kinderschutzzentrum harburg - Hamburger Kinderschutzbund
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Kinderschutzzentrum <strong>harburg</strong><br />
Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:<br />
Christine Bomhard, Sekretärin<br />
Birgit Ebers-Gößling, Diplom Psychologin<br />
Sabine Helbig, Diplom Sozialpädagogin<br />
Dr. Mari-Annukka Lechte, Diplom Psychologin<br />
Imke Mehrkens, Diplom Sozialpädagogin<br />
Ralf Slüter, Diplom Psychologe, Leitung<br />
Dirk Thiemann, Diplom Sozialpädagoge<br />
Einführung<br />
Im Vordergrund der Arbeit stand im Jahr 2010 die Fallarbeit.<br />
Hilfe statt Strafe<br />
Das Kinderschutzzentrum Harburg ist eines<br />
der beiden Kinderschutzzentren in Trägerschaft<br />
des <strong>Hamburger</strong> <strong>Kinderschutzbund</strong>es.<br />
Die Arbeitsschwerpunkte lassen sich in zwei<br />
große Bereiche einteilen: Beratung und Therapie<br />
von Eltern, Kindern und Jugendlichen,<br />
die von Gewalt betroffen sind und die Förderung<br />
und Entwicklung der Kooperation von<br />
Harburger Einrichtungen in Fällen von Gewalt<br />
gegen Kinder.<br />
Hilfe … ! Über Wirkungen, Risiken und Nebenwirkungen im Kinderschutz, so der Titel der<br />
3. <strong>Hamburger</strong> Fachtagung, die von beiden Kinderschutzzentren, den <strong>Hamburger</strong> Kinderschutzkoordinatoren<br />
und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutzzentren am 8. und 9. Juni<br />
2010 im Bürgerhaus Wilhelmsburg veranstaltet wurde. 300 Fachleute diskutierten zwei Tage<br />
über Wirkungen, Risiken, Nebenwirkungen und Hilfeplanung in Kinderschutzfällen.<br />
Über die Fallarbeit 2010 und die Bedeutung steigender Fallzahlen für das Sekretariat soll im<br />
Folgenden ausführlich berichtet werden.<br />
Arbeit des Kinderschutzzentrums<br />
Telefonberatung<br />
Wenn Eltern, Kinder oder Jugendliche sich an das Kinderschutzzentrum wenden, ist die familiäre<br />
Situation meist über einen langen Zeitraum eskaliert. Oft sind alle heillos zerstritten, die<br />
Konflikte bestehen lange Zeit, spitzen sich zu und drohen zu entgleisen. Wir haben mit hochgradig<br />
gestörten und schädigenden Beziehungen innerhalb der Familien zu tun.<br />
Für die Rat suchenden Familien ist angesichts dieses Zustandes in der Regel die Hemmschwelle<br />
extrem hoch, nach Hilfe und Unterstützung zu fragen. Dem telefonischen Erstkontakt kommt<br />
21
22<br />
Hilfe statt Strafe<br />
daher eine besondere Bedeutung zu. Vor allem in eskalierenden familiären Krisen ist die direkte<br />
und umgehende telefonische Krisenberatung unerlässlich. Am Telefon haben Ratsuchende die<br />
Möglichkeit, ausführlich ihr Problem darzustellen und eine erste Klärung in verfahrenen Krisensituationen<br />
vorzunehmen. Die direkte Beratung am Telefon ist für viele Ratsuchende ein erster<br />
Schritt zur Hilfe und es ist Aufgabe des Beraters oder der Beraterin, Ratsuchende am Telefon zu<br />
einem ersten persönlichen Gespräch im Kinderschutzzentrum zu motivieren.<br />
