Pro-<br />
jekten in der Anlagebuchhaltung zu ermöglichen. 735<br />
Aus Sicht der Segmentrechnung Netz liegt somit ein Verrechnungspreissystem nahe,<br />
welches aufgrund des Nichtdiskriminierungsgebots Leistungen an interne sowie an<br />
externe Leistungsbezüger zu einheitlichen Cost+-Preisen (insbesondere regulierte<br />
Netznutzung bei indirekter Verrechnung) sowie zu Marktpreisen (weitere Netzdienst-<br />
leistungen) erbringt. Leistungen, welche vom Segment Netz intern bezogen werden,<br />
dürften in der Regel zu Herstellkosten oder aber nach mit der Regulation kongruenten<br />
Cost+-Ansätzen zu verrechnen sein. Eine weitgehende Übereinstimmung der internen<br />
Verrechnungspreise mit der regulatorischen Cost+-Definition dürfte auch seitens der<br />
ElCom bevorzugt werden, da sich damit eine Umgehung der Vollkostendefinition im<br />
Netz über höhere Verrechnungspreise per Definition ausschliessen lässt. Werden dem-<br />
gegenüber marktpreisbasierte, interne Verrechnungspreise angesetzt, ist deren Ange-<br />
messenheit im Fall einer Prüfung aufgrund <strong>von</strong> Drittpreisvergleichen nachzuweisen.<br />
Da interne Verrechnungspreise für die ElCom einen Prüfungsschwerpunkt darstellen<br />
dürften, gilt es die angewendeten Verrechnungssysteme detailliert zu dokumentieren<br />
und gegen aussen prinzipiell zu erläutern. 736 Dies entspricht auch dem Ansatz interna-<br />
tionaler Rechnungslegungsstandards, die aufgrund der vielen Ausgestaltungsmöglich-<br />
keiten keine Einschränkungen vorsehen, doch stattdessen eine transparente Erläuterung<br />
vorschreiben. 737<br />
4.3 Offenlegung<br />
Wurde das buchhalterische Unbundling entlang der rechtlichen Vorgaben systemtechnisch<br />
umgesetzt, und konnten die einzelnen Positionen der Erfolgsrechnung, der Bilanz<br />
und allenfalls auch einer Cashflow-Rechnung für das Segment Netz sowie für die<br />
übrigen Aktivitäten – gemäss den Bewertungsvorschriften der Rechnungslegungsstandards<br />
– separat ermittelt werden, so stellt sich für den Stromverteilnetzbetreiber letztlich<br />
noch die Frage nach deren zweckmässigen und rechtskonformen Offenlegung im<br />
Rahmen der Publikation nach den Vorgaben <strong>von</strong> Art. 12 Abs. 1 StromVG. In Kapitel<br />
3.5 wurden die GoS in Bezug auf die Offenlegung festgehalten: es sind dies die Prinzipen<br />
der Wesentlichkeit, der Nachvollziehbarkeit sowie der Stetigkeit in der Darstel-<br />
735<br />
Vgl. BILL (2008), S. 106.<br />
736<br />
So auch OTTO (2007), S. 260, in Bezug auf den deutschen Regulator.<br />
737 So etwa IFRS 8.27 lit. a.
178 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
lung und Offenlegung. Die Massgeblichkeit der Rechnungslegungsstandards wurde<br />
anlässlich der telelogischen Auslegung in Kapitel 3.4.2c) nicht auf die Offenlegung<br />
ausgeweitet, da deren Einhaltung die vollständige Erfüllung sämtlicher für die integ-<br />
rierte Jahresrechnung geltender Vorschriften bedeutet und die Möglichkeiten zur Vereinheitlichung<br />
auf die Vorgabe eines einheitlichen Standards beschränkt hätte. So<br />
müsste etwa die Segmentrechnung Netz einer Aktiengesellschaft strenggenommen im<br />
gleichen Detaillierungsgrad wie der Gesamtabschluss erfolgen und einen detaillierten<br />
Eigenkapitalausweis mit Gewinnvortrag, Reserven und Aktienkapital sowie einen gesetzlichen<br />
Anhang beinhalten. Dies würde letztlich zur faktischen Verpflichtung einer<br />
gesellschaftsrechtlichen Trennung führen, und damit zu Kosten, die nicht mit den Vorgaben<br />
im StromVG zu rechtfertigen wären.<br />
Im Idealfall kann die Existenz vollständig segmentierter, buchmässiger Werte der<br />
Segmentrechnung Netz angenommen werden. Dieser Umstand bedeutet aber nicht<br />
zwangsläufig auch die Offenlegung und damit die Veröffentlichung sämtlicher, intern<br />
verfügbarer Segmentinformationen. Entlang den dargelegten Grundsätzen ist eine Offenlegung<br />
vorzusehen, welche die wesentlichen Positionen in nachvollziehbarer und<br />
stetiger Art und Weise darstellt und damit der Public Accountability über die Ertrags-,<br />
Vermögens- und Finanzlage des Segments Netz Rechnung trägt. 738<br />
Nach den Vorgaben der international anerkannten Standards zur <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
lassen sich der Segmentumsatz, eine Massgrösse für das Segmentergebnis sowie<br />
das Segmentvermögen als Benchmark der segmentierten Offenlegung identifizieren.<br />
Diese Kerninformationen leiten sich nach HALLER und PARK direkt aus der Pflicht zur<br />
Gewährung eines Einblicks in die Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage ab. 739 Eine<br />
entsprechende Würdigung der Segmentergebnisse sowie der nachhaltigen Finanzierungsfähigkeit<br />
ist durch den Vergleich mit den eingesetzten und zu refinanzierenden<br />
Ressourcen möglich. Gemäss dem Management Approach ist für die Tiefe der Offenlegung<br />
nicht primär der interne Segmentierungsgrad massgebend, vielmehr sind die<br />
regelmässig an den CODM zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und der Allokation<br />
<strong>von</strong> Ressourcen herangezogen Informationen entscheidend. 740 Der interne Segmentierungsgrad<br />
ist jedoch die Voraussetzung zur Aufbereitung segmentierter Führungsinformationen.<br />
Da die Vorgaben des StromVG und der StromVV bezüglich der<br />
738 Vgl. zur Zielsetzung der Segmentrechnung Netz Kapitel 3.1 hiervor.<br />
739 HALLER & PARK (1994), S. 513.<br />
740 IFRS 8.23; vgl. Kapitel 2.4.2.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 179<br />
Segmentierung der Kostenrechnung auch das interne Rechnungswesen beeinflussen,<br />
ist – unabhängig vom Umfang der Berichterstattung an den CODM – <strong>von</strong> einer Ver-<br />
fügbarkeit segmentierter Netzinformationen bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> auszuge-<br />
hen. Diese Informationen bilden die Basis für ein Regulatory Management, welches<br />
für Unternehmen jeder Grösse mit zunehmendem Wertschöpfungsanteil in der Vertei-<br />
lung an Bedeutung gewinnt. Hingegen dürfte eine totale Segmentierung – insbesonde-<br />
re der Bilanz – aus Sicht des internen Berichtswesens nur selten gerechtfertigt sein.<br />
Insofern <strong>unter</strong>scheidet sich in diesem Punkt die rechtliche Idealvorstellung einer voll-<br />
wertigen Offenlegung im Sinne einer eigenständigen Jahresrechnung für das Netz <strong>von</strong><br />
der internen Notwendigkeit zur Segmentierung. Dieser Umstand kann die Verlässlich-<br />
keit der segmentierten Daten und damit die Aussagekraft der Offenlegung negativ be-<br />
einflussen.<br />
4.3.1 Aussagekraft der Segmentausweise<br />
Generell ist die Aussagekraft der Segmentrechnung Netz aufgrund der in den beiden<br />
vorangegangenen Kapiteln zum Unbundling und zur Bewertung dargestellten Ermessensspielräume<br />
erheblich eingeschränkt und im Besonderen abhängig <strong>von</strong> der betriebsspezifischen<br />
Fähigkeit zu einer sachgerechten Segmentierung sowie vom Willen<br />
zur Anwendung betriebswirtschaftlicher Bewertungsprinzipen. Nach AUER ist die Informationsqualität<br />
der im Rahmen einer <strong>Segmentberichterstattung</strong> offengelegten Daten<br />
überdies auch <strong>von</strong> der Güte der Methoden zur Aufteilung <strong>von</strong> gemeinschaftlich genutzten<br />
Vermögenswerten auf die einzelnen Segmente abhängig. 741 SANELLA verweist<br />
aufgrund des diesbezüglich grossen Ermessenspielraums auf die fragliche Verlässlichkeit<br />
und damit auf den beschränkten Nutzen <strong>von</strong> segmentierten Informationen. 742<br />
Da gemäss den bisherigen Erkenntnissen – insbesondere bei integrierten Unternehmensstrukturen<br />
– eine GoS-konforme, totale Segmentierung schwierig ist und die daraus<br />
resultierende Offenlegung in ihrer Aussagekraft begrenzt sein kann, ist die Fiktion<br />
rechtlich selbstständiger Unternehmen aus der Perspektive der Informationsqualität in<br />
Frage zu stellen. 743 Stattdessen sollte es auch <strong>unter</strong> den grundsätzlichen Vorgaben des<br />
StromVG und den daraus abgeleiteten GoS vertretbar sein, in Anlehnung an die kapitalmarktorientierte<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> eine Offenlegung <strong>von</strong> segmentierten In-<br />
741<br />
AUER (2004), S. 11.<br />
742<br />
Vgl. SANNELLA (1991), S. 76.<br />
743<br />
Vgl. zur Problematik der totalen Segmentierung etwa KÖHLE (2006), S. 115.
180 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
formationen nur dann vorzunehmen, wenn deren Ermittlung verlässlich erfolgte und<br />
sie für die Beurteilung der Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage des Netzbetriebs des<br />
Stromverteilnetzbetreibers <strong>von</strong> Relevanz sind. Für Stromverteilnetzbetreiber könnten<br />
die nach der Vornahme sachlicher Abgrenzungen auch in der Kalkulation verwendeten<br />
Grössen der Erfolgsrechnung und die für die Berechnung der anrechenbaren Kapital-<br />
kosten nötigen Bilanzpositionen den Benchmark zur Offenlegung darstellen. Damit<br />
würde sichergestellt, dass die externen Adressaten diejenigen Segmentinformationen,<br />
welche vom Netzbetreiber <strong>unter</strong> Vornahme sachlicher Abgrenzungen für die Bestim-<br />
mung der Netznutzungsentgelte herangezogen werden, im Zeitverlauf beurteilen kön-<br />
nen. Die Relevanz und Verlässlichkeit dieser Informationen zeichnet sich dadurch aus,<br />
dass sie auch intern verwendet und seitens der Regulationsbehörde ElCom situativ<br />
überprüft werden. Diese Überlegung entspricht der Grundidee des Management Ap-<br />
proach, nach welchem die Relevanz und Verlässlichkeit der gegen aussen offengeleg-<br />
ten Informationen steigt, wenn diese Informationen auf intern verwendeten Datengrundlagen<br />
beruhen bzw. diesen sogar entsprechen. 744 Demgegenüber sinkt die Verlässlichkeit<br />
<strong>von</strong> Daten, und damit die Informationsqualität der Berichterstattung beträchtlich,<br />
wenn Informationen nur für externe Adressen aufbereitet werden müssen. 745<br />
Was die Segmenterfolgsrechnung Netz betrifft, bedeuten diese Überlegungen zur Aussagekraft,<br />
dass im Minimum eine Offenlegung bis auf Stufe des Gewinns vor Zinsen<br />
und Steuern (EBIT) vorzunehmen ist. In der Bilanz wäre demnach die Segmentierung<br />
des Nettoumlaufvermögens sowie des Anlagevermögens – die beide zur Berechnung<br />
der anrechenbaren Kapitalkosten herangezogen werden – als minimale Offenlegung zu<br />
fordern. Anstelle einer zwingenden Offenlegung einer vielfach willkürlich zugewiesenen<br />
Segmentfinanzierung ist zur Erhöhung der Aussagekraft eine Offenlegung der<br />
jährlichen Segmentinvestitionen in das Anlagevermögen sowie der wesentlichen, nicht<br />
cash-wirksamen Erträge und Aufwendungen zu befürworten. 746 Mit diesen Segmentinformationen<br />
wird eine Ermittlung eines approximativen Segment-Cashflows, und damit<br />
eine Aussage über die Finanzierungsfähigkeit des Segments Netz möglich. 747<br />
744<br />
Vgl. HALLER & PARK (1999), S. 60.<br />
745<br />
Vgl. SFAS 131.87.<br />
746<br />
Diese Informationen sind auch <strong>unter</strong> IFRS 8 – <strong>unter</strong> Vorbehalt des Management Approach –<br />
offenzulegen.<br />
747<br />
Vgl. GEIGER (2002), S. 215. ULBRICH (2006), S. 149, lehnt derartige Näherungsrechnungen eines<br />
Segment-Free Cashflows aufgrund <strong>von</strong> verschiedenen Ungenauigkeiten ab und verlangt stattdessen<br />
eine vollständige Segmentierung der Cashflow-Rechnung.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 181<br />
Solche Zusatzinformationen würden die Aussagekraft der Segmentrechnung Netz we-<br />
sentlich erhöhen und – zumindest annähernd – Segmentbewertungen zulassen. 748 Die<br />
Offenlegung <strong>von</strong> segmentierten Cashflow-Grössen kann nicht zuletzt deshalb als be-<br />
sonders relevant beurteilt werden, weil sie unabhängig <strong>von</strong> bilanzpolitischen Mass-<br />
nahmen sind – wie beispielsweise Überabschreibungen – und daher über Mehrjahres-<br />
betrachtungen gute Einsichten in die effektive Wirtschaftlichkeit und die Finanzie-<br />
rungsfähigkeit gewähren. 749 Auf diese Weise kann trotz fehlender totaler Segmentie-<br />
rung Rechenschaft über die Finanzlage des Netzbereichs abgelegt werden.<br />
4.3.2 Gliederung<br />
Die Gliederung der Segmentrechnung Netz kann in Bezug auf die Erfolgsrechnung und<br />
die Bilanz in Anlehnung an eine Tabellen-Darstellung in horizontaler (Spalten) und<br />
vertikaler Hinsicht (Zeilen) konkretisiert werden. Die Erläuterungen zur Erstellung der<br />
Segmentrechnung sind <strong>von</strong> der Darstellungsform der Erfolgsrechnung und der Bilanz<br />
nur indirekt – abhängig <strong>von</strong> deren Detailierungsgrad – betroffen.<br />
Vertikale Gliederung<br />
Ansatz Jahresrechnung<br />
Verteilung 2009 2008<br />
A<br />
B<br />
C<br />
D<br />
E<br />
F<br />
G<br />
H<br />
I<br />
J<br />
K<br />
L<br />
M<br />
N<br />
...<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
....<br />
Abbildung 4-23: Gliederungsansätze (schematisch) 750<br />
Vor dem Hintergrund der offenen rechtlichen Vorgaben im Schweizer Stromrecht und<br />
den Ausführungen zur Aussagekraft <strong>von</strong> Segmentausweisen sind prinzipiell zwei<br />
748 Vgl. dazu ausführlich KIND (2000), S. 181ff.<br />
749 Vgl. KIND (2000), S. 169.<br />
750 Eigene Darstellung.<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
....<br />
Ansatz Segmentrechnung<br />
A<br />
C<br />
D<br />
G<br />
H<br />
K<br />
N<br />
Verteilung<br />
2009 2008<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
Übriges<br />
2009 2008<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
Horizontale Gliederung<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
Überleitung<br />
2009 2008<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
Konsolidiert<br />
2009 2008<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx<br />
xxx
182 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Stossrichtungen der Darstellung möglich. Geht man <strong>von</strong> der Fiktion der rechtlichen<br />
Eigenständigkeit des Segments Netz aus, so führt dies konsequenterweise zu einer mit<br />
der Darstellung der integrierten Jahresrechnung identischen, vertikal fein gegliederten<br />
Jahresrechnung für das Netz. Diese Form entspricht dem reinen Wortlaut des<br />
StromVG und bedingt eine totale Segmentierung. Wird hingegen ein Ansatz in Anleh-<br />
nung an den Management Approach auch <strong>unter</strong> den Vorgaben <strong>von</strong> StromVG und<br />
StromVV als zulässig erachtet, so wird der Ausweis auf die relevanten und verlässlich<br />
ermittelten Informationen reduziert, welche durch eine horizontale Gliederung als<br />
Segmentrechnung – mit Vorjahreszahlen und einer Überleitungsrechnung – in für ex-<br />
terne Adressaten nachvollziehbarer Art und Weise dargestellt und erläutert werden.<br />
a) Horizontale Gliederung<br />
Der zusätzlich zur integrierten Rechnung erfolgende Ausweis eines oder mehrerer<br />
Segmente wird in der Literatur auch als horizontale Gliederung bezeichnet. 751 Die<br />
Segmentrechnung Netz stellt mit der Anforderung der Trennung des Segments Netz<br />
<strong>von</strong> den übrigen Tätigkeiten gemäss Art. 10 Abs. 3 StromVG und der Offenlegung<br />
einer entflochtenen Jahresrechnung eine minimale horizontale Gliederung dar. Offen<br />
bleibt dabei allerdings, inwiefern die übrigen Tätigkeiten überhaupt dargestellt und<br />
eine Überleitung zum Gesamtabschluss erstellt werden sollen.<br />
Nach den auf dem Wortlaut <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 basierenden Empfehlungen des VSE,<br />
soll die Offenlegung der Segmentrechnung Netz in Form einer einspaltigen Erfolgsrechnung<br />
und Bilanz für die Verteilung erfolgen. 752 Der VSE verzichtet in seiner Empfehlung<br />
auf die Forderung nach einer Darstellung <strong>von</strong> Vorjahreszahlen sowie auf eine<br />
Überleitung zum Gesamtabschluss. 753 POULLIE hält aus deutscher Sicht fest, dass eine<br />
Überleitungsspalte zur Konsolidierung sowie eine Summenspalte zwar zweckmässig,<br />
aber nicht erforderlich seien. 754 Hingegen beurteilt er die Publikation <strong>von</strong> Vorjahreszahlen<br />
als zwingend. Unter Anwendung der GoS der Nachvollziehbarkeit und der Stetigkeit<br />
ist eine Publikation der Vorjahreszahlen in der Segmentrechnung Netz auch für<br />
Schweizer Stromverteilnetzbetreiber zu befürworten. Dies stellt heute eine auch aus-<br />
751<br />
Vgl. HALLER & PARK (1994), S. 501.<br />
752<br />
Vgl. MEYER (2009), S. 19f.<br />
753<br />
Demgegenüber war im ersten Leitfaden zum Unbundling im Kontext des nicht in Kraft getretenen<br />
EMG eine Angabe <strong>von</strong> Vorjahreszahlen vorgesehen. Vgl. VSE (2001), S. 15.<br />
754<br />
Vgl. POULLIE (2007), S. 252.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 183<br />
serhalb der aktienrechtlichen Rechnungslegung verbreitete Praxis dar. 755 So ist auch<br />
<strong>unter</strong> der Fiktion der rechtlichen Eigenständigkeit des Segments Netz eine Publikation<br />
<strong>von</strong> Vorjahreszahlen zu begrüssen. Im ersten Jahr der Publikation kann – in Anlehnung<br />
an die Praxis <strong>unter</strong> den Vorgaben des deutschen EnWG – im Sinne einer Übergangsbe-<br />
stimmung auf die Darstellung des Vorjahres verzichtet werden. 756 Demgegenüber ist<br />
eine Überleitungsrechnung auf den Gesamtabschluss <strong>unter</strong> der Fiktion der rechtlichen<br />
Eigenständigkeit nicht nötig, da die Segmentrechnung in Form einer unabhängigen<br />
und vollständigen Jahresrechnung dargestellt wird. Dies hat für Stromverteilnetz-<br />
betreiber, die ihre integrierte Jahresrechnung nicht veröffentlichen, den Vorteil, dass<br />
mit der Publikation der Segmentrechnung Netz nicht gleichzeitig auch eine Veröffentlichung<br />
der gesamten Unternehmenszahlen erfolgt.<br />
Ist hingegen die Voraussetzung einer totalen Segmentierung nicht erfüllt oder wird<br />
dem Gliederungsansatz Segmentrechnung gefolgt, stellt die Überleitungsrechnung ein<br />
zentrales Element zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit dar. 757 Mit der Überleitung<br />
wird gegen aussen dargestellt, dass es sich bei der Segmentrechnung Netz nicht<br />
um eine vollwertige, eigenständige Jahresrechnung handelt, sondern dass – basierend<br />
auf den verschiedenen Verfahren des buchhalterischen Unbundling – eine Segmentierung<br />
vorgenommen wurde. Besondere Relevanz erhält die Überleitungsrechnung in<br />
denjenigen Fällen, in denen kalkulatorische Kostenelemente sowie interne Verrechnungen<br />
in wesentlichem Umfang in die Segmentrechnung Netz einfliessen. 758 So fordert<br />
etwa auch IFRS 8 aufgrund der laut dem Management Approach zulässigen Darstellung<br />
interner, nicht mit den Vorschriften <strong>von</strong> IFRS konformer Zahlen in der Segmentrechnung<br />
eine Überleitung der zentralen Segmentausweise auf die konsolidierten<br />
Abschlusszahlen. 759<br />
Unabhängig vom gewählten Ansatz kann – gemäss auf den Vorgaben des StromVG<br />
und im Unterschied zu den europäischen Vorschriften zum Unbundling – keine ausführlichere<br />
horizontale Gliederung in Form weiterer Segmentausweise gefordert werden.<br />
So sind beispielsweise nach dem deutschen EnWG neben der Verteilung auch die<br />
755<br />
HWP Ziff. 2.242.<br />
756<br />
Vgl. INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER IN DEUTSCHLAND E.V. (2006b), S. 469.<br />
757<br />
Vgl. zur Ausgestaltung der Überleitungsrechnung ausführlich ULBRICH (2006), S. 139ff.<br />
758<br />
Vgl. ALVAREZ & BÜTTNER (2006), S. 312 und 315.<br />
759<br />
IFRS 8.28. Zwingend ist eine Überleitung der Segmentumsätze, der Segmentergebnisse, der<br />
Segmentaktiven, der Segmentverbindlichkeiten und weiterer wesentlicher Segmentpositionen, sofern<br />
die Positionen segmentiert ausgewiesen werden.
184 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
Übertragung, die anderen Tätigkeiten innerhalb der Sparte Strom sowie die übrigen<br />
Tätigkeiten darzustellen. 760 Gleiches gilt für die Sparte Gas. In der Schweiz besteht die<br />
Verpflichtung zur Offenlegung nur für das Übertragungs- und Verteilnetz. Die Darstel-<br />
lung einer residualen Grösse für die übrigen Tätigkeiten kann bei Offenlegung einer<br />
Überleitung auf die integrierten Abschlusszahlen Sinn machen, um bei wesentlichen<br />
internen Verrechnungen die Konsolidierung vollständig darstellen zu können. 761<br />
b) Vertikale Gliederung<br />
Die beiden konzeptionellen Ansätze zur Offenlegung <strong>unter</strong>scheiden sich auch in der<br />
vertikalen Gliederung <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz. Da die <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
in Anlehnung an internationale Standards eine Ergänzung zum Gesamtabschluss<br />
darstellt, ist eine Verdichtung der Information auf die wesentlichsten segmentierten<br />
Positionen der Erfolgsrechnung und der Bilanz die Regel. So bestehen <strong>unter</strong> IFRS weder<br />
besondere Form- noch Gliederungsvorschriften, sondern im Rahmen der Guidance<br />
on Implementing lediglich beispielhafte Darstellungen. 762 Dies ist symptomatisch für<br />
die Vorschriften der IFRS-Rechnungslegung, welche nur wenige formale Regelungen<br />
enthält. 763<br />
Demgegenüber ist beim Gliederungsansatz Jahresrechnung, den der VSE empfiehlt,<br />
die vertikale Gliederung grundsätzlich identisch mit der zur Abnahme vorgelegten Gesamtbilanz<br />
und Gesamterfolgsrechnung. 764 Eine Ausnahme bildet dabei die Darstellung<br />
des Eigenkapitals, da aufgrund der im Zusammenhang mit den Verfahren zum<br />
buchhalterischen Unbundling beschriebenen Schwierigkeiten der Folgesegmentierung<br />
<strong>von</strong> Eigenkapitalbestandteilen (beispielswiese Nominalkapital, gesetzliche und freie<br />
Reserven, Gewinnvortrag, Ergebnis) auf eine fiktive Aufteilung verzichtet wird. Das in<br />
Abbildung 4-24 dargestellte Beispiel des VSE zeigt, wie detailliert bei der Massgeb-<br />
760<br />
Vgl. LEVERKUS (2006), S. 263, sowie Fussnote 310.<br />
761<br />
Erfolgt die Überleitung nur zwischen einem Segment und den integrierten Zahlen, lassen sich<br />
interne Verrechnungen nicht ohne residuale Differenzen eliminieren. Aus Sicht der Nachvollziehbarkeit<br />
ist bei wesentlichen internen Erträgen und Aufwendungen eine Darstellung der übrigen<br />
Aktivitäten als "Gegenpartei" sinnvoll. Dies <strong>unter</strong>scheidet eine Überleitungsrechnung <strong>von</strong> einer<br />
reinen Differenzrechnung. So auch die Vorgabe der Trennung des Ausweises sonstiger Segmente<br />
und der Überleitung nach IFRS 8.16. RICHTER & ROGLER (2009a), S. 80, verweisen auf die in<br />
der Praxis zusätzlich übliche Unterscheidung bei der Überleitung in Bewertungsdifferenzen und<br />
Konsolidierung.<br />
762 Vgl. etwa IFRS 8.IG3.<br />
763 Vgl. auch ULBRICH (2006), S. 158, in Bezug auf die diesbezüglich vergleichbaren IAS 14.<br />
764 MEYER (2009), S. 18.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 185<br />
lichkeit der Gliederung der Gesamtrechnung nicht nur die Segmenterfolgsrechnung,<br />
sondern auch die Segmentbilanz ausfallen kann. Entsprechend hoch sind dabei die Anforderungen<br />
an die bilanziellen Segmentierungsverfahren.<br />
Segmenterfolgsrechnung Verteilung Segmentbilanz Verteilung<br />
2009 31.12.2009<br />
CHF Mio. CHF Mio.<br />
Sachanlagen xxx<br />
Erlöse aus Lieferung & Leistungen xxx Immaterielle Anlagen xxx<br />
Aktivierte Eigenleistungen xxx Beteiligungen xxx<br />
Gewinne aus Veräusserung <strong>von</strong> AV xxx Übrige Finanzanlagen xxx<br />
Übriger Betriebsertrag xxx Anlagevermögen xxx<br />
Gesamtleistung xxx Vorräte xxx<br />
Forderungen aus Lieferung & Leistung xxx<br />
Material- und Fremdleistungen (xxx) Übrige Forderungen xxx<br />
Personal (xxx) Interne Forderungen xxx<br />
Abschreibungen (xxx) Aktive Rechungsabgrenzung xxx<br />
Abgaben (xxx) Flüssige Mittel xxx<br />
Verluste aus Veräusserungen <strong>von</strong> AV (xxx) Umlaufvermögen xxx<br />
Übriger Betriebsaufwand (xxx) AKTIVEN xxx<br />
Betriebsaufwand (xxx)<br />
Eigenkapital vor Jahresgewinn /-verlust xxx<br />
Ergebis vor Finanzierung und Steuern xxx Jahresgewinn / Jahresverlust xxx<br />
Finanzertrag xxx Eigenkapital xxx<br />
Finanzaufwand (xxx)<br />
Langfristige Verbindlichkeiten xxx<br />
Ordentliches Ergebnis vor Steuern xxx Rückstellungen xxx<br />
Ausserord. Ertrag xxx Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung xxx<br />
Ausserord. Aufwand (xxx) Übrige kurzfristige Verbindlichkeiten xxx<br />
Interne Verbindlichkeiten xxx<br />
Ergebnis vor Steuern xxx Passive Rechungsabgrenzungen xxx<br />
Ertragssteuern (xxx) Fremdkapital xxx<br />
Jahresgewinn / Jahresverlust xxx PASSIVEN xxx<br />
Abbildung 4-24: Gliederungsbeispiel der Segmentrechnung Netz nach VSE 765<br />
Da die Gesamtrechnungen <strong>von</strong> Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> aufgrund der<br />
verschiedenen privat- und öffentlich-rechtlichen Rechnungslegungsvorschriften <strong>unter</strong>schiedlich<br />
gegliedert sind, ist auf dieser Basis keine einheitliche Publikationsform für<br />
die Segmentrechnung Netz zu erwarten. Auch stellt der VSE im Unbundling-Leitfaden<br />
nur ein Beispiel, und kein verbindliches Publikationsschema im Sinne der Vereinheitlichung<br />
nach Art. 11 Abs. 2 StromVG dar. Dies ist vor dem Hintergrund, dass in der<br />
Schweiz im allgemeinen Buchführungsrecht allgemeingültige Gliederungsvorschriften<br />
fehlen, nicht weiter erstaunlich. Zentrale Grundsätze für die Gliederung lassen sich<br />
lediglich aus den GoR ableiten. So gelten etwa die Ordnung der Posten nach dem Grad<br />
der Liquidierbarkeit, die Aufteilung nach Umlauf- und Anlagevermögen beziehungsweise<br />
nach Fremd- und Eigenkapital, die Unterscheidung der betrieblichen Erfolgspositionen<br />
<strong>von</strong> den ausserordentlichen und betriebsfremden Posten sowie das Verrech-<br />
765 Eigene Darstellung in Anlehnung an MEYER (2009), S. 19f.
186 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
nungsverbot <strong>von</strong> sachlich nicht zusammengehörenden, wesentlichen Aktiv- und Pas-<br />
sivposten sowie <strong>von</strong> Aufwand- und Ertragsposten als allgemein anerkannte Prinzi-<br />
pien. 766 Im Weiteren gelten die mehr oder weniger ausführlich vorhandenen Gliede-<br />
rungsvorschriften der relevanten Rechnungslegungsstandards, auf welche hier nicht<br />
vertieft eingegangen wird.<br />
Für die vertikale Gliederung der Segmentrechnung Netz ist überdies relevant ob bzw.<br />
inwiefern Zusatzinformationen zu einzelnen Positionen der Segmentrechnung – in<br />
Form <strong>von</strong> Erläuterungen – abgegeben werden oder nicht. So entspricht es der internationalen<br />
Rechnungslegungspraxis zur Wahrung der Nachvollziehbarkeit, Details zu<br />
einzelnen Positionen oder zu deren Aufschlüsselung in Form <strong>von</strong> Erläuterungen darzustellen.<br />
767 Bilanz und Erfolgsrechnung können durch Erläuterungen entlastet werden<br />
und lassen sich dadurch übersichtlicher gestalten. 768 Erläuterungen zu einzelnen Positionen<br />
der Segmentrechnung Netz können je nach Darstellungsform und Wesentlichkeit<br />
– nebst den zum Zweck der Nachvollziehbarkeit notwendigen Angaben zur Segmentierung<br />
769 – erforderlich sein. Wird eine weitgehende vertikale Gliederung vorgesehen,<br />
ist entsprechend der Auslegung der Anforderungen des StromVG keine weitere Erläuterung<br />
<strong>von</strong> Einzelpositionen zwingend.<br />
Ferner ist aus Sicht des StromVG – entgegen dem in der Schweiz weit verbreiteten<br />
Gesamtkostenverfahren – nicht auszuschliessen, dass eine Segmenterfolgsrechnung<br />
Netz <strong>unter</strong> Anwendung privatrechtlicher Rechnungslegungsvorschriften nach dem<br />
Umsatzkostenverfahren erstellt wird. 770 Dies wäre insbesondere eine Alternative für<br />
Stromverteilnetzbetreiber, welche die Segmentierung der Erfolgsrechnung auf Basis<br />
der Kostenrechnung vollziehen und bei denen systemtechnisch eine Rückableitung<br />
sämtlicher Aufwandarten in segmentierter Form nicht in wirtschaftlicher Art und Weise<br />
zu erreichen ist. 771 Der Ausweis der Herstellungs-, Vertriebs- und Verwaltungskosten<br />
sowie anderer betrieblicher Erträge und Aufwendungen hat dabei nach den Bewer-<br />
766<br />
HWP Ziff. 2.243. Vgl. dazu Kapitel 2.3.2.<br />
767<br />
Vgl. etwa die Vorschriften <strong>von</strong> IAS 1.74 zur Möglichkeit der Darstellung <strong>von</strong> Bilanzinformationen<br />
sowie IAS 1.86 zur Möglichkeit der Darstellung <strong>von</strong> Positionen der Erfolgsrechnung im Anhang.<br />
768<br />
So auch die Begründung zu freiwilligen Angaben im gesetzlichen Anhang zur Jahresrechnung:<br />
vgl. HWP, Ziff. 2.2533.<br />
769<br />
Vgl. zur Begründung der Notwendigkeit der Erläuterung der Segmentierung: Kapitel 3.4.2c).<br />
770<br />
Vgl. etwa ein entsprechendes Segmentrechnungs-Beispiel bei KIND (2000), S. 153.<br />
771 Vgl. Kapitel 4.1.4.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 187<br />
tungsvorschriften der Rechnungslegungsstandards <strong>unter</strong> Berücksichtigung der sachli-<br />
chen Abgrenzungen zu erfolgen. So wären beispielsweise nicht die kalkulatorischen<br />
Abschreibungen, sondern die buchmässigen Abschreibungen in den Herstellkosten zu<br />
verrechnen. Auch bleibt beim Umsatzkostenverfahren die Einrechnung <strong>von</strong> kalkulato-<br />
rischen Zinsen ausgeschlossen. Nach den Vorgaben des Aktienrechts, FER und IFRS<br />
ist bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens die Aufteilung der wesentlichen Positionen<br />
nach Aufwandarten – insbesondere der Personalaufwand und die Abschreibungen<br />
– im Anhang dennoch vorzunehmen. 772 Für die Segmentrechnung Netz sollte es<br />
daher im Minimum möglich sein, die zentralen Aufwandarten in Bezug auf die erfolgten<br />
direkten Segmentierungen auszuweisen.<br />
Für interne Verrechnungen empfiehlt der VSE den Ausweis in einer separaten Zeile<br />
anstelle einer ertrags- bzw. aufwandgerechten Zuordnung. 773 Dadurch <strong>unter</strong>scheidet<br />
sich die Segmentrechnung eines integrierten Netzbereichs <strong>von</strong> der Jahresrechnung einer<br />
eigenständigen Netzgesellschaft. Dem Vorteil der Transparenz interner Verrechnungen<br />
steht – in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Wesentlichkeit der Verrechnungen – die abnehmende<br />
Vergleichbarkeit gegenüber. Erfolgt eine Segmentabgrenzung des Verteilnetzes<br />
aufgrund des Shared-Service-Ansatzes, kann dies zu hohen erklärungsbedürftigen<br />
Verrechnungspositionen führen. So wäre da<strong>von</strong> auszugehen, dass zahlreiche Bilanzpositionen<br />
für das Netz wegfallen und stattdessen die internen Verrechnungspositionen<br />
eine höhere Wesentlichkeit erhalten würden. Wird die Segmentkonzeption nach<br />
dem Autonomous Entity Approach vorgenommen, ist alternativ ein Ausweis der internen<br />
Verrechnung in den jeweiligen Ertrags- und Aufwandpositionen der Erfolgsrechnung<br />
bzw. in der jeweiligen Position der Bilanz zu befürworten, als ob Leistungsbeziehungen<br />
mit Dritten bestünden. Diesen Ansatz schreibt das INSTITUT DER<br />
WIRTSCHAFTSPRÜFER (IDW) in Deutschland aufgrund der strengen Auslegung der<br />
Fiktion der rechtlichen Selbstständigkeit gemäss EnWG vor. 774 So sind etwa intern<br />
verrechnete Wirkverluste im Segment Verteilnetz <strong>unter</strong> Beschaffungsaufwand und administrative<br />
Leistungen der zentralen Dienste <strong>unter</strong> Verwaltungsaufwand auszuweisen.<br />
Nach der Empfehlung des VSE würden diese beiden <strong>unter</strong>schiedlichen Sachverhalte in<br />
ein und derselben Aufwandposition "Interne Verrechnungen" zusammengefasst.<br />
772<br />
Vgl. HWP Ziff. 2.2532; FER 3.10; IAS 1.93.<br />
773<br />
MEYER (2009), S. 18. Dies gilt auch für den Ausweis bilanzieller Verrechnungsposten.<br />
774 Vgl. INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER IN DEUTSCHLAND E.V. (2006b), S. 469.
188 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
4.3.3 Publikationsform<br />
Neben der Aussagekraft der dargestellten Informationen und der Art und Weise ihrer<br />
Gliederung ist auch die Publikationsform der Segmentrechnung Netz ein wesentliches<br />
Element der angemessenen und rechtskonformen Offenlegung. Gemäss Art. 10<br />
StromVV ist die Segmentrechnung Netz über die zentrale Publikationsseite der ElCom<br />
im Internet zu veröffentlichen. Da weder das StromVG noch die StromVV eine Veröf-<br />
fentlichung der integrierten Jahresrechnung der Stromverteilnetzbetreiber vorschrei-<br />
ben, gilt eine <strong>von</strong> der integrierten Jahresrechnung losgelöste Publikationsform der<br />
Segmentrechnung Netz als rechtliche Mindestvorgabe. Im Unterschied zur vollständi-<br />
gen Jahresrechnung einer rechtlich getrennten Netzgesellschaft fehlen aber in dieser<br />
eigenständigen Publikation ein eigentlicher Anhang 775 sowie – je nach Rechnungsle-<br />
gungsstandard und Revisionspflicht – weitere Offenlegungen inklusive des Revisions-<br />
testats. Diese Offenlegungen sind gemäss der erfolgten Auslegung der Anforderungen<br />
des StromVG an die entflochtene Jahresrechnung nicht zwingend. Dies führt in letzter<br />
Konsequenz dazu, dass die Aussagekraft einer eigenständigen Publikation der Seg-<br />
mentrechnung Netz aufgrund des fehlenden Kontexts zusätzlich begrenzt wird.<br />
Möglich ist indes auch eine Publikation der Segmentrechnung im ordentlichen Anhang<br />
oder in einer da<strong>von</strong> getrennten Beilage zur bisherigen Finanzberichterstattung. Die<br />
Einordnung in den ordentlichen Anhang entspricht der Praxis der kapitalmarktorien-<br />
tierten <strong>Segmentberichterstattung</strong> 776 sowie der alten Regelung <strong>unter</strong> der EG-Richtlinie<br />
96/92/EG. 777 Durch ihre Aufnahme im Anhang wird die Segmentrechnung Netz zu ei-<br />
nem Bestandteil der Prüfung durch die Revisionsstelle, sofern eine Revision des<br />
Stromverteilnetzbetreibers aufgrund der Rechtsform und der Grösse erforderlich ist. 778<br />
Die Revisionsstelle hat dabei zu prüfen, inwiefern die Angaben im Anhang, und damit<br />
auch in der Segmentrechnung, vollständig und richtig sind. 779 Da weder der Wortlaut<br />
des StromVG noch dessen Auslegung eine Prüfungspflicht für die Segmentrechnung<br />
Netz vorschreibt, würde die Eingliederung der Segmentrechnung im Anhang zur or-<br />
775 Dabei darf ein Erläuterungsteil zur Segmentierung sowie allenfalls zu einigen Positionen der<br />
Segmentrechnung nicht mit einem formellen Anhang nach den Vorgaben des jeweiligen Rechnungslegungsstandards<br />
verwechselt werden.<br />
776 Vgl. LEIBFRIED & WEBER (2006), S. 239ff.<br />
777<br />
Vgl. Kapitel 3.3 zu den europäischen Vorgaben sowie deren Umsetzung in Deutschland und Österreich.<br />
778 Etwa nach den Vorgaben <strong>von</strong> Art. 727ff. OR.<br />
779 Vgl. in Bezug auf das Schweizer Aktienrecht etwa HWP Ziff. 3.152.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 189<br />
dentlichen Jahresrechnung einer freiwilligen Revision gleichkommen. Eine solche<br />
würde die Glaubwürdigkeit und die Verlässlichkeit der Segmentrechnung Netz <strong>unter</strong>-<br />
mauern und wäre aus Sicht der Adressaten zu begrüssen. Die freiwillige Revision der<br />
Segmentrechnung kann auch aus Sicht des betroffenen Stromverteilnetzbetreibers<br />
sinnvoll sein, indem insbesondere das vorgenommene buchhalterische Unbundling als<br />
Basis für die segmentierte Jahres- und Kostenrechnung sowie die vorgenommenen<br />
Bewertungen durch einen unabhängigen Fachexperten geprüft werden. 780<br />
Will der Stromverteilnetzbetreiber hingegen eine freiwillige, jährlich wiederkehrende<br />
Revision der Segmentrechnung Netz nicht zuletzt aus Kostengründen vermeiden, so<br />
steht ihm die Möglichkeit offen, die Segmentrechnung ausserhalb des Anhangs als<br />
neuen Teil der jährlichen Berichterstattung zu publizieren. Damit muss der aus Sicht<br />
der Adressaten relevante Vorteil des Kontextes der integrierten Jahresrechnung sowie<br />
des Lageberichts nicht zwingend zur Verhinderung zusätzlicher, jährlicher Revisionskosten<br />
aufgegeben werden.<br />
4.4 Zwischenfazit und Positionierung aus konzeptioneller Sicht<br />
Die Verfahren zur Segmentierung haben gemein, dass eine fiktive Segmentierung <strong>von</strong><br />
Grössen, deren Verursachung nicht beim einzelnen Segment, sondern auf Ebene des<br />
Gesamt<strong>unter</strong>nehmens zu orten ist, einen grossen Ermessensspielraum und damit die<br />
Gefahr der Reduktion der Informationsqualität durch abnehmende Verlässlichkeit impliziert.<br />
Sowohl die Relevanz der Information als auch die Verlässlichkeit steigen indes,<br />
wenn die Segmentierung nicht fiktiv erfolgt, sondern innerbetriebliche Realitäten abbildet.<br />
Entsprechend steigt mit zunehmender Betriebsgrösse und Dezentralisierung die<br />
Wahrscheinlichkeit, dass ein weitgehend verlässliches, buchhalterisches Unbundling<br />
möglich und aufgrund systemtechnischer Ressourcen auch effizient realisierbar ist.<br />
Wird dem Ansatz der totalen Segmentierung gefolgt – unabhängig <strong>von</strong> der Grösse und<br />
Struktur des betroffenen Unternehmens –, ist der Einsatz <strong>von</strong> Schlüsselungen sowohl<br />
bei der Erstsegmentierung wie auch bei der Folgesegmentierung <strong>von</strong>nöten. Mit zunehmendem<br />
Anteil an geschlüsselten Beträgen pro Position wird die Einhaltung der in<br />
Kapitel 3.5 aufgestellten GoS schwieriger. Da diese Problematik insbesondere auf die<br />
Segmentierung der Unternehmensfinanzierung zutrifft, sollte es möglich sein, die Er-<br />
780 Vgl. zur gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungspflicht in Deutschland gemäss IDW PS 610:<br />
INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER IN DEUTSCHLAND E.V. (2006a), HENNEMANN (2008),<br />
S. 75ff., oder LEVERKUS (2006), S. 277f. Zur Prüfungspflicht in Österreich: PEROUTKA (2001),<br />
S. 70ff.
190 Theoretische Konzepte zur Umsetzung<br />
folgsrechnung bis auf Stufe EBIT und die wesentlichen Positionen des Umlauf- und<br />
des Anlagevermögens inklusive der Investitionen – unabhängig <strong>von</strong> der Grösse und<br />
der Struktur der einzelnen Netzbetreiber – relativ verlässlich zu segmentieren. Die<br />
notwendige Konsistenz zwischen Segmentrechnung und Kostenrechnung führt aus<br />
konzeptioneller Sicht zur alternativen Variante der partiellen Segmentierung durch Fo-<br />
kussierung auf verlässlich segmentierbare und relevante Positionen.<br />
Aufgrund der Massgeblichkeit <strong>unter</strong>schiedlicher Rechnungslegungsstandards bestehen<br />
für Schweizer Stromverteilnetzbetreiber zusätzlich zur Segmentierung Freiheitsgrade<br />
im Rahmen der Bewertung, sei es durch die Wahl des Standards oder durch die Wahl-<br />
rechte innerhalb <strong>von</strong> Rechnungslegungsvorschriften wie OR oder HRM. Aufgrund <strong>von</strong><br />
Bewertungsdifferenzen zwischen Buchwerten und kalkulatorischen Werten besteht die<br />
Gefahr einer Verzerrung der öffentlichen Ausweise. Daher gilt es aus Sicht der Stromverteilnetzbetreiber,<br />
eine Strategie im Umgang mit solchen Differenzen festzulegen,<br />
diese zu begründen und allenfalls die Wahl eines aussagekräftigeren Rechnungslegungsstandards<br />
zu evaluieren.<br />
Die Option der Anlehnung an den Management Approach – so dass innerhalb der<br />
Segmentrechnung Netz kalkulatorische Werte ausgewiesen werden können – ist zur<br />
Einhaltung der Massgeblichkeit des jeweiligen Rechnungslegungsstandards und zur<br />
Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit aus konzeptioneller Sicht nur vertretbar, wenn<br />
gleichzeitig entsprechende Überleitungsrechnungen ausgewiesen werden. Dennoch<br />
führt die Grundidee des Management Approach, nämlich dass intern verwendete Informationen<br />
verlässlicher und relevanter sind als eigens für die externe Berichterstattung<br />
generierte Werte – selbst bei strenger Interpretation der Massgeblichkeit der<br />
Rechnungslegungsvorschriften – zur konzeptionellen Einsicht, dass die Informationsqualität<br />
durch Reduktion der Unbundling-Anforderungen auf eine partielle Segmentierung<br />
steigt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die intern aus Gründen der Netzentgeltkalkulation<br />
und der Regulation bereits zwingend etablierte Kostenrechnung als Grundlage<br />
für die Definition der buchmässigen Ausweise in der Segmentrechnung Netz herangezogen<br />
wird.
