Wirtschaftliche Vereine in der Schweiz - frog style web engineering
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Basler Studien<br />
zur Rechtswissenschaft<br />
Reihe A: Privatrecht<br />
Piera Beretta<br />
Band 56 <strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Helb<strong>in</strong>g & Lichtenhahn
Basler Studien<br />
zur Rechtswissenschaft<br />
Piera Beretta<br />
<strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>
Basler Studien<br />
zur Rechtswissenschaft<br />
Herausgegeben von K. Spiro, G. Stratenwerth, K. Eichenberger,<br />
F. Vischer, P. Simonius, L. Wildhaber, R. Rh<strong>in</strong>ow, F. Hasenböhler,<br />
I. Schwenzer, E.A. Kramer, M. Pieth, A.K. Schny<strong>der</strong>, E. Riva,<br />
K. Seelmann, J.-F. Stöckli, A. Peters, M. Schefer, S. Breitenmoser,<br />
F. Hafner<br />
Reihe A: Privatrecht<br />
Band 56
Piera Beretta<br />
<strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Helb<strong>in</strong>g & Lichtenhahn<br />
Basel ּ Genf ּ München<br />
2001
Dieses Werk ist <strong>in</strong> gedruckter Form erschienen bei:<br />
Dieses Werk ist <strong>in</strong> gedruckter Form erschienen bei:<br />
Helb<strong>in</strong>g & Lichtenhahn<br />
Helb<strong>in</strong>g Basel, Genf, & Lichtenhahn München<br />
Basel, 2001 Genf, München<br />
2001<br />
ISBN 3-7190-2052-5<br />
ISBN 3-7190-2052-5<br />
Diese elektronische Fassung stimmt nicht <strong>in</strong> allen E<strong>in</strong>zelheiten mit <strong>der</strong><br />
Diese gedruckten elektronische Fassung Fassung übere<strong>in</strong> stimmt und ist nicht daher <strong>in</strong> nicht allen zitierfähig. E<strong>in</strong>zelheiten mit <strong>der</strong><br />
gedruckten Fassung übere<strong>in</strong> und ist daher nicht zitierfähig.
R.H.R.S.P.
Dank<br />
Die vorliegende Dissertation ist aus <strong>der</strong> anwaltlichen und<br />
gutachterlichen Beschäftigung mit wirtschaftlich ausgerichteten<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n hervorgegangen. Herrn PROF. DR. DR.H.C. FRANK VISCHER,<br />
Advokat, sei an dieser Stelle me<strong>in</strong> herzlicher Dank für den E<strong>in</strong>bezug <strong>in</strong><br />
diese Tätigkeiten und die anregende Unterstützung bei <strong>der</strong> Entstehung<br />
<strong>der</strong> Arbeit ausgesprochen. Me<strong>in</strong>em Doktorvater Herrn PROF. DR.<br />
CHRISTIAN BRÜCKNER, Advokat und Notar, gilt me<strong>in</strong> Dank für viele<br />
wertvolle Anregungen. Ferner danke ich Herrn DR. IUR. DAVID JENNY,<br />
Advokat, und Frau DR. IUR. CLAUDIA GÖTZ für die konstruktive Kritik<br />
sowie Frau BARBARA RAIS-EKERDT für das professionelle Korrektorat.<br />
Die Drucklegung erfolgte mit freundlicher Unterstützung des<br />
WERENFELS-FONDS <strong>der</strong> Freiwilligen Akademischen Gesellschaft Basel.
Es gibt ke<strong>in</strong>e raff<strong>in</strong>iertere<br />
Ausbeutungsmasch<strong>in</strong>e als es <strong>der</strong> rechtsfähige<br />
Vere<strong>in</strong> ist, denn es ist e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong><br />
bekannte Tatsache, dass sich unter <strong>der</strong> Maske<br />
idealer Bestrebungen oft die<br />
allerselbsttüchtigsten und dem<br />
Allgeme<strong>in</strong>wohl schädlichsten Bestrebungen<br />
verbergen.<br />
ADRIAN MEILE<br />
Absolut ist am Recht nur unser<br />
Rechtsbewusstse<strong>in</strong> o<strong>der</strong> die hohe Bedeutung,<br />
die es für die menschliche Gesellschaft<br />
besitzt. Das konkrete Recht dagegen ist<br />
wandelbar und schmiegt sich unweigerlich<br />
den Verhältnissen an, die es zu ordnen<br />
unternimmt.<br />
EUGEN HUBER
Inhaltsübersicht<br />
Inhaltsübersicht ................................... XI<br />
Inhaltsverzeichnis ................................. XIII<br />
Literatur. ...................................... XXI<br />
Materialien ................................... XXVIII<br />
Abkürzungen ................................... XXIX<br />
A. EINFÜHRUNG ............................... 1<br />
B. ALLGEMEINE BETRACHTUNGEN. ................. 3<br />
I. Problematik von wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
nach schweizerischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
II. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit . . . . 7<br />
III. Der Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss <strong>der</strong> gesetzlichen Konzeption. . . . . . . 22<br />
IV. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung . . . . . . . . 34<br />
V. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck <strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen<br />
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />
VI. Das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens . . . . . . . . . . . . 95<br />
VII. Das typologische Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />
VIII. Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Argumente für die<br />
Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck<br />
als Teilkategorie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . . . . . . . 115<br />
C. BESONDERE PROBLEMKREISE. .................. 127<br />
IX. Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . . . . . . . . 127<br />
X. Vere<strong>in</strong>sfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />
XI. Die Gründung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters. . . . . . . . . 132<br />
XII. Die Mitgliedschaftsrechte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136<br />
XIII. Die Mitgliedschaftspflichten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters und <strong>der</strong>en Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />
XIV. Der E<strong>in</strong>- und Austritt von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s<br />
wirtschaftlichen Charakters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />
XV. Gläubigerschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182<br />
XVI. Besteuerung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . . . . . . . . . . 200<br />
XVII. Auflösung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters. . . . . . . . . . . 207<br />
XVIII. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im Schuldbetreibungsund<br />
Konkursverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210<br />
XIX. Fusion und Umwandlung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217<br />
XX. Anwendbares Recht im <strong>in</strong>ternationalen Verhältnis . . . . . . . . . . . . 221<br />
XXI. Übersicht über die beson<strong>der</strong>en Regeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225<br />
D. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND<br />
SCHLUSSBEMERKUNGEN ...................... 229<br />
XI
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsübersicht .................................. XI<br />
Inhaltsverzeichnis................................ XIII<br />
Literatur...................................... XXI<br />
Materialien.................................. XXVIII<br />
Abkürzungen.................................. XXIX<br />
A. EINLEITUNG. ................................1<br />
B. ALLGEMEINE BETRACHTUNGEN ..................3<br />
I. Problematik von wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
nach schweizerischem Recht ......................3<br />
1. Vorbemerkung.............................3<br />
2. Gesetzliche Regelung .........................3<br />
3. Diskrepanz zwischen Gesetz und Rechtswirklichkeit........4<br />
4. Haltung von Judikatur und Doktr<strong>in</strong> .................4<br />
5. Folgen <strong>der</strong> Verne<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s . . 5<br />
6. Neue Perspektiven...........................6<br />
II. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Rechtswirklichkeit ............................7<br />
1. E<strong>in</strong>leitung................................7<br />
2. Beispiele für Grossvere<strong>in</strong>e.......................7<br />
a) Tour<strong>in</strong>g Club <strong>Schweiz</strong> (TCS) ....................7<br />
b) Automobil Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> .....................8<br />
3. Beispiele für <strong>in</strong>ternational tätige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit<br />
sehr grossen Umsätzen.........................8<br />
a) Comité International Olympique. ...................8<br />
b) Fédération Internationale de Football Association .......... 10<br />
c) Union des Associations Européennes de Football (UEFA) .... 11<br />
d) Internationales Komitee vom Roten Kreuz .............. 12<br />
4. Beispiele für Dachorganisationen<br />
weltweit tätiger Unternehmen.................... 13<br />
a) Deloitte Touche Tohmatsu. ..................... 13<br />
b) Deloitte Consult<strong>in</strong>g ......................... 14<br />
c) KPMG International ........................ 14<br />
d) KLegal International Association .................. 15<br />
e) Coopers & Lybrand International. ................. 16<br />
5. Beispiele für weitere „atypische <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>“ ............ 17<br />
a) Organisation <strong>in</strong>ternationale de normalisation. ............ 17<br />
b) Sport-Toto-Gesellschaft ....................... 18<br />
6. Gründe für die Attraktivität des schweizerischen Vere<strong>in</strong>s<br />
für wirtschaftlich ausgerichtete Zusammenschlüsse ....... 19<br />
XIII
III. Der Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss <strong>der</strong><br />
gesetzlichen Konzeption ........................22<br />
1. E<strong>in</strong>leitung...............................22<br />
2. Regelung des aOR von 1881 .....................22<br />
3. Die Bestimmungen im ZGB.....................24<br />
4. Bestimmungen <strong>in</strong> Spezialgesetzen..................28<br />
5. Problematik <strong>der</strong> gesetzlichen Regelung...............29<br />
a) Unklarheiten bei den Gesetzgebungsarbeiten .............29<br />
b) Relevanz des Abgrenzungskriteriums „wirtschaftlicher Zweck“<br />
und fehlende gesetzliche Def<strong>in</strong>ition ..................31<br />
c) Schlussfolgerung ...........................33<br />
IV. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung ..34<br />
1. Vorbemerkungen und Übersicht...................34<br />
2. Rechtsprechung des Bundesgerichts seit Inkrafttreten des<br />
ZGB (1907) bis 1934: Entscheidend ist alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweck .....35<br />
a) BGE 44 II 77 (Union rurale, 1918) ...............35<br />
b) BGE 48 II 145 (Arbeiterunion Zürich, 1922) ..........36<br />
c) BGE 51 II 522 (<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverband,<br />
Sektion Biel, 1925) ........................36<br />
d) BGE 56 I 123 (Diakonieverband „Wartburg“, 1930) ......37<br />
e) BGE 59 I 32 (Institution de Baldegg, 1933) ...........37<br />
3. Rechtsprechung des Bundesgerichts von 1934 bis 1962:<br />
Zulässigkeit von Wirtschaftsverbänden <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform,<br />
solange sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben.......38<br />
a) Entscheid des Bundesgerichts vom 5./6. Dezember 1934<br />
(Fédération suisse des associations de fabricants d’horlogerie, Union<br />
des branches annexes de l‘horlogerie, JdT 1935 I, S. 66 ff.) ....38<br />
b) BGE 62 II 32 (<strong>Schweiz</strong>. Tabakverband, 1936) ..........40<br />
c) BGE 69 I 127 (<strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung zur Wahrung<br />
<strong>der</strong> Gebirgs<strong>in</strong>teressen, 1943) ....................41<br />
d) BGE 71 I 119 (Kaufmännische Corporation <strong>in</strong> St. Gallen, 1945) . 41<br />
e) BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative vaudoise<br />
d’allocations familiales, 1946) ...................42<br />
f) BGE 73 I 316 (Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich, 1947) ..........43<br />
g) BGE 76 II 281(<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong><br />
sanitären Branche, 1950) .....................44<br />
h) Entscheid des Bundesgerichts vom 26. März 1953 (Association<br />
des maîtres ferblantiers et appareilleurs, SemJud 1954,<br />
S. 85 ff. und 466 f.) ........................44<br />
i) BGE 81 II 117 (<strong>Schweiz</strong>erischer Tabakverband, 1955) ......46<br />
j) BGE 82 II 292 (Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956) 46<br />
XIV
4. BGE 88 II 209 (Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera, 1962):<br />
Obiter dictum des Bundesgerichts – entscheidend sollte<br />
alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweck se<strong>in</strong>......................... 47<br />
5. Rechtsprechung des Bundesgerichts von 1964 bis heute:<br />
Nichtbeachtung des obiter dictum <strong>in</strong> BGE 88 II 209<br />
und Fortführung <strong>der</strong> langjährigen Rechtsprechung........ 50<br />
a) BGE 90 II 333 (Association suisse des<br />
fabricants de cigarettes, 1964) .................. 50<br />
b) Entscheid des Bundesgerichts vom 22. Dezember 1965<br />
(Interessengeme<strong>in</strong>schaft für pharmazeutische und kosmetische<br />
Produkte, ZBl 67 [1966], S. 303 ff.) .............. 52<br />
c) BGE 98 II 211 (Union des camionneurs de Renens, 1972) .... 53<br />
d) BGE 100 III 19 (Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung, 1974) 53<br />
e) Urteil des Bundesgerichts vom 18. Februar 1980 (Multihôtels-Club,<br />
SemJud 1981, S. 46 ff.) ..................... 54<br />
f) BGE 108 II 6 (Swiss Commodity Industry Association, 1982) .. 55<br />
g) BGE 108 II 15 (Fussballclub Zürich, Nationalliga<br />
des <strong>Schweiz</strong>erischen Fussballverbandes, 1982) ........... 55<br />
h) BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Uhren<strong>in</strong>dustrie FH, 1997) .................... 55<br />
6. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> publizierten<br />
Schiedsgerichtsurteilen: Urteil e<strong>in</strong>es ad-hoc Schiedsgerichts<br />
mit Sitz <strong>in</strong> New York vom 27. Mai 1991 .............. 56<br />
7. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
kantonalen Gerichtspraxis...................... 57<br />
a) Vorbemerkung ........................... 57<br />
b) Urteil des bernischen Appellationshofes vom 21. Januar 1914<br />
(Vere<strong>in</strong> schweizerischer Lokomotivführer, ZBJV 50, S. 318 ff.<br />
und SJZ 10, S. 374) ....................... 57<br />
c) Urteil des Cour de justice civile des Kantons Genf<br />
vom 5. Dezember 1930 (Syndicat des détaillants en épicerie,<br />
laiterie, comestibles, primeurs et branches s’y rattachant,<br />
SemJud 1931, S. 225 ff.) ..................... 58<br />
d) Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Tess<strong>in</strong><br />
vom 27. September 1943 (SJZ 40, S. 242) ............ 58<br />
e) Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Neuenburg<br />
vom 4. Dezember 1933 (SJZ 30, S. 347) ............. 59<br />
f) Urteil des Tribunal cantonal neuchâtelois vom 4. Dezember 1933<br />
(Fédération suisse des associations de fabricants de boîtes<br />
de montres en or, SemJud 1934, S. 150 ff.) ............ 59<br />
g) Urteil des Handelsgerichts Bern vom 12. Mai 1950 (Verband<br />
<strong>Schweiz</strong>erischer Schuh- und Bodenpflegemittel-Fabrikanten<br />
<strong>in</strong> Liqu., ZBJV 87, S. 33 ff.) .................. 60<br />
XV
h) Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 18. März 1964 und<br />
Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 19. Oktober 1965<br />
(Milchhändlerverband Basel und Umgebung, BJM 1966, S. 233 ff.) 61<br />
i) Urteil des Obergerichts Zürich vom 7. November 1977<br />
(Eishockey-Club K., SJZ 75, S. 75 ff.) ..............62<br />
j) Urteil des Appellationsgerichts Bern vom 27. Juni 1986 (<strong>Schweiz</strong>e-<br />
rischer Reit- und Fahrsportverband, ZBJV 124, S. 311 ff.) ....62<br />
k) Urteil des Richteramtes III Bern vom 22. Dezember 1987<br />
(<strong>Schweiz</strong>erischer Leichtathletikverband, SJZ 84, S. 85 ff.) .....63<br />
8. Würdigung <strong>der</strong> Rechtsprechung...................63<br />
a) Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts .........63<br />
b) <strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als zulässig erachtet .......64<br />
c) BGE 88 II 209 (Eisenverband / M<strong>in</strong>iera) ............65<br />
d) Fallbezogene Entscheidungen .....................66<br />
e) Ungeklärte Verhältnisse Zweck – Mittel und wirtschaftlich –<br />
nichtwirtschaftlich ..........................67<br />
f) Schlussfolgerung ...........................67<br />
V. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
schweizerischen Literatur .......................69<br />
1. Vorbemerkung und Übersicht....................69<br />
2. Fallgruppen ..............................70<br />
a) Berufs-, Branchen- und Wirtschaftsverbände .............70<br />
b) Kartelle ...............................71<br />
c) Sportvere<strong>in</strong>e .............................71<br />
d) Automobilclub <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (ACS),<br />
Tour<strong>in</strong>g Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (TCS) .................73<br />
3. Bestimmung des massgeblichen Zwecks und E<strong>in</strong>ordnung<br />
als wirtschaftlich o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlich .............74<br />
a) E<strong>in</strong>leitung ..............................74<br />
b) Mehrdeutigkeit des Ausdrucks „Zweck“ ..............74<br />
c) Def<strong>in</strong>itionen für den wirtschaftlichen Zweck .............76<br />
d) Def<strong>in</strong>itionen für den nichtwirtschaftlichen Zweck ...........79<br />
4. Stellungnahmen <strong>der</strong> Lehre zur Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
mit wirtschaftlichem Zweck.....................82<br />
a) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck<br />
abgelehnt werden ...........................82<br />
b) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit gemischter Zielsetzung<br />
anerkannt werden ..........................83<br />
c) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger weitgehend anerkannt werden ...........87<br />
5. Unklare Folgen <strong>der</strong> Nichtanerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
mit wirtschaftlichem Zweck.....................88<br />
XVI
6. Untauglichkeit des Abgrenzungskriteriums wirtschaftlicher<br />
o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck für die Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit<br />
von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n............................. 90<br />
a) Ambivalente Haltung <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> ................. 90<br />
b) Unpraktikabilität <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Lehre entwickelten Kriterien ..... 90<br />
c) Weitreichende Folgen <strong>der</strong> Unterscheidung wirtschaftlicher –<br />
nichtwirtschaftlicher Zweck ..................... 92<br />
d) Fehlende Notwendigkeit <strong>der</strong> Unterscheidung nach dem<br />
wirtschaftlichen Zweck. ....................... 93<br />
e) Schlussfolgerungen .......................... 94<br />
VI. Das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens ...... 95<br />
1. Vorbemerkung............................ 95<br />
2. Der Begriff des kaufmännischen Unternehmens......... 96<br />
3. Relevanz des kaufmännischen Unternehmens im<br />
schweizerischen Gesellschaftsrecht................. 97<br />
4. Folgen des Betreibens e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens<br />
für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.............................. 98<br />
5. Das kaufmännische Unternehmen als s<strong>in</strong>nvolles<br />
Abgrenzungskriterium........................ 99<br />
a) E<strong>in</strong>fach handhabbares und allgeme<strong>in</strong> relevantes Kriterium ...... 99<br />
b) Ausdrückliche Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />
kaufmännischem Unternehmen. .................. 100<br />
c) Ke<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>behandlung von „nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n“<br />
mit kaufmännischem Unternehmen ................ 100<br />
d) Weiterentwicklung <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts ..... 101<br />
VII. Das typologische Argument .................... 103<br />
1. Vorbemerkung........................... 103<br />
2. Numerus clausus <strong>der</strong> Verbandstypen............... 103<br />
a) Numerus clausus und verwandte Pr<strong>in</strong>zipien ............ 103<br />
b) Begründung für das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus. ......... 104<br />
c) Auswirkungen auf die Rechtsanwendung. ............. 105<br />
3. Gesetzliche Positionierung des Vere<strong>in</strong>s im<br />
schweizerischen Gesellschaftsrecht................ 106<br />
4. Ablehnung des typologischen Arguments............ 106<br />
a) Rechtswirklichkeit. ........................ 106<br />
b) Berücksichtigung schützenswerter Interessen ............ 108<br />
c) Fehlende Typenb<strong>in</strong>dung betreffend wirtschaftlichen Zweck ..... 109<br />
d) Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung .............. 110<br />
e) Schlussfolgerungen ......................... 114<br />
XVII
VIII. Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Argumente für die<br />
Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck<br />
als Teilkategorie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . 115<br />
1. Vorbemerkungen.......................... 115<br />
2. Status quo.............................. 115<br />
a) Diskrepanz zwischen Gesetz und Rechtswirklichkeit ........ 115<br />
b) E<strong>in</strong>stellung von Judikatur und Doktr<strong>in</strong> .............. 116<br />
c) Ungenügende gesetzliche Regelung für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit<br />
kaufmännischem Unternehmen ................... 116<br />
3. Neue Perspektiven ......................... 117<br />
4. Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck.... 118<br />
a) Weiterentwicklung <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts ...... 118<br />
b) Abgrenzung zulässiger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> von Gebilden, für welche die<br />
Vere<strong>in</strong>sform nicht zur Verfügung steht ............... 119<br />
5. Beson<strong>der</strong>e Regeln für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters . . . 120<br />
a) <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit zusätzlichem Regelungsbedarf ............. 120<br />
b) Umschreibung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters ....... 121<br />
c) Begriffliche Erfassung ....................... 125<br />
d) Vorschlag für Ausführungsbestimmungen zu<br />
Art. 2 Abs. 1 lit. b VERRG ................... 125<br />
C. BESONDERE PROBLEMKREISE .................. 127<br />
IX. Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . . 127<br />
1. Vorbemerkungen.......................... 127<br />
2. Analog anwendbare Regeln..................... 127<br />
X. Vere<strong>in</strong>sfreiheit ............................. 129<br />
1. Problematik............................. 129<br />
2. Privatrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit.................. 129<br />
3. Verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit............... 129<br />
XI. Die Gründung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters ... 132<br />
1. Gründung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss ZGB.............. 132<br />
2. E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister................. 132<br />
XII. Die Mitgliedschaftsrechte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters ..................... 136<br />
1. Die Mitgliedschaftsrechte gemäss ZGB.............. 136<br />
2. Allgeme<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten .................... 136<br />
3. Die Auskunftsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>................ 138<br />
a) Auskunftsrechte gemäss ZGB ................... 138<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten ........................... 138<br />
c) Grossvere<strong>in</strong>e ............................ 141<br />
4. Stimm- und Wahlrecht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>............... 141<br />