Im Jahr 2010 führte das Kinderschutzzentrum Harburg in 506 Fällen ein- oder mehrmalige ausführliche<br />
Beratungsgespräche am Telefon durch (im Mittel: 2 telefonische Beratungen).<br />
Der inhaltliche Schwerpunkt der telefonischen Anfragen lag mit 16,4% auf Verhaltensauffälligkeiten<br />
von Kindern und Jugendlichen 1 . Folgende weitere Problemstellungen wurden benannt:<br />
körperliche Misshandlung (14,2%), Vernachlässigung (13,6%), sexuelle Misshandlung (13,3%),<br />
Partnerschaftsgewalt (9%), Erziehungsprobleme (6%), Konflikte um das Besuchs- und Sorgerecht<br />
(5,3%), Aggressionen eine Kindes oder Jugendlichen (4,4%), psychische Erkrankung von<br />
Eltern (2,4%).<br />
350 telefonische Beratungsfälle (69,2%) bezogen sich auf die Beratung von Familienmitgliedern.<br />
In 179 dieser Anfragen wurden Erstgesprächstermine vergeben.<br />
142 telefonische Beratungsfälle (28,1%) bezogen sich auf die Beratung von Kollegen und Kolleginnen<br />
aus anderen Facheinrichtungen. 61 dieser Anfragen führten zu einer Fachberatung im<br />
Kinderschutzzentrum.<br />
In 17 Fällen (3,4%) suchten Personen aus dem Umfeld der von Gewalt betroffenen Familien<br />
telefonischen Rat.<br />
Beratung und Therapie für Familien<br />
Betreute Familien<br />
Im Jahr 2010 wurden in 330 Fällen Familien im Kinderschutzzentrum beraten und/oder therapeutisch<br />
betreut (zum Vergleich: 2009: 300 Familien; 2008: 284 Familien; 2007: 292 Familien;<br />
2006: 268 Familien; 2005: 211 Familien; 2004: 222 Familien; 2003: 248 Familien; 2002: 213 Familien;<br />
2001: 186 Familien).<br />
In 77% der Familien lagen so genannte Multiproblemkonstellationen von. Im Einzelnen waren<br />
dies 2 : Vernachlässigung (105 Fälle), körperliche Misshandlung (57 Fälle), sexueller Missbrauch (43<br />
Fälle), psychische Erkrankung der Eltern (44 Fälle), Gewalt des Kindes/des Jugendlichen (45 Fälle),<br />
häusliche Gewalt/Partnerschaftsgewalt (39 Fälle), sexuell auffälliges Verhalten, bzw. sexuelle<br />
Grenzverletzungen des Kindes/des Jugendlichen (7 Fälle).<br />
Weitere Problemlagen, die benannt wurden: Verhaltens- und Entwicklungsauffälligkeiten des<br />
Kindes (128 Fälle), Konflikte um das Besuchs-/Sorgerecht (56 Fälle), Erziehungsprobleme (52<br />
Fälle), belastete Eltern-Kind-Beziehung (51 Fälle) und Suchtproblematik der Eltern (12 Fälle).<br />
61,8% der Familien waren deutscher Nationalität, bei 38,2% Familien hatte mindestens eines der<br />
Elternteile einen Migrationshintergrund.<br />
Die Hälfte der im Kinderschutzzentrum betreuten Familien lebte von Arbeitslosengeld oder<br />
anderen Sozialleistungen.<br />
Rund 1/4 der Ratsuchenden (20,2%) wandte sich auf eigene Initiative oder auf Empfehlung von<br />
Freunden oder Familienangehörigen an das Kinderschutzzentrum. Davon waren es immerhin<br />
15 Jugendliche, die von sich aus um Hilfe nachfragten.<br />
Die Mehrzahl der Ratsuchenden (79,8%) suchte das Kinderschutzzentrum auf Anregung sozialer<br />
Einrichtungen auf: Jugendamt (85 Fälle), Rebus und Schulen (41 Fälle), ambulante Hil-<br />
