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InfoBrief Nr.3 2007 - Evangelische Landeskirche in Baden

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Habe Arbeit, brauche Geld!<br />

- Europa sozial gestalten -<br />

Unter diesem Thema fand <strong>in</strong> Freiburg das<br />

ArbeiternehmerInnenforum der ean-<strong>Baden</strong><br />

statt. Aktueller konnte bei der derzeitigen Diskussion<br />

um M<strong>in</strong>destlohn, Armut und Grunde<strong>in</strong>kommen<br />

die Tagung mit den vorgesehenen<br />

Referenten nicht se<strong>in</strong>. So referierte Prof. Dr.<br />

Jürgen Volkert, Hochschule Pforzheim, über<br />

Armut, Reichtum und Verteilung <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Armut ist e<strong>in</strong> Zustand wo Wesentliches<br />

fehlt. Wesentlich ist Entwicklung, Wohlergehen<br />

und E<strong>in</strong>kommen. So haben 60% der Bevölkerung<br />

weniger als e<strong>in</strong> mittleres E<strong>in</strong>kommen.<br />

Aber Zahlen sagen noch nichts aus, wie es<br />

den Menschen geht. Unsere Gesellschaft, so<br />

Volkert, muss sich an den Grundsätzen der<br />

Gerechtigkeit messen lassen. John Rawls<br />

sieht sie bei:<br />

� gleichen Grundfreiheiten<br />

� fairen Chancengleichheiten<br />

� im Unterschiedspr<strong>in</strong>zip<br />

Soziale Gerechtigkeit ist immer e<strong>in</strong>e Armuts-<br />

und Reichtumsfrage. Der Reichtum ist bei den<br />

Euromillionären, die 2,4% des E<strong>in</strong>kommens<br />

haben. Dagegen haben 27,7% e<strong>in</strong> mittleres<br />

E<strong>in</strong>kommen von 32 000€. Während Rawls<br />

Grundsätze der Gerechtigkeit, wie Wohlergehen,<br />

E<strong>in</strong>kommen, Besitz, Berufswahl, Selbstachtung<br />

für wichtig hält, sieht Amartya Sen<br />

Umwandlungsfaktoren, wie Gesundheit, Bildung,<br />

Alter usw. als ebenso wichtig. Es kommt<br />

darauf an, welche gesellschaftliche Chancen<br />

Menschen haben. Wenn wir die gesellschaftlichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen ansehen, so Volkert, gibt<br />

es Nachteile bei den Frauen <strong>in</strong> der Bildung,<br />

Berufswahl und politischer Durchsetzung. Bildung<br />

ist e<strong>in</strong> wichtiger Faktor gegen die Armut.<br />

Die Diskussion um die K<strong>in</strong>derarmut verdrängt<br />

e<strong>in</strong>e andere Realität, die wachsende Altersarmut.<br />

10% der Bevölkerung ist verschuldet und<br />

10% haben die Hälfte des Vermögens. Menschen<br />

mit hohem E<strong>in</strong>kommen haben mehr<br />

Chancen <strong>in</strong> allen Lebensbereichen. Volkert<br />

fordert e<strong>in</strong> Konzept der Verwirklichungschancen.<br />

Grundsicherung und Soziales s<strong>in</strong>d primär<br />

staatliche Aufgaben. Die Kirchen sollten Menschen<br />

unterstützen, ihre Rechte aktiv durchzusetzen,<br />

damit sie Teilhabe an unserer Gesellschaft<br />

haben.<br />

Peter Schönhöffer, Theologe, Ma<strong>in</strong>z, Vorstandsmitglied<br />

von Kairos Europa, machte<br />

deutlich, warum e<strong>in</strong> soziales Europa so wichtig<br />

ist und die Kirchen so wichtig s<strong>in</strong>d. Brüssel<br />

gestaltet jetzt schon wesentliche Bereiche der<br />

Politik, auch der Sozialgesetzgebung <strong>in</strong> den<br />

Nationalstaaten. Oft geschieht dies ohne demokratische<br />

Beteiligung. Die Lobbys <strong>in</strong> Brüssel<br />

gestalten mehr Gesetzesvorlagen als die Parteien.<br />

Beim Thema Privatisierung ist die Stiftung<br />

Bertelsmann sehr e<strong>in</strong>flussreich. Unterschiedliche<br />

kirchliche Standpunkte zu Europa<br />

s<strong>in</strong>d bei der Gestaltung h<strong>in</strong>derlich. Während<br />

die E<strong>in</strong>en für soziales und <strong>in</strong>tegratives Europa<br />

e<strong>in</strong>treten, wie Margot Käßman, befürchten die<br />

Orthodoxen, wie Erzbischof Kyrill „das Licht<br />

10<br />

Christi <strong>in</strong> Gefahr sei“. So ist die Frage, so Schönhöffer,<br />

welche Kräfte sich durchsetzen, mehr Humanismus,<br />

Ökologie, Soziales oder Ökonomie. Der<br />

neue Reformvertrag (Berater Bertelsmann) setzt<br />

mehr auf Ökonomie und Wettbewerb. Es geht<br />

schließlich um Rohstoffe und um die „neue Weltmacht<br />

<strong>in</strong> Europa“. Schönhöffer plädiert für e<strong>in</strong> soziales<br />