Theoretische Konzepte zur Umsetzung 191<br />
Informationsqualität<br />
Nicht segmentierte<br />
Grössen<br />
Abbildung 4-25: Positionierung der Segmentrechnung Netz aus konzeptioneller Sicht 781<br />
Diese konzeptionellen Erkenntnisse führen zur Positionierung der Segmentrechnung<br />
Netz in Abbildung 4-25 in Form zweier Varianten. Einer <strong>von</strong> zahlreichen Schlüsselun-<br />
gen geprägten, fiktiven Jahresrechnung ist ein partieller, dafür einheitlicher Segment-<br />
ausweis verlässlich trennbarer Positionen <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz sowie <strong>von</strong><br />
Cashflow-orientierten Zusatzinformationen vorzuziehen. Ist es einem Stromverteil-<br />
netzbetreiber indes aufgrund <strong>von</strong> organisatorischen Anpassungen, dezentralen Struktu-<br />
ren oder auch infolge eines vollzogenen rechtlichen Unbundling möglich, das Segment<br />
Netz bezüglich Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage effektiv zu entflechten, steht ei-<br />
ner Publikation einer vollwertigen und eigenständigen Jahresrechnung für das Seg-<br />
ment Netz aus konzeptioneller Sicht nichts entgegen. Die Anforderungen an eine voll-<br />
wertige Jahresrechnung richten sich in solchen Fällen nach den jeweiligen Rechnungs-<br />
legungsstandards.<br />
781 Eigene Darstellung. Die Positionierung erfolgte rein schematisch und dient der Illustration der<br />
Einschätzungen.<br />
Einheitliche<br />
Segmentrechnung Netz<br />
Vollständige<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Effektive wirtschaftliche<br />
Selbstständigkeit<br />
Idee des Management<br />
Approach Geschlüsselte<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Fiktion wirtschaftlicher<br />
Selbstständigkeit<br />
Segmentierte<br />
Grössen
192 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen<br />
5 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen<br />
5.1 Methodik<br />
Die Expertengespräche mit zwölf Vertretern ausgewählter Anspruchsgruppen sowie<br />
mit drei Branchenvertretern zeigen die Ansprüche und Erwartungen an die Segmentbe-<br />
richterstattung <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> aus verschiedenen Perspektiven auf.<br />
Diese Informationen dienen zur Validierung der bisherigen Erkenntnisse sowie als<br />
Grundlage für die Bildung <strong>von</strong> breit abgestützten Gestaltungsempfehlungen.<br />
Sowohl die explorativen Expertengespräche wie auch die im Kapitel 6 dargestellte,<br />
deskriptive Untersuchung bei den betroffenen Betrieben basieren auf der in der empirischen<br />
Sozialforschung noch immer am häufigsten verwendeten Methode der Datenerhebung:<br />
der Befragung. 782<br />
5.1.1 Datenerhebung<br />
Für die explorativen Expertengespräche wurden aufgrund einer bewussten Auswahl<br />
Experten aus verschiedenen Anspruchsgruppen sowie aus der Branche bestimmt, die<br />
in den Prozess der Strommarktliberalisierung involviert sind und als Meinungsführer<br />
beurteilt wurden. 783 Die Auswahl der Vertreter der Anspruchsgruppen orientierte sich<br />
dabei an der Eingrenzung gemäss Kapitel 1.3.5 auf die Eigentümer, die Kunden, die<br />
Behörden und die Revision. Folgende Experten haben sich für ein persönliches Interview<br />
zur Verfügung gestellt:<br />
EXPERTEN FUNKTIONEN INTERVIEWTERMIN<br />
Eigentümer<br />
Peter C. Beyeler Regierungsrat, Vorsteher des Departements<br />
Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) des Kantons<br />
Aargau, Verwaltungsrat der Axpo Holding AG<br />
Dr. Maurus Büsser Generalsekretär des Departements Bau, Verkehr<br />
und Umwelt (BVU) des Kantons Aargau<br />
Kurt Fluri Nationalrat, Stadtpräsident <strong>von</strong> Solothurn,<br />
Verwaltungsratspräsident der Regio Energie<br />
Solothurn<br />
Kunden<br />
782<br />
Vgl. KROMREY (2002), S. 348.<br />
783<br />
Vgl. zur bewussten Auswahl: KROMREY (2002), S. 273.<br />
Aarau, 16. Juni 2009<br />
14.15-15.00 Uhr<br />
Solothurn, 24. Juni 2009<br />
10.00-10.50 Uhr
Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen 193<br />
Max Fritz Geschäftsführer der Interessengemeinschaft<br />
Energieintensiver Branchen (IGEB)<br />
Walter Müller Geschäftsführer Gruppe Grosser Stromkunden<br />
(GGS), Enerprice Partners AG<br />
Urs Näf Stv. Leiter Wirtschaftspolitik, Bildung & Energie<br />
<strong>von</strong> Economiesuisse<br />
Rolf Zimmermann Leiter Sekretariat des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes,<br />
zuständig u.a. für Dossiers<br />
Service Public und Infrastrukturpolitik<br />
Behörden<br />
Zürich, 27. Februar 2009<br />
14.15-15.30 Uhr<br />
Zürich, 5. März 2009<br />
13.30-14.15 Uhr<br />
Zürich, 25. März 2009<br />
14.00-14.45 Uhr<br />
Bern, 23. Februar 2009<br />
14.15-15.00 Uhr<br />
Renato Tami Leiter des Fachsekretariats der ElCom Ittigen, 17. März 2009<br />
Dr. Stephan Burri Leiter Sektion Preise und Tarife des Fachsekretariats<br />
der ElCom<br />
13.45-14.30 Uhr<br />
Dr. Walter Steinmann Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE) Ittigen, 17. März 2009<br />
14.30-15.00 Uhr<br />
Simon Pfister Schweizerische Preisüberwachung (PUE),<br />
zuständig für Dossiers Strom, Telekommunikation<br />
und Kabelfernsehen<br />
Revision<br />
Alessandro Miolo Partner und Industry Leader Energy bei<br />
Ernst & Young<br />
Daniel Bernhard Senior Manager bei Ernst & Young<br />
Bern, 20. Februar 2009<br />
09.30-10.30 Uhr<br />
Aarau, 18. März 2009<br />
15.15-16.15 Uhr<br />
Beat Rolli Direktor bei PricewaterhouseCoopers Bern, 8. Mai 2009<br />
09.00-10.00 Uhr<br />
Markus Urech Leiter des Gemeindeinspektorats des Kantons<br />
Aargau<br />
Branche<br />
Hansueli Bircher Rechtsanwalt, Geschäftsführer Dachverband<br />
Schweizerischer Verteilnetzbetreiber (DSV)<br />
Rolf Meyer Finanzchef IBAarau AG, Leiter der Arbeitsgruppe<br />
Unbundling des VSE<br />
Conrad Munz Finanzchef AEW Energie AG, Leiter der Arbeitsgruppe<br />
Kostenrechnung des VSE<br />
Tabelle 5-1: Gesprächspartner in 15 Expertengesprächen im Überblick<br />
Aarau, 10. Februar 2009<br />
08.00-09.00 Uhr<br />
Aarberg, 10. Februar 2009<br />
18.00-18.45 Uhr<br />
Aarau, 25. März 2009<br />
07.45-09.00 Uhr<br />
Aarau, 18. März 2009<br />
10.00-11.15 Uhr
194 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen<br />
Die Übersicht umfasst alle 18 Gesprächspartner <strong>von</strong> insgesamt 15 persönlich durchge-<br />
führten Experteninterviews. An drei Gesprächen nahmen jeweils zwei Vertreter der<br />
jeweiligen Institution teil. Zwei Gespräche konnten mit Eigentümervertretern, vier Gespräche<br />
mit Vertretern <strong>von</strong> Kunden und Verbänden, 784 je drei Gespräche mit involvierten<br />
Behördenvertretern und Vertretern <strong>von</strong> Revisionsstellen 785 sowie drei Gespräche<br />
mit Vertretern der Branche durchgeführt werden.<br />
Die Expertengespräche wurden aufgrund ihres explorativen Charakters und der <strong>unter</strong>schiedlichen<br />
Hintergründe der Experten in Form einer offenen, teilstandardisierten und<br />
qualitativen Einzelbefragung durchgeführt, die SCHNELL et al. als Leitfadengespräch<br />
bezeichnen. 786 Durch diese Befragungsart wurde sichergestellt, dass die Experten die<br />
Gelegenheit hatten, ihre Meinungen und Ansichten über das durch den Leitfaden vorgeprägte<br />
Bild des Befragenden hinausgehend und <strong>unter</strong> Berücksichtigung der thematischen<br />
Eingrenzungen zu erläutern.<br />
Der Leitfaden 787 gliederte sich in vier Teile. Mit der einleitenden Frage zur Strommarktliberalisierung<br />
wurde die aktuelle Ausgangslage des Schweizer Elektrizitätsmarktes<br />
aus Sicht der Gesprächspartner aufgegriffen. Die zweite Frage bezog sich auf<br />
die Wirksamkeit und die Verhältnismässigkeit der Vorgabe des buchhalterischen Unbundling.<br />
Darauf basierend wurden in der Folge die Zielsetzung, die Anforderungen<br />
und der Vereinheitlichungsbedarf der Rechnungslegung diskutiert. Besonders wichtig<br />
war es, seitens der Experten eine Einschätzung bezüglich der mit der Segmentrechnung<br />
Netz bezweckten, öffentlichen Transparenz einzuholen. Sowohl die Zielsetzung<br />
wie auch die erwartete Zielerreichung wurden erörtert. Zum Abschluss des Gesprächs<br />
wurden die Experten um eine Einschätzung zur Entwicklung der Marktstruktur sowie<br />
zum Handlungsbedarf im Rahmen der Gesetzgebung gebeten.<br />
5.1.2 Datenauswertung<br />
Die persönlich und vor Ort geführten Expertengespräche wurden digital aufgezeichnet<br />
und im Anschluss an das Gespräch basierend auf den Gesprächsnotizen und den Auf-<br />
784<br />
Der Vertreter <strong>von</strong> Economiesuisse wurde in seiner Funktion als Repräsentant des Wirtschaftsdachverbands<br />
der Gruppe der Kunden zugeteilt.<br />
785<br />
Das Gemeindeinspektorat des Kantons Aargau wurde als öffentlich-rechtliche Aufsichtsstelle für<br />
rund 80 unselbstständige Gemeindewerke der Kategorie Revision zugeteilt.<br />
786<br />
Vgl. SCHNELL et al. (1995), S. 301.<br />
787<br />
Der sämtlichen Expertengesprächen zugrundegelegte Leitfaden (siehe Anhang 1) wurde allen<br />
Gesprächspartnern mit der schriftlichen Anfrage im Voraus zugestellt.
Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen 195<br />
zeichnungen in zusammengefasster Form schriftlich festgehalten. Aufgrund des explo-<br />
rativen Charakters der Gespräche und des Verzichts auf die Wiedergabe <strong>von</strong> Einzel-<br />
meinungen wurden die Interviews nicht wörtlich transkribiert.<br />
Die Datenauswertung orientierte sich an der Methodik der verkürzten Inhaltsanalyse<br />
nach KROMREY. 788 Die einzelnen Antworten wurden anhand <strong>von</strong> Stichworten erfasst<br />
und Mehrfachnennungen zum Zweck der Übersicht dargestellt. Die relevanten Erkenntnisse<br />
wurden zusammengefasst. Dieses vereinfachte Vorgehen erlaubt eine Darstellung<br />
der relevanten Gesprächsinhalte ohne Nennung <strong>von</strong> Einzelmeinungen bei einem<br />
dem explorativen Erhebungsziel angemessenen Aufwand.<br />
5.2 Inhaltszusammenfassung<br />
5.2.1 Vor- und Nachteile der Strommarktliberalisierung<br />
Die einleitende Frage zu den Vor- und Nachteilen der seit 1. Januar 2009 in der<br />
Schweiz geltenden Strommarktliberalisierung ergab ein gemischtes Bild.<br />
Vor- und Nachteile Liberalisierung Kunden /<br />
Eigentümer<br />
Abbildung 5-1: Vor- und Nachteile der Strommarktliberalisierung (Anzahl Nennungen)<br />
Als ein wesentlicher Vorteil der Liberalisierung des Strommarktes wurde <strong>von</strong> Vertretern<br />
sämtlicher Anspruchsgruppen wie auch <strong>von</strong> den Branchenvertretern insbesondere<br />
die Transparenz angesprochen. Die Experten verwiesen dabei vor allem auf die Trans-<br />
788 Vgl. KROMREY (2002), S. 323.<br />
Behörden Revision Branche Total in %<br />
# Befragte<br />
Vorteile<br />
6 3 3 3 15 100%<br />
Transparenz 4 1 1 2 8 53%<br />
Wahlfreiheit des Kunden 2 2 4 27%<br />
Kundenorientierung 1 3 4 27%<br />
EU-Konformität 1 2 1 4 27%<br />
Professionalisierung 1 1 1 3 20%<br />
Rechtssicherheit 2 1 3 20%<br />
Unbundling TSO 2 1 3 20%<br />
Versorgungssicherheit<br />
Nachteile<br />
1 1 2 13%<br />
Fehlender Markt 5 1 1 2 9 60%<br />
Steigende Komplexität 3 1 1 5 33%<br />
Politische Einflussnahme 3 2 5 33%<br />
Preiserhöhungen 2 1 1 4 27%<br />
Höhere Kosten für Unternehmen 2 1 1 4 27%
196 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen<br />
parenz dank der Entflechtung der Netztarife und der Abgaben <strong>von</strong> den Energiepreisen.<br />
Vertretern der Branche und der Revision begrüssten die Transparenz im Zusammen-<br />
hang mit der Professionalisierung im Bereich der finanziellen Führung und bezeichne-<br />
ten sie als einen Vorteil für Stromverteilnetzbetreiber. Erwähnt wurden insbesondere<br />
die geschaffene Kostentransparenz sowie die einheitlichen Kalkulationsgrundlagen.<br />
Trotz der relevanten Vorteile aus Sicht der meisten Experten überwogen in den Ge-<br />
sprächen negative Erfahrungen mit dem Start der Schweizer Strommarktliberalisie-<br />
rung. Als zentraler Nachteil wurde <strong>von</strong> Vertretern sämtlicher Anspruchsgruppen wie<br />
auch <strong>von</strong> Vertretern der Branche die bisher fehlende Marktdynamik im Bereich der<br />
freien Stromkunden angegeben. Diese Einschätzungen bestätigen auch Erhebungen am<br />
Markt: So konnte per 1. Januar 2009 im Schweizer Markt nur eine äusserst tiefe Wech-<br />
selrate <strong>von</strong> freien Kunden – nämlich etwa 1% – beobachtet werden. 789 Die Begrün-<br />
dungen für diese tiefe Marktdynamik fielen <strong>unter</strong>schiedlich aus: Wurden aus Kunden-<br />
sicht das höhere Marktpreisniveau in Europa, die Struktur und die Anreize der Strom-<br />
branche und damit fehlende Konkurrenzangebote ins Feld geführt, liegt der Grund für<br />
die ausgebliebene Marktdynamik aus Sicht der Branchenvertreter vor allem in der<br />
Teilregulation des Energiepreises in Form der Verpflichtung zur Abgabe des Stromes<br />
zu Gestehungskosten an Endverbraucher mit Grundversorgung. 790 Mehrere Experten<br />
wiesen darauf hin, dass der Markt aktuell ein durch die begrenzten Produktionskapazitäten<br />
getriebener Angebotsmarkt sei und dass die Frage der Marktdynamik und der<br />
Energiepreise direkt <strong>von</strong> der Frage nach den Produktionskapazitäten abhänge.<br />
Die geltende Regulation wurde als Grundvoraussetzung für einen funktionierenden<br />
Markt grundsätzlich positiv beurteilt. Explizit wurde dabei <strong>von</strong> einigen Befragten das<br />
Unbundling der Swissgrid und die für die Schweiz als Stromdrehscheibe wichtig EU-<br />
Komptabilität hervorgehoben. Gleichzeitig wiesen aber verschiedene Experten auf die<br />
höhere Komplexität und die damit verbundenen, höheren Kosten hin. So werden etwa<br />
für die Vermarktung des homogenen Produkts Strom höhere Kosten erwartet, da aufgrund<br />
der fehlenden Produktdifferenzierung der Marketingaufwand höher sei. Ferner<br />
werden aufgrund der neuen Anforderungen <strong>von</strong> Markt und Regulation wesentlich hö-<br />
789 FINGER (2009).<br />
790 Verpflichtung der Versorgung <strong>von</strong> Endverbraucher mit Grundversorgung gemäss Art. 4 StromVV.<br />
Relevant ist dabei, dass auch für Kunden mit einem Strombedarf <strong>von</strong> mehr als 100 MWh pro<br />
Jahr, solange sie den freien Marktzugang nicht gewählt haben, die Gestehungskosten-Vorschrift<br />
gilt. Vgl. dazu die Weisung 5-2008 der ElCom: EIDGENÖSSISCHE ELEKTRIZITÄTSKOMMISSION<br />
ELCOM (2008a).
Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen 197<br />
here administrative Kosten erwartet – insbesondere auch bei kleineren und mittleren<br />
<strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>.<br />
Auf die anschliessende Frage nach erfolgskritischen Faktoren für den weiteren Verlauf<br />
der Strommarktliberalisierung wurden mehrheitlich zwei Faktoren angesprochen: die<br />
Rechts- und die Versorgungssicherheit. Die Rechtssicherheit soll – vor allem aus Sicht<br />
der Branchenvertreter – bestehende Investitionen schützen und weitere Investitionen in<br />
die Produktions- und Transportinfrastruktur ermöglichen. So wurde primär <strong>von</strong> Eigentümer-<br />
und Branchenvertretern die politische Einflussnahme hinsichtlich der Strompreise<br />
kritisiert. Rechtssicherheit wiederum garantiere die – vor allem <strong>von</strong> Kunden,<br />
Eigentümern und Behörden hervorgehobene – Versorgungssicherheit. Aus Sicht der<br />
Kunden gilt es diese bei stabilen Preisen zu erhalten.<br />
5.2.2 Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit des buchhalterischen Unbundling<br />
Die Experten wurden um eine Einschätzung des buchhalterischen Unbundling im Vergleich<br />
zu weitergehenden Unbundling-Formen in Bezug auf die Wirksamkeit und die<br />
Verhältnismässigkeit gebeten. Dabei wurden die alternativen Unbundling-Formen auf<br />
Verteilnetzebene diskutiert.<br />
Buchhalterisches Unbundling Kunden /<br />
Eigentümer<br />
Behörden Revision Branche Total<br />
# Befragte<br />
Wirksamkeit<br />
6 3 3 3 15<br />
Positive Beurteilung 5 3 2 10<br />
Neutrale Beuteilung 1 1 2<br />
Negative Beurteilung<br />
Verhältnismässigkeit<br />
1 2 3<br />
Positive Beurteilung 4 2 1 3 10<br />
Neutrale Beuteilung 2 1 1 4<br />
Negative Beurteilung 1 1<br />
Abbildung 5-2: Beurteilung des buchhalterischen Unbundling (Anzahl Nennungen)<br />
Das buchhalterische Unbundling wurde in Bezug auf die Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit<br />
überwiegend positiv beurteilt und als zentrale Grundlage der Kostentransparenz<br />
befürwortet. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis erachten die meisten Experten als<br />
gewahrt. Diese Beurteilung erfolgte vor allem aus drei Gründen: Erstens wurde das<br />
Unbundling als Hauptprinzip der Liberalisierung und dessen buchhalterische Abbildung<br />
als Minimallösung für sämtliche Netzbetreiber mehrheitlich bestätigt. Zweitens<br />
wurden strengere Unbundling-Massnahmen auf der Verteilnetzebene <strong>von</strong> den meisten<br />
Experten abgelehnt – nicht zuletzt aufgrund der damit verbundenen Kosten bei fehlen-
198 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen<br />
dem Nachweis einer besseren Wirksamkeit. 791 Und drittens wurde in Bezug auf die<br />
Verhältnismässigkeit auf die fragmentierte Schweizer Marktstruktur bei der Verteilung<br />
hingewiesen: Diese Struktur schliesst grössenunabhängige, strengere Formen des Un-<br />
bundling faktisch aus. 792 Nur einzelne Vertreter befürworteten mittel- bis langfristig<br />
eine rechtliche und organisatorische Trennung, wobei sie diesbezüglich mehrheitlich<br />
eine grössenabhängige Regelung vorsehen würden. 793<br />
Demgegenüber beurteilten insbesondere die mit der Umsetzung des buchhalterischen<br />
Unbundling vertrauten Revisoren die Wirksamkeit der Vorgabe aufgrund des hohen<br />
Ermessenspielraums und der fehlenden Konkretisierungen auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe<br />
oder in Form <strong>von</strong> Richtlinien kritisch. Seitens der Branchenvertreter wurde<br />
zudem auf den rechtlichen Auslegungsbedarf beim Unbundling aufgrund der Teilregulation<br />
des Stromgeschäfts mit Endverbrauchern der Grundversorgung hingewiesen. 794<br />
Ferner wurde die Umsetzung in kleinsten Strukturen mehrfach als problematisch bezeichnet,<br />
da in solchen Betrieben oft gar keine personell getrennten Zuständigkeiten<br />
bestünden, so dass das buchhalterische Unbundling nicht operative Realitäten abbilden<br />
könne, sondern fiktive Trennungen vornehmen müsse. Grundsätzlich besteht jedoch –<br />
unabhängig <strong>von</strong> der Grösse und Rechtsform der betroffenen Unternehmen – bei vorhandenen<br />
Synergien zwischen den Segmenten ein massgeblicher Ermessenspielraum.<br />
Entsprechend wird <strong>von</strong> mehreren Experten die Aussagekraft der basierend auf dem<br />
buchhalterischen Unbundling erstellten Ausweise relativiert, nicht zuletzt auch deshalb,<br />
weil keine regelmässige Überprüfung durch unabhängige Dritte vorgegeben ist.<br />
Entsprechend wichtiger wird daher die Rolle der ElCom als Regulator eingeschätzt.<br />
5.2.3 Ziel und Nutzen der Segmentrechnung Netz<br />
Neben der Kostenrechnung stellt die Segmentrechnung Netz den zweiten Ausweis nach<br />
Art. 11 Abs. 1 StromVG dar, der auf dem buchhalterischen Unbundling basiert. Die<br />
791<br />
Angeführt wurden vor allem die durchzogenen Erfahrungen mit der Vorgabe des organisatorischen<br />
und rechtlichen Unbundling in der EU. Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 2.2.2.<br />
792<br />
Diese Frage hängt direkt mit dem politischen Willen zur Erhaltung oder zur Bereinigung der<br />
Marktstruktur zusammen. Weitergehende Unbundling-Vorschriften wären insbesondere bei kleinen<br />
EVU tiefgreifend und könnten faktischen zum Zwang des Verkaufs oder der Aufgabe einer<br />
Tätigkeit führen.<br />
793 Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kleinstwerke als klassische Versorger in der Regel auch keinen<br />
Nutzen aus dem Informationsvorteil durch das Netz gegenüber Drittlieferanten gewinnen können.<br />
Vor diesem Hintergrund wäre bereits eine grössenabhängige Regelung in Bezug auf das informatorische<br />
Unbundling vertretbar gewesen.<br />
794 Vgl. dazu die in Kapitel 3.4.1b) erfolgte rechtliche Auslegung.
Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen 199<br />
Experten wurden nach der Zielsetzung und dem Nutzen dieses öffentlichen Ausweises<br />
befragt.<br />
Zielsetzung und Nutzen Kunden /<br />
Eigentümer<br />
Abbildung 5-3: Zielsetzung und Nutzen der Segmentrechnung Netz (Anzahl Nennungen)<br />
Erwartungsgemäss nannte die überwiegende Mehrheit der Experten das grundlegende<br />
Teilziel des StromVG, die Transparenz, auch als Zielsetzung der Segmentrechnung<br />
Netz. Dies bestätigt die Ausführungen in Kapitel 3.1 und entspricht der oben festgehal-<br />
tenen Einschätzung der Transparenz als wesentlicher Vorteil der Strommarktliberali-<br />
sierung bzw. der begleitenden Regulierung.<br />
Behörden Revision Branche Total in %<br />
# Befragte 6 3 3 3 15 100%<br />
Transparenz 6 3 1 2 12 80%<br />
Genaue Zielsetzung unklar<br />
Ausweis <strong>von</strong> für die Netznutzung<br />
1 2 2 5 33%<br />
relevanten Informationen, z.B.<br />
Abgaben, Betriebsgewinn, Investitionen<br />
Rechenschaftspflicht gegenüber<br />
2 3 5 33%<br />
Öffentlichkeit, Eigentümern und<br />
Konzessionsgebern<br />
3 1 4 27%<br />
Grundlage für Einflussnahme 1 1 1 3 20%<br />
Abstimmung mit kalkulatorischen<br />
Kosten<br />
2 1 3 20%<br />
Zeitvergleich 2 2 13%<br />
Nachweis Nicht-Diskriminierung 1 1 2 13%<br />
Da gemäss der Vorschriften im StromVG zahlreiche Elemente zur Transparenz beitra-<br />
gen und die Publikation der Segmentrechnung Netz nur einen Teil da<strong>von</strong> darstellt,<br />
wurden die Experten nach deren spezifischer Zielsetzung bzw. nach dem damit ver-<br />
bundenen Zusatznutzen gefragt. Immerhin ein Drittel der Experten – dar<strong>unter</strong> insbe-<br />
sondere Vertreter der Branche und der Revision – gaben an, dass die spezifische Ziel-<br />
setzung der Publikation einer Segmentrechnung Netz aus ihrer Sicht unklar sei. Be-<br />
gründet wurde diese Ansicht mehrheitlich mit der parallel dazu zu erstellenden Kos-<br />
tenrechnung, die aufgrund einheitlicher materieller und formeller Vorgaben für die Re-<br />
gulation im Vordergrund steht, jedoch nicht öffentlich ist. Letzteres wurde auch seitens<br />
der Vertreter der Behörden bestätigt, indem die Kostenrechnung, und nicht die seg-<br />
mentierte Jahresrechnung, als zentrales Instrument zur Regulation vorgesehen sei. Der<br />
Nutzen einer öffentlichen Rechenschaft wurde <strong>von</strong> den Branchenvertretern sowie <strong>von</strong><br />
Vertretern der Revision – nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit der zu<br />
erwartenden Ausweise – überwiegend in Frage gestellt. Demgegenüber sprachen sich<br />
insbesondere Vertreter <strong>von</strong> Eigentümern, Kunden und Behörden für den öffentlichen<br />
Ausweis im Sinne einer Basispublizität aus und nannten verschiedene Nutzungsmög-
200 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen<br />
lichkeiten der Segmentrechnung Netz. So wurde die Rechenschaftpflicht gegenüber der<br />
Öffentlichkeit, und damit die Public Accountability, mehrfach bestätigt und mit dem<br />
öffentlichen Auftrag der Versorgung, der konzessionierten Tätigkeit als Netzbetreiber,<br />
dem überwiegend öffentlichen Eigentum sowie mit der Vertrauensbildung begründet.<br />
Die Segmentrechnung Netz soll als Informationsquelle für interessierte Anspruchs-<br />
gruppen – wie Eigentümer, Kunden, Lieferanten, Konzessionsgeber oder Behörden –<br />
und als Grundlage für eine allfällige Einflussnahme dienen. Im Zentrum stehen dabei<br />
der Nachvollzug der Beziehungen zum Gemeinwesen, der Aufschluss über entspre-<br />
chende Investitionen in die Versorgungssicherheit, der Nachweis angemessener Rendi-<br />
ten und der Vergleich der Entwicklung über die Zeit. Die Bestätigung der nachhaltigen<br />
Finanzierungsfähigkeit des Netzes ist auch für die Versorgungssicherheit entscheidend.<br />
Mehrfach genannt wurde ferner die Wichtigkeit der Plausibilisierung der in der Kos-<br />
tenrechnung zur Anrechnung vorgebrachten, aufwandgleichen Kosten durch die El-<br />
Com anhand eines Vergleichs mit segmentierten Aufwandarten. 795<br />
Der Nachweis der Nicht-Diskriminierung gemäss Vorgabe <strong>von</strong> Art. 10 Abs. 1<br />
StromVG durch die Segmentrechnung Netz ist demgegenüber umstritten. Zwei Exper-<br />
ten erwähnten diese Zielsetzung, wohingegen mehrere Experten – auch seitens der<br />
Behörden – die Aussagekraft der Segmentrechnung relativierten und auf die besser<br />
dafür geeignete Kostenrechnung zuhanden der ElCom verwiesen. Weitgehende Einig-<br />
keit bestand darin, dass der Vergleich der einzelnen Netzbetreiber <strong>unter</strong>einander keine<br />
primäre Zielsetzung der Segmentrechnung Netz sei. Zu diesem Zweck sei die einheitli-<br />
che und stärker differenzierte Kostenrechnung heranzuziehen. Ferner wurde auf den<br />
damit verbundenen Auftrag der ElCom zur Durchführung <strong>von</strong> Effizienzvergleichen<br />
verwiesen. 796<br />
5.2.4 Ausgestaltung der Segmentrechnung Netz<br />
Bei der Frage nach der Ausgestaltung und der erwarteten Form der Segmentrechnung<br />
Netz zeigte sich, dass aufgrund der rechtlich nicht weiter spezifizierten Zielsetzung<br />
795 So enthält der in Fussnote 378 erwähnte Erhebungsbogen zur Kostenrechnung der ElCom auch<br />
Informationspflichten bezüglich der dem Segment Netz direkt und indirekt zugeteilten Aufwendungen<br />
nach Aufwandarten, so dass die ElCom die Anrechenbarkeit der aufwandgleichen Kosten<br />
nachvollziehen kann. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass sich Differenzen zwischen den kalkulatorischen<br />
Kosten und dem verbuchten Aufwand über die Zeit aufheben. Anhaltende Differenzen<br />
wären daher überprüfenswert.<br />
796 Anrechenbarkeit <strong>von</strong> Betriebs- und Kapitalkosten eines sicheren, leistungsfähigen und effizienten<br />
Netzes gemäss Art. 15 Abs. 1 StromVG.
Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen 201<br />
eine Ableitung <strong>von</strong> konkreten Vorgaben schwierig ist, so dass teilweise <strong>unter</strong>schiedli-<br />
che Auslegungen erfolgen.<br />
Ausgestaltung Kunden /<br />
Eigentümer<br />
Abbildung 5-4: Ausgestaltung der Segmentrechnung Netz (Anzahl Nennungen)<br />
Die überwiegende Mehrheit der Experten ging da<strong>von</strong> aus, dass die Stromverteilnetz-<br />
betreiber nach Vorgabe <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG segmentierte Erfolgsrechnungen<br />
und segmentierte Bilanzen für das Verteilnetz veröffentlichen müssten. Dabei folgten<br />
die Experten bei der Auslegung des Begriffs Jahresrechnung mehrheitlich der Termi-<br />
nologie des OR. 797<br />
Behörden Revision Branche Total in %<br />
# Befragte 6 3 3 3 15 100%<br />
Segmenterfolgsrechnung 5 3 3 3 14 93%<br />
Segmentbilanz 3 3 3 3 12 80%<br />
Auslegung entlang OR 2 1 3 3 9 60%<br />
Wahrung der Verhältnismässigkeit,<br />
etwa durch verkürzte Ausweise<br />
Standardisierte Form der<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
2 1 2 2 7 47%<br />
1 1 1 3 20%<br />
Von den befragten Experten sprachen sich insbesondere Vertreter der Branche, der Ei-<br />
gentümer und der Revision trotz Orientierung an der privatwirtschaftlichen Jahres-<br />
rechnung gemäss OR für die Wahrung der Verhältnismässigkeit aus. Einige Experten<br />
verwiesen dabei explizit auf den Einsatz verkürzter Ausweise – etwa beim bilanziellen<br />
Unbundling – sowie auf den Unterschied zwischen zusätzlichen Offenlegungspflichten<br />
im Sinne einer <strong>Segmentberichterstattung</strong> und einer vollständigen, revidierten Jahresrechnung<br />
einer selbstständigen Gesellschaft. So betonten mehrere Experten, dass neben<br />
der weitgehend unbestrittenen Segmenterfolgsrechnung insbesondere der Wert der<br />
Verteilnetzanlagen, und damit das segmentierte Vermögen im Zentrum des Interesses<br />
stünden. Die Segmentrechnung Netz soll nach dieser Ansicht ein relevantes Informationsmittel<br />
für interessierte Anspruchsgruppen darstellen, allerdings ohne daran die Erwartung<br />
einer vollständigen Jahresrechnung zu knüpfen. Eine solche bliebe ohne entsprechende<br />
gesellschaftsrechtliche Trennung fiktiv – insbesondere in kleineren Strukturen<br />
– und damit in ihrer Aussagekraft eingeschränkt.<br />
Aufgrund des Wortlauts <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG tendieren jedoch die Erwartungen<br />
mehrerer Experten, insbesondere der Vertreter <strong>von</strong> Kunden und Behörden, in<br />
Richtung einer vollständigen Jahresrechnung. Sie gehen da<strong>von</strong> aus, dass die Jahres-<br />
797 Vgl. die dazu konsistente Auslegung entlang dem Wortlaut in Kapitel 3.4.2c).
202 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen<br />
rechnung nach diesem Artikel eine vollständig segmentierte Erfolgsrechnung und Bi-<br />
lanz beinhalte und damit weitestgehende Transparenz zum Netz gewährleiste.<br />
5.2.5 Vereinheitlichungsbedarf der Rechnungslegung<br />
Ausser der formellen Ausgestaltung der Segmentrechnung Netz wurde mit den Exper-<br />
ten auch der Bedarf einer Vereinheitlichung der Rechnungslegung gemäss Art. 11 Abs.<br />
2 StromVG diskutiert.<br />
Vereinheitlichungsbedarf Kunden /<br />
Eigentümer<br />
Abbildung 5-5: Vereinheitlichungsbedarf (Anzahl Nennungen)<br />
Behörden Revision Branche Total in %<br />
# Befragte 6 3 3 3 15 100%<br />
Einheitliche Grundsätze seitens der<br />
Branche nötig (Subsidiaritätsprinzip)<br />
Einheitliche, vergleichbare<br />
Rechnungslegung wünschenswert<br />
Minimalziel: Einheitliche<br />
Publikationsform, unabhängig <strong>von</strong><br />
Grösse, Eigentum und Rechtsform<br />
4 2 2 2 10 67%<br />
3 2 2 1 8 53%<br />
2 1 3 6 40%<br />
Die meisten Experten verwiesen dabei auf das Subsidiaritätsprinzip nach Art. 3 Abs. 2<br />
StromVG, nach dem die Branche selbst die Vereinheitlichung der Rechnungslegung<br />
angehen und eine der Transparenz förderliche, aber verhältnismässige Lösung erarbei-<br />
ten soll. Eine entsprechende Vorgabe des Bundesrates auf Ebene der StromVV oder<br />
eine Weisung der ElCom wird überwiegend als vorerst nicht nötig erachtet. Dieser<br />
Weg würde nach Ansicht der Behördenvertreter erst beschritten, falls die Branche<br />
nicht imstande sei, sich selber geeignete Standards zur Segmentrechnung Netz vor-<br />
zugeben bzw. die Anforderungen der Anspruchsgruppen zu erfüllen.<br />
Als minimale Anforderung an die Vereinheitlichung der Rechnungslegung kann basie-<br />
rend auf den Expertengesprächen eine einheitliche, <strong>von</strong> Grösse, Eigentum und Rechts-<br />
form unabhängige, transparente Publikationsform genannt werden. Zwar gaben viele<br />
Experten zu Protokoll, dass einheitliche Bewertungsvorschriften durch die Vorgabe<br />
eines übergreifend anzuwendenden Rechnungslegungsstandards wünschenswert wären.<br />
So wurden etwa die Swiss GAAP FER als sinnvolle und aussagekräftige Grundlage<br />
für die Segmentrechnungen Netz genannt. Keiner der Experten beurteilte jedoch die<br />
faktische Durchsetzbarkeit einer grössen-, eigentums- und rechtsformunabhängigen<br />
Rechnungslegungsvorschrift wegen des fehlenden, einheitlichen Rechnungslegungsrechts<br />
in der Schweiz sowie aufgrund des hohen Anteils an Genossenschaften und öffentlichen<br />
Körperschaften als realistisch. Selbst die rechtliche Durchsetzbarkeit privatrechtlicher<br />
Rechnungslegungsvorschriften in Teilen <strong>von</strong> öffentlich-rechtlichen Körper-
Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen 203<br />
schaften war <strong>unter</strong> den Experten umstritten. Gemäss Aussage verschiedener Experten<br />
war der Verzicht auf die Vorgabe eines einheitlichen Rechnungslegungsstandards im<br />
StromVG ein bewusster Entscheid des Gesetzgebers zur Vermeidung unverhältnismäs-<br />
siger Kosten. Im Unterschied zum EMG sowie zu den europäischen Vorgaben wurde<br />
der Fokus auf die einheitlich zu erstellende Kostenrechnung sowie auf die kalkulatori-<br />
schen Bewertungen als Basis für die Regulation gelegt.<br />
Aufgrund der als nicht realistisch beurteilten, grössen-, eigentums- und rechtsform-<br />
unabhängigen materiellen Einheitlichkeit und der dadurch beschränkten, zwischenbe-<br />
trieblichen Vergleichbarkeit relativierten einige Experten den Beitrag der Segment-<br />
rechnung Netz zur angestrebten Transparenz.<br />
5.2.6 Entwicklung <strong>von</strong> Regulation und Marktstruktur<br />
Zum Abschluss der Expertengespräche wurden die Gesprächspartner um eine Einschätzung<br />
zu möglichen Änderungen und Weiterentwicklungen der Regulation in<br />
Form <strong>von</strong> Anpassungen des StromVG bzw. der StromVV sowie zur Entwicklung der<br />
heute ausgeprägt fragmentierten Markstruktur mit rund 800 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
gebeten.<br />
In Bezug auf die Regulation überwog die Meinung, dass für den noch jungen Liberalisierungsprozess<br />
in der Schweiz die Schaffung <strong>von</strong> Rechtssicherheit durch Kontinuität<br />
und Etablierung einer Praxis im Vordergrund stehe und daher kurzfristig <strong>von</strong> Änderungen<br />
der Gesetzgebung bzw. der Verordnung abgesehen werden sollte. Mehrere Experten<br />
nannten den zweiten Liberalisierungsschritt im Jahr 2013 als frühesten Zeitpunkt<br />
für die Vornahme nötiger Anpassungen. Als in Frage kommende Änderungen<br />
wurden insbesondere Massnahmen zur Weiterentwicklung der Netznutzungsentgeltregulation<br />
genannt. Im Zentrum stehen dabei die Anreizregulation, die Ex-Ante-<br />
Regulation 798 und der umstrittene Art. 4 StromVV zu den Gestehungskosten für die<br />
Energielieferung in der Grundversorgung. Die Vereinheitlichung der Rechnungslegung<br />
sowie Vorgaben zum buchhalterischen Unbundling durch den Bundesrat oder die El-<br />
Com wurden <strong>von</strong> drei Experten explizit befürwortet. Diese beurteilten die Fähigkeit<br />
zur Selbstregulation durch die Branche, nicht zuletzt durch deren Heterogenität, als<br />
eingeschränkt.<br />
798 Dabei würden die Tarife nicht mehr im Nachhinein hinsichtlich eines möglichen Missbrauchs<br />
geprüft, sondern wären im Voraus bewilligungspflichtig.
204 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen<br />
Entwicklungen Kunden /<br />
Eigentümer<br />
Behörden Revision Branche Total in %<br />
# Befragte<br />
Regulation Verteilnetzebene<br />
6 3 3 3 15 100%<br />
Kurzfristig kein Handlungsbedarf,<br />
Rechtssicherheit schaffen<br />
3 2 2 2 9 60%<br />
Einführung Anreizregulation 3 3 6 40%<br />
Standardisierung Rechnungswesen 1 1 1 3 20%<br />
Ex-Ante Regulation 1 1 2 13%<br />
Anreize für Markt 2 2 13%<br />
Marktstruktur Verteilnetzbetreiber<br />
Marktbereinigung mit zunehmenden<br />
Effizienzvorgaben<br />
2 2 1 2 7 47%<br />
Martkbereinigung durch steigende<br />
Komplexität<br />
3 1 1 2 7 47%<br />
Marktbereinigung nötig 2 1 1 4 27%<br />
Keine Marktbereinigung erwartet 1 1 2 13%<br />
Abbildung 5-6: Entwicklung <strong>von</strong> Regulation und Marktstruktur (Anzahl Nennungen)<br />
In Bezug auf die Markstruktur geht die überwiegende Mehrheit der Befragten <strong>von</strong> ei-<br />
ner mittel- bis langfristigen Bereinigung aus, indem Stromverteilnetzbetreiber mit zu-<br />
nehmendem Effizienzdruck im regulierten Bereich durch die ElCom, 799 Abwanderung<br />
<strong>von</strong> freien Kunden im Segment Vertrieb und generell mit höherer Komplexität bei zunehmender<br />
Marktdynamik konfrontiert werden dürften. Explizit wurde die mehrheitlich<br />
erwartete Marktbereinigung, und damit die Reduktion der Marktfragmentierung,<br />
<strong>von</strong> vier Experten aufgrund <strong>von</strong> Effizienzüberlegungen als notwendig erachtet. Zwei<br />
Experten beurteilten die Sachanlage anders, indem sie in absehbarer Zeit keine wesentlichen<br />
Veränderungen der Marktstruktur erwarten. Begründet wurde diese Einschätzung<br />
primär durch politische Motive, indem etwa im Vergleich zu Verkäufen <strong>von</strong> Verteilnetzen<br />
die eher akzeptierte Form der Kooperation zum Einsatz gelange. 800 Ebenfalls<br />
wurde darauf hingewiesen, dass weder die Marktbereinigung noch die Strukturerhaltung<br />
Ziele des StromVG seien. Entsprechende Entwicklungen könnten jedoch bei<br />
Veränderungen der Rahmenbedingungen einer ganzen Branche eintreten.<br />
799<br />
Genannt wurden dabei insbesondere das nach dem geltenden Recht bereits mögliche Benchmarking<br />
sowie die <strong>unter</strong> Umständen einzuführende Anreizregulation.<br />
800<br />
BISCHOFBERGER begründete an der Jahrestagung der Schweizer Energiewirtschaft die gleiche<br />
Einschätzung anders: Aus seiner Sicht dürften sich Konsolidierung und Neugründungen die Waage<br />
halten. So erwartet er parallel zu Fusionen und Netzverkäufen aufgrund ablaufender Konzessionsverträge<br />
eine Welle <strong>von</strong> Neugründungen. Vgl. BISCHOFBERGER (2009), S. 7.
Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen 205<br />
5.3 Zwischenfazit und Positionierung aufgrund der Expertengespräche<br />
Die Expertengespräche ergaben eine durchzogene Bilanz hinsichtlich des Starts der<br />
Strommarktliberalisierung. Die teilweise hohen Erwartungen, insbesondere an den<br />
Markt, wurden noch nicht erfüllt. Demgegenüber sind die Bestrebungen zu einer besseren<br />
Transparenz sowie zur Regulation des Infrastrukturmonopols Netz weitgehend<br />
unbestritten. Die geltenden Unbundling-Anforderungen an die Stromverteilnetzbetreiber,<br />
im Besonderen das buchhalterische Unbundling, werden mehrheitlich als wirksam<br />
und verhältnismässig beurteilt. Ohne Nachweis eines höheren Nutzens und <strong>unter</strong> Berücksichtigung<br />
der Kosten wird vorläufig keine strenge Unbundling-Regulation auf<br />
Ebene des Verteilnetzes gefordert. Die Erwartungen der Anspruchsgruppen an eine<br />
effektive Umsetzung durch die Branche sind damit jedoch relativ hoch.<br />
Informationsqualität<br />
Nicht segmentierte<br />
Grössen<br />
Einheitliche<br />
Segmentrechnung Netz<br />
Beurteilung Eigentümer,<br />
Revision und Branche<br />
expectationgap<br />
Anerkannte, geprüfte<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Idealvorstellung<br />
Einheitliche, vollständige<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Erwartungen Kunden und<br />
Behörden<br />
Abbildung 5-7: Positionierung der Segmentrechnung Netz gemäss Expertengesprächen 801<br />
Segmentierte<br />
Grössen<br />
Eng mit der erwarteten Wirksamkeit verbunden ist die Erwartung einzelner Experten –<br />
insbesondere <strong>von</strong> Kunden- und Behördenvertretern –, dass die einzelnen Stromverteilnetzbetreiber<br />
nach den Vorgaben <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG eine aussagekräftige,<br />
801<br />
Eigene Darstellung. Die Positionierung erfolgte rein schematisch und dient der Illustration der<br />
Einschätzungen.
206 Erwartungen ausgewählter Anspruchsgruppen<br />
zumindest formell einheitliche und vollständige Jahresrechnung – in Anlehnung an die<br />
Vorgaben des Obligationenrechts – ausweisen werden. Demgegenüber warnten mehre-<br />
re Vertreter <strong>von</strong> Eigentümern, Revisionsstellen und der Branche vor zu hohen Erwar-<br />
tungen und beurteilten die Möglichkeit einer auf relevante Informationen verkürzten<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> als Alternative zu einer vollständigen Jahresrechnung positiv<br />
und <strong>unter</strong> den offenen Vorgaben des StromVG als zulässig. Die Wirksamkeit des<br />
buchhalterischen Unbundling sowie die Informationsqualität der Segmentrechnung<br />
Netz könnten aus Sicht mehrerer Experten durch einheitliche Vorgaben sowie allenfalls<br />
durch eine Revisionspflicht erhöht werden. Bei Letzterer gilt es die Erhöhung der Kos-<br />
ten im Vergleich zur höheren Verlässlichkeit abzuwägen.<br />
In Bezug auf die Rechnungslegung sind sich die meisten Experten der <strong>unter</strong>schiedli-<br />
chen Bewertungsvorschriften und der daraus resultierenden Einschränkung bezüglich<br />
der Vergleichbarkeit bewusst. Keiner der 15 Experten beurteilte die Forderung nach<br />
einem einheitlichen Rechnungslegungsstandard als realistisch und kurz- bis mittelfris-<br />
tig umsetzbar. Als Idealvorstellung wurde diese materielle Einheitlichkeit anhand eines<br />
anerkannten Standards jedoch explizit genannt.<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass sich bereits <strong>unter</strong> den befragten Experten eine gewisse<br />
Erwartungslücke (Expectation Gap) hinsichtlich der Segmentrechnung Netz abzeichnet<br />
und dass die Gefahr einer weiteren Enttäuschung infolge unerfüllter Erwartungen besteht.<br />
Dieser Expectation Gap soll nach der Meinung der Mehrheit der Experten durch<br />
eine <strong>von</strong> der Branche nach dem Subsidiaritätsprinzip erlassene und durch Vernehmlassung<br />
bei den Anspruchsgruppen breit abgestützte Richtlinie geschlossen werden. Auch<br />
wenn die Antworten zur Zielsetzung und zum Nutzen der Segmentrechnung Netz aufzeigen,<br />
dass der Erfolg der Strommarktliberalisierung sowie der dafür erfolgskritischen<br />
Regulation nicht vom öffentlichen Ausweis einer segmentierten Jahresrechnung<br />
abhängt, wurde deutlich, dass die Public Accountability über das regulierte Verteilnetzmonopol<br />
wesentlich zur Transparenz gegen aussen und damit zur Vertrauensbildung<br />
am Markt beitragen kann. Jedoch gilt es vor dem Hintergrund der Marktstruktur,<br />
die sich kaum so schnell verändern dürfte, im Rahmen der Gestaltungsempfehlungen<br />
eine verhältnismässige Lösung für die betroffenen Stromverteilnetzbetreiber vorzusehen<br />
– eine Lösung, die den Erwartungen der Anspruchsgruppen bezüglich Informationsqualität<br />
und -umfang bei gleichzeitiger Begrenzung des administrativen Aufwands<br />
für die betroffenen Unternehmen Rechnung trägt.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 207<br />
6 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
6.1 Methodik<br />
Die Befragung <strong>von</strong> Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> erfasst die zum Zeitpunkt<br />
der Erhebung zu erwartende Berichterstattung zum Segment Verteilnetz deskriptiv und<br />
ermöglicht es, Zusammenhänge zwischen Strukturdaten wie Grösse, Rechtsform, Eigentümerstruktur<br />
und Integrationsgrad und den inhaltlichen Antworten zur geplanten<br />
Erstellung und Publikation der Segmentrechnung Netz zu identifizieren. Die Erkenntnisse<br />
zur geplanten Umsetzung durch die betroffenen Gesellschaften werden im Rahmen<br />
der Gestaltungsempfehlungen mit den bisherigen Erkenntnissen aus Gesetzesauslegung<br />
und Theorie und insbesondere mit den aus Expertengesprächen abgeleiteten<br />
Erwartungen an die Segmentrechnung Netz verglichen.<br />
6.1.1 Datenerhebung<br />
Für die Datenerhebung dieser deskriptiven Studie wurde aufgrund der Anzahl an Untersuchungsobjekten<br />
eine vollstandardisierte, internetbasierte Befragung gewählt. Diejenigen<br />
747 Stromverteilnetzbetreiber, welche ihre Tarife nach den neuen Vorgaben<br />
<strong>von</strong> StromVG und der StromVV auf der Publikationsseite des VSE anfangs 2009<br />
erstmals publiziert hatten, wurden als Erhebungsgesamtheit definiert. 802 Anfangs April<br />
2009 wurden die Finanzverantwortlichen oder bei kleineren Betrieben die Betriebsleiter<br />
schriftlich zur Teilnahme an der internetbasierten Befragung zur <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
eingeladen.<br />
Der Fragebogen 803 war in deutscher und französischer Sprache verfügbar und gliederte<br />
sich in vier Teile. Im ersten Teil wurden relevante Strukturdaten zur befragten Unternehmung<br />
erhoben. Neben der Rechtsform, der Eigentümerstruktur und den Tätigkeiten<br />
standen insbesondere Angaben zur Unternehmensgrösse (Vollzeitstellen, Absatzmenge,<br />
Umsatz) im Vordergrund. Im zweiten Teil des Fragebogens wurden die Stromverteilnetzbetreiber<br />
zu den verschiedenen Formen des Unbundling sowie zur Umsetzung<br />
des buchhalterischen Unbundling befragt. Der dritte Fragenblock erfasste die geltende<br />
Rechnungslegungspraxis der Betriebe und die damit zusammenhängenden Fragen der<br />
Bewertungspraxis bezüglich der Segmentrechnung Netz. Im vierten Teil wurden die<br />
802<br />
www.strom.ch; Auswertung vom 24. Januar 2009.<br />
803<br />
Der vollständige Fragebogen in deutscher Sprache wird im Anhang 2 wiedergegeben, wobei<br />
sämtliche Fragen abgebildet sind, unabhängig vom Umstand, dass die Befragten je nach ihren<br />
Antworten nur Teile der Fragen oder der Antwortmöglichkeiten ausfüllen mussten. Zur Fragebogensteuerung<br />
wurden Filterfragen eingesetzt.