1 Einfachnennungen waren möglich.<br />
2 Mehrfachnennungen waren möglich.
Hilfe statt Strafe<br />
fen zur Erziehung (36 Fälle), stationäre Hilfen zur Erziehung (20 Fälle), anderen Beratungsstellen<br />
(19 Fälle), Ärzte/Kliniken (17 Fälle), Strafverfolgung/Justiz (13 Fälle), Kindertageseinrichtungen<br />
(11 Fälle). Bezogen auf die Zugänge ist anzumerken, dass die Zugänge über Schulen und Jugendamt<br />
sich deutlich im Vergleich zum Vorjahr erhöht haben.<br />
Das Kinderschutzzentrum hat in der Regel mit Familien zu tun, in denen Kinder auf verschiedene<br />
Art und Weise gefährdet sind: In 149 Fällen lag ein Verdacht und in 53 Fällen lagen gewichtige<br />
Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung vor. In diesen Fällen wurde gemäß unserer Standards<br />
im Umgang mit Kindeswohlgefährdung mit dem zuständigen Jugendamt kooperiert.<br />
So wurden 124 Familien mit sanftem Druck an das Kinderschutzzentrum verwiesen (Schule, Kindertageseinrichtungen,<br />
Jugendämter). Bei weiteren 18 Familien wurde vom Jugendamt, dem<br />
Familien- oder dem Amtsgericht die Auflage für die Eltern oder Jugendlichen ausgesprochen,<br />
sich an das Kinderschutzzentrum zu wenden.<br />
Kinder und Jugendliche in den Familien<br />
Insgesamt waren in den vom Kinderschutzzentrum betreuten Familien 512 Kinder von familiären<br />
Belastungen und/oder verschiedenen Formen der Gewalt betroffen (47,2% Mädchen,<br />
52,8% Jungen). Die Kinder waren unter 5 Jahre (74 Kinder), 5 bis unter 10 Jahre (168 Kinder),<br />
10 bis unter 15 Jahre (166 Kinder), 15 bis unter 20 Jahre (104 Jugendliche).<br />
Massive familiäre Belastungen und die Gewalttätigkeiten sind schwerwiegende Gefährdungen<br />
für Leben, Gesundheit und Entwicklung der Kinder. So ist es nicht verwunderlich, dass 72,3%<br />
der Kinder unter mehreren Symptomen litten 3 .<br />
Die Mehrzahl der Kinder reagierte auf die Belastungen mit emotionalen Störungen wie Angst<br />
oder depressive Verstimmungen (268 Kinder). Weitere Symptome, die als Signale für nicht zu<br />
bewältigende Belastungen und traumatische Erfahrungen diagnostiziert wurden, waren:<br />
• Schul- oder Leistungsprobleme (130 Kinder),<br />
• Aggressivität/Gewalttätigkeit (129 Kinder),<br />
• Entwicklungsrückstände (69 Kinder),<br />
• Soziale Isolation (52 Kinder),<br />
• Posttraumatisches Stresssyndrom (47 Kinder),<br />
• Psychosomatische Beschwerden (36 Kinder),<br />
• Schulverweigerung (27 Kinder),<br />
• Selbstverletzendes Verhalten (19 Kinder),<br />
• Suchtprobleme/Gefährdung für Suchtverhalten (16 Kinder),<br />
• Gesundheitliche Beeinträchtigungen (16 Kinder),<br />
• Essstörungen (14 Kinder),<br />
• Einnässen, Einkoten (14 Kinder),<br />
• Sexuell auffälliges/ promiskuitives Verhalten (13 Kinder),<br />
• Suizidalität (11 Kinder),<br />
• Sexuell übergriffiges Verhalten (4 Kinder).<br />
Beratung und Therapie<br />
Die Kinderschutzzentren verstehen Gewalt gegen Kinder als Ausdruck von Überlastung der<br />
Familien. Eltern sind mit der äußeren Realität und mit den Kindern überlastet, stehen hilflos<br />
ihren Problemen gegenüber und haben meist keine persönlichen Ressourcen mehr, Probleme<br />
zu bewältigen. Gewalt gegen Kinder ist daher immer vor dem Hintergrund der familiären Lebenssituation<br />
zu betrachten.<br />
3 Ausführliche Informationen liegen über 346 der 512 Kinder vor.<br />
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Hilfe statt Strafe<br />