a) Stimm- und Wahlrecht gemäss ZGB ................ 141<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten ........................... 142<br />
XVIII
5. Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> ....................... 143<br />
a) Der Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im allgeme<strong>in</strong>en gemäss ZGB ...... 143<br />
b) Der Persönlichkeitsschutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. ............. 144<br />
c) Der Schutz des Vere<strong>in</strong>szwecks .................. 146<br />
d) Grossvere<strong>in</strong>e ............................ 148<br />
6. Vermögenswerte Rechte...................... 148<br />
a) Benutzungsrechte ......................... 148<br />
b) Geldleistungen. .......................... 148<br />
c) Gew<strong>in</strong>nverwendung ........................ 149<br />
XIII. Die Mitgliedschaftspflichten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters und <strong>der</strong>en Sanktionierung .... 153<br />
1. Mitgliedschaftspflichten gemäss ZGB.............. 153<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 153<br />
a) Treuepflicht ............................ 153<br />
b) Weitere Pflichten ......................... 154<br />
c) Grossvere<strong>in</strong>e ............................ 155<br />
3. Beitragspflicht und Haftung.................... 155<br />
a) Beitragspflicht und Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gemäss ZGB ...... 155<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten. .......................... 157<br />
4. Verbandsstrafen .......................... 161<br />
a) Verbandsstrafen gemäss ZGB ................... 161<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten. .......................... 161<br />
5. Der Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n................. 162<br />
a) Der Ausschluss gemäss ZGB ................... 162<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten. .......................... 163<br />
XIV. Der E<strong>in</strong>- und Austritt von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s<br />
wirtschaftlichen Charakters. .................... 167<br />
1. Der E<strong>in</strong>tritt gemäss ZGB..................... 167<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 167<br />
3. Der Austritt gemäss ZGB..................... 172<br />
4. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 172<br />
a) Allgeme<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten ..................... 172<br />
b) Austrittsfrist ........................... 173<br />
c) Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n ................. 174<br />
d) Anspruch auf das Vere<strong>in</strong>svermögen ................ 180<br />
e) Grossvere<strong>in</strong>e ............................ 181<br />
XV. Gläubigerschutz. ........................... 182<br />
1. Der Gläubigerschutz gemäss ZGB................ 182<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 185<br />
a) Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital .................... 185<br />
b) Reservebildung. .......................... 188<br />
c) Anzeigepflicht bei Überschuldung ................. 191<br />
d) Rechnungslegung. ......................... 193<br />
XIX
e) Abschlussprüfung (Kontrollstelle, Revision) ............ 195<br />
f) Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Organe und Organträger .......... 197<br />
XVI. Besteuerung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters .... 200<br />
1. Direkte Steuern im Bund und <strong>in</strong> den Kantonen im allgeme<strong>in</strong>en 200<br />
2. Mehrwertsteuerpflicht im allgeme<strong>in</strong>en .............. 203<br />
3. Steuerpflicht von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters..... 203<br />
XVII. Auflösung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ..... 207<br />
1. Die Auflösung gemäss ZGB.................... 207<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 208<br />
3. Grossvere<strong>in</strong>e............................. 209<br />
XVIII. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im Schuldbetreibungs-<br />
und Konkursverfahren ........................ 210<br />
1. Betreibung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters...... 210<br />
2. Konkursgründe und Konkursverfahren.............. 211<br />
3. Belangbarkeit von Organen und Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n nach<br />
durchgeführtem Vere<strong>in</strong>skonkurs.................. 213<br />
4. Verwertung von Mitgliedschaftsrechten im Betreibungs-<br />
o<strong>der</strong> Konkursverfahren gegen Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> ........ 214<br />
XIX. Fusion und Umwandlung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters ............................... 217<br />
1. Die Fusion und Umwandlung im allgeme<strong>in</strong>en.......... 217<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 218<br />
XX. Anwendbares Recht im <strong>in</strong>ternationalen Verhältnis ....... 221<br />
XXI. Übersicht über die beson<strong>der</strong>en Regeln .............. 225<br />
1. Methode............................... 225<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters.... 225<br />
3. Beson<strong>der</strong>heiten für Grossvere<strong>in</strong>e................. 227<br />
D. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND<br />
SCHLUSSBEMERKUNGEN ...................... 229<br />
XX
Literatur<br />
ANDERSEN / WOYKE, Handwörterbuch Internationale Organisationen,<br />
2. Auflage Opladen 1995<br />
ATHANAS PETER / WIDMER STEFAN, Kommentar zu Art. 20-22 StHG,<br />
Basel 1997<br />
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ECKERT MARTIN, Kommentar zu Art. 934 ff. OR, Basel 1994<br />
EGGER A., Kommentar zu Art. 1-89 ZGB, Zürich 1930<br />
EHRAT FELIX, Kommentar zu Art. 151-163 OR, 2. Auflage Basel 1996<br />
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vom 8. Februar 1999 zur Umwandlung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft,<br />
Reprax 1999, S. 47 ff.<br />
XXI
FORSTMOSER PETER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften<br />
und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983,<br />
S. 142 ff.<br />
DERS., Gutachten zur Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n beim Vere<strong>in</strong>, zitiert<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> auszugsweisen Publikation e<strong>in</strong>es Entscheides e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen<br />
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Comm. Arb’n XVII (1992), S. 11 ff.<br />
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Bern 1996<br />
FORSTMOSER / UNTERSANDER, Entwicklungen im Gesellschaftsrecht –<br />
Handelsgesellschaften und Genossenschaften – und im Wertpapierrecht,<br />
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FUCHS CHRISTOPH, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung<br />
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VON GRAFFENRIED RENÉ, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948<br />
GRETER MARCO, Kommentar zu Art. 23 StHG, Basel 1997<br />
GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“, Schlussbericht vom<br />
24. September 1993<br />
GUTZWILLER MAX, Das Recht <strong>der</strong> Verbandspersonen, SPR II, Grundsätzliches,<br />
Basel 1967, S. 425 ff.<br />
DERS., Gedanken zur Typologie des Gesellschaftsrechts, SJZ 67 (1971),<br />
S. 134 ff.<br />
DERS., Nachwort des Herausgebers zu den Bemerkungen zur schweizerischen<br />
Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–1964, ZSR 83 I (1964),<br />
S. 453 ff.<br />
DERS., Zum Problem <strong>der</strong> Freiheit bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsperson,<br />
ZSR 84 I (1965), S. 223 ff.<br />
HABERSTICH A., Handbuch des <strong>Schweiz</strong>erischen Obligationenrechts,<br />
Zweiter Band, Zürich 1887<br />
HÄFELIN / HALLER, <strong>Schweiz</strong>erisches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage<br />
Zürich 1998<br />
DIES., <strong>Schweiz</strong>erisches Bundesstaatsrecht, Supplement zur 4. Auflage<br />
„Die neue Bundesverfassung“, Zürich 2000<br />
HAFTER ERNST, Zur Lehre von den juristischen Personen nach dem<br />
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S. 61 ff.<br />
HANDELSREGISTERAMT DES KANTONS ZÜRICH, Stellungnahme vom 8.<br />
Februar 1999 zum konkreten Vorgehen bei <strong>der</strong> Umwandlung e<strong>in</strong>es<br />
Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft, Reprax 1999, S. 51 f.<br />
XXII
HAUSHEER / AEBI, Das Personenrecht des <strong>Schweiz</strong>erischen Zivilgesetzbuches,<br />
Bern 1999<br />
HEINI ANTON, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988<br />
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1962–1964, ZSR 83 I (1964), S. 427 ff.<br />
DERS., SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 515 ff.<br />
DERS., Vorbemerkungen zu Art. 60-79 ZGB, Basel 1996<br />
DERS., Die gerichtliche Überprüfung von Vere<strong>in</strong>sstrafen, <strong>in</strong>:<br />
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NIGG HANS, Kommentar zu Art. 864-878 OR, Basel 1994<br />
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XXIV
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Comm. Arb’n XVII (1992), S. 11 ff.<br />
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WATTER ROLF, Kommentar zu Art. 158 IPRG, Basel 1996<br />
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WIDMER PETER, Kommentar zu Art. 754-761 OR, Basel 1994<br />
ZOBL DIETER, Die Behandlung <strong>der</strong> fehlerhaften Personengesellschaft im<br />
schweizerischen Recht, <strong>in</strong>: Mélanges Pierre Engel, Lausanne 1989,<br />
S. 471 ff.<br />
XXVI
ZÖLCH FRANZ A., Verstärkte Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong> Klubs, NZZ<br />
vom 27.07.2000, S. 45<br />
XXVII
Materialien<br />
Amtliches stenographisches Büllet<strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen Bundesversammlung,<br />
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Botschaft des Bundesrates über die Revision <strong>der</strong> Krankenversicherung<br />
vom 6. November 1991, BBl 114 I (1992), S. 93 ff.<br />
Botschaft des Bundesrates über e<strong>in</strong>e neue Bundesverfassung vom<br />
20. November 1996, Separatdruck<br />
Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung,<br />
Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz; FusG) vom<br />
13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4337 ff.<br />
EIDGENÖSSISCHE STEUERVERWALTUNG HAUPTABTEILUNG DIREKTE<br />
BUNDESSTEUER, Kreisschreiben Nr. 12 vom 8. Juli 1994 betreffend<br />
Steuerbefreiung juristischer Personen, die öffentliche o<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>nützige<br />
Zwecke (Art. 56 Bst. g DBG) o<strong>der</strong> Kultuszwecke (Art. 56 Bst. h<br />
DBG) verfolgen; Abzugsfähigkeit von Zuwendungen (Art. 33 Abs. 1<br />
Bst. i und Art. 59 Bst. c DBG)<br />
EXPERTENKOMMISSION „RECHNUNGSLEGUNGSRECHT“, Revision des<br />
Rechnungslegungsrechtes, Vorentwürfe und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em<br />
Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision (RRG) und zu<br />
e<strong>in</strong>er Verordnung über die Zulassung von Abschlussprüfern (VZA)<br />
vom 29. Juni 1998 zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes<br />
HUBER EUGEN, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum<br />
Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Erstes<br />
Heft: E<strong>in</strong>leitung, Personen- und Familienrecht, Bern 1901 (Erläuterungen<br />
1901)<br />
HUBER EUGEN, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum<br />
Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Erster<br />
Band: E<strong>in</strong>leitung, Personen-, Familien- und Erbrecht, 2. ergänzte<br />
Auflage Bern 1914 (Erläuterungen 1914)<br />
WOLF P., Die <strong>Schweiz</strong>erische Bundesgesetzgebung, Erster Band,<br />
Basel 1890<br />
XXVIII
Abkürzungen<br />
a. a. O. am angegebenen Ort<br />
Abs. Absatz<br />
aBV Bundesverfassung <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Eidgenossenschaft<br />
vom 29. Mai 1874 (SR 101)<br />
aOR Bundesgesetz über das Obligationenrecht<br />
vom 14. Brachmonat 1881 (alt OR)<br />
Art. Artikel<br />
BBl Bundesblatt<br />
BdBSt Bundesratsbeschluss über die Erhebung e<strong>in</strong>er<br />
direkten Bundessteuer vom 9. Dezember<br />
1940 (SR 642.11)<br />
BGB Bürgerliches Gesetzbuch für das deutsche<br />
Reich vom 18. August 1896<br />
BGE Entscheidung des <strong>Schweiz</strong>erischen Bundesgerichts<br />
BJM Basler Juristische Mitteilungen<br />
BlSchKG Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs,<br />
Wädenswil<br />
BS Bere<strong>in</strong>igte Sammlung <strong>der</strong> Bundesgesetze und<br />
Verordnungen 1848-1947<br />
Bst. Buchstabe<br />
BV Bundesverfassung <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Eidgenossenschaft<br />
vom 18. April 1999 (SR 101)<br />
CHF <strong>Schweiz</strong>er Franken<br />
DBG Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über<br />
die direkte Bundessteuer (SR 642.11)<br />
<strong>der</strong>s. <strong>der</strong>selbe<br />
dies. dieselbe / dieselben<br />
EFusG Entwurf zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über Fusion,<br />
Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung<br />
(Fusionsgesetz), BBl 2000, S. 4337 ff.<br />
ESTV Eidgenössische Steuerverwaltung<br />
EZGB Entwurf des Bundesrates zum ZGB<br />
f. folgende<br />
ff. fortfolgende<br />
FN Fussnote<br />
XXIX
FusG Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung<br />
und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz)<br />
HRegV Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937<br />
(SR 221.411), Fassung des Titels <strong>in</strong> Kraft seit<br />
1. Januar 1990<br />
HRV Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937<br />
(SR 221.411), Fassung des Titels <strong>in</strong> Kraft bis<br />
31.12.1989<br />
i. S. <strong>in</strong> Sachen<br />
i. S. d. im S<strong>in</strong>ne des / <strong>der</strong><br />
i. S. v. im S<strong>in</strong>ne von<br />
IPRG Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht<br />
vom 18. Dezember 1987 (SR 291)<br />
JdT Journal des Tribunaux, Lausanne<br />
KG 1962 Bundesgesetz über Kartelle und ähnliche Organisationen<br />
vom 20. Dezember 1962, <strong>in</strong><br />
Kraft vom 15.02.1964 bis 30.06.1986 (AS<br />
1964, S. 53 ff.)<br />
KG 1985 Bundesgesetz über Kartelle und ähnliche Organisationen<br />
vom 20. Dezember 1985, <strong>in</strong><br />
Kraft vom 1.07.1986 bis 30.06.1996 (AS 1986,<br />
S. 874 ff.)<br />
KG 1995 Bundesgesetz über Kartelle und an<strong>der</strong>e Wettbewerbsbeschränkungen<br />
(Kartellgesetz) vom<br />
6. Oktober 1995, <strong>in</strong> Kraft seit 1.07.1996<br />
(SR 251)<br />
KMU kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen<br />
KVG Bundesgesetz über die Krankenversicherung<br />
vom 18. März 1994 (SR 832.10)<br />
KVV Verordnung über die Krankenversicherung<br />
vom 27. Juni 1995 (SR 832.102)<br />
lit. litera<br />
LugÜ (Lugano) Übere<strong>in</strong>kommen über die gerichtliche<br />
Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher<br />
Entscheidungen <strong>in</strong> Zivil- und<br />
Handelssachen vom 16. September 1988<br />
(SR 0.275.11)<br />
Mio. Million(en)<br />
Mrd. Milliarde(n)<br />
XXX
MWSTG Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer<br />
(Mehrwertsteuergesetz) vom 2. September<br />
1999, Inkrafttreten 1. Januar 2001<br />
(SR 641.20), BBl 1999, 7479<br />
MWSTV Verordnung über die Mehrwertsteuer vom 22.<br />
Juni 1994 (SR 641.201), gültig bis 31. Dezember<br />
2000<br />
N Note<br />
NZZ Neue Zürcher Zeitung, Zürich<br />
OR Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des<br />
<strong>Schweiz</strong>erischen Zivilgesetzbuches (Fünfter<br />
Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911<br />
(SR 220)<br />
Pra Die Praxis des Bundesgerichts, Basel<br />
RRG Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision<br />
RZ Randziffer<br />
S. Seite<br />
SAG <strong>Schweiz</strong>erische Aktiengesellschaft, Zürich<br />
(seit 1990 SZW)<br />
SJZ <strong>Schweiz</strong>erische Juristen-Zeitung, Zürich<br />
SPR <strong>Schweiz</strong>erisches Privatrecht, Basel<br />
SpuRt Zeitschrift für Sport und Recht, München<br />
ST Systematischer Teil<br />
StHG Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über<br />
die Harmonisierung <strong>der</strong> direkten Steuern <strong>der</strong><br />
Kantone und Geme<strong>in</strong>den (SR 642.14)<br />
SZW <strong>Schweiz</strong>erische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht,<br />
Zürich (bis 1989 SAG)<br />
USD US-Dollar(s)<br />
VERRG Vorentwurf zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die<br />
Rechnungslegung und Revision (RRG)<br />
VEZGB Vorentwurf zum ZGB<br />
VGeK Verordnung des Bundesgerichts über den<br />
Genossenschaftskonkurs vom 20. Dezember<br />
1937 (SR 281.52)<br />
vgl. vergleiche<br />
VPB Verwaltungspraxis <strong>der</strong> Bundesbehörden, Bern<br />
XXXI
VVAG Verordnung des Bundesgerichts über die<br />
Pfändung und Verwertung von Anteilen an<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsvermögen vom 17. Januar 1923<br />
(SR 281.41)<br />
WuR Wirtschaft und Recht, Zürich<br />
Yearbook Comm. Arb’n Yearbook of Commercial Arbitration, herausgegeben<br />
vom International Council for<br />
Commercial Arbitration, Deventer<br />
ZGB <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember<br />
1907 (SR 210)<br />
ZR Blätter für Zürcherische Rechtsprechung, Zürich<br />
ZSR Zeitschrift für <strong>Schweiz</strong>erisches Recht, Basel<br />
XXXII
A. E<strong>in</strong>leitung<br />
Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht ist bekannt für se<strong>in</strong>e ausgesprochen<br />
freiheitliche Ordnung, welche e<strong>in</strong>en weiten Gestaltungsspielraum bietet.<br />
Bei <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> Regeln des ZGB vor hun<strong>der</strong>t Jahren ist <strong>der</strong><br />
Gesetzgeber von den damals existierenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n ausgegangen, die <strong>in</strong><br />
kle<strong>in</strong>en Verhältnissen primär <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong> Geselligkeit o<strong>der</strong> sonstigen<br />
Bedürfnissen ohne wirtschaftlichen Bezug dienten.<br />
Die vielfältigen Freiheiten, welche das Vere<strong>in</strong>srecht belässt, und bestimmte<br />
Eigenschaften an<strong>der</strong>er Gesellschaftsformen haben sehr bald<br />
dazu geführt, dass verschiedentlich Personenverb<strong>in</strong>dungen mit<br />
wirtschaftlichem Bezug <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform gegründet worden s<strong>in</strong>d.<br />
Teilweise haben sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> entwickelt, die e<strong>in</strong>en wichtigen Stellenwert<br />
im Wirtschaftsleben e<strong>in</strong>nehmen, so etwa <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Bereich <strong>der</strong><br />
sogenannten Professional Service Firms.<br />
Die Lehre ist solchen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gegenüber skeptisch e<strong>in</strong>gestellt. Die<br />
diesbezügliche Diskussion erfolgt unter dem Stichwort „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit<br />
wirtschaftlichem Zweck“. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>en solchen „wirtschaftlichen<br />
Zweck“ verfolgen, s<strong>in</strong>d gemäss überwiegen<strong>der</strong> Lehre unzulässig. Demgegenüber<br />
hat die Rechtsprechung e<strong>in</strong>en pragmatischeren Weg e<strong>in</strong>geschlagen<br />
und im E<strong>in</strong>zelfall nach Lösungen gesucht, welche die Rechtswirklichkeit<br />
berücksichtigen. Bis heute hat jedoch nie e<strong>in</strong>e systematische<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Frage stattgefunden, welche Problemkreise<br />
für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Bezug heute an<strong>der</strong>s angegangen werden<br />
müssen, als dies im ZGB <strong>der</strong> Fall ist, weil solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht dem Bild<br />
entsprechen, das <strong>der</strong> Gesetzgeber vor hun<strong>der</strong>t Jahren vor Augen hatte.<br />
Ziel <strong>der</strong> vorliegenden Untersuchung ist es aufzuzeigen, dass <strong>der</strong> Gesichtsw<strong>in</strong>kel<br />
Zulässigkeit/Unzulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>der</strong><br />
Rechtswirklichkeit nicht gerecht wird. Dogmatische Überlegungen zur<br />
Unzulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die im Rechts- und Wirtschaftsleben <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> seit Jahrzehnten fest verankert s<strong>in</strong>d und wichtige Aufgaben erfüllen,<br />
leisten ke<strong>in</strong>en wirklichen Beitrag zur rechtlichen Erfassung dieser<br />
Gebilde. Anstatt mit dogmatischen Argumenten die Unzulässigkeit solcher<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zu postulieren, ist es fruchtbarer, Regeln zu entwickeln,<br />
denen diese <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gerecht werden müssen, um mit ihrer Existenz und<br />
Tätigkeit ke<strong>in</strong>e schützenswerten Interessen von Mitglie<strong>der</strong>n und Dritten<br />
zu verletzen.<br />
Dazu ist vorweg im Teil B e<strong>in</strong> gewisses Mass an Feldarbeit von<br />
Nöten, nämlich die Beschreibung existieren<strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirt-<br />
1
schaftlichem Bezug. Anschliessend wird im e<strong>in</strong>zelnen dargelegt, weshalb<br />
das Abstellen auf die Frage nach dem Zweck e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s für die<br />
Beurteilung se<strong>in</strong>er Zulässigkeit nicht s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t. Weiter wird<br />
dargestellt, wie „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
grösseren Zusammenhang gestellt werden müssen mit an<strong>der</strong>en<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsformen von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die ebenfalls nicht dem Bild<br />
entsprechen, das dem ZGB zugrunde liegt, weil sie die kle<strong>in</strong>en<br />
Verhältnisse zur Pflege <strong>der</strong> Geselligkeit sprengen. Dabei werden<br />
namentlich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen führen,<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen. Alle diese Ersche<strong>in</strong>ungsformen werden unter<br />
dem Sammelbegriff „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters“ zusammengefasst.<br />
Die neuesten Gesetzgebungstendenzen (namentlich das geplante<br />
Rechnungslegungsgesetz) eröffnen die Möglichkeit, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters durch Fortentwicklung <strong>der</strong> bundesgerichtlichen Rechtsprechung<br />
weitgehend als zulässig anzuerkennen und Regeln zu<br />
unterstellen, welche ihren Charakteristika gerecht werden. Mit <strong>der</strong><br />
Anerkennung unabhängig von <strong>der</strong> Frage des verfolgten Zwecks kann<br />
e<strong>in</strong>e Reihe schwieriger und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis kaum zu bewältigen<strong>der</strong><br />
Abgrenzungsfragen überwunden werden. Der Umgang <strong>der</strong><br />
Rechtsordnung mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlicher Ausrichtung verschiebt<br />
sich von <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> postulierten, kaum jemals durchgesetzten<br />
Nichtanerkennung als juristische Person auf die Ebene <strong>der</strong><br />
„Compliance“ – und damit aus <strong>der</strong> Welt dogmatischer Postulate <strong>in</strong> diejenige<br />
<strong>der</strong> gelebten Realität.<br />
In Teil C <strong>der</strong> Arbeit wird im e<strong>in</strong>zelnen darauf e<strong>in</strong>gegangen, für welche<br />
Aspekte von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters die Regeln des ZGB<br />
als ungenügend ersche<strong>in</strong>en, und es werden erstmals systematisch Lösungen<br />
für die e<strong>in</strong>zelnen Problemkreise vorgeschlagen.<br />
Rechtsprechung, Gesetzgebungsarbeiten und Literatur wurden bis<br />
und mit September 2000 berücksichtigt.<br />
2
