Interkulturelle Pädagogik und das weite Feld der Integrationshilfen
Interkulturelle Pädagogik und das weite Feld der Integrationshilfen
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<strong>Interkulturelle</strong> <strong>Pädagogik</strong> <strong>und</strong> <strong>das</strong><br />
<strong>weite</strong> <strong>Feld</strong> <strong>der</strong> <strong>Integrationshilfen</strong><br />
von<br />
Prof. em. Dr. Georg Auernheimer
Glie<strong>der</strong>ung<br />
1. Einleitende Bemerkungen<br />
2. Neue politische Rahmenbedingungen für<br />
interkulturelle Bildung u. <strong>Integrationshilfen</strong><br />
3. Das zentrale Thema <strong>der</strong> <strong>Interkulturelle</strong>n<br />
<strong>Pädagogik</strong>: interkulturelle Bildung<br />
4. Das Praxisfeld <strong>Integrationshilfen</strong> in seiner<br />
Vielfalt<br />
copyright G. Auernheimer
1. Einleitung<br />
• Von <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>pädagogik <strong>der</strong> 1970er Jahre<br />
zur <strong>Interkulturelle</strong>n <strong>Pädagogik</strong> (IkP) –Gewinn<br />
<strong>und</strong> Verlust; Kritik am „Defizitansatz“ hat Anfang <strong>der</strong><br />
1980er Jahre <strong>das</strong> Thema verdrängt.<br />
• Das Praxisfeld <strong>Integrationshilfen</strong> hat Tradition<br />
<strong>und</strong> ist sehr vielfältig. Autobiographische<br />
Notiz<br />
• Ziel des Vortrags: Unterschiede <strong>und</strong> Gemein‐<br />
samkeiten zwischen interkultureller Bildungs‐<br />
arbeit (Thema <strong>der</strong> IkP) <strong>und</strong> <strong>Integrationshilfen</strong><br />
zu verdeutlichen copyright G. Auernheimer
Studentische Hausaufgabenhilfegruppe um 1988<br />
Das Projekt „Außerschulische Lernhilfen“ in Stadtallendorf/<br />
Hessen mit Studierenden <strong>der</strong> Uni Marburg bestand von 1980 bis<br />
1989.<br />
copyright G. Auernheimer
Studentische Hausaufgabenhilfegruppe um 1988<br />
copyright G. Auernheimer
2. Neue politische Rahmenbedingungen für<br />
interkulturelle Bildung u. <strong>Integrationshilfen</strong><br />
• Die Novellierung des Staatsangehörigkeits‐<br />
rechts in 2000<br />
• Das Zuwan<strong>der</strong>ungsgesetz von 2005<br />
• Das Allgem. GleichbehandlungsG (AGG, 2006)<br />
• Der Nationale Integrationsplan (NIP, 2007)<br />
• Teilintegration <strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>arstufe<br />
• För<strong>der</strong>ung von Ganztagsschulen<br />
• Bildungspläne für KiTas<br />
copyright G. Auernheimer
• Für interkulturelle<br />
Bildung:<br />
Eine neue „Zuge‐<br />
hörigkeitsordnung“<br />
wird etabliert u. in<br />
den Köpfen veran‐<br />
kert.<br />
Integration nicht<br />
mehr alleinige<br />
Bringschuld <strong>der</strong> Zu‐<br />
gewan<strong>der</strong>ten.<br />
Positive Effekte<br />
copyright G. Auernheimer<br />
• Für die Integration u.<br />
Hilfen dazu:<br />
Die strukturelle Inte‐<br />
gration wird erleich‐<br />
tert, Identifikation<br />
mit <strong>der</strong> BRD geför‐<br />
<strong>der</strong>t.<br />
Hilfen zur Integration<br />
haben staatl. Unter‐<br />
stützung u. eine insti‐<br />
tutionelle Basis.