208 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Betriebe zur geplanten Offenlegung der Segmentrechnung Netz – das heisst zu Be-<br />
standteilen, Gliederung, Form und Datum der Erstpublikation – befragt.<br />
Zur Sicherstellung der Auswertbarkeit wurde weitgehend auf offene Fragestellungen<br />
verzichtet. Zwecks Erfassung der spezifischen Situationen wurde bei einzelnen ge-<br />
schlossenen Antworten die Möglichkeit einer alternativen offenen Antwort vorgese-<br />
hen. Der Nachteil der unkontrollierten Erhebungssituation bei schriftlichen oder inter-<br />
netbasierten Befragungen wurde aufgrund des spezifischen Themas und durch die Si-<br />
cherstellung der Adressierung an Finanzverantwortliche oder Betriebsleiter in Grenzen<br />
gehalten. 804 Eher problematisch ist bei dieser Untersuchungsform die Verzerrung der<br />
Ergebnisse durch den Rücklauf, indem die Gefahr besteht, dass gerade diejenigen Un-<br />
ternehmen, welche sich bisher nicht oder unzureichend mit dem Thema auseinander-<br />
gesetzt haben, nicht an der Befragung teilnehmen. Gemäss BINDER et al. zeichnen sich<br />
bei schriftlichen Befragungen antwortende gegenüber nichtantwortende Personen un-<br />
ter anderem durch ein stärkeres Interesse am Untersuchungsthema sowie durch eine<br />
engere Beziehung zum Untersuchenden aus. 805 Im Bereich der Sozialwissenschaften<br />
dürfte es kaum Untersuchungen geben, deren Ergebnisse gegenüber diesen Merkmalen<br />
invariant wären. 806 Auf die vorliegende Untersuchung lässt sich dies insofern übertragen,<br />
als Vertreter <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>, die das Thema als (noch) nicht relevant<br />
beurteilten, tendenziell nicht teilgenommen haben dürften. Unternehmensvertreter,<br />
die sich noch kaum mit der Thematik befasst hatten oder denen die neue gesetzliche<br />
Anforderung zur Publikation einer Segmentrechnung Netz gar nicht bewusst war,<br />
dürften tendenziell ebenfalls weniger geantwortet haben. Die Ergebnisse der Untersuchung<br />
sind vor diesem Hintergrund im Vergleich zur Grundgesamtheit wohl eher zu<br />
positiv ausgefallen.<br />
6.1.2 Datenauswertung<br />
Die Datenauswertung erfolgte mit Hilfe der Statistiksoftware SPSS. Entsprechend dem<br />
deskriptiven Untersuchungsdesign standen univariate Analysenmetoden zur Beschreibung<br />
<strong>von</strong> Häufigkeiten und zur Ermittlung <strong>von</strong> Verteilungen im Vordergrund. Durch<br />
den Einsatz <strong>von</strong> Kreuztabellen, Unabhängigkeitstests und Korrelationsanalysen wur-<br />
804<br />
Vgl. BORTZ & DÖRING (2006), S. 256.<br />
805<br />
BINDER et al. (1979), zit. in BORTZ & DÖRING (2006), S. 259.<br />
806 BORTZ & DÖRING (2006), S. 259.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 209<br />
den in einem zweiten Schritt bivariate Analysen zur Erkennung <strong>von</strong> Zusammenhängen<br />
zwischen einzelnen Ausprägungen in der Stichprobe durchgeführt.<br />
Die Antworten aus dem ersten Fragenkomplex zu den metrischen Grössenmerkmalen<br />
<strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> wurden in der Erhebung hinsichtlich ihrer Verteilung<br />
ausgewertet. Aufgrund der rechtsschiefen Verteilungen 807 wurden U-Tests nach MANN<br />
und WITHNEY bzw. H-Tests nach KRUSKAL und WALLIS zur Analyse <strong>von</strong> grössenab-<br />
hängigen Unterschieden zwischen Gruppen <strong>von</strong> metrischen und ordinalen Variablen<br />
verwendet. 808 Die mehrheitlich dichotomen und kategorialen Antworten der nachfol-<br />
genden Fragenkomplexe wurden dabei als Gruppenmerkmale verwendet. 809 Gemäss<br />
ECKSTEIN sollte der U-Test immer dann angewandt werden, wenn zwei unabhängige<br />
Stichproben nicht sehr gross sind und/oder wenn beide Stichproben aus nicht normal-<br />
verteilten Grundgesamtheiten stammen. 810 Beide Voraussetzungen waren in der vorlie-<br />
genden Erhebung erfüllt.<br />
Für die Analyse <strong>von</strong> Zusammenhängen zwischen nominal skalierten Variablen wurde<br />
der in der Wirtschafts- und Sozialforschung weit verbreitete Chi-Quadrat-<br />
Unabhängigkeitstest verwendet, sofern die einzelnen Kombinationen <strong>von</strong> Antwortmöglichkeiten<br />
genügend häufig erwartet werden konnten. 811 In einigen Fällen wurden<br />
dazu Strukturmerkmale gleicher Ausprägung gruppiert. 812 Bei signifikanten Zusammenhängen<br />
wurde zur Beurteilung der Stärke des Zusammenhangs das Kontingenzmass<br />
CRAMER-V angegeben.<br />
Als Korrelationsanalysen wurden für metrische Variablen die Masskorrelation nach<br />
PEARSON und für ordinale Variablen die Rangkorrelation nach SPEARMAN eingesetzt.<br />
Dichotome Variablen wurden nicht als ordinalskaliert interpretiert.<br />
807<br />
Vgl. Kapitel 6.2 hiernach.<br />
808<br />
Diese Tests wurden nicht primär nach normativ gebildeten Grössenklassen (ordinal) durchgeführt,<br />
sondern nach den ihnen zugrundeliegenden metrischen Variablen. Vgl. zu diesen nichtparametrischen<br />
Tests BÜHL (2008), S. 318.<br />
809 Zum Beispiel wurden auf diese Weise alle Aktiengesellschaften als Teilstichprobe mit allen Genossenschaften<br />
als weitere Teilstichprobe hinsichtlich ihrer Grössenstrukturen auf signifikante<br />
Unterschiede analysiert.<br />
810 ECKSTEIN (2004), S. 119.<br />
811 Die für die Test notwendigen Kreuztabellen müssen in den jeweiligen Feldern eine erwartete,<br />
absolute Häufigkeit <strong>von</strong> grösser als fünf ausweisen. Für den Fall, dass mehr als 80% aller Kreuztabellenfelder<br />
diese Bedingung erfüllen, können der Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest bzw. die<br />
darauf basierenden Kontingenztests durchgeführt werden. Vgl. ECKSTEIN (2004), S. 154.<br />
812 In einigen Fällen konnte aufgrund zu tiefer Antworthäufigkeiten oder aufgrund <strong>von</strong> zu kleinen<br />
Teilstichproben kein statistischer Nachweis der Beobachtung erfolgen.
210 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
6.1.3 Rücklaufstatistik und Stichprobenumfang<br />
Einen Vorteil der Online-Befragung bildet die Aufzeichnung <strong>von</strong> Benutzerzugriffen<br />
und Benutzerverhalten im Laufe der Befragung. So konnten über den zweimonatigen<br />
Befragungszeitraum <strong>von</strong> anfangs April bis Ende Mai 2009 185 Zugriffe auf die Befra-<br />
gungsseite registriert werden. Längst nicht jeder Zugriff führte jedoch zu einer Teilnahme<br />
an der eigentlichen Befragung. Wie Abbildung 6-1 darstellt, wurden 70 Datensätze<br />
aufgrund fehlender Teilnahme oder zu geringer Anzahl an Antworten nicht in die<br />
Auswertung mit einbezogen (Listwise Deletion). Als Kriterium wurde dabei der Fortschritt<br />
bis zur ersten Fragebogenseite mit Inhaltsfragen zur Umsetzung des Unbundling<br />
verwendet. Fälle, in denen lediglich Strukturdaten, aber keine Inhaltsinformationen<br />
verfügbar waren, wurden nicht ausgewertet. Weitere zwei Datensätze wurden aufgrund<br />
<strong>von</strong> Inkonsistenzen in der Dateneingabe gelöscht. Zwei Unternehmen wurden<br />
ferner nicht mit einbezogen, weil sie das Kriterium der Tätigkeit als Stromverteilnetzbetreiber<br />
für die Teilnahme an der Befragung nicht erfüllt haben. Diese wurden über<br />
entsprechende Filterfragen direkt zum Ende der Befragung geführt. Die verbleibenden<br />
113 Datensätze wurden gemäss der Methodik der Available Case Analysis als relevante<br />
Stichprobe ausgewertet. 813 Hat ein Befragter die Befragung später abgebrochen oder<br />
eine Frage nicht vollständig ausgefüllt (Item-Nonresponse), wurde der entsprechende<br />
Datensatz bei der Auswertung der Frage nicht mitberücksichtigt. Die Prozentangaben<br />
beziehen sich jeweils, sofern nicht ausdrücklich anders festgehalten, auf die Anzahl<br />
gültiger Fälle. 814<br />
Die Abbruchstatistik gilt es vor dem Hintergrund der Befragungssituation zu würdigen.<br />
So sind bei einer mittleren Bearbeitungszeit des Fragebogens <strong>von</strong> 17 Minuten 815<br />
Abbrüche im Verlauf der Befragung aufgrund der unkontrollierten Erhebungssituation<br />
nicht zu vermeiden. Gründe dafür können insbesondere der Faktor Zeit, Störungen<br />
oder der Frageninhalt sein. Letzteres könnte die Häufung der Abbrüche (20) auf der<br />
Seite "Verteilnetz", auf welcher relevante Strukturdaten wie die Vollzeitstellen im<br />
813<br />
Alternativ wären entweder nur alle vollständigen Daten auszuwerten bzw. die fehlenden Daten<br />
über statistische Verfahren zu ergänzen gewesen. Zur Vermeidung <strong>von</strong> Informationsverlusten<br />
wurde der Available Case Analysis der Vorzug gegeben. Der damit einhergehende Nachteil, dass<br />
die <strong>unter</strong>schiedlichen Stichproben nicht miteinander vergleichbar sind, wiegt demgegenüber aufgrund<br />
der Art der Fragestellungen und des deskriptiven Erhebungsdesigns nicht allzu schwer.<br />
Vergleichende Analysen werden jeweils explizit auf der Basis der vorhandenen Datensätze vollzogen.<br />
Vgl. weiterführend zum Umgang mit fehlenden Daten etwa GÖTHLICH (2007).<br />
814<br />
Die Anzahl gültiger Fälle wird pro Auswertung jeweils mit (n= ...) dargestellt.<br />
815 Medianwert; das arithmetische Mittel lag bei 20 Minuten.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 211<br />
Segment Netz, die Ausspeisemenge in MWh und der erwartete Netznutzungsertrag<br />
einzutragen waren, erklären. Dies war die einzige Fragebogenseite mit zwingenden<br />
Angaben und quantitativen Informationen zum Unternehmen. Da damit zu rechnen<br />
war, dass einzelne Unternehmensvertreter diese Angaben – insbesondere den erwarte-<br />
ten Netznutzungsertrag – als sensitive oder zu unsichere Informationen einstufen wür-<br />
den, bestand trotz Sicherstellung der Anonymität ein erhöhtes Risiko eines Abbruchs<br />
der Befragung an dieser Stelle.<br />
Fragebogen-Seite<br />
Manuelle Elimination (Inkonsistenzen) 2 1% 185 100%<br />
Sprachwahl 18 10% 183 99%<br />
Anfang 6 3% 165 89%<br />
Einführung 10 5% 159 86%<br />
Angaben zum Unternehmen 11 6% 149 81%<br />
Gemeindebetrieb 2 1% 138 75%<br />
Tätigkeit des Unternehmens 1 1% 136 74%<br />
Vorzeitiges Ende (kein Stromverteilnetzbetreiber) 2 1% 135 73%<br />
Verteilnetz 20 11% 133 72%<br />
Unbundling 2 1% 113 61%<br />
Umsetzung buchhalterisches Unbundling 2 1% 111 60%<br />
Gemeinkosten 2 1% 109 59%<br />
Rechnungslegung 2 1% 107 58%<br />
Veröffentlichung 0 0% 105 57%<br />
Jahresrechnung Netz 2 1% 105 57%<br />
Bewertung 4 2% 103 56%<br />
Aufwertung 1 1% 99 54%<br />
Form Jahresrechnung Netz 3 2% 98 53%<br />
Form Erfolgsrechnung Netz 0 0% 95 51%<br />
Form Bilanz Netz 0 0% 95 51%<br />
Weitere Segmente 5 3% 95 51%<br />
Ausblick 1 1% 90 49%<br />
Ohne buchhalterisches Unbundling 0 0% 89 48%<br />
Offenlegung? 1 1% 89 48%<br />
Kontaktdaten 0 0% 88 48%<br />
Endseite 0 0% 88 48%<br />
Total 97 52% 88 48%<br />
Abbildung 6-1: Datenselektion Stichprobe<br />
Die relevante Stichprobe <strong>von</strong> 113 befragten <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> ergibt im Ver-<br />
hältnis zu den 747 angeschriebenen Betrieben eine relevante Rücklaufquote <strong>von</strong><br />
15.1%. Gemessen an der geschätzten Grundgesamtheit <strong>von</strong> rund 800 Stromverteil-<br />
netzbetreibern beläuft sich die Stichprobengrösse damit auf repräsentative 14.1%.<br />
Die Repräsentativität einer Stichprobe hängt nicht nur <strong>von</strong> deren Anteil an der Grund-<br />
gesamtheit ab, sondern auch <strong>von</strong> der Ausprägung der Merkmale in der Stichprobe im<br />
Vergleich zur Grundgesamtheit. 816 So ist eine Stichprobe global repräsentativ, wenn<br />
ihre Zusammensetzung in nahezu allen Merkmalen der Zusammensetzung der Grund-<br />
816 BORTZ & DÖRING (2006), S. 397.<br />
Abbrüche /<br />
Elimination<br />
Listwise Deletion<br />
Fortgeschritten<br />
bis<br />
Available Case Analysis
212 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
gesamtheit entspricht. Da die vorliegend interessierenden Merkmale der Grundge-<br />
samtheit <strong>von</strong> Schweizer Verteilnetzbetreibern nicht verfügbar sind, ist ein umfassender<br />
Vergleich der Stichprobe mit Merkmalen der Grundgesamtheit nicht möglich. Durch<br />
die Klassenbildung nach Strukturmerkmalen, die für Stromverteilnetzbetreiber und<br />
deren Rechnungslegung charakteristisch sind, wird eine für die einzelnen Stromver-<br />
teilnetzbetreiber aussagekräftige Auswertung sichergestellt.<br />
6.2 Strukturmerkmale<br />
6.2.1 Rechtsformen<br />
Die Verteilung der Rechtsformen der 113 befragten Betriebe zeigt auf, dass die Stich-<br />
probe in privat- und öffentlich-rechtlicher Hinsicht ausgewogen ist. Die privatrechtli-<br />
chen Gesellschaftsformen beschränken sich – wie gemäss den Ausführungen in Kapi-<br />
tel 2.3 zu erwarten war – auf Aktiengesellschaften (35) und Genossenschaften (22).<br />
Beide Gesellschaftsformen zusammen machen 49.6% der befragten Unternehmen aus.<br />
Weitere elf Gesellschaften sind selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts, und<br />
damit eigene Rechtssubjekte. Den grössten Anteil macht die Gruppe der unselbststän-<br />
digen öffentlich-rechtlichen Betriebe mit 45 Gemeinde- und Stadtwerken aus.<br />
öffentlich-rechtliche<br />
unselbstständige Betriebe<br />
40%<br />
öffentlich-rechtlich<br />
selbstständige Anstalten<br />
11%<br />
Abbildung 6-2: Rechtsformen der Stromverteilnetzbetreiber (n=113)<br />
Aktiengesellschaften<br />
30%<br />
Genossenschaften<br />
19%<br />
Eine vergleichbare Studie über das Rechnungswesen <strong>von</strong> kleinen und mittleren EVU<br />
aus dem Jahr 2007 wies mit 26% Aktiengesellschaften, 25% Genossenschaften und<br />
48% öffentlich-rechtlichen Betrieben ähnlich Anteile aus. 817 Vergleicht man die Stich-<br />
817 BERNDT et al. (2007), S. 4. Die Anteile belaufen sich in der Summe auf 99%. 1% der befragten<br />
EVU machten in dieser Studie keine Angaben zur Rechtsform.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 213<br />
probenergebnisse mit den Analyse der Erhebungsgesamtheit <strong>von</strong> 747 Stromverteil-<br />
netzbetreibern anhand der Firma bzw. des Handelsregistereintrages, ist da<strong>von</strong> auszu-<br />
gehen, dass der Anteil an privatrechtlichen Gesellschaften – insbesondere an Aktienge-<br />
sellschaften – in der Stichprobe leicht überschätzt wird. 818 Auf eine Stichprobenge-<br />
wichtung aufgrund eines einzigen Strukturmerkmals wurde jedoch bewusst verzichtet.<br />
6.2.2 Eigentümerstruktur<br />
Die Eigentümerstruktur des Schweizer Strommarktes ist – wie in Kapitel 2.1 dargelegt<br />
– <strong>von</strong> der öffentlichen Hand geprägt. Dies zeigt sich auch bei den 113 befragten<br />
<strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>. Drei Viertel der befragten Betriebe (84) sind ausschliess-<br />
lich oder mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand, das heisst sie gehören Ge-<br />
meinden oder Kantonen. Dazu zählen selbstverständlich die 56 öffentlich-rechtlichen<br />
unselbstständigen und selbstständigen Anstalten.<br />
Mehrheitlich oder<br />
ausschliesslich im<br />
Eigentum Privater<br />
24%<br />
Mehrheitlich im Eigentum<br />
der öffentlichen Hand<br />
8%<br />
Eigentum je 50%<br />
öffentliche Hand und<br />
Private<br />
2%<br />
Abbildung 6-3: Eigentümerstruktur <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> (n=113)<br />
Ausschliesslich im<br />
Eigentum der öffentlichen<br />
Hand<br />
66%<br />
Von den 57 privatrechtlich organisierten <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> sind knapp die<br />
Hälfte (28) ebenfalls ausschliesslich oder mehrheitlich öffentlich beherrscht. Die übrigen<br />
29 Gesellschaften – dar<strong>unter</strong> 21 Genossenschaften – sind zu mindestens 50% im<br />
Eigentum privater Kapitalgeber. Im Gegensatz zu den Aktiengesellschaften, welche<br />
überwiegend öffentlich beherrscht werden, befinden sich alle befragten Genossenschaften,<br />
bis auf eine Ausnahme, mehrheitlich oder ausschliesslich im Privatbesitz.<br />
818 Siehe Kapitel 2.3. Im Unterschied zu der in Fussnote 104 bereits zitierten Studie <strong>von</strong><br />
SONDEREGGER weist die vorliegende Stichprobe insbesondere einen um 9% höheren Anteil an<br />
Genossenschaften und einen um 6% tieferen Anteil an selbstständigen Anstalten aus. Diese Unterschiede<br />
dürften insbesondere mit der bei SONDEREGGER auf 430 Mitglieder des VSE eingeschränkten<br />
Erhebungsgrundgesamtheit zu begründen sein. So auch SONDEREGGER (2004), S. 82.
214 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
6.2.3 Grössenstruktur<br />
a) Vollzeitstellen<br />
62 Stromverteilnetzbetreiber, und damit die Mehrheit der Befragten (55.9%), sind<br />
Klein<strong>unter</strong>nehmen mit weniger als 10 Vollzeitstellen im Gesamtbetrieb. Da<strong>von</strong> haben<br />
19 Betriebe (17.1%) kein eigenes Personal, 819 sondern werden nebenamtlich betrieben.<br />
Weitere 27 Betriebe (24.3%) verfügen nur über eine einzige Vollzeitstelle.<br />
Vollzeitstellen (FTE)<br />
91 - 110<br />
71 - 90<br />
51 - 70<br />
31 - 50<br />
11 - 30<br />
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 215<br />
lassen werden, differieren erheblich <strong>von</strong> den Mittelwerten der Gesamtstichprobe: Für<br />
das Gesamt<strong>unter</strong>nehmen gilt dann noch ein Mittelwert <strong>von</strong> 52 Vollzeitstellen, für das<br />
Segment Netz <strong>von</strong> 22 Vollzeitstellen. Eine höhere Aussagekraft hat bei solchen, <strong>von</strong><br />
Extremwerten geprägten Verteilungen der Median. Dieser liegt beim Gesamtbetrieb<br />
bei 6 Vollzeitstellen und beim Segment Netz bei 3 Vollzeitstellen.<br />
Der Zusammenhang zwischen der Anzahl Vollzeitstellen des Gesamtbetriebs und des<br />
Netzes ist erwartungsgemäss signifikant und stark ausgeprägt. 822 Nicht zuletzt die ho-<br />
he Anzahl <strong>von</strong> Betrieben mit bis zu einer Vollzeitstelle begünstigen diesen Zusammen-<br />
hang, da diese gar keine Freiheiten bei der Zuteilung ihres Personalbestandes auf die<br />
einzelnen Segmente haben. Werden nur die Betriebe mit mehr als 10 bzw. 50 Vollzeit-<br />
stellen in die Auswertung mit einbezogen, verschlechtert sich die Korrelation nur mi-<br />
nimal. 823 Der Gesamtpersonalbestand hat damit – unabhängig <strong>von</strong> der Grösse des<br />
Stromverteilnetzbetreibers – einen signifikanten Einfluss auf die Personalallokation<br />
zum Segment Netz. Die gesamte Stichprobe enthielt keinen Fall, in dem der Mitarbeiterbestand<br />
im Netz über eine entsprechende Segmentierung trotz eines vergleichsweise<br />
hohen Gesamtpersonalbestands statistisch signifikant minimiert worden wäre. 824<br />
Ebenfalls lässt sich nachweisen, dass der Personalbestand des Gesamt<strong>unter</strong>nehmens je<br />
nach Rechtsform signifikant <strong>unter</strong>schiedlich ausfällt. 825 Die mittlere Rangreihenfolge<br />
nach Vollzeitstellen zeigt, dass genossenschaftlich organisierte Stromverteilnetzbetreiber<br />
signifikant kleiner sind als Betriebe des öffentlichen Rechts bzw. als Aktiengesellschaften.<br />
Der Unterschied zwischen den <strong>unter</strong>suchten unselbstständigen und selbstständigen<br />
öffentlich-rechtlichen Anstalten ist hingegen nicht signifikant. Aktiengesellschaften<br />
sind gemäss dem Bestand an Vollzeitstellen im Schnitt signifikant grösser als<br />
Betriebe mit anderen Rechtsformen. Während 85% der Aktiengesellschaften über dem<br />
Median <strong>von</strong> 6 Vollzeitstellen liegen, liegt der Anteil der Genossenschaften, welche<br />
diesen Vollzeitstellenbestand erreichen, nur bei 18%. Diese Unterschiede nach Rechtsformen<br />
können damit begründet werden, dass insbesondere lokalen Genossenschaften<br />
und kleine Gemeindewerken zum Teil gar kein Personal beschäftigen und der Netzbetrieb<br />
stattdessen im Nebenamt bzw. durch Dritte ausgeführt wird.<br />
822<br />
Korrelation nach PEARSON <strong>von</strong> 0.931 bei höchster Signifikanz <strong>von</strong> p
216 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Vollzeitstellen (FTE)<br />
11+<br />
2 - 10<br />
1<br />
0<br />
4<br />
8<br />
13<br />
10<br />
Abbildung 6-5: Anteile pro Rechtsform an Kleinbetrieben mit bis zu zehn Vollzeitstellen (n=111)<br />
Abbildung 6-5 zeigt, dass die 19 Stromverteilnetzbetreiber ohne Personal zehn Genos-<br />
senschaften und neun öffentlich-rechtliche Betriebe sind. Demgegenüber sind Aktien-<br />
gesellschaften erst ab drei Vollzeitstellen vertreten. Auf der anderen Seite sind ab 50<br />
Vollzeitstellen die Aktiengesellschaften mit 66.7% die meist vertretene Rechtsform.<br />
b) Stromverteilung an Endkunden und Wiederverkäufer<br />
9<br />
6<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50%<br />
Häufigkeit<br />
60% 70% 80% 90% 100%<br />
Genossenschaft Unselbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts<br />
Selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts Aktiengesellschaft (AG)<br />
Eine weitere Masszahl für die Grösse eines Stromverteilnetzbetreibers ist dessen über<br />
das Verteilnetz abgesetzte Strommenge, die <strong>von</strong> den <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> für das<br />
letzte Geschäftsjahr in MWh erhoben wurde. 826<br />
Die bereits beim Mitarbeiterbestand dargestellte Rechtsschiefe der Verteilung ist beim<br />
Stromabsatz noch ausgeprägter. 827 71 Stromverteilnetzbetreiber (62.8%) speisen über<br />
ihr Netz jeweils bis zu 50 GWh an Endkunden oder andere Verteilnetzbetreiber aus. 828<br />
Demgegenüber setzen 16 Netzbetreiber je über 500 GWh Strom über ihr Verteilnetz ab<br />
und prägen damit die gesamte Stichprobe überdurchschnittlich stark. 829<br />
826<br />
Aufgrund der Gefahr <strong>von</strong> Eingabefehlern (etwa Eingabe in GWh statt MWh) wurden sämtliche<br />
Fälle anhand der ebenfalls erhobenen Netznutzungserträge plausibilisiert und wo nötig bezüglich<br />
Kommastellen bereinigt.<br />
827<br />
Auch diese Verteilung ist nach den Verteilungstest nach KOLMOGOROV-SMIRNOV und SHAPIRO-<br />
WILK signifikant <strong>von</strong> der Normalverteilung verschieden.<br />
828<br />
In Abbildung 6-6 ist diese Gruppe aus Darstellungsgründen in zwei Gruppen aufgeteilt.<br />
829<br />
Diese Grossverteiler sind aus Darstellungsgründen zu einer Gruppe zusammengefasst.<br />
15<br />
26<br />
8<br />
7<br />
4<br />
1
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 217<br />
Verteilte Strommenge<br />
> 500 GWh<br />
401-450 GWh<br />
251-300 GWh<br />
151-200 GWh<br />
101-150 GWh<br />
51-100 GWh<br />
11-50 GWh<br />
218 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Strommenge (in GWh)<br />
1'000<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
1<br />
4<br />
7<br />
10<br />
13<br />
16<br />
19<br />
22<br />
25<br />
28<br />
31<br />
34<br />
37<br />
40<br />
43<br />
46<br />
49<br />
52<br />
55<br />
58<br />
61<br />
64<br />
67<br />
70<br />
73<br />
76<br />
79<br />
82<br />
85<br />
88<br />
91<br />
94<br />
97<br />
100<br />
103<br />
106<br />
109<br />
112<br />
Abbildung 6-7: Absatzmenge in GWh pro Stromverteilnetzbetreiber (n=111) 833<br />
Abbildung 6-8 zeigt in diesem Zusammenhang die Häufigkeit der <strong>von</strong> den befragten<br />
<strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> betriebenen Netzebenen. Nur gerade drei <strong>von</strong> 113 Betrei-<br />
bern verfügen über keine Anteile am lokalen Verteilnetz (Netzebene 7). Rund die Hälf-<br />
te der Stromverteilnetzbetreiber (52%) betreiben ausschliesslich ein Mittel- und Nie-<br />
derspannungsnetz (Netzebenen 5, 6 und 7).<br />
Netzebene 7 (Niederspannung)<br />
Netzebene 6 (Transformation MS / NS)<br />
Netzebene 5 (Mittelspannung)<br />
Netzebene 4 (Transformation HS / MS)<br />
Netzebene 3 (Hochspannung)<br />
Stromverteilnetzbetreiber<br />
13.3%<br />
19.5%<br />
Abbildung 6-8: Häufigkeit der Verteilnetzebenen 3-7 (n=113) 834<br />
79.6%<br />
75.2%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Prozent der Befragten<br />
833 Die Graphik wurde aus Darstellungsgründen auf 1'000 GWh begrenzt. 11 Stromverteilnetzbetreiber<br />
gaben Absatzmengen über dieser Grenze an.<br />
97.3%
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 219<br />
c) Netznutzungsertrag (exkl. Abgaben)<br />
Die pro Netzebene anfallenden, anrechenbaren Kosten dürfen gemäss Vorgabe <strong>von</strong><br />
Art. 16 StromVV als Netznutzungsentgelt auf die nachliegenden Netzebenen (eigene<br />
Netzebene oder Wiederverkäufer) überwälzt bzw. bei Ausspeisung dem Endverbrau-<br />
cher in Rechnung gestellt werden. Der Netznutzungsertrag stellt im Normalfall –<br />
abhängig <strong>von</strong> der Segmentabgrenzung – die Hauptertragsquelle des Segments Netz<br />
dar. Wie einleitend im Zusammenhang mit der Rücklaufstatistik festgehalten, scheint<br />
die Angabe der erwarteten Segmenterträge trotz der doppelten Publikationspflicht des<br />
Netznutzungsertrages – einmal separat als Kennzahl gemäss Art. 12 Abs. 1 StromVG<br />
und einmal als wesentliche Position in der Segmentrechnung Netz – bei den <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
auf Zurückhaltung zu stossen. Von den 113 selektierten <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
haben 105 den für das laufende Geschäftsjahr erwarteten Netznutzungsertrag<br />
exklusive Abgaben angegeben. 835<br />
Netznutzungsertrag in CHF Mio.<br />
> 250.0<br />
50.1 - 250.0<br />
10.1 - 50.0<br />
2.1 - 10.0<br />
220 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Die klassierte Darstellung deutet die Rechtsschiefe der Verteilung an. 836 Zahlreiche<br />
Betriebe mit – in Bezug auf den Ertrag – kleinen Verteilnetzen dominieren den<br />
Schweizer Strommarkt anzahlmässig, werden jedoch ihrerseits mengenmässig <strong>von</strong><br />
wenigen Gesellschaften mit grossen Verteilnetzen überschattet. So rechnet beispiels-<br />
weise der grösste Verteilnetzbetreiber in der Stichprobe mit einem Netznutzungsertrag<br />
– ohne Abgaben – <strong>von</strong> über CHF 400 Mio. Die 55 ertragsmässig kleinsten Verteilnetz-<br />
betreiber erwarten demgegenüber insgesamt einen kumulierten Netznutzungsertrag –<br />
ohne Abgaben – <strong>von</strong> gerade mal CHF 36.7 Mio.<br />
Der Median der Stichprobe liegt lediglich bei CHF 1.7 Mio. und würde damit im Falle<br />
reiner Netzgesellschaften einem Kleinst<strong>unter</strong>nehmen entsprechen. 837 Da damit ledig-<br />
lich der Netznutzungsertrag ohne Abgaben, und keine weiteren Sparten- und Segment-<br />
erträge (insbesondere auch keine Erträge aus dem Stromverkauf) dargestellt werden,<br />
bezieht sich die Aussage nicht auf die Grösse des Gesamt<strong>unter</strong>nehmens, sondern nur<br />
auf dessen Segment Verteilnetz. 838<br />
d) Korrelation der Grössenkennzahlen und Ableitung <strong>von</strong> Grössenklassen<br />
Sämtliche Grössenkennzahlen – Vollzeitstellen (Gesamt und Netz), Absatzmenge und<br />
Netznutzungsertrag – bestätigen die in Kapitel 2.1 als stark fragmentiert beschriebene<br />
Marktstruktur in der Schweizer Stromverteilung. Die für diese Situation typischen,<br />
rechtsschiefen Verteilungen konnten über sämtliche Grössenkennzahlen nachgewiesen<br />
werden. Durch die fehlende Normalverteilung sind somit Aussagen zu symmetrischen<br />
Lagemassen – wie etwa dem Mittelwert oder der Standardabweichung – massiv ver-<br />
zerrt. Die im Vergleich zur Realität vorhandenen Grössenstrukturen werden dabei<br />
überschätzt. Da die Schweiz im Strommarkt bisher keine grössenabhängige Regulation<br />
kennt, gilt es im Rahmen der Gestaltungsempfehlungen zu prüfen, inwiefern grössen-<br />
abhängige Anforderungen an die Segmentrechnung Netz vor dem Hintergrund der<br />
grossen Spannweiten zwischen Kleinst- und Grossbetrieben sinnvoll bzw. nötig wären.<br />
Für die inhaltlichen Auswertungen der Befragung zum buchhalterischen Unbundling,<br />
zur Bewertung und zur Offenlegung scheint es aufgrund der wesentlichen Grössenun-<br />
836 Auch diese Verteilung ist gemäss den Verteilungstests nach KOLMOGOROV-SMIRNOV und<br />
SHAPIRO-WILK signifikant <strong>von</strong> der Normalverteilung verschieden.<br />
837 Der aufgrund der Extremwerte verzerrte Mittelwert des Netznutzungsertrages der befragten<br />
Stromverteilnetzbetreiber beläuft sich auf nicht repräsentative CHF 27 Mio.<br />
838 Bei einem reinen Endkundenversorger ohne Kundenabgänge im Segment Strom würde sich <strong>unter</strong><br />
Annahme eines durchschnittlichen Anteils des Netznutzungsentgelts am gesamten Elektrizitätstarif<br />
<strong>von</strong> 60% der Median des Gesamtertrags im Stromgeschäft auf rund CHF 2.8 Mio. erhöhen.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 221<br />
terschiede wichtig, die Antworten auf signifikante Unterschiede in Bezug auf die<br />
Grösse zu überprüfen und zur Darstellung Grössenklassen zu bilden.<br />
Sämtliche dargestellten Grössenkennzahlen zeichnen sich erwartungsgemäss durch<br />
eine signifikante, ausgeprägte Korrelation aus, so dass für die Bildung <strong>von</strong> Grössenklassen<br />
eine der dargestellten Kennzahlen ausgewählt und in Bezug auf die Grösse als<br />
repräsentative Basis verwendet werden kann.<br />
Korrelationen<br />
FTE<br />
FTE Netz<br />
MW h<br />
NNE<br />
Abbildung 6-10: Korrelation der Grössenkennzahlen (n=105)<br />
FTE FTE Netz MW h NNE<br />
Korrelation nach Pearson 1 .931 **<br />
.852 **<br />
.949 **<br />
Signifikanz (2-seitig) .000 .000 .000<br />
N 111 110 111 104<br />
Korrelation nach Pearson .931 ** 1 .822 **<br />
.977 **<br />
Signifikanz (2-seitig) .000 .000 .000<br />
N 110 111 111 104<br />
Korrelation nach Pearson .852 **<br />
.822 ** 1 .836 **<br />
Signifikanz (2-seitig) .000 .000 .000<br />
N 111 111 113 105<br />
Korrelation nach Pearson .949 **<br />
.977 **<br />
.836 ** 1<br />
Signifikanz (2-seitig) .000 .000 .000<br />
N 104 104 105 105<br />
**. Die Korrelation ist auf dem Niveau <strong>von</strong> 0,01 (2-seitig) signifikant.<br />
Die Stromverteilnetzbetreiber werden in Bezug auf das Segment Netz aufgrund des<br />
Netznutzungsertrags – als Hauptumsatzgrösse des Segments Netz – in die Grössenklassen<br />
Mikro-, Klein-, Mittel- und Grossnetzbetreiber eingeteilt. Da in der Schweiz<br />
keine einheitliche KMU-Definition besteht 839 und verschiedene Gesetze (etwa das OR<br />
oder auch das Fusionsgesetz) lediglich eine Abgrenzungen zwischen KMU und Gross<strong>unter</strong>nehmen<br />
vornehmen, stützt sich die Klassierung auf die <strong>von</strong> der EU-Kommission<br />
empfohlene Definition <strong>von</strong> Unternehmensgrössen. 840<br />
Die Grössenklassen beziehen sich damit ausschliesslich auf das Segment Verteilnetz,<br />
als ob diese Verteilnetze <strong>von</strong> eigenständigen Netzgesellschaften betrieben würden.<br />
Diese Sichtweise entspricht dem Prinzip des Unbundling. Da dabei lediglich das Segment<br />
Netz betrachtet wird, hat diese Klassierung nicht zwingend auch der Klassierung<br />
des gesamten EVU zu entsprechen. Aufgrund der dargestellten Korrelationen wird dies<br />
jedoch in der überwiegenden Zahl der Fälle ebenfalls zutreffen.<br />
839<br />
Vgl. SCHÜLE (2009).<br />
840<br />
EU-Empfehlung 2003/361/EG, vgl. COMMISSION OF THE EUROPEAN COMMUNITIES (2003). Dabei<br />
wurde auf eine Währungsumrechnung verzichtet.
222 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
GRÖSSENKLASSE<br />
(CLUSTER)<br />
NETZNUTZUNGSERTRAG<br />
(OHNE ABGABEN)<br />
STROMVERTEILNETZBETREIBER<br />
Anzahl in %<br />
Mikro CHF 50.0 Mio. 11 9.7<br />
Total 113 100%<br />
Tabelle 6-1: Definition der Grössenklassen nach Netznutzungsertrag (n=113)<br />
Für die acht Betriebe, zu denen die Angaben des Netznutzungsertrages fehlten, wurde<br />
aufgrund der Absatzzahlen eine im Vergleich zu ähnlich grossen Betrieben konsistente<br />
Einteilung vorgenommen.<br />
Die einzelnen Grössenklassen können wie folgt deskriptiv beschrieben werden:<br />
MIKRO MEDIAN MITTELWERT<br />
Vollzeitstellen Gesamtbetrieb 1.0 2.6<br />
Vollzeitstellen Segment Netz 1.0 1.1<br />
Ausspeisemengen in GWh 7.8 11.2<br />
Netznutzungsertrag in Mio. CHF 0.5 0.7<br />
Tabelle 6-2: Charakteristika <strong>von</strong> Betreibern <strong>von</strong> Mikro- bzw. Kleinstverteilnetzsegmenten (n=58)<br />
KLEIN MEDIAN MITTELWERT<br />
Vollzeitstellen Gesamtbetrieb 14.0 19.0<br />
Vollzeitstellen Segment Netz 7.0 7.5<br />
Ausspeisemengen in GWh 55.0 60.4<br />
Netznutzungsertrag in Mio. CHF 4.0 4.8<br />
Tabelle 6-3: Charakteristika <strong>von</strong> Betreibern <strong>von</strong> kleinen Verteilnetzsegmenten (n=33)<br />
MITTEL MEDIAN MITTELWERT<br />
Vollzeitstellen Gesamtbetrieb 124.0 134.0<br />
Vollzeitstellen Segment Netz 45.0 51.9<br />
Ausspeisemengen in GWh 403.5 394.7<br />
Netznutzungsertrag in Mio. CHF 24.1 27.2<br />
Tabelle 6-4: Charakteristika <strong>von</strong> Betreibern <strong>von</strong> mittleren Verteilnetzsegmenten (n=11)
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 223<br />
GROSS MEDIAN MITTELWERT<br />
Vollzeitstellen Gesamtbetrieb 1'250.0 1'147.8<br />
Vollzeitstellen Segment Netz 340.0 331.3<br />
Ausspeisemengen in GWh 4'800.0 7'148.7<br />
Netznutzungsertrag in Mio. CHF 240.8 238.3<br />
Tabelle 6-5: Charakteristika <strong>von</strong> Betreibern <strong>von</strong> grossen Verteilnetzsegmenten (n=11)<br />
6.2.4 Wertschöpfungsstruktur<br />
Neben der Rechtsform, der Eigentümerstruktur und der Grösse eines Stromverteilnetz-<br />
betreibers führen auch die diversen Wertschöpfungsstrukturen der befragten Stromver-<br />
teilnetzbetreiber zu <strong>unter</strong>schiedlichen Anforderungen hinsichtlich der Erstellung der<br />
Segmentrechnung Netz. Wie in Kapitel 2.2.3 beschrieben, kann dabei die horizontale<br />
(Sparten) und die vertikale Integration (Wertschöpfungsstufen) <strong>unter</strong>schieden werden.<br />
Sparten<br />
Strom<br />
Öffentliche Beleuchtung<br />
Wasser<br />
Telekommunikation<br />
Installation<br />
Wärme<br />
Gas<br />
17.7%<br />
17.7%<br />
16.8%<br />
24.8%<br />
42.5%<br />
54.9%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Häufigkeit<br />
Abbildung 6-11: Horizontale Integration der Stromverteilnetzbetreiber (n=113)<br />
100.0%<br />
Ausser in der Sparte Strom, welche als Bedingung für den Einbezug in die Stichprobe<br />
galt, sind die Stromverteilnetzbetreiber im Schnitt in zwei weiteren Sparten tätig, am<br />
häufigsten in der öffentlichen Beleuchtung sowie in der Wasserversorgung. Dieses<br />
Profil trifft insbesondere auf Betreiber <strong>von</strong> kleineren und mittleren Verteilnetzsegmen-
224 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
ten zu. 841 Weniger häufig wurden Telekommunikationsdienstleistungen, Installations-<br />
service, Wärme- und Gasversorgung genannt. Nur 27.4% der befragten Stromverteil-<br />
netzbetreiber gaben an, ausschliesslich in der Sparte Strom tätig zu sein.<br />
Bezüglich der Frage des buchhalterischen Unbundling ist insbesondere auch die Aus-<br />
prägung der vertikalen Integration relevant. Diese lässt sich am besten durch eine ent-<br />
sprechende Typologie darstellen. Dabei können reine Netzbetreiber, Versorger (Netz<br />
und Stromvertrieb), integrierte EVU ohne Handel (Netz, Vertrieb und Produktion) so-<br />
wie integrierte EVU mit Handel <strong>unter</strong>schieden werden. 842<br />
Integrietes EVU ohne<br />
Handel<br />
21%<br />
Integriertes EVU<br />
mit Handel<br />
7%<br />
Abbildung 6-12: Typen der vertikalen Integration (n=113)<br />
Reiner Netzbetreiber<br />
5%<br />
Versorger<br />
67%<br />
Zwei Drittel der befragten Stromverteilnetzbetreiber sind klassische Wiederverkäufer<br />
<strong>von</strong> Strom – also sogenannte Versorger, die nicht über eigene Produktionskapazitäten<br />
verfügen. 843 Sie müssen innerhalb der Sparte Strom das Netz "lediglich" vom Vertrieb<br />
entflechten. 32 Netzbetreiber besitzen eigene Produktionsanlagen, und acht <strong>von</strong> ihnen<br />
sind auch im Stromhandel tätig. Sechs befragte Unternehmen sind reine Netzbetreiber<br />
und müssen das buchhalterische Unbundling nur vornehmen, falls eine horizontale<br />
Diversifikation besteht (zum Beispiel Betrieb eines Gasnetzes). Im Fall der vertikalen<br />
Integration lassen sich – im Gegensatz zur horizontalen Integration – signifikante Unterschiede<br />
hinsichtlich der Grösse der Gesamtbetriebe anhand der Vollzeitstellen<br />
841<br />
Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Grössenmerkmalen und Wertschöpfungsstruktur<br />
bestehen indes nicht.<br />
842<br />
Clusterbildung in Anlehnung an eine Befragung <strong>von</strong> 92 EVU durch ACCENTURE & UNIVERSITÄT<br />
ST. GALLEN (2007), S. 6.<br />
843<br />
Dies entspricht in etwa auch den Ergebnissen der auf kleine und mittlere EVU begrenzten Studie<br />
<strong>von</strong> BERNDT et al. (2007), S. 5.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 225<br />
nachweisen und nach Grössenklassen darstellen. Die mittlere Rangreihenfolge nach<br />
Vollzeitstellen zeigt, dass integrierte EVU mit Handel signifikant grösser sind als die<br />
übrigen Stromverteilnetzbetreiber. 844 Versorger sind demgegenüber durchschnittlich<br />
kleiner als EVU mit einem höheren Integrationsgrad. 845 Nicht signifikant ist der Grössen<strong>unter</strong>schied<br />
zwischen reinen Netzbetreibern und integrierten EVU ohne Handel.<br />
Reiner Netzbetreiber<br />
Versorger<br />
Integrietes EVU ohne Handel<br />
Integriertes EVU mit Handel<br />
4<br />
Abbildung 6-13: Wertschöpfungsstruktur nach Grössenklassen (n=113)<br />
2<br />
Somit ist die Aussage, dass die vertikale Integration mit zunehmender Betriebsgrösse<br />
zunimmt, während die horizontale Integration nicht signifikant <strong>von</strong> der Grösse eines<br />
EVU abhängt, zulässig. Werden in der Folge inhaltlichen Auswertungen aufgrund des<br />
sachlichen Zusammenhangs zum Unbundling nach den Typen der vertikalen Integration<br />
auf signifikante Unterschiede analysiert, so gilt es demnach deren Zusammenhang<br />
mit der Betriebsgrösse zu berücksichtigen.<br />
844<br />
H-Test, p
226 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
6.3 Buchhalterisches Unbundling<br />
6.3.1 Umgesetzte Formen des Unbundling<br />
Nach Art. 10 StromVG sind in der Schweiz das buchhalterische und das informatorische<br />
Unbundling für alle Stromverteilnetzbetreiber – unabhängig <strong>von</strong> ihrer Rechtsform<br />
und Grösse – gesetzlich vorgegeben. 846 Nach eigenen Angaben erfüllen <strong>von</strong> den 113<br />
befragten Unternehmen per 1. Januar 2009 nur gerade 20 Unternehmen oder 17.7%<br />
diese Unbundling-Vorgaben. Beim buchhalterischen Unbundling liegt der Erfüllungsgrad<br />
mit 95.6% – im Vergleich zum informatorischen Unbundling mit 18.6% – deutlich<br />
höher. Lediglich fünf Stromverteilnetzbetreiber gaben an, das buchhalterische Unbundling<br />
bislang nicht umgesetzt zu haben, dar<strong>unter</strong> zwei als Kleinstversorger tätige<br />
Genossenschaften, welche als Begründung auf den zu hohen Aufwand bzw. auf die<br />
knappe Zeit zur Umsetzung verwiesen. Die drei weiteren Netzbetreiber ohne buchhalterisches<br />
Unbundling haben stattdessen ein rechtliches Unbundling des Netzes vollzogen.<br />
Vergleicht man diese Zahlen mit den Ergebnissen der Studie <strong>von</strong> BERNDT et al. im<br />
Vorfeld zur Marktliberalisierung, laut der über 50% der befragten EVU das buchhalterische<br />
Unbundling im Jahr 2007 noch nicht vollzogen hatten, scheint dieser Rückstand<br />
inzwischen grossmehrheitlich aufgeholt zu sein. 847<br />
Buchhalterisches Unbundling<br />
Informatorisches Unbundling<br />
Organisatorisches Unbundling<br />
Rechtliches Unbundling<br />
Kein Unbundling<br />
0.9%<br />
5.3%<br />
Abbildung 6-14: Umsetzungsgrad der Unbundlingformen (n=113)<br />
846<br />
Vgl. Kapitel 2.2.4 hiervor.<br />
847<br />
Vgl. etwa BERNDT et al. (2007), S. 6.<br />
18.6%<br />
15.9%<br />
95.6%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Häufigkeit in %
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 227<br />
Die freiwilligen Unbundling-Formen des organisatorischen und des rechtlichen Un-<br />
bundling wurden lediglich <strong>von</strong> wenigen <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> umgesetzt. Bemer-<br />
kenswert ist dabei, dass das gesetzlich vorgeschriebene informatorische Unbundling<br />
(21) das freiwillige organisatorische Unbundling (18) nur gerade um drei Nennungen<br />
übertrifft. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die Umsetzung des informatori-<br />
schen Unbundling im Vergleich zum organisatorischen Unbundling nicht als weniger<br />
tiefgreifend empfunden wird. 848 So haben zwölf Stromverteilnetzbetreiber, die das in-<br />
formatorische Unbundling umgesetzt haben, auch angegeben, ihre Organisation des<br />
Netzbereichs <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeiten getrennt zu haben. Was die übrigen Gesellschaften<br />
betrifft, dürfte deren Zurückhaltung auf Umsetzungsfragen und auf die fehlende<br />
Konkretisierung des informatorischen Unbundling zurückzuführen sein.<br />
Die Auswertung nach Grössenklassen zeigt, dass insbesondere die Betreiber grosser<br />
Verteilnetzsegmente angaben, das informatorische und das organisatorische Unbundling<br />
umgesetzt zu haben. 849 In kleinen Verhältnissen ist deren Umsetzbarkeit fraglich.<br />
Häufigkeit in %<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
94.8%<br />
100.0%<br />
81.8%<br />
100.0%<br />
Buchhalterisches<br />
Unbundling<br />
5.2%<br />
24.2%<br />
18.2%<br />
Abbildung 6-15: Umgesetzte Unbundlingformen nach Grössenklassen (n=113) 850<br />
72.7%<br />
Informatorisches<br />
Unbundling<br />
848<br />
So auch die Erfahrungen in Deutschland: vgl. Kapitel 2.2.4. Statistisch lässt sich dieser Zusammenhang<br />
anhand der vorliegenden Stichprobe nicht nachweisen, da für die Anwendung des Chi-<br />
Quadrat-Unabhängigkeitstest zwischen zwei kategorialen Merkmalen in Bezug auf diese Unbundling-Formen<br />
zu wenig Daten vorliegen.<br />
849<br />
Der Zusammenhang zwischen Segmentgrösse (gemessen am Netznutzungsertrag) und dem informatorischen<br />
und organisatorischen Unbundling ist gemäss U-Tests statistisch höchst signifikant<br />
(p
228 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Gesamthaft haben sechs Stromverteilnetzbetreiber angegeben, ein rechtliches Unbundling<br />
vollzogen zu haben. Diese Unternehmen wurden in Bezug auf die Umsetzung des<br />
buchhalterischen Unbundling nicht weiter befragt, da die gesellschaftsrechtliche Trennung<br />
per Gesetz eine komplette Trennung der Buchhaltung nach sich zieht. 851<br />
6.3.2 Zukünftige Unbundling-Massnahmen<br />
Die einzelnen Stromverteilnetzbetreiber wurden – in Abhängigkeit der <strong>von</strong> ihnen bereits<br />
umgesetzten Formen des Unbundling – nach ihrer Einschätzung weitergehender<br />
freiwilliger Unbundling-Massnahmen befragt. Im Fall <strong>von</strong> unselbstständigen Gemeindebetrieben<br />
wurde zudem auch die Frage gestellt, wie neben dem Unbundling des<br />
Netzbetriebs auch eine rechtliche Entflechtung des Gesamtbetriebs <strong>von</strong> der Gemeinde<br />
durch eine Ausgliederung in eine öffentlich-rechtlich selbstständige Anstalt oder eine<br />
privatrechtliche Rechtsform beurteilt werde. Der zeitliche Bezug der Frage wurde auf<br />
kurz- bis mittelfristig (1 - 3 Jahre) eingegrenzt.<br />
Organisatorisch (Netz)<br />
(n=73)<br />
Rechtlich (Netz)<br />
(n=79)<br />
Eigentumsmässig (Netz)<br />
(n=82)<br />
Ausgliederung aus<br />
Gemeinde (Gesamtbetrieb)<br />
(n=27)<br />
1<br />
3<br />
5<br />
2<br />
4<br />
8<br />
5<br />
7<br />
Abbildung 6-16: Beurteilung weitergehender Unbundling-Massnahmen<br />
5<br />
11<br />
Im Schnitt wird die kurz- bis mittelfristige Umsetzung aller über die gesetzlichen Anforderungen<br />
hinausgehenden Formen des Unbundling als unwahrscheinlich beurteilt.<br />
Dennoch werden in Bezug auf das Unbundling des Netzbetriebs das organisatorische<br />
850<br />
Die dargestellten Anteile in Prozent beziehen sich auf die jeweilige Summe an Betrieben pro<br />
Grössenklasse: Mikro n=58; Klein n=33; Mittel n=11; Gross n=11.<br />
851<br />
Drei der sechs Gesellschaften bejahten parallel zum rechtlichen Unbundling auch die Umsetzung<br />
des buchhalterischen Unbundling. Vgl. zur Relevanz des buchhalterischen Unbundling bei der<br />
gesellschaftsrechtlichen Trennung auch Fussnote 286.<br />
38<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Häufigkeit<br />
In Vorbereitung Wahrscheinliche Option Zu prüfende Option Unwahrscheinlich Ausgeschlossen<br />
39<br />
35<br />
16<br />
35<br />
26<br />
17<br />
4
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 229<br />
Unbundling <strong>von</strong> 28.8%, das rechtliche Unbundling <strong>von</strong> 17.7% und das eigentumsmäs-<br />
sige Unbundling – das heisst, der Verkauf des Netzes – <strong>von</strong> 11% der befragten Netz-<br />
betreiber nicht als unwahrscheinlich oder ausgeschlossen abgelehnt. Rund ein Viertel<br />
der 27 unselbstständigen Gemeindewerke, die diese Frage beantworteten, erachten die<br />
Entflechtung <strong>von</strong> der Gemeinde durch eine rechtliche Ausgliederung kurz- bis mittelfristig<br />
als wahrscheinlich oder prüfenswert. Mehrheitlich wird aber auch diese spezifische<br />
Form des Unbundling des Gesamtbetriebs kurz- bis mittelfristig abgelehnt.<br />
6.3.3 Umsetzung des buchhalterischen Unbundling<br />
Gemäss den oben stehenden Resultaten haben praktisch alle Stromverteilnetzbetreiber<br />
nach eigenen Angaben das buchhalterische Unbundling per 1. Januar 2009 umgesetzt.<br />
Im Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit steht nachfolgend die Auswertung der<br />
vertieften Fragen zur Umsetzung, welche die Anwendung der Segmentierungsverfahren<br />
sowie den Umgang mit nicht direkt dem Segment Netz zuordenbaren Positionen<br />
der Erfolgsrechnung und der Bilanz erheben.<br />
a) Segmentierungsverfahren<br />
Die Frage der Segmentierung der Jahresrechnung als Basis für den Ausweis einer<br />
Segmentrechnung Netz wurde für die Komponenten Erfolgsrechnung und Bilanz durch<br />
separate Antwortmöglichkeiten differenziert. Da auch Mischformen mehrerer Methoden<br />
möglich sind, wurde die Frage auf die Hauptmethode zur Zuweisung der direkt<br />
zuordenbaren Positionen eingeschränkt. Zur Frage der Segmentierung der Erfolgsrechnung<br />
haben 99 Stromverteilnetzbetreiber explizit Stellung genommen. Nur in drei<br />
Fällen wurde die Frage zwar eingeblendet, aber nicht beantwortet. 852 Demgegenüber<br />
beläuft sich der Item-Nonresponse bei der Bilanz auf 30 Fälle, so dass nur 72 Stromverteilnetzbetreiber<br />
eine explizite Antwort zur Segmentierung der Bilanz gegeben haben.<br />
Es ist zu vermuten, dass die hohen Anforderungen der bilanziellen Segmentierung<br />
bzw. die damit verbundenen Umsetzungsschwierigkeiten einen wesentlichen Teil dieser<br />
fehlenden Antworten begründen. 853 Zudem könnte das bilanzielle Unbundling aufgrund<br />
der fehlenden Unmittelbarkeit für viele Unternehmen – trotz der Notwendigkeit<br />
einer Erstsegmentierung – noch keine Priorität gehabt haben.<br />
852<br />
Die übrigen elf Antwortenden haben die Befragung entweder abgebrochen oder sind aufgrund<br />
ihrer vorherigen Angaben gar nicht zu dieser Frage geführt worden.<br />
853<br />
Zur Erst- bzw. Folgesegmentierung der Bilanz: vgl. Kapitel 4.1.6 bzw. 4.1.8.
