Wie Phönix aus der Asche? - Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie
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<strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsgeographie</strong> Jg. 53 (2009) Heft 3, S. 129-137<br />
<strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>?<br />
Immobilienwirtschaftliche Forschung in <strong>der</strong> Geographie<br />
Real estate research in geography. The article focuses on changes in the research on real estate<br />
and property issues in geography. It is argued that the <strong>der</strong>egulation of financial markets has triggered<br />
transformations in the way property markets and the real estate industry work. This is reflected<br />
in the research about it: the analytical focus has shifted from local property markets and<br />
local real estate industry to international property markets and global real estate industry. Keywords:<br />
real estate research, geography, financial markets, globalisation.<br />
„Nigel Thrift (1990) wrote recently of his dismay at<br />
the general lack of any serious ‘attention … paid to<br />
matters of money and finance in human geography’<br />
(page 1135). Several years earlier, Michael Ball<br />
(1986) noted the way that ‘urban development and<br />
the production of the built environment in general<br />
are regarded frequently as fairly isolated and specialised<br />
areas of study’ (page 447). The residential<br />
and commercial property market crashes that have<br />
taken place on an international scale since the end of<br />
the 1980s (BIS, 1992, pages 139-140; 1993, pages<br />
157-158) serve as a timely remin<strong>der</strong> of the need to<br />
bring together ‚matters financial’ and the production<br />
of the built environment, and to locate both more<br />
centrally within geography, planning, and economics.“<br />
(PRYKE 1994, 167, emphasis added by M.P.)<br />
Neues <strong>aus</strong> <strong>der</strong> geographischen<br />
immobilienwirtschaftlichen Forschung?<br />
Nicht nur die Immobilienkrise Ende <strong>der</strong> achtziger<br />
Jahre, auch die gegenwärtige Finanzkrise<br />
wirft Fragen nach dem Stellenwert immobilienwirtschaftlicher<br />
Themenstellungen auf. Mit<br />
dem Themenschwerpunkt dieses Heftes wird<br />
<strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung von Michael Pryke entsprochen,<br />
<strong>der</strong> angesichts <strong>der</strong> unbekannten Ausmaße<br />
und Härten <strong>der</strong> Immobilienkrise Ende <strong>der</strong> achtziger<br />
Jahre dazu aufrief, stärker Themen <strong>der</strong><br />
gebauten Umwelt und des Finanzmarktes in<br />
die Geographie aufzunehmen. Obwohl auch<br />
Anfang des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts immobilienwirtschaftliche<br />
Themen in <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsgeographie</strong><br />
keinesfalls einen Forschungs-„Mainstream“<br />
darstellen, ist das Zustandekommen<br />
dieses Themenschwerpunktes ein Beleg da<strong>für</strong>,<br />
dass diese Thematik auch in <strong>der</strong> deutschsprachigen<br />
Geographie Einzug gehalten hat. Dieser<br />
Umstand dürfte sich aber nur zum Teil mit <strong>der</strong><br />
Finanzkrise, die die Welt seit 2008 in Atem<br />
hält, erklären lassen, obwohl die Krise ihren<br />
Ausgangspunkt in einer regionalen Immobilienkrise<br />
in den USA hatte („subprime crises“).<br />
Vielmehr steht die vermehrte immobilienwirtschaftliche<br />
Forschung seit Anfang dieses Jahrzehnts<br />
mit <strong>der</strong> Einsicht im Zusammenhang,<br />
dass Immobilien nicht mehr länger immobil<br />
sind, son<strong>der</strong>n vielmehr als Waren einer „Mobilisierung“<br />
unterliegen (vgl. HEEG 2004;SCHAR-<br />
MANSKI 2006). Offensichtlich leben wir in einer<br />
Welt, in <strong>der</strong> zum einen die Grenzen regionaler<br />
Immobilienmärkte porös werden – inzwischen<br />
investieren Immobilieninvestoren zunehmend<br />
mit globaler Ausrichtung – und zum an<strong>der</strong>en<br />
scheinen Immobilien über neue Finanzierungsformen<br />
und Anlageprodukte t<strong>aus</strong>chbar und<br />
handelbar zu werden, ebenso wie Kaugummi<br />
o<strong>der</strong> Computer. Auch wenn die Immobilie nur<br />
in den seltensten Fällen bewegt wird, flotieren<br />
Wert und Eigentumstitel unabhängig von regionalen<br />
und nationalen Grenzen. Durch Finanzmarktrevolutionen<br />
ist den Immobilien die Immobilität<br />
offensichtlich abhanden gekommen.<br />
Etablierte Verständnisse und Interpretationen<br />
<strong>der</strong> Bedingtheit <strong>der</strong> gebauten Umwelt werden<br />
damit in Frage gestellt. So entwickelt sich <strong>der</strong><br />
öffentliche Wohnungsbestand, in vielen Städten<br />