Integration u. Assimilation nach<br />
Die strukturelle Integration<br />
(in Bildungssystem, Arbeit etc.)<br />
beeinflusst<br />
die soziale Integration<br />
(Kontakte)<br />
Hoffmann‐Novotny<br />
<strong>und</strong> bestimmt<br />
die Wahrnehmung<br />
<strong>der</strong> Chancen<br />
wirkt zurück auf<br />
copyright G. Auernheimer<br />
<strong>und</strong> die<br />
Assimilations‐<br />
bereitschaft<br />
Assimilation
3. <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Pädagogik</strong><br />
• <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Pädagogik</strong>: Ergebnis <strong>der</strong> Aus‐<br />
einan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> „Auslän<strong>der</strong>päd‐<br />
agogik“ <strong>der</strong> 1970er Jahre (a)<br />
<strong>und</strong> mit <strong>der</strong> antirassistischen <strong>Pädagogik</strong> (b)<br />
• a. Abkehr vom Defizitdenken<br />
• b. Aufmerksamkeit für gesellschaftliche/<br />
politische Problemlagen<br />
• Ziel: eine differenz‐ <strong>und</strong> dominanzsensible<br />
Haltung<br />
copyright G. Auernheimer
Die Leitmotive <strong>der</strong> Interk. <strong>Pädagogik</strong><br />
• Anerkennung von identitätsrelevanten Welt‐<br />
bil<strong>der</strong>n, Werten, kulturellen Praktiken <strong>und</strong><br />
selbst gewählten sozialen Zuordnungen –<br />
eine differenzsensible Haltung<br />
• Gleichheit, Wahrnehmung von Ungleichheit,<br />
Ungerechtigkeit, Diskriminierung –<br />
eine machtsensible Haltung<br />
copyright G. Auernheimer
Anerkennung heißt<br />
• kollektive <strong>und</strong> biograph. Erfahrungen ernst<br />
nehmen<br />
• individuell bedeutsame kulturelle Symbole<br />
<strong>und</strong> Praktiken anerkennen<br />
• individuelle Beson<strong>der</strong>heiten respektieren<br />
• die Selbstdefinition des/<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en respek‐<br />
tieren<br />
• die jeweiligen Ressourcen beachten <strong>und</strong> wür‐<br />
digen<br />
copyright G. Auernheimer
Die pädagogische Gratwan<strong>der</strong>ung<br />
Anerkennung ist eine „paradoxe Handlungs‐<br />
orientierung“ o<strong>der</strong> ‐anfor<strong>der</strong>ung (Paul Mecheril<br />
2005).<br />
Denn sie gründet auf <strong>der</strong> Annahme, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
Individuum zur Selbstverwirklichung seiner<br />
kulturellen Ressourcen bedarf.<br />
Zugleich birgt <strong>das</strong> Bemühen um A. die Gefahr von<br />
Zuschreibungen, die die Entfaltung behin<strong>der</strong>n<br />
können.<br />
copyright G. Auernheimer
Konsequenzen<br />
• Pädagogische Institutionen müssen den<br />
Rahmen abgeben für ein freies Aushandeln<br />
<strong>und</strong> Ausprobieren von Identitätsentwürfen.<br />
• Pädagogische Institutionen müssen zum inter‐<br />
kulturellen Dialog befähigen.<br />
• Pädagogische Institutionen müssen eigene<br />
Mechanismen <strong>der</strong> Diskriminierung kontrol‐<br />
lieren.<br />
copyright G. Auernheimer
Schwerpunkte interkultureller Bildung:<br />
• Anti‐Bias‐ <strong>und</strong> Diversity‐Ansatz<br />
• Umgang mit kultureller Differenz<br />
• Befähigung zum interkulturellen Dialog<br />
• Multiperspektivische Bildung,<br />
Mehrsprachigkeit<br />
• Antirassistische Erziehung<br />
copyright G. Auernheimer
Dimensionen interkultureller Orientie‐<br />
rung:<br />
• Leitbild (eventuell generelle Diversity‐<br />
Orientierung)<br />
• Ziele für eine interkulturell orientierte Arbeit<br />
• Benennung von „Schlüsselprozessen“<br />
• Mitarbeiter/innen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
• Teamarbeit, spez. Kollegiale Fallberatung<br />
• Kooperation mit an<strong>der</strong>en pädagogischen<br />
Institutionen u. Migrantenorganisationen<br />
• Selbstevaluation, ethnic monitoring<br />
• Perspektive: „lernende Organisation“<br />
copyright G. Auernheimer
4. Das Praxisfeld <strong>Integrationshilfen</strong><br />
• Ziele: Bildungserfolg, Befähigung zur selbstän‐<br />
digen Lebensführung<br />
• Impliziert: Sprachkompetenz, berufliche<br />
Orientierung, Kenntnis gesellschaftlicher/<br />
kultureller Regeln/Muster<br />
