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Das Ich im Anderen - Mirna Funk

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„<strong>Das</strong> <strong>Ich</strong> <strong>im</strong> <strong>Anderen</strong> – Zur Problematik projektiver Liebe“ von <strong>Mirna</strong> <strong>Funk</strong><br />

Kolloquium von Prof. Dr. Volker Gerhardt<br />

Philosophische Fakultät der Humboldt Universität Berlin<br />

mir. Aus der Vereinzelung wird eine Verschmelzung, die zu dem Gefühl von Ganzheit führt.<br />

In dieser Ganzheit scheint die Einsamkeit erst einmal überwunden.<br />

Wenn Hegel in seinem Zitat: „Der Geliebte ist nicht entgegengesetzt, er ist eins mit unserem<br />

Wesen; wir sehen uns in ihm, und dann ist er doch wieder nicht wir – ein Wunder, das wir<br />

nicht zu fassen vermögen“ 21 von dem Nicht-Entgegengesetzten spricht und behauptet der<br />

Geliebte sei „eins mit unserem Wesen; wir sehen uns in ihm, und dann ist er doch wieder<br />

nicht wir“, dann stehen wir genau vor der Problematik, der ich mich in den anderen<br />

Abschnitten der Arbeit versucht habe <strong>im</strong>mer weiter anzunähern. Man glaubt dem Gefühl des<br />

Getrenntseins von der Welt nur durch eine vermeintliche Verschmelzung entgegenwirken zu<br />

können und wird doch <strong>im</strong>mer wieder aufs Neue dabei überrascht, wie der Andere plötzlich zu<br />

einem Fremden - also zu einem „Nicht-<strong>Ich</strong>“ - mutiert. <strong>Das</strong> projektive Moment kann<br />

demzufolge nicht ewig aufrechterhalten werden. Der Andere bleibt anders. In den<br />

Augenblicken des Sichtbarwerdens dieser Andersartigkeit wiederholt sich der Schmerz über<br />

das Getrenntsein.<br />

In einer Art Pingpong-Spiel bewegen sich die verschmolzenen Partner zwischen völligem<br />

Ungetrenntsein und der Unmöglichkeit dieser Tatsache. Die Liebe wird in Zeiten tiefer<br />

Verschmelzung überd<strong>im</strong>ensional empfunden und ich-auflösend erlebt. Sobald die Projektion<br />

schwindet und der Andere wieder als der Andere erscheint, n<strong>im</strong>mt das Gefühl der<br />

Vereinzelung bis ins Unermessliche zu und der Geliebte wird als das Ur-Fremde empfunden.<br />

<strong>Das</strong>s in diesem Verhalten weder Authentizität, geschweige denn Dauerhaftigkeit zu finden ist,<br />

sollte offensichtlich geworden sein. Trotzdem ist diese Form projektiver Berührung<br />

allgegenwärtig und verspricht <strong>im</strong>mer noch, die wahrhaftige Liebe zu repräsentieren.<br />

<strong>Das</strong>s ich diesem Konzept grundlegend widerspreche, sollte bis zu diesem Zeitpunkt klar<br />

geworden sein. Wie eine Alternative dazu aussehen könnte, werde ich <strong>im</strong> letzten Abschnitt<br />

meiner Ausarbeitung beleuchten.<br />

3.2 Liebe als Begegnung<br />

Im vorangegangenen Abschnitt widmete ich mich der symbiotischen Liebe. Einer Liebe, die<br />

sich nach Verschmelzung sehnt, um so der Vereinzelung und der dadurch entstehenden<br />

Einsamkeit in der Welt zu entfliehen. Der Prozess der Projektion sorgt scheinbar für eine<br />

21 G. W. F. Hegel, „Entwürfe über Religion und Liebe“ in Frühe Schriften, S.244.<br />

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