finanziell als Fass ohne Boden betrachtet,<br />
seit wenigen Jahren <strong>für</strong> globale Finanzinvestoren,<br />
die auf Zins- und Währungsdifferenzen
130 <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsgeographie</strong><br />
Heft 3 / 2009<br />
setzten, zur attraktiven Anlage mit hohen Rendite<strong>aus</strong>sichten.<br />
Damit ging einher, dass bisherige<br />
Vorstellungen von <strong>der</strong> politischen und sozialen<br />
Notwendigkeit eines öffentlichen städtischen<br />
Wohnungsbestandes in Frage gestellt<br />
wurden. Finanzmarkt<strong>der</strong>egulierungen begünstigten<br />
darüber hin<strong>aus</strong> in den Zentren großer<br />
Städte die Auflösung traditioneller Eigentumsstrukturen.<br />
In vielen deutschen Städten, zumal<br />
in Frankfurt am Main, sind innerstädtische Immobilien<br />
nicht mehr in den Händen lokaler Eigentümer,<br />
son<strong>der</strong>n gehörten Fonds, Immobilien-Aktiengesellschaften<br />
mit börsennotierten<br />
Anteilen (Real Estate Investment Trusts –<br />
REIT) und an<strong>der</strong>en institutionellen Investoren.<br />
Im Zuge dieser Entwicklung ist die Haltedauer<br />
von Immobilien zunehmend kürzer geworden.<br />
In <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft erfolgte eine Professionalisierung;<br />
durch die Ausdifferenzierung<br />
des Dienstleistungsangebots wurden neue<br />
Märkte und Anlagemöglichkeiten geschaffen.<br />
Die neuen Formen, in denen die gebaute Umwelt<br />
verwertet wird, sowie darauf bezogene<br />
Praktiken des Wi<strong>der</strong>stands haben dazu beigetragen,<br />
dass immobilienwirtschaftliche Forschung<br />
generell an Interesse gewonnen hat.<br />
Mit dem Einleitungsbeitrag zum Themenschwerpunkt<br />
dieses Heftes wird <strong>der</strong> Anspruch<br />
verfolgt, Entwicklungen und Verän<strong>der</strong>ungen in<br />
<strong>der</strong> immobilienwirtschaftlichen Forschung zu<br />
skizzieren sowie die Relevanz <strong>für</strong> die Geographie<br />
her<strong>aus</strong>zuarbeiten. Im Folgenden wird<br />
zunächst entwickelt, wie Verän<strong>der</strong>ungen, die<br />
vor allem durch die Deregulierung <strong>der</strong> Finanzmärkte<br />
<strong>aus</strong>gelöst wurden, zu einem Bruch in<br />
den Untersuchungen immobilienwirtschaftlicher<br />
Themen geführt haben. Die Beiträge des<br />
Themenschwerpunktes geben Aufschluss über<br />
die von diesem Bruch <strong>aus</strong>gehende Neu<strong>aus</strong>richtung<br />
immobilienwirtschaftlicher Forschung.<br />
Untersucht werden die Entstehung globaler<br />
Immobilienmärkte, <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand gegen die<br />
privatwirtschaftliche Verwertung vormals öffentlichen<br />
Wohnungsbestandes sowie die Auswirkungen,<br />
die die immobilienwirtschaftliche<br />
Transnationalisierung <strong>für</strong> stadträumliche Strukturen<br />
hat.<br />
Lokale Märkte,<br />
lokale Immobilienwirtschaft<br />
Immobilienwirtschaftliche Forschungen in <strong>der</strong><br />
Geographie fristeten bis Ende <strong>der</strong> neunziger<br />
Jahre eher ein Schattendasein. In <strong>der</strong> deutsch-<br />
sprachigen Debatte gab es in den siebziger Jahren<br />
vereinzelte Beiträge, die sich vorwiegend<br />
mit dem System <strong>der</strong> Bodenpreise <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong><br />
setzten (z.B. KADE/VORLAUFER 1974;VORLAU-<br />
FER 1975; GIESE 1979). In diesen Studien wurde<br />
die Dynamik des städtischen Bodenpreisgefüges<br />
mit <strong>der</strong> Tertiärisierung in den Innenstädten<br />
in Verbindung gebracht. Modelltheoretisch<br />
lagen diesen Arbeiten Annahmen von THÜNEN<br />
(1990) und ALONSO (1968) zugrunde, wonach<br />
die Höhe <strong>der</strong> Bodenrente eine Allokationsfunktion<br />
<strong>für</strong> die Verteilung von Nutzungen im<br />
Stadtraum übernimmt. Dieser Zusammenhang<br />
wurde mit Bezug auf Frankfurt am Main und<br />
einer dort festgestellten Verschiebung zum tertiären<br />
Sektor Ende <strong>der</strong> sechziger Jahre untersucht;<br />
weitergehende sozioökonomische und<br />
gesellschaftliche Bedingungen o<strong>der</strong> Umbrüche<br />
wurden dabei nicht diskutiert. Vielmehr wurde<br />
die untersuchte Stadt in Bezug auf immobilienwirtschaftliche<br />
Aktivitäten als eine Entität<br />
verstanden, in <strong>der</strong> sich isoliert die Wirkung von<br />
Planungspolitik und Tertiärisierung auf das<br />
Bodenpreisgefüge und die Verteilung <strong>der</strong> Nutzungen<br />
analysieren lässt. In Arbeiten wie jener<br />
von BREDE et al. (1976) wurden zwar schon in<br />
den siebziger Jahren städtische Bodenmarktprozesse<br />
unter gesellschaftstheoretischer Perspektive<br />
