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Predigt von stud. theol. Katharina Scherer zu Versen

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<strong>Predigt</strong><br />

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des<br />

Heiligen Geistes sei nun mit uns allen. Amen.<br />

Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes Gottes bitten. - Stille -<br />

Amen.<br />

Der <strong>Predigt</strong>text führt uns – scheinbar – in die vom Pfingstgeist erfasste erste<br />

Gemeinde <strong>zu</strong>rück; doch hören wir selbst die folgenden Verse aus dem zweiten<br />

Kapitel der Apostelgeschichte:<br />

Die das Wort annahmen, ließen sich taufen. Sie blieben aber beständig in der Lehre<br />

der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber<br />

Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die<br />

Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle<br />

Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je<br />

nach dem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel<br />

und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude<br />

und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der<br />

Herr aber fügte täglich <strong>zu</strong>r Gemeinde hin<strong>zu</strong>, die gerettet wurden.<br />

Herr, segne dein Wort an uns allen. Amen.<br />

Liebe Gemeinde,<br />

nun stehen wir vor diesem Text. Hier scheint ja alles schön und gut <strong>zu</strong> sein. Die<br />

ersten Christen leben einmütig beisammen in einer funktionierenden<br />

Gütergemeinschaft und finden auch noch „Wohlwollen beim ganzen Volk“. Können<br />

wir heute <strong>von</strong> solch einer Gemeinde nicht nur träumen? Und ist das nicht überhaupt<br />

ein bisschen <strong>zu</strong> sehr durch die „rosa-rote Brille“ geschaut?<br />

Der Text stellt uns das Idealbild einer christlichen Gemeinde der Anfangszeit vor<br />

Augen, in der die positiven Erfahrungen mehr als überwiegen. Doch warum schafft


der Autor der Apostelgeschichte diesen uns märchenhaft erscheinenden Text? Auch<br />

den frühen Hörerinnen und Hörern muss eine solch einträchtige Gemeinschaft<br />

utopisch vorgekommen sein, erinnern wir uns beispielsweise nur an die<br />

Verfehlungen und Spaltungen in der Gemeinde Korinths. Ganz bewusst aber werden<br />

wir hier mit dem <strong>von</strong> Grund auf positiven Bild einer Gemeinde konfrontiert, die es so<br />

wohl nie gegeben hat und wahrscheinlich auch nie geben wird. Warum also der<br />

literarische Kniff, ein solches Idealbild <strong>zu</strong> entwerfen?<br />

Liest man diesen Text in einer Zeit wachsender Kirchenaustritte und schrumpfender<br />

Gottesdienstteilnehmerzahlen, scheint er eine heillose Überforderung <strong>zu</strong> sein. Er<br />

nimmt doch gerade diese Probleme nicht in den Blick und flüchtet sich in utopische<br />

Scheinwelten. Hier jedoch in unseren Gemeinden lässt uns der Text allein. Er scheint<br />

unsere Sorgen und Anfragen nicht ernst <strong>zu</strong> nehmen und übergeht sie durch die<br />

„rosa-rote Brille“, die die all<strong>zu</strong> menschlichen Probleme einer solch engen<br />

Gemeinschaft ausblendet.<br />

Doch wir tun dem Text Unrecht, wenn wir ihm vorhalten, die Augen <strong>zu</strong> verschließen<br />

vor nicht tragenden Gemeinden und auseinander brechenden Gemeinschaften. Er will<br />

ein Mut machendes Hoffnungszeichen setzen und nicht hoffnungslos überfordern.<br />

Dabei werden vier tragende Säulen wichtig für die christliche Gemeinschaft. Hören<br />

wir nochmals in den <strong>Predigt</strong>text hinein: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der<br />

Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ Es werden<br />

genannt die Kontinuität in der Weitergabe der christlichen Urtexte, die<br />

gemeinschaftliche Einheit, das Mahlhalten und schließlich das Gebet.<br />

Ich möchte im Folgenden den Fokus auf den Aspekt des Brotbrechens richten:<br />

Das gemeinsame Brechen des Brotes und die dabei herrschende einmütige<br />

Tischgemeinschaft stehen bis heute im Mittelpunkt des christlichen Gottesdienstes.<br />

Die Mahlgemeinschaft mit und in Christus verbindet alle Christen egal welcher<br />

Konfession. Dennoch ist gerade das Brotbrechen im Gottesdienst konfessioneller<br />

Diskussions- und Scheidungsgrund. Zwar werden in der gemeindlichen Praxis<br />

bereits teilweise diese Grenzen überwunden, aber ein offizielles gemeinschaftliches


Abendmahl steht weiterhin aus.<br />

Eine eindrucksvolle und die Gemeinschaft stärkende Lösung – in Anführungszeichen<br />

– bot die „Feier der 1000 Tische“ auf dem vergangenen Ökumenischen Kirchentag in<br />