230 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Keine Antwort<br />
3%<br />
Unbundling ER<br />
97%<br />
Abbildung 6-17: Unbundling <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz (n=102)<br />
Werden sämtliche 102 Betriebe bezüglich des Unbundling beider Teilrechnungen aus-<br />
gewertet, wird deutlich, dass 97.1% der Betriebe das buchhalterische Unbundling der<br />
Erfolgsrechnung vollziehen, wobei verschiedene Segmentierungsverfahren zur An-<br />
wendung gelangen. Demgegenüber gaben nur 62.7% der befragten Betriebe an, auch<br />
ihre Bilanz buchhalterisch zu entflechten.<br />
Keine Trennung<br />
Rein statistische Zuteilung<br />
Basis Betriebsbuchhaltung:<br />
Kostenrechnung<br />
Basis Finanzbuchhaltung:<br />
Zusatzkontierung<br />
Basis Finanzbuchhaltung:<br />
Separate Konten<br />
Basis Finanzbuchhaltung:<br />
Getrennte Finanzbuchhaltung<br />
1<br />
2<br />
4<br />
4<br />
5<br />
8<br />
Keine Antwort<br />
29%<br />
Kein Unbundling Bilanz<br />
8%<br />
Unbundling Bilanz<br />
63%<br />
Abbildung 6-18: Segmentierungsverfahren <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz (Hauptmethode)<br />
16<br />
16<br />
19<br />
20<br />
24<br />
0 10 20 30 40 50 60<br />
Häufigkeit<br />
Erfolgsrechnung (n=99) Bilanz (n=72)<br />
52
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 231<br />
Die Auswertung zeigt, dass die Segmentierung der Erfolgsrechnung vorwiegend über<br />
die für die Tarifkalkulation bereits vorhandene Kostenrechnung erfolgt (52.5%). 19<br />
Stromverteilnetzbetreiber gaben an, auch das bilanzielle Unbundling über die segmen-<br />
tierte Kostenrechnung umzusetzen. 854 Im Gegensatz zum Befund bei der Erfolgsrech-<br />
nung wird diese Methode für die Segmentierung der Bilanz nicht öfter angewendet als<br />
andere Verfahren. Die Segmentierung der Bilanz erfolgt nach Angaben der Unterneh-<br />
mensvertreter primär anhand dreier Methoden: der Kontentrennung, der Zusatzkontierung<br />
oder der angesprochenen Kostenrechnung. Eine rein statistische Aufteilung gaben<br />
in Bezug auf die Bilanz 6.9% der antwortenden Unternehmen an. 11.1% der auf diese<br />
Frage antwortenden Stromverteilnetzbetreiber verzichten gar vollständig auf eine<br />
Trennung der Bilanz. Beide Werte dürften vor dem Hintergrund der 30 offen gelassenen<br />
Antworten zur Bilanz in der Realität höher ausfallen, da diejenigen Netzbetreiber,<br />
welche sich bis anhin noch nicht vertieft mit dem bilanziellen Unbundling beschäftigt<br />
haben, ihre Segmentbilanz Netz für das laufende Geschäftsjahr nur noch weitgehend<br />
retrograd erstellen oder auf eine Segmentierung verzichten können. 855<br />
Nur bei der Hälfte der 72 für beide Teilrechnungen – Erfolgsrechnung und Bilanz –<br />
vollständigen Fälle wurde die gleiche Methodik für die Segmentierung angegeben.<br />
Wesentliche Abweichungen zwischen den Segmentierungsverfahren zeigten sich vor<br />
allem bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>, welche die Erfolgsrechnung über die Kostenrechnung<br />
entflechten. Von diesen 38 Unternehmen gaben 17 an, ihre Bilanz entweder<br />
durch eine Kontentrennung (6) oder eine Zusatzkontierung (5) im Rahmen der Finanzbuchhaltung<br />
zu segmentieren oder eine rein statistische bilanzielle Aufteilung Ende<br />
Geschäftsjahr vollziehen zu wollen (3). Drei Betriebe gaben an, die Bilanz gar nicht zu<br />
trennen.<br />
In Bezug auf die Grössenklassen zeigt sich, dass einzig bei den Betreibern kleinster<br />
Stromverteilnetzsegmente ein statistisch signifikant tieferer Anteil die Segmentierung<br />
über die Betriebsbuchhaltung vornimmt. 856 In dieser Grössenklasse wird diese Metho-<br />
854<br />
Möglich wird dies durch die Zuweisung <strong>von</strong> Bilanzpositionen zu Kostenstellen (insbesondere des<br />
Anlagevermögens über die Anlagebuchhaltung) oder zu entsprechenden Profit- und Cost-<br />
Centern. Vgl. dazu Kapitel 4.1.4.<br />
855<br />
Der Anteil <strong>von</strong> Betreibern mit kleinsten und kleinen Verteilnetzsegmenten an diesen 30 Nichtantwortenden<br />
ist mit 92.6% nur leicht überdurchschnittlich und gemäss Chi-Quadrat-<br />
Unabhängigkeitstest nicht signifikant <strong>von</strong> mittleren und grösseren Betrieben verschieden.<br />
856 Es führen nur 35.8% der Fälle in der Grössenklasse Mikro eine Segmentierung der Erfolgsrechnung<br />
basierend auf der Kostenrechnung durch. Bei den übrigen Grössenklassen liegt dieser Anteil<br />
jeweils bei über 66.7%. Statistisch ist dieser Unterschied gemäss U-Test signifikant (p
232 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
de nur knapp häufiger (19) als die finanzbuchhalterische Kontentrennung bzw. die Zu-<br />
satzkontierung genannt (17 bzw. 13). Dies dürfte damit zusammenhängen, dass in<br />
kleinen Verhältnissen eine Kontentrennung bzw. eine Zusatzkontierung in der Finanz-<br />
buchhaltung relativ einfach und überschaubar möglich ist. Demgegenüber ist die Kon-<br />
tentrennung ab einer gewissen Betriebsgrösse aufgrund der enormen Ausweitung des<br />
Kontenplans nicht mehr empfehlenswert. 857 Dieser Sachverhalt ist bei der Klassierung<br />
nach Rechtsformen insbesondere bei öffentlich-rechtlichen unselbstständigen Betrie-<br />
ben wiederholt zu beobachten. 858 Diese machen 70.8% aller befragten Stromverteil-<br />
netzbetreiber aus, welche in der Erfolgsrechnung eine Kontentrennung vollziehen.<br />
Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass die verschiedenen Aktivitäten eines un-<br />
selbstständigen Gemeindewerkes <strong>unter</strong> der harmonisierten Kontierung <strong>von</strong> HRM in<br />
Form <strong>von</strong> Erfolgsrechnungen einzelner Dienststellen separat geführt und entsprechend<br />
kontiert werden. 859 Daher ist die Aussage zulässig, dass insbesondere kleinste, öffentlich-rechtlich<br />
unselbstständige Stromverteilnetzbetreiber <strong>unter</strong> HRM als Segmentierungsverfahren<br />
der Erfolgsrechnung die Kontentrennung oder die Zusatzkontierung<br />
verwenden.<br />
Im Übrigen bestehen zwischen den Segmentierungsverfahren und den Strukturdaten<br />
keine statistisch signifikanten Zusammenhänge. Beachtenswert ist, dass trotz der fehlenden<br />
rechtlicher Eigenständigkeit in der Stichprobe anteilsmässig nicht signifikant<br />
mehr unselbstständige Gemeinde- und Stadtwerke <strong>von</strong> einem bilanziellen Unbundling<br />
absehen als bei anderen Rechtsformen. 860 Somit ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die buchhalterische<br />
Eigenständigkeit bei öffentlich-rechtlichen <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> –<br />
und damit die Grundvoraussetzung für ein buchhalterisches Unbundling zwischen den<br />
Segmenten – trotz fehlender rechtlicher Eigenständigkeit nicht nur möglich, sondern<br />
sogar verbreitet ist. 861<br />
857<br />
Vgl. dazu Kapitel 4.1.3. In der Stichprobe gaben ein grosser und zwei mittlere Stromverteilnetzbetreiber<br />
an, diesen Weg trotz der entsprechenden Komplexität zu verfolgen.<br />
858<br />
Statistisch ist dieser Unterschied gemäss Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest jedoch nur kapp signifikant<br />
(p
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 233<br />
b) Umgang mit nicht direkt zuordenbaren Positionen<br />
Gemäss den Ausführungen in Kapitel 4.1 ist insbesondere der Umgang mit nicht direkt<br />
dem Segment Netz oder den übrigen Tätigkeiten zuordenbaren Positionen der Erfolgsrechnung<br />
und der Bilanz bei der Umsetzung des buchhalterischen Unbundling relevant.<br />
In der Erhebung wurden die Stromverteilnetzbetreiber, welche die Umsetzung<br />
des buchhalterischen Unbundling bejahten, nach ihrer primären Methode zur Aufteilung<br />
solcher Positionen befragt. Dabei wurde zwischen der internen Leistungsverrechnung,<br />
der retrograden Schlüsselung <strong>von</strong> Bereichen oder Kontensalden beim Abschluss<br />
(etwa über Umlagen), der fortlaufenden manuellen Schlüsselung bei der Verbuchung<br />
und dem Verzicht auf die Aufteilung nicht direkt zuordenbarer Positionen <strong>unter</strong>schie-<br />
den. 862<br />
Keine Aufteilung<br />
Fortlaufende, manuelle<br />
Schlüsselung<br />
Schlüsselungen / Umlagen<br />
Interne<br />
Leistungsverrechnungen<br />
4<br />
8<br />
Abbildung 6-19: Aufteilungsverfahren bei nicht direkt zuordenbaren Positionen der Erfolgsrechnung<br />
und der Bilanz (Hauptmethode)<br />
862 Das Verfahren der internen Leistungsverrechnung sowie der fortlaufenden Schlüsselung auf getrennte<br />
Konten sind progressive Verfahren, welche sowohl bei der finanzbuchhalterischen als<br />
auch bei der betriebsbuchhalterischen Segmentierung zum Einsatz gelangen (vgl. Kapitel 4.1.3<br />
bzw. 4.1.4). Die Schlüsselung beim Abschluss kann grundsätzlich in Form <strong>von</strong> Umlagen bei der<br />
betriebsbuchhalterischen Segmentierung oder bei der Schlüsselung <strong>von</strong> Einzelpositionen der Finanzbuchhaltung<br />
beim statistischen Verfahren angewendet werden (vgl. Kapitel 4.1.5). Die einzelnen<br />
Segmentierungsverfahren schliessen somit die Anwendung verschiedener Verfahren im<br />
Umgang mit nicht direkt zuordenbaren Positionen nicht aus. Ungewöhnlich wäre aus theoretischer<br />
Sicht nur die Anwendung <strong>von</strong> internen Leistungsverrechnungsverfahren oder der fortlaufenden<br />
Schlüsselung bei der Verbuchung bei ausschliesslich statistischer Segmentierung. Dies<br />
wurde in der Stichprobe nur <strong>von</strong> 2 Unternehmen (2%) angegeben.<br />
16<br />
19<br />
0 5 10 15 20<br />
Häufigkeit<br />
25 30 35 40<br />
20<br />
21<br />
Erfolgsrechnung (n=97) Bilanz (n=64)<br />
35<br />
38
234 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Die Antworten zeigen, dass nur gerade vier Stromverteilnetzbetreiber in Bezug auf die<br />
nicht direkt zuordenbaren Positionen der Erfolgsrechnung und acht Betreiber in Bezug<br />
auf entsprechende Positionen der Bilanz auf eine Aufteilung zwischen dem Segment<br />
Netz und den übrigen Aktivitäten verzichten. Die überwiegende Mehrheit der auf diese<br />
Frage antwortenden Stromverteilnetzbetreiber strebt somit eine weitgehende Segmen-<br />
tierung <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz an.<br />
Als favorisierte Hauptmethoden zum Umgang mit nicht direkt zuordenbaren Positionen<br />
können in Bezug auf die Erfolgsrechnung die retrograden Schlüsselungen oder<br />
Umlagen (39.2%) sowie die interne Leistungsverrechnung (36.1%) identifiziert werden.<br />
Dabei kommt die interne Leistungsverrechnung bei Werken mit kleinsten Netzsegmenten<br />
<strong>unter</strong>durchschnittlich oft zum Einsatz. Hingegen sind die 20 Stromverteilnetzbetreiber,<br />
welche die weitgehende Segmentierung der Erfolgsrechnung durch direkte<br />
Schlüsselung bei der Verbuchung sicherstellen, ausschliesslich Netzbetreiber der<br />
Grössenklasse Mikro und Klein. Dieser signifikante Unterschied lässt sich mit dem<br />
relativ hohen Aufwand für interne Verrechnungssysteme und der bei kleinen Betrieben<br />
tiefen Buchungskomplexität – die eine laufende manuelle Schlüsselung erlaubt – be-<br />
gründen. 863<br />
In Bezug auf die Aufteilung <strong>von</strong> Bilanzpositionen fällt analog zur vorangehenden Frage<br />
wiederum auf, dass 33 Befragte sich nur zur Segmentierung der Erfolgsrechnung<br />
geäussert und die Antworten zur Bilanz offen gelassen haben. 864 Dies entspricht dem<br />
Ergebnis zum Verfahren der Bilanzsegmentierung gemäss Abschnitt a) hiervor. Von<br />
den 64 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>, welche auch zur Frage der Bilanz Stellung genommen<br />
haben, gaben 56 an, Bilanzpositionen entweder über interne Verrechnungen,<br />
Schlüsselungen oder über direkt geschlüsselte Kontierungen zu segmentieren.<br />
Vergleicht man die erfolgten Antworten zur Erfolgsrechnung und zur Bilanz, so zeigt<br />
sich, dass 46 <strong>von</strong> 64 Befragten, welche beide Teilfragen beantwortet haben, eine für<br />
beide Teilrechnungen konsistente Hauptmethode anwenden.<br />
863 Dieser Unterschied ist gemäss U-Test in Bezug auf die Erfolgsrechnung statistisch hoch signifikant<br />
(p
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 235<br />
6.4 Bewertung<br />
6.4.1 Rechnungslegungsvorschriften<br />
Für die Bewertung der einzelnen Positionen in der Segmentrechnung Netz sind – nach<br />
der Auslegung <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG in Kapitel 3.4.2 – im Grundsatz die für das<br />
Gesamt<strong>unter</strong>nehmen geltenden Rechnungslegungsvorschriften massgeblich. Die Be-<br />
fragung erhob daher, welche Rechnungslegungsvorschriften die Stromverteilnetz-<br />
betreiber für ihren Gesamtabschluss anwenden und welcher Rechnungslegungsstan-<br />
dard für ihre Segmentrechnung Netz massgeblich ist. Basierend auf den theoretischen<br />
Erkenntnissen in den Kapiteln 4.2 und 4.3 ist anzunehmen, dass der Rechnungsle-<br />
gungsstandard einen signifikanten Einfluss auf Bewertungsdifferenzen zwischen<br />
Buchwerten und kalkulatorischen Werten sowie auf die Offenlegung hat.<br />
a) Gesamtabschluss<br />
Beim Gesamtabschluss wurde also nach den Rechnungslegungsvorschriften gefragt,<br />
welche die Unternehmen für die finanzielle Berichterstattung an ihre Eigentümer verwenden.<br />
Für öffentlich-rechtliche Unternehmen, welche sich in ihrer eigenen Rechnung<br />
an privatrechtliche Rechnungslegungsgrundsätze halten, waren diese massgeblich<br />
– und nicht die Rechnungslegung der Gemeinde nach HRM. Im Fall der Anwendung<br />
und Einhaltung mehrerer Rechnungslegungsstandards war der wirtschaftlich aussagekräftigere<br />
Standard anzugeben. Die Rechnungslegung wurde getrennt nach Einzel-<br />
und – wo vorhanden – nach Konzernabschluss erhoben.<br />
Die Auswertung der angewendeten Rechnungslegungsvorschriften <strong>von</strong> 103 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
zeigt, dass bei einer knappen Mehrheit <strong>von</strong> 50.5% die Vorschriften<br />
des OR für die finanzielle Berichterstattung an die Eigentümer verwendet werden. 865<br />
39.8% der Stromverteilnetzbetreiber wenden stattdessen die öffentlich-rechtlichen<br />
Rechnungslegungsvorschriften an, wobei 3.9% da<strong>von</strong> darauf verwiesen, bereits das<br />
neue HRM II als Grundlage zu benutzen. Diese Auswertung bestätigt die Aussage in<br />
Kapitel 2.3, wonach für öffentlich-rechtliche Stromverteilnetzbetreiber das HRM II<br />
aufgrund <strong>von</strong> dessen Neuheit noch eine ungeordnete Rolle spielt und die IPSAS keine<br />
Relevanz haben.<br />
865 Wobei in der Befragung nicht zwischen den aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften<br />
gemäss Art. 662 - 671 OR und den kaufmännischen Buchführungsvorschriften gemäss Art. 957 -<br />
964 OR <strong>unter</strong>schieden wurde. Letztere sind für Genossenschaften relevant. Vgl. dazu Kapitel<br />
2.3.1.
236 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Nur gerade 9.7% der befragten Unternehmen erstellen ihren Einzelabschluss nach ei-<br />
nem wirtschaftlich aussagekräftigeren Rechnungslegungsstandard <strong>unter</strong> Einhaltung<br />
des Prinzips der Fair Presentation. Da<strong>von</strong> entfallen 5.8% oder sechs Gesellschaften<br />
auf IFRS und 3.9% oder vier Gesellschaften auf Swiss GAAP FER. 866 Damit ist es für<br />
90% der befragten Stromverteilnetzbetreiber grundsätzlich möglich, die Freiheitsgrade<br />
der Rechnungslegung nach OR oder nach HRM für bilanzpolitische Zwecke auf Stufe<br />
des Einzelabschlusses zu nutzen und entsprechende stille Reserven vorzutragen bzw.<br />
neu zu bilden.<br />
Swiss GAAP FER<br />
4%<br />
OR<br />
50%<br />
IFRS<br />
6%<br />
HRM II<br />
4%<br />
HRM I<br />
36%<br />
Abbildung 6-20: Rechnungslegungsvorschriften beim integrierten Einzelabschluss <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
(n=103)<br />
Erwartungsgemäss hängt die Rechnungslegung beim Einzelabschluss oft direkt mit<br />
den gesetzlichen Mindestanforderungen gemäss der Rechtsform des Unternehmens<br />
zusammen. So erstellen 64.5% der Aktiengesellschaften ihren Einzelabschluss zuhanden<br />
ihrer Eigentümer entlang der rechtlichen Vorgaben nach dem Aktienrecht, 88.9%<br />
der Genossenschaften nach den Vorschriften des OR und 72.1% der unselbstständigen<br />
Gemeinde- und Stadtwerke nach den Vorgaben <strong>von</strong> HRM I bzw. nach den entsprechenden<br />
kantonalen Vorgaben. Interessant ist jedoch die Feststellung, dass bei jeder<br />
Rechtsform im Minimum zwei <strong>unter</strong>schiedliche Rechnungslegungsvorschriften zu beobachten<br />
sind. So erstellen zehn unselbstständige und sechs selbstständige Gemeindeund<br />
Stadtwerke ihren Einzelabschluss nach den Vorgaben des OR, und eine öffentlichrechtliche<br />
Anstalt wendet Swiss GAAP FER an. Alle übrigen Anwender <strong>von</strong> Swiss<br />
GAAP FER und IFRS sind Aktiengesellschaften.<br />
866 Inwiefern diese Gesellschaften aufgrund der rechtlichen Anforderungen einen zusätzlichen Einzelabschluss<br />
nach gesetzlichen Vorgaben erstellen müssen, wurde nicht erhoben. Vgl. dazu auch<br />
Fussnote 113.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 237<br />
Von den 103 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> gaben 22 Betriebe (21.4%) an, einen konsoli-<br />
dierten Abschluss zu erstellen – dar<strong>unter</strong> 16 Aktiengesellschaften, eine Genossenschaft<br />
und fünf unselbstständige Gemeinde- und Stadtwerke. Da<strong>von</strong> wenden jedoch nur gerade<br />
vier Aktiengesellschaften mit mittleren und grossen Verteilnetzsegmenten für den<br />
konsolidierten Abschluss anstelle des Obligationenrechts Swiss GAAP FER (1) bzw.<br />
IFRS (3) an. Bei den übrigen 18 Gesellschaften erfolgt die Konsolidierung im Rahmen<br />
der für den Einzelabschluss relevanten gesetzlichen Vorschriften. Werden diese Standards<br />
auf Ebene des Konzernabschlusses mitberücksichtigt, verschieben sich die in<br />
Abbildung 6-20 dargestellten Anteile <strong>von</strong> Swiss GAAP FER bzw. IFRS zulasten <strong>von</strong><br />
OR auf 4.9% bzw. auf 8.7%. Mit total 13.6% bleibt der Anteil an <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>,<br />
welche einen wirtschaftlich aussagekräftigen Rechnungslegungsstandard<br />
anwenden, verhältnismässig tief.<br />
OR<br />
HRM I + II<br />
FER<br />
IFRS<br />
1<br />
2<br />
20<br />
1<br />
Abbildung 6-21: Rechnungslegungsstandards nach Grössenklassen (n=103)<br />
32<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50%<br />
Häufigkeit<br />
60% 70% 80% 90% 100%<br />
Die Anwender <strong>von</strong> IFRS sind erwartungsgemäss nur grössere EVU mit mittleren und<br />
grossen Verteilnetzbereichen. Demgegenüber verteilen sich die fünf Swiss GAAP<br />
FER-Anwender über sämtliche Grössenklassen. Von den elf <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
mit grossen Netzsegmenten mit über CHF 50 Mio. Netznutzungsertrag wenden<br />
sieben Gesellschaften IFRS und eine Gesellschaft Swiss GAAP FER entweder im Einzel-<br />
oder im Konzernabschluss an und verfügen somit über betriebswirtschaftlich aussagekräftige<br />
Buchwerte für die Aufbereitung einer Segmentrechnung Netz.<br />
Sowohl bei HRM wie auch bei OR überwiegen EVU mit kleinsten oder kleinen Verteilnetzen.<br />
Nach HRM I legen jedoch immerhin zwei Stromverteilnetzbetreiber mit je<br />
2<br />
7<br />
18<br />
Mikro Klein Mittel Gross<br />
10<br />
1<br />
6<br />
1<br />
2
238 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
über 500 Vollzeitstellen ihre Rechnung ab. Die grösste rein nach dem OR bilanzieren-<br />
de Gesellschaft weist 150 Vollzeitstellen aus. Diese Grössen<strong>unter</strong>schiede führen zu<br />
folgenden Medianwerten pro Rechnungslegungsstandard:<br />
MEDIAN-WERTE OR (44) HRM I+II (41) FER (5) IFRS (8)<br />
Vollzeitstellen Gesamtbetrieb 3.5 4.0 220.0 780.0<br />
Vollzeitstellen Segment Netz 1.5 4.0 50.0 320.0<br />
Ausspeisemengen in GWh 16.0 31.5 523.0 3'678.0<br />
Netznutzungsertrag in Mio. CHF 1.0 2.6 23.2 210.3<br />
Tabelle 6-6: Grössenmerkmale nach Rechnungslegungsstandards (n=98)<br />
Die Grössen<strong>unter</strong>schiede nach Rechnungslegungsstandards lassen sich zwischen OR /<br />
HRM und FER / IFRS auch statistisch über entsprechende Ranganalysen signifikant<br />
bestätigen. 867<br />
b) Segmentrechnung Netz<br />
Für die Segmentrechnung Netz bilden die im Unternehmen angewendeten Rechnungs-<br />
legungsstandards die Ausgangslage. Falls die Stromverteilnetzbetreiber nach Vorgabe<br />
<strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG die Massgeblichkeit der Rechnungslegungsvorschriften<br />
auf Ebene des Gesamtabschlusses bejahen, ist eine hohe Übereinstimmung zwischen<br />
den Rechnungslegungsstandards des Einzel- bzw. des Konzernabschlusses und der für<br />
die Segmentrechnung Netz geltenden Vorschriften zu erwarten.<br />
98 Stromverteilnetzbetreiber nahmen zur Rechnungslegung der Segmentrechnung Netz<br />
Stellung; da<strong>von</strong> bezeichneten 94 Betriebe einen Rechnungslegungsstandard als massgeblich<br />
für ihre Segmentrechnung. Lediglich vier Unternehmen gaben an, ihre Segmentrechnung<br />
basierend auf anderen Grundlagen ausweisen zu wollen. 868<br />
867<br />
H-Test, p
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 239<br />
Swiss GAAP FER<br />
2%<br />
OR<br />
48%<br />
Abbildung 6-22: Rechnungslegungsstandards der Segmentrechnung Netz (n=98)<br />
48% der Stromverteilnetzbetreiber gaben an, ihre Segmentrechnung Netz nach den für<br />
sie relevanten Mindestvorgaben des Obligationenrechts erstellen zu wollen. Von diesen<br />
47 Unternehmen basieren 44 auch in ihrer sonstigen Finanzberichterstattung auf den<br />
Vorgaben nach OR (93.6%). Zwei Unternehmen gaben demgegenüber an, dass sie pla-<br />
nen, die Segmentrechnung Netz trotz Verfügbarkeit <strong>von</strong> Swiss GAAP FER nach OR<br />
auszuweisen. Ein Gemeindewerk will demgegenüber die Segmentrechnung Netz nach<br />
den privatrechtlichen Vorgaben des OR anstatt nach dem HRM erstellen; ein weiteres<br />
gibt sogar an, statt HRM für die Segmentrechnung Swiss GAAP FER einhalten zu<br />
wollen. Sämtliche übrigen 39 HRM-Anwender beabsichtigen hingegen keine Angleichung<br />
ihrer Segmentrechnung Netz an privatrechtliche Vorschriften, sondern erstellen<br />
diese analog zum Gesamtabschluss. 869 Von den acht befragten IFRS-Anwendern wollen<br />
sechs Unternehmen auch ihre Segmentrechnung Netz auf dieser Grundlage erstellen.<br />
Zwei Gesellschaften sehen eine andere, nicht weiter spezifizierte Grundlage vor.<br />
Gesamthaft planen somit 91.8% der 98 Stromverteilnetzbetreiber, ihre Segmentrechnung<br />
Netz analog zu der <strong>von</strong> ihnen bereits im Unternehmen für die finanzielle Berichterstattung<br />
zuhanden der Eigentümer eingesetzten Rechnungslegung zu erstellen.<br />
6.4.2 Bewertungsdifferenzen<br />
IFRS<br />
6%<br />
Anders<br />
4%<br />
HRM II<br />
4%<br />
HRM I<br />
36%<br />
Im Kapitel 4.2 wurde – in Bezug auf das für Stromverteilnetzbetreiber wesentliche<br />
Anlagevermögen – die Thematik der Bewertungsdifferenzen zwischen ausgewiesenen<br />
869 Ein Unternehmen gab an, anstelle des bisherigen HRM I-Standards für die Segmentrechnung<br />
Netz bereits das HRM II einsetzen zu wollen.
240 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Buchwerten 870 und den kalkulatorischen Werten nach den Vorgaben <strong>von</strong> StromVG und<br />
StromVV detailliert beschrieben und illustriert. Zur empirischen Validierung dieser<br />
Thematik wurden die Stromverteilnetzbetreiber vorerst nach der Existenz <strong>von</strong> Bewer-<br />
tungsdifferenzen – zwischen den im Abschluss ausgewiesenen Buchwerten und den<br />
für die Netznutzungstarifkalkulation verwendeten, kalkulatorischen Werten – im Anlagevermögen<br />
befragt. Diejenigen Netzbetreiber, welche über wesentliche Differenzen,<br />
und somit über stille Reserven im wesentlichen Umfang verfügen, wurden anschliessend<br />
zum Umgang mit diesen Differenzen befragt. 871<br />
a) Existenz <strong>von</strong> Bewertungsdifferenzen zwischen Abschluss und Kalkulation<br />
Von 92 antwortenden <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> gaben 52 oder 56.5% an, zwischen<br />
ihren im Abschluss ausgewiesenen Buchwerten und den kalkulatorischen Anlagewerten<br />
wesentliche Bewertungsdifferenzen <strong>von</strong> mehr als 10% vorzutragen. Da Bewertungsdifferenzen<br />
aus Überbewertungen der Buchwerte im Vergleich zu den kalkulatorischen<br />
Bewertungen zwar nicht auszuschliessen sind, doch gemäss den Erläuterungen<br />
in Kapitel 4.2.2c) aufgrund der relevanten Rechnungslegungsvorschriften Ausnahmen<br />
darstellen dürften – aufgrund des Niederstwertprinzip wäre eine Wertberichtigung der<br />
Buchwerte zwingend –, wird der überwiegende Anteil der ausgewiesenen Bewertungsdifferenzen<br />
auf Unterbewertungen der Buchwerte, und damit auf wesentliche<br />
stille Reserven auf Netzanlagen zurückzuführen sein. Entsprechend ist die Aussagekraft<br />
der Buchwerte bei der Mehrheit der Stromverteilnetzbetreiber eingeschränkt. Da<br />
nicht explizit nach der Existenz <strong>von</strong> stillen Reserven gefragt wurde, sondern nur nach<br />
Differenzen zwischen den für die Kalkulation eingesetzten Werten und den Buchwerten,<br />
ist nicht auszuschliessen, dass sich die Quote in Bezug auf stille Reserven noch<br />
erhöht. Dies wäre bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> der Fall, die – entgegen den Branchenempfehlungen<br />
– ihr Verteilnetz für die Kalkulation nicht betriebswirtschaftlich<br />
bewertet, sondern trotz stiller Reserven rein auf Buchwerten abgestützt haben. 872<br />
870<br />
Bei mehreren Buchwerten (zum Beispiel einmal nach OR und einmal nach IFRS) bezog sich die<br />
Frage auf den wirtschaftlich aussagekräftigeren Wert (im Beispiel auf den IFRS-Wert).<br />
871<br />
Die Wesentlichkeitsgrenze wurde bei einem Bewertungs<strong>unter</strong>schied <strong>von</strong> über 10% vorgegeben.<br />
872<br />
Dies dürfte jedoch im Fall <strong>von</strong> wesentlichen Bewertungsdifferenzen nur selten der Fall sein, da<br />
die Refinanzierungsfähigkeit eines Netzbetreibers dadurch eingeschränkt würde. Inwiefern demgegenüber<br />
aufgrund <strong>von</strong> Preisüberlegungen im Rahmen der Kalkulation volle oder reduzierte<br />
kalkulatorische Kapitalkosten angesetzt wurden, wird damit nicht beurteilt.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 241<br />
HRM I<br />
HRM II<br />
OR<br />
Swiss GAAP FER<br />
IFRS<br />
1<br />
2<br />
2<br />
25<br />
22<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50%<br />
Häufigkeit<br />
60% 70% 80% 90% 100%<br />
Wesentliche Differenzen Keine oder unwesentliche Differenzen<br />
Abbildung 6-23: Bewertungsdifferenzen zwischen Buchwerten und kalkulatorischen Werten im<br />
Anlagevermögen nach Rechnungslegungsstandards (n=92)<br />
Da die Buchwerte des Anlagevermögens <strong>von</strong> den jeweiligen Bewertungsvorgaben der<br />
Rechnungslegungsstandards abhängig sind, ist ein Zusammenhang zwischen den Be-<br />
wertungsdifferenzen und den verwendeten Rechnungslegungsvorschriften zu erwarten.<br />
In Kapitel 4.2.2 wurde aufgrund des Vergleichs der Vorgaben und der Freiheitsgrade<br />
der einzelnen Rechnungslegungsstandards mit den kalkulatorischen Vorgaben zur Be-<br />
wertung gemäss StromVG und StromVV festgehalten, dass wesentliche Bewertungs-<br />
differenzen überwiegend bei einer Rechnungslegung nach HRM oder OR bestehen<br />
dürften, da diese – im Gegensatz zu Swiss GAAP FER oder IFRS – die Bildung stiller<br />
Reserven, etwa durch Überabschreibungen, explizit zulassen. Die Auswertung nach<br />
den Rechnungslegungsstandards 873 in Abbildung 6-23 zeigt jedoch, dass offenbar<br />
selbst bei Buchwerten nach Swiss GAAP FER und IFRS, die beide eine lineare Ab-<br />
schreibung der historischen Anschaffungs- bzw. Herstellkosten als Standardverfahren<br />
für Netzanlagen vorgeben, wesentliche Differenzen zu den kalkulatorischen Netzbewertungen<br />
nach dem historischen Anschaffungswertprinzip bestehen. Ein Drittel der<br />
Unternehmen, welche mit Swiss GAAP FER oder IFRS einen Standard nach dem<br />
Prinzip der Fair Presentation anwenden, beziffert die Bewertungs<strong>unter</strong>schiede mit<br />
über 10%, und damit als wesentlich. Dies ist im Verhältnis zu den OR-Anwendern mit<br />
873 Dabei wird im Fall der Anwendung mehrerer Standards (Einzel- und Konzernabschluss) der wirtschaftlich<br />
aussagekräftigere Standard für die Auswertung verwendet.<br />
3<br />
6<br />
2<br />
17<br />
12
242 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
einem Anteil wesentlicher Bewertungsdifferenzen <strong>von</strong> 59.5% bzw. im Verhältnis zu<br />
den HRM I-Anwendern mit einem Anteil wesentlicher Bewertungsdifferenzen <strong>von</strong><br />
64.7% zwar weniger, jedoch ist der Unterschied statistisch nicht signifikant. 874<br />
Die basierend auf der Theorie gebildete Erwartung wesentlicher Bewertungs<strong>unter</strong>schiede<br />
bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>, welche nach OR oder HRM bilanzieren, kann<br />
somit bestätigt werden. Jedoch ist entgegen der Erwartung bei Anwendung <strong>von</strong> Swiss<br />
GAAP FER oder IFRS nicht da<strong>von</strong> auszugehen, dass in diesen Fällen signifikant weniger<br />
Bewertungsdifferenzen bestehen.<br />
Mikro<br />
Klein<br />
Mittel<br />
Gross<br />
2<br />
5<br />
23<br />
22<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Häufigkeit<br />
Wesentliche Differenzen Keine oder unwesentliche Differenzen<br />
Abbildung 6-24: Bewertungsdifferenzen zwischen Buchwerten und kalkulatorischen Werten im<br />
Anlagevermögen nach Netzgrösse (n=92)<br />
Ähnlich stellt sich die Situation auch in Bezug auf die Netzsegmentgrössen dar. Wesentliche<br />
Bewertungs<strong>unter</strong>schiede sind nicht nur bei kleinsten und kleinen, sondern<br />
auch bei mittleren und grossen Verteilnetzsegmenten vorhanden. Nach den Grössenklassen<br />
weist die Gruppe kleiner Netzsegmente mit 81.5% den höchsten Anteil an wesentlichen<br />
Bewertungsdifferenzen auf. Aufgrund der gebildeten Klassen lassen sich in<br />
Bezug auf die Rangfolge und -korrelation keine signifikanten Unterschiede zwischen<br />
dem jeweiligen Netznutzungsertrag und den Bewertungsdifferenzen nachweisen. 875<br />
874<br />
Gemäss Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest, wobei die Rechnungslegungsstandards HRM I und II<br />
sowie FER und IFRS zur Erreichung der nötigen Häufigkeiten zu je einer Klasse zusammengefasst<br />
wurden. Das Testergebnis ist auch bei der Untersuchung zwischen den Gruppen OR/HRM<br />
und FER/IFRS nicht signifikant.<br />
875<br />
Nicht signifikante H- und U-Tests nach Netznutzungsentgelten bzw. eine nicht signifikante Rangkorrelation<br />
nach SPEARMAN (r=0.055).<br />
5<br />
6<br />
24<br />
5
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 243<br />
b) Umgang mit wesentlichen Bewertungsdifferenzen<br />
Für die knappe Mehrheit <strong>von</strong> 52 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> stellt sich Frage nach dem<br />
Umgang mit den wesentlichen Bewertungsdifferenzen im Netz. 50 Unternehmensver-<br />
treter haben in der Befragung darauf geantwortet, indem sie sich zwischen einer kurz-<br />
fristigen Angleichung der Anlagenrestwerte über eine Aufwertung, eine mittel- bis<br />
langfristige Angleichung über eine Anpassung der Aktivierungs- und Abschreibungspolitik<br />
oder für keine Angleichung aussprechen konnten. 876<br />
Keine Angleichung<br />
52%<br />
Abbildung 6-25: Umgang mit wesentlichen Bewertungsdifferenzen (n=50)<br />
Eine knappe Mehrheit der betroffenen Stromverteilnetzbetreiber sprach sich gegen<br />
jegliche Angleichung der Buchwerte an die kalkulatorischen Werte aus. Weitere 38%<br />
der Befragten planen eine mittel- bis langfristige Angleichung ihrer Buchwerte durch<br />
Anpassung ihrer Aktivierungs- und Abschreibungspolitik. Diese 19 Betriebe dürften<br />
im Rahmen der Segmentrechnung Netz beim Ausweis der Buchwerte mit dem Problem<br />
verzerrter Renditen auf dem investierten Kapital konfrontiert werden, da sie zur Angleichung<br />
auf Überabschreibungen auf Neuinvestitionen verzichten müssen und<br />
gleichzeitig nur noch begrenzte Abschreibungen auf den bestehenden Buchwerte vornehmen<br />
können. 877<br />
Fünf Stromverteilnetzbetreiber oder 10% der Betreiber mit wesentlichen Differenzen<br />
planen eine kurzfristige Angleichung der Buchwerte durch eine Aufwertung auf betriebswirtschaftliche<br />
Werte. Im Vergleich zur gesamten Stichprobengrösse zu diesem<br />
Fragenkomplex <strong>von</strong> 92 Betrieben entspricht dies lediglich 5.4%. Vor dem Hintergrund<br />
876 Vgl. zu diesen und weiteren Handlungsoptionen bei Bewertungsdifferenzen Kapitel 4.2.2d).<br />
877 Vgl. dazu das Rechenbeispiel in Kapitel 4.2.2d).<br />
Kurzfristige Angleichung<br />
(Aufwertung)<br />
10%<br />
Mittel- bis langfristige<br />
Angleichung<br />
38%
244 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
der rechtlichen Einschränkungen für solche Aufwertungen ist dieser relativ tiefe Anteil<br />
erklärbar. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass alle fünf Stromverteilnetzbetreiber<br />
(vier Aktiengesellschaft und eine unselbstständige Anstalt) ihre Rechnungen nach OR<br />
abschliessen. Aufgrund der nach Art. 670 OR bestehenden Beschränkung <strong>von</strong> Aufwer-<br />
tungen für Aktiengesellschaften dürfte eine Aufwertung für diese Betriebe grundsätz-<br />
lich nur über den Weg einer Ausgliederung oder über den entsprechenden Wechsel der<br />
Rechnungslegungsnorm, etwa auf Swiss GAAP FER, möglich werden.<br />
6.4.3 Wertbasis für Segmentrechnung Netz<br />
Gemäss dem Massgeblichkeitsprinzip der Rechnungslegungsvorschriften für die Seg-<br />
mentrechnung Netz, welches gemäss den oben dargestellten Ergebnissen zur Rech-<br />
nungslegung grossmehrheitlich auch <strong>von</strong> den <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> anerkannt<br />
wird, 878 sind – trotz wesentlicher Bewertungsdifferenzen bei der Mehrheit der Betriebe<br />
– die Buchwerte als Wertbasis der Segmentrechnung nach Vorgabe <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1<br />
StromVG zu erwarten, und nicht die kalkulatorischen Anlagewerte. Mit einem Anteil<br />
<strong>von</strong> 55.7% <strong>von</strong> 88 dazu befragten Betrieben weist das empirische Ergebnis jedoch<br />
darauf hin, dass die Mehrheit der Stromverteilnetzbetreiber trotz der Massgeblichkeit<br />
des jeweiligen Rechnungslegungsstandards plant, anstelle der Buchwerte die kalkulatorischen<br />
Anlagewerte in der Segmentrechnung Netz auszuweisen.<br />
Die Auswertung aufgrund der Wesentlichkeit der Bewertungsdifferenzen zeigt in der<br />
Tendenz an, dass mit zunehmenden Bewertungsdifferenzen ein grösserer Anteil an<br />
Unternehmen anstelle der verzerrten Buchwerte die aussagekräftigeren kalkulatorischen<br />
Werte ausweisen wollen. 879 Bei den elf Betrieben ohne Bewertungsdifferenzen<br />
ist der Ausweis <strong>von</strong> Buchwerten oder kalkulatorischen Werten unerheblich, da sich<br />
diese zum Zeitpunkt der Befragung entsprachen. Da jedoch im Zeitverlauf Differenzen<br />
zwischen den Vorschriften der Rechnungslegung und der StromVV entstehen können,<br />
wurden diese Antworten dennoch mit einbezogen.<br />
878 Vgl. Kapitel 6.4.1 zur Massgeblichkeit und Anwendung <strong>von</strong> Rechnungslegungsvorschriften für<br />
die Segmentrechnung Netz. Nur vier Befragte gaben bei dieser Frage an, eine andere Grundlage<br />
verwenden zu wollen.<br />
879 Statistisch erweist sich dieser Zusammenhang gemäss Chi-Quadrat-Tests als nicht signifikant. An<br />
diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn die Kategorie "Keine Differenzen" aufgrund der<br />
Gleichgültigkeit beider Antworten zum Stichtag ausgeschlossen wird.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 245<br />
Keine Differenzen.<br />
Unwesentliche Differenzen (< 10%)<br />
Wesentliche Differenzen (> 10%)<br />
Abbildung 6-26: Wertbasis für Segmentrechnung Netz (n=88)<br />
18<br />
Das zugunsten der kalkulatorischen Werte ausgefallene Gesamtergebnis ist auch im<br />
Vergleich zu den <strong>unter</strong>schiedlichen Rechnungslegungsstandards für die Segmentrech-<br />
nung oder nach Grössenklassen robust, indem zwischen diesen Teilstichproben keine<br />
signifikanten Unterschiede bezüglich des Ausweises <strong>von</strong> kalkulatorischen Werten oder<br />
Buchwerten bestehen. 880 Es ist also da<strong>von</strong> auszugehen, dass eine knappe Mehrheit der<br />
zu publizierenden Segmentrechnungen Netz – unabhängig <strong>von</strong> der Grösse des Betriebs<br />
und vom Rechnungslegungsstandard – nicht wie der Gesamtabschluss zu Buchwerten,<br />
sondern basierend auf den kalkulatorischen Vorgaben <strong>von</strong> Art. 13 StromVV zur Be-<br />
wertung und Abschreibung <strong>von</strong> Verteilnetzanlagen ausgewiesen wird. 881 Dem Vorteil<br />
der höheren Aussagekraft der Vermögenswerte und der Abschreibungen steht jedoch<br />
der Nachteil der fehlenden Vergleichbarkeit mit dem Gesamtabschluss gegenüber. Dieser<br />
Nachteil kann nur mit entsprechenden Erläuterungen zur Bewertung und einer<br />
Überleitungsrechnung auf die Buchwerte aufgehoben werden. 882<br />
880<br />
Gemäss Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest in Bezug auf die Rechnungslegungsstandards und einem<br />
H-Test beider Teilstichproben in Bezug auf den Netznutzungsertrag.<br />
881<br />
Zu beachten ist dabei, dass der erst im Dezember 2009 und somit nach der Befragung erschienene<br />
Unbundling-Leitfaden des VSE dies explizit ausschliesst (vgl. MEYER (2009), S. 8). Eine Änderung<br />
dieser Praxis ist daher bei einigen <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> bis zum Datum der Erstpublikation<br />
zu erwarten.<br />
882<br />
Vgl. dazu die Würdigung des Ausweises kalkulatorischer Werte in der Segmentrechnung Netz in<br />
Kapitel 4.2.2d).<br />
14<br />
7<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Häufigkeit<br />
Buchwerte Kalkulatorische Werte<br />
34<br />
11<br />
4
246 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
6.5 Offenlegung<br />
6.5.1 Bestandteile der Segmentrechnung Netz<br />
Gemäss der Auswertung in der zuvor dargestellten Abbildung 6-17 gaben 99 Strom-<br />
verteilnetzbetreiber an, ihre Erfolgsrechnung buchhalterisch zu entflechten. Demge-<br />
genüber bejahten dies nur 64 Betriebe auch hinsichtlich der Bilanz. Daher ist zu erwar-<br />
ten, dass dieser Unterschied bei der Segmentierung zwischen den beiden Hauptbe-<br />
standteilen der Segmentrechnung einen signifikanten Einfluss auf die Offenlegung<br />
haben wird, da bei fehlender Segmentierung keine Offenlegung erfolgen kann.<br />
Erfolgsrechnung<br />
Bilanz<br />
Anlagespiegel<br />
Erläuterungen<br />
Weitere Anhangsangaben<br />
Cashflow-Rechnung<br />
7.7%<br />
6.6%<br />
25.3%<br />
34.1%<br />
Abbildung 6-27: Bestandteile der Segmentrechnung Netz (n=91)<br />
67.0%<br />
94.5%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Häufigkeit in %<br />
95 Stromverteilnetzbetreiber haben zur Frage der Offenlegung <strong>von</strong> Bestandteilen der<br />
Segmentrechnung Netz Stellung genommen, wobei vier Betriebe keinen der möglichen<br />
Bestandteile angekreuzt und damit ihre Antwort offen gelassen haben. Die Auswertung<br />
der übrigen 91 Stromverteilnetzbetreiber zeigt ein mit den Ergebnissen zur Segmentie-<br />
rung vergleichbares Resultat: 86 Betriebe gaben an, dass ihre Segmentrechnung Netz<br />
aus einer Erfolgsrechnung bestehe, <strong>von</strong> welchen nur zwei Drittel dies auch für die Bi-<br />
lanz bestätigten. Demgegenüber gaben fünf Befragte zu Protokoll, auf die Offenlegung<br />
einer Segmenterfolgsrechnung zu verzichten und stattdessen nur Auszüge aus der<br />
Segmentbilanz bzw. Informationen zum Anlagevermögen veröffentlichen zu wollen.<br />
Rund ein Drittel der befragten Unternehmen beabsichtigt, einen Anlagespiegel zum<br />
Segmentanlagevermögen bzw. <strong>unter</strong> HRM eine Investitionsrechnung für das Netz of-<br />
fenzulegen. Immerhin rund ein Viertel der Stromverteilnetzbetreiber plant, die Seg-
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 247<br />
mentrechnung Netz anhand qualitativer Informationen zur Segmentierung und zur Be-<br />
wertung zu erläutern. Der Ausweis weiterer Anhangsinformationen sowie einer Geld-<br />
flussrechnung erfolgen nur in Einzelfällen.<br />
Der erwartete Zusammenhang zwischen dem Unbundling <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und<br />
Bilanz und der Offenlegung dieser Bestandteile ist in Bezug auf die Bilanz signifikant,<br />
jedoch – aufgrund <strong>von</strong> 16 Fällen mit Segmentierung, aber Verzicht auf Offenlegung<br />
und <strong>von</strong> beachtenswerten 13 Fällen ohne Segmentierung, aber mit Bejahung der Of-<br />
fenlegung – in der Ausprägung nur gering. 883 Letztere gehen da<strong>von</strong> aus, dass sie auch<br />
ohne buchhalterisches Unbundling der Bilanz zumindest einzelne, vollständig oder<br />
überwiegend zum Netz gehörige Positionen der Gesamtbilanz offenlegen können (3)<br />
oder trotz aktuell noch fehlender Vorgehensweise zum bilanziellen Unbundling diesen<br />
Ausweis Ende Jahr noch erstellen können (10). 884 Da es sich bei neun da<strong>von</strong> um klei-<br />
nere Versorger handelt, welche neben dem Betrieb des Verteilnetzes in der Grössen-<br />
klasse Mikro (7) und Klein (2) nur noch Energie an ihre Netzkunden verkaufen, ist es<br />
denkbar, dass diese Betriebe trotz der grössenunabhängigen Verpflichtung zum Unbundling<br />
ihre Gesamtbilanz vollständig oder überwiegend als Segmentbilanz Netz deklarieren,<br />
da ihr Stromwiederverkauf bilanziell unwesentlich sein dürfte. 885 Im Fall der<br />
Erfolgsrechnung ist der Zusammenhang eindeutiger, indem 100% der Betriebe, welche<br />
eine Segmenterfolgsrechnung ausweisen wollen, diese auch nach einem der beschrieben<br />
Segmentierungsverfahren entflechten.<br />
Darüber hinaus sind keine weiteren signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Strukturmerkmale<br />
– wie der Segmentgrösse, der Rechtsform, dem Integrationsgrad oder der<br />
Rechnungslegung – erkennbar. So gab ein vergleichbarer Anteil kleiner Gemeindewerke<br />
bei Anwendung <strong>von</strong> HRM trotz rechtlicher Unselbstständigkeit an, eine Bilanz<br />
oder Auszüge daraus für das Segment Netz publizieren zu wollen. 886<br />
883<br />
Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest bei p
248 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
6.5.2 Gliederung der Segmentrechnung Netz<br />
a) Horizontal<br />
In Bezug auf die horizontale Gliederung wurden die Stromverteilnetzbetreiber gefragt,<br />
ob sie bereits vor dem 1. Januar 2009 zu einzelnen Segmenten finanzielle Informatio-<br />
nen, welche über eine Angabe <strong>von</strong> Umsätzen und Mengen hinausgingen, publiziert<br />
hätten. Von 102 befragten Betrieben gaben 16 oder 15.7% an, bisher bereits eine <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
in dieser Form erstellt zu haben, wobei überwiegend die Segmentierung<br />
nach Sparten genannt wurde.<br />
HRM I / II<br />
OR<br />
FER / IFRS<br />
Abbildung 6-28: Bisherige Verbreitung der <strong>Segmentberichterstattung</strong> (n=102)<br />
Die nach Gruppen <strong>von</strong> Rechnungslegungsstandards dargestellte Auswertung zeigt,<br />
dass diese Form der <strong>Segmentberichterstattung</strong> überwiegend als freiwillige Offenlegung<br />
interpretiert werden kann. Nur gerade ein grosses Unternehmen der Stichprobe<br />
publizierte bisher eine <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach den Vorgaben <strong>von</strong> IFRS. Dies<br />
verdeutlicht die Zurückhaltung bezüglich der Offenlegung <strong>von</strong> Segmentinformationen<br />
– was aufgrund der empirischen Erkenntnisse zur kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
zu erwarten gewesen war. 887 Von den öffentlich-rechtlichen unselbstständigen<br />
Gemeinde- und Stadtwerken, für welche die Vorgaben <strong>von</strong> HRM relevant<br />
sind, wurde mehrfach auf die funktionell nach Sparten segmentierte Erfolgs- und Investitionsrechnung<br />
verwiesen. 888<br />
887<br />
Vgl. Kapitel 2.4.4.<br />
888<br />
Vgl. Kapitel 2.4.1.<br />
1<br />
6<br />
9<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Häufigkeit<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> Keine <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
13<br />
35<br />
38
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 249<br />
Mit der Vorgabe <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG zur Publikation einer Segmentrechnung<br />
Netz wird die bisherige spartenorientierte <strong>Segmentberichterstattung</strong> beeinflusst bzw.<br />
<strong>von</strong> den meisten Netzbetreibern eine erstmalige Publikation <strong>von</strong> Segmentinformatio-<br />
nen verlangt. Dabei ist nicht auszuschliessen, dass einzelne Stromverteilnetzbetreiber<br />
über das regulatorische Minimum der Darstellung des Segments Verteilnetz hinausge-<br />
hen und weitere Aktivitäten innerhalb der Sparte Strom separat darstellen. Aus Sicht<br />
der ElCom wäre dabei insbesondere der Ausweis des Energiegeschäfts in der Grund-<br />
versorgung wünschenswert. 889 Entsprechend wurden die Stromverteilnetzbetreiber zur<br />
Offenlegung weiterer Segmente innerhalb der Sparte Strom befragt.<br />
Versorger<br />
Integriete EVU<br />
2<br />
19<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Häufigkeit<br />
Weitere Segmentausweis innerhalb Sparte Strom Nur Netz<br />
Abbildung 6-29: Ausweis zusätzlicher Segmente in der Sparte Strom (n=84)<br />
Gesamthaft gaben 24.5% der Betriebe an, neben dem Segment Netz noch eine weitere<br />
Aktivität innerhalb der Sparte Strom als Segment ausweisen zu wollen. Die Auswer-<br />
tungen nach Strukturdaten zeigten, dass insbesondere Versorger mit kleinsten und<br />
kleinen Verteilnetzsegmenten (19) einen zusätzlichen Segmentausweis vorsehen, indem<br />
sie beabsichtigen, den Stromvertrieb als ihre einzige übrige Aktivität in der Sparte<br />
Strom ebenfalls auszuweisen. 890 Drei da<strong>von</strong> begrenzten die Offenlegung auf den regulierten<br />
Stromverkauf an feste Endverbraucher. Überwiegend beschränken sich jedoch<br />
die Stromverteilnetzbetreiber jeder Grössenklasse und jedes Integrationstyps – unabhängig<br />
vom verwendeten Rechnungslegungsstandard – auf die gesetzlich vorgegebene<br />
Publikation des Netzbetriebs.<br />
889<br />
Vgl. D'ARCY & BURRI (2009), S. 129f. Ein Zwang zur Offenlegung dieses Segments wurde in<br />
Kapitel 3.4.1b) aus rechtlicher Sicht ausgeschlossen.<br />
890<br />
Wobei die Differenzierung entlang der vertikalen Integrationstypen gemäss Chi-Quadrat-<br />
Unabhängigkeitstest bei p
250 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
b) Vertikal<br />
Während die Frage der horizontalen Gliederung eine Frage der weitergehenden, frei-<br />
willigen <strong>Segmentberichterstattung</strong> ist, ist die Frage der vertikalen Gliederung der Er-<br />
folgsrechnung und der Bilanz eine auslegungsbedürftige Frage des Segmentierungs-<br />
grades für die gesetzliche vorgegebene Segmentrechnung Netz. Die Stromverteilnetz-<br />
betreiber wurden in Abhängigkeit der <strong>von</strong> ihnen geplanten Offenlegung der entspre-<br />
chenden Teilrechnungen gefragt, inwiefern sie die Publikation vollständiger oder ver-<br />
kürzter Segmenterfolgsrechnungen bzw. Segmentbilanzen vorsehen.<br />
Verkürzte ER bis auf<br />
Stufe EBIT<br />
32%<br />
Andere Form<br />
4%<br />
Keine ER<br />
6%<br />
Abbildung 6-30: Vertikale Offenlegung der Segmenterfolgsrechnung (n=91)<br />
Vollständige ER bis auf<br />
Stufe Reingewinn<br />
58%<br />
Plant noch eine Mehrheit <strong>von</strong> 52 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> die Offenlegung einer<br />
vollständigen und detaillierten Erfolgsrechnung für das Segment Netz bis auf Stufe des<br />
Reingewinns, sehen nur noch 16 Stromverteilnetzbetreiber auch eine vollständige Of-<br />
fenlegung einer Segmentbilanz vor. Nur 15 Betriebe gaben an, bei beiden Teilrechnun-<br />
gen eine totale Segmentierung und eine detaillierte Offenlegung vorzunehmen. Der<br />
Anteil Stromverteilnetzbetreiber, welche eine dem reinen Wortlaut <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1<br />
StromVG entsprechende, vollständig segmentiert ausgewiesene Jahresrechnung für<br />
das Verteilnetz publizieren wollen, beläuft sich demnach lediglich auf 16.5% sämtlicher,<br />
zu dieser Thematik befragten Betriebe. 891 22 bzw. 23 Betreiber planen demgegenüber<br />
ihre Bilanz nur in verkürzter Form (aber mit einen segmentierten Eigenkapital)<br />
bzw. lediglich wesentliche Aktiven und Passiven des Netzes (ohne Eigenkapitalsegmentierung)<br />
offenzulegen.<br />
891 Zu dieser Gesamtfrage wurden gemäss Auswertung in Abbildung 6-27 91 Betriebe befragt. Zur<br />
Auslegung des Wortlauts <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG vergleiche die Ausführungen in Kapitel<br />
3.4.2c).