untersucht; es wurde darin argumentiert,<br />
dass die Wirkung <strong>der</strong> Grundrente auf den<br />
städtischen Bodenmarkt (und auf den Wohnungssektor)<br />
im kapitalistisch vermittelten<br />
Vergesellschaftungszusammenhang betrachtet<br />
werden müsse. Eine Stärke <strong>der</strong> genannten geographischen<br />
Arbeiten bestand demgegenüber<br />
darin, einen empirischen Nachweis <strong>der</strong> Bedeutung<br />
lokaler Planungspolitik auf das städtische<br />
Bodenpreisgefüge sowie <strong>für</strong> die Aktivitäten<br />
<strong>der</strong> Immobilienakteure erbracht zu haben. Damit<br />
spiegeln diese geographischen Arbeiten<br />
zentrale Kontextbedingungen <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft<br />
zu dieser Zeit wi<strong>der</strong>: Immobilienmärkte<br />
waren durch lokale Regulierungen wie<br />
Flächenwidmungen, Bauordnungen und Auflagen<br />
des Denkmalschutzes in weitgehend intransparente<br />
regionale und lokale Märkte aufgeteilt.<br />
Grenzüberschreitende Immobilieninvestitionen<br />
unterlagen in vielen Län<strong>der</strong>n strengen<br />
Kontrollen und wurden durch unterschiedliche<br />
nationale Regulierungen wie die Besteuerung<br />
von Immobilienbesitz und -transaktionen erschwert.<br />
Eine kapitalistische Verwertung des<br />
Bodens wurde auf diese Weise durch lokale<br />
Mediationen und Einflüsse verschiedener<br />
Gruppen und Interessen gebrochen, wenngleich<br />
nicht unterbunden. Vielmehr erfor<strong>der</strong>te
die hohe Unsicherheit und Wissensintensität<br />
von Immobilieninvestitionen den Aufbau von<br />
lokalen Vertrauensbeziehungen zwischen Projektentwickler/Bauträger,<br />
Banken als Kapitalgebern<br />
und <strong>der</strong> öffentlichen Hand als rahmensetzendem<br />
Akteur. Die Immobilienwirtschaft<br />
zeichnete sich dadurch <strong>aus</strong>, dass ihr wirtschaftlicher<br />
Aktionsradius stark auf die jeweilige Region<br />
beschränkt war. So weist LAPIER (1998,<br />
4) darauf hin, dass die Immobilienwirtschaft<br />
an<strong>der</strong>s als an<strong>der</strong>e Branchen bis in die zweite<br />
Hälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts einen engen räumlichen<br />
Bezugsrahmen aufwies: „Unlike capital<br />
and security markets, real estate lacked a centralized<br />
market mechanism; each market, large<br />
or small, was discrete and fiercely independent.“<br />
Zwar haben wirtschaftliche Restrukturierungen<br />
und Liberalisierungen dazu beigetragen,<br />
dass es ab den siebziger Jahren zunehmend<br />
zu einer Öffnung und Durchdringung<br />
von nationalen Märkten gekommen ist. Das damit<br />
zunehmende Interesse an grenzüberschreitenden<br />
Immobileninvestitionen wurde jedoch<br />
lange durch Finanzmarktregulierungen sowie<br />
unterschiedliche und schwer überschaubare institutionellen<br />
Regelungen auf lokaler und nationaler<br />
Ebene gedämpft.<br />
In <strong>der</strong> geographischen Forschung spiegelte<br />
sich diese „Unübersichtlichkeit <strong>der</strong> Märkte“ einerseits<br />
in <strong>der</strong> Konzentration auf lokale Immobilienmärkte<br />
(SCHULTEN 2006; BRAUNE 1989;<br />
EIGLER 1992) und stärker anwendungsorientierten<br />
Arbeiten (z.B. HESSMANN 2002; HAR-<br />
TUNG 1998) sowie an<strong>der</strong>erseits in Standortanalysen<br />
unter Berücksichtigung des Immobilienmarktes<br />
(BEYERLE 1998; HOLZ 1994) wi<strong>der</strong>.<br />
Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild:<br />
Regionalspezifisch wurde die Rolle <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft<br />
bei <strong>der</strong> Aufwertung von Standorten<br />
untersucht sowie die Bedeutung, die<br />
städtische Zentren <strong>für</strong> immobilienwirtschaftliche<br />
Aktivitäten haben. Einerseits wurde argumentiert,<br />
dass die Immobilienwirtschaft ein<br />
nicht zu vernachlässigen<strong>der</strong> Faktor im Standortwettbewerb<br />
sei: In Kooperation mit <strong>der</strong><br />
Immobilienwirtschaft sollte eine Aufwertung<br />
des Stadtbildes bewirkt werden (vgl. mit Bezug<br />
auf Finanzdienstleister BEYERLE 1998, allgemein<br />
zu Immobilieninvestments als Indikator<br />
städtischen Wandels vgl. SCHULTEN 2006). An<strong>der</strong>erseits<br />
suchten zahlreiche Arbeiten zu zeigen,<br />
dass eine Spezialisierung städtischer Teilräume<br />
notwendig sei, um <strong>für</strong> immobilienwirtschaftliche<br />
Verwertungsstrategien attraktiv zu<br />
sein (HOLZ 1994; HESSMANN 2002). Generell<br />
Editorial<br />
131<br />
dominierte eine lokal <strong>aus</strong>gerichtete Betrachtung<br />
<strong>der</strong> Immobilienwirtschaft; häufig ging<br />
und geht es um die Interdependenz von Standort<br />