München: Wer selbst dabei war oder auch die Übertragungen im Fernsehen gesehen<br />

hat, erinnert sich an die orthodoxe Vesper mit der „Artoklasia“. „Artoklasia“<br />

kommt aus dem Griechischen und wird aus dem Wort für Brot „artos“ und dem<br />

Verb „klan“ für „brechen“ <strong>zu</strong>sammengesetzt; wörtlich ergibt sich also genau das<br />

„Brot-Brechen“ <strong>von</strong> dem im <strong>Predigt</strong>text die Rede ist. Im heutigen Sprachgebrauch ist<br />

damit die Segnung des Brotes gemeint.<br />

Doch <strong>zu</strong>rück nach München:<br />

Trotz des regnerisch klammen Wetters strömten am Freitagabend zahlreiche<br />

Gläubige aller Konfessionen auf den Münchner Odeonsplatz. 1000 Tische für 10.000<br />

Gläubige sind bereitet worden, keine grünen Diskussionstische oder ovale<br />

Sit<strong>zu</strong>ngstische, nein, orange sind sie, in der Farbe des Kirchentags: „Damit ihr<br />

Hoffnung habt“. Klick-klack, klick-klack, klick-klack … immer schneller huscht das<br />

Hämmerchen über das Klangbrett und ruft <strong>zu</strong>m Gebet – und 20 000 kommen. Wer<br />

keinen Platz mehr findet, bleibt im Umkreis stehen, oder man bildet Sitzgruppen auf<br />

dem Boden. Orientalische Hymnen, Litaneien und fremd klingende Choräle erschallen<br />

über der Menge und bilden eine ganz besondere Atmosphäre inmitten der Münchner<br />

Innenstadt. Schließlich wird das Brot gesegnet, und Helfer verteilen wagenradgroße<br />

Fladen an die Gläubigen. Immer wieder werden Brotlaibe herbeigebracht und speisen<br />

die Menschen. Mancher mag sich da an die Speisung der 5000 erinnert gefühlt<br />

haben. Den Schlusssegen sprach der Metropolit Augoustinos: „Wir haben nicht<br />

etwas Neues gefunden, sondern etwas Altes wiederentdeckt.“, betont er. Das Gefühl<br />

einer tiefen gemeinsamen Wurzel im Christentum wurde hier spür- und greifbar. Es<br />

war keine gemeinsame Eucharistiefeier, aber ein Ausdruck dessen, was gemeinsam<br />

möglich ist.<br />

Wir haben <strong>zu</strong> Beginn des Gottesdienstes gemeinsam gesungen „Ein Schiff, das sich<br />

Gemeinde nennt“, und da hieß es weiter: „liegt oft im Hafen fest, weil sich’s in


Sicherheit und Ruh bequemer leben lässt. Man sonnt sich gern im alten Glanz<br />

vergangner Herrlichkeit und ist doch heute für den Ruf <strong>zu</strong>r Ausfahrt nicht bereit.“<br />

Die Angst vor einer solchen Bequemlichkeit und der Augenwischerei durch eine<br />

orthodoxe Vesper anstelle eines gemeinsamen eucharistischen Mahls bewog auch<br />

einige <strong>zu</strong> kritischen Äußerungen. So sollte man sich nicht <strong>zu</strong>frieden geben mit einer<br />

gemeinsamen Artoklasia, sondern müsse beständig weitergehen auf dem Weg <strong>zu</strong><br />

einer gemeinsamen Abendmahlsfeier. Ich denke aber, dass gerade für das immer<br />

wieder neue Aufbrechen <strong>zu</strong> einer stärkeren Ökumene das Zeichen einer<br />

Tischgemeinschaft <strong>von</strong> Protestanten, Katholiken, Orthodoxen, Kopten und anderen<br />

Konfessionen die Sehnsucht nach einem Weitergehen der christlichen<br />

Mahlgemeinschaft geweckt hat.<br />

Antoine de Saint-Exupery schrieb:<br />

„Wenn du mit anderen ein Schiff bauen willst, so beginne nicht mit ihnen Holz <strong>zu</strong><br />

sammeln, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten, unendlichen<br />

Meer.“<br />

Ich denke, die Sehnsucht ist schon geweckt, sei es durch erstrebenswerte<br />

Idealvorstellungen oder erfahrbare Visionen. Es bedarf nur des immer neuen<br />

Wachrüttelns, und wir dürfen nicht müde werden auf dem langwierigen und oft all<strong>zu</strong><br />

Kräfte zehrenden Weg in die Einheit. Lassen wir uns also beflügeln <strong>von</strong> dem Ideal<br />

unseres <strong>Predigt</strong>textes und den ökumenischen Erfahrungen, die wir immer wieder<br />

machen dürfen! Und hissen wir die Segel für die Fahrt in eine versöhnte<br />

Verschiedenheit!<br />

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und<br />

Sinne in Christus Jesus. Amen.

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