B. Allgeme<strong>in</strong>e Betrachtungen<br />
I. Problematik von wirtschaftlich ausgerichteten<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nach schweizerischem Recht<br />
1. Vorbemerkung<br />
Bevor auf das Thema wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im e<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>gegangen<br />
wird, sei an dieser Stelle die Grundproblematik skizziert; für die<br />
Details wird jeweils auf die nachfolgenden Kapitel verwiesen.<br />
2. Gesetzliche Regelung<br />
Im Zusammenhang mit wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n s<strong>in</strong>d<br />
vier Bestimmungen des ZGB von Interesse: In Art. 60 Abs. 1 ZGB werden<br />
die Gründungsmodalitäten geregelt für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die sich e<strong>in</strong>er „nicht<br />
wirtschaftlichen Aufgabe“ widmen. Gemäss Art. 59 Abs. 2 ZGB unterstehen<br />
Personenverb<strong>in</strong>dungen, die e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“ verfolgen,<br />
den „Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften“.<br />
An<strong>der</strong>erseits befasst sich Art. 61 Abs. 2 ZGB mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />
die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben und <strong>in</strong> Art. 52 Abs. 2<br />
ZGB wird im H<strong>in</strong>blick auf die E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister festgehalten:<br />
„Ke<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>tragung bedürfen [...] die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht wirtschaftliche<br />
Zwecke verfolgen [...].“ – Bei e<strong>in</strong>er ersten Lektüre dieser Bestimmungen<br />
wird nicht unbed<strong>in</strong>gt klar, <strong>in</strong>wiefern sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wirtschaftlich ausrichten dürfen. 1<br />
Bei <strong>der</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts hat sich <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
an den damals existierenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n orientiert, welche <strong>in</strong><br />
kle<strong>in</strong>en Verhältnissen <strong>der</strong> Pflege von Bedürfnissen ohne wirtschaftlichen<br />
Bezug gedient haben. Die Regeln des ZGB s<strong>in</strong>d dementsprechend freiheitlich<br />
ausgestaltet; die wenigsten Bestimmungen s<strong>in</strong>d zw<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Natur.<br />
Abgesehen davon, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ohne E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
gegründet werden können, enthält das Gesetz auch ke<strong>in</strong>e<br />
detaillierten Gläubigerschutzvorschriften. 2 Damit unterscheidet sich die<br />
1 Vgl. dazu im e<strong>in</strong>zelnen S. 22 ff.<br />
2 Vgl. CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, RZ 1138;<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998,<br />
§4 N 23.<br />
3
Regelung des ZGB wesentlich von den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen<br />
im OR.<br />
3. Diskrepanz zwischen Gesetz und Rechtswirklichkeit<br />
Obwohl die Bestimmungen des ZGB auf kle<strong>in</strong>e, „nichtwirtschaftliche“<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ausgerichtet s<strong>in</strong>d, existiert <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität e<strong>in</strong>e grosse Anzahl<br />
von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Bezug. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> betreiben zum<br />
Teil sehr umfangreiche kaufmännische Unternehmen o<strong>der</strong> generieren<br />
sonstwie als Anbieter o<strong>der</strong> Nachfrager auf dem Markt grosse Umsätze.<br />
An<strong>der</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> verfolgen e<strong>in</strong>en Zweck, welcher nicht mehr als „nichtwirtschaftlich“<br />
klassifiziert werden kann. Ausserdem weichen verschiedene<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wegen ihrer grossen Mitglie<strong>der</strong>zahl von <strong>der</strong> Vorstellung<br />
des historischen Gesetzgebers ab. 3<br />
4. Haltung von Judikatur und Doktr<strong>in</strong><br />
In <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> werden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im allgeme<strong>in</strong>en <strong>in</strong> zwei Kategorien<br />
aufgeteilt: <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>en „nichtwirtschaftlichen Zweck“ verfolgen<br />
und daher zulässig s<strong>in</strong>d, und solche, die e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“<br />
verfolgen und daher wegen des Wortlauts von Art. 59 Abs. 2 ZGB unzulässig<br />
s<strong>in</strong>d. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen als Mittel<br />
zur Erreichung e<strong>in</strong>es gemäss dieser E<strong>in</strong>ordnung zulässigen Zwecks verfolgen,<br />
werden h<strong>in</strong>gegen – gestützt auf Art. 61 Abs. 2 ZGB – als zulässig<br />
erachtet. 4 Die E<strong>in</strong>ordnung des Zwecks und die Abgrenzung desselben<br />
von den Mitteln ist jedoch im e<strong>in</strong>zelnen ungeklärt und die Doktr<strong>in</strong> setzt<br />
sich kaum mit den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit existierenden Ersche<strong>in</strong>ungen<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, welche sich nicht <strong>in</strong> das genannte Schema e<strong>in</strong>ordnen<br />
lassen. Diese „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Haltung“ wird hauptsächlich damit begründet,<br />
dass die Regelungen des ZGB wirtschaftlichen Gebilden nicht<br />
gerecht würden. 5 E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es wichtiges Argument ist <strong>der</strong> im schweizerischen<br />
Recht bestehende numerus clausus <strong>der</strong> zulässigen Gesellschaftsformen,<br />
<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e differenzierende Betrachtung <strong>der</strong> real existierenden<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ermöglichen soll. 6<br />
3<br />
Vgl. dazu S. 7 ff.<br />
4<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne etwa HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 54 f. ZGB N 54,<br />
Bern 1990; ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952,<br />
S. 56 f.; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 2.<br />
5<br />
Vgl. dazu S. 69 ff.<br />
6<br />
Zum typologischen Argument vgl. S. 103 ff.<br />
4
Auch die Judikatur befasst sich mit wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
grundsätzlich gemäss <strong>der</strong> „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Fragestellung“ nach<br />
dem zulässigen o<strong>der</strong> unzulässigen Zweck. Bei <strong>der</strong> Beurteilung von konkreten<br />
Fällen von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Bezug haben die Gerichte<br />
jedoch im Gegensatz zur Doktr<strong>in</strong> nicht e<strong>in</strong>fach die Augen verschlossen<br />
und an <strong>der</strong> „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Haltung“ festgehalten. Die<br />
Gerichte akzeptieren vielmehr seit Jahren auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die gemäss dem<br />
„entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Schema“ unzulässig s<strong>in</strong>d, und wenden bei <strong>der</strong>en Beurteilung<br />
beson<strong>der</strong>e, auf die konkreten Probleme zugeschnittene Regeln<br />
an, welche sich im geschriebenen Vere<strong>in</strong>srecht nicht f<strong>in</strong>den. Im Gegensatz<br />
zur „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Haltung“ <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> stellt sich die Rechtsprechung<br />
damit auf den Standpunkt „ja, sofern“: Zum<strong>in</strong>dest bestimmte<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> dürfen e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“ verfolgen, solange sie<br />
ke<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben. Die Gerichte haben damit<br />
bei <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n e<strong>in</strong>en Schritt weg von<br />
<strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Beurteilung des Zwecks gemacht und beziehen auch die Mittel<br />
zur Zweckverfolgung <strong>in</strong> die Betrachtung e<strong>in</strong>. 7<br />
5. Folgen <strong>der</strong> Verne<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit e<strong>in</strong>es<br />
Vere<strong>in</strong>s<br />
Wird e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung, die sich als Vere<strong>in</strong> konstituiert hat,<br />
die Berechtigung zur Existenz als Vere<strong>in</strong> abgesprochen, so hat dies weitreichende<br />
Folgen 8 : Gemäss Lehre und Rechtsprechung ergibt sich aus<br />
Art. 62 ZGB, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> als e<strong>in</strong>fache Gesellschaften zu behandeln<br />
s<strong>in</strong>d, wenn sie e<strong>in</strong>en unzulässigen Zweck verfolgen o<strong>der</strong> gemäss <strong>der</strong><br />
Rechtsprechung des Bundesgerichts Zweck und Mittel <strong>in</strong> unzulässiger<br />
Weise verb<strong>in</strong>den.<br />
Kommt e<strong>in</strong> Gericht zum Schluss, die Personenverb<strong>in</strong>dung sei als e<strong>in</strong>fache<br />
Gesellschaft zu behandeln, so s<strong>in</strong>d die Rechtsfolgen ebenso dramatisch<br />
wie <strong>in</strong>adäquat: Die juristische Person mit ihren verantwortlichen<br />
Organen und beitragspflichtigen Mitglie<strong>der</strong>n verschw<strong>in</strong>det von <strong>der</strong> Bildfläche<br />
und wird umgedeutet <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kollektiv solidarisch haften<strong>der</strong> Gesellschafter,<br />
wobei möglicherweise we<strong>der</strong> diese Gesellschafter selber<br />
noch Dritte den fraglichen Personenkreis sowie Identität und Wohnsitz<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelnen abschliessend zu ermitteln vermögen.<br />
7 Vgl. zur Rechtsprechung im e<strong>in</strong>zelnen S. 34 ff.<br />
8 Vgl. dazu ausführlich S. 88 ff.<br />
5
6. Neue Perspektiven<br />
Die folgenden Ausführungen werden zeigen, ob die „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-<br />
Haltung“ <strong>der</strong> Lehre zu überzeugen vermag, o<strong>der</strong> ob nicht die „ja, sofern-Haltung“<br />
des Bundesgerichts <strong>der</strong> Realität besser gerecht wird. Auch<br />
wird untersucht, welche neuen Perspektiven die neuesten Tendenzen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Gesetzgebung für die Beurteilung von wirtschaftlich ausgerichteten<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n eröffnen: Zu denken ist dabei e<strong>in</strong>erseits an das geplante Rechnungslegungsgesetz,<br />
welches für alle Gesellschaftsformen grundsätzlich<br />
e<strong>in</strong>heitliche Regeln betreffend den Gläubigerschutz enthält. 9 An<strong>der</strong>erseits<br />
ist auch das geplante Fusionsgesetz zu beachten 10 , das e<strong>in</strong>e Durchbrechung<br />
<strong>der</strong> strengen Grenzen des numerus clausus be<strong>in</strong>haltet, <strong>in</strong>dem<br />
etwa rechtsformübergreifende Fusionen zugelassen werden.<br />
9 Vgl. EXPERTENKOMMISSION „RECHNUNGSLEGUNGSRECHT“, Revision des Rechnungslegungsrechtes,<br />
Vorentwürfe und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />
und Revision (RRG) und zu e<strong>in</strong>er Verordnung über die Zulassung von Abschlussprüfern<br />
(VZA) vom 28. Juni 1998 zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und<br />
Polizeidepartementes. Dazu ausführlich S. 182 ff.<br />
10 Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />
Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4337 ff.<br />
6
II. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Rechtswirklichkeit<br />
1. E<strong>in</strong>leitung<br />
In <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> existiert e<strong>in</strong>e Reihe von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche <strong>in</strong> wesentlichen<br />
Aspekten von den Vorstellungen abweichen, die sich <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
bei <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen zum Vere<strong>in</strong>srecht<br />
im ZGB gemacht hat. 11 Viele dieser <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> üben wichtige<br />
Funktionen im Wirtschaftsleben aus – oft s<strong>in</strong>d sie von weltweiter Bedeutung.<br />
Es ist signifikant, dass sich drei <strong>der</strong> „Big Five“ <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsprüfungsbranche für ihre weltweite Organisation <strong>der</strong> Form<br />
des schweizerischen Vere<strong>in</strong>s bedienen. Im allgeme<strong>in</strong>en wird kaum<br />
wahrgenommen, dass es sich bei den entsprechenden Organisationen<br />
um <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nach schweizerischem Recht handelt. Nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit weckt das Stichwort „Vere<strong>in</strong>“ Assoziationen zu<br />
Kan<strong>in</strong>chenzüchtern, Hobby-Sportlern und sangesfreudigen<br />
Gruppierungen; auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur zum Vere<strong>in</strong>srecht wird <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />
welche nicht dem herkömmlichen Bild entsprechen, nicht <strong>der</strong><br />
Stellenwert zuerkannt, <strong>der</strong> ihnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität zukommt. 12 Die folgende<br />
Darstellung zeigt beispielhaft e<strong>in</strong>e Auswahl von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die vom<br />
herkömmlichen Bild abweichen, das dem ZGB zugrunde liegt:<br />
Grossvere<strong>in</strong>e, <strong>in</strong>ternational tätige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit sehr grossen Umsätzen,<br />
Dachorganisationen weltweit tätiger Unternehmen und weitere atypische<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />
2. Beispiele für Grossvere<strong>in</strong>e<br />
a) Tour<strong>in</strong>g Club <strong>Schweiz</strong> (TCS)<br />
Der Tour<strong>in</strong>g Club <strong>Schweiz</strong> (TCS), gegründet im Jahr 1896, ist im Handelsregister<br />
des Kantons Genf als Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen. Der TCS bezweckt<br />
gemäss Statuten „die Wahrung <strong>der</strong> Rechte und Interessen se<strong>in</strong>er<br />
Mitglie<strong>der</strong> im Strassenverkehr und im Bereiche <strong>der</strong> Mobilität im allgeme<strong>in</strong>en.<br />
Er för<strong>der</strong>t ihre touristischen Belange. Er trägt dabei dem Ge-<br />
11 Vgl. dazu nachfolgend S. 24 ff.<br />
12 E<strong>in</strong>e Ausnahme hiervon bilden Berufs- und Wirtschaftsverbände, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichts e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen, und grosse Sportvere<strong>in</strong>e. Sie werden<br />
daher <strong>in</strong> diesem Kapitel nicht ausführlich porträtiert.<br />
7
samt<strong>in</strong>teresse gebührend Rechnung. Der TCS erbr<strong>in</strong>gt für se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong><br />
im In- und Ausland Dienstleistungen <strong>in</strong> den Bereichen Hilfe, Schutz,<br />
Beratung, Sicherheit, Umwelt und Information, wie auch auf dem Gebiete<br />
des Tourismus und <strong>der</strong> Freizeit. Der TCS trifft und unterstützt<br />
Massnahmen im Rahmen se<strong>in</strong>er Zielsetzung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zur Hebung<br />
<strong>der</strong> Verkehrssicherheit.“<br />
Mitglie<strong>der</strong> des TCS können gemäss Statuten nur natürliche Personen<br />
se<strong>in</strong>. Gemäss Angaben des TCS „vertrauen heute dem TCS über 1.3<br />
Mio. Haushalte“. Der TCS erhebt jährliche Mitglie<strong>der</strong>beiträge. Er bietet<br />
verschiedene Versicherungen an, betreibt Camp<strong>in</strong>gplätze, Hotels und<br />
Reisebüros.<br />
b) Automobil Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Der Automobil Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (ACS), e<strong>in</strong>getragen im Handelsregister<br />
Bern-Mittelland, ist 1898 gegründet worden und bezweckt gemäss Statuten<br />
„den Zusammenschluss <strong>der</strong> Automobilisten zur Wahrung <strong>der</strong> verkehrspolitischen,<br />
wirtschaftlichen, touristischen, sportlichen und aller<br />
weiterer mit dem Automobilismus zusammenhängenden Interessen wie<br />
Konsumenten- und Umweltschutz“. Unter <strong>der</strong> Marg<strong>in</strong>alie „Zweck“<br />
wird weiter angeführt: „Er widmet <strong>der</strong> Strassenverkehrsgesetzgebung<br />
und ihrer Anwendung se<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit. Er setzt sich<br />
e<strong>in</strong> für die Sicherheit auf <strong>der</strong> Strasse und die Verkehrserziehung.“ Zusätzlich<br />
ist <strong>der</strong> Automobilclub <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> auch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational anerkannte<br />
Sportbehörde auf dem Gebiet des Automobilsports.<br />
Mitglie<strong>der</strong> des ACS s<strong>in</strong>d die Mitglie<strong>der</strong> (natürliche und juristische<br />
Personen) <strong>der</strong> Sektionen und Regionalverbände. Diese s<strong>in</strong>d ihrerseits<br />
selbständige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Gemäss Jahresbericht 1998 erreichte <strong>der</strong> Bestand<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> per 31.12.1998 knapp 110'000.<br />
3. Beispiele für <strong>in</strong>ternational tätige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit sehr grossen<br />
Umsätzen<br />
a) Comité International Olympique<br />
Das Comité International Olympique (C.I.O.) ist gemäss Statuten „une organisation<br />
<strong>in</strong>ternationale non-gouvernementale, à but non-lucratif, à<br />
forme d’association dotée de la personnalité juridique, reconnue par le<br />
8
Conseil fédéral suisse“. 13 Als „mission“ geben die Statuten an „de diriger<br />
le Mouvement olympique conformément à la Charte olympique“. Die<br />
„Charte Olympique“ ist „la codification des Pr<strong>in</strong>cipes fondamentaux,<br />
des Règles et des Textes d’application adoptés par le C.I.O.“. In <strong>der</strong><br />
„Charte Olympique“ wird die Rolle des C.I.O. def<strong>in</strong>iert: „Le rôle du<br />
C.I.O. est de diriger la promotion de l’Olympisme en accord avec la<br />
Charte olympique.“ Anschliessend wird aufgezählt, welche Handlungen<br />
das C.I.O. dazu vornimmt. Unter an<strong>der</strong>em wird festgehalten, das C.I.O.<br />
„assure la promotion et la mise en application des mesures visant à renforcer<br />
l’unité du Mouvement olympique; collabore avec les organisations<br />
et autorités publiques ou privées compétentes aux f<strong>in</strong>s de mettre le sport<br />
au service de l’humanité; assure la célébration régulière des Jeux<br />
Olympiques“. Sämtliche Mitglie<strong>der</strong> des C.I.O. s<strong>in</strong>d natürliche Personen,<br />
die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em aufwendigen Verfahren gewählt werden. Die Mitglie<strong>der</strong>zahl<br />
ist auf 115 beschränkt.<br />
Zum Thema „Ressources“ wird <strong>in</strong> den Statuten ausgeführt: „Le C.I.O.<br />
peut accepter des dons et legs et rechercher toutes autres ressources lui<br />
permettant de remplir ses tâches. Il perçoit des revenus provenant de<br />
l’exploitation de droits, y compris des droits de télévision, a<strong>in</strong>si que de la<br />
célébration des Jeux Olympiques.“ In <strong>der</strong> „Charte Olympique“ wird dazu<br />
festgehalten: „Les Jeux Olympiques sont la propriété exclusive du<br />
C.I.O. qui est titulaire de toutes les droits et tous les données s’y rapportant,<br />
notamment et sans restriction, tous les droits relatifs à leur organisation,<br />
exploitation, retransmission, enregistrement, présentation,<br />
reproduction, accès et diffusion quels qu’en soient la forme, les moyens<br />
ou les mécanismes qu’ils soient existants ou à venir.“<br />
Die F<strong>in</strong>anzierung des C.I.O. erfolgt heute weitgehend aus dem Verkauf<br />
von Fernsehrechten und E<strong>in</strong>trittskarten sowie durch E<strong>in</strong>nahmen<br />
aus Sponsorenschaften und Lizenzvergaben. Unter <strong>der</strong> Präsidentschaft<br />
von J. A. Samaranch hat e<strong>in</strong>e systematische Vermarktung <strong>der</strong> Olympischen<br />
Bewegung stattgefunden. Im Zeitraum 1989-1992 bezifferte das<br />
C.I.O. die E<strong>in</strong>nahmen aus dem „Olympic Market<strong>in</strong>g“ auf über USD 1.9<br />
Mrd. Davon gehen etwa 7 % an das C.I.O., die übrigen 93 % werden auf<br />
das Organisationskomitee, die nationalen Olympischen Komitees, das<br />
Programm „Olympische Solidarität“ (Unterstützungsprogramm für fi-<br />
13 Das C.I.O. ist nach herrschen<strong>der</strong> Ansicht ke<strong>in</strong> Völkerrechtssubjekt (ANDERSEN /<br />
WOYKE, Handwörterbuch Internationale Organisationen, 2. Auflage Opladen 1995,<br />
S. 229). An<strong>der</strong>s, als dies etwa beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />
OMPI <strong>der</strong> Fall ist, hat <strong>der</strong> Bundesrat nie die <strong>in</strong>ternationale Rechtspersönlichkeit und<br />
Rechtsfähigkeit des C.I.O. anerkannt.<br />
9
nanziell schwächere nationale Olympische Komitees) und die Internationalen<br />
Sportverbände verteilt. Die Gesamte<strong>in</strong>nahmen aus dem Verkauf<br />
<strong>der</strong> Fernsehrechte für die Olympischen Spiele <strong>in</strong> Barcelona im Jahr 1992<br />
und die W<strong>in</strong>terspiele 1992 beliefen sich auf USD 935 Mio. Im Zeitraum<br />
1989-1992 haben weltweit abgestimmte Sponsorship-Programme USD<br />
750 Mio. e<strong>in</strong>gebracht. Die Vermarktung <strong>der</strong> Olympischen Bewegung <strong>in</strong><br />
den Jahren 1993-1996 hat E<strong>in</strong>nahmen von USD 2.5 Mrd. e<strong>in</strong>gebracht,<br />
davon s<strong>in</strong>d USD 175 Mio. für das C.I.O. vorgesehen. Das Guthaben des<br />
C.I.O. wurde 1995 auf über CHF 170 Mio. geschätzt. Der Jahresetat belief<br />
sich auf über CHF 30 Mio. Die Errichtung des Olympischen Museums<br />
<strong>in</strong> Lausanne kostete bis zur Eröffnung ca. CHF 28 Mio. 14 Im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> geplanten und später verworfenen Befreiung des<br />
C.I.O. von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer wurde mit Mehrwertsteuerabgaben des<br />
C.I.O. von jährlich CHF 2 Mio. gerechnet. 15 Der gesamtwirtschaftliche<br />
Nutzen des C.I.O. für die Genfersee-Region wird auf CHF 100 Mio. geschätzt.<br />
16<br />
Das C.I.O. ist nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen. Organe des C.I.O.<br />
s<strong>in</strong>d gemäss Statuten „la Session“, „la Commission exécutive“ und „le<br />
Président“. E<strong>in</strong>e Kontrollstelle ist nicht vorgesehen.<br />
b) Fédération Internationale de Football Association<br />
Die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist e<strong>in</strong>e Internationale<br />
Organisation, die als Vere<strong>in</strong> nach schweizerischem Recht im<br />
Handelsregister des Kantons Zürich seit 1996 e<strong>in</strong>getragen ist. Gemäss<br />
Statuten setzt sich die FIFA „aus den ihr angeschlossenen und durch sie<br />
anerkannten Verbänden zusammen, welche den Association Football <strong>in</strong><br />
ihren Län<strong>der</strong>n kontrollieren“. Zweck <strong>der</strong> FIFA ist gemäss Statuten unter<br />
an<strong>der</strong>em: „Den Association Football <strong>in</strong> je<strong>der</strong> ihr angebracht ersche<strong>in</strong>enden<br />
Weise zu för<strong>der</strong>n. Durch Anregung zur Durchführung von Fussballspielen<br />
auf allen Ebenen und durch Unterstützung des Association<br />
Football mit Hilfe aller ihr nützlich ersche<strong>in</strong>enden Mittel die freundschaftlichen<br />
Beziehungen zwischen Verbänden, Konfö<strong>der</strong>ationen sowie<br />
<strong>der</strong>en Offiziellen und Spielern zu för<strong>der</strong>n.“ Die FIFA erhebt von ihren<br />
Mitglie<strong>der</strong>n Mitglie<strong>der</strong>beiträge. In den Statuten wird ausserdem festge-<br />
14 Sämtliche Angaben stammen aus ANDERSEN / WOYKE, Handwörterbuch Internationale<br />