bzw. Stadt und Immobilienwirtschaft. Eine<br />
Analyse wirtschaftsräumlicher Restrukturierungsprozesse<br />
in <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft<br />
fand dabei nicht statt.<br />
Eine umfangreichere immobilienwirtschaftliche<br />
Diskussion hat sich im deutschsprachigen<br />
Raum bis heute vor allem in <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre<br />
entwickelt. Diese Diskussion bezieht<br />
sich aber überwiegend auf Fragen des<br />
Immobilien- und Risikomanagements (vgl.<br />
PFNÜR 2002;MAYRZEDT et al. 2007), Finanzierung<br />
(vgl. GONDRING et al. 2003; ROTTKE<br />
2008), Wertermittlung (z.B. LEOPOLDSBERGER<br />
1998; DE LEEUW/SAYCE 1995), branchenbezogene<br />
Immobilieninvestments bzw. Immobilien<br />
als assets in Unternehmensentscheidungen<br />
(mit Bezug auf Versicherungen vgl. WAL-<br />
BRÖHL 2001) o<strong>der</strong> eine allgemeine Betriebswirtschaft<br />
<strong>der</strong> Grundstücks- und Wohnungswirtschaft<br />
(z.B. SCHULTE 2005; SCHÄFER/<br />
CONZEN 2007). Die in den letzten Jahren neu<br />
aufgelegten <strong>Zeitschrift</strong>en wie beispielsweise<br />
„Der deutsche Büromarkt“, „Immobilien & Finanzierung“<br />
o<strong>der</strong> „Immobilien Manager“ verweisen<br />
auf eine neue Dynamik in <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft,<br />
die <strong>aus</strong> angewandt betriebswirtschaftlicher<br />
Perspektive Ausdruck eines<br />
zunehmenden Interesses an Fragen <strong>der</strong> Immobilienfinanzierung<br />
und des Immobilieninvestment<br />
sind.<br />
In den neunziger Jahren fand in <strong>der</strong> geographischen<br />
immobilienwirtschaftlichen Debatte ein<br />
einschneiden<strong>der</strong> Wandel statt. Er steht mit <strong>der</strong><br />
Tertiärisierung städtischer Ökonomien im Zusammenhang,<br />
die zu einer Steigerung <strong>der</strong><br />
Nachfrage nach Büroimmobilien führte. Von<br />
zentraler Bedeutung war dabei die Reorganisation<br />
von Unternehmen, gekoppelt mit Auslagerungsprozessen<br />
und einer dadurch verstärkt<br />
extern befriedigten Nachfrage nach Dienstleistungen.<br />
Mit dem gleichzeitigen Rückzug von<br />
Industrieunternehmen <strong>aus</strong> zentralen städtischen<br />
Standorten trug dies zu einer Ausdehnung<br />
<strong>der</strong> Büro- bzw. Dienstleistungsbeschäftigung<br />
sowie potenziell entwicklungsfähigen<br />
Standorten in Städten bei. Insbeson<strong>der</strong>e in den<br />
achtziger Jahren expandierten Bürobeschäftigung<br />
und Bürobau gewaltig (VON LÜPKE 2000,<br />
89 ff.; PRYKE 1991; FAINSTEIN 2001). Beson<strong>der</strong>s<br />
<strong>aus</strong>geprägt war dies im Falle jener Städte,<br />
die sich auf einen expansiven, hochrangigen
132 <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsgeographie</strong><br />
Heft 3 / 2009<br />
Dienstleistungssektor vor allem <strong>aus</strong> dem Finanz-<br />
und unternehmensorientierten Beratungsbereich<br />
stützen und sich damit als Koordinations-<br />
und Kontrollzentren <strong>der</strong> globalen<br />
Wirtschaft etablieren konnten (vgl. SASSEN<br />
2001). Diese Immobilienmärkte entwickelten<br />
sich in <strong>der</strong> Konsequenz zu attraktiven Tätigkeitsfel<strong>der</strong>n<br />
externer Immobilienakteure.<br />
Im Vergleich mit <strong>der</strong> deutschsprachigen Diskussion<br />
wurden immobilienwirtschaftliche<br />
Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> englischsprachigen Geographie<br />
frühzeitiger und intensiver thematisiert.<br />
Dies steht damit im Zusammenhang, dass<br />
eine zeitlich frühere Deregulierung <strong>der</strong> nationalen<br />
Finanzsysteme und eine zunehmende<br />
private Absicherung individueller Risiken in<br />
den USA, Kanada, Großbritannien, Neuseeland<br />
und Australien Kapital freisetzte, das nach<br />
Anlagemöglichkeiten suchte und damit zu<br />
Umbrüchen in <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft beitrug.<br />
Aber auch in <strong>der</strong> deutschsprachigen Debatte<br />
wurden ab Mitte/Ende <strong>der</strong> neunziger Jahre<br />
Verän<strong>der</strong>ungen konstatiert. Dieser time lag<br />
lässt sich <strong>aus</strong> den unterschiedlichen institutionellen<br />
Ordnungen, damit <strong>aus</strong> den abweichenden<br />
Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ungen und Möglichkeiten <strong>der</strong><br />
deutschen im Vergleich zu nordamerikanischen/britischen<br />
Märkten erklären. Diese Unterschiede<br />
hatten eine differierende Thematisierung<br />
<strong>der</strong> Immobilienwirtschaft zur Folge.<br />
Elisabeth Lichtenberger hat erstmals 1995 auf<br />
Tendenzen <strong>der</strong> Internationalisierung auch <strong>der</strong><br />