Kapitalismusmodell, wo langfristige Entwicklungen<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden. Er sieht den rhe<strong>in</strong>ischen<br />

Kapitalismus <strong>in</strong> Schieflage, der zu e<strong>in</strong>em<br />

amerikanischen Kapitalismus geworden ist, wo<br />

mittlerweile durch Unternehmungsberater es zu<br />

gravierenden Fehlentscheidungen kommt. Die Kirchen<br />

sollen sich wieder bes<strong>in</strong>nen auf ihre eigenen<br />

Stärken und Prozesse. Der Agape Prozess mit den<br />

Verlautbahrungen von W<strong>in</strong>niepeg und Accra müssten<br />

stärker diskutiert werden. „Kairos“, es ist an der<br />

Zeit, sich für e<strong>in</strong> „Wirtschaften für das Leben“ e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Jürgen Höffl<strong>in</strong>, DGB Vorsitzender Südbaden–Hochrhe<strong>in</strong>,<br />

setzte sich für e<strong>in</strong>en M<strong>in</strong>destlohn<br />

e<strong>in</strong>. 60% der Erwerbsfähigen arbeiten im Niedrigbereich,<br />

davon 28,5% der Vollerwerbsfähigen, meist<br />

Männer. In prekären Arbeits- und E<strong>in</strong>kommenssituationen<br />

s<strong>in</strong>d auch Selbstständige und Ungelernte.<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg ist das Land mit den meisten<br />

angelernten Arbeitsplätzen. So nimmt, me<strong>in</strong>t<br />

Höffl<strong>in</strong>, die Armut trotz Erwerbstätigkeit zu. Arbeit<br />

muss von der Steuer entlastet werden. Bei den<br />

Tarifverhandlungen sollten Festbeträge statt Prozenterhöhungen<br />

gefordert werden. Das kommt den<br />

unteren E<strong>in</strong>kommen zu Gute. Die Gewerkschaften<br />

sollten mit den Kirchen für bessere Arbeit und Entlohnung<br />

e<strong>in</strong>treten.<br />

Für e<strong>in</strong> bed<strong>in</strong>gungsloses Grunde<strong>in</strong>kommen trat<br />

Andrè Presse, Institut für Entrepreneurchip Karlsruhe,<br />

e<strong>in</strong>. Als Mitberater von Götz Werner h<strong>in</strong>terfragt<br />

er die jetzigen Institutionen und deren Möglichkeiten<br />

e<strong>in</strong>er sozialen Gestaltung. Evolutionär denken-<br />

revolutionär handeln (Götz Werner), heißt: Arbeit,<br />

Arbeitsbegriff und Leitung neu zu def<strong>in</strong>ieren. Die<br />

Arbeit kann als Produktionsfaktor ersetzt werden<br />

durch neue Arbeit: Pflege, Kultur, Familie, etc. Die<br />

kann durch e<strong>in</strong> Grunde<strong>in</strong>kommen gefördert werden.<br />

Vorschlag ist e<strong>in</strong>e Konsumsteuer als alle<strong>in</strong>ige Steuer,<br />

durch die das Grunde<strong>in</strong>kommen f<strong>in</strong>anziert wird.<br />

So s<strong>in</strong>d sämtliche Freibeträge der E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />

gegenstandslos.<br />

Es gibt e<strong>in</strong>e Entlastung des Faktors Arbeit. Während<br />

Dahrendorf für e<strong>in</strong> konstruktives Grunde<strong>in</strong>kommen<br />

ist, setzt Althaus bei 600€ plus 200€ Gesundheitspauschale<br />

an. Es gibt, so Presse, unterschiedliche<br />

F<strong>in</strong>anzierungsmodelle. Doch bei allen<br />

Modellen ist das Ziel, Arbeit neu zu def<strong>in</strong>ieren,<br />

Würde der Arbeit zu stärken, Menschen unabhängig<br />

zu machen, e<strong>in</strong> neues Geme<strong>in</strong>wesen zu fordern.<br />

Die rege Diskussion zeigte doch großes Interesse<br />

der TeilnehmerInnen und auch noch viel Klärungsbedarf.<br />

Das ArbeitnehmerInnenforum wurde<br />

am Sonntag ökumenisch und nahm an der von der<br />

KAB organisierten Mat<strong>in</strong>ee mit Wolfgang Thierse,<br />

SPD und Georg Hupfauer, KAB, Vorsitzender teil.<br />

Davor konnten die Teilnehmer noch am Pontifikalamt<br />

im Freiburger Münster teilnehmen.Unter dem<br />

Thema: „Es ist genug für alle da“, diskutierten<br />

Thierse und Hupfauer über e<strong>in</strong>e neue soziale Politik<br />

<strong>in</strong> Deutschland.

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