Organisationen, 2. Auflage Opladen 1995, S. 229 f.<br />
15 „Olympische Verzögerung“ im Stän<strong>der</strong>at, NZZ vom 1.10.1998, S. 13.<br />
16 So e<strong>in</strong>e Studie <strong>der</strong> Universität Lausanne, zitiert <strong>in</strong>: Umstrittene Mehrwertsteuerbefreiung<br />
für das IOK, NZZ vom 29.09.1998, S. 17.<br />
10
halten: „Die FIFA, ihre Verbände, Konfö<strong>der</strong>ationen und Klubs s<strong>in</strong>d Eigentümer<br />
aller exklusiven Rechte <strong>der</strong> audiovisuellen o<strong>der</strong> rundfunktechnischen<br />
direkten, zeitverschobenen o<strong>der</strong> zusammenfassenden<br />
Übertragung von Veranstaltungen, die <strong>in</strong> ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich<br />
fallen.“ Zusätzlich hat je<strong>der</strong> Verband <strong>der</strong> FIFA von jedem<br />
Län<strong>der</strong>spiel, das zwischen zwei „A“-Nationalmannschaften ausgetragen<br />
wird, <strong>der</strong> FIFA e<strong>in</strong>e Abgabe aus den Bruttoe<strong>in</strong>nahmen zu entrichten.<br />
Das Gesamtbudget des World Cup 1994 wird auf über USD 1 Mrd.<br />
geschätzt, wovon USD 275 Mio. durch den Verkauf <strong>der</strong> Fernsehrechte,<br />
USD 250 Mio. von Grosssponsoren und USD 210 Mio. durch den Verkauf<br />
von E<strong>in</strong>trittskarten erzielt wurden. Die Gesamte<strong>in</strong>nahmen s<strong>in</strong>d mit<br />
USD 4 Mrd. veranschlagt worden. In den Jahren 1990-1993 betrug <strong>der</strong><br />
Überschuss <strong>der</strong> FIFA nach eigenen Angaben CHF 2.2 Mio., für den<br />
Zeitraum 1994-1997 war e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n von CHF 7.2 Mio. anvisiert. 17 Alle<strong>in</strong><br />
für die Übertragungsrechte <strong>der</strong> Fussballweltmeisterschaften 2002<br />
und 2006 s<strong>in</strong>d CHF 2.8 Mrd. an die FIFA geflossen. 18<br />
c) Union des Associations Européennes de Football (UEFA)<br />
Die Union des Associations Européennes de Football (UEFA) hat ihren Sitz<br />
<strong>in</strong> Nyon und ist im Handelsregister des Kantons Waadt e<strong>in</strong>getragen. Die<br />
UEFA ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Verbände, die <strong>der</strong> FIFA angeschlossen und von dieser<br />
anerkannt s<strong>in</strong>d. Die UEFA hat gemäss Statuten unter an<strong>der</strong>em „pour<br />
but“: „De traiter toutes les questions qui concernent le football européen;<br />
de promouvoir le football en Europe dans un esprit de paix, de<br />
compréhension et de fair-play, sans discrim<strong>in</strong>ation fondée sur la politique,<br />
le sexe, la religion ou la race; de sauvegar<strong>der</strong> les <strong>in</strong>térêts collectifs<br />
des associations; de préparer et d’organiser des compétitions <strong>in</strong>ternationales<br />
et des tournois <strong>in</strong>ternationaux de football européen.“ Mitglie<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> UEFA s<strong>in</strong>d nationale Verbände. Die Statuten führen aus: „Les recettes<br />
de l’UEFA sont composées des contributions, prélèvements et autres<br />
revenus suivants: Une cotisation annuelle de CHF 300.– par association<br />
[...]; les droits d’<strong>in</strong>scription aux compétitions [...]; les revenus et<br />
prélèvements réglementaires qui proviennent de recettes de la vente de<br />
billets, de la télévision et de la publicité lors de compétitions de l’UEFA<br />
[...]; les prélèvements sur les matches de compétitions de la FIFA [...]; les<br />
17<br />
Angaben bei ANDERSEN / WOYKE, Handwörterbuch Internationale Organisationen,<br />
2. Auflage Opladen 1995, S. 410.<br />
18<br />
URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld von Spiel und Wirtschaft, SJZ 94 (1998),<br />
S. 292.<br />
11
prélèvements sur les matches des équipes nationales [...].“ Die Statuten<br />
halten bezüglich Übertragungsrechte fest: „Pour les matches qui sont<br />
dans leur doma<strong>in</strong>e de compétence, l’UEFA et ses associations détiennent<br />
le droit exclusif d’autoriser des transmissions audiovisuelles ou radiophoniques<br />
a<strong>in</strong>si que toute autre exploitation et distribution au moyen<br />
de supports visuels ou de sons, que ce soit en direct ou en différé, en entier<br />
ou sous forme d’extraits.“<br />
Die Bilanzsumme <strong>der</strong> UEFA betrug per Ende 1999 CHF 540.9 Mio.<br />
Per Ende 2000 wird mit e<strong>in</strong>er Bilanzsumme von CHF 1 Mrd. gerechnet.<br />
19<br />
An die 32 Clubs, welche <strong>der</strong> von <strong>der</strong> UEFA organisierten Champions<br />
League angehören, konnten im Wettbewerb 1999/2000 rund CHF 611<br />
Mio. ausbezahlt werden. Gesamthaft wird für das Geschäftsjahr 2000<br />
mit e<strong>in</strong>em Geldfluss aus <strong>der</strong> UEFA von CHF 750 Mio. gerechnet. Daneben<br />
kann die UEFA stattliche Zuwendungen an Fonds und Rückstellungen<br />
tätigen: Per 31.12.1999 beliefen sich die entsprechenden Bilanzpositionen<br />
auf über CHF 290 Mio. 20<br />
d) Internationales Komitee vom Roten Kreuz<br />
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist e<strong>in</strong>e nichtstaatliche,<br />
unabhängige humanitäre Organisation 21 , die als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB<br />
organisiert ist und Völkerrechtspersönlichkeit geniesst. 22<br />
Das IKRK hat maximal 25 Mitglie<strong>der</strong>, die allesamt <strong>Schweiz</strong>er Bürger<strong>in</strong>nen<br />
und Bürger s<strong>in</strong>d. Das IKRK f<strong>in</strong>anziert sich aus freiwilligen Beiträgen<br />
<strong>der</strong> Regierungen und <strong>der</strong> nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften.<br />
23 Im Jahr 1999 betrugen die Ausgaben des IKRK für<br />
„activities at headquarters“ CHF 149.3 Mio., für „activities <strong>in</strong> the field“<br />
CHF 713.1 Mio. Für das Jahr 2000 waren total über CHF 1 Mrd.<br />
budgetiert. Für das Budget 1998 bis 2001 hat alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er<br />
19<br />
NZZ vom 25.08.2000, S. 51.<br />
20<br />
A.a.O.<br />
21<br />
ANDERSEN / WOYKE, Handwörterbuch Internationale Organisationen, 2. Auflage<br />
Opladen 1995, S. 197; SEIDL-HOHENVELDERN / LOIBL, Das Recht <strong>der</strong> Internationalen<br />
Organisationen e<strong>in</strong>schliesslich <strong>der</strong> Supranationalen Geme<strong>in</strong>schaften, 6. Auflage Köln<br />
1996, RZ 0104.<br />
22<br />
Zur Anerkennung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit des<br />
IKRK durch den Bundesrat vgl. SR 0.192.122.50.<br />
23<br />
ANDERSEN / WOYKE, a.a.O., S. 197.<br />
12
Bundesrat dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes e<strong>in</strong>en<br />
Betrag von CHF 275 Mio. zugesprochen. 24<br />
Das ständige Personal am Sitz des IKRK <strong>in</strong> Genf umfasst über 600<br />
Personen. 25<br />
4. Beispiele für Dachorganisationen weltweit tätiger<br />
Unternehmen<br />
a) Deloitte Touche Tohmatsu<br />
Im Handelsregister des Kantons Zürich ist unter dem Namen Deloitte<br />
Touche Tohmatsu e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen, dessen Mitglie<strong>der</strong> laut Statuten<br />
Berufsfirmen s<strong>in</strong>d, die im Bereich <strong>der</strong> Beratungsdienstleistungen tätig<br />
s<strong>in</strong>d und Dienstleistungen auf den Gebieten Buchhaltung, Buchprüfung,<br />
Insolvenz, Recht, Unternehmensberatung, Steuern und damit verwandte<br />
Dienstleistungen erbr<strong>in</strong>gen. 26<br />
Der Vere<strong>in</strong> bezweckt: „Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />
Zusammenarbeit und des Zusammenhalts zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n; die<br />
Gewährleistung von geme<strong>in</strong>samen beruflichen Leistungsstandards von<br />
höchster Qualität für die Praxis; die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen und<br />
nationalen Führungsrolle <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung von<br />
Beratungsdienstleistungen; und alle an<strong>der</strong>en Tätigkeiten, die mit den<br />
oben erwähnten Zwecken zusammenhängen.“<br />
Die Mitglie<strong>der</strong> verpflichten sich gegenüber dem Vere<strong>in</strong> unter an<strong>der</strong>em<br />
zur E<strong>in</strong>haltung von professionellen Standards und zur Vornahme von<br />
Qualitätskontrollen.<br />
Untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verpflichten sich die Mitglie<strong>der</strong> zur Respektierung exklusiver<br />
Privilegien <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong>nerhalb von Gebietshoheiten,<br />
zur Information und Zusammenarbeit <strong>in</strong> bestimmten Gebieten und<br />
zur Vermittlung von Kundschaft und Kontakten.<br />
Der Vere<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> haben Rechte und Pflichten betreffend<br />
den Gebrauch des Namens „Deloitte Touche Tohmatsu“ und an<strong>der</strong>er<br />
Namensrechte, welche nicht <strong>in</strong> den Statuten, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Reglement<br />
geregelt s<strong>in</strong>d.<br />
24 Pressemitteilung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten<br />
betreffend F<strong>in</strong>anzhilfe des Bundes an das Budget des Sitzes des Internationalen Komitees<br />
vom Roten Kreuz vom 2.06.1997.<br />
25 ANDERSEN / WOYKE, a.a.O., S. 197.<br />
26 Ähnliche Zwecke dürfte auch <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> „Touche Ross International“ verfolgt haben, <strong>der</strong><br />
von 1983 bis 1997 im Handelsregister des Kantons Zürich e<strong>in</strong>getragen war.<br />
13
Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> können unter an<strong>der</strong>em bei unprofessionellem, ungehörigem<br />
o<strong>der</strong> statutenwidrigem Verhalten ausgeschlossen werden.<br />
b) Deloitte Consult<strong>in</strong>g<br />
Unter dem Namen Deloitte Consult<strong>in</strong>g 27 ist im Handelsregister des<br />
Kantons Basel-Stadt e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen, <strong>der</strong> ähnlich organisiert ist<br />
wie <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> Deloitte Touche Tohmatsu. Der Vere<strong>in</strong> Deloitte Consult<strong>in</strong>g<br />
bezweckt unter an<strong>der</strong>em die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>er<br />
umfassenden, nahtlosen, weltweiten Consult<strong>in</strong>gpraxis von Weltrang.<br />
c) KPMG International<br />
Unter dem Namen KPMG International ist im Handelsregister des<br />
Kantons Zürich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen, <strong>der</strong> 1987 gegründet worden ist.<br />
Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d die Gründungsunternehmen sowie „any<br />
partnership, corporation or any other entity“, die als Mitglie<strong>der</strong><br />
aufgenommen werden. Die Gründungsmitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d die Deutsche<br />
Treuhand-Gesellschaft, KMG Klynveld Kraayenhof & Co., Peat<br />
Marwick, Ma<strong>in</strong> & Co. sowie Peat, Marwick, McL<strong>in</strong>tock.<br />
Der Vere<strong>in</strong> bezweckt gemäss Statuten 28 : „Bildung e<strong>in</strong>er starken,<br />
zusammenhängenden <strong>in</strong>ternationalen Organisation, die aus führenden<br />
nationalen Firmen besteht und <strong>in</strong> welcher ke<strong>in</strong>e Firma dom<strong>in</strong>iert;<br />
Zurverfügungstellung, Koord<strong>in</strong>ation und Unterstützung, seitens se<strong>in</strong>er<br />
Mitglie<strong>der</strong>, von Dienstleistungen von höchster Qualität im Revisions-,<br />
Buchhaltungs- und Steuerwesen, auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />
Unternehmensberatung und auf an<strong>der</strong>en vom Ausschuss bezeichneten<br />
Gebieten; För<strong>der</strong>ung des Gebrauchs des Namens ‚KPMG’ <strong>in</strong> <strong>der</strong> ganzen<br />
Welt; För<strong>der</strong>ung des Erfolgs und des Ansehens sowie <strong>der</strong> Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, überall <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt qualifizierte Dienstleistungen<br />
anzubieten; Erleichterung <strong>der</strong> Festlegung und Erhaltung von<br />
anspruchsvollen und übere<strong>in</strong>stimmenden Arbeits- und<br />
Verhaltensnormen für die Mitglie<strong>der</strong> und Erteilung von Ratschlägen<br />
<strong>in</strong>bezug auf Normen, an die sich jedes Vere<strong>in</strong>smitglied halten sollte;<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung von Auslän<strong>der</strong>n, wenn e<strong>in</strong>e solche auf Grund<br />
bestehen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> potentieller Anfor<strong>der</strong>ungen von Kunden zweckmässig<br />
ersche<strong>in</strong>t, um sicherzustellen, dass ihnen die Erfahrung von Auslän<strong>der</strong>n<br />
und Anghörigen des Staates, <strong>in</strong> dem sie ihre Tätigkeit ausüben, zur<br />
27 Früher Deloitte & Touche Consult<strong>in</strong>g Group.<br />
28 Übersetzung gemäss Handelsregisterauszug.<br />
14
Verfügung gestellt wird.“ Die Statuten enthalten die Verpflichtung <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong>, gewissen Berufsstandards zu entsprechen.<br />
In den Statuten ist festgehalten, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> das exklusive Recht<br />
habe, die Bezeichnungen „KPMG“, „KPMG International“ und<br />
„Klynveld Peat Marwick Goerdeler“ <strong>in</strong> Lizenz zu vergeben. Gemäss<br />
Statuten schliesst <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n diesbezüglich<br />
Lizenzverträge ab.<br />
d) KLegal International Association<br />
Seit dem 3. Oktober 2000 ist im Handelsregister des Kantons Zürich<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> KLegal International Association e<strong>in</strong>getragen. Der Zweck des<br />
Vere<strong>in</strong>s ist <strong>in</strong> den Statuten wie folgt umschrieben: „ (a) Bildung e<strong>in</strong>er<br />
starken, zusammenhängenden <strong>in</strong>ternationalen Organisation, die aus<br />
führenden, unabhängigen nationalen Firmen besteht, welche <strong>in</strong> ihrer<br />
jeweiligen Gerichtsbarkeit zur Erbr<strong>in</strong>gung juristischer Dienstleistungen<br />
zugelassen s<strong>in</strong>d. Die Bildung dieser Organisation erfolgt im H<strong>in</strong>blick<br />
darauf, die gegenseitige Unterstützung und die Zusammenarbeit unter<br />
den Mitglie<strong>der</strong>n zu för<strong>der</strong>n sowie die Ausübung <strong>der</strong> Dienstleistungen<br />
zum Nutzen dieser Firmen und ihrer Kunden zu verbessern und zu<br />
entwickeln, wobei die Ausübung dieser Diestleistungen <strong>in</strong> zunehmendem<br />
Masse global und multidiszipl<strong>in</strong>är wird. (b) Koord<strong>in</strong>ation und<br />
Unterstützung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung von Dienstleistungen<br />
höchster Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtspraxis und an<strong>der</strong>er verwandter Gebiete,<br />
die <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Gerichtsbarkeit des Mitgliedes und <strong>in</strong> dem Gebiet /<br />
den Gebieten erlaubt s<strong>in</strong>d, wo das fragliche Mitglied gestützt auf<br />
bestehende Gesetze sowie Anwalts- o<strong>der</strong> Berufsvorschriften, welche die<br />
Praxis regeln, tätig se<strong>in</strong> darf. (c) För<strong>der</strong>ung und Ausweitung des<br />
Gebrauchs des Namens KLegal International <strong>in</strong> <strong>der</strong> ganzen Welt und<br />
För<strong>der</strong>ung weiterer lokaler Namen, die bereits durch Mitglie<strong>der</strong> im<br />
Inland benützt werden o<strong>der</strong> benützt werden möchten, vorausgesetzt<br />
<strong>der</strong>artige neue Namen seien vom Verwaltungsrat genehmigt worden. (d)<br />
För<strong>der</strong>ung des Erfolgs und des Ansehens aller Mitglie<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en<br />
Fähigkeit überall auf <strong>der</strong> Welt Dienstleistungen höchster Qualität zu<br />
erbr<strong>in</strong>gen, sei es durch die Mitglie<strong>der</strong> selbst o<strong>der</strong> unter Mithilfe o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dung mit an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n. (e) Erleichterung <strong>der</strong> Festigung<br />
und Aufrechterhaltung hoher und e<strong>in</strong>heitlicher Arbeits- und<br />
Verhaltensnormen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. Beratung h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Normen,<br />
Grundsätze, Strategien, Verfahren, Programme und Empfehlungen für<br />
die Erbr<strong>in</strong>gung professioneller Dienstleistungen, an welche sich jedes<br />
Mitglied halten sollte, <strong>in</strong> jedem Fall unter Vorbehalt <strong>der</strong> anwendbaren<br />
15
Gesetze, Vorschriften o<strong>der</strong> Normen <strong>der</strong> beruflichen Praxis o<strong>der</strong><br />
Gebräuche <strong>in</strong> <strong>der</strong> betreffenden Gerichtsbarkeit. (f) Wann immer<br />
gerechtfertigt auf Grund bestehen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> möglicher<br />
Kundenbedürfnisse, die Erleichterung <strong>der</strong> Anstellung von Auslän<strong>der</strong>n,<br />
um sicherzustellen, dass den Kunden die komb<strong>in</strong>ierte Erfahrung<br />
qualifizierter Juristen zur Verfügung gestellt wird, die <strong>der</strong>artige<br />
Kundenbedürfnisse erfüllen können. (g) Ausübung weiterer, mit dem<br />
hier festgelegten Zweck verbundener o<strong>der</strong> für den Vere<strong>in</strong> för<strong>der</strong>licher<br />
Funktionen.“ In den Statuten ist ausdrücklich festgehalten: „Der Vere<strong>in</strong><br />
betreibt ke<strong>in</strong> Handels-, Fabrikations- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>es nach kaufmännischer<br />
Art geführtes Gewerbe, noch übt er generell irgende<strong>in</strong>e Tätigkeit aus,<br />
ausser <strong>in</strong> Zusammenhang mit den [...] umschriebenen Aktivitäten.“<br />
Die Mitgliedschaft setzt sich aus den Gründungsmitglie<strong>der</strong>n und<br />
später als Mitglied aufgenommenen Gesellschaften, Aktiengesellschaften<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Vere<strong>in</strong>igungen zusammen. Gründungsmitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d<br />
KLegal, UK; Ste<strong>in</strong>s Bisschop Meijburg & Co; Fiduciaire Juridique et<br />
Fiscale de France (FIDAL); Wildgen, Spielmann, Metzler & Ries;<br />
KPMG Abogados, S.L sowie KPMG Legal, Australia. Als Bed<strong>in</strong>gung<br />
nennen die Statuten, dass die e<strong>in</strong>zelnen praktizierenden Anwälte e<strong>in</strong>es<br />
jeden Mitglieds „zur betreffenden Anwaltschaft o<strong>der</strong> Juristenvere<strong>in</strong>igung<br />
zugelassen und/o<strong>der</strong> den lokalen Gesetzen und auf Anwaltsfirmen<br />
anwendbaren Vorschriften unterworfen“ se<strong>in</strong> müssen. Die Mitglie<strong>der</strong><br />
verpflichten sich zur E<strong>in</strong>haltung „beruflicher und ethischer Grundsätze<br />
und Praxisnormen“ des Vere<strong>in</strong>s und grundlegen<strong>der</strong> ethischer<br />
Grundsätze sowie zum Beitritt zu e<strong>in</strong>em Berufshaftpflichtversicherungs-<br />
Programm.<br />
Jedes Mitglied hat mit dem Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Mitgliedschafts- und e<strong>in</strong>en<br />
Lizenzvertrag abzuschliessen. Im Lizenzvertrag wird das Recht geregelt,<br />
den Namen „KLegal International“ und das dazugehörige Logo zu<br />
verwenden.<br />
e) Coopers & Lybrand International<br />
Unter dem Namen Coopers & Lybrand International ist im Handelsregister<br />
des Kantons Zürich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen, <strong>der</strong> 1995 gegründet<br />
worden ist. Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d Unternehmen, welche <strong>in</strong> den Bereichen<br />
Buchführung, Buchprüfung, Steuern und Management-Beratung<br />
Dienstleistungen erbr<strong>in</strong>gen. Die Mitgliedschaft im Vere<strong>in</strong> Coopers & Lybrand<br />
International verleiht das Recht, die Bezeichnung „Coopers & Lybrand“<br />
zu verwenden, das heisst namentlich die Geschäftstätigkeit unter<br />
dieser Bezeichnung auszuüben. Im Gegenzug verpflichten sich die Mit-<br />
16
glie<strong>der</strong> im wesentlichen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit den<br />
Zweck und die Politik des Vere<strong>in</strong>s zu unterstützen und zu för<strong>der</strong>n, den<br />
Anordnungen des Vere<strong>in</strong>s bezüglich <strong>der</strong> Geschäftsführung Folge zu leisten,<br />
Aufträge <strong>in</strong> bestimmten regionalen Gebieten an die dort tätigen<br />
Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> zu vermitteln sowie sich den vom Vere<strong>in</strong> festgelegten<br />
Qualitätsstandards bezüglich Berufsausübung, Verhalten und Ethik zu<br />
unterstellen. Für Verstösse gegen diese Pflichten sehen die Statuten diverse<br />
Sanktionen vor, die von Weisungen über Massnahmen und das<br />
Recht zum Entzug des Gebrauchsrechts <strong>der</strong> Bezeichnung „Coopers &<br />
Lybrand“ bis zum Ausschluss reichen.<br />
Als Zweck des Vere<strong>in</strong>s bezeichnen die Statuten: „Die gegenseitige<br />
Unterstützung, die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt zwischen<br />
den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n im H<strong>in</strong>blick auf <strong>der</strong>en Berufsausübung zu för<strong>der</strong>n;<br />
den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Leitbild zu geben; mögliche<br />
Geschäftsaktivitäten für die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> zu erkennen und<br />
Prioritäten festzulegen; Qualitätsstandards bezüglich Berufsausübung,<br />
-verhalten und -ethik im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung <strong>der</strong><br />
Dienstleistungen durch die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> festzulegen und die Befolgung<br />
dieser Qualitätsstandards zu überprüfen; die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> betreffend<br />
Organisation und Erbr<strong>in</strong>gung von Dienstleistungen zu beraten;<br />
allgeme<strong>in</strong> das nationale und <strong>in</strong>ternationale Ansehen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung <strong>der</strong> Dienstleistungen zu för<strong>der</strong>n; weitere Tätigkeiten<br />
auszuüben, die <strong>der</strong> Verfolgung <strong>der</strong> vorgenannten Zwecke dienen<br />
o<strong>der</strong> mit diesen im Zusammenhang stehen; und von den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n,<br />
unabhängig von den Mitglie<strong>der</strong>beiträgen, jene Beiträge zu verlangen<br />
o<strong>der</strong> diesen zukommen zu lassen, die das Exekutivkomitee für die<br />
Erreichung bestimmter, im Rahmen <strong>der</strong> vorgenannten Zwecke liegen<strong>der</strong><br />
Ziele als notwendig o<strong>der</strong> angemessen erachtet.“<br />
Die Statuten sehen vor, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> diejenigen Dienstleistungen<br />
erbr<strong>in</strong>gen und diejenigen Investitionen direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt tätigen soll,<br />
„die se<strong>in</strong>em Zweck entsprechen“.<br />
Aus den Statuten ergibt sich, dass nebst diesen auch Reglemente und<br />
e<strong>in</strong> Zusatzabkommen betreffend Mitgliedschaft bestehen.<br />
5. Beispiele für weitere „atypische <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>“<br />
a) Organisation <strong>in</strong>ternationale de normalisation<br />
Die Organisation <strong>in</strong>ternationale de normalisation (ISO) ist 1947 gegründet<br />
worden. Zum Sitz und zur Rechtsform <strong>der</strong> ISO bestimmen die Statuten:<br />
„L’Organisation fixe elle-même le lieu de son siège et, à mo<strong>in</strong>s qu’elle<br />
17
n’en décide autrement, il se trouve à Genève (Suisse). Tant que le siège<br />
de l’Organisation est en Suisse, des mesures sont prises pour que<br />
l’Organisation jouisse de la personnalité civile conformément aux Articles<br />
60 et suivants du Code civil suisse. Si le siège de l’Organisation est<br />
transféré dans un autre pays et si des dispositions légales semblables<br />
