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Das deutsche Bankgeheimnis oder Wie gross dürfen die Löcher im

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Dr. Hanno Kiesel<br />

Dr. Hanno Kiesel<br />

Senior Manager<br />

Ernst & Young AG, Stuttgart<br />

Die nach der letzten Wahl zum Deutschen<br />

Bundestag angestossene Reformdiskussion<br />

<strong>im</strong> steuerlichen Bereich hat zum endgültigen<br />

Schlag gegen das <strong>deutsche</strong> <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong><br />

ausgeholt. Im Entwurf des Gesetzes zum<br />

Abbau von Steuervergünstigungen wird <strong>die</strong><br />

ersatzlose Streichung von § 30a AO «Schutz<br />

von Bankkunden») postuliert. Damit würde,<br />

vorausgesetzt der Entwurf passiert <strong>die</strong> gesetzgeberischen<br />

Hürden, ein Instrument gestrichen,<br />

das in Deutschland über lange Jahre<br />

hinweg ein Garant für <strong>die</strong> Sicherheit des<br />

<strong>deutsche</strong>n Kapitalmarkts war. Um den heute<br />

geltenden Umfang des <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong>ses zu<br />

verstehen, muss man sich <strong>die</strong> Historie vor<br />

Augen führen.<br />

Historisch gesehen reicht <strong>die</strong> Normierung<br />

des <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong>ses in § 30a AO auf den<br />

Bankenerlass aus 1949 und seine Neufassung<br />

aus 1979 zurück. Schon 1949 legte der Erlass<br />

den Finanzbehörden <strong>gross</strong>e Zurückhaltung<br />

<strong>Das</strong> <strong>deutsche</strong><br />

<strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong><br />

<strong>oder</strong><br />

<strong>Wie</strong> <strong>gross</strong> <strong>dürfen</strong> <strong>die</strong> <strong>Löcher</strong><br />

<strong>im</strong> Schweizer Käse sein?<br />

bei der Kontrolle von Bankkunden auf. Man<br />

wollte das «sich aus der Natur des Bankgeschäfts<br />

ergebende besondere Vertrauensverhältnis<br />

Bank – Bankkunde» nicht belasten<br />

<strong>oder</strong> beeinträchtigen, den Sparwillen der<br />

Bevölkerung nicht schmälern. <strong>Das</strong>s das nur<br />

möglich war, wenn der Staat auf entsprechende<br />

Kontrollen verzichtete, war jedem<br />

klar. Über <strong>die</strong> langen Jahre der Geltung<br />

des Bankerlasses hinweg wurde das auf der<br />

Hand liegende Fehlverhalten der Steuerpflichtigen<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> Einhaltung der<br />

Erklärungspflichten bzgl. der Kapitaleinkünfte<br />

aus Zinsen vom Staat und seinen Organen<br />

negiert. Die Banken betrieben für ihre<br />

Kunden in <strong>gross</strong>em Umfang Tafelgeschäfte,<br />

ohne sich <strong>die</strong> Mühe zu machen, <strong>die</strong>s übermässig<br />

versteckt durchzuführen. Die Steuerpflichtigen<br />

und Berater sahen in dem Verhalten<br />

des Staates, vor allen Dingen nach der<br />

Ergänzung des Bankenerlasses in 1979 um<br />

den Satz: «... daher kann für den Regelfall davon<br />

ausgegangen werden, dass <strong>die</strong> Angaben<br />

in der Steuererklärung vollständig und richtig<br />

sind ...» das Versprechen, Kontrollbedürftiges<br />

nicht wirklich zu kontrollieren. In den 80er<br />

Jahren des letzten Jahrhunderts wurden <strong>die</strong><br />

St<strong>im</strong>men deutlicher, <strong>die</strong> <strong>die</strong> mangelnde Kontrolle<br />

