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Kinderwelt Inhalt - Weleda

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Mütter, die derzeit zu Hause sind, lieber erwerbstätig<br />

wären – es fehlt aber an Kinderbetreuung.<br />

Wir wissen, dass nur 14 Prozent<br />

der Frauen sich ganz auf die Kindererziehung<br />

konzentrieren wollen. Auch das muss<br />

möglich sein, aber es müssen auch die 60<br />

Prozent der Mütter, die Beruf und Familie<br />

verbinden wollen, die Wahlfreiheit haben.<br />

Deshalb legen wir in der Familienpolitik einen<br />

Schwerpunkt auf den Ausbau der Infrastruktur<br />

für Familien und ein besseres Kinderbetreuungsangebot<br />

insbesondere für die<br />

unter Dreijährigen.<br />

KW: Deutschland hat im europäischen Vergleich<br />

die niedrigste Geburtenrate. Warum<br />

wollen Kinder heute lieber in Frankreich<br />

oder Finnland zur Welt kommen?<br />

Trotz Kinderwunsch bekommen Paare selten mehr als ein Kind.<br />

R. S.: Die Menschen bei uns wünschen sich<br />

ebenso viele Kinder wie in anderen Ländern,<br />

aber die Kinderwünsche werden seltener<br />

realisiert. Sie wünschen sich im Durchschnitt<br />

zwei Kinder. Sie bekommen 1,29 Kinder. Die<br />

Folge: Wir haben eine der niedrigsten Geburtenraten<br />

weltweit.<br />

Das hat Gründe, denen wir entgegensteuern<br />

können. Wir brauchen einen weiteren Ausbau<br />

der Kinderbetreuung und die Möglich-<br />

22<br />

keit, mit Kindern erwerbstätig zu sein und<br />

Karrieremöglichkeiten zu haben, also familienfreundliche<br />

Arbeitsbedingungen. Von<br />

Frankreich und den skandinavischen Ländern<br />

wie Finnland können wir einiges lernen,<br />

was die Fragen der Vereinbarkeit von<br />

Familie und Erwerbstätigkeit angeht, und<br />

was ein Elterngeld als Lohnersatzleistung<br />

angeht.<br />

KW: Der aktuelle Wunsch nach mehr Kindern<br />

ist bestimmt durch die Sorge um die vor<br />

allem materielle Zukunft des Landes. Darf<br />

die Geburt eines Kindes zweckbestimmt<br />

sein?<br />

R. S.: Ich habe Verständnis dafür, dass Paare<br />

ein Gefühl materieller Sicherheit brauchen,<br />

bevor sie sich für ein Kind<br />

entscheiden. Dies gehört zur<br />

Verantwortung für sich und<br />

andere. Aber es täte uns<br />

auch gut, unsere Erst-Mal-<br />

Mentalität zu überwinden,<br />

die vor das Kind erst mal den<br />

Berufseinstieg, den Hausbau,<br />

die Heirat und ein großes finanzielles<br />

Polster setzt. Unter<br />

den Bedingungen hätte ich<br />

meine drei Kinder nie bekommen!<br />

Wir müssen dafür sorgen,<br />

dass Menschen ihren Kinderwunsch<br />

umsetzen können,<br />

und z.B. die Verbindung von<br />

Ausbildung und Elternschaft<br />

erleichtern.<br />

KW: Was muss geschehen,<br />

dass Kinder wieder mehr auf<br />

den Straßen, zwischen den Häusern, auf<br />

Wiesen, Wäldern und Fußballplätzen auftauchen,<br />

also Teil der Öffentlichkeit werden?<br />

R. S.: Wir müssen erkennen, dass unsere<br />

Gesellschaft ohne Kinder keine Überlebenschance<br />

hat. Nur mit Kindern hat unser Land<br />

eine Zukunft. Kinder müssen selbstverständlicher<br />

Teil unseres Lebens sein. Wir können<br />