sont jugées utiles, ces dispositions seront prises si elles sont approuvées<br />
par le Conseil et ratifiées par l’Assemblée générale.“<br />
Gemäss Statuten hat die ISO „l’objet [...] de favoriser le développment<br />
de la normalisation et des activités connexes dans le monde, en vue de<br />
faciliter entre les nations les échanges de marchandises et les prestations<br />
de services et de réaliser une entente dans les doma<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tellectuel,<br />
scientifique, technique et économique. A cette f<strong>in</strong>, l’Organisation peut<br />
notamment: Prendre des dispositions pour faciliter l’harmonisation des<br />
normes et des activités connexes au plan mondial; élaborer et publier des<br />
Normes <strong>in</strong>ternationales et prendre des dispositions pour leur mise en<br />
application au plan mondial; organiser l’échange d’<strong>in</strong>formation relative<br />
aux travaux de ses membres et de ses comités techniques; coopérer avec<br />
les organisations <strong>in</strong>ternationales <strong>in</strong>téressées par des matières connexes<br />
et, en particulier, effectuer à leur demande des études relatives à des projets<br />
de normalisation.“<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> ISO s<strong>in</strong>d nationale Organisationen aus vielen Län<strong>der</strong>n.<br />
Die Statuten bestimmen: „Les fonds de l’Organisation proviennent des<br />
cotisations et des contributions des membres a<strong>in</strong>si que de la vente des<br />
publications.“ Die Statuten sehen weiter vor, dass <strong>der</strong> Generalversammlung<br />
jährlich e<strong>in</strong> Budget für das Folgejahr unterbreitet wird.<br />
b) Sport-Toto-Gesellschaft<br />
Die Sport-Toto-Gesellschaft ist e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> mit Sitz <strong>in</strong> Basel, <strong>der</strong> im Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>getragen ist. Die Sport-Toto-Gesellschaft „bezweckt die Beschaffung<br />
von Mitteln zur Unterstützung und Mitf<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />
sportlichen Erziehung <strong>der</strong> Jugend und des Amateursportes.“ Sie führt<br />
wöchentlich Wetten mit Voraussagen des Ausgangs von sportlichen<br />
Wettkämpfen durch. Gemäss Statuten hat <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> „ke<strong>in</strong>en Erwerbszweck“.<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sport-Toto-Gesellschaft s<strong>in</strong>d neben verschiedenen<br />
Vertretern von Kantonen auch „die Sportorganisationen, vertreten<br />
durch den <strong>Schweiz</strong>erischen Olympischen Verband [...]davon immer mit<br />
e<strong>in</strong>em Vertreter des <strong>Schweiz</strong>erischen Fussball-Verbandes“.<br />
Die Statuten bestimmen unter dem Titel „F<strong>in</strong>anzielle Bestimmungen“:<br />
„Die beteiligten Kantone erhalten vom Betriebsergebnis vorweg 2 % des<br />
Wette<strong>in</strong>satzes e<strong>in</strong>schliesslich allfälliger Bewilligungsgebühren.“ Ausser-<br />
18
dem wird festgehalten: „Die Sport-Toto-Gesellschaft unterstützt die För<strong>der</strong>ung<br />
des Fussballsportes. Zu diesem Zwecke kann sie dem <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Fussballverband Zuschüsse leisten. Über die Verwendung dieser<br />
Entschädigung entscheidet <strong>der</strong> Ausschuss, <strong>der</strong> paritätisch aus Vertretern<br />
<strong>der</strong> Sport-Toto-Gesellschaft und des <strong>Schweiz</strong>erischen Fussballverbandes zusammengesetzt<br />
ist.“ Vom Re<strong>in</strong>gew<strong>in</strong>n gehen gemäss Statuten ausserdem 25<br />
% an den <strong>Schweiz</strong>erischen Olympischen Verband und 75 % an die beteiligten<br />
Kantone. Die dem <strong>Schweiz</strong>erischen Olympischen Verband zugehenden Mittel<br />
„sollen gemäss dem vom Exekutivrat des Olympischen Verbandes und<br />
vom Vorstand <strong>der</strong> Sport-Toto-Gesellschaft genehmigten Reglement über die<br />
Verteilung <strong>der</strong> Sport-Toto-Gel<strong>der</strong> des <strong>Schweiz</strong>erischen Olympischen Verbandes<br />
verwendet werden.“ Bezüglich <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Gel<strong>der</strong> durch die<br />
Kantone wird bestimmt: „Die Anteile <strong>der</strong> Kantone s<strong>in</strong>d von ihnen im<br />
S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Art. 3 und 5 des Bundesgesetzes über die Lotterien und die<br />
gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923 zur Unterstützung und zur<br />
Mitf<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> sportlichen Erziehung <strong>der</strong> Jugend und des Amateursportes<br />
zu verwenden. Als Leistungen <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne gelten<br />
beispielsweise Beiträge an die Erstellung und den Unterhalt von Turn-,<br />
Spiel- und Sportplatzanlagen sowie Schiesse<strong>in</strong>richtungen, soweit die<br />
Bau- und Unterhaltspflicht nicht öffentlichrechtlicher Natur ist.“<br />
Seit ihrer Gründung im Jahre 1938 hat die Sport-Toto-Gesellschaft „dem<br />
Sport“ über CHF 1.6 Milliarden zukommen lassen.<br />
6. Gründe für die Attraktivität des schweizerischen Vere<strong>in</strong>s für<br />
wirtschaftlich ausgerichtete Zusammenschlüsse<br />
Die dargestellten Beispiele zeigen, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> als juristische Person<br />
nach schweizerischem Recht e<strong>in</strong>e auch im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich<br />
attraktive Rechtsform darstellt. Gestützt auf den im schweizerischen<br />
Recht tief verwurzelten Grundsatz <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit 29 ist die Regelung<br />
des Vere<strong>in</strong>srechts im ZGB aussgesprochen freiheitlich. Der Vere<strong>in</strong> ist<br />
29 Diese be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>erseits das verfassungsmässige Individualrecht auf freie Me<strong>in</strong>ungsäusserung<br />
<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform (verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit, Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit)<br />
und an<strong>der</strong>erseits die hier relevante privatrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit (teilweise auch als Vere<strong>in</strong>sautonomie<br />
bezeichnet, so z.B. durch PEDRAZZINI / OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts,<br />
4. Auflage Bern 1993, 9.1.1; <strong>in</strong> an<strong>der</strong>em S<strong>in</strong>ne verwendet ANTON HEINI,<br />
Vorbemerkungen zu Art. 60-79 ZGB N 7 ff., Basel 1996, den Begriff Vere<strong>in</strong>s- o<strong>der</strong> Verbandsautonomie:<br />
er versteht darunter das Selbstbestimmungsrecht des Vere<strong>in</strong>s und wirft<br />
die Frage auf, <strong>in</strong>wieweit sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>er Fremdbestimmung unterwerfen können; vgl.<br />
auch BGE 97 II 108). Vgl. dazu ausführlich S. 129 ff.<br />
19
deshalb e<strong>in</strong>e ausserordentlich flexible Gesellschaftsform und kann als<br />
Organisationsform für verschiedenste Ersche<strong>in</strong>ungen dienen. 30<br />
Abgesehen von den grundsätzlichen Freiheiten, welche aufgrund <strong>der</strong><br />
weitgehend dispositiven Regelung im H<strong>in</strong>blick auf die Organisation bestehen,<br />
bietet das Vere<strong>in</strong>srecht – etwa im Gegensatz zum Recht <strong>der</strong> Aktiengesellschaft<br />
31 – die Möglichkeit, den Mitglie<strong>der</strong>n weitgehende nichtf<strong>in</strong>anzielle<br />
Pflichten (wie zum Beispiel die E<strong>in</strong>haltung von Berufs- o<strong>der</strong><br />
Ethikregeln) auf gesellschaftsrechtlicher Ebene aufzuerlegen. 32 Im Gegensatz<br />
zur Genossenschaft 33 besteht im Vere<strong>in</strong>srecht ke<strong>in</strong>e Pflicht zur<br />
„offenen Türe“. Mitglie<strong>der</strong> können bei entsprechen<strong>der</strong> Ausgestaltung<br />
<strong>der</strong> Statuten auch ohne die Angabe von Gründen wie<strong>der</strong> ausgeschlossen<br />
werden, ohne dass e<strong>in</strong> Gericht den Ausschlussgrund überprüfen kann. 34<br />
An<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft 35 bestehen für die Mitgliedschaft 36<br />
und die Bestellung <strong>der</strong> Organe 37 ke<strong>in</strong>erlei E<strong>in</strong>schränkungen betreffend<br />
Nationalität. Generell kann die Tätigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s weitgehend geheim<br />
gehalten werden. 38 Schliesslich bestehen – etwa im Gegensatz zur<br />
30<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch HAUSHEER / AEBI, Das Personenrecht des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Zivilgesetzbuches, Bern 1999, RZ 18.03.<br />
31<br />
Art. 680 Abs. 1 OR.<br />
32<br />
Vgl. dazu S. 153 ff.<br />
33<br />
Art. 828 und 839 OR, siehe S. 167 ff.<br />
34<br />
Art. 72 ZGB. Vgl. dazu S. 162 ff.<br />
35<br />
Art. 708 Abs. 1 OR.<br />
36<br />
Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s können natürliche und juristische Personen nach schweizerischem<br />
o<strong>der</strong> ausländischem Recht se<strong>in</strong>. Selbst die Mitgliedschaft e<strong>in</strong>facher Gesellschaften<br />
ist denkbar (ANTON HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 49 f.). An<strong>der</strong>er<br />
Ansicht HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 9, Bern 1990: E<strong>in</strong>fache<br />
Gesellschaften können nicht Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> se<strong>in</strong>, da sie als solche nicht rechtsfähig<br />
s<strong>in</strong>d. Möglich ist nur e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>schaftliche Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />
Gesellschaft.<br />
37<br />
E<strong>in</strong>e Ausnahme ergibt sich gemäss Gesetz für die Bestellung <strong>der</strong> Liquidatoren, vgl. Art.<br />
740 Abs. 3 OR i.V.m. Art. 913 OR und Art. 58 ZGB.<br />
38<br />
Zwar müssen die Statuten e<strong>in</strong>es <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>s <strong>der</strong> Öffentlichkeit bekannt gegeben werden,<br />
wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>getragen wird; nebst den eigentlichen Statuten<br />
können jedoch zusätzlich b<strong>in</strong>dende geheime Reglemente aufgestellt werden. Ausserdem<br />
können sich die Mitglie<strong>der</strong> untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> geheimen Verträgen verpflichten. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
unterstehen ke<strong>in</strong>er behördlichen Aufsicht. Nach geltendem Recht besteht ausser zu Steuerzwecken<br />
ke<strong>in</strong>e Pflicht zur Offenbarung von F<strong>in</strong>anz- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Daten. Das Verhältnis<br />
zwischen Vere<strong>in</strong> und Mitglie<strong>der</strong>n kann zudem e<strong>in</strong>er Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt<br />
werden.<br />
20
Genossenschaft 39 – ke<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>genden Vorschriften über das Stimmrecht.<br />
40<br />
Die genannten Vorschriften zu den übrigen Gesellschaftsformen führen<br />
dazu, dass für e<strong>in</strong>e Reihe von legitimen Bedürfnissen des Rechtslebens<br />
– abgesehen vom Vere<strong>in</strong> – ke<strong>in</strong>e passenden Gesellschaftsformen<br />
existieren. 41 Gerade <strong>in</strong> Bereichen, <strong>in</strong> welchen e<strong>in</strong> Wunsch nach Geheimhaltung<br />
vor o<strong>der</strong> Ausschluss <strong>der</strong> Konkurrenz besteht o<strong>der</strong> die persönliche<br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Organisation gewünscht wird, ist<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> äusserst attraktiv. Dies gilt namentlich für die Koord<strong>in</strong>ation<br />
<strong>in</strong>ternational erbrachter Berufsleistungen o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> weltweiten Vermarktung<br />
solcher Leistungen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Produkte durch Professional<br />
Service Firms 42 . 43<br />
39<br />
Gemäss Art. 885 OR gilt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Genossenschaft zw<strong>in</strong>gend <strong>der</strong> Grundsatz „one man –<br />
one vote“.<br />
40<br />
Dazu e<strong>in</strong>gehend S. 141 ff.<br />
41<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch das Gutachten von PROF. FRANK VISCHER zu Handen <strong>der</strong><br />
Basler Handelskammer, zitiert bei BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />
WuR 1964, S. 76, betreffend Berufsverbände. Die Überlegung wird von<br />
ROBERT BRINER, a.a.O. auf sämtliche Wirtschaftsverbände ausgedehnt. Vgl. im übrigen<br />
die H<strong>in</strong>weise von BRINER auf weitere Bedürfnisse, a.a.O., S. 81 ff.<br />
42<br />
Zum Begriff <strong>der</strong> Professional Service Firms vgl. MÜLLER-STEWENS / DROLSHAMMER /<br />
KRIEGMEIER, Professional Service Firms – Branchenmerkmale und Gestaltungsfel<strong>der</strong> des<br />
Managements, <strong>in</strong>: MÜLLER-STEWENS / DROLSHAMMER / KRIEGMEIER, Professional<br />
Service Firms, Frankfurt a.M. 1999, S. 11 ff.<br />
43<br />
So auch das Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991,<br />
Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 24. Vgl. dazu ausführlicher nachfolgend S. 56.<br />
21
III. Der Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss <strong>der</strong> gesetzlichen<br />
Konzeption<br />
1. E<strong>in</strong>leitung<br />
Es wurde bereits darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass gemäss <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Zweck, den e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> verfolgt, für dessen Zulässigkeit entscheidend<br />
se<strong>in</strong> soll, während die Mittel nicht ausschlaggebend se<strong>in</strong> sollen. 44 Die<br />
Doktr<strong>in</strong> stützt sich dabei namentlich auf den Text von Art. 59 Abs. 2<br />
und 60 Abs. 1 ZGB. 45 Die Betrachtung <strong>der</strong> Entstehungsgeschichte des<br />
geltenden Vere<strong>in</strong>srechts wird zeigen, ob die Bestimmungen des ZGB<br />
tatsächlich so verstanden werden dürfen.<br />
2. Regelung des aOR von 1881<br />
Mit <strong>der</strong> Verfassung von 1874 erhielt <strong>der</strong> Bund die Kompetenz zur<br />
Gesetzgebung auf dem Gebiet des Obligationenrechts, mit E<strong>in</strong>schluss<br />
des Handels- und Wechselrechts. Gestützt auf diese Kompetenz wurden<br />
im aOR von 1881 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Handelsgesellschaften erstmals<br />
bundesrechtlich geregelt. 46 Vor Inkrafttreten des aOR bestanden<br />
ausschliesslich kantonale Regeln. 47<br />
Das aOR unterschied bereits zwischen Genossenschaft 48 und Vere<strong>in</strong> 49 .<br />
Im aOR war e<strong>in</strong>erseits die Rede von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, „welche wohltätige, gesellige,<br />
religiöse, wissenschaftliche, künstlerische o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e ideale<br />
Zwecke verfolgen“ 50 – kurz „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n für ideale Zwecke“ –, an<strong>der</strong>er-<br />
44<br />
S. 3 ff.<br />
45<br />
In Kapitel V werden die entsprechenden Lehrme<strong>in</strong>ungen ausführlich dargestellt und<br />
gewürdigt.<br />
46<br />
Zur Entstehungsgeschichte des aOR vgl. etwa ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947, S. 5 ff.; ERNST PESTALOZZI,<br />
Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 13 ff.<br />
47<br />
Im aOR konnten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht abschliessend geregelt werden, da <strong>der</strong> Bund ke<strong>in</strong>e<br />
Kompetenz zur Regelung von Materien ausserhalb des Handelsrechts hatte. Das aOR<br />
enthielt demnach Vorbehalte zugunsten des kantonalen Rechts und regelte lediglich den<br />
Erwerb <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit und das Schicksal des Vere<strong>in</strong>svermögens bei Auflösung<br />
des Vere<strong>in</strong>s. Vgl. dazu unten S. 22, FN 50. Zu dieser Problematik vgl. auch<br />
BGE 32 II 116 (<strong>Schweiz</strong>er Verband <strong>der</strong> Versicherungsvertreter und -Beamten).<br />
48<br />
27. Titel, Art. 678 ff. aOR.<br />
49<br />
28. Titel, Art. 716 ff. aOR.<br />
50<br />
Art. 716 Abs. 1 aOR: „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche wohltätige, gesellige, religiöse, wissenschaftliche,<br />
künstlerische o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e ideale Zwecke verfolgen, können das Recht <strong>der</strong> Persön-<br />
22
seits von „wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n“ 51 . Als Genossenschaften konnten<br />
sich Personenverbände konstituieren, welche „geme<strong>in</strong>same Zwecke des<br />
wirtschaftlichen Verkehres“ verfolgten. 52<br />
Die Auslegung <strong>der</strong> Bestimmungen des aOR zum Vere<strong>in</strong>srecht war seit<br />
jeher unklar. Teilweise wurde die Me<strong>in</strong>ung vertreten, das aOR unterscheide<br />
zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n für ideale Zwecke, wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
und Genossenschaften. 53 An<strong>der</strong>e Autoren verstanden den Begriff „wirtschaftliche<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>“ <strong>in</strong> Art. 717 Abs. 1 aOR als Synonym für Genossenschaften.<br />
54 Nebst diesen Auslegungsschwierigkeiten war auch die Abgrenzung<br />
zwischen Zwecken des wirtschaftlichen Verkehrs und idealen<br />
Zwecken umstritten. 55<br />
lichkeit, auch wenn sie bisher darauf nach kantonalem Rechte ke<strong>in</strong>en Anspruch hatten,<br />
dadurch erwerben, dass sie sich <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen.“ (Die <strong>Schweiz</strong>erische<br />
Bundesgesetzgebung, Erster Band, Basel 1890, S. 235).<br />
51 Art. 717 Abs. 1 aOR: „<strong>Wirtschaftliche</strong>n <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche sich nicht <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
haben e<strong>in</strong>tragen lassen, desgleichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n für ideale Zwecke, welche we<strong>der</strong> nach<br />
kantonalem Rechte als juristische Personen anerkannt s<strong>in</strong>d noch sich <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
haben e<strong>in</strong>tragen lassen, steht ke<strong>in</strong> Recht <strong>der</strong> Persönlichkeit zu.“ (Die <strong>Schweiz</strong>erische<br />
Bundesgesetzgebung, Erster Band, Basel 1890, S. 235).<br />
52 Art. 678 aOR: „Personenverbände, welche, ohne zu den <strong>in</strong> den Titeln XXIV bis XXVI<br />
normirten Gesellschaften zu gehören, geme<strong>in</strong>same Zwecke des wirtschaftlichen Verkehres<br />
verfolgen, müssen sich, um als Genossenschaften das Recht <strong>der</strong> Persönlichkeit zu erwerben,<br />
nach Massgabe <strong>der</strong> folgenden Artikel <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen.“<br />
(Die <strong>Schweiz</strong>erische Bundesgesetzgebung, Erster Band, Basel 1890, S. 231). Es fällt auf,<br />
dass das aOR das heute für die Genossenschaft als charakteristisch geltende Kriterium<br />
<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Selbsthilfe nicht nennt. – Zu den Gesetzgebungsarbeiten betreffend die<br />
Genossenschaft des aOR vgl. ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit<br />
ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947, S. 12 ff.<br />
53 ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 13 ff., und<br />
wohl auch J. HABERSTICH, Handbuch des schweizerischen Obligationenrechts, Zweiter<br />
Band, Zürich 1887, S. 635 f. Vgl. auch den H<strong>in</strong>weis bei CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung<br />
des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948,<br />
S. 10. – Nach SPECKER anerkannte die Praxis zusätzlich die Existenz von nicht e<strong>in</strong>getragenen<br />
Genossenschaften ohne Persönlichkeit (CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 6, mit H<strong>in</strong>weisen).<br />
54 CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 10 f. mit H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>en Rekursentscheid des Bundesrates<br />
aus dem Jahr 1888. Gleicher Ansicht bereits W. BEYLI, Zur Abgrenzung zwischen<br />
Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft, SJZ 13 (1916), S. 190.<br />
55 Vgl. dazu etwa LEO KIRCHHOFER, Beiträge zum schweizerischen Genossenschaftsrecht,<br />
Diss. 1888, zitiert bei CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 27 f.; CARL PAUL WIEDEMANN, Beiträge<br />
zur Lehre von den idealen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, Die Voraussetzungen und Rechtswirkungen<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> Deutschland und <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Zürcher Beiträge zur Rechtswissenschaft,<br />
Heft 19, Zürich 1908, zitiert bei CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 28 f.<br />
23
3. Die Bestimmungen im ZGB<br />
Nachdem <strong>der</strong> Bund <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Volksabstimmung im Jahre 1898 die<br />
Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem gesamten Gebiet des Zivilrechts<br />
erhalten hatte, konnten die juristischen Personen e<strong>in</strong>heitlich und ausschliesslich<br />
bundesrechtlich geregelt werden. Die Bestimmungen über<br />
den Vere<strong>in</strong> wurden <strong>in</strong> das Personenrecht <strong>in</strong>tegriert, welches im neu geschaffenen<br />
ZGB geregelt wurde.<br />
Das ZGB enthält drei Bestimmungen, welche Bezug nehmen auf die<br />
Frage des zulässigen Zweckes von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n: Art. 60 Abs. 1, Art. 52 Abs.<br />
2 und Art. 59 Abs. 2 ZGB. 56<br />
Mit Erlass des ZGB wurde vom Pr<strong>in</strong>zip des aOR abgewichen, wonach<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit idealem Zweck nur aufgrund <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
Rechtspersönlichkeit erlangen konnten. Nach geltendem<br />
Recht müssen sich lediglich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die „e<strong>in</strong> nach kaufmännischer Art<br />
geführtes Gewerbe“ betreiben, <strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen (Art.<br />
61 Abs. 2 ZGB). Der E<strong>in</strong>trag wirkt zudem bloss deklaratorisch, <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />
erhält also die Rechtspersönlichkeit schon vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung.<br />
Der heutige Wortlaut <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen zur Frage des<br />
Zwecks von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n g<strong>in</strong>g aus e<strong>in</strong>er langen Reihe von Än<strong>der</strong>ungen und<br />
Anregungen im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten hervor. Die Entstehungsgeschichte<br />
zeigt, dass bereits bei <strong>der</strong> Ausarbeitung des Gesetzes<br />
die Unterscheidung und <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen Zweck und Tätigkeit<br />
von Personenverb<strong>in</strong>dungen (namentlich das Betreiben e<strong>in</strong>es<br />
kaufmännischen Unternehmens) zu Unklarheiten geführt hat. 57<br />
E<strong>in</strong> Teilentwurf für das ZGB aus dem Jahre 1896 enthielt e<strong>in</strong>en Artikel<br />
75 Abs. 1, <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> regelte, „die e<strong>in</strong>en wohltätigen, politischen,<br />
sozialen, wissenschaftlichen, künstlerischen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n nicht<br />
56 Art. 60 Abs. 1 ZGB stellt Vorschriften für die Gründung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n auf, welche sich<br />
„e<strong>in</strong>er politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n nicht wirtschaftlichen Aufgabe“ widmen. Art. 52 Abs. 2 ZGB hält fest, dass<br />
„<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen“, ke<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
bedürfen, um das Recht <strong>der</strong> Persönlichkeit zu erlangen. Und gemäss Art. 59<br />
Abs. 2 ZGB unterstehen „Personenverb<strong>in</strong>dungen, die e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck<br />
