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Wege und Ziele - Netzwerk Weitwandern

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Werner Hohn<br />

zischendem Geräusch in die Tassen. Neunmal wird die Milchdüse abgeputzt.<br />

Neunmal wandert die Frau von der Kaffeetheke zur Brottheke <strong>und</strong> gibt das Wechselgeld<br />

raus. Es staut sich, die ersten Stammgäste fangen an mit dem Kopf zu<br />

schütteln. Nicht über die junge Frau, über uns, über die Deutschen, die ihren Kaffee<br />

immer mit Milch haben wollen.<br />

Sie müsste nur ein ganz klein wenig ihren Arbeitsablauf umstellen, etwa zwei<br />

Tassen gleichzeitig unter den Kaffeeauslauf stellen, <strong>und</strong> schon würde es laufen.<br />

Das hat sie noch nie gemacht, jeder kann das sehen. Das wird sie auch nie machen.<br />

Wenn die Deutschen mehr Effizienz wollen, sollen sie den Kaffee schwarz<br />

trinken. Für die paar Touristen wird sie ihr Leben nicht umstellen. Sobald der letzte<br />

Drängler die Tür von außen hinter sich zugezogen hat, geht hier alles wieder<br />

seinen gewohnten Gang. Der Fernseher wird endlos laufen, die ein, zwei Gäste an<br />

der Theke werden diesem ihren Rücken zukehren <strong>und</strong> im längst erkalteten Kaffeesatz<br />

rühren.<br />

Hier gehen die Uhren anders, langsamer, trotz der immer noch nahen Industriestadt<br />

Porto, trotz EU <strong>und</strong> trotz moderner Architektur, die hie <strong>und</strong> da vom Anbruch<br />

der hektischen Zeit kündigt. An diesem Morgen kommt uns das sehr entgegen. Wir<br />

wollen nur bis ins nahe Städtchen Barcelos. Im Vergleich zum vergangen Tag ist<br />

das mal eben um die Ecke. Wir müssen nicht eilen, können uns Zeit lassen. Anhalten<br />

für Bilder <strong>und</strong> Eindrücke, die wir nur aus alten Filmen <strong>und</strong> verblassenden Fotos<br />

kennen.<br />

Auf einer Wiese wird mit einem<br />

hölzernen Rechen das Gras zu<br />

niedrigen Heuhaufen geschichtet.<br />

Auf dem nächsten Acker ein Bild<br />

aus der Frühzeit des landwirtschaftlichen<br />

Maschineneinsatzes. Beaufsichtigt<br />

von einem alten Bauer,<br />

schieben Männer vorsintflutliche<br />

Sämaschinen übers Feld. Immer<br />

nur eine Furche, immer wenn der<br />

metallene Sporn des Särads den<br />

Boden berührt, fällt ein Korn. Fünfzig<br />

Meter das Feld runter, fünfzig<br />

Meter wieder zurück, dann muss<br />

nachgefüllt werden. Bilder aus<br />

Heuwender noch nicht in Sicht<br />

längst vergangenen Zeiten werden hier lebendig.<br />

Die Männer sind mit dem Fahrrad <strong>und</strong> einem alten Moped gekommen, das am<br />

Feldrand steht. Nur der alte Bauer ist mit dem Auto aufs Feld gefahren. 190 E<br />

leuchtet es chromblitzend von der Heckklappe. Mindestens 20 Jahre hat der Wagen<br />

auf dem Blech, <strong>und</strong> er ist erstaunlich gut erhalten. Man sieht diese Autos im<br />

nördlichen Portugal oft. Autos, die viele für den letzten echten Mercedes halten.<br />

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