Wege und Ziele - Netzwerk Weitwandern
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Werner Hohn<br />
braucht nur ihren Kaffee in einer Bar, dann läuft sie ununterbrochen. Etwa fünf<br />
St<strong>und</strong>en geht das so, dann kommt die Frage, ob ich denn heute wieder keine<br />
Pause machen will, natürlich im vorwurfsvollen Ton.<br />
In der Ebene, im Flachland, im leicht welligen Hügelland der letzten Tage ist meine<br />
Frau unschlagbar. Aber wehe es kommen Steigungen. Heute kommt eine. Und<br />
was für eine! Der steilste <strong>und</strong> längste Anstieg zwischen Porto <strong>und</strong> Santiago. Ich<br />
habe ein spanisches Wanderbuch. Neben tollen Skizzen sind da Höhendiagramme<br />
drin, furchterregende Höhendiagramme. Wilde Zacken haben uns die<br />
vergangenen Tage begleitet – im Buch wohlgemerkt. Dreißig, fünfzig, h<strong>und</strong>ert<br />
Meter mussten wir rauf, zwanzig, vierzig, h<strong>und</strong>ert Meter wieder runter. Höher als<br />
200 Meter waren wir bis jetzt noch nie, <strong>und</strong> doch zeigt das Buch Höhendiagramme,<br />
die an eine Alpenüberquerung denken lassen.<br />
Heute müssen wir von Meereshöhe auf 400 Meter rauf, aufs „Dach des Caminos“,<br />
wie es im spanischen Buch beschrieben wird. Das Höhendiagramm ist grauenvoll:<br />
fast senkrecht steigt die rote Linie vom Weiler Arco zum „Alto da Portela Grande“<br />
hinauf. Wer das Diagramm sieht, ist geneigt Seil <strong>und</strong> Haken einzupacken. Meine<br />
Frau kennt das Diagramm, sie weiß auch, dass das Kommende nichts anderes ist,<br />
als zweimal aus unserer Haustür raus <strong>und</strong> auf den Hügel dahinter. Mehr nicht.<br />
Ja, dann geht es links in den<br />
„Berg“. Bald wird aus dem Asphaltsträßchen<br />
ein gepflasterter<br />
Weg. Noch einmal unter Weinlaub<br />
durch, wir sind auf einem Waldweg.<br />
Unten rauscht ein Bach, links <strong>und</strong><br />
rechts am Wegrand steht mannshohes<br />
Farn, von weitem hören wir<br />
Kirchenlieder aus Lautsprechern.<br />
Schon den ganzen Morgen begleiteten<br />
uns die Kirchenlieder. Vermutlich<br />
bewegt sich eine Prozession<br />
durch die kleinen Dörfer am<br />
gegenüberliegenden Hang. Nochmals<br />
ein kurzes Stück ebener Weg.<br />
„Franzosenkreuz“<br />
Die Lieder verstummen, auf einem Stein im hohen Farn leuchtet ein gelber Pfeil,<br />
es geht richtig los, will sagen, es wird steiler.<br />
Ein schmaler Pfad führt steil nach oben. Rutschig ist der Pfad, die Spur ist sandig.<br />
Das Regenwasser hat eine tiefe Rinne hinterlassen, in der große graue Steine<br />
unseren Füßen Halt geben. Schon lange bin ich vorne. Meine Frau bleibt zurück,<br />
<strong>und</strong> es beginnt das seit Jahren eingeübte Spiel. „Du musst nicht warten, geh’<br />
schon mal vor“, damit fängt es immer an. Gemacht habe ich das noch nie, wer<br />
weiß wie das endet. Später dann: „Können wir nicht wie andere auch, einen Faulenzerurlaub<br />
am Strand machen?“ Das ist schon deutlich gepresster. Nach mehre-<br />
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