<strong>im</strong> Bereich der Kapitaleinkünfte anprangerten.<br />

Der Bankenerlass wurde als Anschauungsmaterial<br />

für eine Anstiftung zur<br />

Steuerhinterziehung gesehen bzw. als bewusste<br />

Grauzone mit der Folge, dass <strong>die</strong> Ehrlichen<br />

<strong>die</strong> Dummen seien. Erste Vorschläge<br />

einer Quellenbesteuerung kamen auf den<br />

Tisch, wurden von den politischen Verantwortlichen<br />

jedoch als Sparbuchsteuer, Neidsteuer<br />

<strong>oder</strong> totale Steuerschnüffelei abgekanzelt.<br />

Die Steuerstatistik für das Jahr 1983<br />

macht das Dilemma mehr als deutlich, wenn<br />

dort nur 2,2 Mio. Steuerpflichtige überhaupt<br />

Kapitaleinkünfte angegeben haben.<br />

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

am 27. Juni 1991 kann als Beginn einer<br />

Erosion des <strong>deutsche</strong>n <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong>ses<br />

gesehen werden, <strong>die</strong> möglicherweise nun vor<br />

ihrem Ende steht. <strong>Das</strong> Gericht hatte zu überprüfen,<br />

ob der in § 20 EStG geregelte Be-<br />

Seite 11 CH-D Wirtschaft 3/03<br />

steuerungsanspruch auf Kapitaleinkünfte wegen<br />

seiner weitgehend nicht durchsetzbaren<br />

Erhebung gegen das Grundgesetz verstossen<br />

würde. Die vorinstanzlichen Finanzgerichte<br />

entschieden, dass <strong>die</strong> Besteuerung von Zinsen<br />

«nicht schon deshalb verfassungswidrig<br />

sei, weil der Gesetzgeber seiner Pflicht, eine<br />

gleichmässige Erfassung der Zinserträge zu<br />

gewährleisten, nicht nachgekommen ist».<br />

Der einzelne Steuerpflichtige habe «grundsätzlich<br />

keinen gerichtlich verfolgbaren<br />

Anspruch auf ein best<strong>im</strong>mtes Handeln des<br />

Gesetzgebers, weil andernfalls eine vom<br />

Grundgesetz nicht gewollte Schwächung der<br />

gesetzgebenden Gewalt eintreten würde».<br />

<strong>Das</strong> Bundesverfassungsgericht sah in derVerfahrensvorschrift<br />