verfolgen“, den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.<br />
Art. 61 Abs. 2 ZGB betrifft <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen führen und<br />
befasst sich damit mit den Mitteln.<br />
57 Vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich MARC-ANDRE PELLET, Le but non économique<br />
de l’association, Diss. Lausanne 1964, S. 21 ff.<br />
24
dem Erwerb o<strong>der</strong> Gewerbe unmittelbar dienenden wirtschaftlichen Zweck verfolgen“.<br />
58<br />
Im Vorentwurf zum ZGB wurde <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis auf den Erwerb o<strong>der</strong><br />
das Gewerbe weggelassen und <strong>der</strong> unzulässige wirtschaftliche Zweck<br />
e<strong>in</strong>geschränkt: „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>en politischen, religiösen, wissenschaftlichen,<br />
künstlerischen, wohltätigen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n nicht unmittelbar<br />
wirtschaftlichen Zweck verfolgen...“ (Art. 78 Abs. 1 VEZGB). 59 Der Zusatz<br />
von Art. 716 aOR „o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e ideale Zwecke“ wurde im VEZGB bewusst<br />
nicht übernommen. Gemäss Eidgenössischem Justiz- und Polizeidepartement<br />
lag das Abgrenzungskriterium im unmittelbar wirtschaftlichen<br />
Zweck, weil es <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Rahmen <strong>der</strong> positiv aufgestellten<br />
Umschreibung geben könne, die ihren Zweck durch das Mittel e<strong>in</strong>es<br />
„wirtschaftlichen Betriebes“ zu erreichen versuchten. Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im<br />
oben genannten S<strong>in</strong>ne wurde im Gegensatz zum aOR ke<strong>in</strong> konstitutiver<br />
E<strong>in</strong>trag <strong>in</strong> e<strong>in</strong> öffentliches Register verlangt. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sollten sich aber<br />
gemäss VEZGB <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Register e<strong>in</strong>tragen lassen dürfen, wenn dies <strong>in</strong><br />
ihrem Interesse lag. In den Erläuterungen zum VEZGB wurde darauf<br />
h<strong>in</strong>gewiesen, dass „eigentlich nach dem Zwecke des Registers, das <strong>der</strong><br />
Verkehrswelt zu dienen bestimmt ist, über die Notwendigkeit o<strong>der</strong><br />
Nichtnotwendigkeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Umstand<br />
entscheiden sollte, ob sie dem Verkehr angehöre o<strong>der</strong> nicht. Die<br />
getroffene Abgrenzung zwischen Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft wird auch<br />
im wesentlichen hierauf h<strong>in</strong>auslaufen, und wo sich dies nicht als richtig<br />
erweisen sollte, darf man darauf vertrauen, dass die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> selber und<br />
aus eigenem Interesse die E<strong>in</strong>tragung erwirken werden, sobald sie im<br />
Verkehrsleben e<strong>in</strong>e Stellung e<strong>in</strong>nehmen, die es ihnen als ratsam ersche<strong>in</strong>en<br />
lässt, e<strong>in</strong>getragen zu se<strong>in</strong>. Deshalb haben wir die Grundentscheidung<br />
lieber nach dem Lebenselement <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung, nach<br />
dem Vere<strong>in</strong>szwecke, und nicht nach den Interessen des Verkehrs getroffen.“<br />
60<br />
Im Entwurf des Bundesrates, <strong>der</strong> im Jahr 1905 dem Nationalrat vorgelegt<br />
wurde, wurde <strong>der</strong> unzulässige wirtschaftliche Zweck ausgedehnt.<br />
Art. 70 EZGB (entspricht Art. 60 ZGB, Gründung) sprach von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />
„die sich e<strong>in</strong>er politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen,<br />
wohltätigen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ähnlichen Aufgabe widmen<br />
58 Vgl. CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />
Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 11.<br />
59 Vgl. CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 11.<br />
60 EUGEN HUBER, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum Vorentwurf, Erstes<br />
Heft: E<strong>in</strong>leitung, Personen- und Familienrecht, Bern 1901, S. 81 f.<br />
25
und nicht mittelbar o<strong>der</strong> unmittelbar e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen“. 61 Art.<br />
61 EZGB (entspricht Art. 52 ZGB, Erlangen <strong>der</strong> Persönlichkeit) hatte<br />
bereits den Wortlaut des heutigen ZGB: „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht wirtschaftliche<br />
Zwecke verfolgen“. 62 Auch Art. 59 Abs. 2 ZGB (Vorbehalt des Gesellschafts-<br />
und Genossenschaftsrechts) sche<strong>in</strong>t ebenfalls bereits im<br />
EZGB den heutigen Wortlaut gehabt zu haben. 63<br />
Zu Art. 70 EZGB (Art. 60 ZGB, Gründung) stellte die Kommission<br />
des Nationalrates den Antrag, den Wortlaut wie folgt zu än<strong>der</strong>n: „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
die sich e<strong>in</strong>er politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen,<br />
wohltätigen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ähnlichen Aufgabe widmen<br />
und nicht e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Betrieb nach kaufmännischer Art führen“. E<strong>in</strong><br />
M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsantrag von Nationalrat BROSI, <strong>der</strong> hauptsächlich als zusätzliches<br />
Gründungserfor<strong>der</strong>nis e<strong>in</strong>e Publikation im Amtsblatt verlangte, beantragte<br />
zunächst „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die sich e<strong>in</strong>er politischen, religiösen, wissenschaftlichen,<br />
künstlerischen, wohltätigen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n<br />
ähnlichen Aufgabe widmen und nicht e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen“,<br />
liess diesen Antrag jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung fallen und schloss sich diesbezüglich<br />
dem Antrag <strong>der</strong> Kommission an, weil se<strong>in</strong>er Ansicht nach <strong>in</strong><br />
diesem Punkt <strong>in</strong>haltlich ke<strong>in</strong> Unterschied zwischen <strong>der</strong> von ihm gewählten<br />
Formulierung und <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> Kommission bestand. Zu Art.<br />
61 Abs. 2 EZGB (Art. 52 ZGB, Erlangen <strong>der</strong> Persönlichkeit) beantragte<br />
die Kommission den Wortlaut „ke<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>tragung bedürfen [...] <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
die nicht e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Betrieb nach kaufmännischer Art führen“.<br />
Zum Antrag <strong>der</strong> Kommission betreffend Art. 70 EZGB (Art. 60<br />
ZGB, Gründung) führte EUGEN HUBER, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> den Nationalrat<br />
hatte wählen lassen und Berichterstatter <strong>der</strong> Kommission war, unter an<strong>der</strong>em<br />
aus, die Kommission habe es als richtiger erachtet, die Abgrenzung<br />
zu den „wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, wie namentlich Handelsgesellschaften<br />
und Genossenschaften“ mittels dem wirtschaftlichen Betrieb<br />
nach kaufmännischer Art vorzunehmen, anstatt wie <strong>der</strong> Bundesrat auf<br />
den mittelbar o<strong>der</strong> unmittelbar wirtschaftlichen Zweck abzustellen. Der<br />
welsche Kommissionssprecher Nationalrat GOBAT verdeutlichte: „On<br />
recherchera toujours si la nature purement idéelle est réelle, car il peut<br />
arriver facilement qu’une société, sous un manteau d’apparence idéale,<br />
61 Amtliches stenographisches Büllet<strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen Bundesversammlung, 1905,<br />
Beratungen des Nationalrats, S. 478.<br />
62 A.a.O., Beratungen des Nationalrats, S. 473.<br />
63 Der entsprechende Artikel wurde <strong>in</strong> den Räten nicht behandelt, vgl. a.a.O., Beratungen<br />
des Nationalrats, S. 473 ff. und Beratungen des Stän<strong>der</strong>ates, S. 926 ff.<br />
26
ait cependant une certa<strong>in</strong>e exploitation commerciale et économique.“ 64<br />
Die Anträge <strong>der</strong> Kommission wurden stillschweigend angenommen, bezüglich<br />
Art. 61 Abs. 2 EZGB (Art. 52 ZGB, Erlangen <strong>der</strong> Persönlichkeit)<br />
ohne dass die Kommission den Vorschlag näher erläutert hätte. 65<br />
Der Stän<strong>der</strong>at folgte h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Zuerkennung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit<br />
dem Nationalrat. Die Verwendungsmöglichkeiten des Vere<strong>in</strong>s<br />
wurden h<strong>in</strong>gegen erweitert: <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche zur Erreichung ihres idealen<br />
Zweckes e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Betrieb nach kaufmännischer Art führen,<br />
sollten die Rechtspersönlichkeit als Vere<strong>in</strong> doch erlangen können.<br />
Bei <strong>der</strong> Beratung <strong>der</strong> Beschlüsse des Nationalrates im Stän<strong>der</strong>at beantragte<br />
die Kommission des Stän<strong>der</strong>ates h<strong>in</strong>sichtlich Art. 70 EZGB (Art.<br />
60 ZGB, Gründung) den Wortlaut „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die sich e<strong>in</strong>er politischen,<br />
religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen“. 66 Bei Art. 61 Abs. 2<br />
EZGB (Art. 52 ZGB, Erlangen <strong>der</strong> Persönlichkeit) kehrte die Kommission<br />
des Stän<strong>der</strong>ates zum Wortlaut des Bundesrates zurück („<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die<br />
nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen“). 67<br />
64<br />
Amtliches stenographisches Büllet<strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen Bundesversammlung, 1905,<br />
Beratungen des Nationalrats, S. 482.<br />
65<br />
A.a.O., S. 473 ff.<br />
66<br />
A.a.O., Beratungen des Stän<strong>der</strong>ates, S. 939.<br />
67<br />
Stän<strong>der</strong>at RICHARD führte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung von Art. 61 EZGB (Art. 52 ZGB, Erlangen<br />
<strong>der</strong> Persönlichkeit) aus, das Abstellen des Nationalrats auf den nach kaufmännischer Art<br />
geführten wirtschaftlichen Betrieb überzeuge ihn mehr als die vorgeschlagene Formulierung<br />
<strong>der</strong> Kommission des Stän<strong>der</strong>ates. Denn das Vorliegen e<strong>in</strong>es nach kaufmännischer<br />
Art geführten wirtschaftlichen Betriebes sei viel e<strong>in</strong>facher festzustellen, als <strong>der</strong> wirtschaftliche<br />
Zweck. Auch sei aus <strong>der</strong> Formulierung des Stän<strong>der</strong>ates nicht ersichtlich, aus welchen<br />
Gründen bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n auf den Registere<strong>in</strong>trag verzichtet werde. Die Formulierung des<br />
Nationalrates sei konkreter, klarer beschränkt und präziser (a.a.O., Beratungen des Stän<strong>der</strong>ates,<br />
S. 931). Dem entgegnete <strong>der</strong> Berichterstatter <strong>der</strong> stän<strong>der</strong>ätlichen Kommission,<br />
Stän<strong>der</strong>at HOFFMANN, bei <strong>der</strong> nationalrätlichen Fassung, die auf den nach kaufmännischer<br />
Art geführten wirtschaftlichen Betrieb abstelle, liege e<strong>in</strong> Missverständnis vor. Es<br />
werde das Kriterium, welches zur Erlangung <strong>der</strong> juristischen Persönlichkeit erfor<strong>der</strong>lich<br />
sei, verwechselt mit demjenigen, welches nach Massgabe des aOR (Art. 865 Abs. 4 aOR:<br />
„Wer e<strong>in</strong> Handels-, Fabrikations- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>es nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe<br />
betreibt, ist verpflichtet, sich am Orte se<strong>in</strong>er Hauptnie<strong>der</strong>lassung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>tragen zu lassen[...]“) die E<strong>in</strong>tragungspflicht begründe. Die E<strong>in</strong>tragungspflicht<br />
könne nicht davon abhängen, ob e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Betrieb nach kaufmännischer Art<br />
vorliege. Voraussetzung für die E<strong>in</strong>tragungspflicht sei nur, dass e<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />
Zweck verfolgt werde. Wie dieser Zweck verfolgt werde, ob auf kaufmännische Art o<strong>der</strong><br />
nicht, ob Bücher geführt werden o<strong>der</strong> nicht, und wie hoch <strong>der</strong> Betrag des Umsatzes sei,<br />
sei für die Frage <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht gleichgültig (a.a.O., Beratungen des Stän<strong>der</strong>ates,<br />
S. 931).<br />
27
Im Differenzbere<strong>in</strong>igungsverfahren des Nationalrates beantragte die<br />
Kommission des Nationalrates, bei allen hier relevanten Artikeln den<br />
Beschlüssen des Stän<strong>der</strong>ates zuzustimmen. Der Nationalrat nahm die<br />
Anträge <strong>der</strong> Kommission stillschweigend an.<br />
4. Bestimmungen <strong>in</strong> Spezialgesetzen<br />
Abgesehen von den Bestimmungen des ZGB wurde e<strong>in</strong>e Anzahl von<br />
Bestimmungen <strong>in</strong> Spezial- o<strong>der</strong> Ausführungsgesetzen betreffend <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
mit wirtschaftlichem Zweck erlassen.<br />
Im Kartellgesetz von 1962 68 war von Kartellen <strong>in</strong> Verbandsform die<br />
Rede. Der Gesetzestext bezieht sich zwar nicht ausdrücklich auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
i.S.d. ZGB, aus den Materialien ergibt sich jedoch, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
davon ausg<strong>in</strong>g, die Gründung von Kartellen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform sei zulässig.<br />
69<br />
Gemäss gelten<strong>der</strong> Gesetzgebung können sich Krankenkassen ausdrücklich<br />
als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB konstituieren (Art. 12 Abs. 1 lit. a<br />
KVV). Auch wenn sich aus Art. 12 Abs. 1 KVG ergibt, dass Krankenkassen<br />
ke<strong>in</strong>e Erwerbszwecke verfolgen dürfen, und Art. 12 Abs. 1 lit. a<br />
KVV impliziert, Krankenkassen hätten ke<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck 70 ,<br />
so wird doch als ausdrücklich zulässig erachtet, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ihren Mitglie<strong>der</strong>n<br />
unmittelbar materielle Werte verschaffen. 71<br />
68<br />
In Kraft vom 15.02.1964 bis zum 30.06.1986.<br />
69<br />
PAUL PIOTET, La loi sur les cartels et sa notion de l’association, JdT 111 I (1963),<br />
S. 226 ff.<br />
70<br />
Krankenkassen können sich gemäss dieser Bestimmung auch als Aktiengesellschaft<br />
„mit an<strong>der</strong>en als wirtschaftlichen Zwecken“ organisieren. – Demgegenüber wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Reihe von Entscheiden des Bundesgerichts ausdrücklich festgehalten, dass Krankenkassen<br />
wirtschaftliche Zwecke verfolgen (vgl. die H<strong>in</strong>weise bei HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar<br />
zu Art. 60 ZGB N 52, Bern 1990).<br />
71<br />
Bereits Art. 5 <strong>der</strong> Verordnung I zum KUVG von 1913 hatte den anerkannten Krankenkassen<br />
erlaubt, sich als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zu konstituieren (vgl. dazu RENÉ VON GRAFFENRIED,<br />
<strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss.<br />
Bern 1948, S. 120 ff.). EUGEN HUBER erklärte diese Regelung damit, dass Krankenkassen<br />
e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen Zweck hätten. Neben dem wirtschaftlichen Zweck, den sie<br />
verfolgen, seien sie auch im H<strong>in</strong>blick auf das öffentliche Wohl tätig. Dieser sozialpolitische<br />
Aspekt gebe dem Zweck e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen Charakter, welcher dem politischen<br />
Zweck i.S.v. Art. 60 ZGB gleichzusetzen sei (EUGEN HUBER, Gutachten vom 31.<br />
Januar 1914 an den Vorsteher des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes betreffend<br />
die Zulassung <strong>der</strong> anerkannten Krankenkassen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform, erwähnt und auszugsweise<br />
zitiert bei CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 78 f.). Dem hält<br />
GRAFFENRIED (<strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht,<br />
Diss. Bern 1948, S. 123) entgegen, dass diese Argumentation den Erläute-<br />
28
Art. 47 HRV 72 bezog sich ausdrücklich auf „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht ausschliesslich<br />
nichtwirtschaftliche Ziele verfolgen“. 73<br />
5. Problematik <strong>der</strong> gesetzlichen Regelung<br />
a) Unklarheiten bei den Gesetzgebungsarbeiten<br />
Beim Betrachten <strong>der</strong> Entstehungsgeschichte des ZGB wird klar, dass<br />
<strong>der</strong> heutige Wortlaut des ZGB eher das Ergebnis von Zufällen als dasjenige<br />
fundierter systematischer Überlegungen ist. Im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten<br />
<strong>in</strong> den Räten s<strong>in</strong>d die Kriterien „wirtschaftlicher<br />
Zweck“ und „kaufmännisches Gewerbe“ immer wie<strong>der</strong> durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
gebracht worden. Ausserdem war unklar, wie die theoretische Abgrenzung<br />
zwischen dem wirtschaftlichen Zweck und dem Betreiben e<strong>in</strong>es<br />
kaufmännischen Gewerbes erfolgen sollte. Auch die Frage nach dem<br />
s<strong>in</strong>nvollen Abgrenzungskriterium zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n des ZGB und Genossenschaften,<br />
die den Bestimmungen des OR unterstehen (wirtschaftlicher<br />
Zweck o<strong>der</strong> kaufmännisches Gewerbe), war umstritten.<br />
Der heutige Wortlaut des ZGB sche<strong>in</strong>t zum<strong>in</strong>dest auf den ersten Blick<br />
nicht wi<strong>der</strong>spruchsfrei. Unklar ist namentlich die Bedeutung von Art. 52<br />
Abs. 2 ZGB: Aus <strong>der</strong> Formulierung dieser Bestimmung könnte geschlossen<br />
werden, dass im schweizerischen Recht zwei Kategorien von<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n bestehen, nämlich solche mit wirtschaftlichem und solche mit<br />
nichtwirtschaftlichem Zweck. 74 Auch <strong>der</strong> Wortlaut von Art. 59 Abs. 2<br />
rungen EUGEN HUBERS (EUGEN HUBER, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen<br />
zum Vorentwurf, Erstes Heft: E<strong>in</strong>leitung, Personen- und Familienrecht, Bern 1901,<br />
S. 85 f.; vgl. dazu auch S. 24) wi<strong>der</strong>spreche, wonach die unmittelbare Verfolgung<br />
wirtschaftlicher Zwecke stets unter die Vorschriften des OR gehöre, auch wenn e<strong>in</strong><br />
Betrieb Ziele <strong>der</strong> Wohltätigkeit im Auge habe. In BGE 80 II 71 ff., 75 (<strong>Schweiz</strong>.<br />
Krankenkasse Helvetia, 1954) wird jedenfalls ausgeführt, bei den Krankenkassen sei die<br />
Mitgliedschaft völlig identisch mit Versicherungs<strong>in</strong>teresse und dieses sei e<strong>in</strong> re<strong>in</strong><br />
vermögensrechtliches.<br />
72 In Kraft bis zum 31.12.1997.<br />
73 Weitere H<strong>in</strong>weise f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> BGE 90 II 333, 343 ff. (Association suisse des fabricants de<br />
cigarettes, 1964) und bei HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 52,<br />
Bern 1990.<br />
74 Vgl. etwa ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 62. – Die<br />
Ungenauigkeit dieser Bestimmung dürfte daher rühren, dass <strong>der</strong> Begriff „Vere<strong>in</strong>“ <strong>in</strong><br />
Art. 52 ZGB <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em untechnischen S<strong>in</strong>ne als Oberbegriff für Personenverb<strong>in</strong>dungen<br />
mit juristischer Persönlichkeit und körperschaftlicher Organisation verwendet wird. Der<br />
Begriff „Vere<strong>in</strong>“ wurde vermutlich bereits im aOR als Sammelbegriff für den Vere<strong>in</strong> im<br />
S<strong>in</strong>ne des heutigen ZGB und die Genossenschaft verwendet. Gleicher Ansicht auch<br />
PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968), S. 179<br />
29
ZGB gibt zu Interpretationsfragen Anlass, 75 und das Verhältnis zwischen<br />
dem wirtschaftlichen Zweck und dem Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Gewerbes wird aus dem Gesetzestext nicht klar 76 .<br />
Obwohl die Bestimmungen des ZGB e<strong>in</strong>er wi<strong>der</strong>spruchsfreien Interpretation<br />
zugänglich s<strong>in</strong>d, 77 ergibt sich aus dieser Erklärungsbedarf h<strong>in</strong>-<br />
und<br />
RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />
Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 13.<br />
75 Art. 59 Abs. 2 ZGB stellt gemäss RIEMER lediglich e<strong>in</strong>e Art Programm- o<strong>der</strong> Grundsatzbestimmung<br />
dar, welche ke<strong>in</strong>e effektive normative Bedeutung hat (HANS MICHAEL<br />
RIEMER, Kommentar zu Art. 52-59, ST N 80 f., Bern 1993, im Gegensatz zu<br />
BGE 112 II 1 ff., 4). Das Bundesgericht leitete h<strong>in</strong>gegen aus Art. 59 Abs. 2 ZGB ab, dass<br />
jede Vere<strong>in</strong>igung, welche zum Teil e<strong>in</strong>en idealen, zum Teil e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck<br />
verfolgt, ohne weiteres die Rechtsform des Vere<strong>in</strong>s wählen kann mit <strong>der</strong> Folge, dass für<br />
die wirtschaftliche Tätigkeit e<strong>in</strong>fach die Bestimmungen des OR zur Anwendung kommen<br />
(BGE 48 II 167, Polnische Handelskammer, vgl. dazu S. 36). Dieser Interpretation stellt sich<br />
SUTER entgegen. Art. 59 Abs. 2 ZGB hat nach SUTER lediglich den Zweck, wirtschaftlichen<br />
Verbänden die Rechtsform des Vere<strong>in</strong>s zu verbieten und sie jenen Vorschriften zu<br />
unterstellen, welche wirtschaftlichen Gebilden angepasst s<strong>in</strong>d. Somit soll e<strong>in</strong>e klare und<br />
e<strong>in</strong>deutige Trennung zwischen den Rechtsformen ermöglicht werden (PAUL SUTER, Freiheit<br />
und Zwang bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsform, Diss. Basel 1946, S. 114 ff.).<br />
76 Nach MENGIARDI soll vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n des<br />
heutigen Art. 60 ZGB se<strong>in</strong>, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit idealem Zweck, welche zu dessen Verfolgung<br />
e<strong>in</strong>en Geschäftsbetrieb führen, als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong>e Rechtspersönlichkeit erlangen<br />
können. Ebensowenig <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die wirtschaftliche Zwecke verfolgen, auch wenn sie zu<br />
diesem Zweck ke<strong>in</strong>en Betrieb nach kaufmännischer Art führen. Dies obwohl <strong>der</strong> Wortlaut<br />
des Art. 61 Abs. 2 ZGB dazu im Wi<strong>der</strong>spruch steht. MENGIARDI erklärt diesen Wi<strong>der</strong>spruch<br />
damit, dass bei <strong>der</strong> Formulierung dieses Artikels offenbar vergessen wurde, dass<br />
<strong>der</strong> Text des Art. 60 ZGB geän<strong>der</strong>t worden war (PEIDER MENGIARDI, Strukturproble-<br />
me des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II [1968], S. 186 f.). SPECKER <strong>in</strong>terpretierte<br />
Art. 61 Abs. 2 ZGB so, dass sich aus dem Wortlaut für se<strong>in</strong>en Zweck ergebe, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />
i.S.d. ZGB nur dann e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben darf, wenn dieses als<br />
notwendig und untergeordnet zum idealen Zweck ersche<strong>in</strong>t. Nach Ansicht SPECKERS<br />
macht die Bestimmung von Art. 61 Abs. 2 ZGB nur so e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, da dar<strong>in</strong> ansonsten<br />
lediglich die E<strong>in</strong>tragungspflicht wie<strong>der</strong>holt wird, welche bereits nach Art. 934 OR besteht.<br />
SPECKER stellt sich damit gegen das Bundesgericht, welches <strong>in</strong> BGE 56 I 123 (Diakonieverband<br />
„Wartburg“) die Worte „für se<strong>in</strong>en Zweck“ als irreführend und überflüssig bezeichnet<br />
hat (CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />
Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 64 f.).<br />
77 Die massgeblichen Bestimmungen des ZGB s<strong>in</strong>d trotz des irreführenden Wortlauts<br />