Immobilienmärkte in europäischen Wohlfahrtsstaaten<br />
hingewiesen und dabei betont,<br />
dass die zeitlichen und qualitativen Unterschiede<br />
ein Ergebnis <strong>der</strong> verschiedenen politökonomischen<br />
Systeme – in diesem Fall stärker<br />
marktorientierte Systeme wie den USA im<br />
Vergleich zu europäischen Wohlfahrtsstaaten –<br />
seien (LICHTENBERGER 1995). Nach ihre Einschätzung<br />
würde die fehlende Verknüpfung<br />
von Immobilienmarkt und Pensionskassen in<br />
den europäischen Wohlfahrtsstaaten mittelund<br />
langfristiger kaum zu einer Übernahme<br />
des US-amerikanischen Immobilienmarktmodells<br />
führen (LICHTENBERGER 1995, 51).<br />
Tatsächlich haben Deregulierungen des Finanzmarktes<br />
in verschiedenen europäischen<br />
Wohlfahrtsstaaten die Internationalisierung <strong>der</strong><br />
Immobilienwirtschaft beför<strong>der</strong>n und dies in einem<br />
Maße, wie es 1995 noch nicht zu erwarten<br />
war. So können deutsche Kapitalanlagegesellschaften,<br />
beispielsweise Immobilienfonds, seit<br />
Anfang <strong>der</strong> neunziger Jahre im Zuge von Fi-<br />
nanzmarktför<strong>der</strong>ungsgesetzen weltweit investieren.<br />
Weitere Beispiele <strong>für</strong> die strukturellen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen des deutschen Finanzmarktes<br />
waren die erstmalige Zulassung von Hedgefonds<br />
zum Jahreswechsel 2003/04 o<strong>der</strong> die Errichtung<br />
von Real Estate Investment Trusts<br />
(REIT). Ende <strong>der</strong> neunziger Jahre wurden auf<br />
breiter Basis private Rentenversicherungen mit<br />
staatlicher Unterstützung eingeführt. Dadurch<br />
wurde Kapital <strong>für</strong> unterschiedliche Investments<br />
im In- und Ausland gebündelt. Aber es<br />
wurden nicht nur die Investitionsbedingungen<br />
<strong>für</strong> deutsches Kapital liberalisiert, son<strong>der</strong>n<br />
im Gegenzug erhielten auch <strong>aus</strong>ländische<br />
Kapitalanlagegesellschaften die Möglichkeit,<br />
in Deutschland tätig zu werden. Diese Entwicklungen<br />
haben die Diskussion um immobilienwirtschaftliche<br />
Themen sowohl in <strong>der</strong><br />
deutschsprachigen wie auch in <strong>der</strong> anglophonen<br />
Geographie belebt.<br />
Internationale Märkte,<br />
globale Immobilienwirtschaft<br />
In den jüngeren Diskussionen werden zwei<br />
große Verän<strong>der</strong>ungen betont, die dem feststellbaren<br />
Wandel <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft zugrundeliegen:<br />
Zum einen sei mit Blick auf<br />
Großprojekte eine Flexibilisierung städtischer<br />
Planungen und eine Dynamisierung des städtischen<br />
Immobilienmarktes festzustellen. Zum<br />
an<strong>der</strong>en seien zahlreiche neue institutionelle<br />
Akteure mit internationaler Orientierung <strong>der</strong><br />
Geschäftstätigkeit aufgetreten. Beide Verän<strong>der</strong>ungen<br />
sind seit den neunziger Jahren wichtige<br />
Forschungsthemen, die im Folgenden kurz<br />
dargestellt werden. Damit wird zugleich <strong>der</strong><br />
thematische Rahmen <strong>für</strong> die folgenden Beiträge<br />
des Themenschwerpunkts skizziert.<br />
Flexibilisierung von Stadtplanung<br />
Seit den neunziger Jahren wird ein Übergang<br />
zu einem „urban entrepreneurialism“ (HARVEY<br />
1989) in <strong>der</strong> Stadtpolitik analysiert. Planung<br />
wird zunehmend weniger unter stadtentwicklungspolitischen<br />
als unter finanz- und wirtschaftspolitischen<br />
Gesichtspunkten gestaltet<br />
(ADRIAN 1998; BALL 1994). Dieser Aspekt betrifft<br />
vor allem große und lagegünstige<br />
Flächen, die im Besitz <strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />
sind und die zur Imagesteigerung genutzt werden.<br />
Solche Flächen wurden dazu genutzt,<br />
Städte nach <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Deindustrialisierung<br />
und Desinvestition in den siebziger Jahren<br />
wie<strong>der</strong> auf die Landkarte internationaler Auf-
merksamkeiten zu bringen, indem durch attraktive<br />
Architektur, Wohnlagen und Büroobjekte<br />
neue mo<strong>der</strong>ne Stadtteile geschaffen werden<br />
(SWYNGEDOUW et al. 2001; JONES 1996;<br />
AMBROSE 1994; FAINSTEIN 2001; HEEG 2003).<br />
So betont Helga Leitner „[the] stated fundamental<br />
purpose of […] public subsidies in central<br />
cities was to attract private investment into<br />
downtown redevelopment, and convert ‚disinvestment’<br />
environments into growing and<br />
dynamic real estate markets“ (LEITNER 1994,<br />
796); Susan FAINSTEIN (2001,1) hebt hervor,<br />
dass “[f]or policy-makers, encouragement of<br />
real estate development seems to offer a way<br />