des Bankenerlasses jedoch<br />

eine nicht zulässige Wirtschaftslenkung, <strong>die</strong><br />

<strong>im</strong> Ergebnis dazu führe, dass der Besteuerungsanspruch<br />

weitgehend nicht durchgesetzt<br />

werden könne. Damit wäre auch <strong>die</strong><br />

materielle Norm der Besteuerung von Zinseinkünften<br />

verfassungswidrig. Der Gesetzgeber<br />

erhielt eine Frist bis Ende 1992, um<br />

<strong>die</strong> Verfassungsmässigkeit der Besteuerung<br />

wieder herzustellen.<br />

Bevor das Bundesverfassungsgericht <strong>die</strong><br />

Handhabung der Veranlagungspraxis für das<br />

Jahr 1981 zehn Jahre später für verfassungswidrig<br />

erklärte, hatte der Gesetzgeber sich<br />

mit dem Steuerreformgesetz 1990 vom<br />

25. Juli 1988 zur vollständigen Aufnahme<br />

des Bankerlasses in <strong>die</strong> Abgabenordnung<br />

entschieden. Dies sollte <strong>die</strong> Befürchtung<br />

zerstreuen, <strong>die</strong> Anonymität der Konten sei<br />

nicht mehr gewahrt. Vor allem kapitalmarktpolitische<br />

Gründe führte der Gesetzgeber dabei<br />

ins Feld. Die Anonymität der Geldanlage<br />

müsse <strong>im</strong> Interesse eines vertrauensvollen<br />

Verhältnisses des Steuerbürgers zum Staat<br />

gewahrt bleiben, ist <strong>im</strong> Bericht des Finanzausschusses<br />

zum Steuerreformgesetz 1990<br />

zu lesen. Damit wurde § 30a AO durch <strong>die</strong><br />

damals <strong>im</strong> Bundestag herrschende Mehrheit<br />

sowie <strong>die</strong> durch sie getragene Regierung<br />

aus kapitalmarktpolitischen Gründen offiziell<br />

zum Hemmschuh für <strong>die</strong> Ermittlungsmöglichkeiten<br />

der Finanzbehörden erklärt. Da der


Gesetzgeber § 30a AO trotz des Bundesverfassungsgerichtsurteils<br />

zum strukturellen<br />

Ermittlungsdefizit bei Kapitaleinkünften auf<br />

Zinsen und der auf <strong>die</strong>sem Urteil basierenden<br />

Einführung der Zinsabschlagsteuer beibehielt,<br />

war es kein Wunder, dass <strong>die</strong>s zu<br />

einer «staatlich geduldeten Kapitalflucht ins<br />

Ausland» führte. <strong>Das</strong> vom Bundesverfassungsgericht<br />

angeprangerte strukturelle Ermittlungsdefizit<br />

blieb dadurch bestehen. Die<br />

<strong>deutsche</strong>n Banken machten für den Kapitaltransfer<br />

ins Ausland vollmundig und ohne<br />

Zurückhaltung Werbung, der Staat nebst Finanzverwaltung<br />

sah <strong>die</strong>sem Schauspiel zu,<br />

ohne warnende Hinweise zu geben. Damit<br />

wurde dasVertrauen der Steuerpflichtigen auf<br />

eine weiterhin staatlich geduldete Verletzung<br />

der Steuererklärungspflichten bestärkt.<br />

Die durch das Zinsabschlaggesetz ausgelöste<br />

Kapitalflucht bewirkte zeitlich versetzt<br />

jedoch das Handeln der staatlichen Organe.<br />

Dies sollte <strong>die</strong> ehrenden Säulen des<br />

<strong>deutsche</strong>n <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong>ses ins Wanken<br />

bringen. Die ersten Bankdurchsuchungen<br />

wegen des Verdachts auf Beihilfe der Steuerhinterziehung<br />

zunächst noch unbekannter<br />

Steuerpflichtiger überrollten <strong>die</strong> <strong>deutsche</strong><br />

Banklandschaft Mitte der 90er Jahre des letzten<br />

Jahrhunderts. Die von den Banken gegen<br />

das Vorgehen der Steuerfahndung geführten<br />

Rechtsbehelfsverfahrens führten zu der heute<br />

gängigen Auslegung der Reichweite des<br />

<strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong>ses, das – bei Lichte betrachtet<br />

– damit kaum noch besteht.<br />

Fragt man nach der Reichweite des <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong>ses,<br />

so muss man zunächst zwischen<br />

der rein auf das steuerlicheVerfahrensrecht<br />

beschränkten Ermittlungshandlung der<br />

Steuerbehörden <strong>im</strong> Rahmen der Veranlagung<br />

einerseits und den strafrechtlichen Ermittlungsmassnahmen<br />

der Steuerfahndung bzw.<br />

Staatsanwaltschaft andererseits unterscheiden.<br />

In Bezug auf den letztgenannten Bereich<br />

hat es in Deutschland noch nie ein <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong><br />

gegeben. Die Kreditinstitute haben<br />

den Ermittlungsbehörden <strong>im</strong> Fall von Durchsuchungen<br />

<strong>oder</strong> Anfragen <strong>im</strong> Rahmen steuerstrafrechtlicher<br />