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 251<br />
Keine Bilanz<br />
32%<br />
Andere Form<br />
1%<br />
Keine vollständige<br />
Bilanz, nur<br />
wesentliche Aktiven<br />
und Passiven, ohne<br />
Eigenkapitalausweis<br />
25%<br />
Abbildung 6-31: Vertikale Offenlegung der Segmentbilanz (n=91)<br />
Detaillierte Bilanz mit<br />
Eigenkapitalausweis<br />
18%<br />
Verkürzte Bilanz mit<br />
Eigenkapitalausweis<br />
24%<br />
Der Grad der Offenlegung <strong>von</strong> Segmenterfolgsrechnung und Segmentbilanz ist dabei<br />
unabhängig vom angewendeten Segmentierungsverfahren, so dass selbst bei vollstän-<br />
dig getrennten Finanzbuchhaltungen nicht zwingend vollständige Ausweise im Sinne<br />
vollwertiger Jahresrechnungen erwartet werden können. Auch streben sechs Stromver-<br />
teilnetzbetreiber trotz fehlender Angabe zum bilanziellen Unbundling den Ausweis<br />
einer vollständigen oder einer verkürzten Segmentbilanz an. Ihnen dürfte für das erste<br />
Geschäftsjahr aufgrund der fehlenden bisherigen Segmentierung nur eine statistische,<br />
retrograde Bilanzsegmentierung möglich sein. Die übrigen sieben Gesellschaften, wel-<br />
che keine Angabe zum bilanziellen Unbundling gemacht oder sich explizit gegen eine<br />
Segmentierung der Bilanz ausgesprochen haben, planen erwartungsgemäss lediglich<br />
wesentliche Positionen der Bilanz auszuweisen.<br />
Die 86 Stromverteilnetzbetreiber, welche eine Segmenterfolgsrechnung offenlegen<br />
wollen, wurden zusätzlich zur Gliederung der Erfolgsrechnung nach Aufwand- oder<br />
nach Kostenarten befragt. Aufgrund der mehrheitlichen Anwendung des betriebsbuchhalterischen<br />
Segmentierungsverfahrens 892 war ein relativ hoher Anteil an Erfolgsrechnungen<br />
zu erwarten, welche – in Abweichung zur typischen Jahresrechnung – gemäss<br />
dem Gesamtkostenverfahren infolge interner Verrechnungen oder Umlagen auch Kostenarten<br />
wie interne Verwaltungs- und Vertriebskosten enthalten dürften. 893<br />
892<br />
Vgl. die Auswertung in Abbildung 6-18 hiervor.<br />
893<br />
Wie in den Kapiteln 4.3.2 bzw. 4.1.4 dargestellt, bedingt eine vollständige, aufwandartengerechte<br />
Segmenterfolgsrechnung eine finanzbuchhalterische Trennung oder aber eine systemtechnisch<br />
<strong>unter</strong>stützte Aufschlüsselung betriebsbuchhalterisch verrechneter Kosten in Aufwandarten.
252 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Gliederung nach<br />
Aufwandarten und<br />
Kostenarten (gemischt)<br />
34%<br />
Abbildung 6-32: Gliederung der Erfolgsrechnung (n=86)<br />
Die Auswertung zeigt, dass 34% der Stromverteilnetzbetreiber, die beabsichtigen, eine<br />
Erfolgsrechnung zu publizieren, diese rein nach Aufwandarten und damit nach dem<br />
Gesamtkostenverfahren ausweisen wollen. Die überwiegende Mehrheit weist aber in<br />
der Segmenterfolgsrechnung Netz teilweise oder ausschliesslich Kostenarten und damit<br />
aktivitätsbezogene Positionen aus. Nur sieben Betreiber wollen ganz auf den Ausweis<br />
einzelner Aufwand- bzw. Kostenpositionen verzichten und stattdessen nur den Segmentertrag<br />
und das Segmentergebnis offenlegen.<br />
Die jeweils gewählten vertikalen Offenlegungsgrade und -formen sind weder in Bezug<br />
auf den Rechnungslegungsstandard noch hinsichtlich der übrigen Strukturmerkmale –<br />
Segmentgrösse, Rechtsform oder Integrationsgrad – signifikant verschieden. Somit<br />
sind gemäss den Auswertungen der Stichprobe – unabhängig <strong>von</strong> Rechnungslegung,<br />
Segmentgrösse und Struktur des Stromverteilnetzbetreibers – sehr verschiedene, betriebs-<br />
und systemspezifische Formen der vertikalen Offenlegung der Segmentrechnung<br />
Netz zu erwarten.<br />
6.5.3 Publikationsform<br />
Kein Ausweis einzelner<br />
Positionen<br />
8%<br />
Gliederung nach<br />
Aufwandarten<br />
34%<br />
Gliederung nach<br />
Kostenarten (nach<br />
Aktivitäten)<br />
24%<br />
Die Segmentrechnung Netz kann gemäss den Ausführungen in Kapitel 4.3.3 unabhängig<br />
<strong>von</strong> ihren Bestandteilen und deren vertikaler und horizontaler Gliederung – gemäss<br />
der Vorgabe <strong>von</strong> Art. 10 StromVV – in <strong>unter</strong>schiedlichen Formen publiziert werden.<br />
Die Stromverteilnetzbetreiber wurden befragt, ob sie eine losgelöste Publikation im<br />
Sinne einer eigenständigen Jahresrechnung für das Netz vorsehen oder ob sie planen,<br />
die Segmentrechnung im Kontext des Gesamtabschlusses als neuen Anhang oder als<br />
Teil einer <strong>Segmentberichterstattung</strong> zu publizieren.
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 253<br />
Mikro<br />
Klein<br />
Mittel<br />
Gross<br />
Abbildung 6-33: Geplante Publikationsform der Segmentrechnung Netz (n=92)<br />
Die Auswertung zeigt, dass bei Betreibern <strong>von</strong> kleineren Verteilnetzsegmenten die<br />
Publikation der Segmentrechnung Netz mehrheitlich zusammen mit der bisherigen Finanzberichterstattung<br />
erfolgen soll. Demgegenüber zeigt sich bei den Werken mit mittleren<br />
und grossen Verteilnetzsegmenten, dass geplant ist, die Segmentrechnung Netz<br />
mehrheitlich losgelöst <strong>von</strong> der integrierten Finanzberichterstattung im Sinne einer eigenständigen<br />
Jahresrechnung vorzulegen. Gesamthaft gaben 34.8% der Betreiber an,<br />
eine losgelöste Publikation einer Einbindung in der bisherigen Jahresrechnung vorzu-<br />
ziehen. 894<br />
13<br />
8<br />
6<br />
5<br />
5<br />
17<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />
Häufigkeit<br />
Separater Ausweis, eigene Publikation Neuer Anhang zur bestehenden Jahresrechnung<br />
Form der <strong>Segmentberichterstattung</strong> Form noch offen<br />
Von den insgesamt sechs Unternehmen der Stichprobe, welche ihre Segmentrechnung<br />
Netz nach den Vorgaben <strong>von</strong> IFRS erstellen wollen, gaben zwei an, diese in den bestehenden<br />
IFRS-Abschluss zu integrieren. Eines da<strong>von</strong> verwies explizit auf die Integration<br />
in die <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS. Eine Harmonisierung zwischen der<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>von</strong> IFRS 8 und der regulatorischen <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
nach StromVG für das Netz ist demnach aus Sicht der IFRS-bilanzierenden<br />
Stromverteilnetzbetreiber eine nur in Einzelfällen genutzte Option.<br />
894 Da<strong>von</strong> haben zwei Unternehmen der Segmentgrössenklasse Mittel und Gross das rechtliche Unbundling<br />
bejaht, was zur rechtlichen Verpflichtung der Erstellung einer vollständigen, eigenen<br />
Jahresrechnung für die Netzgesellschaft führt. Die Frage der Publikationsform nach Art. 12 Abs.<br />
1 StromVG bleibt indes auslegungsbedürftig. Von den übrigen vier Befragten mit rechtlichem<br />
Unbundling haben sich daher zwei für eine integrierte Publikation bei der Muttergesellschaft ausgesprochen.<br />
Zwei Befragte haben dazu keine Stellung genommen.<br />
3<br />
10<br />
18<br />
1<br />
2<br />
1<br />
2<br />
1
254 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Der Unterschied zwischen den kleinsten und den mittleren bzw. grossen Netzsegmen-<br />
ten hinsichtlich der geplanten Publikationsform lässt sich statistisch signifikant bestä-<br />
tigen. 895 Eine Differenz zeigt sich auch bei der Auswertung nach Rechtsformen: Insbe-<br />
sondere Genossenschaften und unselbstständige öffentlich-rechtliche Anstalten weisen<br />
einen überdurchschnittlichen Anteil an integrierten Publikationen aus. Im Fall der Ge-<br />
nossenschaften ist dieser Effekt primär mit dem in dieser Rechtsform überdurchschnittlich<br />
stark vertretenen Anteil an kleinsten Verteilnetzsegmenten, und damit wiederum<br />
mit der Grösse zu begründen. 896 Bei den öffentlich-rechtlich unselbstständigen<br />
Betrieben liegt der Grund vermutlich in der Rechnungslegung, da nur gerade 25% der<br />
Betriebe eine separate Rechnung <strong>unter</strong> HRM I publizieren wollen. Aufgrund der funktionalen<br />
Gliederung der HRM-Rechnung nach Dienststellen liegt demgegenüber die<br />
Integration der Segmentrechnung Netz in Form einer separaten Dienststelle nahe.<br />
Bei dem bedeutenden Anteil an losgelösten Publikationen stellt sich die Frage nach<br />
deren Erscheinungsbild. So darf erwartet werden, dass bei einer losgelösten Publikation<br />
aufgrund der Fiktion einer eigenständigen Jahresrechnung für das Netz im Schnitt<br />
mehr Informationen offengelegt werden als bei einer integrierter Publikation im Sinne<br />
einer <strong>Segmentberichterstattung</strong>, welche Zusatzinformationen zum integrierten Abschluss<br />
bietet. Die Auswertung zeigt jedoch, dass kein solcher Zusammenhang besteht,<br />
sondern dass die Publikationsform <strong>von</strong> der Tiefe der Offenlegung unabhängig ist. 897<br />
Die Offenlegung einer Segmentbilanz ist zwar bei der Form der losgelösten Publikation<br />
mit 78.1% im Vergleich zur intergierten Publikationsform mit 60.7% stärker vertreten.<br />
Dennoch wollen sieben Gesellschaften trotz losgelöster Publikation explizit auf<br />
die Offenlegung einer Bilanz verzichten. 898 Von den Gesellschaften, welche bei einer<br />
losgelösten Publikation eine Bilanz offenlegen wollen, hat nur rund die Hälfte angegeben,<br />
diese auch vollständig zu erstellen. Zwölf Betriebe sehen vor, trotz eigenständiger<br />
Publikation nur Auszüge aus der Bilanz zu veröffentlichen. In Bezug auf die Offenlegung<br />
und Gliederung der Erfolgsrechnung bestehen demgegenüber zwischen den beiden<br />
prinzipiellen Publikationsvarianten keine Abweichungen.<br />
895<br />
Die Unterschiede sind gemäss Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest bei p
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 255<br />
6.5.4 Prüfung der Segmentrechnung Netz<br />
Die Revision der Segmentrechnung Netz ist im StromVG nicht gesetzlich vorgeschrie-<br />
ben. Dennoch dürfte etwa bei einem rechtlichen Unbundling, einer Einbettung der<br />
Segmentrechnung im ordentlichen Anhang der Jahresrechnung oder je nach Vorschrif-<br />
ten bei öffentlich-rechtlichen Betrieben eine Revision zwingend werden. Ausserdem<br />
kann eine unabhängige Prüfung für Stromverteilnetzbetreiber zwecks Validierung des<br />
buchhalterischen Unbundling und dessen rechtskonformen Umsetzung aus eigenem<br />
Interesse sinnvoll sein. 899 Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Vorgabe und der gerin-<br />
gen Anzahl der rechtlich selbstständigen Netzgesellschaften ist zu erwarten, dass die<br />
Quote der geprüften Segmentrechnungen Netz dennoch relativ niedrig ausfällt.<br />
Mikro<br />
Klein<br />
Mittel<br />
Gross<br />
Abbildung 6-34: Revision der Segmentrechnung Netz (n=87)<br />
Die Auswertung zeigt jedoch, dass gesamthaft 41 <strong>von</strong> 87 dazu befragten Stromverteil-<br />
netzbetreibern – und damit knapp die Hälfte (47.1%) – angaben, ihre Segmentrech-<br />
nung Netz als Ergebnis des buchhalterisches Unbundling zwingend oder freiwillig<br />
durch die Revisionsstelle oder bei öffentlich-rechtlichen Betrieben durch eine mit der<br />
Rechnungsprüfung beauftragten Institution (zum Beispiel die Rechnungsprüfungskommission)<br />
kontrollieren zu lassen. Bei der Analyse nach den relevanten Strukturmerkmalen<br />
wurde deutlich, dass signifikant mehr Betriebe mit Kleinst- und Kleinnetz-<br />
899 Vgl. Kapitel 4.3.3.<br />
9<br />
23<br />
8<br />
6<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />
Häufigkeit<br />
Nein, keine Prüfung. Ja, zwingende Prüfung. Ja, freiwillige Prüfung.<br />
8<br />
7<br />
17<br />
6<br />
3
256 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
segmenten die Revisionspflicht bzw. die freiwillige Revision bejaht haben als Gesell-<br />
schaften mit mittleren oder grossen Verteilnetzsegmenten. 900<br />
Die Analyse nach Rechtsformen zeigt auf, dass es sich beim verhältnismässig hohen<br />
Anteil <strong>von</strong> Kleinst- und Kleinnetzsegmenten nicht primär um Genossenschaften han-<br />
delt (nur 31.1% da<strong>von</strong> bejahen eine Revision), sondern vor allem um unselbstständige<br />
Gemeindewerke und kleinere Aktiengesellschaften (58.3% bzw. 46.2% da<strong>von</strong> bejahen<br />
eine Revision). Dies ist auch der Grund, weshalb der Anteil der Revision bei der Grös-<br />
senklasse Mikro, in der überdurchschnittlich viele Genossenschaften vertreten sind,<br />
leicht tiefer liegt als bei kleinen Verteilnetzsegmenten.<br />
Bemerkenswert ist die Einschätzung <strong>von</strong> immerhin 20.7% der Befragten, dass ihre<br />
Segmentrechnung Netz aufgrund ihrer Rechts- oder Publikationsform zwingend zu<br />
revidieren sei. Dar<strong>unter</strong> sind drei Aktiengesellschaften mit mittelgrossen Verteilnetz-<br />
segmenten, die ein rechtliches Unbundling durchgeführt haben und daher die Ab-<br />
schlüsse der selbstständigen Netzgesellschaften nach den Vorgaben <strong>von</strong> OR revidieren<br />
lassen müssen. Zwölf weitere Nennungen stammen <strong>von</strong> öffentlich-rechtlichen Betrie-<br />
ben, <strong>von</strong> denen elf unselbstständige Anstalten sind, welche die Revisionspflicht auf-<br />
grund der Gemeindeordnung bzw. wegen der spezialgesetzlichen Vorgabe als zwin-<br />
gend beurteilen. Hier dürfte der Anteil an Überprüfungen durch Rechnungsprüfungs-<br />
kommissionen hoch sein. 901 Die restlichen drei Stromverteilnetzbetreiber sind Aktien-<br />
gesellschaften, welche die Revisionspflicht als zwingend beurteilen. Da nur eine dieser<br />
Gesellschaften eine Integration der Segmentrechnung Netz in den Anhang vorsieht,<br />
dürfte in den zwei anderen Fällen eher <strong>von</strong> einer freiwilligen Revision ausgegangen<br />
werden, als <strong>von</strong> einer Pflicht zur Prüfung.<br />
6.5.5 Veröffentlichung<br />
a) Gesamtabschluss<br />
Die Pflicht zur Veröffentlichung der Segmentrechnung Netz über die zentrale Publikationsseite<br />
der ElCom im Internet dürfte für viele Stromverteilnetzbetreiber – je nach<br />
900 Gemäss Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest ist der Anteil geprüfter Segmentrechnungen in der<br />
Grössenklassen Mikro und Klein mit p
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 257<br />
Form und Offenlegung – nicht nur zu einer erhöhten Transparenz der Segmentdaten<br />
führen, sondern auch zu einer Veränderung der Informationspolitik bezüglich der in-<br />
tegrierten Finanzberichterstattung. Grundsätzlich ist aufgrund des überwiegenden An-<br />
teils der Gesellschaften im mehrheitlichen oder ausschliesslichen öffentlichen Eigen-<br />
tum 902 in Bezug auf den Gesamtabschluss eine hohe Publikationsquote zu erwarten.<br />
Dabei wurde nicht zwischen einer einfach zugänglichen Publikation im Internet und<br />
einer schwerer zugänglichen Publikation in gedruckter Form und Auflage am Sitz der<br />
Verwaltung <strong>unter</strong>schieden.<br />
Erstmalige<br />
Veröffentlichung<br />
8%<br />
Keine<br />
Veröffentlichung<br />
13%<br />
Abbildung 6-35: Veröffentlichungspraxis Gesamtabschluss (n=101)<br />
Veröffentlichung<br />
analog Vorjahre<br />
79%<br />
Die Analyse der bisherigen Veröffentlichungspraxis bestätigt diese Erwartung. Eine<br />
überwiegende Mehrheit <strong>von</strong> 79.2% der befragten 101 Stromverteilnetzbetreiber gab<br />
an, ihre integrierte Jahresrechnung für das laufende Geschäftsjahr analog zu den Vor-<br />
jahren zu veröffentlichen. Acht Betriebe planen, ihren Gesamtabschluss für dieses Ge-<br />
schäftsjahr zum ersten Mal zu publizieren; zwei dieser Gesellschaften begründeten<br />
ihre Antwort mit einem Rechtsformwechsel. Lediglich 13 Betriebe gaben an, <strong>von</strong> einer<br />
Veröffentlichung des Gesamtabschlusses für das laufende Geschäftsjahr abzusehen.<br />
Die Auswertung nach Rechtsformen zeigt, dass alle öffentlich-rechtlichen Betriebe<br />
ihre integrierte Jahresrechnung entweder selbstständig oder im Anhang der Gemeinde-<br />
902 Vgl. Abbildung 6-3 hiervor: Bezogen auf 113 befragte Betriebe lag der Anteil öffentlich beherrschter<br />
Betriebe bei 74.3%. Bezogen auf die 101 hier dargestellten Betriebe erhöht sich dieser<br />
Anteil auf 78%.
258 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
rechnung veröffentlichen. 903 Was die der Eigentümerstruktur anbelangt, zeigt sich,<br />
dass das öffentliche Eigentum alleine eine Veröffentlichung des Abschlusses nicht ga-<br />
rantiert. So gaben immerhin fünf öffentlich beherrschte Stromverteilnetzbetreiber an,<br />
ihren Gesamtabschluss für das laufende Jahr nicht zu publizieren. Bei öffentlich beherrschten<br />
Betrieben ist somit in 93.6% aller Fälle eine Veröffentlichung vorgesehen.<br />
Dieser Anteil liegt bei den privat gehaltenen Verteilnetzbetreibern bei 63.6%. 904 In Bezug<br />
auf die Segmentgrösse kann festgehalten werden, dass Verteilnetzbetreiber welche<br />
ihren Gesamtabschluss publizieren, über wesentlich grössere Verteilnetzsegmente verfügen,<br />
als Verteilnetzbetreiber, die auf eine Publikation verzichten. Jedoch ist der grössenmässige<br />
Unterschied in der Rangordnung aufgrund der Publikationspraxis zahlreicher<br />
kleiner öffentlich-rechtlicher Betriebe und kleiner Genossenschaften nur knapp<br />
signifikant. 905<br />
b) Segmentrechnung Netz<br />
Da die Publikation der Segmentrechnung Netz zwingend ist, stellte sich diesbezüglich<br />
lediglich die Frage nach der erstmaligen Publikation. Stützt man sich bei der Beurteilung<br />
der erstmaligen Publikationspflicht auf den Beginn der Marktliberalisierung per<br />
1. Januar 2009, dürfte die Mehrzahl der Publikationen der Segmentrechnung Netz im<br />
ersten Halbjahr 2010 erwartet werden. 906 Gemäss Auslegung <strong>von</strong> Art. 10 StromVV in<br />
Kapitel 3.2.3 wäre der späteste Termin zur Publikation somit der 31. August 2010. Gesellschaften<br />
mit einem hydrologischen Geschäftsjahr 907 würden tendenziell anfangs<br />
2010, Gesellschaften, bei denen das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt,<br />
tendenziell Mitte 2010 erstmals publizieren.<br />
903<br />
Gemäss Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest ist dieser erwartete Unterschied gegenüber den privatrechtlichen<br />
Gesellschaftsformen der Aktiengesellschaft und Genossenschaft mit p
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 259<br />
Häufigkeit<br />
20<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
1 1<br />
Mai<br />
09<br />
Jul<br />
09<br />
7<br />
Sep<br />
09<br />
1<br />
Nov<br />
09<br />
3 3<br />
Jan<br />
10<br />
2<br />
16<br />
Mrz<br />
10<br />
20<br />
Abbildung 6-36: Geplantes Datum der Erstpublikation der Segmentrechnung Netz (n=82)<br />
Die Auswertung <strong>von</strong> 82 befragten <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> zeigt, dass 77 bzw.<br />
93.9% <strong>von</strong> ihnen angegeben, ihre Segmentrechnung Netz bis zum 31. August 2010<br />
publizieren zu wollen, womit sie beabsichtigen, die gesetzliche Vorgabe zeitgerecht<br />
einzuhalten. Da<strong>von</strong> gaben lediglich neun Betriebe (11%) an, die Publikationspflicht<br />
bereits bis am 31. August 2009 erstmals zu erfüllen. Die meisten Erstpublikationen<br />
dürfen in der Periode <strong>von</strong> März bis Juni 2010 erwartet werden.<br />
8<br />
Mai<br />
10<br />
10<br />
Jul<br />
10<br />
5<br />
Sep<br />
10<br />
1 1 1 1 1<br />
6.6 Zwischenfazit und Positionierung gemäss der Befragung <strong>von</strong><br />
<strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
Die anhand der erhobenen Strukturdaten nachgewiesene Fragmentierung und die Heterogenität<br />
im Schweizer Markt für Stromverteilung spiegeln sich in der Rechnungslegung<br />
wider. Eine einheitliche Rechnungslegungsnorm für sämtliche Stromverteilnetzbetreiber<br />
würde bei mindestens der Hälfte aller Betriebe zu einem Umstellungsbedarf<br />
führen. Die Segmentrechnung Netz dürfte dementsprechend nach <strong>unter</strong>schiedlichen<br />
Grundlagen und mit hohen Freiheitsgraden bezüglich der Bewertung und der Offenlegung<br />
erstellt und öffentlich ausgewiesen werden. Zusätzlich bestätigen die Befragungsergebnisse,<br />
dass bei der Mehrheit der Netzbetreiber in wesentlichem Ausmass<br />
Nov<br />
10<br />
Jan<br />
11<br />
Mrz<br />
11<br />
Mai<br />
11<br />
Jul<br />
11<br />
Sep<br />
11<br />
Nov<br />
11<br />
Jan<br />
12<br />
Mrz<br />
12<br />
Mai<br />
12
260 Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber<br />
Bewertungsdifferenzen zwischen den jeweiligen Anlagebuchwerten und den kalkula-<br />
torischen Bewertungen vorliegen, selbst <strong>unter</strong> Anwendung <strong>von</strong> Swiss GAAP FER oder<br />
IFRS. Damit ist zu begründen, weshalb eine Mehrheit der Betriebe plant, in ihrer Seg-<br />
mentrechnung Netz anstelle <strong>von</strong> Buchwerten direkt die kalkulatorischen Werte auszu-<br />
weisen, und damit das Massgeblichkeitsprinzip der Rechnungslegung aufzuweichen.<br />
Dieses Vorhaben führt zwar zu einem Ausweis betriebswirtschaftlicher Werte und so-<br />
mit zur Erhöhung der Relevanz, gleichzeitig jedoch auch zu einer zusätzlichen Reduk-<br />
tion der Vergleichbarkeit der Segmentrechnung mit dem Gesamtabschluss. Zudem ist<br />
die Nachvollziehbarkeit über die gesamte Stichprobe hinweg – aufgrund des überwie-<br />
genden Verzichts auf Erläuterungen und der Mischung <strong>von</strong> Aufwand- und Kostenarten<br />
– selbst für fachkundige Bilanzleser als relativ tief einzuschätzen. Ohne Vorgaben zur<br />
Vereinheitlichung führen die heterogenen Strukturen daher zwangsläufig zu sehr un-<br />
terschiedlichen Ergebnissen im Rahmen der finanziellen Berichterstattung.<br />
Positiv zu werten ist indes der hohe Umsetzungsgrad des buchhalterischen Unbundling<br />
und die damit einhergehende, verbesserte Kostentransparenz bei sämtlichen Grössen<br />
und Formen <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>. Die Kostenrechnung hat sich bei einer<br />
überwiegenden Mehrheit der Betriebe mit kleinen, mittleren und grösseren Verteilnet-<br />
zen als Hauptinstrument zur Entflechtung der Erfolgsrechnung in einzelne Segmente<br />
etabliert, so dass die nötige Konsistenz zwischen regulatorischer Kosten- und öffentli-<br />
cher Segmentrechnung überwiegend gewahrt sein dürfte. Dies erhöht aus Sicht der<br />
Informationsqualität die Verlässlichkeit und für die ElCom die Nachvollziehbarkeit.<br />
Einzig bei kleinsten Verteilnetzen wird aufgrund der tieferen Komplexität und des ge-<br />
ringeren Buchungsumfangs die Entflechtung oft direkt in der Finanzbuchhaltung vor-<br />
genommen, was der Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit bei solchen Grössenver-<br />
hältnissen in der Regel nicht abträglich sein dürfte. Beim bilanziellen Unbundling so-<br />
wie bei der geplanten Offenlegung <strong>von</strong> Bilanzpositionen zeigt sich hingegen eine ver-<br />
gleichsweise hohe Unsicherheit, und damit auch eine begrenzte Verlässlichkeit. Nur<br />
gerade 16.5% der befragten Stromverteilnetzbetreiber gaben an, eine totale Segmentie-<br />
rung und Offenlegung <strong>von</strong> Erfolgsrechnung und Bilanz vorzunehmen.<br />
Vor dem Hintergrund, dass die Ergebnisse der gesamten Erhebung durch den Rücklauf<br />
im Vergleich zur Grundgesamtheit positiv verzerrt sein dürften, ist in Bezug auf die<br />
gesamte Segmentrechnung Netz aufgrund der <strong>unter</strong>schiedlichen Rechnungslegungs-<br />
normen nicht nur <strong>von</strong> einer materieller Heterogenität auszugehen, sondern auch <strong>von</strong><br />
einer fehlender Vergleichbarkeit in formeller Hinsicht. Dabei ist festzuhalten, dass die-<br />
se Uneinheitlichkeit nicht nur zwischen verschiedenen Grössenklassen und Strukturen
Umsetzung durch Stromverteilnetzbetreiber 261<br />
<strong>von</strong> Netzbetreibern existiert. Vor dem Hintergrund der fehlenden rechtlichen Leitlinien<br />
und des erst im Dezember 2009 – das heisst nach der Befragung – erschienenen Un-<br />
bundling-Leitfadens des VSE entspricht dieses Ergebnis den Erwartungen und stützt<br />
die Relevanz konkreter Gestaltungsempfehlungen. 908<br />
Informationsqualität<br />
Nicht segmentierte<br />
Grössen<br />
Einheitliche<br />
Segmentrechnung Netz<br />
Beurteilung Eigentümer,<br />
Revision und Branche<br />
expectationgap<br />
Nicht einheitliche<br />
finanzielle Ausweise<br />
für das Netz<br />
Ergebnis Befragung<br />
Einheitliche, vollständige<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Erwartungen Kunden und<br />
Behörden<br />
Segmentierte<br />
Grössen<br />
Abbildung 6-37: Positionierung der Segmentrechnung Netz als Ergebnis der Befragung 909<br />
Abbildung 6-37 positioniert die Segmentrechnung Netz aufgrund dieser Einschätzun-<br />
gen basierend auf den empirischen Ergebnissen. Diese Positionierung ist infolge der<br />
fehlenden Einheitlichkeit nur eingeschränkt repräsentativ. Gesamthaft ist festzuhalten,<br />
dass die geplante Umsetzung innerhalb der Branche die Erwartungen der Anspruchs-<br />
gruppen weder in Bezug auf eine formell einheitliche Segmentrechnung noch auf eine<br />
vollwertige Jahresrechnung für das Netz erfüllen wird. Der bereits in Kapitel 5 erwähnte,<br />
zwischen verschiedenen Expertenmeinungen bestehende Expectation Gap<br />
dürfte vor diesem Hintergrund noch wesentlich vergrössert werden.<br />
908<br />
Vgl. dazu die einleitende Motivation zur Thematik und die Begründung des Bedarfs an einheitlichen<br />
Richtlinien in Kapitel 1.1.<br />
909<br />
Eigene Darstellung. Die Positionierung erfolgte rein schematisch und dient der Illustration der<br />
Einschätzungen.
262 Gestaltungsempfehlungen<br />
7 Gestaltungsempfehlungen<br />
7.1 Grundsatz: Segment- statt Jahresrechnung<br />
a) Gestaltungsempfehlung Nr. 1<br />
Die nach Art. 11 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 StromVG <strong>von</strong> jedem Strom-<br />
verteilnetzbetreiber unabhängig <strong>von</strong> Grösse, Rechtsform und Eigen-<br />
tumsverhältnissen zu publizierende Jahresrechnung für das <strong>von</strong> ihm be-<br />
triebene Verteilnetz sowie für allfälliges Eigentum am nationalen Über-<br />
tragungsnetz 910 soll basierend auf dem Unbundling des Rechnungswe-<br />
sens im Minimum in Form einer erläuterten Segmentrechnung erfolgen.<br />
Unabhängig <strong>von</strong> der Unternehmensorganisation, der Struktur der Rech-<br />
nungswesens sowie der verlässlich und wirtschaftlich erreichbaren<br />
Segmentierungstiefe 911 wird damit eine einheitliche, partielle Offenle-<br />
gung der relevanten Informationen zur Ertrags-, Vermögens- und Fi-<br />
nanzlage des Segments Netz sichergestellt.<br />
Hat ein EVU durch Ausgliederung des Netzbetriebs in eine rechtlich<br />
selbstständige Netzgesellschaft ein rechtliches Unbundling vollzogen,<br />
soll es dem EVU bzw. der Netzgesellschaft freistehen, entweder eine<br />
Segmentrechnung nach den Gestaltungsempfehlungen 2 - 9 auf konsoli-<br />
dierter Ebene oder aber die vollständige, gesetzliche Jahresrechnung<br />
auf Stufe des Einzelabschlusses der Netzgesellschaft zu publizieren.<br />
b) Begründung aus theoretischer und empirischer Sicht<br />
Das am Beispiel <strong>von</strong> IFRS 8 im Rahmen dieser Arbeit vertiefte Instrument der Seg-<br />
mentberichterstattung hat sich in jahrzehntelanger Praxis der kapitalmarktorientierten<br />
Finanzberichterstattung etabliert und stetig weiterentwickelt. 912 Die Übertragung der<br />
Erkenntnisse zur <strong>Segmentberichterstattung</strong> zwecks Umsetzung der Vorgabe einer Jah-<br />
resrechnung für das <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeiten entflochtene Segment Netz führt zu<br />
einer valablen Alternative zu der <strong>von</strong> der Unbundling-Praxis der EU geprägten Fiktion<br />
der rechtlichen Selbstständigkeit des Netzbetriebs und dem damit verbundenen An-<br />
910 Vgl. zur Ausdehnung des buchhalterischen Unbundling auf die Netzeigentümer: Kapitel 3.4.2a).<br />
911<br />
Vgl. zum Segmentierungsgrad Kapitel 2.4.2 sowie zu den Segmentierungsverfahren Kapitel<br />
4.1.3ff.<br />
912<br />
Vgl. dazu Kapitel 2.4 hiervor.
Gestaltungsempfehlungen 263<br />
spruch der totalen Segmentierung. 913 Die in Kapitel 4.1 dargelegten Erfahrungen mit<br />
der Umsetzung des buchhalterischen Unbundling in Deutschland und Österreich sowie<br />
die allgemeine Segmentierungstheorie haben gezeigt, dass diese Fiktion je nach Grös-<br />
se und Struktur eines Stromverteilnetzbetreibers den entscheidenden Nachteil hat, dass<br />
arbiträre Allokationen <strong>von</strong> zentral genutzten Vermögenswerten, übergreifend begrün-<br />
deten Verbindlichkeiten sowie <strong>von</strong> nicht auf Segmentebene beeinflussbaren Ge-<br />
schäftsvorfällen anhand <strong>von</strong> Schlüsseln erfolgen müssen. Der Segmentierungsgrad<br />
orientiert sich dabei nicht an der internen Unternehmensrealität, sondern wird <strong>von</strong> aus-<br />
sen definiert. Eine effektiv und vollständig getrennte Buchführung kann – dies hat die<br />
Praxis <strong>unter</strong> den expliziten Vorgaben in der EU gezeigt – nicht gefordert werden. 914<br />
Zudem besteht diese Problematik grundsätzlich unabhängig vom gewählten Segmen-<br />
tierungsverfahren – selbst bei vollständiger Trennung der Buchführung –, solange die<br />
Entflechtung weitgehend Fiktion bleibt und nicht einer Abbildung der organisatori-<br />
schen Realität entspricht. Entfernt sich das buchhalterisches Unbundling zu stark <strong>von</strong><br />
der organisatorischen Realität, besteht die Gefahr, dass die in Kapitel 3.5 aus dem gel-<br />
tenden Recht abgeleiteten GoS zum buchhalterischen Unbundling nicht erfüllt werden<br />
können und die Informationsqualität infolgedessen sinkt. 915<br />
Die empirische Erhebung in Kapitel 6 hat gezeigt, dass – trotz der überwiegenden<br />
Durchführung des buchhalterischen Unbundling – die partielle Segmentierung und<br />
Offenlegung aus Sicht der befragten Stromverteilnetzbetreiber den Normalfall darstellt<br />
(insbesondere in Bezug auf die Bilanz), während die totale Segmentierung und Offenlegung<br />
die Ausnahme bleiben dürfte. 916 Ferner ist das für Verteilnetzbetreiber freiwillige,<br />
rechtliche Unbundling aktuell und in naher Zukunft erst in Einzelfällen umgesetzt<br />
bzw. geplant, selbst bei grossen EVU. 917 Der Ansatz einer einheitlichen Segmentrechnung<br />
ist im Vergleich zur Forderung einer totalen Segmentierung und Offenlegung<br />
daher nicht nur konzeptionell zu bevorzugen, sondern kommt auch der Praxis näher.<br />
c) Würdigung aus Sicht des geltenden Rechts und der Anspruchsgruppen<br />
Die Vorgaben des StromVG zur Jahresrechnung bezwecken eine Public Accountability<br />
der Schweizer Stromverteilnetzbetreiber in Bezug auf ihre konzessionierte und regu-<br />
913 Vgl. zu den Vorgaben der EU Kapitel 3.3 sowie zur praktischen Umsetzung Kapitel 4.1.<br />
914<br />
Vgl. Kapitel 3.4.1b).<br />
915<br />
So auch die Ausführungen zur Aussagekraft der Offenlegung in Kapitel 4.3.1.<br />
916 Vgl. die Auswertungen in Kapitel 6.3.3 und 6.5.1.<br />
917 Vgl. Kapitel 6.3.1 und 6.3.2.
264 Gestaltungsempfehlungen<br />
lierte Monopolinfrastruktur. Die Segmentrechnung Netz soll einen wesentlichen Bei-<br />
trag zur Transparenz leisten und die Einhaltung des Verbots <strong>von</strong> Quersubventionierungen<br />
und Diskriminierungen sowie der regulatorischen Vorgaben zur Netzentgeltermittlung<br />
öffentlich zum Ausdruck bringen. 918 Die Empfehlung zur Erstellung einer einheitlichen<br />
Segmentrechnung anstelle einer fiktiven, vollständigen Jahresrechnung trägt der<br />
Public Accountability insofern Rechnung, als mit die Reduktion der zwingenden Segmentierungs-<br />
und Offenlegungstiefe eine Verbesserung der Verlässlichkeit, der Relevanz,<br />
der Verständlichkeit sowie der Vergleichbarkeit einhergeht und damit insgesamt<br />
eine höhere Informationsqualität erreicht werden kann. 919 Die Einhaltung der GoS<br />
wird mit dem Ansatz der Segmentrechnung insbesondere auch für kleine Netzbetreiber<br />
und für unselbständige Gemeindewerke ermöglicht. 920 Die Konformität der grundsätzlichen<br />
Empfehlung einer Segment- statt einer Jahresrechnung mit dem geltenden Recht<br />
dürfte aufgrund der zu erwartenden Zielerreichung vor dem Hintergrund der fehlenden<br />
rechtlichen Präzisierungen und zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit<br />
gegeben sein. Die Ausnahmebestimmung für rechtlich eigenständige Netzgesellschaften,<br />
welche dem Wortlaut des StromVG mit Offenlegung ihres Einzelabschlusses vollständig<br />
entsprechen können, verhindert in diesen Fällen unnötigen Zusatzaufwand.<br />
Aus Sicht der Anspruchsgruppen dürfte diese grundsätzliche Empfehlung <strong>unter</strong>schiedlich<br />
aufgefasst werden. Während mehrere Vertreter der Eigentümer und der Revision<br />
die Lösung sogar selber skizzierten bzw. vom Ansatz als sinnvoll beurteilten, erwarten<br />
die meisten Vertreter <strong>von</strong> Kunden und Behörden aufgrund des Wortlauts des geltenden<br />
Rechts eine vollständige Jahresrechnung. 921 Ihre Erwartungen könnten daher mit einer<br />
einheitlichen Segmentrechnung nicht vollständig erfüllt werden. Jedoch sollte durch<br />
eine Verbesserung der Qualität der offengelegten Informationen, mit einem Hinweis<br />
auf die Segmentierungsproblematik sowie durch den Verweis auf die in der kapitalmarktorientierten<br />
Finanzberichterstattung etablierte Praxis eine Zustimmung zum Ansatz<br />
der Segmentrechnung realistisch sein. Ferner sollte dadurch die sich abzeichnende<br />
Vergrösserung des Expectation Gap – welcher in Bezug auf die Rechnungslegung und<br />
918<br />
Vgl. zur Zielsetzung aus rechtlicher Sicht Kapitel 3.1 und aus Sicht der Experten Kapitel 5.2.3.<br />
919<br />
Zur Informationsqualität im Sinne der Decision Usefulness: Vgl. Kapitel 2.4.1.<br />
920<br />
Erstere aufgrund der personellen und organisatorischen Integration <strong>von</strong> Vertrieb und Verteilung<br />
(vgl. Kapitel 6.2.3 und 6.2.4 der Erhebung), Letztere durch die teilweise fehlende buchhalterische<br />
Selbstständigkeit (vgl. Kapitel 2.3.2c).<br />
921<br />
Vgl. Kapitel 5.2.4 zur Ausgestaltung aus Sicht der verschiedenen Expertengruppen.