of dealing with otherwise intractable economic<br />
and social problems.”<br />
Eine Flexibilisierung von Regulierungen begünstigt<br />
somit die Dynamisierung des Immobilienmarktes.<br />
Vorbild <strong>für</strong> städtebauliche Flexibilisierungen<br />
waren (und sind) Großstädte<br />
mit dynamischer Wirtschaftsentwicklung, <strong>der</strong>en<br />
Umgang mit Bauinvestitionen und<br />
Großprojekten imitiert wurde. Beispiele sind<br />
Battery Park City in Manhattan und Canary<br />
Wharf in London (ZUKIN 1992; FAINSTEIN<br />
2001). Anne HAILA (1997) nennt dies „the politics<br />
of the global cities“: Um international attraktiv<br />
zu werden und problematische sozioökonomische<br />
Entwicklungen zu überwinden,<br />
wurde versucht, Immobilieninvestitionen anzulocken<br />
und internationale Architektur zu<br />
realisieren. 1 Starke Büroraumnachfrage und<br />
lokale Flexibilisierungen erhöhten insgesamt<br />
Liquidität und Transparenz von Immobilienmärkten<br />
und damit den Übergang zu stärker integrierten<br />
Immobilienmärkten.<br />
Großprojekte sollen dabei häufig als Aufwertungskatalysatoren<br />
fungieren. Sie wurden forciert,<br />
um damit einen Eindruck von Wandel und<br />
Erneuerung zu vermitteln (vgl. HALL 1998, 143<br />
ff.; HALL/HUBBARD 1998; HEALEY 1992; IM-<br />
RIE/THOMAS 1995; HEALEY et al. 1995; MOU-<br />
LEART et al. 2001; ADRIAN 1998; HEEG 2008).<br />
Wichtig ist, dass mit dieser Politikverän<strong>der</strong>ung<br />
eine lokal Öffnung, Einbindung und Ermächtigung<br />
von privaten Immobilienakteuren erfolgte.<br />
Diese Verän<strong>der</strong>ung ist somit eine Kontextbedingung<br />
<strong>für</strong> die Etablierung neuer Immobilienakteure<br />
und neuer Aushandlungsformen zur<br />
wirtschaftlichen Verwertung von Flächen. Ergebnis<br />
dieser Verän<strong>der</strong>ungen ist, dass Städte zu<br />
den hot spots von globalen Immobilieninvestitionen<br />
wurden. Jedoch sind die Immobilieninvestitionen<br />
we<strong>der</strong> zwischen noch innerhalb von<br />
Editorial<br />
133<br />
Städten gleich verteilt, sie konzentrieren sich<br />
auf solche Städte, in denen <strong>der</strong> Anteil an unternehmensorientierten<br />
und Finanzdienstleistungen<br />
an <strong>der</strong> städtischen Wirtschaftstätigkeit<br />
hoch ist; innerhalb dieser Städte konzentrieren<br />
sich die Investitionen auf den Central Business<br />
District (CBD) (HAILA 1988).<br />
Neue Akteure und Reichweite<br />
Durch Finanzmarktliberalisierungen geschaffene<br />
neue städtische Anlagemöglichkeiten haben<br />
nach dem Urteil zahlreicher Autoren zu einer<br />
„Finanzialisierung“ bzw. „Finanzmarktsteuerung“<br />
von Immobilien beigetragen<br />
(COAKLEY 1994; WARF 1994; HAILA 1991;<br />
CLARK 2000; MORICZ/MURPHY 1997). Mit einer<br />
Neubewertung von Immobilien als Finanzanlage<br />
sind institutionelle Akteure wie Pensionskassen,<br />
Fonds und verschiedene Formen<br />
von Immobilien-Aktiengesellschaften wichtig<br />
geworden, die stark rendite- und weniger gebrauchswertorientiert<br />
arbeiten (vgl. WÜTHRICH<br />
2003). Investments im Immobilienbereich sind<br />
eine Anlageform unter an<strong>der</strong>en und stehen hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> erzielbaren Renditen mit an<strong>der</strong>en<br />
Anlageformen in Konkurrenz. Damit die neuen<br />
institutionellen Akteure im Wettbewerb um<br />
anlagesuchendes Kapital erfolgreich sein können,<br />
müssen Immobilieninvestments den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
des Finanzmarktes genügen. Dazu<br />
werden die Erträge auf den Finanz- und Immobilienmärkten<br />
überwacht, damit wenn nötig<br />
Kapital von ertragsschwachen auf ertragsstarke<br />
Produkte und Orte verschoben werden kann<br />
(CHARNEY 2001, 743; HAILA 1991). Insbeson<strong>der</strong>e<br />
Fonds und Immobilien-Aktiengesellschaften<br />
sind durch ihre Orientierung an den<br />
Sharehol<strong>der</strong>n zu einem permanenten investment-switching<br />
gezwungen, was im Immobilieninvestment<br />
zu einer räumliche Reorientierung<br />
geführt hat (LOGAN 1993; FAINSTEIN<br />
2001; DEHESH/PUGH 1999). Nach Paul KNOX<br />
(1993) haben sich im anlgophonen Raum<br />
große Konglomerate <strong>aus</strong> Projektentwicklern<br />
und Finanzinstitutionen gebildet, die sich über<br />
den Finanzmarkt Kapital besorgen und vornehmlich<br />
weltweit in große städtische Entwicklungsvorhaben<br />
investieren. „New actors,<br />
interests, strategies and relationships exploit<br />
new niches created by uneven development,<br />
the opportunities generated by the particular<br />
directions of capital flow or the grant economy.”<br />
(HEALEY/BARRETT 1990, 96)<br />