Ermittlungsmassnahmen jederzeit<br />

uneingeschränkt Zugang zu den<br />

Konten und Depots des ins Fadenkreuz geratenen<br />

Bankkunden zu gewähren. Massgebend<br />

dafür war und ist ein rechtmässiger Durchsuchungsbeschluss.<br />

Wesentlich komplizierter ist <strong>die</strong> Frage zu<br />

beantworten,welche tatsächlichen Einschränkungen<br />

§ 30a AO den Finanzbehörden bei<br />

der steuerverfahrensrechtlichen Ermittlung<br />

auferlegt. Zunächst einmal gilt <strong>im</strong> <strong>deutsche</strong>n<br />

Steuerrecht der Amtsermittlungsgrundsatz<br />

bei der Steuererhebung. Die Finanzbehörden<br />

sind aufgefordert, auf Basis der Steuererklärungen<br />

den Sachverhalt zu ermitteln<br />

und dabei Art und Umfang der Ermittlungen<br />

selbst zu best<strong>im</strong>men. Ein zentraler Bestandteil<br />

<strong>die</strong>ser Amtsermittlung bildet <strong>die</strong> Aus-<br />

kunftspflicht des Steuerbürgers und anderer<br />

Personen nach § 93 AO. Diese Auskunftspflicht<br />

trifft auch gem. § 30a Abs. 5 AO<br />

<strong>die</strong> Kreditinstitute. Dies gilt jedoch mit der<br />

Einschränkung, dass ein Kreditinstitut erst<br />

um Auskunft und Vorlage von Urkunden<br />

gebeten werden kann, wenn ein Auskunftsersuchen<br />

an den Steuerpflichtigen nicht zum<br />

Ziel führt <strong>oder</strong> keinen Erfolg verspricht. Damit<br />

ist <strong>die</strong> Finanzbehörde vom Grundsatz her<br />

zunächst einmal verpflichtet, den Steuerpflichtigen<br />

selbst um <strong>die</strong> erforderlichen Auskünfte<br />

zu bitten. Nun hat sich <strong>im</strong> Laufe der<br />

oben schon erwähnten Bankenverfahren ein<br />

Streit darüber entwickelt, ob <strong>die</strong> Finanzbehörde<br />

<strong>im</strong> Rahmen der Ermittlung unbekannter<br />

Steuerfälle – hier werden zentral <strong>die</strong><br />

Steuerfahndungsstellen mit der Ermittlung<br />

beauftragt – über § 30a Abs. 5 i.V.m. § 30a<br />

Abs. 2 und 3 AO direkt an <strong>die</strong> Kreditinstitute<br />

herantreten können. Denn in solchen Fällen<br />

versprechen <strong>die</strong> von den Steuerpflichtigen<br />

anzufordernden Auskünfte offensichtlich keinen<br />

Erfolg.<br />

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass <strong>die</strong><br />

Befugnis der <strong>deutsche</strong>n Steuerfahndung zur<br />

Aufdeckung und Ermittlung unbekannter<br />

Steuerfälle vom Grundsatz her durch § 30a<br />

Abs. 2 AO eingeschränkt ist. Nach <strong>die</strong>ser<br />

Vorschrift <strong>dürfen</strong> «<strong>die</strong> Finanzbehörden von<br />

den Kreditinstituten zum Zweck der allgemeinen<br />

Überwachung <strong>die</strong> einmalige <strong>oder</strong> periodische<br />

Mitteilung von Konten best<strong>im</strong>mter<br />

Art <strong>oder</strong> best<strong>im</strong>mter Höhe nicht verlangen».<br />