Belastungen der allgemeinen Familiensituation, die von den Familien benannt wurden, waren:<br />
finanzielle Probleme (129 Familien), Krankheit/Behinderung/Tod (95 Familien), Erwerbslosigkeit<br />
(67 Familien), Isolation (56 Familien), unzureichende Wohnverhältnisse (49 Familien), Probleme<br />
im Kontext von Migration (37 Familien), Konflikte am Arbeitsplatz (28 Familien).<br />
Zudem lagen Besonderheiten in der Familiensituation vor, die für Kinder und Eltern belastend<br />
sind: schwere Beziehungskonflikte zwischen den Eltern (133 Familien), kein Kontakt zum Vater<br />
(90 Familien), schwere Konflikte mit der Herkunftsfamilie der Eltern (45 Familien), Kinder sind<br />
fremd untergebracht (42 Familien), Wegweisung (30 Familien), Kind wechselt zw. Haushalten (21<br />
Familien), kein Kontakt zur Mutter (17 Familien) oder Elternteile in Haft (6 Familien).<br />
Bezüglich der persönlichen Belastungen der Eltern wurden die Folgenden benannt: psychische<br />
Erkrankung, gesundheitliche Beeinträchtigung, Suizidalität, Sucht, Aggressivität.<br />
Biographischen Belastungen der Eltern waren in vielen Fällen sexuelle Misshandlungen, körperliche<br />
Misshandlungen, Vernachlässigung oder der Verlust von Bezugspersonen in der eigenen<br />
Kindheit.<br />
Im Rahmen einführender Gespräche wird ein<br />
Gesamtbild über die familiäre Problematik<br />
und das Ausmaß der Gefährdung für die betroffenen<br />
Kinder erstellt (Anamnese und Risikoeinschätzung).<br />
Das Kinderschutzzentrum<br />
ist daher immer bestrebt, die Kinder mehr<br />
oder weniger in den Beratungsprozess einzubeziehen.<br />
So wurden von den 512 Kindern<br />
und Jugendlichen insgesamt 440 Kinder und<br />
Jugendliche im Kinderschutzzentrum gesehen<br />
– ganz unabhängig davon, welches Beratungssetting<br />
letztlich gewählt wurde.<br />
Belastungen, Konflikte und Symptome der Familienmitglieder, die Problemsicht und Wünsche<br />
von Eltern und Kindern, die Ressourcen von Eltern, den Schutz ihrer Kinder selbstständig gewährleisten<br />
zu können, und die Beziehung zwischen Kind und Eltern sind zusätzliche Informationen,<br />
die in eine umfassende Problembeschreibung mit einbezogen werden.<br />
In der Regel werden im Anschluss an die Problembeschreibung Entscheidungen bezüglich des<br />
weiteren Vorgehens getroffen.<br />
Komplexe und komplizierte Familienverhältnisse erfordern komplexe Hilfen, so dass an dieser<br />
Stelle vielfältige Fragen zu beantworten sind: Mit wem soll gearbeitet werden? Mit der ganzen<br />
Familie, einzelnen Personen und/oder mit dem Kind? Wer (Mann/Frau) und wie viele KollegInnen<br />
sollen mit dem Fall befasst sein? Wie häufig und über welchen Zeitraum wird Beratung<br />
angeboten?<br />
In fast allen Fällen wird in wechselnden Settings gearbeitet, Gespräche mit der ganzen Familie<br />
ermöglichen einen umfassenderen Blick auf das Beziehungsgefüge. Gleichzeitig ist es möglich,<br />
im Familiengespräch das gemeinsame Schweigen und Tabuisierungen anzusprechen und der<br />
Familie zu helfen, eine gemeinsame Realität zu schaffen.<br />
Es erweist sich jedoch gerade in Fällen der Gewalt oft als schwierig, mit dem gesamten Familiensystem<br />
zu arbeiten. Gewalt in der Familie bedeutet für alle Beteiligten tiefe Verletzungen,<br />
Vertrauensverlust, Misstrauen und Angst. Dies macht es in vielen Fällen notwendig, alternativ<br />
oder ergänzend zu Familiengesprächen, den Erwachsenen Einzelgespräche anzubieten.
