Wirklich ungeschickt ? Motorische Testverfahren
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<strong>Wirklich</strong> <strong>ungeschickt</strong> ?<br />
<strong>Motorische</strong> <strong>Testverfahren</strong><br />
PD Dr. Oskar Jenni<br />
Abteilung Entwicklungspädiatrie<br />
Universitätskinderkliniken Zürich<br />
oskar.jenni@kispi.uzh.ch<br />
2. Internationales Symposium Motorik und Entwicklung<br />
Vaihingen, 26. März 2011
Umschriebene Entwicklungsstörung<br />
motorischer Funktionen (UEMF)<br />
• Kriterium I: Beeinträchtigung der Motorik im<br />
Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Kindern<br />
• Kriterium II: Auswirkungen auf Alltagsfunktionen,<br />
psychische Befindlichkeit und Schulleistungen<br />
• Kriterium III: Keine körperliche oder neurologische<br />
Erkrankung oder Verhaltensstörung
UEMF: Kriterium I<br />
• Ungeschicklichkeiten in der Grob- und/oder<br />
Feinmotorik<br />
• Verzögerte Meilensteine (freies Sitzen, freies<br />
Gehen, Pedalen, Fahrradfahren)
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Meilensteine<br />
0 1 2 3 4 5 6 7<br />
Alter (Jahre)<br />
Erste Schritte<br />
Dreirad<br />
Velo<br />
Ski<br />
Schuhe binden<br />
Einbeinstand<br />
Zürcher Longitudinalstudien
UEMF: Kriterium I<br />
• Ungeschicklichkeiten in der Grob- und/oder<br />
Feinmotorik<br />
• Verzögerte Meilensteine<br />
• Beeinträchtigung des motorischen Lernens<br />
• Dissoziierte Entwicklung: sprachlich und<br />
intellektuell normal entwickelt, aber motorisch<br />
verzögert<br />
• Schreibstörung
UEMF: Kriterium I<br />
• Diagnose < 3 Jahre unzuverlässig, weil<br />
– “late bloomers”<br />
– Variabilität in der Bewegungsentwicklung<br />
– Motivation und Kooperation<br />
– Keine zuverlässigen <strong>Testverfahren</strong><br />
• Diagnose > 18 Jahre<br />
– Keine zuverlässigen <strong>Testverfahren</strong><br />
– Diagnose im Erwachsenenalter nicht etabliert
Zuverlässige Erfassung der Motorik?<br />
Anforderungen an Motorik-Test:<br />
1. praxistauglich: in der Praxis anwendbar<br />
räumlich und zeitlich), kostengünstig<br />
2. reproduzierbar (genau, replizierbar)<br />
3. valide (gültig)<br />
4. standardisiert (vereinheitlicht, objektiv)<br />
5. normiert (angepasst an Personengruppen)
Testmethoden<br />
• KEIN GOLDSTANDARD !<br />
• Movement Assessment Battery for Children<br />
(M-ABC2)<br />
• Bruininks-Oseretsky Test of Motor Proficiency,<br />
Second Edition (BOT-2)<br />
• Zürcher Neuromotorik (ZNA)<br />
• MOT 4-6<br />
• Körperkoordinationstest für Kinder (KTK)<br />
• McCarron Assessment of Neuromuscular<br />
Dysfunction (MAND)
Test<br />
M-ABC<br />
BOT-2<br />
ZNA<br />
MOT<br />
KTK<br />
MAND<br />
praxistauglich<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
reliabel<br />
+<br />
(+)<br />
+<br />
+<br />
(+)<br />
+<br />
Valide für<br />
UEMF<br />
+ 19<br />
+ 5<br />
-<br />
-<br />
-<br />
+ 2<br />
standardisiert<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
normiert<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
-<br />
+
Testmethoden<br />
M-ABC2<br />
• 3 bis 16 Jahre<br />
• 3 Altersperioden: 3-7 Jahre, 7-10, 10-16 Jahre<br />
• Deutsche Normen<br />
• Handgeschicklichkeit, Ballfertigkeiten, Balance<br />
• Probleme: aufmerksamkeitsabhängig,<br />
Trainingseffekte, Bodeneffekte (3-7 Jahre),<br />
Übergang Alter 7 Jahre, nur Jahresintervalle,<br />
keine Diagnose Schreibstörung möglich<br />
• LOE 2 (für UEMF)
Testmethoden<br />
BOT-2<br />
• 4 bis 21 Jahre<br />
• Keine deutsche Normen (USA, Kanada)<br />
• 5 Komponenten (Gesamtscore, Feinmotorik und<br />
Grobmotorik, Kraft)<br />
• Probleme: relativ aufwändiges Scoring,<br />
vereinzelt geringe Test-Retest Zuverlässigkeit<br />
• LOE 2 (für UEMF)
Testmethoden<br />
Cut-offs<br />
• Kein genereller internationaler Konsens<br />
• Empfehlung in den LL: 15. Perzentile (für > 5<br />
Jahre)<br />
• Für Störung der Grobmotorik (F82.0) oder<br />
Feinmotorik (F82.1.): 5. Perzentile (Cave)<br />
• Für Diagnose < 5 Jahre (Cave): 5. Perzentile<br />
(für 3. und 4. Lebensjahr)
Die Zukunft<br />
• Schwächen der aktuellen Tests ausmerzen<br />
• Weitere <strong>Testverfahren</strong> entwickeln<br />
• Schreibtest (Deutsche Normen)<br />
• Bedeutung der motorische Fähigkeiten und<br />
Mitbewegungen (abilities and soft signs)<br />
• Komponenten (Fein- und Grobmotorik)