Einigkeit besteht zwischen Finanzverwaltung,<br />

Rechtsprechung und Literatur dahingehend,<br />

dass <strong>die</strong> einschränkende Fassung des<br />

§30a Abs. 2 AO lediglich <strong>die</strong> Ermittlungen<br />

ins Blaue hinein verhindert. Danach ist es den<br />

Finanzbehörden verwehrt, beliebige Ermittlungen<br />

über <strong>die</strong> Depot- und Konteninhaber<br />

der Banken durchzuführen. Darüber hinaus<br />

besteht aber Streit darüber, ob Auskunftsersuchen<br />

bei hinreichendem Anlass zulässig<br />

seien. Die Finanzverwaltung bejaht <strong>die</strong>s<br />

unter Berufung auf vorliegende BFH-Rechtsprechung.<br />

Massgebende St<strong>im</strong>men der Literatur<br />

vertreten eine gegenteilige Auffassung.<br />

Pikanterweise hat sich derVII.Senat des BFH<br />

in mehreren Beschlüssen in den Jahren 2000<br />

und 2001 <strong>die</strong>ser Gegenansicht angeschlossen,<br />

wenn er darauf hinweist, dass §30a Abs.2 AO<br />

<strong>die</strong> systematische Kontrolle ganzer Gruppen<br />

von Steuerpflichtigen nach Verdachtsrastern<br />

und Ausforschungsdurchsuchungen unterbinden<br />

soll.<br />

Wen n<strong>im</strong>mt es jedoch Wunder, dass sich<br />

<strong>die</strong> Finanzverwaltung und mit ihr selbstverständlich<br />

<strong>die</strong> für <strong>die</strong> Ermittlung unbekannter<br />

Steuerfälle zuständige Steuerfahndung <strong>die</strong>sen<br />

Argumenten nicht öffnen und sich weiter<br />

auf <strong>die</strong> ihre Auffassung stützenden Urteile<br />

anderer BFH-Senate und hier vor allen Dingen<br />

des VIII.Senats stützt. Dabei ist <strong>die</strong> Anforderung<br />

an den Begriff des «hinreichenden<br />

Anlasses» sehr gering. Es reicht dafür aus,<br />

Seite 12 CH-D Wirtschaft 3/03<br />

dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte <strong>oder</strong><br />

aufgrund allgemeiner bzw. auf einem best<strong>im</strong>mten<br />

Gebiet vorhandener konkreter Erfahrung<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit einer Steuerverkürzung<br />