Gestaltungsempfehlungen 265<br />
Revision im Allgemeinen 922 und hinsichtlich der Ergebnisse der Strommarktliberalisie-<br />
rung im Speziellen 923 bereits vorhanden ist – verhindert werden. Die Aussagekraft ei-<br />
ner Jahresrechnung wird sonst schon vielfach überschätzt und deren Abhängigkeit <strong>von</strong><br />
den Rechnungslegungsstandards zu wenig beachtet. 924 Die Sicherstellung der Einhal-<br />
tung der GoS, die Erhöhung der Informationsqualität sowie der Abbau <strong>von</strong> zu hohen<br />
Erwartungen an das buchhalterische Unbundling bzw. an dessen Offenlegung kann nur<br />
durch eine einheitliche Interpretation gewährleistet werden. Durch die Einschränkung<br />
auf systemimmanente Ermessensspielräume 925 – zum Beispiel im Rahmen der Kosten-<br />
allokation – werden das Risiko der Minimierung <strong>von</strong> Aufwand und Transparenz durch<br />
Stromverteilnetzbetreiber 926 sowie die aus der empirischen Befragung hervorgehende<br />
Heterogenität in der Offenlegung 927 gemildert, so dass sich der Nutzen der Berichter-<br />
stattung erhöht.<br />
7.2 Buchhalterisches Unbundling<br />
7.2.1 Organisatorische Abbildung der Segmentierung<br />
a) Gestaltungsempfehlung Nr. 2<br />
Das zu entflechtende Segment Netz soll im Minimum die Aktivitäten des<br />
Netzbetreibers sowie Leistungen <strong>von</strong> seinerseits beauftragten Dritten<br />
umfassen, insbesondere den Bau, den Betrieb und die Instandhaltung<br />
der Verteilnetz-Infrastruktur sowie der Netzanschlüsse, die hoheitliche<br />
Installationskontrolle, die Kundenmessung sowie den Vertrieb und die<br />
Verwaltung des Netzbereiches. Alle übrigen wesentlichen Tätigkeiten,<br />
insbesondere der Stromvertrieb, sind da<strong>von</strong> buchhalterisch abzugrenzen.<br />
Das Unbundling des Segments Netz sollte, sofern aufgrund der Be-<br />
triebsgrösse wirtschaftlich realisierbar, zur Sicherstellung einer mög-<br />
922 Vgl. zum Expectation Gap in Rechnungslegung und Revision etwa STÖRCK (1999) oder BEHR<br />
(1996).<br />
923 Vgl. Kapitel 5.2.1 zu der mit hohen Erwartungen verbundenen Beurteilung der Strommarktlibera-<br />
lisierung.<br />
924 HWP, Ziff. 3. 116.<br />
925 Zum Beispiel bei der Segmentbildung (vgl. Kapitel 4.1.2), bei der Segmentkonzeption (vgl. Kapitel<br />
4.1.1), bei Kostenallokationen (vgl. insbesondere Kapitel 4.1.5) oder bei Bewertungsfragen<br />
(vgl. Kapitel 4.2).<br />
926 Vgl. Kapitel 2.4.3 zur Anreizsituation im Zusammenhang mit der Offenlegung.<br />
927 Vgl. Kapitel 6.5.
266 Gestaltungsempfehlungen<br />
lichst plausiblen Segmentierung ihren Niederschlag in der Unterneh-<br />
mensorganisation finden. Die Segmentierung <strong>von</strong> bestehenden Vermö-<br />
genswerten und Verbindlichkeiten (Erstsegmentierung) bzw. <strong>von</strong> neuen<br />
Geschäftsvorfällen (Folgesegmentierung) auf die rechtlich unselbstän-<br />
dige Einheiten soll sich danach richten, welches operative Segment oder<br />
ob ein zentraler Bereich wirtschaftlicher Eigentümer ist, und damit<br />
Chancen und Risiken der Nutzung wahrnimmt bzw. über Art und Um-<br />
fang des Geschäftsvorfalls entscheiden kann. 928<br />
b) Begründung aus theoretischer und empirischer Sicht<br />
Die Abgrenzung des Netzbereichs hat sich entsprechend der Zielsetzung des Unbund-<br />
ling des natürlichen Monopols und der damit zusammenhängenden regulatorischen<br />
Vorgaben unabhängig <strong>von</strong> flankierenden Massnahmen im Zuge der Liberalisierung im<br />
Bereich des Stromvertriebs auszurichten. 929 Parallel zu dem in dieser Arbeit vertieft<br />
erörterten buchhalterischen Unbundling gilt es, die ebenfalls in ihrer Anwendung noch<br />
interpretationsbedürftigen Vorgaben zum informatorischen Unbundling durch sämtli-<br />
che Stromverteilnetzbetreiber umzusetzen. 930 Auch wenn in der Theorie buchhalteri-<br />
sche, informatorische, organisatorische, rechtliche und eigentumsmässige Unbundling-<br />
Formen <strong>unter</strong>schieden werden können, 931 hängen insbesondere die ersten drei Formen<br />
in der praktischen Umsetzung eng zusammen. Sowohl die buchhalterische wie auch<br />
die informatorische Unabhängigkeit des Netzbereichs legen eine organisatorische Ab-<br />
bildung des Verteilnetzes als eigene Einheit nahe, wenn auch auf strikte personelle<br />
Unabhängigkeiten – wie sie im Fall der EU <strong>unter</strong> der organisatorischen Entflechtung<br />
vorgeschrieben sind – verzichtet werden kann. Laut den Erhebungsergebnissen ist die<br />
Umsetzungsquote – im Unterschied zum buchhalterischen Unbundling – sowohl beim<br />
zwingenden informatorischen Unbundling als auch beim freiwilligen organisatori-<br />
schen Unbundling bisher äusserst tief. 932 Dieses Ergebnis schliesst nicht aus, dass eine<br />
Abbildung der Segmentierung in der innerbetrieblichen Organisation besteht, sondern<br />
zeigt lediglich auf, dass bislang auf die Umsetzung strengerer Vertraulichkeits- bzw.<br />
Unabhängigkeitsvorgaben verzichtet wurde. Daher kann die organisatorische Veranke-<br />
928 In Anlehnung an HAASE (1996), S. 22.<br />
929 Vgl. die Auslegung in Kapitel 3.4.1a).<br />
930 Vgl. Kapitel 2.2.4.<br />
931 Vgl. zu den Unbundling-Formen die Übersicht in Kapitel 2.2.2.<br />
932 Vgl. Kapitel 6.3.1.
Gestaltungsempfehlungen 267<br />
rung der Segmentbildung aus konzeptioneller Sicht und zum Nutzen der Stromverteil-<br />
netzbetreiber – trotz einer tiefen Umsetzungsquote bei Unbundling-Formen, die über<br />
die die Buchhaltung hinausgehen – befürwortet werden. 933 Die damit verbundene in-<br />
nerbetriebliche Transparenz des regulierten Bereichs Netz ermöglicht eine adäquate<br />
finanzielle Führung, 934 verhindert eine rein fiktive Segmentierung im Rahmen der<br />
Buchhaltung und erhöht damit – in Anlehnung an den Management Approach – die<br />
Informationsqualität der Segmentdaten. 935<br />
Eine konsistente Segmentbildung und klare Abgrenzungen bilden die Grundlage einer<br />
sachgerechten und stetigen buchhalterischen Entflechtung. Durch die Abgrenzung<br />
zentraler Bereiche (zum Beispiel gemäss dem Shared-Services-Ansatz 936 oder aufgrund<br />
interner Finanzierungskonzepte 937 ) und die Etablierung interner Verrechnungssysteme<br />
lässt sich die Segmentierung – im Sinne des Autonomous Entity Approach –<br />
optimieren und die bestehenden Economies of Scope können beibehalten werden.<br />
c) Würdigung aus Sicht des geltenden Rechts und der Anspruchsgruppen<br />
Die Auslegung <strong>von</strong> Art. 10 StromVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit a und 15 Abs.<br />
2 StromVG sowie Art. 7 Abs. 3 StromVV führte zur Definition des buchhalterisch abzugrenzenden<br />
Netzbereichs gemäss der obigen Empfehlung. 938 Die organisatorische<br />
Fundierung des Unbundling ist – sofern aufgrund der Grösse des Netzbetreibers überhaupt<br />
umsetzbar – gemäss der generellen Unabhängigkeitsvorgabe <strong>von</strong> Art. 10 Abs. 1<br />
StromVG angemessen, solange der <strong>von</strong> den strengeren Vorschriften zur organisatorischen<br />
Unabhängigkeit der EU differenzierten Auslegung in Kapitel 3.4.1a) Folge geleistet<br />
wird. Die in Kapitel 6.2.3 nachgewiesene Marktfragmentierung der Stromverteilung<br />
führt jedoch dazu, dass viele Kleinstbetriebe eine Segmentierung der Buchhaltung<br />
auch ohne organisatorische Abbildung vornehmen müssen. Die hohe Umset-<br />
933<br />
Vgl. Kapitel 4.1.1 zur Segmentkonzeption und Kapitel 4.1.2 zur Segmentbildung.<br />
934<br />
Diese wird beispielweise <strong>von</strong> STENDER (2008) in Form <strong>von</strong> Netz-Performance-Cockpits postuliert.<br />
935<br />
Vgl. dazu das Zwischenfazit aus theoretischer Sicht in Kapitel 4.4 sowie die Ausführungen zum<br />
Management Approach <strong>unter</strong> IFRS 8 in Kapitel 2.4.2.<br />
936<br />
Vgl. Kapitel 4.1.2b).<br />
937<br />
Etwa aufgrund der im Kapitel 4.1.6ff. erwähnten Konzepte nach DORPRIGTER (Finanzfondskonzept),<br />
KIND oder HAASE, wobei jeweils umfassende Kenntnisse in der Konsolidierungstechnik<br />
notwendig sind. Auch dürfte der Ausweis interner Beteiligungen und Finanzierungsströme für<br />
Aussenstehende einen hohen Bedarf an Erläuterungen mit sich bringen.<br />
938<br />
Vgl. Kapitel 3.4.1a).
268 Gestaltungsempfehlungen<br />
zungsquote des buchhalterischen Unbundling zeigt, dass die Segmentierung selbst bei<br />
Kleinstbetrieben – aufgrund der tieferen Komplexität – nach entsprechenden Verfahren<br />
möglich ist. 939<br />
Die Sicht der Anspruchsgruppen auf das buchhalterische Unbundling beschränkt sich<br />
auf die mehrheitliche Erwartung einer wirksamen Umsetzung dieser verhältnismässig<br />
moderaten Massnahme. 940 Dieser Erwartung an die Wirksamkeit wird durch die grös-<br />
senabhängige Empfehlung einer organisatorischen Abbildung der Segmentierung<br />
Rechnung getragen. Diese Empfehlung berücksichtigt die Expertenmeinung in Bezug<br />
auf die Verhältnismässigkeit, indem sie nicht eine strenge organisatorische Unabhän-<br />
gigkeit im Sinne des organisatorischen Unbundling, sondern lediglich die organisatori-<br />
sche Verankerung der Segmentierung fordert.<br />
7.2.2 Konsistente Datengrundlage der Kosten- und Segmentrechnung<br />
a) Gestaltungsempfehlung Nr. 3<br />
In Anlehnung an den Management Approach der kapitalmarktorientierten<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> soll der öffentliche Ausweis in Form einer<br />
Segmentrechnung <strong>unter</strong> Berücksichtigung <strong>von</strong> sachlichen Abgrenzungen<br />
auf den gleichen buchhalterisch entflochtenen Grundlagen basieren, auf<br />
denen auch der interne, für die Kalkulation der Netznutzungsentgelte<br />
verwendete Ausweis der Kostenrechnung erfolgt. Die regulatorische<br />
Kostenrechnung, die durch rechtliche Vorgaben sowie detaillierte Branchenrichtlinien<br />
weitgehend und einheitlich spezifiziert ist, soll als Mindestmassstab<br />
der partiellen Segmentierung dienen.<br />
b) Begründung aus theoretischer und empirischer Sicht<br />
Vergleichbar mit den Motiven zur Harmonisierung der internen und externen Rechnungslegung<br />
ist es für Stromverteilnetzbetreiber naheliegend, die regulatorisch zwingende<br />
Kostenrechnung im Rahmen der Buchführung durch synchrone Buchungsverfahren<br />
progressiv zu führen und daraus möglichst automatisiert eine konsistente Segmentrechnung<br />
abzuleiten. 941 Vorteilhaft an der Wahl des betriebsbuchhalterischen<br />
Segmentierungsverfahrens ist – neben der notwendigen Konsistenz der regulatorisch<br />
939<br />
Vgl. Kapitel 6.3.3.<br />
940<br />
Vgl. Kapitel 5.2.2.<br />
941<br />
Vgl. zur betriebsbuchhalterischen Segmentierung Kapitel 4.1.4.
Gestaltungsempfehlungen 269<br />
induzierten Ausweise und der damit verbundenen Nachvollziehbarkeit 942 – auch die<br />
Möglichkeit einer integrierten Anwendung zur finanziellen Unternehmensführung.<br />
Wenn die Segmentrechnung bzw. die Kostenrechnung neben der regulatorischen Funk-<br />
tion durch Aufbereitung finanzieller Führungsinformationen auch eine interne Rele-<br />
vanz erhält, können die zusätzlichen Kosten – gerade bei bisher finanziell nicht seg-<br />
mentierten Unternehmen – durch den Nutzen aufgewogen werden. 943 Empirisch erwies<br />
sich das buchhalterische Unbundling aufgrund der Kostenrechnung in Bezug auf Auf-<br />
wand und Ertrag als mehrheitsfähige Lösung. 944 Die Anwendung der anderen in Kapi-<br />
tel 4.1 beschriebenen Verfahren, insbesondere der Zusatzkontierung oder der separaten<br />
Kontenführung, wird indes nicht ausgeschlossen, solange die Ergebnisse konsistent<br />
mit dem Ausweis in der Kostenrechnung erfolgen.<br />
Zur Umsetzung der regulatorische Kostenrechnung ist eine weitgehende Segmentie-<br />
rung der Erfolgsrechnung notwendig, um die vom Netz verursachten Kosten möglichst<br />
vollständig anrechnen zu können, dafür aber nur eine partielle Segmentierung der Bi-<br />
lanz. Mit dem Anlagevermögen und dem Nettoumlaufvermögen sind – für die Berech-<br />
nung der Kapitalkosten nach Art. 13 Abs. 3 lit. a StromVV – die zwingend zu segmen-<br />
tierenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eindeutig bestimmt. Will ein Strom-<br />
verteilnetzbetreiber die Kapitalkosten im Rahmen der Kalkulation geltend machen, ist<br />
er auf die Segmentierung dieser Bilanzpositionen angewiesen. Diese Segmentierung<br />
kann somit, bei Verzicht auf eine totale Segmentierung gemäss Gestaltungsempfehlung<br />
Nr. 1, als Mindestmass für die Tiefe des buchhalterischen Unbundling herangezogen<br />
werden.<br />
Der Ansatz der Segmentierung der Buchhaltung basierend auf der Kostenrechnung<br />
funktioniert im Vergleich zur Lösung in Deutschland gerade in entgegengesetzter<br />
Richtung. In Deutschland liegt der Schwerpunkt der rechtlichen Vorgaben und Auslegungen,<br />
basierend auf den EU-Bestimmungen, auf einer einheitlichen HGB-<br />
Rechnungslegung nach Segmenten. 945 Die geforderte Kontentrennung soll eine transparente<br />
Darstellung der tatsächlichen Netzkosten in der Rechnungslegung ermöglichen<br />
und als eine sachgerechte und nachvollziehbare Grundlage für die Berechnung der<br />
942<br />
Vgl. Kapitel 3.7 sowie Kapitel 4.1.6.<br />
943<br />
So spricht HAASE (1996), S. 4, auch der Segmentrechnung eine interne Steuerungsaufgabe zu.<br />
944 Vgl. Kapitel 6.3.3a).<br />
945 Vgl. Kapitel 3.3.
270 Gestaltungsempfehlungen<br />
Netzentgelte fungieren. 946 Zwar stehen analog zur Schweiz segmentierte Informatio-<br />
nen zwecks Überprüfung der Netznutzungsentgelte durch die Regulierungsbehörde im<br />
Zentrum. 947 Jedoch wurde anstelle der Kostenrechnung auf Gesetzesebene primär die<br />
Rechnungslegung <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> definiert und der Nachweis der<br />
Netzkosten auf die Segmentrechnung abgestellt. 948 Dieser Ansatz dürfte im Vergleich<br />
zum Schweizer Recht einfacher verständlich und bezüglich der Auslegung der Konsistenzanforderung<br />
weniger anfällig sein. Faktisch führen beide Ansätze – <strong>unter</strong> Einhaltung<br />
der Gestaltungsempfehlungen – zum gleichen Ergebnis.<br />
c) Würdigung aus Sicht des geltenden Rechts und der Anspruchsgruppen<br />
Die empfohlene Konsistenz lässt sich aus systematischer und telelogischer Sicht auch<br />
<strong>unter</strong> den offenen Vorgaben des StromVG vertreten. Gesetz und Verordnung bringen<br />
die Verknüpfung der Jahres- und Kostenrechnung durch deren gemeinsame Abhandlung<br />
in Art. 11 Abs. 1 StromVG und Art. 7 StromVV als zwei sich ergänzende Ausweise<br />
des gleichen Sachverhalts mit <strong>unter</strong>schiedlichen Adressaten und einer verschiedenen<br />
Offenlegungstiefe zum Ausdruck. 949 Eine Nichteinhaltung dieser Empfehlung<br />
würde Differenzen in der Segmentdefinition, den Verrechnungsprinzipien sowie in den<br />
Allokationen zulassen und damit zu <strong>unter</strong>schiedlichen Segmentdarstellungen gegenüber<br />
der ElCom sowie gegen aussen führen. Eine solche Praxis dürfte weder dem GoS<br />
der Sachgerechtigkeit noch dem GoS der Nachvollziehbarkeit gerecht werden.<br />
Aufgrund der empirischen Erkenntnisse zum Management Approach 950 darf aus Sicht<br />
der Anspruchsgruppen mit der Konsistenz der interner, regulatorischen Kostenrechnung<br />
und der externer Segmentrechnung – <strong>unter</strong> Berücksichtigung sachlicher Abgrenzungen<br />
– eine höhere Verlässlichkeit und Relevanz der öffentlichen Ausweise erwartet<br />
werden. Der Informationsqualität förderlich ist auch die Vorgabe einer minimalen partiellen<br />
Segmentierung, basierend auf der kostenrechnerischen Notwendigkeit, da damit<br />
seitens der Stromverteilnetzbetreiber auf artifizielle, nur für die Offenlegung der Segmentrechnung<br />
ermittelte Segmentdaten ohne interne Relevanz verzichtet werden<br />
946<br />
BUNDESNETZAGENTUR (2006) zit. in KREBS (2007), S. 1427.<br />
947<br />
Vgl. ELLERICH (2006), S. 837.<br />
948<br />
So verweist etwa die StromNEV in Art. 5 explizit auf die Relevanz aufwandsgleicher Kostenpositionen.<br />
In Deutschland ist zudem die Anrechnung <strong>von</strong> effektiven Fremdkapitalzinsen vorgesehen,<br />
was eine Segmentierung des verzinslichen Fremdkapitals bedingt. Kalkulatorische Kosten begrenzen<br />
sich gemäss der StromNEV auf die Abschreibungen, Steuern und Eigenkapitalzinsen.<br />
949<br />
Vgl. Kapitel 3.4.2c) sowie Kapitel 3.7.<br />
950 Vgl. zum Management Approach Kapitel 2.4.2 und 2.4.3.
Gestaltungsempfehlungen 271<br />
kann. 951 Die Konsistenzempfehlung erfüllt dabei auch das <strong>von</strong> mehreren Experten ge-<br />
nannte Teilziel der Abstimmung kalkulatorischer Kostennachweise der Netzbetreiber<br />
mit den finanzbuchhalterischen Werten in der Segmentrechnung durch die ElCom. 952<br />
7.3 Bewertung<br />
7.3.1 Aussagekräftige Rechnungslegung<br />
a) Gestaltungsempfehlung Nr. 4<br />
Die Public Accountability <strong>von</strong> EVU über deren Monopolaktivität Vertei-<br />
lung begründet hohe Erwartungen bezüglich ihrer finanziellen Bericht-<br />
erstattung. Als öffentlichen Unternehmen 953 ist ihnen die Anwendung ei-<br />
nes anerkannten Rechnungslegungsstandards, wie Swiss GAAP FER<br />
oder IFRS, für die Kommunikation mit Kapitalgebern, Mitarbeitenden,<br />
Behörden sowie der Öffentlichkeit zu empfehlen, unabhängig <strong>von</strong> der<br />
Rechtsform und der Eigentümerschaft.<br />
Für die Segmentrechnung Netz ist die im integrierten Einzel- oder Kon-<br />
zernabschluss angewandte Rechnungslegung massgeblich. Bei der An-<br />
wendung eines anerkannten Rechnungslegungsstandards im integrierten<br />
Einzel- oder Konzernabschluss soll die Segmentrechnung Netz zur Si-<br />
cherstellung der Informationsqualität ebenfalls nach diesem Standard<br />
ausgewiesen werden.<br />
b) Begründung aus theoretischer und empirischer Sicht<br />
Die Überlegungen des IASB zur Public Accountability im Zusammenhang mit den<br />
IFRS for SME haben gezeigt, wie hoch die Erwartungen an Stromverteilnetzbetreiber<br />
als öffentliche Unternehmen sein können. 954 Die Wahl eines anerkannten Rechnungs-<br />
legungsstandards ist dabei nach BEHR die primäre Möglichkeit, den im Zusammen-<br />
hang mit der Segmentrechnung Netz noch vergrösserten Expectation Gap zwischen<br />
Erwartungen der Anspruchsgruppen und der Umsetzung durch das Unternehmen zu<br />
951 Vgl. dazu auch das Fazit aus der theoretischen Konzeption in Kapitel 4.4.<br />
952 Vgl. Kapitel 5.2.3 sowie im Speziellen Fussnote 795.<br />
953 Im Sinne <strong>von</strong> SONDEREGGER (2004) als Unternehmen mit öffentlichem Versorgungsauftrag, unabhängig<br />
<strong>von</strong> der Eigentümerschaft. Vgl. Kapitel 2.3.1e).<br />
954 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 2.3.1e).
272 Gestaltungsempfehlungen<br />
minimieren. 955 Die erhöhte Aussagekraft anerkannter Rechnungslegungsstandards bei<br />
einzelnen <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> ist dabei einer formellen Vergleichbarkeit durch<br />
eine einheitliche Empfehlung <strong>von</strong> OR oder HRM vorzuziehen, da sich diese Rech-<br />
nungslegungsvorschriften durch hohe Freiheitsgrade und damit durch eine inhärente<br />
Heterogenität aufgrund einer individuellen Bilanzpolitik auszeichnen. 956 Denkbar wäre<br />
eine solche Vereinheitlichungsempfehlung erst im Zusammenhang mit dem neuen<br />
Rechnungslegungsrecht (E-OR), welches grössenabhängige Vorschriften vorsieht. 957<br />
Die empirische Auswertung der bisher verwendeten Rechnungslegungsstandards hat<br />
gezeigt, dass – nämlich mit 86% aller Betreiber – sich bisher die überwiegende Mehrheit<br />
am gesetzlichen Minimum orientiert und dass die Grössen<strong>unter</strong>schiede zwischen<br />
OR- bzw. HRM-Anwendern und den Anwendern <strong>von</strong> Swiss GAAP FER bzw. IFRS<br />
signifikant sind. 958 Eine nach Art. 11 Abs. 2 StromVG grundsätzlich mögliche Vorgabe<br />
eines anerkannten Rechnungslegungsstandards für sämtliche Stromverteilnetzbetreiber<br />
auf Verordnungsebene dürfte daher – bei fraglicher Durchsetzbarkeit – relativ hohe<br />
Kosten zur Folge haben. Dennoch gilt es aus Sicht der einzelnen Stromverteilnetzbetreiber,<br />
Kosten und Nutzen einer Umstellung der Rechnungslegung auf Swiss<br />
GAAP FER 959 oder IFRS 960 abzuwägen. Relevant dürfte dabei neben internen Überlegungen<br />
auch die Antizipation der absehbaren Entwicklungen der gesetzlichen Rechnungslegung<br />
im Zusammenhang mit dem neuen Rechnungslegungsrecht sowie der<br />
Weiterentwicklung der öffentlichen Rechnungslegung mit HRM II 961 sein. Ferner kann<br />
die Wahl eines anerkannten Standards im Zusammenhang mit dem Risiko <strong>von</strong> Fehlinterpretationen<br />
der ausgewiesenen Kapitalrendite stehen, falls aufgrund der vergangenen<br />
Bilanzpolitik wesentliche Bewertungsdifferenzen zwischen der betriebswirtschaft-<br />
955<br />
Vgl. BEHR (1996), S. 54.<br />
956<br />
Vgl. zu den einzelnen Rechnungslegungsvorschriften Kapitel 2.3.1ff. sowie Kapitel 4.2.2a) in<br />
Bezug auf die Bewertungsvorschriften des für Stromverteilnetzbetreiber wesentlichen Anlagevermögens.<br />
957<br />
Vgl. Art. 727 Abs. 2 OR. Danach gelten Firmen dann als Gross<strong>unter</strong>nehmen, wenn in zwei aufeinander<br />
folgenden Geschäftsjahren zwei der drei nachfolgenden Kriterien im Jahresdurchschnitt<br />
überschritten werden: CHF 10 Mio. Bilanzsumme; CHF 20 Mio. Umsatzerlös; 50 Vollzeitstellen.<br />
Vgl. zu den Grössenkriterien im Schweizer Gesellschaftsrecht: SCHÜLE (2009).<br />
958<br />
Vgl. Kapitel 6.4.1.<br />
959<br />
Wobei für kleinere Gesellschaften auch die Beschränkung auf die Kern-FER zu prüfen ist. Vgl.<br />
Kapitel 2.3.1c).<br />
960<br />
Inklusive IFRS for SME. Vgl. 2.3.1d).<br />
961 Vgl. Kapitel 2.3.2b).
Gestaltungsempfehlungen 273<br />
lichen Bewertung und dem buchmässigen Vermögensausweis bestehen. 962 Mit dem<br />
neuen modularen Aufbau der Swiss GAAP FER besteht auch für kleinere Stromver-<br />
teilnetzbetreiber eine Alternative zum gesetzlichen Abschluss nach OR oder HRM.<br />
c) Würdigung aus Sicht des geltenden Rechts und der Anspruchsgruppen<br />
Das geltende Recht verzichtet bisher – im Unterschied zu den Vorgaben der EU – auf<br />
die Ausübung der in Art. 11 Abs. 2 StromVG verankerten Option zur Vereinheitlichung<br />
der Rechnungslegung und ermöglicht damit die Anwendung der gesetzlichen Mini-<br />
malvorgaben, unabhängig vom Einsatz anerkannter Rechnungslegungsstandards im<br />
jeweiligen Unternehmen. 963 Aus Sicht vieler Experten wäre die Vereinheitlichung<br />
durch Vorgabe einer vergleichbaren Rechnungslegung zwar wünschbar, aber aufgrund<br />
der Marktstruktur aktuell nicht verhältnismässig sowie faktisch kaum durchsetzbar. 964<br />
Dennoch bestehen für Stromverteilnetzbetreiber zunehmend gute Gründe, die Wahl<br />
eines aussagekräftigen Rechnungslegungsstandards zu prüfen und damit allfälligen<br />
zukünftigen Vereinheitlichungsvorgaben zuvorzukommen.<br />
7.3.2 Ausweis kalkulatorischer Werte<br />
a) Gestaltungsempfehlung Nr. 5<br />
Für die Definition und die Bewertung der Positionen der Segmentrechnung<br />
Netz ist grundsätzlich die im integrierten Einzel- oder Konzernabschluss<br />
angewandte Rechnungslegung massgeblich.<br />
Die nach Vorgaben des StromVG und der StromVV erfolgte, kalkulatorische<br />
Bewertung der Sachanlagen des Verteilnetzbereichs sowie deren<br />
betriebswirtschaftliche Abschreibung über die Nutzungsdauer können im<br />
Fall <strong>von</strong> wesentlichen stillen Reserven aus Gründen der Aussagekraft in<br />
der Segmentrechnung ausgewiesen werden. Bei einem Ausweis ist eine<br />
Überleitung auf die Buchwerte sowie eine entsprechende Erläuterung<br />
der Abweichung <strong>von</strong> den massgeblichen Rechnungslegungsvorschriften<br />
vorzunehmen. Andere kalkulatorische Kostenelemente, insbesondere<br />
kalkulatorische Kapitalzinsen, bleiben ausgeschlossen.<br />
962<br />
Vgl. dazu die illustrierten Effekte sowie die Optionen im Umgang mit Bewertungsdifferenzen in<br />
Kapitel 4.2.2d).<br />
963<br />
Vgl. Kapitel 3.1 sowie 3.4.2c).<br />
964 Vgl. Kapitel 5.2.5.
274 Gestaltungsempfehlungen<br />
b) Begründung aus theoretischer und empirischer Sicht<br />
Mit den Vorgaben <strong>von</strong> Art. 15 Abs. 3 StromVG und Art. 13 StromVV verfügen sämtli-<br />
che Schweizer Verteilnetzbetreiber erstmals über betriebswirtschaftliche und weitgehend<br />
vergleichbare Anlagenwerte. Diese <strong>unter</strong>scheiden sich bei der Mehrheit der<br />
Stromverteilnetzbetreiber aufgrund <strong>von</strong> stillen Reserven wesentlich <strong>von</strong> den vorhandenen<br />
Buchwerten, 965 welche – je nach Rechnungslegungsvorschriften und bisheriger<br />
Aktivierungs- und Abschreibungspolitik – sehr <strong>unter</strong>schiedlich ausfallen können. Unabhängig<br />
vom Ausmass der Bewertungsdifferenzen plant eine Mehrheit <strong>von</strong> 55.7% der<br />
Stromverteilnetzbetreiber in der Segmentrechnung Netz kalkulatorische Werte auszuweisen.<br />
966 Gemäss den in Kapitel 4 festgehaltenen Erkenntnissen ist ein solcher Ausweis<br />
in Anlehnung an den Full Management Approach <strong>unter</strong> IFRS 8 aus Gründen der<br />
Relevanz und der Vergleichbarkeit zu befürworten, jedoch zur Sicherstellung der<br />
Nachvollziehbarkeit und zur Einhaltung der Massgeblichkeit der im integrierten Abschluss<br />
angewendeten Rechnungslegungsvorschriften durch eine Überleitung auf die<br />
Buchwerte sicherzustellen. 967 Auch ist es denkbar, die betriebswirtschaftlichen Werte<br />
lediglich als Zusatzinformation zur Relativierung des Ergebnisausweises in den Erläuterungen<br />
offenzulegen.<br />
Eine vollständige Anwendung des Full Management Approach, etwa durch die Zulässigkeit<br />
weiterer kalkulatorischen Kostenelemente, wäre der Informationsqualität infolge<br />
einer Verschlechterung der sonst schon eingeschränkten Vergleichbarkeit und einer<br />
erschwerte Nachvollziehbarkeit der Segmentrechnung Netz abträglich. Der GoS der<br />
Massgeblichkeit der Rechnungslegung, und damit die Pflicht zum Ausweis einer<br />
buchmässigen Rechnung soll – mit Ausnahme der vergleichbaren Anlagenbewertungen<br />
– Geltung behalten.<br />
c) Würdigung aus Sicht des geltenden Rechts und der Anspruchsgruppen<br />
Die Anwendung der kalkulatorischen Vorschriften zur Anlagebewertung im StromVG<br />
und StromVV im Rahmen der Segmentrechnung Netz ist – trotz der unbestrittenen<br />
Massgeblichkeit der jeweiligen Rechnungslegung – aufgrund der minimalen rechtlichen<br />
Vorgaben als freiwillige Zusatzinformation nicht auszuschliessen. Diese zusätzliche<br />
Transparenz steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben <strong>von</strong> Art. 11 StromVG,<br />
965<br />
Vgl. Kapitel 6.4.2a).<br />
966<br />
Vgl. Kapitel 6.4.3.<br />
967<br />
Vgl. dazu die Synopse der Bewertungsvorgaben in Kapitel 4.2.2a) sowie die Erläuterungen zur<br />
Aussagekraft der Segmentausweise in Kapitel 4.3.1.
Gestaltungsempfehlungen 275<br />
solange die Nachvollziehbarkeit durch Erläuterungen und Überleitung nicht einge-<br />
schränkt wird. Der Ausweis der entsprechenden Buchwerte gemäss dem massgeblichen<br />
Rechnungslegungsstandard bleibt jedoch aus rechtlicher Sicht zur Einhaltung der<br />
GoS nötig. 968 Gemäss der Auslegung in Kapitel 3.4.2c) ist eine Veröffentlichung kalkulatorischer<br />
Werte aufgrund der ausschliesslichen Offenlegungspflicht der Kostenrechnung<br />
gegenüber der ElCom freiwillig.<br />
Aus Sicht der Anspruchsgruppen dürfte einer höheren Relevanz und Vergleichbarkeit<br />
nichts entgegenstehen, solange die GoS eingehalten werden. 969 Im Hinblick auf die<br />
Verlässlichkeit wäre es empfehlenswert, die kalkulatorischen Bewertungen <strong>von</strong> unabhängiger<br />
Seite oder im Rahmen einer Tarifprüfung durch die ElCom auf ihre Rechtskonformität<br />
bestätigen zu lassen. Die grundlegenden GoR der Wahrheit, der Vollständigkeit<br />
und der Stetigkeit gelten aufgrund der Massgeblichkeit im Falle einer Offenlegung<br />
auch für solche Zusatzinformationen zur Segmentrechnung Netz. 970<br />
7.4 Offenlegung<br />
7.4.1 <strong>Segmentberichterstattung</strong> als Teil der Finanzberichterstattung<br />
a) Gestaltungsempfehlung Nr. 6<br />
Die Segmentrechnung Netz soll, sofern mit der Struktur und der Offenlegung<br />
der jährlichen Berichterstattung zu vereinbaren, als neues Element<br />
in den Finanzbericht integriert werden, um der disaggregierten Informationsfunktion<br />
der Segmentrechnung, anstelle der Eigenständigkeit<br />
als Jahresrechnung, Ausdruck zu verleihen.<br />
b) Begründung aus theoretischer und empirischer Sicht<br />
Ohne rechtliche Entflechtung bleibt das buchhalterische Unbundling, und damit die<br />
Offenlegung segmentierten Daten <strong>von</strong> rechtlich unselbstständigen Einheiten, eine Abbildung<br />
eines Teils eines integrierten EVU. Diese Offenlegung hat – im Sinne der Public<br />
Accountability – eine reine Informations- und Dokumentationsfunktion bezüglich<br />
der Verteilung und ist nicht mit einer eigenständigen Jahresrechnung einer Gesellschaft<br />
968<br />
In der ersten Auflage der Branchenrichtlinie KRSV ist eine diesem Gedanken folgende Segmentrechnung<br />
Netz illustriert. Bilanz und Erfolgsrechnung des Gesamt<strong>unter</strong>nehmens wurden zur Teilrechnung<br />
für das Netz übergeleitet, wobei im Bereich der Sachanlagen eine Aufwertung gemäss<br />
den kalkulatorischen Vorgaben des StromVG erfolgte. Vgl. MUNZ (2007), S. 26.<br />
969<br />
Im Rahmen der Expertengespräche wurde diese Frage nicht explizit besprochen.<br />
970 Vgl. zu den GoR Kapitel 2.3.
276 Gestaltungsempfehlungen<br />
gleichzusetzen. 971 Durch die Beschränkung auf eine partielle Segmentierung und den<br />
damit verbundenen Verzicht auf die Fiktion der rechtlichen Selbstständigkeit gemäss<br />
Gestaltungsempfehlung Nr. 1 werden Betriebe vor unnötigem Segmentierungsaufwand<br />
und Adressaten vor zu hohen Erwartungen bzw. vor falschen Interpretationen bewahrt.<br />
Konsequenterweise führt der Ansatz der Segmentrechnung – in Anlehnung an die etab-<br />
lierte Praxis zur <strong>Segmentberichterstattung</strong> 972 – zur Empfehlung, auch die Segment-<br />
rechnung Netz als disaggregierte Teilrechnung aufgrund der ihr fehlenden Eigenstän-<br />
digkeit in der integrierten und etablierten Finanzberichterstattung auszuweisen. In Ka-<br />
pitel 4.3.3 wurde dieser Publikationsform aus konzeptioneller Sicht aufgrund der bes-<br />
seren Nachvollziehbarkeit – dank dem besser ersichtlichen Kontext durch die restliche<br />
Finanz- und Lageberichterstattung – gegenüber der losgelösten Publikationsform der<br />
Vorzug gegeben.<br />
Die integrierte Finanzberichterstattung der Stromverteilnetzbetreiber erfolgt in 87%<br />
der Fälle öffentlich. 973 Die empirische Erhebung zeigte – mit 65.2% der befragten<br />
Stromverteilnetzbetreiber – eine relativ hohe Zustimmung zur Integration der Segmentrechnungen<br />
in die bisherige, überwiegend öffentliche Finanzberichterstattung,<br />
wobei das Ergebnis durch eine signifikant höhere Zustimmung <strong>von</strong> kleineren Netzbetreibern<br />
als <strong>von</strong> grösseren EVU geprägt wurde. 974 Den Ansatz der Fiktion rechtlicher<br />
Selbstständigkeit durch Publikation einer eigenständigen und vollständigen Jahresrechnung<br />
für das Verteilnetz bevorzugen demgegenüber nur gerade 14.1% der befragten<br />
Stromverteilnetzbetreiber. Die übrigen Betriebe planen, eine separate Publikation<br />
ohne vollständige Segmentierung bzw. Offenlegung zu erstellen, was aus Sicht der<br />
Zielsetzung der Segmentrechnung Netz ein unbefriedigendes Ergebnis darstellt.<br />
c) Würdigung aus Sicht des geltenden Rechts und der Anspruchsgruppen<br />
Das geltende Recht verpflichtet die Stromverteilnetzbetreiber lediglich zur Offenlegung<br />
der Segmentrechnung Netz und verzichtet – im Unterschied zur europäischen<br />
Lösung – auf die Vorgabe der Publikation des integrierten Jahresabschlusses. 975 Daher<br />
kann die Veröffentlichung der Segmentrechnung Netz als Teil der integrierten Finanz-<br />
971<br />
Vgl. zur Zielsetzung der Segmentrechnung Netz Kapitel 3.1 und 3.7.<br />
972<br />
Vgl. Kapitel 2.4.2 am Beispiel <strong>von</strong> IFRS 8.<br />
973<br />
Vgl. die Auswertung in Kapitel 6.5.5a).<br />
974<br />
Vgl. Kapitel 6.5.3.<br />
975<br />
Vgl. Kapitel 3.2.3 sowie 3.3.1c) zu den Vorgaben der EG-Richtlinien.
Gestaltungsempfehlungen 277<br />
berichterstattung, zum Beispiel als Bestandteil des Anhangs, 976 auf der Grundlage des<br />
geltenden Rechts nicht durchgesetzt, sondern lediglich empfohlen werden.<br />
Aus Sicht der Anspruchsgruppen dürfte eine integrierte Offenlegung, welche die<br />
Nachvollziehbarkeit erhöht und in Anlehnung an die Praxis der Segmentberichterstat-<br />
tung erfolgt, einer losgelösten Publikation ohne Kontextinformation bevorzugt werden,<br />
solange diese Offenlegung nicht einer vollständigen Jahresrechnung entspricht. 977<br />
7.4.2 Ausweis relevanter Positionen zum Netz<br />
a) Gestaltungsempfehlung Nr. 7<br />
In der Segmentrechnung Netz sollen, unabhängig <strong>von</strong> Grösse, Rechts-<br />
form und Eigentum, im Minimum die für die Ermittlung der anrechenba-<br />
ren Kosten sowie der korrespondierenden Erlöse der Netznutzung nach<br />
Art. 15 StromVG wesentlichen Aufwendungen, Erträge und Vermögens-<br />
werte des Segments nach Vorgabe des im Jahresabschluss des Gesamt-<br />
betriebs angewendeten Rechnungslegungsstandards des vergangenen<br />
Geschäftsjahres sowie des Vorjahres ausgewiesen werden, insbesondere:<br />
(1) Netznutzungsertrag (inkl. Abgaben);<br />
(2) Aktivierte Eigenleistungen;<br />
(3) Gesamtleistung;<br />
(4) Aufwand für Beschaffung, Material- und Fremdleistungen;<br />
(5) Personalaufwand;<br />
(6) Abschreibungsaufwand inklusive Auflösung der Netzkostenbei-<br />
träge (Brutto- oder Netto-Ausweis);<br />
(7) Aufwand für Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen;<br />
(8) Segmentergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT);<br />
(9) Segmentiertes Anlagevermögen inklusive der passivierten Netz-<br />
kostenbeiträge (Brutto- oder Netto-Ausweis);<br />
(10) Segmentiertes Nettoumlaufvermögen (Bruttoausweis);<br />
976 Vgl. zu der damit verbundenen Prüfungspflicht Gestaltungsempfehlung Nr. 9 hiernach.<br />
977 Im Rahmen der Expertengespräche wurde diese Frage nicht explizit besprochen.
278 Gestaltungsempfehlungen<br />
(11) Segment-Investitionen und erhaltene Netzkostenbeiträge;<br />
(12) Segment-Vollzeitstellen.<br />
b) Begründung aus theoretischer und empirischer Sicht<br />
Gemäss Gestaltungsempfehlung Nr. 3 soll sich die partielle Segmentierung, und damit<br />
auch das Minimum der Offenlegung <strong>unter</strong> Berücksichtigung sachlicher Abgrenzungen,<br />
an den auch für die regulatorischen Kostenrechnung relevanten Informationen orientieren.<br />
Damit wird eine <strong>von</strong> Grösse, Rechtsform und Eigentum unabhängige Offenlegung<br />
in einheitlicher Form ermöglicht, da selbst Kleinstnetzbetreiber sowie Netzbetreiber<br />
ohne eigene Rechtspersönlichkeit zum Zwecke der Kalkulation über diese<br />
Informationen verfügen müssen. Insbesondere entspricht die Offenlegung des jährlichen<br />
Netznutzungsertrags sowie der Summe der Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen<br />
den Vorgaben <strong>von</strong> Art. 12 Abs. 1 StromVG sowie Art. 10 StromVV, so dass mit<br />
der Publikation einer dieser Empfehlung entsprechenden Segmentrechnung auch diese<br />
im geltenden Recht separat erwähnten Publikationspflichten erfüllt sind.<br />
Die empfohlene Offenlegung führt zu einer weitgehenden Übereinstimmung mit den<br />
empirischen Ergebnissen zur geplanten Publikation bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>:<br />
94.5% der Betriebe bestätigen die Offenlegung <strong>von</strong> Positionen der Segmenterfolgsrechnung,<br />
wobei 90% der Betriebe dies mindestens bis auf Stufe des EBIT planen. 978<br />
Aufgrund der konzeptionell hohen Anforderungen an die bilanzielle Segmentierung<br />
und der damit verbundenen Zurückhaltung bei <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> – nur 67%<br />
der Betriebe planen bilanzielle Ausweise, wobei lediglich 42% bereit sind über den<br />
Ausweis wesentlicher Einzelpositionen hinauszugehen – ist es sachgerecht, die minimale<br />
Offenlegung auf das Segmentvermögen, bestehend aus Anlage- und Nettoumlaufvermögen,<br />
zu beschränken. 979 Mit dieser Offenlegung wird sowohl die Ertrags- als<br />
auch die Vermögenslage des Segments weitgehend dokumentiert. 980 Trotz der Anrechenbarkeit<br />
eines allfälligen Steueraufwandes nach Art. 7 Abs. 3 StromVV wurde aufgrund<br />
der fehlenden Steuerpflicht auf Segmentebene sowie infolge der Vorgabe zur<br />
partiellen Segmentierung bis auf Stufe des EBIT auf eine Empfehlung der Offenlegung<br />
978<br />
Vgl. die Auswertung in Kapitel 6.5.2b).<br />
979<br />
Vgl. zur bilanziellen Segmentierung Kapitel 4.1.6 und 4.1.8 sowie die Auswertung zur Offenlegung<br />
in Kapitel 6.5.2b).<br />
980<br />
Dafür spricht auch die Praxis der kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong>, nach der<br />
sich die Offenlegung des EBIT als Segmentergebnis als eine Art Best Practices etabliert hat und<br />
die Offenlegung des Segmentvermögens bis anhin <strong>unter</strong> IFRS 8 zwingend war. Vgl. Kapitel 4.1.7.
Gestaltungsempfehlungen 279<br />
eines segmentieren Steueraufwandes verzichtet. 981 Dieser auf Gesellschaftsebene be-<br />
gründete Aufwand kann jedoch – gemäss der nachfolgend erläuterten Gestaltungsemp-<br />
fehlung Nr. 8 – zusammen mit dem Finanzaufwand und anderen nicht segmentierten<br />
Positionen in der Überleitungsrechnung ausgewiesen werden. 982 Die Finanzlage wird<br />
durch die Möglichkeit einer approximativen Ermittlung eines freien Cashflows doku-<br />
mentiert, womit insbesondere die Notwendigkeit zur Offenlegung der Cashflow-<br />
relevanten Segment-Investitionen sowie der erhaltenen Netzkostenbeiträge begründet<br />
ist. 983 Der Zusatzausweis der dem Netz zugeordneten Vollzeitstellen dient als statisti-<br />
sche Vergleichsgrösse sowie zur Plausibilisierung der Segmentierung.<br />
Die Gestaltungsempfehlung gibt lediglich die im Minimum offenzulegenden und da-<br />
mit zu segmentierenden Informationen vor und lässt Raum für rechtsform- sowie für<br />
rechnungslegungsspezifische Ergänzungen bzw. Gliederungen. So wird insbesondere<br />
eine weitergehende Segmentierung, etwa über den EBIT hinaus oder im Bereich der<br />
Verbindlichkeiten, nicht ausgeschlossen.<br />
Die grösste Anforderung für Stromverteilnetzbetreiber, die das buchhalterische Un-<br />
bundling auf Basis der Kostenrechnung vollziehen, dürfte darin bestehen, durch ihre<br />
systemtechnische Spezifikation die Ableitung aufwandartengerechter, segmentierten<br />
Positionen trotz Verrechnungen und Umlagen sicherstellen zu können. So wird eine<br />
aufwandgerechte Darstellung der wesentlichsten Positionen empfohlen, ohne deswegen<br />
die Anwendung des Umsatzkostenverfahrens oder einen Ausweis interner Verrechnungen<br />
in einer separaten Position anstelle der aufwandartengerechten Zuweisung<br />
auszuschliessen. 984 Damit wird der praktischen Realität <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
– soweit dies konzeptionell vertretbar ist – Rechnung getragen, da nur gerade 34% der<br />
Befragten angaben, einen vollständig aufwandartengerechten Ausweis der Segmenterfolgsrechnung<br />
vorzusehen. 985<br />
Die Frage der Einbettung der Offenlegung der Segmentrechnung Netz in eine bestehende<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> nach IFRS 8 stellt sich gemäss den empirischen Erkenntnissen<br />
trotz konzeptioneller Verbundenheit nur für wenige, grosse Stromverteilnetzbetreiber.<br />
Ein einziges Unternehmen erwähnte im Rahmen der Befragung die Ab-<br />
981<br />
Vgl. dazu die Erwägungen in Kapitel 4.1.7j).<br />
982<br />
Vgl. Kapitel 7.4.3 hiernach.<br />
983<br />
Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 4.1.8.<br />
984<br />
Vgl. zur aufwandartengerechten Ermittlung und Darstellung Kapitel 4.1.4c) und 4.3.2b).<br />
985 Vgl. Kapitel 6.5.2b).
280 Gestaltungsempfehlungen<br />
sicht, beide Berichterstattungsformate zu integrieren. 986 Die Gestaltungsempfehlung<br />
zur Offenlegung lässt eine solche Integration im Grundsatz zu, indem netzspezifische<br />
Zusatzinformationen in einer separaten Erläuterung offengelegt werden können, an-<br />
statt in der für alle Segmente geltenden Segmentrechnung. 987<br />
c) Würdigung aus Sicht des geltenden Rechts und der Anspruchsgruppen<br />
Das geltende Recht würde gemäss dem Wortlaut <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG eine<br />
sehr weitgehende, detaillierte Offenlegung der Positionen der Erfolgsrechnung und der<br />
Bilanz im Sinne einer vollständigen Jahresrechnung stützen. Eine nach dem Prinzip<br />
der partiellen Segmentierung auf relevante, verlässliche und – <strong>unter</strong> dem Vorbehalt der<br />
Massgeblichkeit verschiedener Rechnungslegungsvorschriften – einigermassen vergleichbare<br />
Informationen reduzierte Offenlegung kann im Hinblick auf die Zielsetzung<br />
der rechtlichen Vorgabe gerechtfertigt werden. 988 Aus rechtlicher Sicht geht die Offenlegung<br />
der Investitionen und der Netzkostenbeiträge als Cashflow-relevante Zusatzinformationen<br />
sowie der Vollzeitstellen über den Wortlaut der Jahresrechnung als Erfolgsrechnung<br />
und Bilanz hinaus. Die ersten zwei Grössen sind jedoch zur Dokumentation<br />
der Finanzlage im Rahmen einer partiellen Segmentierung erforderlich und damit<br />
in Anbetracht der Zielsetzung der Segmentrechnung Netz auch rechtlich zu vertreten,<br />
da die indirekte Ermittlung <strong>von</strong> Cashflows bei der partiellen Segmentierung – im<br />
Unterschied zur Offenlegung einer vollständigen Jahresrechnung – eingeschränkt<br />
wird. 989 Die dritte Grösse, die Angabe der Vollzeitstellen, ist rechtlich nicht bindend,<br />
jedoch zur Nachvollziehbarkeit der Segmentierung empfehlenswert.<br />
Die Empfehlung beinhaltet die zentralen Forderungen hinsichtlich der Offenlegung<br />
bzw. des Nutzens der Segmentrechnung Netz <strong>unter</strong> Einhaltung des Anspruchs auf eine<br />
verhältnismässige Lösung der interviewten Experten. Wie die in Kapitel 5.2.3 zusammengefassten<br />
Antworten zeigen, wurde der Ausweis der für die Netznutzung relevanten<br />
Informationen <strong>von</strong> mehreren Experten gefordert, wobei insbesondere auf die Offenlegung<br />
der Investitionen und deren Finanzierung, aber auch auf die Abgaben und<br />
Leistungen an Gemeinwesen sowie auf die Rendite auf dem Vermögen verwiesen<br />
986<br />
Vgl. zur Erhebung Kapitel 6.5.3. sowie aus theoretischer Sicht Kapitel 3.6.<br />
987<br />
Dies hängt damit zusammen, dass die übliche Matrix-Darstellung über verschiedene Segmente<br />
hinweg stärker aggregierte Gliederungen ohne Segmentspezifika bedingt bzw. dass die hier empfohlene<br />
Offenlegungstiefe nicht der Darstellung nach IFRS 8 entsprechen muss.<br />
988<br />
Vgl. dazu die Gestaltungsempfehlung Nr. 1 hiervor.<br />
989 Vgl. zur indirekten Ermittlung <strong>von</strong> Cashflows etwa das Beispiel in Kapitel 4.1.8a).
Gestaltungsempfehlungen 281<br />
wurde. Diese Erwartungen belegen die Relevanz der über den Wortlaut der Jahres-<br />
rechnung als Erfolgsrechnung und Bilanz hinausgehenden Cashflow-Informationen.<br />
Die Rendite des Gesamtkapitals auf dem Vermögen lässt sich im Sinne eines ROA –<br />
basierend auf dem EBIT-Ausweis – durch die Bilanzleser beurteilen, indem aufgrund<br />
eines kalkulatorischen Steuersatzes oder des effektiven Steuersatzes des Gesamt<strong>unter</strong>nehmens<br />
ein approximatives Segmentergebnis vor Zinsen ermittelt und ins Verhältnis<br />
zum Segmentvermögen – bestehend aus dem Anlagevermögen nach passivierten<br />
Netzkostenbeiträgen und dem Nettoumlaufvermögen – gesetzt wird. 990<br />
Eine weitergehende Offenlegung wird bei Einhaltung der GoS <strong>von</strong> der als Minimalvorgabe<br />
ausgestalteten Empfehlung nicht ausgeschlossen. Aus Sicht der Adressaten<br />
sind dabei jedoch insbesondere die GoS der Nachvollziehbarkeit und der Wesentlichkeit<br />
zu berücksichtigen, um das bekannte Phänomen des Information Overload 991 zu<br />
verhindern. Diesem Anspruch wird der mit der Kostenrechnung konsistente Ansatz der<br />
partiellen Segmentierung durch eine Begrenzung auf relevante Positionen gerecht.<br />
7.4.3 Erläuterung und Überleitung der Segmentrechnung<br />
a) Gestaltungsempfehlung Nr. 8<br />
Die Segmentrechnung Netz soll in Bezug auf die durchgeführte Segmentabgrenzung,<br />
die angewandten Rechnungslegungs- und Bewertungsgrundsätze,<br />
die Methoden zur Allokation und internen Verrechnung<br />
sowie auf wesentliche ausgewiesene Positionen hinsichtlich deren Zusammensetzung,<br />
Bewertung und Allokation erläutert werden.<br />
Die Gesamtleistung des Segments, das Segmentergebnis sowie das segmentierte<br />
Vermögen sollen auf die korrespondierenden Werte des integrierten<br />
Einzel- oder Konzernabschlusses <strong>unter</strong> separatem Ausweis <strong>von</strong><br />
internen Verrechnungen, <strong>von</strong> Bewertungsdifferenzen und nicht segmentierten<br />
Positionen übergeleitet werden.<br />
990<br />
Ähnlich auch KRIETE & WERNER (2004). S. 177. Die Aussagekraft dieses ROA hängt jedoch<br />
stark <strong>von</strong> der Angemessenheit der Bewertung des Anlagevermögens und der damit verbundenen<br />
Abschreibungen zusammen. Vgl. dazu die Beispielrechnungen in Kapitel 4.2.2d).<br />
991<br />
Vgl. dazu vertiefend BERNDT (2005), S. 221ff.