Neue Nischen und Möglichkeiten wurden zunehmend<br />
nicht mehr nur in den Herkunfts-
134 <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsgeographie</strong><br />
Heft 3 / 2009<br />
regionen <strong>der</strong> Akteure gesehen, durch die<br />
Ansammlung großer Kapitalsummen bei Beteiligungsgesellschaften<br />
und die Öffnung nationaler<br />
Finanzmärkte wurde die Globalisierung<br />
von Investmentstrategien begünstigt (LO-<br />
GAN 1993; LEITNER 1994; SOARES DE<br />
MAGALHAES 2001; HEEG 2004; LAPIER 1998;<br />
PÜTZ 2001). Investiert wird demzufolge inzwischen<br />
in Märkte, die hohe Renditen versprechen,<br />
aber auch kontrazyklisch in Märkte, die<br />
gegenläufige Marktentwicklungen zu wichtigen<br />
Immobilienmärkten aufweisen. Investitionen<br />
erfolgen in die Immobilienmärkte <strong>der</strong><br />
großen Volkswirtschaften Europas und Nordamerikas,<br />
aber auch in jene von Schwellenlän<strong>der</strong>n<br />
wie Russland, Brasilien, China o<strong>der</strong> Mexiko,<br />
um ein Gegengewicht zu den zunehmend<br />
gleichlaufenden Immobilienmarktzyklen in<br />
den traditionellen Industrielän<strong>der</strong> zu bilden.<br />
Mit dieser Entwicklung sind allerdings auch<br />
Probleme verbunden, erste Anzeichen deuten<br />
auf eine zunehmende Krisenanfälligkeit lokaler<br />
Immobilienmärkte und damit von Stadtentwicklung<br />
hin. Hintergrund ist das am Finanzmarkt<br />
<strong>aus</strong>gerichtete Verhalten institutioneller<br />
Investoren, das mit einem stark zyklischen Verhalten<br />
– das heißt Überinvestitionen bzw.<br />
Desinvestitionen je nach Marktlage – einhergeht<br />
und damit eine stärkere Volatilität städtischer<br />
Immobilienmärkte begünstigt (z.B. LO-<br />
GAN 1993; LEITNER 1994; BALL 1994; MO-<br />
RICZ/MURPHY 1997; LIZIERI et al. 2000; BEITEL<br />
2000). Krisenanfälligkeit hat aber noch eine<br />
weitere Dimension, die vor dem Hintergrund<br />
aktueller Krisenphänomene interessant ist.<br />
John LOGAN (1993) und Michael PRYKE (1994)<br />
haben bereits Mitte <strong>der</strong> neunziger Jahre auf die<br />
Bedeutung komplexer Finanzprodukte bei <strong>der</strong><br />
Internationalisierung von Immobilieninvestments<br />
und <strong>für</strong> die Immobilienkrise Ende <strong>der</strong><br />
achtziger Jahre hingewiesen. Als beson<strong>der</strong>s<br />
problematisch sehen sie – ähnlich wie MO-<br />
RICZ/MURPHY 1997 – die durch die Verbriefung<br />
von Immobilienkrediten stattfindende Verlagerung<br />
des finanziellen Risikos vom Projektentwickler<br />
bzw. den Banken auf anonyme Anleger,<br />
die Reichweite und Risiko von Projekten<br />
nicht abschätzen können. Beide Autoren betonen,<br />
dass die Öffnung <strong>der</strong> Finanzmärkte und<br />
die Entwicklung neuer Finanzprodukte dazu<br />
beitgetragen haben, Risiken, hier von Immobilieninvestments,<br />
weltweit weiterzugeben. Die<br />
oben angesprochenen Forschungsarbeiten analysieren<br />
die Immobilienwirtschaft in ihrem gesellschaftlichen<br />
Kontext, ein Kontext, <strong>der</strong> je-<br />
doch einen grundlegenden Wandel erfahren<br />
hat: Die räumliche Reichweite immobilienwirtschaftlicher<br />
Tätigkeit wurde <strong>aus</strong>gedehnt, die<br />
Zahl <strong>der</strong> Akteure hat sich erhöht und die Risiken<br />
haben zugenommen.<br />
Zu den Beiträgen im<br />
Themenschwerpunkt dieses Heftes<br />
Die Beiträge im Themenschwerpunkt des<br />
vorliegenden Heftes beziehen sich auf die skizzierten<br />
neuen Forschungsthemen und -arbeiten.<br />
Dabei stellt <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Internationalisierung/Globalisierung<br />
<strong>der</strong> Immobilienwirtschaft<br />
eine analytische Vor<strong>aus</strong>setzung dar, insofern<br />
Bedingungen und/o<strong>der</strong> Folgen internationaler<br />
Immobilieninvestments thematisiert werden.<br />
Alle Beiträge gehen in spezifischer Weise davon<br />
<strong>aus</strong>, dass die Internationalisierung einen<br />
Wi<strong>der</strong>hall auf lokaler Ebene findet, sei es im<br />
Wi<strong>der</strong>stand gegen Immobilienprojekte, in <strong>der</strong><br />
Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Architektur nach globalen<br />
Maßstäben o<strong>der</strong> im Aufbau eines lokalen Standortnetzes<br />
globaler Immobilienberatungen. Die<br />
Beiträge beschäftigen sich damit, wie lokale<br />
Märkte (hier: Wohnungs- und Büromärkte) verän<strong>der</strong>t<br />
und wie globale Märkte gemacht werden<br />
(hier: durch die Bereitstellung einheitlich aufbereiteter<br />
Marktinformationen). Die Relevanz<br />
besteht also in <strong>der</strong> Verschränkung lokaler und<br />
globaler Dynamiken, die sich jeweils <strong>aus</strong> abstrakten<br />