in Betracht kommt. Wenn <strong>die</strong>s noch<br />

einhergeht mit Anhaltspunkten dahingehend,<br />

dass eine ganze Gruppe von Bankkunden in<br />

eine best<strong>im</strong>mte Geschäftsabwicklung eingebunden<br />

ist, so sind selbst Sammelauskunftsersuchen<br />

möglich, ohne dass dadurch § 30<br />

Abs. 2 AO verletzt wäre. Solche Sammelauskunftsersuchen<br />

sind von der Rechtsprechung<br />

z.B. in Fällen abgesegnet worden, in<br />

denen <strong>deutsche</strong> Banken Inhaberpapiere über<br />

einen ausländischen Investmentfonds als<br />

effektive Stücke aufgelegt und vertrieben<br />

haben. Im Rahmen der Verhältnismässigkeit<br />

und den Anforderungen des Übermassverbots<br />

sind solche Sammelauskunftsersuchen jedoch<br />

eingrenzenden Kriterien unterworfen,<br />

wie z.B. einer best<strong>im</strong>mten Grössenordnung<br />

des eingesetzten Kapitals.<br />

Wenden wir unsere Aufmerksamkeit der<br />

Regelung des § 30a Abs.3 AO zu, so werden<br />

wir auch hier feststellen, dass der Schutzbereich<br />

der Norm nicht das hält, was er verspricht.<br />

Nach dem Gesetzeswortlaut <strong>dürfen</strong><br />

legit<strong>im</strong>ationsgeprüfte Konten und Depots anlässlich<br />

einer Aussenprüfung bei einem Kreditinstituts<br />

nicht zum Zwecke von Kontrollmitteilungen<br />

abgeschrieben werden. Als <strong>die</strong><br />

Steuerfahndungen <strong>im</strong> Rahmen der Bankenverfahren<br />

<strong>im</strong> <strong>gross</strong>en Stile Ermittlungen vornahmen,<br />

<strong>die</strong> nicht auf konkreten steuerstrafrechtlichen<br />

Ermittlungen beruhten, sondern<br />

<strong>im</strong> Rahmen der sog.Vorfeldermittlungen abliefen,<br />

entbrannter der Streit über <strong>die</strong> Frage,<br />

ob § 30a Abs. 3 AO <strong>die</strong> Befugnisse der<br />

Fahndungsbeamten einschränkt. Grundsätzlich<br />

sind solche Vorfeldermittlungen funktional<br />

steuerverfahrensrechtlicher Art; der<br />

Steuerfahnder n<strong>im</strong>mt insoweit Aufgaben der<br />

Aussenprüfung war und muss sich an <strong>die</strong> gesetzlichen<br />

Vorgaben für Aussenprüfungen<br />

halten. Dies gibt der Fahndung daher nicht<br />

das Recht, auf <strong>die</strong> in § 30a Abs. 3 AO genannten<br />

legit<strong>im</strong>ationsgeprüften Konten zuzugreifen.<br />

Dazu zählen eindeutig auch Geschäftsunterlagen<br />

sowie Belege, <strong>die</strong> als Bestandteil<br />

<strong>die</strong>ser Konten anzusehen sind. Die Fahnder<br />

entwickelten bei ihren Nachforschungen jedoch<br />

auch ihr Interesse an den bankinternen<br />

Konten, zu denen vor allen Dingen <strong>die</strong> «Konten<br />

pro diverse» (CpD) sowie Zwischenkonten<br />

und sonstige bankinterne Konten gehören.<br />

Diese Konten wurden – und <strong>die</strong>s ist unstreitig<br />

– von einigen Banken gezielt für <strong>die</strong> Anonymisierung<br />

in Auftrag gegebener Geld- und<br />

Depottransfers missbraucht. Insoweit wundert<br />

es nicht, dass <strong>die</strong>se «Papierspuren», <strong>die</strong><br />

ausgehend von den bankinternen Konten zu<br />

legit<strong>im</strong>ationsgeprüften Konten führten, von<br />

den Gerichten als nicht dem <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong><br />

des § 30a Abs. 3 AO zugeordnet erachtet<br />

wurden.


Die soeben dargestellte Einschränkung<br />

des <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong>ses ist für einen unbefangenen<br />

Betrachter noch verständlich, da <strong>die</strong><br />

Argumentation sich am Wortlaut und Sinn<br />

und Zweck der Vorschrift orientiert. Nun<br />

hat aber der BFH – und hier speziell der<br />

VIII. Senat – <strong>die</strong> Möglichkeiten der Steuerfahndung<br />

zur Kontrolle der Bankkunden auch<br />

auf <strong>die</strong> legit<strong>im</strong>ationsgeprüften Konten und<br />

Depots ausgeweitet. Ihm reicht es dabei aus,<br />

wenn für <strong>die</strong> Kontrollmitteilungen ein hinreichend<br />

begründeter Anlass besteht. Was<br />

darunter zu verstehen ist, ist oben <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Beschreibung des § 30a Abs.2 AO bereits<br />

ausgeführt worden. Offensichtlich macht sich<br />

der Senat <strong>die</strong> Auffassung zu eigen, dass Kontrollmitteilungen<br />

grundsätzlich einen hinreichend<br />

begründeten Anlass voraussetzen,<br />

was jedoch äusserst umstritten ist. Die Finanzverwaltung<br />

schliesst sich – was nicht anders<br />

zu erwarten war – dem BFH an,wenn sie<br />

es ausreichen lässt, dass der «Aussenprüfer<br />

infolge Vorliegens konkreter Umstände <strong>oder</strong><br />

einer aufgrund allgemeiner Erfahrungen getroffenen<br />

Prognoseentscheidungen <strong>im</strong> Wege<br />

vorweggenommener Beweiswürdigung zum<br />

Ergebnis kommt, dass Kontrollmitteilungen<br />

zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen<br />

führen könnten».<br />

Diesen Persilschein wenden nicht nur <strong>die</strong><br />

Aussenprüfer an, sondern auch <strong>die</strong> zur Aufdeckung<br />

unbekannter Steuerfälle eingesetzten<br />

Steuerfahnder. Für Banken und Bankkunden<br />

ist es dabei nur ein schwacher Trost, dass<br />

<strong>die</strong> Literatur <strong>die</strong> Auslegung des BFH insoweit<br />

