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Zur KDV-Entscheidung von Zeit- und Berufssoldat_innen

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<strong>Zur</strong> <strong>KDV</strong>-<strong>Entscheidung</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Berufssoldat</strong>_<strong>innen</strong><br />

Art. 4 Abs. 3 GG schützt nicht nur Wehrpflichtige <strong>und</strong> Reservisten, sondern auch<br />

<strong>Zeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Berufssoldat</strong>en <strong>und</strong> -soldat<strong>innen</strong>. Auch sie können das vorbehaltlose<br />

Gr<strong>und</strong>recht aus Artikel 4 Abs. 3 Satz 1 GG in Anspruch nehmen. Das ergibt sich<br />

schon aus der Formulierung „Niemand darf gegen sein Gewissen ...“.<br />

a) Problem durch frühere Kriegsdienst-Bereitschaft<br />

Allerdings gibt es für sie ein Problem. Sie haben sich nämlich freiwillig zum Dienst<br />

bereit gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> damit – bezogen auf den <strong>Zeit</strong>punkt ihrer Verpflichtung – indirekt<br />

erklärt, dass sie eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe<br />

eben nicht getroffen haben, sondern diesen Dienst mit ihrem Gewissen vereinbaren<br />

können - zumindest geht die Rechtsprechung <strong>von</strong> dieser Annahme aus.<br />

b) Umkehr<br />

Das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht hat deshalb für die Anerkennung <strong>von</strong> <strong>Zeit</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Berufssoldat</strong>en <strong>und</strong> –soldat<strong>innen</strong> besondere zusätzliche Anforderungen formuliert.<br />

Sie müssen belegen, dass eine „Umkehr“ in der gewissensmäßigen Einstellung<br />

zum Kriegsdienst mit der Waffe stattgef<strong>und</strong>en hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom<br />

29.04.1991 – 6 B 9/91). Das müsse nicht notwendig ein sogenanntes<br />

Schlüsselerlebnis sein. Umkehr meine vielmehr, dass sich ein Wandel in den<br />

ethischen Gr<strong>und</strong>überzeugungen vollzogen hat. Das sei in der Regel das Ergebnis<br />

eines längeren Prozesses <strong>und</strong> geschehe nicht über Nacht. Der Antrag auf<br />

Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer/in sei dann gleichermaßen der<br />

folgerichtige Schluss dieses Umkehrprozesses, im Verlauf dessen die/der Betroffene<br />

sich ohne Zweifel bewusst geworden ist, dass der Dienst an der Waffe aus<br />

Gewissensgründen nicht fortgesetzt werden kann.<br />

Der Soldat bzw. die Soldatin muss darlegen, weshalb er/sie sich seinerzeit freiwillig<br />

zu dem soldatischen Dienst verpflichtet hat <strong>und</strong> u.a. bereit gewesen ist, „der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland treu zu dienen <strong>und</strong> das Recht <strong>und</strong> die Freiheit des<br />

deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“ (§ 7 Soldatengesetz [SG]) <strong>und</strong> Befehle der<br />

Vorgesetzten „nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft <strong>und</strong> unverzüglich<br />

auszuführen“ (§ 11 Abs. 1 Satz 2 SG). Dass der Soldat <strong>und</strong> die Soldatin ihren<br />

Dienstpflichten nachgekommen sind, begründet gr<strong>und</strong>sätzlich keine Zweifel an der<br />

Glaubhaftigkeit. Allerdings muss der erwähnte Umkehrprozess glaubhaft<br />

verdeutlicht werden, so dass nachvollzogen werden kann, dass infolge dessen ein<br />

Konflikt entstanden ist zwischen den Pflichten zur soldatischen Dienstleistung auf<br />

der einen Seite <strong>und</strong> der Pflicht, den Vorgaben des Gewissens zu folgen, auf der<br />

anderen Seite.<br />

Empfindet jemand das Gebot, am Waffendienst im Kriege nicht teilnehmen zu<br />

können, weil dieser „seinem Wesen nach auf das Töten des Gegners gerichtet ist“,<br />

als bindend <strong>und</strong> unüberwindlich, so dass der/die Betreffende in die Gefahr schwerer<br />

seelischer Not geriete, wenn er/sie dieser Überzeugung zuwider handelt, so liegt<br />

darin die Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe (vgl.<br />

BVerwG, Urteil vom 11.03.1985, Az. 6 C 9.84). Worin letztlich die Motivation für die


innere Überzeugung begründet ist (religiöse Überzeugung, allgemein<br />

weltanschauliche Überzeugungen etc.), ist dabei unerheblich.<br />

c) Kein „Schlüsselerlebnis“ erforderlich<br />

Eine Umkehr könnte das Ergebnis eines Schlüsselerlebnisses sein, sie kann aber<br />

auch am Ende einer Entwicklung stehen, die ohne spektakuläre äußere Umstände<br />

zu einer innerlich absolut verbindlichen <strong>Entscheidung</strong> gegen jedes Töten im Krieg<br />

geführt hat, so dass auch dann die Anforderungen an die Annahme einer<br />

Gewissensentscheidung gegen Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne <strong>von</strong> Artikel 4<br />

Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 02.03.1989, Az. 6 C 10.87).<br />

Angesichts der Schwierigkeit, den inneren Vorgang der Bildung einer<br />

Gewissensentscheidung aufzuklären, kommt der Glaubhaftigkeit <strong>und</strong> Ehrlichkeit<br />

des/der Antragstellers/in die Bedeutung eines wichtigen Indizes für die innere<br />

Überzeugtheit <strong>und</strong> den Gewissenszwang zu.<br />

3. Besondere Widerstände<br />

Freiwillig Dienenden, die sich auf eine Gewissensentscheidung gegen den<br />

Kriegsdienst mit der Waffe berufen, wird häufig seitens der Vorgesetzten <strong>und</strong><br />

Personalführung mit Misstrauen <strong>und</strong> Zweifeln an ihrer Glaubwürdigkeit begegnet.<br />

Dabei wird oft mehr oder weniger pauschal unterstellt, der <strong>KDV</strong>-Antrag eines Berufs-<br />

oder <strong>Zeit</strong>soldaten sei nicht gewissensbedingt, sondern werde nur zu dem Zweck<br />

benutzt, die B<strong>und</strong>eswehr verlassen zu können, weil dies über einen anderen Weg<br />

nicht möglich sei. Es kann auch vorkommen, dass die Betroffenen in der Truppe<br />

ausgegrenzt <strong>und</strong> bisweilen auch mit diskreditierenden Dienstaufträgen bedacht<br />

werden. Dass dabei dem Gr<strong>und</strong>recht Schaden zugefügt wird, liegt auf der Hand, <strong>und</strong><br />

zum Teil kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bedeutung eines<br />

Gr<strong>und</strong>rechtes auch auf Kommandeursebene nicht in wünschenswertem <strong>und</strong><br />

rechtsstaatlichem Sinne wahrgenommen wird.<br />

So heißt es beispielsweise in einer Vorlage des Büroleiters des ehemaligen<br />

Verteidigungsstaatssekretärs Biederbick vom 12.04.2001 an den Leiter der<br />

Personalabteilung des Verteidigungsministeriums:<br />

„Nach Einschätzung <strong>von</strong> Generalmajor Hoppe würden Regressbescheide dazu<br />

führen, dass in jedem Einzelfall sechsstellige Beträge dem Einzelplan 14 zufließen.<br />

Darüber hinaus würde ein Signal gesetzt, dass ein „eleganter Abgang“ über einen<br />

<strong>KDV</strong>-Antrag generell einhergeht mit der Kostenerstattung für die<br />

Luftfahrzeugführerausbildung. Allein diese Tatsache würde nach seiner<br />

Einschätzung erhebliche präventive Wirkung haben. Staatssekretär Biederbick bittet<br />

Sie, sich der Angelegenheit anzunehmen <strong>und</strong> in allen Fällen auf eine<br />

Kostenerstattung hinzuwirken.“<br />

Dieses Zitat macht deutlich, dass mit der Androhung <strong>von</strong><br />

Ausbildungskostenrückforderungen Soldat<strong>innen</strong> <strong>und</strong> Soldaten da<strong>von</strong> abgehalten<br />

werden können – <strong>und</strong> dieses Mittel ist auch bewusst eingesetzt worden –, einen<br />

Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer/in zu stellen. Dies wäre ein<br />

unzulässiger Eingriff in das ausnahmslos gewährte Gr<strong>und</strong>recht auf<br />

Kriegsdienstverweigerung.


Umso wichtiger ist daher in den Fällen <strong>von</strong> <strong>Zeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Berufssoldat</strong>/<strong>innen</strong> die<br />

gründliche <strong>und</strong> ausführliche Darlegung der Entwicklung, die schließlich vom freiwillig<br />

Verpflichteten zum Kriegsdienstverweigerer geführt hat. Es ist unbedingt<br />

empfehlenswert, Stellungnahmen <strong>von</strong> Personen vorzulegen, die in der Lage sind,<br />

zum Antragsteller <strong>und</strong> dem Antragsbegehren Auskunft zu geben.

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