Hilfe statt Strafe<br />
Oft reicht die Begleitung der Eltern oder der<br />
Familie nicht aus, um die Folgen der Gewalt<br />
für die Kinder und Jugendlichen zu mindern.<br />
Wenn Kinder und Jugendliche lang andauernden,<br />
missbrauchenden, misshandelnden<br />
oder vernachlässigenden Verhältnissen ausgesetzt<br />
waren, kann Therapie indiziert sein. Die<br />
Therapie bietet den Kindern den geschützten<br />
Raum, der notwendig ist, um Erlebtes zu verarbeiten.<br />
Dies bedeutet gleichzeitig, dass aufgrund tiefer<br />
Beziehungsstörungen häufig mehrere KollegInnen<br />
des Kinderschutzzentrums in einen<br />
Fall involviert sind.<br />
Im Folgenden werden die in den Einzelfällen vorherrschenden Settings benannt:<br />
• Familienberatung (ganze Familie): 14 Fälle, 3,3% der Fallkontakte.<br />
• Familienberatung (Teile der Familie): 44 Fälle, 5,4% der Fallkontakte.<br />
• Eltern/ Paarberatung: 36 Fälle, 6,4% der Fallkontakte.<br />
• Beratung der Mutter/ der Sorgeberechtigten: 106 Fälle, 25,8% der Fallkontakte.<br />
• Beratung des Vaters/ des Sorgeberechtigten: 14 Fälle, 4,9% der Fallkontakte.<br />
• Kinderdiagnostik und Elternberatung: 10 Fälle.<br />
• Kindertherapie und Elternbegleitung: 25 Fälle, insgesamt 23,2% der Fallkontakte.<br />
• Beratung von Jugendlichen 71 Fälle.<br />
• Beratung von Jugendlichen und intensive Elternbegleitung 10 Fälle, insgesamt 29,1%<br />
der Fallkontakte.<br />
Im Jahr 2010 wurden insgesamt 183 der 330 Fälle abgeschlossen.<br />
Die Behandlungsdauer betrug:<br />
• in 19 Fällen bis zu einem Monat,<br />
• in 27 Fällen bis zu 3 Monate,<br />
• in 38 Fällen bis zu 6 Monate,<br />
• in 32 Fällen bis zu 9 Monate,<br />
• in 17 Fällen bis zu 12 Monate,<br />
• in 29 Fällen zwischen 12 und 24 Monate,<br />
• in 21 Fällen 24 Monate und länger.<br />
In 218 von den 330 Fällen (66%) kooperierte das Kinderschutzzentrum intensiv mit Einrichtungen<br />
des Bezirks Harburg. Vor allem waren dies: die Allgemeinen Sozialen Dienste (in 108<br />
Fällen), die ambulanten Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung (in 72 Fällen), Schulen u. REBUS<br />
(in 61 Fällen), Kliniken/Ärzte (in 42 Fällen) und anderen Beratungsstellen (in 24 Fällen). Mit stationären<br />
Hilfen zur Erziehung wurde in 27 Fällen, mit der Justiz/Strafverfolgung in 14 Fällen, mit<br />
Kindertageseinrichtungen in 13 Fällen, mit dem Familiengericht in 11 Fällen, mit der offenen<br />
Kinder- und Jugendarbeit in 6 Fällen und mit dem Gesundheitsamt in 5 Fällen kooperiert.<br />
Insgesamt war das Kinderschutzzentrum an 84 Helferkonferenzen (oder Helferbesprechungen)<br />
und an weiteren 11 Erziehungskonferenzen mit den Allgemeinen Sozialen Diensten beteiligt.<br />
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Hilfe statt Strafe<br />
Kinder- und Familienhilfezentrum Harburg<br />
Das Kinderschutzzentrum ist eine Familienberatungsstelle<br />
und gleichzeitig Teil eines<br />
Hilfeverbundes, des Kinder- und Familienhilfezentrums<br />
Harburg. Unter dem Dach des Kinder-<br />
und Familienhilfezentrums kooperiert das<br />
Kinderschutzzentrum mit dem Kinder- und<br />
Jugendhilfeverbund Harburg/Süderelbe (Landesbetrieb<br />
Erziehung und Berufsbildung). Im<br />
Jahr 2010 hat das Kinderschutzzentrum in 28<br />
Fällen mit einem der Kooperationspartner des<br />
Kinder- und Familienhilfezentrums kooperiert.<br />
Im Einzelnen waren dies:<br />
• In drei Fällen, in dem ein Kleinkind im Kinderschutzhaus untergebracht war,<br />
fand begleitende Elternberatung im Kinderschutzzentrum statt.<br />
• In zehn Fällen kooperierte das Kinderschutzzentrum intensiv mit den ambulanten Hilfen<br />
des Kinder- und Jugendhilfeverbundes Harburg (Elternberatung und/ oder Begleitung des<br />