<strong>Weleda</strong> KinderWelt Heft 6, Herbst 2005<br />

Kinder wollen experimentieren. Oft fehlt es<br />

dafür aber an geeigneten Freiräumen.<br />

alle dazu beitragen, dass Deutschland familienfreundlicher<br />

wird und dass sich Familien<br />

in unserem Land wohl fühlen. Erheblich<br />

dazu tragen unsere inzwischen 175 Lokalen<br />

Bündnisse für Familie bei, die vor Ort und<br />

dezentral, in vielen Kommunen aktiv werden<br />

und Bedingungen schaffen. In den Orten<br />

dieser Lokalen Bündnisse leben 20 Mio.<br />

Menschen. Ich bin sicher, dass sie für mehr<br />

Familienfreundlichkeit vor Ort sorgen.<br />

KW: Warum findet Familienarbeit im Vergleich<br />

zur Ausübung eines Berufes so wenig<br />

Anerkennung? Wie kann Politik helfen, den<br />

Wert von Familie, egal wie sie sich organisiert,<br />

allgemein zu erhöhen?<br />

R. S.: Die Anerkennung von Familienarbeit<br />

hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht,<br />

was ich sehr begrüße. Ich halte aber<br />

nichts vom Gegensatz Hausarbeit gegen Erwerbstätigkeit<br />

oder umgedreht, sondern ich<br />

bin für die Wahlfreiheit in Familien. Dafür<br />

haben wir Bedingungen geschaffen, die<br />

noch weiter zu optimieren sind, wie durch<br />

das Elterngeld, was ich gerne einführen<br />

möchte. Dabei geht es um lohnabhängige<br />

Zahlung als Ersatz für den Verzicht auf Erwerbsarbeit<br />

während der Betreuung eines<br />

Kindes. Es soll etwa ein Jahr lang gezahlt<br />

werden und das bisherige Erziehungsgeld<br />

ablösen.<br />

KW: Dennoch zählt der Erziehungsurlaub<br />

nicht gerade als Qualifizierung für den Job.<br />

R. S.: 70 Prozent der Mütter, die zu Hause<br />

arbeiten, wären lieber erwerbstätig, viele<br />

vollzeiterwerbstätige Frauen wären lieber<br />

teilzeitbeschäftigt. Und auch bei den Männern<br />

stimmen Wunsch und Arbeitszeitwirklichkeit<br />

in hohem Maß nicht überein. Denn<br />

immer mehr Männer möchten ihre Vaterpflichten<br />

auch ganz konkret in der Familienarbeit<br />

erfüllen. Nach jüngsten Berechnungen<br />

der OECD ziehen sich in keinem westeuropäischen<br />

Land, mit Ausnahme von Irland, so<br />

viele Frauen aus dem Erwerbsleben zurück<br />

wie bei uns, wenn sie Kinder bekommen.<br />

Der internationale Vergleich spricht eine<br />

klare Sprache: Der Geburtenrückgang ist<br />

dort am stärksten ausgeprägt, wo das traditionelle<br />

Rollenverständnis der Gesellschaft<br />

hinter den modernen Lebensvorstellungen<br />

der Frauen hinterherhinkt.<br />

KW: Frau Bundesministerin, angenommen,<br />

Sie wären ein Kind: was würden Sie dringend<br />

ändern wollen?<br />

R. S.: Das Denken der Großen, damit sie<br />

endlich merken, dass Kinder ein Gewinn<br />

sind und eine Freude, für die es sich lohnt zu<br />

leben, zu arbeiten und Politik zu machen.<br />

Renate Schmidt ist gelernte<br />

Programmiererin und seit Oktober<br />

2002 Bundesministerin für<br />

Familie, Senioren, Frauen und<br />

Jugend. Renate Schmidt ist verheiratet<br />

und hat drei erwachsene<br />

Kinder und vier Enkelkinder.<br />

<strong>Weleda</strong> KinderWelt Heft 6, Herbst 2005 23

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