• Autonomie, Emanzipation, politische Orientie‐<br />
rung<br />
• Politische Partizipation<br />
copyright G. Auernheimer
Die Leitmotive von<br />
<strong>Integrationshilfen</strong>:<br />
• Chancengleichheit durch Vermittlung von<br />
Wissen <strong>und</strong> Fähigkeiten bzw. Lernhilfen<br />
• Anerkennung individuell bedeutsamer<br />
kultureller Beson<strong>der</strong>heiten <strong>und</strong> individu‐<br />
eller Ressourcen<br />
• Hilfe zur Selbsthilfe<br />
copyright G. Auernheimer
Beispiel 1: die InitiativGruppe München e.V.<br />
(Interk. Begegnung u. Bildung)<br />
• Anfänge 1971 mit Haus‐<br />
aufgabenhilfe<br />
• ab 1976 Sprachintensiv‐<br />
kurse u. Kurse zur beruf‐<br />
lichen Einglie<strong>der</strong>ung von<br />
Jugendlichen, ausbildungs‐<br />
begleitende För<strong>der</strong>ung<br />
• 1996 ff. Qualifizierung von<br />
Migrantinnen, Eltern‐Kind‐<br />
Initiative<br />
copyright G. Auernheimer
Beispiel 1:<br />
die InitiativGruppe München e. V.<br />
• Heute H<strong>und</strong>erte von Festangestellten u.<br />
Honorarkräften, dazu Ehrenamtliche<br />
• Heutiges Angebotsspektrum: Deutschkurse,<br />
Angebote für Frauen, Jugendarbeit, Schüler‐<br />
hilfen, Berufliche Bildung, Unterstützung von<br />
Selbsthilfegruppen<br />
• Politisches Engagement, z. B. Aktionen gegen<br />
Auslän<strong>der</strong>feindlichkeit, Antirassist. Telefon,<br />
Kampagne f. doppelte Staatsbürgerschaft<br />
copyright G. Auernheimer
Beispiel 2: Hilfen zur Berufsfindung o<strong>der</strong><br />
Nachqualifizierung<br />
• Nachqualifizierung von Immigranten mit dem Ziel <strong>der</strong><br />
Gesellenprüfung im erlernten Beruf durch die<br />
Handwerkskammer München<br />
• Hilfe beim Start ins Berufsleben durch die Hand‐<br />
werkskammer Münster + die Landeszentrale für<br />
politische Bildung<br />
• „Girls‐Day“ zur Werbung von Mädchen für technische<br />
Berufe beim Kompetenz‐Zentrum Bielefeld<br />
• Berufsinformation in Moscheevereinen, die Deutsche<br />
Industrie‐ <strong>und</strong> Handelskammer zusammen mit DITIB<br />
copyright G. Auernheimer
Beispiel 5: Patenschaften<br />
• Hofer Schulbegleitung: ehrenamtl. Mentor/inn/en<br />
unterstützen Eltern bei Schulproblemen <strong>und</strong> junge<br />
Pat/inn/en geben Schulkin<strong>der</strong>n Nachhilfe; beraten u.<br />
koordiniert durch eine hauptamtl. pädagog.<br />
Fachkraft.<br />
Wichtig: Eltern verpflichten sich zur aktiven<br />
Teilnahme<br />
• <strong>Interkulturelle</strong> Lehrstellentandems in Aachen: ehem.<br />
Berufsschullehrer, Handwerker, ein Unternehmens‐<br />
berater u. a. kümmern sich um Azubis mit Migrations‐<br />
hintergr<strong>und</strong>; Projektkoordination, Vorbereitung <strong>der</strong><br />
Mentoren in einem zweitägigen copyright G. Auernheimer<br />
Seminar
Das Tandem des Monats April innerhalb <strong>der</strong><br />
Aktion Zusammen‐wachsen<br />
Iris Rehrmann, Wirtschafts‐ u. Steuerfachgehilfin, hat<br />
eine Patenschaft für Ilja L. übernommen. Beide<br />
hatten sich zum Ziel gesetzt, die Deutschnote von Ilja<br />
zu verbessern. Dazu treffen sich die beiden seit drei<br />
Jahren wöchentlich einmal.<br />
Iris Rehrmann: „Mir macht es Freude zu erleben, wie Ilja<br />
Fortschritte macht... Ich habe von ihm einiges über Russland,<br />
vor allem über <strong>das</strong> russische Schulsystem erfahren.“<br />
Ilja: „Bei den Treffen mit Frau Rehrmann lerne ich außer<br />
Deutsch auch spannende, an<strong>der</strong>e Sichtweisen <strong>und</strong> Einstel‐<br />
lungen zum Leben kennen.“<br />
copyright G. Auernheimer
Merkmale von <strong>Integrationshilfen</strong><br />
• ein <strong>weite</strong>s, äußerst vielfältiges <strong>Feld</strong><br />
• zivilgesellschaftliches Engagement dominant<br />
• Beteiligt: Professionelle (pädagogische <strong>und</strong><br />
an<strong>der</strong>e Fachkräfte), Ehrenamtliche, Freiwilli‐<br />
gendienste<br />
• Professionalisierungsprozesse durch die Hilfen<br />
• <strong>Interkulturelle</strong>s Lernen im Miteinan<strong>der</strong><br />
• Politisierungsprozesse<br />
copyright G. Auernheimer
Ich danke für Ihre<br />
Aufmerksamkeit.<br />
copyright G. Auernheimer