e<strong>in</strong>er wi<strong>der</strong>spruchsfreien Auslegung zugänglich: Art. 52 ZGB bezieht sich – wie bereits<br />
aus <strong>der</strong> Marg<strong>in</strong>alie ersichtlich ist – auf die Frage, wann zur Erlangung <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />
e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister (mit konstitutiver Wirkung) erfor<strong>der</strong>lich ist. Nach<br />
Art. 52 Abs. 2 ZGB ist dies für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nach ZGB nicht <strong>der</strong> Fall, diese entstehen also<br />
ohne E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister. Art. 59 Abs. 2 ZGB enthält den H<strong>in</strong>weis, dass für<br />
Personenverb<strong>in</strong>dungen, welche e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen, die Gesellschaftsformen<br />
des OR zur Verfügung stehen (Nach GRAFFENRIED gibt Art. 59 Abs. 2 OR auch<br />
30
sichtlich <strong>der</strong> dargestellten Bestimmungen <strong>in</strong> den Spezialgesetzen. In diesem<br />
Zusammenhang wird im allgeme<strong>in</strong>en ausgeführt, e<strong>in</strong>e Überprüfung<br />
des Zweckes e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s unter den Gesichtspunkten von Art. 60 Abs.<br />
1 ZGB erübrige sich, soweit e<strong>in</strong>e Spezialbestimmung die Rechtsform des<br />
Vere<strong>in</strong>s zur Verfolgung bestimmter Zwecke generell vorsieht o<strong>der</strong> zulässt.<br />
Massgebend sei <strong>in</strong> solchen Fällen ausschliesslich die Spezialbestimmung.<br />
78 Der Wortlaut von Art. 47 HRV wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als<br />
missverständlich bezeichnet: Der ideale Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n sei dadurch<br />
nicht <strong>der</strong>ogiert worden. 79 Selbst wenn diese Erklärung als s<strong>in</strong>nvoll<br />
angesehen wird, so ist dennoch erwiesen, dass die Unklarheiten, welche<br />
bei <strong>der</strong> Legiferierung des ZGB bestanden hatten, auch bei späteren Gesetzgebungsarbeiten<br />
nicht überwunden waren.<br />
b) Relevanz des Abgrenzungskriteriums „wirtschaftlicher Zweck“ und<br />
fehlende gesetzliche Def<strong>in</strong>ition<br />
Die Abgrenzung zwischen wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem<br />
Zweck ist im schweizerischen Gesellschaftsrecht lediglich für zwei Sachverhalte<br />
relevant: Abgesehen von <strong>der</strong> <strong>in</strong> Frage stehenden Zulässigkeit<br />
von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n steht nach geltendem Recht die Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung nur für wirtschaftliche Zwecke zur Verfügung (Art.<br />
772 Abs. 3 OR). 80 Für die übrigen juristischen Personen und Gesellschaften<br />
ist die Frage nach dem wirtschaftlichen o<strong>der</strong> nichtwirtschaftli-<br />
den Grundgedanken wie<strong>der</strong>, auf welchem die Son<strong>der</strong>behandlung <strong>der</strong> körperschaftlichen<br />
Personenverb<strong>in</strong>dungen mit wirtschaftlichen Zwecken des OR fusst. Vgl. RENÉ VON<br />
GRAFFENRIED, a.a.O., S. 26 f.). Art. 60 Abs. 1 ZGB enthält e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition,<br />
welchen Aufgaben sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB widmen dürfen, an<strong>der</strong>erseits wird dargestellt,<br />
wie e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> gegründet werden kann. Auf die Frage <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister<br />
wird nicht mehr Bezug genommen, da diese bereits <strong>in</strong> Art. 52 ZGB geregelt ist. H<strong>in</strong>gegen<br />
werden die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Vere<strong>in</strong>sstatuten normiert. Art. 61 ZGB bestimmt<br />
schliesslich, dass sich auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen können, wobei<br />
bei Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens die E<strong>in</strong>tragung zw<strong>in</strong>gend zu erfolgen<br />
hat. Dieser E<strong>in</strong>tragung kommt jedoch – aufgrund <strong>der</strong> Bestimmung von Art. 52 ZGB –<br />
ke<strong>in</strong>e konstitutive Wirkung zu, sie ist lediglich deklaratorischer Natur.<br />
78 Vgl. etwa HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 51, Bern 1990 und<br />
bereits RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im<br />
privaten Körperschaftsrecht, S. 123 f.<br />
79 Vgl. etwa ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 64.<br />
80 Diese Bestimmung soll allerd<strong>in</strong>gs an diejenige betreffend die Aktiengesellschaft angepasst<br />
werden: BÖCKLI / FORSTMOSER / RAPP, Reform des GmbH-Rechts, Expertenentwurf<br />
vom 29. November 1996 für e<strong>in</strong>e Reform des Rechts <strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung, Zürich 1997, S. 19 und 73.<br />
31
chen Zweck ohne Bedeutung 81 , ausser dass mit <strong>der</strong> Genossenschaft „<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Hauptsache“ die För<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Sicherung bestimmter wirtschaftlicher<br />
Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bezweckt werden soll (Art. 828 OR). 82<br />
Art. 92 Abs. 2 HRegV erklärt jedoch die E<strong>in</strong>tragung von Genossenschaften<br />
mit ausschliesslich geme<strong>in</strong>nützigem Zweck als zulässig.<br />
In den Gesetzen wird auch ausserhalb des Vere<strong>in</strong>srechts nirgendwo<br />
def<strong>in</strong>iert, was unter e<strong>in</strong>em wirtschaftlichen o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlichen<br />
Zweck zu verstehen ist. Aus dem Wortlaut von Art. 620 OR, <strong>in</strong> welchem<br />
„wirtschaftliche Zwecke“ erwähnt werden, lassen sich ke<strong>in</strong>e Rückschlüsse<br />
auf die Def<strong>in</strong>ition des wirtschaftlichen Zwecks ziehen. Art. 772<br />
Abs. 3 OR bestimmt für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, dass<br />
diese „zum Betrieb e<strong>in</strong>es Handels-, e<strong>in</strong>es Fabrikations- o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>n<br />
nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes o<strong>der</strong> zu an<strong>der</strong>n wirtschaftlichen<br />
Zwecken“ gegründet werden kann. Aufgrund <strong>der</strong> Formulierung<br />
dieser Bestimmung drängt sich <strong>der</strong> Rückschluss auf, dass <strong>der</strong><br />
Gesetzgeber den Betrieb e<strong>in</strong>es kaufmännischen Gewerbes als e<strong>in</strong>en von<br />
mehreren möglichen wirtschaftlichen Zwecken aufgefasst hat. 83 Auch im<br />
Genossenschaftsrecht wird nicht def<strong>in</strong>iert, was unter den wirtschaftlichen<br />
Interessen zu verstehen ist, welche die Genossenschaft för<strong>der</strong>n<br />
soll. Immerh<strong>in</strong> kann aus Art. 828 Abs. 1 OR abgeleitet werden, dass <strong>der</strong><br />
Zweck wohl am Ergebnis anknüpft, welches den Mitglie<strong>der</strong>n aus <strong>der</strong><br />
Körperschaftstätigkeit zukommen soll. 84 Aus Art. 18 Ziff. 13 MWSTG<br />
ergibt sich überdies, dass es nach Ansicht des Gesetzgebers nichtgew<strong>in</strong>nstrebige<br />
E<strong>in</strong>richtungen mit wirtschaftlicher Zielsetzung geben<br />
85 86<br />
kann.<br />
81<br />
Vgl. Art. 552 Abs. 1 OR für die Kollektivgesellschaft; Art. 594 Abs. 1 OR für die<br />
Kommanditgesellschaft; Art. 620 Abs. 3 OR für die Aktiengesellschaft; Art. 764 Abs. 3<br />
OR für die Kommanditaktiengesellschaft, mit Verweis auf die Bestimmungen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft.<br />
82<br />
Vgl. dazu BGE 80 II 71 ff., 75.<br />
83<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne auch RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 43 f. – Dies steht<br />
allerd<strong>in</strong>gs im Wi<strong>der</strong>spruch zu den Überlegungen, welche im Zusammenhang mit<br />
Art. 61 Abs. 2 ZGB angestellt werden, nach welchen <strong>der</strong> Betrieb e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Gewerbes als Mittel zur Zweckverfolgung verstanden wird.<br />
84<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch RENÉ VON GRAFFENRIED, a.a.O., S. 45.<br />
85<br />
Vgl. dazu unten S. 203.<br />
86<br />
E<strong>in</strong> weiterer Begriff, welcher im Zusammenhang mit dem Zweck von Unternehmen<br />
ersche<strong>in</strong>t, ist <strong>der</strong> „Gegenstand des Unternehmens“. Dieser Begriff ist heute noch <strong>in</strong> Art.<br />
776 Ziff. 2 OR betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung enthalten (vgl. dazu<br />
ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 35 ff.). Vor <strong>der</strong><br />
Revision des Aktienrechts vom 1. Juli 1992 bestimmte ausserdem Art. 626 Ziff. 2 OR,<br />
32
c) Schlussfolgerung<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Regelung des<br />
ZGB aus heutiger Sicht problematisch ist, weil die Abgrenzung zwischen<br />
zulässigem und unzulässigem Zweck sowie zulässigen und unzulässigen<br />
Mitteln bereits im Rahmen <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten nicht klar war<br />
und <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck <strong>in</strong> den Gesetzen nirgendwo def<strong>in</strong>iert<br />
wird. Die nachfolgenden Ausführungen werden aufzeigen, wie die<br />
Rechtsprechung 87 und die Lehre 88 damit umgegangen s<strong>in</strong>d.<br />
dass die Statuten e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft Angaben über „Gegenstand und Zweck des<br />
Unternehmens“ enthalten mussten. Die revidierte Fassung von Art. 626 Ziff. 2 OR hält<br />
nur noch fest, dass die Statuen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft Bestimmungen über den „Zweck<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft“ enthalten müssen. Daraus kann gefolgert werden, dass <strong>der</strong> Begriff „Gegenstand<br />
des Unternehmens“ i.S.d. OR gleichzusetzen ist mit dem Begriff des Zwecks (zu<br />
e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Ergebnis kommt ERNST PESTALOZZI, a.a.O., S. 35 ff., mit weiteren H<strong>in</strong>weisen).<br />
– Allerd<strong>in</strong>gs wird im Gesetz auch nicht näher def<strong>in</strong>iert, was unter dem „Gegenstand<br />
des Unternehmens“ zu verstehen ist.<br />
87<br />
S. 34 ff.<br />
88<br />
S. 69 ff.<br />
33
IV. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Rechtsprechung<br />
1. Vorbemerkungen und Übersicht<br />
Im folgenden wird dargestellt, wie die Gerichte mit <strong>der</strong> Frage nach<br />
<strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Ausrichtung und <strong>der</strong><br />
gemäss Gesetz unklaren Abgrenzung zwischen Zweck und Mitteln umgegangen<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Frage, <strong>in</strong> welcher Form<br />
sich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> wirtschaftlich ausrichten darf, befasst sich hauptsächlich<br />
mit Berufs-, Standes- und Branchenverbänden sowie Kartellen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform.<br />
Meist geht es darum, ob e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung rechts- und damit<br />
parteifähig ist. 89 Die Frage <strong>der</strong> Parteifähigkeit ist von jedem Gericht von<br />
Amtes wegen zu überprüfen. 90 Aus <strong>der</strong> Vorschrift von Art. 62 ZGB –<br />
wie sie die Doktr<strong>in</strong> versteht – ergibt sich damit <strong>in</strong>direkt, dass jedes Gericht<br />
von Amtes wegen nachprüfen müsste, ob <strong>der</strong> Zweck des Vere<strong>in</strong>s<br />
mit den Regeln des ZGB vere<strong>in</strong>bar ist. 91 Allerd<strong>in</strong>gs wird bei e<strong>in</strong>em im<br />
Handelsregister e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong> gestützt auf Art. 9 ZGB die Parteifähigkeit<br />
ohne weiteres vermutet, solange diese von ke<strong>in</strong>er Partei bestritten<br />
wird. 92<br />
Die Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist <strong>in</strong> vier<br />
Abschnitte geglie<strong>der</strong>t, welche sich an <strong>der</strong> Haltung des Bundesgerichts<br />
zur hier <strong>in</strong>teressierenden Frage orientieren. Die Rechtsprechung zum<br />
aOR wird nicht dargestellt. 93 Anschliessend folgt e<strong>in</strong>e Darstellung <strong>der</strong><br />
89<br />
Vgl. auch RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck<br />
im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 29 f.<br />
90<br />
HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 93, Bern 1990. Vgl. etwa<br />
BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de cigarettes).<br />
91<br />
Vgl. dazu bereits ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich<br />
1952, S. 50.<br />
92<br />
CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />
Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 5.<br />
93<br />
Das Bundesgericht befasste sich <strong>in</strong> folgenden Entscheiden mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss aOR:<br />
BGE 21 1069 (Sennereigenossenschaft H<strong>in</strong>terfeld-Meilen); BGE 24 II 561 (Sparkasse Zug);<br />
BGE 27 II 174 (Krankenvere<strong>in</strong> Helvetia, 1901); BGE 32 II 116 (<strong>Schweiz</strong>er Verband <strong>der</strong> Versicherungsvertreter<br />
und –Beamten, 1906); BGE 34 II 246 (Fachvere<strong>in</strong> <strong>der</strong> Glaser von Zürich und Umgebung,<br />
1908) und BGE 35 II 595 (Genossenschaft <strong>der</strong> schweizerischen Schre<strong>in</strong>ermeister und Möbelfabrikanten).<br />
– Unter dem aOR befasste sich <strong>der</strong> Bundesrat als Aufsichtsbehörde über das<br />
eidgenössische Handelsregisteramt häufig mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Abgrenzung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
und wirtschaftlichen Personenverb<strong>in</strong>dungen: Vgl. etwa BBl 1888 IV 1123 (Sociétés<br />
34
publizierten Schiedsgerichtsurteile und <strong>der</strong> publizierten kantonalen Entscheide.<br />
Die Übersicht erhebt ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist<br />
dennoch vergleichsweise umfangreich. Dies rechtfertigt sich, weil <strong>in</strong> den<br />
meisten e<strong>in</strong>schlägigen Publikationen lediglich vier Entscheide des Bundesgerichts<br />
erwähnt werden, ohne dass auf die grosse Zahl von Entscheiden<br />
betreffend wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> h<strong>in</strong>gewiesen wird. 94<br />
2. Rechtsprechung des Bundesgerichts seit Inkrafttreten des<br />
ZGB (1907) bis 1934: Entscheidend ist alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweck<br />
a) BGE 44 II 77 (Union rurale, 1918)<br />
BGE 44 II 77 ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Entscheid seit Inkrafttreten des ZGB, <strong>in</strong><br />
welchem e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung die Rechtsfähigkeit<br />
abgesprochen worden ist. Ausschlaggebend war die Personalvorsorgetätigkeit<br />
zugunsten <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. Die Union rurale war e<strong>in</strong>e Personenverb<strong>in</strong>dung<br />
mit dem Zweck „de rapprocher et de réunir par un lien<br />
amical les catholiques-roma<strong>in</strong>s des paroisses du canton de Genève et de<br />
contribuer au bien-être de ses membres en leur assurant secours et consolation<br />
en cas de malheur“. Nebst Hilfe im Krankheitsfall leistete die<br />
Union rurale Beiträge an die Bestattungskosten ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Die Personenverb<strong>in</strong>dung<br />
stand unter dem Patronat e<strong>in</strong>es Heiligen, dessen Fest<br />
alljährlich <strong>in</strong> den Sektionen begangen wurde. BGE 44 II 77 qualifizierte<br />
die Union rurale als Genossenschaft, nicht als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB. „Le critère<br />
de la dist<strong>in</strong>ction est fourni par le but que poursuit la Société...“.<br />
Obwohl die Union rurale „une tendance confessionelle très marquée“<br />
habe, sei sie <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> Zusammenschluss zur gegenseitigen Hilfe und<br />
bezwecke, an das „bien-être matériel“ <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> beizutragen. Es handle<br />
sich also nicht e<strong>in</strong>fach um e<strong>in</strong>en religiöse Personenverb<strong>in</strong>dung, son<strong>der</strong>n<br />
um e<strong>in</strong>en Zusammenschluss von Personen zur Erreichung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>-<br />
d’assurance mutuelle au décès); BBl 1894 I 33 (<strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung gegen schädliches Kreditgeben);<br />
BBl 1896 II 857 (Allgeme<strong>in</strong>e Krankenkasse <strong>der</strong> Stadt Biel); BBl 1905 IV 965 (Vere<strong>in</strong>igung<br />
<strong>der</strong> zürcherischen Kontrollbuch<strong>in</strong>haber); BBl 1906 IV 175 (Alkoholfreie Wirtschaft <strong>in</strong> Küsnacht).<br />
Aussagekräftige Zusammenfassungen dieser Entscheide f<strong>in</strong>den sich bei CHRISTIAN<br />
SPECKER, a.a.O., S. 20 ff.<br />
94 Vgl. etwa HAUSHEER / AEBI, Das Personenrecht des <strong>Schweiz</strong>erischen Zivilgesetzbuches,<br />
Bern 1999, RZ 18.08 ff. o<strong>der</strong> MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />
8. Auflage Bern 1998, § 4 N 25 ff., die lediglich auf BGE 44 II 77 (Union<br />
rurale), BGE 62 II 34 (<strong>Schweiz</strong>. Tabakverband), BGE 88 II 209 (Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera) und<br />
BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de cigarettes) e<strong>in</strong>gehen.<br />
35
samen wirtschaftlichen o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Zweckes i.S.v. Art. 678 aOR,<br />
wobei das religiöse Element lediglich e<strong>in</strong>en Nebenzweck darstelle.<br />
b) BGE 48 II 145 (Arbeiterunion Zürich, 1922)<br />
In BGE 48 II 145 bestritten die Organe <strong>der</strong> Arbeiterunion Zürich und<br />
diese selbst als Schadenersatz-Beklagte erfolglos die Parteifähigkeit <strong>der</strong><br />
gewerkschaftlich ausgerichteten Arbeiterunion als Vere<strong>in</strong>. Die Arbeiterunion<br />
Zürich bestand aus dem Gewerkschaftskartell von Zürich und Umgebung<br />
und <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei <strong>der</strong> Stadt Zürich, wobei laut Bundesgericht<br />
nicht diese beiden Vere<strong>in</strong>igungen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arbeiterunion<br />
Zürich waren, son<strong>der</strong>n direkt <strong>der</strong>en jeweiligen Mitglie<strong>der</strong>. Die Arbeiterunion<br />
Zürich bezweckte gemäss Statuten die „Wahrung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong><br />
Arbeiterschaft <strong>in</strong> allen Angelegenheiten, die nicht ausschliesslich politischer<br />
o<strong>der</strong> gewerkschaftlicher Natur s<strong>in</strong>d“. Als Mittel zur Erreichung<br />
dieses Zweckes diente unter an<strong>der</strong>em die Organisation von Demonstrationen.<br />
Das Bundesgericht musste die Frage entscheiden, ob die Organe<br />
<strong>der</strong> Arbeiterunion Zürich gegenüber <strong>der</strong> Stadtgeme<strong>in</strong>de Zürich als Eigentümer<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>es Gebäudes für Schäden hafteten, welche bei Ausschreitungen<br />
anlässlich e<strong>in</strong>er Demonstration verursacht worden waren. Offenbar<br />
war die Arbeiterunion Zürich nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen. Die<br />
Persönlichkeit <strong>der</strong> Arbeiterunion Zürich konnte somit nur bejaht werden,<br />
wenn es sich um e<strong>in</strong>e Personenverb<strong>in</strong>dung mit ideellem Zweck handelte.<br />
Gemäss Bundesgericht konnte „e<strong>in</strong>em Zweifel nicht unterliegen“, dass<br />
die Arbeiterunion e<strong>in</strong>en Zweck i.S.v. Art. 60 Abs. 1 ZGB verfolgte.<br />
Gemäss Doktr<strong>in</strong> und Praxis fielen unter den Begriff <strong>der</strong> politischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
i.S.v. Art. 60 Abs. 1 ZGB „nicht nur Verbände mit re<strong>in</strong> politischem<br />
Zweck, son<strong>der</strong>n auch solche, die, ohne für sich selber wirtschaftliche Vorteile<br />
zu erstreben, sich allgeme<strong>in</strong> die Hebung e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Klasse zum Ziele setzen“.<br />
Mit dieser Argumentation konnte das Bundesgericht die Haftung<br />
<strong>der</strong> Organe <strong>der</strong> Arbeiterunion Zürich gegenüber <strong>der</strong> Stadtgeme<strong>in</strong>de Zürich<br />
bejahen.<br />
c) BGE 51 II 522 (<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverband, Sektion<br />
Biel, 1925)<br />
In BGE 51 II 522 bestritt die Sektion Biel des gewerkschaftlich ausgerichteten<br />
<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverbandes als Schadenersatz-Beklagte<br />
im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em Boykott erfolglos, e<strong>in</strong> parteifähiger<br />
Vere<strong>in</strong> zu se<strong>in</strong>. Das Bundesgericht entschied, dass die Sektion Biel des<br />
<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverbandes e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> mit idealem Zweck<br />
36
sei. Zweck des Vere<strong>in</strong>s war „die geistigen und materiellen Interessen <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> zu wahren und zu för<strong>der</strong>n und <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem <strong>in</strong>ternationalen<br />
Proletariat die Übernahme <strong>der</strong> Produktion durch die Arbeiterschaft<br />
vorzubereiten und die Klassenherrschaft zu beseitigen“. Der<br />
Entscheid befasste sich mit e<strong>in</strong>er Klage auf Schadenersatz gegen die<br />
Sektion Biel wegen e<strong>in</strong>es Verdrängungsboykotts. Die Sektion Biel des<br />
<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverbandes bestritt ihre Passivlegitimation<br />
mit dem Argument, sie sei – im Gegensatz zum Zentralverband,<br />
<strong>der</strong> als idealer Vere<strong>in</strong> im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen sei – nicht e<strong>in</strong>getragen<br />
und daher lediglich e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> organisatorisches Untergebilde ohne<br />
Selbständigkeit und ohne juristische Existenz. Das Bundesgericht führte<br />
aus, gemäss Art. 60 und 61 ZGB bestünden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit idealem Zweck<br />
auch ohne Handelsregistere<strong>in</strong>trag, solange sie ke<strong>in</strong> kaufmännisch geführtes<br />
Gewerbe betrieben. Der Sektion Biel des <strong>Schweiz</strong>er Metall- und<br />
Uhrenarbeiterverbandes wurde demnach e<strong>in</strong> idealer Zweck attestiert, die<br />
Klage konnte somit gutgeheissen werden.<br />
d) BGE 56 I 123 (Diakonieverband „Wartburg“, 1930)<br />
Der Diakonieverband „Wartburg“, e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> gemäss Art. 60 ff. ZGB<br />
und als solcher im Handelsregister des Kantons Thurgau e<strong>in</strong>getragen,<br />
führte im Kanton Bern e<strong>in</strong> evangelisches Erholungsheim. In BGE 56 I<br />
123 g<strong>in</strong>g es um die Frage, ob dieses Erholungsheim als Zweignie<strong>der</strong>lassung<br />
des Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden müsse. Das<br />
Bundesgericht führte unter an<strong>der</strong>em aus, das Gesetz kenne „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die<br />
nach ihrer Zweckbestimmung ke<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>nabsichten haben und die deshalb<br />
nicht wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d, die aber e<strong>in</strong> nach kaufmännischer Art geführtes<br />
Gewerbe betreiben und aus diesem Grund e<strong>in</strong>tragungspflichtig<br />
s<strong>in</strong>d, ohne die ideale Zweckbestimmung zu verlieren“. „Bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht dieser <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ist also unerheblich, <strong>in</strong> welchem<br />
Verhältnis das Gewerbe zum Vere<strong>in</strong>szweck steht, sofern dieser<br />
nur e<strong>in</strong> idealer bleibt, und die Worte ‚für se<strong>in</strong>en Zweck‘ <strong>in</strong> ZGB Art. 61 Abs.<br />
2 s<strong>in</strong>d überflüssig und irreführend; denn die Tatsache, dass e<strong>in</strong> solcher Gewerbebetrieb<br />