für nicht verfassungskonform erklärt und<br />

dem Gericht sogar vorwirft, durch seine<br />

Argumentation <strong>die</strong> Vorlage an das Bundesverfassungsgericht<br />

zur Überprüfung der Verfassungsmässigkeit<br />

von § 30a Abs.3 AO vermieden<br />

zu haben. <strong>Wie</strong> schon bei der Darstellung<br />

der Diskussion um <strong>die</strong> Reichweite<br />

des § 30a Abs. 2 AO, stellt sich auch hier<br />

der VII. Senat des BFH ganz offen gegen<br />

<strong>die</strong> Argumente seiner Richterkollegen des<br />

VIII.Senats. Er formuliert unverhohlen, «der<br />

VIII. Senat verkenne, dass § 30a Abs. 3 eine<br />

bewusste und zielgerichtete Einschränkung<br />

des § 194 Abs. 3 – <strong>die</strong>se Norm regelt <strong>die</strong><br />

Kontrollmitteilungen anlässlich einer Aussenprüfung<br />

(d.Verf.) – enthalte. Ohne eine solche<br />

Einschränkung sei § 30a Abs. 3 ohne jeden<br />

Sinn».<br />

Ruft man sich das schon oben erwähnte<br />

und in 1991 ergangene Bundesverfassungsgerichtsurteil<br />

zum Bankenerlass nochmals in<br />

Erinnerung, so muss einem deutlich werden,<br />

dass gerade das Verhindern von Kontrollmitteilungen<br />

dem strukturellen Ermittlungsdefizit<br />

bei Kapitaleinkünften und damit der<br />

Gleichmässigkeit der Besteuerung entgegensteht.<br />

<strong>Das</strong> Bundesverfassungsgericht formulierte<br />

schon damals, dass «vor allem<br />

mit dem Verbot der Kontrollmitteilungen ...<br />

der Finanzverwaltung eines der wirksamsten<br />

Mittel zur Sachverhaltsaufklärung genommen<br />

würde. <strong>Das</strong> Verbot schirmt Konten der<br />

Bankkunden und damit einen wesentlichen<br />

Bereich, in dem <strong>die</strong> Finanzverwaltung Erkenntnisse<br />

über <strong>die</strong> Bezieher von Kapitaleinkünften<br />

gewinnen kann, vor Ermittlungen<br />

der Steuerbehörden ab und enthebt dadurch<br />

<strong>die</strong> Bezieher von Kapitalerträgen weitgehend<br />

des Risikos, bei Steuerverkürzungen entdeckt<br />

zu werden». Vor dem Hintergrund der von<br />

der Finanzverwaltung unter dem Schutz der<br />

Rechtsprechung des VIII. Senats schon jetzt<br />

durchgeführten Sachverhaltsermittlung bei<br />

Banken, <strong>die</strong> § 30a AO zur Makulatur werden<br />

lassen, ist der vorgesehene Wegfall der Norm<br />

durch den vorliegenden Gesetzentwurf nur zu<br />

begrüssen. Denn den Steuerpflichtigen und<br />

den Banken ist mit <strong>die</strong>ser Norm unter den<br />

gegebenen Bedingungen schlicht weg nicht<br />

mehr ge<strong>die</strong>nt. In <strong>die</strong>sem Sinne würde <strong>die</strong><br />