Kalkulationsmaßstäben und konkreten<br />
sozialen Aushandlungen ergeben.<br />
Christof Parnreiter diskutiert die internationalen<br />
Immobilieninvestitionen in Mexiko City,<br />
die mit <strong>der</strong> Formierung <strong>der</strong> Stadt als Global City<br />
zusammenhängen. Die globalen Finanz- und<br />
unternehmensorientierten Dienstleistungen, die<br />
sich in <strong>der</strong> Stadt angesiedelt haben, ziehen eine<br />
repräsentative Architektur nach sich und nehmen<br />
damit auf die Funktionsweise des lokalen<br />
Büromarktes Einfluss. Die gebaute Umwelt im<br />
neuen und alten CBD von Mexiko City ist insofern<br />
Ausdruck einer sich verän<strong>der</strong>nden corporate<br />
geography. Das Beispiel Mexiko City<br />
zeigt zugleich die spezifische Einbeziehung eines<br />
emergent markets in globale Aust<strong>aus</strong>chprozesse,<br />
die aber nach wie vor vor allem von<br />
Städten und Unternehmen hochentwickelter<br />
Staaten gesteuert werden. Mit dem Blick auf<br />
die Immobilienwirtschaft in Mexiko City gelingt<br />
es Christof Parnreiter, zwei zusammenhängende,<br />
aber überwiegend nicht im Zusammenhang<br />
diskutierte Prozesse analytisch einzu-
fangen: die Transnationalisierung von Stadtökonomie<br />
und Immobilienwirtschaft sowie die<br />
stadträumlichen Transformationen.<br />
Auch bei Markus Hesse und <strong>Wie</strong>bke Preckwinkel<br />
stehen globale Immobilieninvestitionen<br />
im Fokus. Der Blick richtet sich aber nicht auf<br />
Büro-, son<strong>der</strong>n auf Wohnimmobilien. Es geht<br />
um die Privatisierung städtischer Wohnungsbestände<br />
in Berlin. Gezeigt wird, dass sich das<br />
global <strong>aus</strong>gerichtete Handeln <strong>der</strong> privaten Eigentümer<br />
in hohem Maße durch lokale und nationale<br />
Akteure sowie durch die politische Regulierung<br />
mitbestimmt wird. Hesse/Preckwinkel<br />
vollziehen die Logiken und Argumente<br />
<strong>der</strong> beteiligten Akteure <strong>der</strong> Wohnungsprivatisierung<br />
– <strong>der</strong> Stadtstaat Berlin und die institutionellen<br />
Finanzinvestoren als neuen Eigentümern<br />
– nach. Die zwischen 1999 und 2007<br />
stark gestiegene Zahl von Wohnungsverkäufen<br />
wird zum Anlass genommen, um die Konflikte<br />
zwischen den global <strong>aus</strong>gerichteten Handlungslogiken<br />
<strong>der</strong> Unternehmen und <strong>der</strong> bis dato<br />
dominierenden lokalen bzw. regionalen Prägung<br />
des Wohnungsmarktes zu analysieren.<br />
Ausgangspunkt ist die These, dass die konkurrierenden<br />
Interessen von Mietern und Vermietern<br />
auf eine neue Art in Konflikt geraten.<br />
Sabine Dörry und Susanne Heeg untersuchen<br />
die Prozesse, die globale Investitionen in Immobilien<br />
erst möglich machen. Globale Investitionstätigkeit<br />
wird nicht als selbstverständliche<br />
Folge <strong>der</strong> Finanzmarktregulierung, son<strong>der</strong>n<br />
als aktiv hergestellt begriffen. Angesichts<br />
vielfältiger Investitionsmöglichkeiten stehen<br />
Anleger und Investoren vor <strong>der</strong> Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung,<br />
eine optimale Auswahl unter den vorhandenen<br />
Märkten zu treffen. Erst durch die<br />
Etablierung von Qualitätsstandards bei Marktanalysen<br />
sowie durch die räumliche Ausweitung<br />
<strong>der</strong> Standortnetze globaler Immobilienberatungen,<br />
so die Kernthese, wurden die<br />
Vor<strong>aus</strong>setzung <strong>für</strong> eine Beurteilung von Immobilienmärkten<br />
geschaffen und damit eine<br />
globale Investitionstätigkeit ermöglicht. Allerdings<br />
kann die Herstellung von Transparenz<br />
auch problematische Auswirkungen haben, da<br />
damit prozyklische Tendenzen in städtischen<br />
Immobilienmärkten unterstützt werden. Immobilienberatungen<br />
kanalisieren mit ihrer<br />
Consulting-Tätigkeit die Immobilieninvestitionen,<br />
die die Volatilität <strong>der</strong> städtischen Immobilienmärkte<br />
erhöhen können.<br />
Susanne Heeg, Frankfurt am Main<br />
Editorial<br />
Anmerkung<br />
1 Dies lässt sich auch als „property-led development“<br />
bezeichnen. Denn nicht nur Großstädte kopieren erfolgreiche<br />
Bau- und Architekturstrategien an<strong>der</strong>er<br />
Städte: Inzwischen ist <strong>der</strong> Versuch, mit <strong>der</strong> baulichen<br />
Entwicklung Vor<strong>aus</strong>setzungen <strong>für</strong> eine ökonomische<br />
Entwicklung zu schaffen, ein weit verbreiteter Ansatz<br />
auch kleinerer und mittlerer Städte (vgl. MAR-<br />
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einer Planungsphilosphie (HEEG 2008).<br />
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