Kindes oder Jugendlichen).<br />
• In zwei Fällen wurden Kinder aus der Tagesgruppe im Kinderschutzzentrum therapeutisch<br />
betreut (mit zusätzlichen Elterngesprächen).<br />
• In sieben Fällen wurden Kinder aus dem Kleinkindhaus oder der Jugendwohnung im<br />
Kinderschutzzentrum begleitet.<br />
• In weiteren vier Fällen wurde für Einrichtungen des Kooperationspartners Fachberatung<br />
durchgeführt.<br />
Beratung von Fachkräften<br />
Das Kinderschutzzentrum bietet unterschiedliche Formen der Praxisbegleitung von Fachkräften<br />
in Fällen von Gewalt gegen Kinder an.<br />
Unmittelbarer Anlass von Fachberatungen ist zumeist die Hilflosigkeit der Helfer im Kontakt zu<br />
den betroffenen Kindern und Familien. Weiterer Anlass einer Beratung kann die Fachberatung<br />
nach §8a SGB VIII bei vermuteter Kindeswohlgefährdung sein. Bei der Abschätzung eines Gefährdungsrisikos<br />
und der weiteren Hilfeplanung soll, so die Formulierung im §8a, eine insoweit<br />
erfahrene Fachkraft hinzugezogen werden.<br />
In 37 Fällen ging es daher um die Klärung eines Verdachts oder einer Vermutung von Kindeswohlgefährdung<br />
und in 16 Fällen lagen gewichtige Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung<br />
vor.<br />
Im Jahr 2010 wurden in insgesamt 58 Fällen Fachkräfte im Umgang mit von Gewalt betroffenen<br />
Familien unterstützt und beraten. Mittelbar betroffen von Gewalt waren dabei 110 Kinder.<br />
Dabei ging es vor allem um sexuelle Misshandlung (17 Fälle), körperliche Misshandlung (16 Fälle),<br />
Vernachlässigung (10 Fälle), Verhaltens- und Entwicklungsauffälligkeiten eines Kindes (10 Fälle).<br />
Die Fachkräfte kamen ausfolgenden Einrichtungen: ambulante Hilfen (19 Fälle), Schulen<br />
(19 Fälle), Kindertageseinrichtungen (10 Fälle), Allgemeine Soziale Dienste (6 Fälle), Stationäre<br />
Hilfen (2 Fälle).
Hilfe statt Strafe<br />
Das Tor zum Kinderschutzzentrum<br />
Oder: was macht eigentlich die Sekretärin im Kinderschutzzentrum und der<br />
Beratungsstelle Frühe Hilfen Harburg/Süderelbe?<br />
Ohne Frau Bomhard, unsere Sekretärin, ist die Arbeit kaum denkbar. Sie ist das Tor zum Kinderschutzzentrum.<br />
Ihre Unentbehrlichkeit für das gute Gelingen unserer Kinderschutzarbeit wird<br />
besonders deutlich, wenn sie ihren wohlverdienten Urlaub hat.<br />
Im Folgenden berichtet sie von ihrem Arbeitsalltag:<br />
Meine Haupttätigkeit ist die Büroorganisation. Dazu gehört, das Beratungsteam im Blick zu behalten,<br />
die Organisation von Fortbildungen, die Sicherung von Daten sowie auch der Einkauf, die Bewirtung<br />
von Gästen und viele Dinge mehr.<br />
Zeitlich gesehen stehen der Telefondienst und der Empfang von KlientInnen im Vordergrund meiner<br />
Arbeit. Ich möchte exemplarisch den Telefondienst beschreiben:<br />
Telefondienst heißt: Annahme aller eingehender Telefonate des Kinderschutzzentrums und der Beratungsstelle<br />
Frühe Hilfen.<br />
Wer ruft an? Was sind die Anliegen?<br />
• In erster Linie Mütter, die Rat und Hilfe für Kinder vom Säuglings- bis Erwachsenenalter<br />
suchen, ein großer Teil davon auf Anraten der Erzieherin (Kita), Lehrerin, des Jugendamtes<br />
oder durch Verwandte und Bekannte.<br />
• Väter mit vergleichbaren Anliegen, aber häufiger wegen Sorgerechtsfragen und/oder<br />
Trennungs- und Scheidungsthemen.<br />
• Großeltern, Nachbarn, Geschwister, Bekannte, die sich Sorgen um Kinder in ihrer<br />
Umgebung machen, sowie Pflegeeltern.<br />
Schwierig (und auch lustig) ist es, wenn die neuen KlientInnen sich nicht die Namen der FachkollegInnen<br />
gemerkt haben: Dann helfen die räumliche Beschreibung des Beratungszimmers, bei der<br />
äußeren Beschreibung wird es schon schwieriger: „eine blonde Dame“, das können zwei sein, oder<br />