Streichung <strong>die</strong>ser Norm für <strong>die</strong> erforderliche<br />

Klarheit sorgen.<br />

Was jedoch bliebe ist <strong>die</strong> Frage, ob denn<br />

das <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong> auch rückwirkend entfallen<br />

soll. Die Gesetzesbegründung enthält in<br />

den Anwendungsvorschriften zu den gesetzlichen<br />

Änderungen lediglich den Hinweis,<br />

dass <strong>die</strong> Änderungen in allen laufenden Verfahren<br />

gelten sollen. Dies würde jedoch bedeuten,<br />

dass für <strong>die</strong> bei den Banken steuerlich<br />

noch nicht verjährten Veranlagungszeiträume<br />

– und wir sprechen hier vor allem von den<br />

Seite 13 CH-D Wirtschaft 3/03<br />

Jahren ab 1997 – das Fertigen von Kontrollmitteilungen<br />

möglich wäre. Eine rückwirkende<br />

Aufhebung des <strong>Bankgehe<strong>im</strong>nis</strong>ses<br />

würde das Vertrauen der Bankkunden in den<br />

Bestand des gesetzlich normierten Schutzzwecks<br />

von § 30a AO zunichte machen.<br />

Die Folge des Wegfalls sollte daher ausschliesslich<br />

auf <strong>die</strong> Zukunft gerichtet sein.<br />

Diese von der herrschenden Meinung in der<br />

Literatur seit Beginn der Diskussion um den<br />

Wegfall des § 30a AO gestellte Forderung<br />

wird vom Gesetzgeber schlicht negiert. Der<br />

Gang zum Bundesverfassungsgericht scheint<br />

vorprogrammiert.<br />

Dabei ist eine rückwirkende Abschaffung<br />

auch nicht gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber<br />

mit <strong>die</strong>ser Anwendungsregelung ganz<br />

bewusst auf <strong>die</strong> in den Jahren 1998 bis 2000<br />

in enormen Umfang erwirtschafteten Spekulationsgewinne<br />

abzielt. Der Gesetzgeber erhofft<br />

sich hierdurch zwar <strong>die</strong> Aufdeckung<br />

erheblichen Steuersubstrats. Doch <strong>die</strong>s auf<br />

Kosten einer Verletzung verfassungsrechtlich<br />

gesicherter Rechtspositionen betreiben zu<br />

wollen, ist kaum nachvollziehbar. Zur Ermittlung<br />

der Vergangenheit bestehen bereits gesetzliche<br />

Möglichkeiten. Diese auszuschöpfen,<br />

wäre das Gebot der Stunde.<br />

Die Steuerpflichtigen sollten vor dem geschilderten<br />

Hintergrund kompetenten Rat bei<br />

der Frage hinzuziehen, ob <strong>im</strong> Einzelfall <strong>die</strong><br />

Möglichkeiten einer Selbstanzeige zur Erlangung<br />

der Straffreiheit denkbar sind. In <strong>die</strong>sem<br />

Zusammenhang muss auf <strong>die</strong> Überlegungen<br />

des Bundesfinanzministeriums hingewiesen<br />

werden, eine weitreichende Steueramnestie<br />

für bisher nicht deklariertes Kapitalvermögen<br />

zu gewähren. Die Frage ist jedoch, ob <strong>die</strong>se<br />

Amnestie nur das Vermögen umfassen soll,<br />

das bisher <strong>im</strong> Ausland lagert <strong>oder</strong> auch beispielsweise<br />

<strong>die</strong> Erträge aus den in den Jahren<br />

1998 bis 2000 <strong>im</strong> Inland erwirtschafteten<br />

Spekulationsgewinnen.<br />

Eines ist klar: Sollte § 30a AO gänzlich<br />

entfallen, so steht uns in Deutschland eine<br />

Welle von Selbstanzeigen bevor, <strong>die</strong> das bisher<br />

Erlebte bei weitem übersteigt.

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