282 Gestaltungsempfehlungen<br />
b) Begründung aus theoretischer und empirischer Sicht<br />
Die Segmentrechnung ist als Produkt des internen Rechnungswesens für aussenste-<br />
hende Adressaten hinsichtlich der Annahmen, Methoden und Definitionen grundsätz-<br />
lich erläuterungsbedürftig. 992 Die Heterogenität in der Rechnungslegung <strong>von</strong> Schwei-<br />
zer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> sowie die fehlende rechtliche Verpflichtung zur Offen-<br />
legung der Segmentrechnung im Anhang zur Jahresrechnung erhöhen den Erläute-<br />
rungsbedarf zwecks Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit noch zusätzlich. Die ent-<br />
sprechend dem hier vertretenen Ansatz der partiellen Segmentierung zum Ausdruck<br />
gebrachte, fehlende Eigenständigkeit des Segments Netz erfordert eine Überleitung der<br />
wesentlichen Summen der Segmentrechnung – der Gesamtleistung, des Ergebnisses<br />
und des Vermögens. Die Überleitungsrechnung setzt die segmentierten Informationen<br />
in den Kontext des Abschlusses des Gesamtbetriebs und stellt die Konsistenz zwischen<br />
segmentierten und aggregierten Daten sicher. 993 Vor dem Hintergrund der potenziellen<br />
Offenlegung der kalkulatorischen Anlagebewertung gemäss Gestaltungsempfehlung<br />
Nr. 5, der Möglichkeit einer Nichtsegmentierung einzelner Positionen und der Wesent-<br />
lichkeit internen Verrechnungen ist eine Überleitungsrechnung elementar – so auch die<br />
Feststellung zum Management Approach. 994 Die Überleitung gewährleistet – trotz un-<br />
terschiedlicher Rechnungslegungsvorschriften, Verrechnungssysteme und Segmentie-<br />
rungstiefen – die Nachvollziehbarkeit der Segmentrechnung Netz. Höhe und Art der<br />
Überleitungsbeträge sind daher unmittelbar <strong>von</strong> der Definition und dem Segmentie-<br />
rungsgrad der segmentierten Positionen, den internen Leistungsverrechnungen sowie<br />
<strong>von</strong> allfälligen Bewertungsdifferenzen abhängig. 995<br />
Der konzeptionellen Wichtigkeit <strong>von</strong> Erläuterungen und der Überleitung beim Ansatz<br />
der Segmentrechnung steht die geplante Praxis durch den überwiegenden Verzicht auf<br />
Erläuterungen bei den befragten <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> gegenüber. 996 Diese Zu-<br />
rückhaltung im Informationsverhalten war, vor allem aufgrund der nicht vorhandenen<br />
rechtlichen Spezifizierung in Kombination mit fehlenden Anreizen zur freiwilligen<br />
Offenlegung, bei Netzbetreibern zu erwarten gewesen.<br />
992 Vgl. dazu etwa die Erläuterungspflichten nach IFRS 8, zusammenfassend dargestellt in Kapitel<br />
2.4.2.<br />
993 So auch HALLER & PARK (1994), S. 505.<br />
994 Vgl. die vom gewählten Offenlegungsansatz – Segment- oder Jahresrechnung – abhängigen Erwägungen<br />
zur Überleitungsrechnung in Kapitel 4.3.2a).<br />
995 Ähnlich auch BLASE & MÜLLER (2009), S. 539, oder ALVAREZ & BÜTTNER (2006), S. 315.<br />
996 Vgl. die Auswertung in Kapitel 6.5.1.
Gestaltungsempfehlungen 283<br />
c) Würdigung aus Sicht des geltenden Rechts und der Anspruchsgruppen<br />
Gemäss der teleologischen Auslegung <strong>von</strong> Art. 11 Abs. 1 StromVG wurden Erläute-<br />
rungen als verbindlicher Bestandteil der Segmentrechnung Netz zur Einhaltung des in<br />
Art. 7 Abs. 3 StromVV verankerten GoS der Nachvollziehbarkeit begründet, da selbst<br />
bei einer weitgehenden Segmentierung und Offenlegung aufgrund der fehlenden recht-<br />
lichen Eigenständigkeit Annahmen nötig sind. 997 Die Überleitungsrechnung ergibt sich<br />
demgegenüber nicht direkt aus dem geltenden Recht, sondern ist im Ansatz der partiel-<br />
len Segmentierung begründet. So führt dieser Ansatz zum Beispiel in Bezug auf die<br />
Erfolgsrechnung – anstatt zu einer vollständigen und detaillierten Offenlegung bis auf<br />
Stufe Reingewinn, welche laut dem Wortlaut nach StromVG zu vertreten wäre – nur<br />
zur Verpflichtung zur Segmentierung bis auf Stufe des EBIT und stattdessen zu einer<br />
Überleitung des Segmentergebnisses auf das integrierte Unternehmensergebnis. Nach<br />
dem GoS der Nachvollziehbarkeit lässt sich auch eine Überleitungsrechnung mit dem<br />
geltenden Recht vereinbaren. Als rechtlich nicht bindend könnte dabei – analog zur<br />
Gestaltungsempfehlung Nr. 6 – einzig die durch die Überleitung zu erfolgende Offen-<br />
legung ausgewählter integrierter Informationen aus dem nicht zwingend zu veröffent-<br />
lichenden Gesamtabschluss des Stromverteilnetzbetreibers beurteilt werden. Da bei<br />
der überwiegenden Mehrheit der Stromverteilnetzbetreiber jedoch diese Offenlegung<br />
erfolgt, dürfte diese Einschränkung nur in wenigen Fällen relevant sein.<br />
Aus Sicht der Adressaten führen erst Erläuterungen und Überleitungen aus der Seg-<br />
mentrechnung zu einer verständlichen <strong>Segmentberichterstattung</strong>. Diese Verbesserung<br />
der Informationsqualität dürfte <strong>von</strong> den Anspruchsgruppen positiv beurteilt werden. 998<br />
7.4.4 Prüfung der <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach Art. 11 StromVG<br />
a) Gestaltungsempfehlung Nr. 9<br />
Die Prüfung und die Bestätigung der gesetzeskonformen Durchführung<br />
des buchhalterischen Unbundling gemäss Art. 10 Abs. 1 und 3 StromVG<br />
sowie der Einhaltung der Ordnungsmässigkeit der Bewertung und Of-<br />
fenlegung der Segmentrechnung Netz nach Art. 11 StromVG durch eine<br />
zugelassene Revisorin bzw. einen zugelassenen Revisor nach den Vor-<br />
schriften des Revisionsaufsichtsgesetzes ist zu empfehlen.<br />
997 Vgl. Kapitel 3.4.2c).<br />
998 Im Rahmen der Expertengespräche wurde diese Frage nicht explizit besprochen.
284 Gestaltungsempfehlungen<br />
b) Begründung aus theoretischer und empirischer Sicht<br />
Die Einhaltung der in Kapitel 3.5 dargestellten GoS nach StromVG, welche aus dem<br />
geltenden Recht abgeleitet wurden, lässt sich <strong>von</strong> aussen nicht beurteilen. Aufgrund<br />
der im Zusammenhang mit dem buchhalterischen Unbundling in Kapitel 4.1 sowie mit<br />
der Bewertung in Kapitel 4.2 dargelegten Ermessensspielräume kann die Verlässlichkeit<br />
ohne Prüfung auf Einhaltung der GoS durch einen unabhängigen Dritten in Frage<br />
gestellt werden. Ebenfalls bringen die oft komplexe buchhalterische Umsetzung und<br />
die damit verbundenen Fragen der Segmentierung, der internen Verrechnung und deren<br />
Konsolidierung, der Bewertung sowie der Offenlegung auch für die Verantwortlichen<br />
<strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> Risiken im Sinne der Rechtskonformität<br />
(Compliance) mit sich. Dies gilt insbesondere für das buchhalterische Unbundling,<br />
welches nicht nur für die öffentliche Segmentrechnung, sondern auch für die Bemessung<br />
des zulässigen Netznutzungsertrags im Rahmen der vertraulichen Kostenrechnung<br />
massgeblich ist. Die empirische Auswertung hat gezeigt, dass knapp die Hälfte<br />
aller Befragten eine Revision vorsehen, wobei dieser hohe Anteil primär auf kleinere<br />
Stromverteilnetzbetreiber – dar<strong>unter</strong> viele unselbstständige Gemeindewerke, bei denen<br />
die Prüfung statt durch professionelle Revisoren auch durch Rechnungsprüfungskommissionen<br />
durchgeführt werden kann – zurückzuführen ist. 999 Aufgrund der Komplexität<br />
und der Spezifität des Prüfgegenstandes ist eine professionelle Revision – zumindest<br />
durch eine zugelassene Revisorin bzw. einen zugelassenen Revisor im Sinne des<br />
Revisionsaufsichtsgesetzes (RAG) 1000 – zu befürworten. Eine entsprechende Bestätigung<br />
hat aufgrund der im RAG festgehaltenen Unabhängigkeitskriterien und der weiteren<br />
Zulassungsbedingungen sowohl gegen aussen als auch – in einem Untersuchungsfall<br />
– gegenüber der ElCom die nötige Aussagekraft.<br />
Eine Prüfung bedingt entsprechende Prüfkriterien. Gemäss dem HWP ist die Prüfung<br />
eine Tätigkeit der Informationsgewinnung und der Urteilsbildung, die im Kern ein<br />
Vergleich ist – nämlich der Vergleich des Ist-Zustandes mit einer Norm, dem Soll-<br />
Zustand. 1001 Dementsprechend ist für die Anwendung der Gestaltungsempfehlung<br />
Nr. 9 eine offizielle, genügend genaue Definition des Soll-Zustandes zur Segmentbe-<br />
999<br />
Vgl. Kapitel 6.5.4.<br />
1000<br />
Bundesgesetz über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revisorinnen und Revisoren (Revisionsaufsichtsgesetz,<br />
RAG) (2005).<br />
1001<br />
HWP, Ziff. 3.11.
Gestaltungsempfehlungen 285<br />
richterstattung <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> zu erlassen. 1002 Eine solche Norm könn-<br />
te –gemäss dem Subsidiaritätsprinzip nach Art. 3 Abs. 2 StromVG – durch die Bran-<br />
chenvertreter, die Schweizerische Treuhandkammer als Vertretung der Revisorinnen<br />
und Revisoren sowie durch die Behörden BFE und ElCom erarbeitet und durch die<br />
Anspruchsgruppen im Rahmen einer Vernehmlassung möglichst breit abgestützt wer-<br />
den. Der neue Unbundling-Leitfaden des VSE sowie die vermittelten Erkenntnisse in<br />
dieser Arbeit – insbesondere die in Kapitel 3.4 erfolgte Auslegung der relevanten Arti-<br />
kel des StromVG und der StromVV, die in Kapitel 3.5 dargestellte Ableitung <strong>von</strong> GoS<br />
sowie die in diesem Kapitel entwickelten Gestaltungsempfehlungen Nr. 1 bis 9 – stel-<br />
len dazu eine Diskussionsgrundlage dar.<br />
c) Würdigung aus Sicht des geltenden Rechts und der Anspruchsgruppen<br />
Wie mehrfach festgehalten, sieht das geltende Recht keine spezialgesetzliche Prüfungspflicht<br />
vor. 1003 Grundsätzlich dürfte aus Sicht der Adressaten eine Prüfung, basierend<br />
auf einer ihren Erwartungen entsprechenden Norm zur <strong>Segmentberichterstattung</strong>,<br />
als Mittel zur Steigerung der Verlässlichkeit der Publikation positiv beurteilt werden.<br />
Dies bestätigten auch mehrere Experten, zumindest indirekt, indem sie auf den fraglichen<br />
Nutzen der Segmentrechnung Netz ohne Prüfbestätigung verwiesen. 1004<br />
Eine verbindliche Prüfungsplicht auf Gesetzesstufe – anstelle der hier erfolgten Empfehlung<br />
einer Prüfung – wäre bezüglich der Kosten-/Nutzen-Relation sowie der<br />
Durchsetzbarkeit zu würdigen. Zur Kosten-/Nutzen-Relation lässt sich basierend auf<br />
den bisherigen Erkenntnissen festhalten, dass die Prüfung einer <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
im Sinne der GoS und der Gestaltungsempfehlungen Nr. 1 bis 8 – im Vergleich zu<br />
strengeren Unbundling-Vorgaben auf der Verteilnetzebene oder im Vergleich zu einer<br />
Pflicht der Anwendung eines einheitlichen Rechnungslegungsstandards – eine effiziente<br />
Lösung wäre, deren Effektivität durch genügend eindeutige Normen sichergestellt<br />
werden könnte. Ein Nutzen wäre neben der höheren Verlässlichkeit der öffentlichen<br />
Segmentrechnung auch in einem dualen Regulierungsmodell – vergleichbar mit dem<br />
Modell der Finanzmarktregulierung – zu sehen. Eine unabhängige, jährliche und dezentrale<br />
Prüfung der <strong>Segmentberichterstattung</strong> zum Verteilnetz würde der ElCom –<br />
deren Fachsekretariat vor dem Hintergrund der rund 800 zu regulierenden Schweizer<br />
1002<br />
Zum Vergleich: IDW PS 610 in Deutschland. Siehe INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER IN<br />
DEUTSCHLAND E.V. (2006a).<br />
1003<br />
Vgl. Kapitel 3.2.<br />
1004 Vgl. Kapitel 5.2.2.
286 Gestaltungsempfehlungen<br />
Stromverteilnetzbetreiber nur über begrenzte personelle Ressourcen verfügt 1005 – die<br />
Compliance der auch für die Kostenrechnung und damit für die Netznutzungstarifer-<br />
mittlung wesentlichen Buchhaltungsgrundlagen sicherstellen. Die Prüfungsbestätigung<br />
müsste daher, analog zur Praxis der EU, auch das buchhalterisches Unbundling umfas-<br />
sen. 1006<br />
Eine solche Lösung liesse sich nicht zuletzt im Vergleich zu den diesbezüglich deutlich<br />
weitergehenden Vorgaben in der EU rechtfertigen. Die faktische Durchsetzbarkeit ist –<br />
ähnlich wie bei der gewürdigten Option zur Vereinheitlichung auf der Basis eines für<br />
alle Stromverteilnetzbetreiber geltenden Rechnungslegungsstandards 1007 – aufgrund<br />
der zahlreichen Kleinstbetriebe sowie des hohen Anteils an öffentlich-rechtlichen Be-<br />
trieben kurz- bis mittelfristig erschwert. So gelten zwar die Bestimmungen des RAG<br />
seit 2005 gemäss Art. 727 OR für privatrechtliche Gesellschaften rechtsformunabhän-<br />
gig. Die vor allem für kleinere, unselbständige EVU massgeblichen kantonalen Vorga-<br />
ben zur Gemeinderechnung sehen die Übernahme der RAG-Bestimmungen jedoch<br />
überwiegend noch nicht vor und lassen die sogenannte Laienrevision zu. 1008 Ein Lösungsansatz<br />
in Anlehnung an die Bestimmungen im OR wäre diesbezüglich die Einführung<br />
einer zumindest grössenabhängigen Prüfungspflicht, damit privat- und öffentlich-rechtliche<br />
Kleinstbetriebe nicht unverhältnismässig belastet würden. Dies wäre<br />
mit der Lösung in Deutschland vergleichbar, wo eine Befreiung <strong>von</strong> der Prüfungspflicht<br />
aufgrund der Rechtsform und der Eigentumsverhältnisse explizit ausgeschlossen,<br />
aufgrund der Grösse jedoch nach Art. 10 Abs. 1 EnWG möglich ist. 1009<br />
1005 Vgl. Fussnote 410.<br />
1006 So auch die Interpretation der EU-Vorgaben durch die COMMISSION OF THE EUROPEAN<br />
COMMUNITIES (2004), S. 20: "Since paragraph 4 of the relevant articles underlines that the audit<br />
foreseen in paragraph 2 looks at the issue of possible cross-subsidisation, it is clear that the audit<br />
shall examine the way the cost allocation has been done. It must also be noted that regulatory authorities<br />
play a key role in this respect. According to Article 23 (1e) of the E-directive (Art. 25<br />
(1e) of the G-directive) they shall, through monitoring effective accounting unbundling, ensure<br />
that there are no cross-subsidies between generation/supply and transmission/distribution."<br />
1007 Vgl. die Erwägungen zur Gestaltungsempfehlung Nr. 4 in Kapitel 7.3.1 hiervor.<br />
1008 Vgl. SCHMIED (2007), S. 15.<br />
1009 Vgl. ELLERICH (2006), S. 836.
Gestaltungsempfehlungen 287<br />
7.5 Empfehlungen zu einer Gesetzesänderung<br />
Die Gestaltungsempfehlungen zeigen, dass das geltende Recht aufgrund des offenen<br />
Wortlauts eine Lösung im Sinne einer <strong>Segmentberichterstattung</strong> ermöglicht. Jedoch<br />
wird auch deutlich, dass einzelne zentrale Elemente über das zwingende Recht hinaus-<br />
gehen, was eine einheitliche Umsetzung erschweren dürfte. Basierend auf den Gestal-<br />
tungsempfehlungen lassen sich drei Empfehlungen festhalten, welche für die Revision<br />
des StromVG für das Jahr 2014 zu prüfen sind. 1010 Darauf basierend können weitere<br />
Konkretisierungen auf Stufe StromVV oder in einer spezifischen Richtline erfolgen.<br />
a) Optimierung <strong>von</strong> Wortlaut und Systematik<br />
Im Sinne <strong>von</strong> Gestaltungsempfehlung Nr. 1 wäre eine Anpassung des Wortlauts <strong>von</strong><br />
Art. 11 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 StromVG <strong>von</strong> "Jahresrechnung" zu "Segmentrechnung"<br />
zu begrüssen. Damit würden Missverständnisse vermieden und der Grundsatz<br />
auf Gesetzesebene festgehalten. Aus systematischer Sicht wäre eine Integration sämtlicher<br />
Anforderungen zum Rechnungswesen, auch zur Kostenrechnung, in einem zentralen<br />
Gesetzesartikel vorteilhaft. Damit würde der Grundsatz der Konsistenz gemäss<br />
Gestaltungsempfehlung Nr. 3 auch im Wortlaut zum Ausdruck kommen.<br />
b) Publikationspflicht der integrierten Jahresrechnung des EVU<br />
Um dem Ansatz der <strong>Segmentberichterstattung</strong> vollends gerecht werden zu können,<br />
wäre eine Publikationspflicht der integrierten Jahresrechnung der betroffenen EVU,<br />
verbunden mit der Pflicht zur Publikation und Überleitung der Segmentrechnung Netz<br />
in einem spezifischen Anhang zur Jahresrechnung im Sinne <strong>von</strong> Gestaltungsempfehlungen<br />
Nr. 6 und 8, zu empfehlen. 1011<br />
c) Spezialgesetzliche Prüfungspflicht für grössere EVU<br />
Wie vorstehendend <strong>unter</strong> Gestaltungsempfehlung Nr. 9 ausgeführt, ist eine spezialgesetzliche<br />
Revisionspflicht, welche eine effiziente und effektive Regulierung der Netzinfrastruktur<br />
im Schweizer Strommarkt ermöglichen würde, prüfenswert. Eine solche<br />
könnte auf grössere EVU gemäss den Kriterien der ordentlichen Revisionspflicht begrenzt<br />
werden.<br />
1010<br />
Zum Zeitpunkt des zweiten Schritts der Marktöffnung gemäss Art. 34 Abs. 3 StromVG soll das<br />
Gesetzt gemäss Angaben des BFE revidiert werden. Im Zentrum stehen dabei <strong>unter</strong> anderem die<br />
Anreizregulation, die Kostenkontrolle, die Transparenz im Bereich Abgaben und die Unabhängigkeit<br />
der Swissgrid. Vgl. BUNDESAMT FÜR ENERGIE (2009b).<br />
1011<br />
Vgl. dazu die vorherigen Ausführungen in den Kapiteln 7.4.1c) und 7.4.3c).
288 Gestaltungsempfehlungen<br />
7.6 Empfehlungen zur Umsetzung<br />
7.6.1 Umsetzungsbeispiel: EW Muster AG<br />
Eine mögliche Umsetzung der Gestaltungsempfehlungen soll am fiktiven Beispiel der<br />
EW Muster AG 1012 illustriert werden. Eine komplette <strong>Segmentberichterstattung</strong> Ver-<br />
teilnetz für die Jahre 2009 und 2008 nach Art. 11 StromVG ist im Anhang 3 der Arbeit<br />
angefügt. Auf die Darstellung einer Prüfungsbestätigung wurde verzichtet.<br />
a) EW Muster AG<br />
Als Beispiel wurde eine vertikal integrierte Aktiengesellschaft angenommen, die in<br />
den Bereichen Verteilung, Vertrieb und Service regional tätig ist. Sie <strong>unter</strong>liegt als<br />
Stromverteilnetzbetreiberin den Vorgaben <strong>von</strong> Art. 11 StromVG. Ihre Rechnungslegung<br />
erfolgte bisher nach den gesetzlichen Vorschriften des Aktienrechts, die somit<br />
auch für die <strong>Segmentberichterstattung</strong> massgeblich sind. Die Umstellung der Rechnungslegung<br />
auf einen anerkannten Rechnungslegungsstandard gemäss der Gestaltungsempfehlung<br />
Nr. 4 ist bei der EW Muster AG erst in Evaluation. Die Anlagebewertung<br />
erfolgte daher zwecks Erhöhung der Aussagekraft des Ergebnisses – in Übereinstimmung<br />
mit der Gestaltungsempfehlung Nr. 5 – nach Art. 13 Abs. 2 StromVV.<br />
b) Aufbau der Berichterstattung<br />
Die beispielhafte <strong>Segmentberichterstattung</strong> gliedert sich in vier Teile:<br />
1. Vorbemerkungen: Allgemeine Informationen zur Ausgangslage, Segmentabgrenzung,<br />
Rechnungslegung sowie zur Segmentierung und internen Verrechnung<br />
<strong>von</strong> Aufwand und Ertrag bzw. Aktiven und Passiven gemäss Gestaltungsempfehlung<br />
Nr. 8.<br />
2. Segmentrechnung Netz: Eigentliche Segmentrechnung gemäss Gestaltungsempfehlung<br />
Nr. 7.<br />
3. Überleitungsrechnungen: Überleitung <strong>von</strong> Gesamtleistung, Gewinn und Vermögen<br />
<strong>von</strong> den Segment- zu den integrierten Grössen des Jahresabschlusses<br />
gemäss Gestaltungsempfehlung Nr. 8.<br />
4. Erläuterungen zu einzelnen Positionen: Diese haben gemäss Gestaltungsempfehlung<br />
Nr. 8 zu erfolgen.<br />
1012<br />
Firma, Tätigkeit und Zahlen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit einer realen Gegebenheit<br />
wären reiner Zufall.
Gestaltungsempfehlungen 289<br />
c) Beispielhafte Segmentrechnung Netz<br />
Eine Segmentrechnung Netz gemäss Gestaltungsempfehlung Nr. 7 könnte – illustriert<br />
am Beispiel der EW Muster AG – unabhängig <strong>von</strong> Grösse, Rechtsform, Eigentümer-<br />
schaft und Rechnungslegung wie folgt aussehen:<br />
Abbildung 7-1: Beispielhafte Segmentrechnung Netz der EW Muster AG 1013<br />
1013 Eigene Darstellung. Vgl. Anhang 3.<br />
Verteilnetz<br />
CHF Mio. Erläuterungen 2009 2008<br />
Netznutzungserträge (1) 67.1 66.4<br />
Aktivierte Eigenleistungen (2) 1.2 0.4<br />
Übrige Segmenterträge (2) 3.4 3.9<br />
Interne Segmenterträge (3) 1.6 0.9<br />
Gesamtsegmentleistung 73.3 71.6<br />
Aufwand für Beschaffung, Material- und<br />
Fremdleistungen<br />
(4) (31.9) (26.5)<br />
Personalaufwand (5) (6.0) (6.4)<br />
Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen (6) (1.2) (1.2)<br />
Abschreibungen (7) (13.7) (14.0)<br />
Übriger Betriebsaufwand (8) (10.2) (8.9)<br />
Segmentergebnis vor Zinsen und<br />
Steuern (EBIT)<br />
(9) 10.3 14.6<br />
Verteilnetzanlagen (7) 230.3 238.3<br />
Passivierte Netzkostenbeiträge (2),(7) (16.2) (17.0)<br />
Übriges Anlagevermögen (7) 15.4 13.2<br />
Segmentiertes Anlagevermögen 229.5 234.5<br />
Umlaufvermögen (10) 30.3 35.2<br />
Kurzfristige Verbindlichkeiten (10) (21.0) (22.4)<br />
Segmentiertes Nettoumlaufvermögen 9.3 12.8<br />
Segment-Investitionen (7) 7.9 13.4<br />
Erhaltene Netzkostenbeiträge (7) 0.3 1.2<br />
Segment-Vollzeitstellen (5) 40 43
290 Gestaltungsempfehlungen<br />
Die beispielhafte Segmentrechnung Netz lässt sich aufgrund des auf das Verteilnetz<br />
beschränkten Ausweises in zwei Datenspalten gliedern: eine für das Geschäftsjahr und<br />
die andere für das Vorjahr. Ein zusätzliches Eigentum am Übertragungsnetz könnte in<br />
der gleichen Darstellung anhand zweier weiteren Datenspalten offengelegt werden.<br />
Der im Beispiel dargestellte Ausweis <strong>von</strong> Vorjahresdaten bezieht sich bei der EW<br />
Muster AG auf das Jahr 2008, und damit auf die Zeit vor der Strommarktliberalisierung.<br />
Praxisgerecht ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass dieser Vorjahresausweis bei der Erstpublikation<br />
ausbleiben kann, sofern die notwendigen Daten nicht verfügbar sind. 1014<br />
d) Beispielhafte Überleitung<br />
Eine Überleitungsrechnung des Segmentergebnisses könnte gemäss Gestaltungsempfehlung<br />
Nr. 8 – illustriert am Beispiel der EW Muster AG – wie folgt aussehen:<br />
Überleitung Gewinn (Verlust)<br />
CHF Mio. Erläuterungen 2009 2008<br />
Segmentergebnis vor Zinsen und<br />
Steuern (EBIT) Verteilnetz<br />
Abbildung 7-2: Beispielhafte Überleitung der Segmentrechnung Netz der EW Muster AG 1015<br />
Die beispielhaft dargestellte Überleitung des Segment-EBIT erfolgt nicht auf den<br />
EBIT der AG, sondern direkt auf deren Jahresgewinn. Dies hat den Vorteil, dass die<br />
EW Muster AG neben den Bewertungsdifferenzen und den Beiträgen anderer Segmente<br />
auch die nicht segmentierten Aufwendungen – insbesondere den effektiven Finanzaufwand<br />
sowie den effektiven Steueraufwand – ausweisen, und damit die Ausschüttungsfähigkeit<br />
des ausgewiesenen Segmentergebnisses einschränken kann. Vor dem<br />
1014 So auch die Praxis in Deutschland. Vgl. Kapitel 4.3.2a).<br />
1015 Eigene Darstellung. Vgl. Anhang 3.<br />
(9) 10.3 14.6<br />
Ergebnisbeitrag übrige Tätigkeiten 8.9 6.7<br />
Bewertungsdifferenz auf Abschreibungen<br />
Sachanlagen<br />
(7) 6.3 7.2<br />
Finanzerträge 1.5 3.1<br />
Finanzaufwand (2.4) (2.6)<br />
Ausserordentlicher Ertrag (Aufwand) 0.7<br />
Gewinnsteueraufwand (6.2) (7.2)<br />
Jahresgewinn (-verlust) AG 19.2 21.7
Gestaltungsempfehlungen 291<br />
gleichen Hintergrund wird auch das Segmentergebnis wie folgt in den Erläuterungen<br />
kommentiert: 1016<br />
"Als Segmentergebnis dient der operative Gewinn vor Zinsen und Steuern<br />
(EBIT). Mit diesem operativen Ergebnis trägt das Segment Verteilnetz zur<br />
Finanzierung <strong>von</strong> Investitionen, Kapitalkosten und Steuern bei. Ausserordentliche<br />
Effekte sind darin nicht enthalten. Der Entscheid über die Verwendung<br />
des nach den Vorschriften des OR ermittelten Reingewinns nach<br />
Zinsen und Steuern obliegt der Generalversammlung der Aktiengesellschaft."<br />
Eine vergleichbare Einschränkung war auch im alten Unbundling-Leitfaden des VSE<br />
nach EMG vorgesehen. 1017 Mit dieser Überleitung wird auch die rechtsform- und<br />
rechnungslegungsabhängige Definition des Segmentergebnisses sichtbar. So lässt sich<br />
beispielsweise das Segmentergebnis rein operativ definieren, indem in der Überleitung<br />
neben der Elimination interner Verrechnung auch nicht im EBIT enthaltende, ausserordentliche<br />
Positionen oder Buchgewinne aus Veräusserung <strong>von</strong> Anlagevermögen ausgewiesen<br />
werden. 1018 Alternativ sind Buchgewinne oft in den übrigen Erträgen, und<br />
damit im Segmentergebnis enthalten (so auch bei der EW Muster AG). 1019 Zur Sicherstellung<br />
der Nachvollziehbarkeit ist in diesem Fall ein Ausweis in der Segmentrechnung<br />
oder in den Erläuterungen angebracht. 1020<br />
7.6.2 Umsetzung in Kleinstbetrieben<br />
Die empirischen Ergebnisse haben gezeigt, dass privat- und öffentlich-rechtliche<br />
Kleinstbetriebe mit durchschnittlich einer Vollzeitstelle das buchhalterische Unbundling<br />
analog zu den kleinen, mittleren und grösseren <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> grossmehrheitlich<br />
umgesetzt haben und zu diesem Zweck neben der Kostenrechnung oft<br />
auch die Kontentrennung bzw. die Zusatzkontierung in der Finanzbuchhaltung einsetzen.<br />
1021 Demnach können auch Kleinstwerke die Gestaltungsempfehlungen Nr. 1 bis 9<br />
1016<br />
Anhang 3, Erläuterung Nr. 9.<br />
1017<br />
Vgl. VSE (2001), S. 17, bzw. Kapitel 4.2.2d), Abschnitt i).<br />
1018<br />
So beinhalten beispielswiese die EBIT-Definitionen in den Segmentrechnungen <strong>unter</strong> IFRS 8 bei<br />
E.ON oder RWE diese Gewinne nicht. Beide Unternehmen weisen diese Position in der Überleitungsrechnung<br />
aus. Vgl. BLASE & MÜLLER (2009), S. 542.<br />
1019<br />
So auch das Beispiel im Unbundling-Leitfaden des VSE: Vgl. MEYER (2009), S. 19.<br />
1020 Vgl. Anhang 3, Erläuterung Nr. 2.<br />
1021 Vgl. Kapitel 6.3.1 und 6.3.3.
292 Gestaltungsempfehlungen<br />
grundsätzlich erfüllen. Der Verzicht auf eine vollständige Segmentierung und Offenlegung<br />
im Sinne <strong>von</strong> Gestaltungsempfehlung Nr. 1 dürfte gerade dieser anteilsmässig<br />
bedeutendsten Grössenklasse der Verteilnetzbetreiber entgegenkommen und sie vor<br />
unnötigen arbiträren Aufteilungen in der Bilanz bewahren. 1022 Für diese Betriebe dürfte<br />
die Segmentierung der Erfolgsrechnung bis zum EBIT sowie des Vermögens anhand<br />
<strong>von</strong> wenigen, nachvollziehbaren und stetig angewendeten Schlüsseln – zum Beispiel<br />
nach dem All-in-Modell der Segmentierung – realisierbar sein. 1023 Im Fall eines hohen<br />
Anteils Aufgaben, die an Dritte delegiert werden, kann der GoS der überwiegend direkten<br />
Zuteilung durch eine entsprechend detaillierte Fakturierung der Leistungen verhältnismässig<br />
einfach erfüllt werden. Eine organisatorische Verankerung gemäss der<br />
Gestaltungsempfehlung Nr. 2 dürfte aufgrund der Betriebsgrösse und der personellen<br />
Ressourcen nur teilweise möglich sein, so dass – je nach Situation – der in der Empfehlung<br />
explizit vorgesehene Ausnahmefall der Unwirtschaftlichkeit einer organisatorischen<br />
Abbildung gegeben sein kann. 1024 In den Erläuterungen kann auf diesen Umstand<br />
hingewiesen und das Prinzip der Segmentierung offengelegt werden. 1025<br />
7.6.3 Umsetzung in öffentlich-rechtlichen Betrieben<br />
Die Umsetzung einer <strong>Segmentberichterstattung</strong> nach den Gestaltungsempfehlungen<br />
Nr. 1 bis 9 ist auch selbstständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten und unselbstständigen<br />
Gemeindebetrieben möglich. Für Erstere gelten als selbstständige Unternehmen<br />
grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie für privatrechtliche Gesellschaften;<br />
zudem richten sie sich schon heute oft an den privatrechtlichen Vorgaben zur Rechnungslegung<br />
aus. 1026 Demgegenüber haben unselbstständige Gemeindewerke infolge<br />
ihrer fehlenden Eigenständigkeit einen strukturellen Nachteil in Kauf zu nehmen, da<br />
die zum Teil vorhandene, integrierte Buchführung in der Rechnung der Gemeinde<br />
selbst die partielle Segmentierung – insbesondere der Bilanz – verunmöglicht. So sind<br />
an unselbstständige Gemeindewerke nach den Gestaltungsempfehlungen Nr. 1 bis 9,<br />
sofern keine vollständige Trennung der Finanzbuchhaltung <strong>von</strong> der Gemeinderech-<br />
1022<br />
Vgl. Kapitel 6.2.3d): Gemäss den Ergebnissen aus der Erhebung macht die Grössenklasse Mikro<br />
rund 51% der gesamten Stromverteilnetzbetreiber aus.<br />
1023<br />
Vgl. Kapitel 4.1.2a).<br />
1024<br />
Vgl. Kapitel 7.2.1 hiervor.<br />
1025<br />
Vgl. zu den Varianten der Schlüsselung: Kapitel 4.1.5.<br />
1026 Vgl. Kapitel 2.3.
Gestaltungsempfehlungen 293<br />
nung besteht, folgende minimalen Anforderungen an die eigene Rechnungsführung zu<br />
stellen:<br />
• Anpassung der funktionalen Gliederung der Erfolgsrechnung (Laufende Rechnung)<br />
an die Anforderungen des Unbundling zwischen Netz und übrigen Tätigkeiten<br />
und Überleitung auf die in Anlehnung an die Privatwirtschaft gegliederte<br />
Segmenterfolgsrechnung bis auf Stufe EBIT; dieser sollte zur Sicherstellung<br />
der Vergleichbarkeit vor Verrechnung internen Zinsen und vor Entnahmen bzw.<br />
Einlagen in die Spezialfinanzierung, jedoch nach Verrechnung interner betrieblicher<br />
Aufwendungen (zum Beispiel Verwaltungsentschädigung) ausgewiesen<br />
werden;<br />
• Segmentierung der Bilanz durch entsprechende Gliederung der Spezialfinanzierung<br />
sowie durch separate Kontenführung im Umlaufvermögen und in den Verbindlichkeiten<br />
zwecks Ausweis des Nettoumlaufvermögens des Gemeindewerkes<br />
bzw. des Anteils des Netzes;<br />
• Ermittlung der segmentierten Investitionen und Netzkostenbeiträge für das Netz<br />
durch entsprechende Gliederung der Investitionsrechnung.<br />
Die empirischen Resultate haben gezeigt, dass bei unselbstständigen Gemeindewerken<br />
im Vergleich zu anderen EVU keine signifikanten Unterschiede beim buchhalterischen<br />
Unbundling bestehen – auch nicht im Fall der Bilanz –, so dass diese strukturelle Voraussetzung<br />
des Unbundling auf Stufe der Gemeinderechnung in der Praxis vieler Gemeindebetriebe<br />
erfüllt sein dürfte. 1027 Für Betriebe, welche diesen Schritt noch nicht<br />
oder noch nicht vollständig vollzogen haben, stellt die buchhalterische Emanzipierung<br />
auch eine Chance zur Professionalisierung in der Organisation und der finanziellen<br />
Führung dar. 1028 Eine eigenständige, an privatwirtschaftliche Standards angelehnte<br />
Buchführung, Rechnungslegung und Finanzberichterstattung ist aufgrund der Public<br />
Accountability solcher Betriebe zu empfehlen. Die internen Bedürfnisse zur finanziellen<br />
Führung und die Ansprüche der Regulation dürften – im Vergleich zu der einmal<br />
pro Jahr stattfindenden Einbindung in die Gemeinderechnung – hoch zu gewichten<br />
sein. Eine Überleitung nach HRM sowie eine Konsolidierung in die Gemeinderechnung<br />
stellen etablierte und mit HRM II zunehmend wichtige Verfahren dar. 1029<br />
1027<br />
Vgl. die Erläuterung zur Auswertung in Kapitel 6.3.3a).<br />
1028<br />
So auch die Forderung <strong>von</strong> SONDEREGGER (2004), S. 145, aus Sicht der Public Governance in<br />
kommunalen Elektrizitätsversorgungs<strong>unter</strong>nehmen.<br />
1029<br />
Vgl. Kapitel 2.3.2c).
294 Gestaltungsempfehlungen<br />
7.7 Schlussfolgerungen<br />
7.7.1 Ergebnisse der Arbeit<br />
Die Ergebnisse dieser Arbeit führen zur Erkenntnis, dass die mit der Strommarktge-<br />
setzgebung angestrebte Public Accountability über das regulierte Monopolsegment<br />
Verteilnetz, welches <strong>von</strong> rund 800 sehr <strong>unter</strong>schiedlich strukturierten Stromverteil-<br />
netzbetreibern integriert betrieben wird, gemäss den auslegungsbedürftigen Vorgaben<br />
zum buchhalterischen Unbundling und zu der darauf basierenden Veröffentlichung<br />
einer segmentierten Jahresrechnung nicht erreicht wird. Damit wurde die in der Einlei-<br />
tung zur Arbeit formulierte, und der Forschungsfrage zugrundeliegende Annahme bes-<br />
tätigt. Nötig sind eine für alle Akteure verbindliche Interpretation der zentralen Prinzi-<br />
pien zur Einhaltung der Ordnungsmässigkeit sowie entsprechende Empfehlungen zur<br />
konkreten Umsetzung zuhanden der betroffenen privat- und öffentlich-rechtlichen Be-<br />
triebe. Die aufgrund der Forschungsfrage erarbeiteten Gestaltungsempfehlungen sowie<br />
die aus dem geltenden Recht abgeleiteten GoS sind ein erster Beitrag dazu.<br />
Während die GoS eine Konkretisierung der geltenden Vorgaben <strong>von</strong> StromVG und<br />
StromVV darstellen und daher für sämtliche Stromverteilnetzbetreiber Geltung haben,<br />
handelt es sich bei den Gestaltungsempfehlungen um – teilweise über das verbindliche<br />
Recht hinausgehende – Vorschläge zur praktischen Umsetzung durch die betroffenen<br />
Betriebe. Die Gestaltungsempfehlungen stellen daher eine kritische Diskussionsgrundlage<br />
für die Weiterentwicklung der noch jungen Praxis in der Branche sowie des geltenden<br />
Rechts dar.<br />
Würden die Gestaltungsempfehlungen Nr. 1 bis 9 <strong>von</strong> den Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
– mit Ausnahme der über das geltende Recht hinausgehenden Teilempfehlungen<br />
zur Anwendung eines anerkannten Rechnungslegungsstandards, zur integrierten<br />
Publikation sowie zur Prüfung – flächendeckend umgesetzt, so wäre eine Verbesserung<br />
der Public Accountability über das Schweizerische Verteilnetz gemäss der in<br />
Abbildung 7-3 mit "1a" dargestellten Entwicklung zu erwarten, indem eine prinzipiell<br />
und formell einheitliche Segmentrechnung Netz durch die verschiedenen Stromverteilnetzbetreiber<br />
publiziert würde. Damit würde die übergreifende Zielsetzung der Transparenz<br />
– die vom BFE mit der Verfügbarkeit, der Verständlichkeit und der Vergleichbarkeit<br />
der notwendigen Informationen umschrieben wurde – massgeblich <strong>unter</strong>stützt<br />
und die Gefahr einer Vergrösserung des Expectation Gap minimiert. 1030 Der in dieser<br />
1030 Vgl. zur Zielsetzung Kapitel 3.1sowie zur Auslegung der Vergleichbarkeit Kapitel 3.4.2c).
Gestaltungsempfehlungen 295<br />
Arbeit entwickelte Lösungsansatz einer <strong>Segmentberichterstattung</strong> für Verteilnetz-<br />
betreiber erfüllt insbesondere die Erwartungen hinsichtlich der intertemporalen Ver-<br />
gleichbarkeit. Die angestrebte Dokumentation der Ertrags-, Vermögens- und Finanzla-<br />
ge und deren Veränderung werden damit sichergestellt. Hingegen bleibt die zwischen-<br />
betriebliche Vergleichbarkeit aufgrund der nicht einheitlichen Rechnungslegung einge-<br />
schränkt, was in Anbetracht der differenzierten Zielsetzungen zwischen Kosten- und<br />
Segmentrechnung und der diesbezüglich zurückhaltenden Erwartungen der An-<br />
spruchsgruppenvertreter vertretbar ist.<br />
Informationsqualität<br />
Nicht segmentierte<br />
Grössen<br />
Anerkannte, geprüfte<br />
Segmentrechnung Netz<br />
Anerkannter Standard<br />
2a<br />
Einheitliche<br />
Segmentrechnung Netz<br />
Regulatory Management<br />
Approach<br />
Anerkannte<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Anerkannter Standard<br />
Vollwertige und geprüfte<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Legal Unbundling<br />
Jahresrechnung Netz<br />
Wortlaut StromVG<br />
Abbildung 7-3: Empfohlene Positionierung der Segmentrechnung Netz als Alternative zur eigenständigen<br />
Jahresrechnung einer Netzgesellschaft 1031<br />
Die Anlehnung an den Management Approach der kapitalmarktorientierten Segment-<br />
berichterstattung im Sinne eines Regulatory Management Approach erhöht durch Ori-<br />
entierung des Unbundling, der Bewertung und der Offenlegung der Segmentrechnung<br />
an den für die interne Kostenrechnung zwingenden Vorgaben der Regulation – im Vergleich<br />
zur reinen Umsetzung nach dem Wortlaut des StromVG – die Verlässlichkeit,<br />
1031<br />
Eigene Darstellung. Die Positionierung erfolgte rein schematisch und dient der Illustration der<br />
Einschätzungen.<br />
2b<br />
Segmentierte<br />
Grössen
296 Gestaltungsempfehlungen<br />
die Relevanz, die Verständlichkeit und die Vergleichbarkeit der Segmentberichterstat-<br />
tung, und damit deren die Informationsqualität insgesamt. Gleiches gilt auch im Ver-<br />
gleich zu der sich abzeichnenden, heterogenen Praxis bei den <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong>.<br />
Gleichzeitig begrenzt dieser Lösungsansatz den Aufwand im Interesse der betroffenen<br />
Betriebe sowie deren – <strong>von</strong> Zusatzkosten indirekt betroffenen – Kunden durch<br />
eine grösstmögliche Konsistenz zwischen Kosten- und Segmentrechnung.<br />
Folgen Stromverteilnetzbetreiber freiwillig den über das geltende Recht hinausgehenden<br />
Teilempfehlungen, indem sie einen anerkannten Rechnungslegungsstandard anwenden<br />
und die <strong>Segmentberichterstattung</strong> integriert publizieren sowie <strong>von</strong> unabhängiger<br />
Seite bestätigen lassen, so würde dies zu der in Abbildung 7-3 mit "2a" angedeutete<br />
Weiterentwicklung führen, und damit zu einer zusätzlichen Erhöhung der Informationsqualität.<br />
Durch Anpassung des Gesetzes liessen sich diese Empfehlungen womöglich<br />
mittelfristig durchsetzen, wobei aufgrund der eingehend beschriebenen Fragmentierung<br />
des Marktes und der Heterogenität der Akteure hinsichtlich Grösse, Rechtsformen<br />
und Rechnungslegungsvorschriften sowie der damit verbundenen Kosten eine<br />
flächendeckende Durchsetzung allerdings fraglich bliebe. Im Zuge der Revision des<br />
StromVG wären zumindest die Optimierung des gesetzlichen Wortlauts und der Systematik,<br />
die Publikationspflicht der Segmentrechnung Netz als Anhang zur integrierten<br />
Jahresrechnung sowie die Prüfungspflicht für grössere EVU zu evaluieren.<br />
Für eine Minderheit der Schweizer Stromverteilnetzbetreiber gelten die in Abbildung<br />
7-3 eingezeichneten Entwicklungspfade "1b" bzw. "2b", indem bei der Durchführung<br />
eines rechtlichen Unbundling des Netzes in eine eigene Netzgesellschaft anstelle einer<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> die gesetzlich nötige, vollständige Jahresrechnung der Netzgesellschaft<br />
offengelegt werden kann. Analog zum Pfad "a" ist auch hier eine freiwillige<br />
Weiterentwicklung durch Anwendung eines anerkannten Standards möglich. Die<br />
Frage der Prüfung wird bei diesem Pfad aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit des<br />
Betriebs durch geltendes Recht geregelt.<br />
7.7.2 Zielerreichung der Arbeit<br />
Die vorliegende Dissertation verfolgte gemäss Kapitel 1.2 das Ziel, den Sinn und<br />
Zweck, die Anforderungen sowie den Stand der Umsetzung der vom Gesetzgeber in<br />
Art. 11 StromVG verlangten, entflochtenen Jahresrechnung im Sinne einer Segmentrechnung<br />
Netz zu erforschen und darauf aufbauend praxisorientierte Gestaltungsempfehlungen<br />
zu erarbeiten. Dieses Ziel wurde mit der Entwicklung der zuvor erläuterten<br />
Gestaltungsempfehlungen Nr. 1 bis 9 weitgehend erfüllt. Die Gestaltungsempfehlun-
Gestaltungsempfehlungen 297<br />
gen basieren auf einer vertieften Auseinandersetzung mit der Zielsetzung und dem<br />
Zweck der Vorgaben des StromVG zur <strong>Segmentberichterstattung</strong> aus rechtlicher, kon-<br />
zeptioneller und empirischer Sicht, indem insbesondere die GoS nach geltendem Recht<br />
entwickelt, die Erwartungen anhand <strong>von</strong> 15 explorativen Expertengesprächen ermittelt<br />
sowie die aktuelle Umsetzungspraxis in Form einer Befragung bei 113 Stromverteil-<br />
netzbetreibern analysiert wurde.<br />
Im Rahmen der Lösungsentwicklung brachte der zeitnahe und anwendungsorientierte<br />
Forschungsansatz gewisse Restriktionen mit sich, indem die Grundlagenerarbeitung<br />
nur <strong>unter</strong> Zuhilfenahme <strong>von</strong> vergleichbaren Interpretationen und Praxiserfahrungen<br />
aus anderen Rechtsordnungen möglich war. Zudem bestehen bei den empirischen Erkenntnissen<br />
Einschränkungen hinsichtlich der globalen Repräsentativität, nicht zuletzt<br />
durch die aufgrund des Rücklaufs erfahrungsgemäss positiv verzerrten Ergebnisse. 1032<br />
Schliesslich erforderten die <strong>unter</strong>schiedlichen Sichtweisen, Argumente und Praktiken<br />
zahlreiche Abwägungen, welche die Leser aus ihrer Sicht hinterfragen können. Insbesondere<br />
die grundlegende Abwägung bei der Berichterstattung zwischen den Interessen<br />
der Stromverteilnetzbetreiber an einer möglichst einfachen, kostengünstigen Umsetzung<br />
<strong>unter</strong> Wahrung ihrer Vertraulichkeitsansprüche und der Nützlichkeit für die<br />
Adressaten durch Erzielung einer hohen Informationsqualität stellte in dieser Arbeit<br />
eine laufende Herausforderung dar. BERNDT weist in diesem Zusammenhang darauf<br />
hin, dass es gerade für Normsetzer – ohne die vorliegende Arbeit mit einer Normsetzung<br />
oder die Gestaltungsempfehlungen mit Normen gleichsetzen zu wollen – schwierig<br />
sei, festzulegen, welchen Informationsumfang für Adressaten noch nutzensteigernd<br />
ist und wann ein zufriedenstellender Informationsumfang erreicht wird. 1033 Demnach<br />
dürften die hier erarbeiteten Vorschläge eine vertiefte Auseinandersetzung und eine<br />
Lösungsfindung zwischen dem Gesetzgeber, den betroffenen Branchenvertretern sowie<br />
den Anspruchsgruppen fördern. Die Grenzen des Subsidiaritätsprinzips sind dabei<br />
zu beachten, um die Konkurrenz zwischen verschiedenen Weisungen, Richtlinien und<br />
Einzelverfügungen und damit Rechtsunsicherheit zu vermeiden. Zeitnah sollte eine für<br />
alle Beteiligten verbindliche Interpretation der gesetzlichen Vorgaben erreicht werden.<br />
Diese Arbeit will diesem Prozess im Interesse einer erfolgreichen Strommarktliberalisierung<br />
und zur Verhinderung einer unnötigen Ausweitung des Expectation Gap in der<br />
Rechnungslegung einen Anstoss geben.<br />
1032<br />
Positiv im Sinne der Erfüllung der rechtlichen Vorgaben.<br />
1033<br />
Vgl. BERNDT (2005), S. 223.