der Hinweis „die mit dem Doppelnamen“. Eine weitere große Gruppe von AnruferInnen sind die KollegInnen<br />
der Jugendhilfe und dem Gesundheitsbereich, die entweder Kinder, Jugendliche oder Familien<br />
an das Kinderschutzzentrum anbinden wollen. Lehrer und Lehrerinnen aller Schultypen, SchulsozialarbeiterInnen,KollegInnenvonRebus,derJugendgerichtshilfe,RechtsanwälteundFamilienrichter,den<br />
Kitas und natürlich KollegInnen direkt aus den Jugendämtern rufen ebenfalls häufig an. Manchmal<br />
geht es nur um eine Telefonnummer, Adresse oder manchmal auch um gebrauchte Kinderkleider-<br />
und Spielzeugspenden.....<br />
Das ist schon eine beachtliche Vielfalt!<br />
Dienstags und donnerstags sind regelrechte „Hoch-Zeiten“ an denen meist alle 8 KollegInnen im Haus<br />
sind. Aber auch freitagmittags und kurz vor den Schulferien steht das Telefon nicht still. Dazu kommt,<br />
dass der Türöffner über das Telefon bedient wird. Ich werde (immer noch) unruhig, wenn ein Telefonat<br />
eingegangen ist und gleichzeitig jemand klingelt, denn in der Regel begrüße ich alle KlientInnen und<br />
gebe der entsprechenden FachkollegIn telefonisch Bescheid, dass die nächste KlientIn eingetroffen ist.<br />
Monatsabrechnungen oder umfangreiche Schreibarbeiten sind in diesen „Hoch-Zeiten“ nicht ratsam,<br />
da ständiges Unterbrechen durch das Telefon die Konzentration stört.<br />
Ungehaltene Anfragen von Lehrern, Richtern, Ärzten oder Klienten sind seltener geworden. Die meisten<br />
wissen inzwischen, dass wir keinen „Kinderschutzeinsatzwagen“ haben, der sofort losfährt, wenn<br />
jemand anruft, dass wir aber kurzfristig Krisengespräche führen. Manchmal kommen Ratsuchende<br />
auch persönlich vorbei. Diese leite ich weiter an die KollegInnen.<br />
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Hilfe statt Strafe<br />
Sicherlich benötigen AnruferInnen aus Facheinrichtungen manchmal Geduld, bis ein direktes persönliches<br />
Gespräch mit den FachkollegInnen zustande kommt. So sehe ich es als meine wichtige Aufgabe,<br />
immer wieder um Geduld und Verständnis zu werben und hoffnungsvoll zu vertrösten. Eine gute<br />
„Ausweichmöglichkeit“ ist inzwischen der direkte Email-Kontakt zu den KollegInnen. Besonders die<br />
externen Fachkräfte begrüßen diese Möglichkeit und erleichtern mir und sich selbst die Arbeit.<br />
An jenen „Hoch-Zeit“- Tagen, wenn alle Fachkräfte stündlich Beratungstermine haben, ist unser Wartebereich<br />
überfüllt. Die Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern belegen den Raum vor meiner Tür,<br />
die anderen den Wartebereich im Treppenhaus. Zu Familiensitzungen kommen manchmal bis zu<br />
5 Personen, oder ein Kleinteam kommt zur Fachberatung. Findet dann noch eine Fortbildung mit bis<br />
zu 13 Teilnehmenden statt, dann ist das Haus richtig voll.<br />
Spaß macht es vor allem, die Kinder und Jugendlichen zu begrüßen, die treu jede Woche über einen<br />
längeren Zeitraum hier erscheinen. Sie kennen sich aus, haben Geduld, wenn gerade noch ein Telefonat<br />
dazwischen geführt werden muss oder die vorherige Beratung etwas länger gedauert hat. Bei<br />
schönem Wetter ermutige ich sie, draußen auf dem Spielplatz oder der Bank zu warten. Kindern biete<br />
ich etwas zu lesen oder zu malen an. Eine Jugendliche hat sich gefreut, im Gruppenraum schon mal<br />
mit ihren Hausaufgaben anfangen zu können. Für die Erwachsenen ist die Tageszeitung, die wir kostenlos<br />
bekommen, ein guter Zeitvertreib.<br />
Besonders erfreulich ist zu beobachten, wie gerne die meisten Kinder hierher kommen und wie ihnen<br />
die Beratung offensichtlich gut tut, sie stabilisiert und im wahrsten Sinne des Wortes „wachsen“ lässt.<br />
Besonders für diese positiven Erlebnisse lohnt sich all der Trubel.