298 Gestaltungsempfehlungen<br />
7.7.3 Offene Fragen und weitere Entwicklung<br />
Die Erkenntnisse dieser Arbeit führen zu neuen Fragen und Anregungen zur Weiter-<br />
entwicklung, die über den hier gesetzten Rahmen hinausgehen und Gegenstand <strong>von</strong><br />
weiteren Projekten werden können, die das noch relativ begrenzte Wissen über das<br />
Unbundling sowie über die Public Accountability <strong>von</strong> öffentlichen Unternehmen aus-<br />
weiten. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können auch für die Regulation anderer<br />
Netzwerkindustrien relevant sein.<br />
In Bezug auf die Elektrizitätsbranche dürften im Bereich des Unbundling insbesondere<br />
die seitens der Anspruchsgruppen erwartete Wirksamkeit des buchhalterischen Unbundling<br />
sowie die Umsetzbarkeit des informatorischen Unbundling auf Verteilnetzebene<br />
weiteres Erkenntnisinteresse begründen. Vor dem Hintergrund, dass strenge Unbundling-Vorschriften<br />
insbesondere bei kleineren EVU zur Aufgabe <strong>von</strong> wesentlichen<br />
Economies of Scope führen können, 1034 besteht ein hohes Interesse an einer effektiven<br />
Umsetzung der bestehenden Vorgaben und an dessen empirischem Nachweis. Denkbare<br />
Bestrebungen in Richtung einer ganzheitlichen Schweizer Infrastrukturregulation,<br />
bestehend aus Verkehr-, Daten- und Versorgungsnetzen, könnten da<strong>von</strong> profitieren.<br />
Was den Schwerpunkt der Public Accountability betrifft, lassen sich ebenfalls zahlreiche<br />
Fragen – wie beispielsweise generell nach dem Nutzen und den Kosten – vertiefen<br />
und auf andere Branchen übertragen. Für die Branche dürften die Verhältnismässigkeit<br />
und die Kostenfolgen einer allfälligen mittelfristigen Durchsetzung einer einheitlichen<br />
Rechnungslegung sowie deren Prüfung relevant sein. Dieser Themenbereich kann – je<br />
nach der effektiven Informationsqualität der <strong>Segmentberichterstattung</strong>, die erstmals im<br />
Herbst 2010 analysiert werden kann – an Bedeutung gewinnen oder verlieren. Eine<br />
hohe Umsetzungsqualität liegt daher im Interesse sämtlicher Akteure.<br />
Selbst wenn bestenfalls eine zeitnahe Einigung der Akteure auf eine einheitliche Norm<br />
zur <strong>Segmentberichterstattung</strong> erfolgen sollte und damit die Informationsqualität im<br />
Vergleich zur bisherigen Situation steigen dürfte, ist es letztlich nicht möglich, aufgrund<br />
der hier verfolgten, anwendungsorientierten Problemlösung die in der Schweiz<br />
ausgeprägten, höher gelagerten Problemstellungen der Marktfragmentierung in der<br />
Stromwirtschaft und der Vereinheitlichung des Rechnungslegungs- und Revisionsrechts<br />
zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor in den Griff zu bekommen.<br />
Massgeblich hierfür dürften steigende Effizienz- und Transparenzanforderungen sein.<br />
1034 Vgl. Fussnote 81 zur diesbezüglichen Studie <strong>von</strong> FARSI et al. (2008).
Thesenförmige Zusammenfassung 299<br />
8 Thesenförmige Zusammenfassung<br />
1. Gegenstand der Arbeit ist die mit der Liberalisierung des Schweizer Strommark-<br />
tes eingeführte, <strong>von</strong> der Grösse, der Rechtsform und den Eigentümern unabhän-<br />
gige Verpflichtung für Stromverteilnetzbetreiber, basierend auf den Vorgaben<br />
zum buchhalterischen Unbundling eine Jahresrechnung für die in der Regel be-<br />
trieblich und rechtlich integrierte Verteilung zu veröffentlichen und damit zu der<br />
vom StromVG angestrebten Transparenz – im Sinne der Public Accountability –<br />
bezüglich des natürlichen Monopols Verteilnetz beizutragen. Die relevanten Be-<br />
stimmungen in Art. 10 und 11 StromVG zum Unbundling und zur Rechnungsle-<br />
gung sind äusserst knapp gehalten und stark auslegungsbedürftig. Dieser Um-<br />
stand begründet die Zielsetzung der Arbeit, konkrete Gestaltungsempfehlungen<br />
für Stromverteilnetzbetreiber zu entwickeln.<br />
2. Das Schweizer Verteilnetz wird <strong>von</strong> rund 800 überwiegend öffentlich beherrsch-<br />
ten <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> <strong>unter</strong>schiedlichster Grössen und Rechtsformen be-<br />
trieben – insbesondere <strong>von</strong> zahlreichen Kleinstwerken mit weniger als einer Voll-<br />
zeitstelle und <strong>von</strong> unselbstständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten, die als Teil<br />
der Verwaltung über keine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen. Dies führt zu<br />
einer im Vergleich zur EU einmaligen Marktfragmentierung bei gleichzeitig hoher<br />
Heterogenität der Strukturen. Beide Umstände wirken sich auf die – <strong>von</strong> privatrechtlichen<br />
Bestimmungen im OR, öffentlich-rechtlichen Harmonisierungsvorgaben<br />
(HRM) sowie <strong>von</strong> anerkannten Rechnungslegungsstandards wie Swiss<br />
GAAP FER oder IFRS geprägte – Rechnungslegung in der Branche aus.<br />
3. Die Vorgabe des buchhalterischen Unbundling nach Art. 10 Abs. 3 StromVG<br />
führt bei rechtlich integrierten <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> zu einer zwingenden<br />
Segmentierung der Buchhaltung in den Bereich Netz und in übrige Tätigkeiten.<br />
Diese Vorgabe ist – verbunden mit der Pflicht zur Veröffentlichung einer Jahresrechnung<br />
für das Segment Netz – mit dem Ansatz der <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
vergleichbar. Die Übertragung theoretischer und empirischer Erkenntnisse aus<br />
der kapitalmarktorientierten <strong>Segmentberichterstattung</strong> – im Sinne einer Best<br />
Practice anhand des neuen IFRS 8 – führt zur Erkenntnis, dass die daraus resultierende<br />
Informationsqualität – definiert als Verständlichkeit, Verlässlichkeit,<br />
Vergleichbarkeit und Relevanz – nebst der formellen Rechtserfüllung im Sinne<br />
der Ordnungsmässigkeit für die Zielerreichung bedeutend ist.
300 Thesenförmige Zusammenfassung<br />
4. Aufgrund der Entwicklung der Schweizer Strommarktgesetzgebung und grundsätzlich<br />
vergleichbarer Vorgaben in der EU – konkretisiert an der Umsetzung in<br />
Deutschland und Österreich – wurden die Bestimmungen zum buchhalterischen<br />
Unbundling und dessen Offenlegung aus rechtlicher Sicht ausgelegt und darauf<br />
aufbauend Grundsätze ordnungsmässiger <strong>Segmentberichterstattung</strong> (GoS) nach<br />
StromVG entwickelt. Bezüglich der Offenlegung führt die Interpretation der<br />
Segmentrechnung Netz gemäss dem Wortlaut zu einer totalen Segmentierung <strong>von</strong><br />
Erfolgsrechnung und Bilanz in eine fiktive Jahresrechnung für das Verteilnetz –<br />
als ob dieses rechtlich selbstständig wäre. Demgegenüber bleibt die zu erwartende<br />
Informationsqualität – und damit der Grad der Zielerreichung – aufgrund der<br />
hohen Heterogenität in der Rechnungslegung, der fehlenden Revisionspflicht<br />
sowie der bestehenden Auslegungsbedürftigkeit tief.<br />
5. Die konzeptionellen Erkenntnisse aus der Umsetzung des buchhalterischen Unbundling<br />
in Deutschland und Österreich sowie aus der Literatur zur <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
machen deutlich, dass die dem Wortlaut entsprechende Idealvorstellung<br />
<strong>von</strong> vollständigen Jahresrechnungen für das Netz durch eine komplette<br />
Trennung der Buchhaltung weder verhältnismässig ist, noch die grundlegende<br />
Problematik der fehlenden Segmentierbarkeit <strong>von</strong> nicht auf der Segmentebene<br />
verursachten Erträgen und Aufwendungen sowie <strong>von</strong> Aktiven und Passiven zu<br />
lösen vermag. Viel eher besteht infolge des rechtlichen Zwangs zu einer vollständigen<br />
Segmentierung die Gefahr der Reduktion der Informationsqualität durch<br />
arbiträre Schlüsselungen und daraus resultierende Differenzpositionen. Demgegenüber<br />
ist die Alternative der partiellen Segmentierung – in Anlehnung an den<br />
Management Approach – durch Abstützung der Segmentierungsvorgabe auf interne<br />
Informationen, über die alle Stromverteilnetzbetreiber aufgrund der Regulation<br />
der Netznutzungsentgeltermittlung einheitlich verfügen, aus konzeptioneller<br />
Sicht zur Verbesserung der Informationsqualität vorzuziehen.<br />
6. In 15 Expertengesprächen mit ausgewählten Vertretern <strong>von</strong> Eigentümern, Kunden,<br />
Behörden und Revisoren sowie der Branche selbst wurden die Erwartungen<br />
der Anspruchsgruppen hinsichtlich des Unbundling und die darauf basierende<br />
<strong>Segmentberichterstattung</strong> <strong>von</strong> <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong> herausgearbeitet. Die<br />
zentrale Erwartung vieler Experten ist eine effektive Umsetzung des buchhalterischen<br />
Unbundling. Hingegen sind die Erwartungen bezüglich einer einheitlichen<br />
Rechnungslegung aufgrund der Ausgangslage und der als unverhältnismässig be-
Thesenförmige Zusammenfassung 301<br />
urteilten Durchsetzung eines einheitlichen Standards beschränkt. In Bezug auf<br />
die Offenlegung erwarten insbesondere Vertreter <strong>von</strong> Kunden und Behörden –<br />
basierend auf dem Wortlaut des StromVG – eine vollständige Jahresrechnung,<br />
während sich mehrere Vertreter <strong>von</strong> Eigentümern, Revisoren und der Branche ei-<br />
nen Ansatz in Anlehnung an die kapitalmarktorientierte <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
vorstellen können. Diese und weitere Auslegungsfragen sind nach der Meinung<br />
der Mehrheit der Experten durch eine <strong>von</strong> der Branche gemäss dem Subsidiaritätsprinzip<br />
erlassene und mit den Anspruchsgruppen abgestimmte Richtlinie zu<br />
beantworten.<br />
7. Die Erkenntnisse aus der Gesetzesauslegung, der Theorie und den Expertengesprächen<br />
wurden im Rahmen einer Online-Befragung <strong>von</strong> 113 <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
der praktischen Umsetzung gegenübergestellt und weitgehend bestätigt.<br />
Auch wenn der Umsetzungsgrad beim buchhalterischen Unbundling aufgrund<br />
der Selbsteinschätzung der Befragten positiv zu beurteilen ist, kommt bei<br />
der Bewertung und Offenlegung die zufolge der auslegungsbedürftigen Vorgaben<br />
und der <strong>unter</strong>schiedlichen Ausgangslage der einzelnen Betriebe erwartete Heterogenität<br />
in der <strong>Segmentberichterstattung</strong> klar zum Ausdruck. Die nicht einheitliche<br />
und bezüglich ihres Informationsumfangs mehrheitlich zurückhaltende Umsetzung<br />
vermag weder die Erwartungen bezüglich einer einheitlichen <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
noch hinsichtlich einer vollständigen Jahresrechnung zu erfüllen.<br />
Das Ziel der Public Accountability wird damit nicht erreicht.<br />
8. Die Erkenntnisse lassen auf die Relevanz der Gestaltungsempfehlungen schliessen.<br />
Diese folgen dem Ansatz der <strong>Segmentberichterstattung</strong>, die sich – im Sinne<br />
eines Regulatory Management Approach – in Bezug auf das Unbundling, die<br />
Bewertung und die Offenlegung an den gemäss der Regulation auch für die interne<br />
Kostenrechnung notwendigen Informationen orientiert. Dies ermöglicht<br />
trotz der uneinheitlichen Rechnungslegung im integrierten Jahresabschluss zumindest<br />
formell eine einheitliche Segmentrechnung, welche den Ansprüchen an<br />
die Informationsqualität weitgehend gerecht wird. Vertreter <strong>von</strong> Branche, Behörden<br />
und Revision sind <strong>unter</strong> Einbezug der übrigen Anspruchsgruppen aufzufordern,<br />
diese Gestaltungsempfehlungen im Sinne <strong>von</strong> Vorschlägen zu hinterfragen<br />
und zur Herstellung <strong>von</strong> Rechtssicherheit sowie zur Vermeidung der Vergrösserung<br />
des Expectation Gap eine verbindliche Interpretation der Normen vorzunehmen<br />
und Empfehlungen zur Umsetzung zu erlassen.
302 Anhang<br />
Anhang<br />
Anhang 1: Interviewleitfaden Expertengespräche<br />
Die nachfolgenden Fragen dienen als Leitschnur für das persönlich geführte Interview. Die Fragen<br />
können je nach Gesprächsverlauf ergänzt oder angepasst werden. Im Rahmen der Dissertation werden<br />
Ihre Antworten in aggregierter Form und ohne Einzelzitierung wiedergegen. Die Namen aller Inter-<br />
viewpartner werden in Form eines Interviewverzeichnisses aufgeführt. Selbstverständlich werde ich<br />
Sie bei erfolgreichem Abschluss meiner Dissertation über die Ergebnisse meiner Arbeit informieren.<br />
Als Vertreter der Anspruchsgruppe „Eigentümer“ möchte ich mit Ihnen folgende Fragen diskutieren:<br />
1. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichsten Vor- und Nachteile, welche die aktuelle Strom-<br />
marktliberalisierung in der Schweiz mit sich bringt? Bestehen neben der Preisentwicklung für<br />
Sie weitere erfolgskritische Aspekte?<br />
2. Art. 10 des StromVG schreibt vor, dass Stromverteilnetzbetreiber Ihr Verteilnetz mindestens<br />
buchhalterisch <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeitsbereichen entflechten müssen. Wie beurteilen Sie<br />
diese gesetzliche Vorgabe in Bezug auf Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit?<br />
3. Art. 11 des StromVG konkretisiert die Vorgabe des buchhalterischen Unbundling. Einerseits<br />
müssen Verteilnetzbetreiber zum Nachweis der Kalkulation der Netznutzungsentgelte eine ent-<br />
flochtene Kostenrechnung aufbereiten. Andererseits müssen Verteilnetzbetreiber auch eine se-<br />
parate Jahresrechnung für das Netz erstellen und diese im Internet publizieren. Was ist aus Ih-<br />
rer Sicht das Ziel der Erstellung und Publikation dieser separaten Jahresrechnung?<br />
4. Was sind aus Ihrer Sicht die Anforderungen an eine solche Jahresrechnung für das Verteilnetz?<br />
Welche Komponenten (Erfolgsrechnung, Bilanz, Geldflussrechnung, Anhang, etc.) sollte eine<br />
solche Jahresrechnung aus Ihrer Sicht enthalten?<br />
5. Der Bundesrat hat <strong>von</strong> seiner Kompetenz nach Art. 11 Abs. 2 StromVG, Mindestanforderun-<br />
gen für die Vereinheitlichung der Rechnungslegung zu erlassen, bisher nicht gebraucht ge-<br />
macht. Sehen Sie in diesem Bereich Handlungsbedarf? Wenn ja, in welche Richtung sollen<br />
Massnahmen gehen?<br />
6. Gemäss dem Bericht des BFE zum damaligen StromVG-Entwurf lässt sich entnehmen, dass<br />
eine Situation dann als transparent wahrgenommen wird, wenn die Informationen verfügbar,<br />
verständlich und vergleichbar sind. Inwiefern wird aus Ihrer Sicht die Jahresrechnung Netz zur<br />
Verbesserung der Transparenz beitragen?<br />
7. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Strommarktes in Bezug auf die Marktstruktur? Werden<br />
sich Strukturbereinigungen akzentuieren oder aber wirkt das heutige StromVG eher strukturerhaltend?<br />
Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend und was wäre eine wünschenswerte<br />
Entwicklung?<br />
8. Welchen Handlungsbedarf im Bereich des Rechnungswesens bzw. der Transparenz würden Sie<br />
vorsehen, wenn eine Revision des StromVG und dessen Verordnung zur Diskussion stehen<br />
würde?
Anhang 303<br />
Anhang 2: Online-Fragebogen für Stromverteilnetzbetreiber<br />
1 [Seiten-ID: 371300] [L] Sprachwahl<br />
Bitte wählen Sie Ihre bevorzugte Sprache:<br />
Merci de sélectionner votre langue préférée:<br />
� Deutsch<br />
� Français<br />
2 [Seiten-ID: 370107] [L] Anfang<br />
Willkommen zur Online-Befragung <strong>von</strong> Schweizer <strong>Stromverteilnetzbetreibern</strong><br />
Ihre Einschätzungen als Vertreter einer der rund 750 Schweizer Stromverteilnetzbetreiber sind für<br />
die Forschungsarbeit im Rahmen des Dissertationsprojekts über die neuen Anforderungen der<br />
Schweizer Strommarktliberalisierung an das Finanz- und Rechnungswesen am Institut für Accounting,<br />
Controlling und Auditing der Universität St. Gallen <strong>von</strong> hoher Bedeutung. Wir danken Ihnen<br />
für Ihre Bereitschaft an dieser Untersuchung teilzunehmen. Die Vertraulichkeit ist durch die anonyme<br />
Befragungsform vollumfänglich gewährleistet. Die Angabe <strong>von</strong> Identität und Kontaktdaten ist<br />
freiwillig und dient lediglich für allfällige Rückfragen. Unabhängig da<strong>von</strong> werden im Rahmen des<br />
Dissertationsprojekts keine Einzelfalldaten ohne explizite Einwilligung des Unternehmens genannt.<br />
Freundliche Grüsse<br />
Universität St. Gallen<br />
Prof. Dr. rer. pol. Thomas Berndt Markus Flatt, M.A. HSG<br />
Direktor ACA-HSG Doktorand ACA-HSG<br />
3 [Seiten-ID: 370413] [L] Einführung<br />
Vorbemerkungen<br />
Die Befragung bezieht sich auf die Sparte Strom und dabei auf den Betrieb des Verteilnetzes. Das<br />
Übertragungsnetz (Swissgrid) wird <strong>von</strong> dieser Befragung nicht erfasst.<br />
Gemäss Art. 11 Abs. 1 StromVG ist jeder Stromverteilnetzbetreiber unabhängig <strong>von</strong> seiner Rechtsform<br />
und Grösse verpflichtet, den Betrieb seines Verteilnetzes im Minimum buchhalterisch <strong>von</strong> den<br />
anderen Tätigkeiten zu entflechten (Unbundling). Neben der entflochtenen Kostenrechnung als<br />
Grundlage für die Kalkulation hat jeder Verteilnetzbetreiber auch eine entflochtene "Jahresrechnung<br />
Netz" zu erstellen und jährlich zu veröffentlichen. Die Befragung erörtert, in welcher Art und Weise<br />
diese "Jahresrechnung Netz" bei den Verteilnetzbetreibern, basierend auf der aktuell bestehenden<br />
Struktur des Rechnungswesens, geplant ist.<br />
Die Befragung gliedert sich in die folgenden vier Teile und dauert rund 10 Minuten:<br />
1. Angaben zum Unternehmen<br />
2. Unbundling<br />
3. Rechnungslegung<br />
4. Berichterstattung
304 Anhang<br />
Das Dissertationsprojekt hat zum Ziel, basierend auf Ihren Angaben aus der Praxis, aufgrund <strong>von</strong><br />
Erfahrungen aus anderen Ländern sowie aufgrund der Theorie, konkrete Handlungsempfehlungen<br />
für die Berichterstattung <strong>von</strong> Verteilnetzbetreibern zu entwickeln und damit einen Beitrag zur Um-<br />
setzung der Schweizer Strommarktliberalisierung zu leisten.<br />
Für unsere Untersuchung ist es zentral, möglichst vollständig ausgefüllte Fragebögen zu erhalten.<br />
Sollten einzelne Fragen zur Publikation bei Ihnen zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abschliessend<br />
geklärt sein, dürfen wir Sie zum Forschungszweck bitten die wahrscheinlichste Lösung aus Ihrer<br />
Sicht anzugeben.<br />
4 [Seiten-ID: 370138] [L] Angaben zum Unternehmen<br />
Welche Rechtsform haben Sie als Verteilnetzbetreiber?<br />
� Aktiengesellschaft (AG)<br />
� Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)<br />
� Genossenschaft<br />
� Selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts<br />
� Unselbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts (Eigenwirtschaftsbetrieb)<br />
� Andere Rechtsform: _________________________________________<br />
Wie gestaltet sich Ihre Eigentümerstruktur?<br />
� Ausschliesslich im Besitz der öffentlichen Hand (Kanton, Gemeinde)<br />
� Mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand (Kanton, Gemeinde)<br />
� Mehrheitlich oder ausschliesslich im privaten Besitz<br />
� 50% öffentliche Hand, 50% privater Besitz<br />
Wie viele Mitarbeitende beschäftigten Sie per Ende 2008 gesamthaft?<br />
Bitte geben Sie eine gerundete Anzahl Vollzeitstellen ein. Eine Schätzung ist ausreichend.<br />
_____ Vollzeitstellen<br />
5.1 [Seiten-ID: 372462] [L] Gemeindebetrieb<br />
Vorbemerkung für Gemeinde- und Stadtwerke<br />
Aus Gründen der Übersichtlichkeit richtet sich die Umfrage in ihrer Terminologie primär am Aufbau<br />
des privatwirtschaftlichen Rechnungswesens aus. Als Gemeinde- und Stadtwerke verfügen Sie in<br />
der Regel statt einer Erfolgsrechnung über eine Laufende Rechnung und statt einer Bilanz über eine<br />
Bestandesrechnung. Diese Begriffe werden nachfolgend als Synonyme verwendet.<br />
Falls Sie ein Eigenwirtschaftsbetrieb einer Gemeinde sind und über eine selbstständige Rechnung<br />
verfügen (z.B. eigener Rechnungskreis), welche in die Gemeinderechnung konsolidiert wird, beziehen<br />
sich die nachfolgenden Fragen auf Ihre Rechnung und nicht auf die Rechnung der Gemeinde.<br />
Falls Sie keine selbstständige Rechnung führen, ist die Gemeinderechnung massgebend.
Anhang 305<br />
6 [Seiten-ID: 370112] [L] Tätigkeit des Unternehmens<br />
In welchen Sparten sind Sie tätig?<br />
� Strom<br />
� Gas<br />
� Wasser<br />
� Wärme<br />
� Telekommunikation<br />
� Öffentliche Beleuchtung<br />
� Installation<br />
� Anderes<br />
Auf welchen Wertschöpfungsstufen in der Sparte Strom sind Sie tätig?<br />
� Erzeugung (Produktion)<br />
� Übertragung (Netz)<br />
� Verteilung (Netz)<br />
� Vertrieb (Energie)<br />
� Handel (Grosshandel)<br />
7.1 [Seiten-ID: 370272] [L] Vorzeitiges Ende<br />
Gemäss Ihren Angaben sind Sie entweder nicht in der Sparte Strom und/oder nicht auf der Stufe<br />
Verteilnetz tätig. Da sich die Befragung ausschliesslich an Stromverteilnetzbetreiber in der Schweiz<br />
richtet, ist die Befragung für Sie beendet.<br />
Sollte Ihre Eingabe irrtümlicherweise erfolgt sein, können Sie mit dem Knopf "Zurück" Ihre Eingaben<br />
ergänzen oder korrigieren. Sind Ihre Eingaben richtig, können Sie für die Beendigung der Umfrage<br />
auf "Weiter" klicken.<br />
8.1 [Seiten-ID: 370171] [L] Verteilnetz<br />
Welche Verteilnetzebenen betreiben Sie?<br />
� Netzebene 3 (Hochspannung)<br />
� Netzebene 4 (Transformation HS / MS)<br />
� Netzebene 5 (Mittelspannung)<br />
� Netzebene 6 (Transformation MS / NS)<br />
� Netzebene 7 (Niederspannung)<br />
Wie viele Mitarbeitende beschäftigten Sie per Ende 2008 im Bereich Stromverteilnetz?<br />
Bitte geben Sie die gerundete Anzahl Vollzeitstellen ein. Eine Schätzung ist ausreichend.<br />
_____ Vollzeitstellen<br />
Wie viele MWh Strom wurden im letzten Berichtsjahr über Ihr Verteilnetz ausgespiesen?<br />
Bitte geben Sie die Zahl ohne Tausender-Trennzeichen ein.<br />
_____ MWh
306 Anhang<br />
Wie hoch ist Ihr erwarteter Netznutzungsertrag für das laufende Geschäftsjahr?<br />
Bitte tragen Sie den geplanten Ertrag für die Netznutzung ohne Abgaben (SDL, KEV, Gemeinwe-<br />
sen) ein.<br />
_____ CHF Mio.<br />
8.2 [Seiten-ID: 370276] [L] Unbundling<br />
Welche Formen des Unbundling setzen Sie für Ihr Stromverteilnetz ab dem 1. Januar 2009 um?<br />
Nach Art. 10 Abs. 3 StromVG gilt das buchhalterische Unbundling als Mindestvorgabe. Dabei geht<br />
es um die <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeiten getrennte Darstellung des Netzes im Rahmen der Jahressowie<br />
der Kostenrechnung. Das informatorische Unbundling ist in Abs. 2 dieses Artikels in Bezug<br />
auf wirtschaftlich sensible Informationen aus dem Netzbereich ebenfalls vom Gesetz vorgegeben.<br />
Darüber hinaus existieren weitere Unbundling-Formen.<br />
� Buchhalterisches Unbundling: Trennung des Netzes <strong>von</strong> den übrigen Tätigkeiten anhand der<br />
Finanz- oder der Betriebsbuchhaltung<br />
� Informatorisches Unbundling: Umsetzung der internen Vertraulichkeit zwischen Netz und<br />
Stromvertrieb; Gleichbehandlung des internen Stromverkaufs wie Drittlieferanten (Nichtdiskriminierung)<br />
� Organisatorisches Unbundling: unabhängige Organisationseinheit für das Verteilnetz, personell<br />
vollständig getrennte Zuständigkeiten (inkl. Leitungsfunktion)<br />
� Rechtliches Unbundling: Eigene Netzgesellschaft für das Verteilnetz<br />
� Keine der vorgenannten Formen<br />
8.2.1.1.1 [Seiten-ID: 370284] [L] Umsetzung buchhalterisches Unbundling<br />
Das buchhalterische Unbundling kann grundsätzlich auf verschiedene Arten erfolgen. Die Umsetzungsform<br />
hängt in der Regel <strong>von</strong> der Unternehmensgrösse und der Unternehmensstruktur ab. Nach<br />
welchem Grundprinzip stellen Sie das buchhalterische Unbundling des Stromverteilnetzes in Bezug<br />
auf direkt zuweisbare Positionen (Ertrag, Aufwand, Aktiven, Passiven) sicher (Hauptmethode)?<br />
Sie können die Antwort für die Erfolgsrechnung und die Bilanz differenziert abgeben, z.B. wenn Sie<br />
eine Betriebsbuchhaltung zur Trennung der Erfolgsrechnung einsetzen und die Bilanz soweit möglich<br />
mittels separaten Konti differenzieren.<br />
Erfolgsrechnung Bilanz<br />
Basis Finanzbuchhaltung: Getrennte Finanzbuchhaltung für<br />
das Verteilnetz, z.B. in Form eines eigenen Rechnungskreises.<br />
Basis Finanzbuchhaltung: Einführung separater Konten für<br />
das Verteilnetz mit dem Ziel der weitgehend getrennten Verbuchung,<br />
z.B. bei Gemeindewerken in Form einer Dienststelle<br />
Netz.<br />
Basis Finanzbuchhaltung: Einführung einer Zusatzkontierung<br />
der bestehenden Konten zur Trennung der Rechnung in verschiedene<br />
Bereiche.<br />
� �<br />
� �<br />
� �
Anhang 307<br />
Basis Betriebsbuchhaltung: Getrennte Verbuchung mit Hilfe<br />
<strong>von</strong> differenzierten Kostenstellen und Kostenträgern.<br />
Rein statistische Zuteilung des Abschlusses auf das Verteilnetz<br />
und auf andere Aktivitäten mittels Schlüsseln, z.B. Ende<br />
Jahr in Excel.<br />
� �<br />
� �<br />
Er ist keine Trennung vorgesehen. � �<br />
8.2.1.1.2 [Seiten-ID: 371365] [L] Gemeinkosten<br />
Zahlreiche Aufwand- und Ertragsarten sowie Aktiven und Passiven sind dem Stromverteilnetz und<br />
den übrigen Tätigkeitsbereichen nicht direkt zuteilbar und müssen intern verrechnet oder mit<br />
Schlüsseln aufgeteilt werden. Nach welcher Methode erfolgt bei Ihnen die Zuteilung dieser Positionen<br />
überwiegend?<br />
Sie können die Antwort für die Erfolgsrechnung und die Bilanz wiederum differenziert abgeben.<br />
Erfolgsrechnung Bilanz<br />
Vorwiegend über interne Leistungsverrechnungen (z.B. auf<br />
Basis <strong>von</strong> Stundenaufschreibungen).<br />
Vorwiegend Schlüsselungen / Umlagen <strong>von</strong> Bereichen, Kostenstellen<br />
und Bilanzpositionen beim Abschluss (z.B. Umlage<br />
Verwaltungskostenstelle).<br />
Vorwiegend fortlaufende, manuelle Schlüsselung bei der Verbuchung<br />
(z.B. Aufsplittung einzelner Rechnungen auf verschiedene<br />
Konten).<br />
Vorwiegend erfolgt keine Zuteilung <strong>von</strong> nicht direkt zuweisbaren<br />
Positionen.<br />
8.2.1.2 [Seiten-ID: 370969] [L] Rechnungslegung<br />
� �<br />
� �<br />
� �<br />
� �<br />
Nach welchen Rechnungslegungsgrundsätzen werden Sie im laufenden Geschäftsjahr Ihre finanzielle<br />
Berichterstattung zu Handen Ihrer Eigentümer erstellen?<br />
Öffentlich-rechtliche Unternehmen können sich <strong>unter</strong> Einhaltung der kantonalen Vorgaben an privatrechtlichen<br />
Rechnungslegungsgrundsätzen ausrichten. Diesfalls ist derjenige Standard anzugeben,<br />
an welchem sich die Berichterstattung orientiert. Im Fall der Anwendung und Einhaltung mehrerer<br />
Rechnungslegungsstandards ist der wirtschaftlich aussagekräftigere Standard anzugeben.<br />
Einzelabschluss Konsolidierter<br />
Abschluss (nur falls<br />
vorhanden)<br />
Schweizerisches Obligationenrecht (OR) � �<br />
Harmonisiertes Rechnungslegungsmodell (HRM) I,<br />
bzw. entsprechende kantonale Rechnungslegungsvorschriften<br />
� �
308 Anhang<br />
Swiss GAAP FER � �<br />
Harmonisiertes Rechnungslegungsmodell (HRM) II � �<br />
International Financial Reporting Standards (IFRS) � �<br />
International Public Sector Accounting Standards<br />
(IPSAS)<br />
8.2.1.3 [Seiten-ID: 370971] [L] Veröffentlichung<br />
� �<br />
Planen Sie den Jahresabschluss für das laufende Geschäftsjahr zu veröffentlichen?<br />
Bei unselbstständigen Gemeindebetrieben zählt hierzu auch die Publikation innerhalb der Gemeinderechnung.<br />
� Ja, analog der Vorjahre.<br />
� Ja, erstmals.<br />
� Nein<br />
Publizierten Sie im Rahmen Ihrer finanziellen Berichterstattung vor dem 1. Januar 2009 bereits<br />
finanzielle Informationen zu einzelnen Segmenten (z.B. Sparten), welche über eine reine Angabe <strong>von</strong><br />
Umsätzen und Mengen hinausgingen?<br />
Eine Publikation kann z.B. in Form einer <strong>Segmentberichterstattung</strong> erfolgen.<br />
� Ja � Nein<br />
Wenn ja, welche Segmente wiesen Sie bisher aus?<br />
_________________________________________________________________________<br />
8.2.1.4 [Seiten-ID: 372361] [L] Jahresrechnung Netz<br />
Auf Basis welches Rechnungslegungsstandards planen Sie Ihre entflochtene "Jahresrechnung Netz"<br />
zu erstellen und zu publizieren?<br />
Im Fall <strong>von</strong> reinen Netzgesellschaften (Legal Unbundling) wird die "Jahresrechnung Netz" dem<br />
Abschluss der Gesellschaft entsprechen.<br />
Schweizerisches Obligationenrecht (OR)<br />
� Harmonisiertes Rechnungslegungsmodell (HRM) I, bzw. entsprechende kantonale Rechnungslegungsvorschriften<br />
� Swiss GAAP FER<br />
� Harmonisiertes Rechnungslegungsmodell (HRM) II<br />
� International Financial Reporting Standards (IFRS)<br />
� International Public Sector Accounting Standards (IPSAS)<br />
� Andere Grundlage: _______________________________<br />
8.2.1.5 [Seiten-ID: 370341] [L] Bewertung<br />
Wie gestaltet sich bei Ihnen das Verhältnis zwischen den in Ihrem Abschluss ausgewiesenen Buchwerten<br />
des Anlagevermögens für das Stromverteilnetz und den Anlagezeitwerten nach StromVV,<br />
welche Sie für Ihre Kalkulation der Netznutzungsentgelte eingesetzt haben?
Anhang 309<br />
Falls Sie über mehrere Anlagenbuchwerte verfügen, bitten wir Sie sich auf den wirtschaftlich aussa-<br />
gekräftigeren Buchwert zu beziehen (z.B. im Fall einer Konzernrechnung).<br />
� Keine Differenzen.<br />
� Unwesentliche Differenzen: weniger als 10% Bewertungs<strong>unter</strong>schied (z.B. aus Anpassun-<br />
gen Nutzungsdauern)<br />
� Wesentliche Differenzen: mehr als 10% Bewertungs<strong>unter</strong>schied (z.B. aufgrund Überab-<br />
schreibungen der Vergangenheit)<br />
Planen Sie Ihre "Jahresrechnung Netz" auf Basis Ihrer Buchwerte oder auf Basis der kalkulatorischen<br />
Werte der Stromverteilnetzanlagen zu erstellen?<br />
� Buchwerte � Kalkulatorische Werte<br />
8.2.1.6.1 [Seiten-ID: 372490] [L] Aufwertung<br />
Planen Sie in Ihrer "Jahresrechnung Netz" die Differenzen zwischen Buchwerten und kalkulatorischen<br />
Werten offenzulegen, bzw. zu erläutern?<br />
� Ja, Differenzen sollen offengelegt und erläutert werden.<br />
� Ja, Differenzen sollen aber nur im Grundsatz erläutert werden.<br />
� Nein.<br />
Streben Sie eine Angleichung <strong>von</strong> Buchwerten und kalkulatorischen Werten an?<br />
� Ja, kurzfristige Anpassung vorgesehen (Aufwertung).<br />
� Ja, mittel- bis langfristige Angleichung durch Anpassung der Aktivierungs- und Abschreibungspolitik.<br />
� Nein, keine Angleichung.<br />
8.2.1.7 [Seiten-ID: 370976] [L] Form Jahresrechnung Netz<br />
Welche Form wird Ihre "Jahresrechnung Netz" aufweisen, welche gemäss Art. 12. Abs. 1 StromVG<br />
zu veröffentlichen ist?<br />
Falls diese Frage bei Ihnen noch nicht definitiv entschieden ist, bitten wir Sie die aus Ihrer Sicht<br />
wahrscheinlichste Form anzugeben. Bei reinen Netzgesellschaften kann aufgrund der Identität zwischen<br />
"Jahresrechnung Netz" und Jahresrechnung Gesellschaft der erste Punkt angekreuzt werden.<br />
� Separater Ausweis, <strong>von</strong> der Jahresrechnung losgelöste Publikation<br />
� Neuer Anhang zur bestehenden Jahresrechnung<br />
� Integration in bestehende <strong>Segmentberichterstattung</strong><br />
� Andere Form: _____________________________<br />
Welche Bestandteile wird Ihre "Jahresrechnung Netz" enthalten?<br />
� Erfolgsrechnung<br />
� Bilanz oder Auszüge daraus (z.B. wesentliche Aktiven und Passiven)<br />
� Geldflussrechnung<br />
� Anlagespiegel (Investitions- und Abschreibungsrechnung)<br />
� Erläuterungen zur Erstellung und Abgrenzung der "Jahresrechnung Netz"
310 Anhang<br />
� Weitere Anhangsinformationen: _____________________________<br />
8.2.1.7.1.1 [Seiten-ID: 370983] [L] Form Erfolgsrechnung Netz<br />
Wie wird sich Ihre Erfolgsrechnung der "Jahresrechnung Netz" gliedern?<br />
� Gliederung nach Aufwandarten (Personalaufwand, Marketingaufwand, Abschreibungsauf-<br />
wand, etc.)<br />
� Gliederung nach Aktivitäten (Kosten für Betrieb, Instandhaltung, Messung, Verwaltung etc.)<br />
� Gliederung nach Aufwandarten und Aktivitäten (gemischt)<br />
� Kein Ausweis einzelner Aufwandarten oder Aktivitäten, lediglich Umsatz und Ergebnisaus-<br />
weis.<br />
Bis auf welche Ergebnisstufe soll die Erfolgsrechnung Ihrer "Jahresrechnung Netz" veröffentlicht<br />
werden?<br />
� Vollständige Erfolgsrechnung bis auf Stufe Reingewinn<br />
� Verkürzte Erfolgsrechnung bis auf Stufe Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT)<br />
� Andere Form: _____________________________<br />
8.2.1.7.2.1 [Seiten-ID: 370987] [L] Form Bilanz Netz<br />
Wie wird die Bilanz Ihrer "Jahresrechnung Netz" ausgestaltet sein?<br />
� Detaillierte Bilanz mit Eigenkapitalausweis<br />
� Verkürzte Bilanz mit Eigenkapitalausweis<br />
� Keine vollständige Bilanz, nur Darstellung der wesentlichen Aktiven und Passiven des Netzes,<br />
ohne Eigenkapitalausweis<br />
� Andere Form: _____________________________<br />
8.2.1.8 [Seiten-ID: 370996] [L] Weitere Segmente<br />
Werden Sie neu neben dem Segment "Stromverteilnetz" auch andere Aktivitäten in der Sparte Strom<br />
separat ausweisen? Z.B. den Stromverkauf an Endverbraucher mit Grundversorgungsauftrag?<br />
� Ja � Nein<br />
Wenn ja, welche Segmente planen Sie auszuweisen?<br />
_________________________________________________________________________<br />
Wann planen Sie Ihre "Jahresrechnung Netz" erstmals zu publizieren?<br />
Monat (z.B. 03): ______ Jahr (z.B. 2010): ______<br />
8.2.1.9 [Seiten-ID: 371048] [L] Ausblick<br />
Gemäss StromVG <strong>unter</strong>liegt die "Jahresrechnung Netz" keiner separaten Revisionspflicht. Planen<br />
Sie dennoch die "Jahresrechnung Netz" freiwillig einer externen Prüfung (z.B. durch Revisionsstelle)<br />
vorzulegen oder ist die Prüfung aufgrund Ihrer Rechtsform oder aufgrund der Form der Berichterstattung<br />
sogar zwingend?<br />
� Ja, freiwillige Prüfung.
Anhang 311<br />
� Ja, zwingende Prüfung.<br />
� Nein, keine Prüfung.<br />
Wie beurteilen Sie die folgenden, weitergehenden und freiwilligen Formen des Unbundling für Ihr<br />
Unternehmen, bzw. Ihren Betrieb kurz- bis mittelfristig (1 - 3 Jahre)?<br />
Organisatorisches Unbundling:<br />
Komplette organisatorische<br />
Trennung des Netzbetriebs<br />
Rechtliches Unbundling: Ausgliederung<br />
des Netzbetriebs in<br />
eigene Gesellschaft<br />
Eigentumsmässiges Unbundling:<br />
Verkauf des Netzbetriebs<br />
Unbundling des Gesamtbetriebs<br />
<strong>von</strong> der Gemeinde: Ausgliederung<br />
aller Tätigkeiten<br />
(nicht nur Netz) in eine selbständige<br />
Rechtspersönlichkeit<br />
In Vorbe-<br />
reitung <br />
Wahr-<br />
scheinli-<br />
che Option<br />
Zu prü-<br />
fendeOp- tion <br />
Un-<br />
wahr-<br />
scheinlich <br />
Aus-<br />
geschlos<br />
� � � � �<br />
� � � � �<br />
� � � � �<br />
� � � � �<br />
8.2.2 [Seiten-ID: 370279] [L] Ohne buchhalterisches Unbundling<br />
Sie geben an, dass Ihr Unternehmen seit 1. Januar 2009 das buchhalterische Unbundling nicht umsetzt,<br />
obwohl Sie als Stromverteilnetzbetreiber gemäss Art. 10 Abs. 3 StromVG dazu verpflichtet<br />
wären und Sie für die Kalkulation <strong>von</strong> getrennten Netznutzungs- und Energietarifen eine entflochtene<br />
Kostenrechnung benötigen. Wenn Ihre Eingabe irrtümlicherweise erfolgt ist, können die mit dem<br />
Knopf "Zurück" Ihre Angaben anpassen, bzw. ergänzen. Falls diese Aussage zum buchhalterischen<br />
Unbundling zutrifft, bitten wir Sie uns Ihre Situation kurz zu begründen.<br />
Können Sie uns kurz begründen, wieso Sie die gesetzliche Vorgabe nicht zeitgerecht einhalten konnten?<br />
_________________________________________________________________________<br />
Wie sehen Sie Ihr weiteres Vorgehen in Bezug auf das buchhalterische Unbundling?<br />
_________________________________________________________________________<br />
9 [Seiten-ID: 371076] [L] Offenlegung<br />
Sie haben den Schluss der Umfrage erreicht. Sie haben nun noch die Möglichkeit Ihre Kontaktdaten<br />
offenzulegen, um uns allfällige Rückfragen zu ermöglichen. Wir werden Sie dies falls auch über die<br />
Publikation der Ergebnisse informieren können. Wir respektieren aber auch Ihren Wunsch auf Anonymität,<br />
indem Sie diese Angaben auslassen können.<br />
sen
312 Anhang<br />
Unabhängig da<strong>von</strong> bleiben Ihre Einzeldaten geschützt, indem im Rahmen unserer Arbeit keine Pub-<br />
likation erfolgt, welche Rückschlüsse auf einzelne Unternehmen ermöglichen würde.<br />
Möchten Sie uns Ihre Kontaktdaten mitteilen?<br />
� Ja � Nein<br />
10.1 [Seiten-ID: 371065] [L] Kontaktdaten<br />
Ihre Kontaktdaten:<br />
Unternehmen / Gemeinde _____________________________________________<br />
Kontaktperson _____________________________________________<br />
Adresse _____________________________________________<br />
PLZ Ort _____________________________________________<br />
E-Mail _____________________________________________<br />
Telefonnummer _____________________________________________<br />
11 [Seiten-ID: 368164] [L] Endseite<br />
Besten Dank für das Ausfüllen der Online-Befragung!<br />
Bei Fragen oder Anregungen steht Ihnen Herr Markus Flatt gerne zur Verfügung:<br />
Markus Flatt<br />
Doktorand ACA-HSG<br />
markus.flatt@student.unisg.ch<br />
+41 79 650 87 58
Anhang 313<br />
Anhang 3: Muster-<strong>Segmentberichterstattung</strong>
314 Anhang
Anhang 315
316 Anhang
Anhang 317
318 Anhang
Anhang 319
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Curriculum Vitae<br />
Persönliche Daten<br />
Vorname, Name: Markus Flatt<br />
Geburtsdatum: 13. Mai 1980<br />
Heimatort: Thalwil (ZH), Schweiz<br />
Nationalität: Schweiz<br />
Ausbildung<br />
09.2007 - 09.2010 Universität St. Gallen (HSG), Schweiz<br />
Doktor der Wirtschaftswissenschaften, Dr. oec. HSG<br />
Thematischer Schwerpunkt: Accounting<br />
10.2004 - 03.2006 Universität St. Gallen (HSG), Schweiz<br />
Master in Accounting & Finance (M.A. HSG)<br />
10.2000 - 07.2004 Universität St. Gallen (HSG), Schweiz<br />
Bachelor Betriebswirtschaftslehre (B.A. HSG)<br />
08.1992 - 01.2000 Kantonsschule Solothurn, Schweiz<br />
Matura Typus C<br />
Arbeitserfahrung<br />
Seit 08.2010 EVU Partners AG, Aarau, Schweiz<br />
Leiter Beratung Energie<br />
04.2006 - 07.2010 BDO AG, Solothurn, Schweiz<br />
Unternehmensberater im Bereich Corporate Finance<br />
Seit 04.2004 Flatt AG, Wangen a/A, Schweiz<br />
Mitglied des Verwaltungsrates<br />
03.2002 - 07.2002 BDO Visura, Solothurn, Schweiz<br />
Praktikum im Bereich Corporate Finance<br />
12.2001 - 02.2002 ABB Schweiz AG, Baden, Schweiz<br />
Praktikum im Bereich Utility Automation, Marketing<br />
06.2000 - 08.2000 Bystronic Maschinen AG, Bützberg, Schweiz<br />
Praktikum im Bereich Informatik