vorhanden ist, genügt für die E<strong>in</strong>tragungspflicht.“<br />
e) BGE 59 I 32 (Institution de Baldegg, 1933)<br />
Die Révérendes Soeurs de Baldegg bildeten e<strong>in</strong>e religiöse Geme<strong>in</strong>schaft,<br />
welche zum Orden des Franz von Assisi gehörte. Die Révérendes Soeurs de<br />
Baldegg widmeten sich dem Unterrichten <strong>der</strong> Jugend und <strong>der</strong> Hilfe für<br />
Arme und Kranke. Im Jahr 1890 liessen sie sich unter <strong>der</strong> Bezeichnung<br />
37
„Institut Baldegg“ im Handelsregister e<strong>in</strong>tragen. Zur Erreichung <strong>der</strong> genannten<br />
Zwecke betrieb das Institut Baldegg drei Töchter<strong>in</strong>stitute und e<strong>in</strong><br />
Sanatorium. Diese waren als solche nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen.<br />
Das Bundesgericht hatte auf Klage e<strong>in</strong>iger Handwerker zu beurteilen,<br />
ob e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Töchter<strong>in</strong>stitute e<strong>in</strong>e Filiale des Instituts Baldegg darstelle.<br />
In diesem Zusammenhang anerkannte das Bundesgericht den<br />
idealen Zweck des Instituts Baldegg und entschied, dass dieses, obwohl<br />
es offenbar e<strong>in</strong>en Umsatz von mehr als CHF 10'000.– erzielte, ke<strong>in</strong><br />
„métier“ i.S.v. Art. 61 ZGB und ke<strong>in</strong>e „<strong>in</strong>dustrie“ i.S.v. Art. 13 Abs. 3<br />
HRV betreibe. Die Tatsache, dass das Institut Baldegg den Schüler<strong>in</strong>nen<br />
und Kranken Unterkunft und Nahrung zur Verfügung stellte, war nach<br />
Bundesgericht von untergeordneter Bedeutung und bewirkte nicht, dass<br />
das Institut Baldegg zu e<strong>in</strong>em Industrie- o<strong>der</strong> Handelsunternehmen geworden<br />
war. Das Institut Baldegg stelle vielmehr e<strong>in</strong>en religiösen Vere<strong>in</strong><br />
dar, auf welchen Art. 61 Abs. 2 ZGB nicht anwendbar sei.<br />
3. Rechtsprechung des Bundesgerichts von 1934 bis 1962:<br />
Zulässigkeit von Wirtschaftsverbänden <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform,<br />
solange sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben<br />
a) Entscheid des Bundesgerichts vom 5./6. Dezember 1934 (Fédération<br />
suisse des associations de fabricants d’horlogerie, Union des branches<br />
annexes de l‘horlogerie, JdT 1935 I, S. 66 ff.)<br />
In diesem Entscheid aus dem Jahre 1934 setzten sich die Fédération<br />
suisse des associations de fabricants d’horlogerie und die Union des branches annexes<br />
de l’horlogerie, zwei Branchenverbände mit Kartellcharakter, als parteifähige<br />
Kläger<strong>in</strong>nen gegen e<strong>in</strong>en Abtrünnigen durch. Die beiden Branchenorganisationen<br />
bezeichneten sich gemäss ihren Statuten als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
und waren nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen. Die Beklagte bestritt<br />
die Parteifähigkeit <strong>der</strong> Kläger<strong>in</strong>nen mit dem Argument, diese seien <strong>in</strong><br />
Wahrheit ke<strong>in</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss ZGB, son<strong>der</strong>n Genossenschaften i.S.d.<br />
OR und daher käme ihnen ohne Handelsregistere<strong>in</strong>trag ke<strong>in</strong>e Rechtspersönlichkeit<br />
zu. Das Bundesgericht anerkannte jedoch die Rechtspersönlichkeit<br />
bei<strong>der</strong> Verbände als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB. Zunächst wies das<br />
Bundesgericht auf die Bestimmung von Art. 62 ZGB h<strong>in</strong>, wonach <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
welche die Persönlichkeit noch nicht erlangt haben, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache<br />
Gesellschaft darstellen. Diese Lösung ist nach Ansicht des Bundesgerichts<br />
für Branchenverbände unzweckmässig, weil diese <strong>in</strong> ihren Aktivitäten<br />
völlig gelähmt würden, wenn sie als e<strong>in</strong>fache Gesellschaften behandelt<br />
würden. Ausserdem wären nach Ansicht des Bundesgericht<br />
38
sämtliche Handlungen, welche von den Verbänden seit <strong>der</strong>en Gründung<br />
als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB vorgenommen worden waren, als unheilbar nichtig<br />
zu qualifizieren gewesen, wenn ihnen die Rechtspersönlichkeit als Vere<strong>in</strong><br />
aberkannt worden wäre. Daher kam es für das Bundesgericht nicht <strong>in</strong><br />
Frage, die beiden Branchenverbände als Vere<strong>in</strong>igungen zu behandeln,<br />
welche die Rechtspersönlichkeit noch nicht erlangt hatten.<br />
Entsprechend qualifizierte das Bundesgericht den Zweck <strong>der</strong> beiden<br />
Verbände als nicht wirtschaftlich: Die Fédération horlogère war e<strong>in</strong>e Sektion<br />
<strong>der</strong> Chambre suisse de l’horlogerie und bezweckte gemäss Statuten die<br />
Wahrung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Interessen <strong>der</strong> Uhrenfabrikanten. Mitglie<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Fédération horlogère waren nicht die e<strong>in</strong>zelnen Uhrenfabrikanten, son<strong>der</strong>n<br />
lokale Vere<strong>in</strong>igungen, die als Sektionen bezeichnet wurden. Das<br />
Bundesgericht unterstrich, dass die Fédération horlogère lediglich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
generellen Weise die Interessen <strong>der</strong> Uhrenfabrikanten vertrete. Sie wolle<br />
sich nicht selber e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Tätigkeit widmen und ke<strong>in</strong>e Geschäfte betreiben,<br />
sie wolle nichts produzieren und ke<strong>in</strong>en Handel betreiben. Die Mitglie<strong>der</strong><br />
hätten sich nicht zusammengeschlossen, um zusammen e<strong>in</strong> Unternehmen<br />
zu betreiben und die Fédération horlogère äufne ihre Mittel nicht aus<br />
ihren eigenen Aktivitäten, son<strong>der</strong>n aus den Mitteln ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Das<br />
Bundesgericht anerkannte zwar, dass die Fédération horlogère als Endzweck<br />
e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgte, nämlich die Besserstellung und das<br />
Wohlergehen <strong>der</strong> Uhren<strong>in</strong>dustrie. Dennoch komme <strong>der</strong> Fédération horlogère<br />
aber aufgrund ihrer Aktivitäten und ihrer Organisation selber ke<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />
Charakter zu. Nach Ansicht des Bundesgerichts wäre es absurd<br />
gewesen, jede Vere<strong>in</strong>igung, welche als Endzweck ihren Mitglie<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong>en Vorteil zu verschaffen versucht, als Vere<strong>in</strong>igung mit wirtschaftlichem<br />
Zweck zu bezeichnen. Für die Qualifikation des Zweckes e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>igung<br />
komme es e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> darauf an, ob die Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>e wirtschaftliche<br />
Tätigkeit entfalte. Auch das deutsche Recht unterscheide zwischen wirtschaftlichen<br />
und nichtwirtschaftlichen Vere<strong>in</strong>igungen. Das Abgrenzungskriterium<br />
gemäss BGB sei <strong>der</strong> wirtschaftliche o<strong>der</strong> nichtwirtschaftliche<br />
Charakter des Geschäftsbetriebes: Die §§ 22 und 23 BGB<br />
unterscheiden zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>der</strong>en Zweck nicht auf e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
Geschäftsbetrieb, und solchen, <strong>der</strong>en Zweck auf e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Auch nach schweizerischem<br />
Recht seien nur Vere<strong>in</strong>igungen, die ihren Zweck durch e<strong>in</strong>e wirtschaftliche<br />
Tätigkeit zu erreichen versuchen, wirtschaftliche Vere<strong>in</strong>igungen, die<br />
zur Erlangung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit als Genossenschaften <strong>in</strong>s Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>getragen werden müssen. Nur wenn die Vere<strong>in</strong>igung am<br />
Geschäftsleben teilnimmt und durch Ausübung e<strong>in</strong>es Gewerbes o<strong>der</strong><br />
39
Handels e<strong>in</strong>e aktive Rolle auf dem Markt <strong>der</strong> jeweiligen Branche spielt,<br />
könne überhaupt <strong>in</strong> Betracht gezogen werden, dass sie unter Umständen<br />
ke<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB se<strong>in</strong> kann. Es blieb jedoch nach Bundesgericht<br />
zu beachten, dass unter Umständen selbst bei Vorliegen e<strong>in</strong>es Handels<br />
o<strong>der</strong> Gewerbes e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB bejaht werden kann. Das Bundesgericht<br />
führte allerd<strong>in</strong>gs nicht aus, wie diese Umstände aussehen müssen,<br />
und liess damit das Verhältnis zwischen dem Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Gewerbes und dem wirtschaftlichen Zweck offen.<br />
Mit <strong>der</strong>selben Begründung bejahte das Bundesgericht auch die<br />
Rechtspersönlichkeit <strong>der</strong> Union des branches annexes de l’horlogerie als Vere<strong>in</strong><br />
i.S.d. ZGB. Diese Vere<strong>in</strong>igung bezweckte die Vertretung und die Wahrnehmung<br />
<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Interessen <strong>der</strong> Berufsangehörigen.<br />
b) BGE 62 II 32 (<strong>Schweiz</strong>. Tabakverband, 1936)<br />
In BGE 62 II 32 95 setzte sich e<strong>in</strong> Branchenverband mit Kartellcharakter<br />
als parteifähiger Kläger gegen e<strong>in</strong>en Kartellverletzer durch. Das<br />
Bundesgericht musste die Klage des <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverbandes gegen<br />
e<strong>in</strong>en Tabakwarenhändler beurteilen, <strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>igen Zigarettenfabriken<br />
e<strong>in</strong> Abkommen getroffen hatte, nach welchem er gewisse M<strong>in</strong>destverkaufspreise<br />
e<strong>in</strong>halten werde. Diese Zigarettenfabriken hatten ihre Ansprüche<br />
aus dem Vertrag auf Konventionalstrafe im Falle <strong>der</strong> Zuwi<strong>der</strong>handlung<br />
an den <strong>in</strong>zwischen gegründeten <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverband<br />
abgetreten. Der Tabakwarenhändler bestritt auf e<strong>in</strong>e Klage des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Tabakverbandes h<strong>in</strong> dessen Parteifähigkeit, weil es sich beim <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Tabakverband um e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung mit wirtschaftlichem Zweck<br />
handle, dieser jedoch nicht als Genossenschaft im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen<br />
sei. Statutarischer Zweck des <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverbandes war<br />
die Sicherung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Existenz <strong>der</strong> Tabakwarenhändler im<br />
allgeme<strong>in</strong>en. Das Bundesgericht verne<strong>in</strong>te jedoch das Vorliegen e<strong>in</strong>er<br />
wirtschaftlichen Aufgabe des Verbandes i.S.v. Art. 59 Abs. 2 ZGB. Von<br />
<strong>der</strong> Verfolgung e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Aufgabe im S<strong>in</strong>ne dieser Bestimmung<br />
könne erst dann gesprochen werden, „wenn <strong>der</strong> Verband selber <strong>in</strong> dem<br />
<strong>in</strong> Frage stehenden Wirtschaftssektor durch den Betrieb e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dustriellen, gewerblichen<br />
o<strong>der</strong> Handelsunternehmens e<strong>in</strong>e aktive geschäftliche Tätigkeit entfaltet“. Dabei<br />
stützte sich das Bundesgericht auf die Entstehungsgeschichte von<br />
Art. 59 ZGB ab. Weil <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erische Tabakverband we<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Handelsgeschäft<br />
<strong>in</strong> Rohtabak o<strong>der</strong> Tabakwaren noch e<strong>in</strong> Fabrikationsgeschäft<br />
betrieb, son<strong>der</strong>n weil sich se<strong>in</strong>e Tätigkeit auf die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> wirt-<br />
95 Vor<strong>in</strong>stanz: ZR 35, 1936, S. 175.<br />
40
schaftlichen Interessen des gesamten Standes <strong>der</strong> Tabakwarenhändler<br />
beschränkte (egal, ob diese Mitglie<strong>der</strong> des Verbandes seien o<strong>der</strong> nicht)<br />
handelte es sich gemäss Bundesgericht um e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> zu nicht wirtschaftlichen<br />
Zwecken i.S.d. ZGB.<br />
c) BGE 69 I 127 (<strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung zur Wahrung <strong>der</strong><br />
Gebirgs<strong>in</strong>teressen, 1943)<br />
In BGE 69 I 127 befasste sich das Bundesgericht mit <strong>der</strong> Namensbildung<br />
e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Vere<strong>in</strong>s i.S.v. Art. 47 HRV. Das Bundesgericht<br />
hatte die Frage zu beantworten, ob die <strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung zur<br />
Wahrung <strong>der</strong> Gebirgs<strong>in</strong>teressen unter dieser Bezeichnung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>getragen werden könne. Diese hatte sich als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB<br />
konstituiert und bezweckte gemäss Statuten „die Wahrung und För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> sozialen, wirtschaftlichen und geistigen Interessen <strong>der</strong> schweizerischen<br />
Gebirgsbevölkerung“. Ihre Tätigkeit erstreckte sich unter an<strong>der</strong>em<br />
auf „die Beschaffung und Zuwendung f<strong>in</strong>anzieller Beiträge aus<br />
dem Gebirgshilfe-Fonds unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung <strong>der</strong> Selbsthilfe“.<br />
Der „Gebirgshilfe-Fonds“ war e<strong>in</strong>e Stiftung, dessen Stiftungsrat<br />
<strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Vere<strong>in</strong>igung zur Wahrung <strong>der</strong> Gebirgs<strong>in</strong>teressen<br />
war.<br />
Das Bundesgericht kam zum Ergebnis, die Vere<strong>in</strong>igung sei e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>,<br />
<strong>der</strong> nicht ausschliesslich nichtwirtschaftliche Ziele i.S.v. Art. 47 HRV<br />
verfolge und daher die territoriale Bezeichnung „schweizerisch“ gemäss<br />
Art. 45 und 46 HRV nur unter Ausnahmenbed<strong>in</strong>gungen verwenden<br />
dürfe. Das wirtschaftliche Zweckelement sah das Bundesgericht <strong>in</strong> den<br />
wirtschaftlichen Solidaritätsbestrebungen, <strong>der</strong> Verwaltung <strong>der</strong> Stiftung und <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebensführung <strong>der</strong> Gebirgsbevölkerung. 96<br />
d) BGE 71 I 119 (Kaufmännische Corporation <strong>in</strong> St. Gallen, 1945)<br />
Erfolglos versuchte <strong>in</strong> diesem Verfahren die Kaufmännischen Corporation<br />
<strong>in</strong> St. Gallen, e<strong>in</strong> Verband zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> regionalen Wirtschaft, sich<br />
als geme<strong>in</strong>nützige und damit steuerbefreite Institution darzustellen. Das<br />
Bundesgericht hat offenbar ohne weiteres die Rechtsform <strong>der</strong> Kaufmännischen<br />
Corporation als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB anerkannt. Die Kaufmännische Corporation<br />
<strong>in</strong> St. Gallen hatte als Zweck, die Interessen des Handels und <strong>der</strong><br />
Industrie zu wahren und zu för<strong>der</strong>n, geme<strong>in</strong>nützige Unternehmungen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Stadt St. Gallen zu unterstützen und zur Hebung von Gewerbe,<br />
96 Vgl. dazu die Kritik von ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es<br />
kaufmännischen Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 6.<br />
41
Kunst und Wissenschaft beizutragen. Als Mitglie<strong>der</strong> wurden Firmen<strong>in</strong>haber,<br />
vollverantwortliche geschäftsführende Teilhaber, Delegierte des<br />
Verwaltungsrates und Direktoren von Unternehmungen des Grosshandels<br />
und <strong>der</strong> Gross<strong>in</strong>dustrie e<strong>in</strong>schliesslich Banken, Versicherungen und<br />
Grossgewerbe aufgenommen. Offenbar wurden unter <strong>der</strong> Initiative <strong>der</strong><br />
Kaufmännischen Corporation und mit <strong>der</strong>en f<strong>in</strong>anziellen Hilfe neue Schulen<br />
e<strong>in</strong>gerichtet, e<strong>in</strong> grosses Lagerhaus <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem neuen Güterbahnhof<br />
<strong>in</strong> St. Gallen gebaut, e<strong>in</strong>e Ersparnisanstalt übernommen und<br />
saniert und die St. Gallische Hypothekarkasse gegründet. Die Kaufmännische<br />
Corporation schien auch „namhafte Beträge“ an Eisenbahnprojekte<br />
und für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schiffahrt auf dem Bodensee und dem Walensee<br />
geleistet zu haben. Die Mittel für alle diese Tätigkeiten waren aus<br />
den Erträgnissen e<strong>in</strong>es Fonds geleistet worden, <strong>der</strong> <strong>in</strong> den Statuten als<br />
unantastbares Stammkapital bezeichnet worden war.<br />
e) BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative vaudoise d’allocations familiales,<br />
1946)<br />
In BGE 72 I 319, ebenfalls e<strong>in</strong>em steuerrechtlichen Entscheid, erreichte<br />
e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> zur Leistung kantonal-vorsorgerechtlicher Ausgleichszahlungen<br />
erfolgreich die Anerkennung als steuerbefreite juristische Person.<br />
Zu beurteilen war die Caisse <strong>in</strong>tercorporative vaudoise d’allocations<br />
familiales, die gemäss Statuten zum Zweck hatte, „d’assurer entre les<br />
membres employeurs la répartition équitable des charges imposées par<br />
les allocations familiales (loi vaudoise du 26 mai 1943)“. Die Statuten<br />
bezeichneten die Caisse als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB und sagten ausdrücklich,<br />
„la Caisse ne poursuit aucun but lucratif“. Offenbar übte die<br />
Caisse hauptsächlich e<strong>in</strong>e Art Umverteilfunktion h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Ausgleichszahlungen<br />
aus. Weil nach dem e<strong>in</strong>schlägigen Gesetz „rechtsfähige<br />
Ausgleichskassen“ steuerbefreit waren, hatte das Bundesgericht sehr<br />
ausführlich geprüft, ob <strong>der</strong> Caisse vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> zivilrechtlichen<br />
Bestimmungen Rechtsfähigkeit zukäme. Das Bundesgericht fasste<br />
die Rechtsprechung dah<strong>in</strong>gehend zusammen, dass Berufsverbände als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
mit nichtwirtschaftlichem Zweck anerkannt werden, solange sie generelle Standes<strong>in</strong>teressen<br />
verfolgen. Ob sie gewissermassen als <strong>in</strong>direkten Zweck die<br />
Verbesserung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er Klasse o<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />
verfolgen, sei gleichgültig. Auch dürfe e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> mit nichtwirtschaftlichem<br />
Zweck als Nebenzweck wirtschaftliche Vorteile für<br />
se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> anstreben. Seit dem Entscheid Fédération suisse des associations<br />
de fabricants d’horlogerie stelle das Bundesgericht darauf ab, ob e<strong>in</strong>e<br />
Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>e aktive Rolle auf dem Markt <strong>der</strong> Branche spiele, <strong>in</strong>dem<br />
42
sie e<strong>in</strong> Gewerbe o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Handel ausübt. Daraus zog das Bundesgericht<br />
den Schluss, dass e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB bestehen<br />
kann, solange sie nicht <strong>in</strong> Transaktionen mit Kundschaft <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt<br />
o<strong>der</strong> selbst <strong>in</strong> eigenem Interesse Geschäfte abschliesst, so dass <strong>der</strong> wirtschaftliche<br />
Betrieb als Selbstzweck ersche<strong>in</strong>t. Dies stehe auch mit <strong>der</strong> ratio legis im<br />
E<strong>in</strong>klang, denn <strong>der</strong> Gesetzgeber habe lediglich dort auf e<strong>in</strong>em Handelsregistere<strong>in</strong>trag<br />
bestehen wollen, wo dies im Interesse <strong>der</strong> Geschäftssicherheit<br />
erfor<strong>der</strong>lich ersche<strong>in</strong>e. Weil die Caisse nicht aktiv auf dem Markt<br />
tätig werde, ke<strong>in</strong>e Transaktionen mit Kundschaft tätige und ke<strong>in</strong>e Geschäfte<br />
im eigenen Interesse abschliesse, handle es sich nicht um e<strong>in</strong>e<br />
Vere<strong>in</strong>igung mit wirtschaftlichem Betrieb als Selbstzweck, son<strong>der</strong>n um<br />
Hilfsorganisationen, die re<strong>in</strong> adm<strong>in</strong>istrative Aufgaben mit bloss <strong>in</strong>ternen<br />
Auswirkungen erfüllen. Somit könne die Caisse als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB<br />
ohne Handelsregistere<strong>in</strong>trag bestehen. Zum selben Ergebnis kam das<br />
Bundesgericht auch vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Beurteilung des blossen<br />
Zwecks <strong>der</strong> Caisse: Dieser sei re<strong>in</strong> sozial, denn bei Ausgleichskassen gehe<br />
es um den Schutz <strong>der</strong> Familie. Solange Berufsverbände, die Standes<strong>in</strong>teressen<br />
vertreten, als nichtwirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> anerkannt würden, müsse<br />
erst recht e<strong>in</strong>e Organisation als nichtwirtschaftlich anerkannt werden,<br />
<strong>der</strong>en Zweck nicht auf die wirtschaftlichen Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gerichtet sei.<br />
Hier könne nicht mehr gesagt werden, man bef<strong>in</strong>de sich <strong>in</strong>nerhalb des<br />
Gebietes <strong>der</strong> Wirtschaft.<br />
f) BGE 73 I 316 (Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich, 1947)<br />
In diesem steuerrechtlichen Entscheid versuchte <strong>der</strong> Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich<br />
erfolglos, sich als geme<strong>in</strong>nützige und damit steuerbefreite Institution<br />
darzustellen. Das Bundesgericht hatte jedoch ke<strong>in</strong>e Probleme damit,<br />
dass <strong>der</strong> Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich als Vere<strong>in</strong> konstituiert war. Der Verkehrsvere<strong>in</strong><br />
Zürich war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB konstituiert und bezweckte<br />
gemäss Statuten „die Wahrung und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verkehrs<strong>in</strong>teressen<br />
von Zürich und Umgebung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch Unterhalt e<strong>in</strong>er<br />
als Offizielles Verkehrsbureau Zürich bestehenden Organisation. E<strong>in</strong><br />
Hauptbestreben soll dar<strong>in</strong> liegen, Fremde nach Zürich zu ziehen und ihnen<br />
den Aufenthalt hier angenehm und nützlich zu machen, namentlich<br />
auch gut situierte Familien zu längerem o<strong>der</strong> dauerndem Aufenthalt zu<br />
veranlassen.“ Das Bundesgericht bezeichnete den Zweck des Verkehrsvere<strong>in</strong>s<br />
Zürich als „ohne Zweifel wirtschaftlicher Art“, denn e<strong>in</strong>e solche Tätigkeit<br />
diene vornehmlich den materiellen Interessen <strong>der</strong> Berufszweige, denen<br />
<strong>der</strong> Fremdenverkehr zugute kommt. Dem wirtschaftlichen Ziel des Verkehrsvere<strong>in</strong>s<br />
seien alle se<strong>in</strong>e Bestrebungen, wie etwa die Kulturpflege,<br />
43
als re<strong>in</strong>es Mittel zum Zweck untergeordnet. Entsprechend verne<strong>in</strong>te das<br />
Bundesgericht die steuerrechtliche Geme<strong>in</strong>nützigkeit des Verkehrsvere<strong>in</strong>s<br />
Zürich, schien sich jedoch nicht daran zu stossen, dass <strong>der</strong> Verkehrsvere<strong>in</strong><br />
Zürich als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB konstituiert war.<br />
g) BGE 76 II 281(<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche,<br />
1950)<br />
In BGE 76 II 281 wurde <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären<br />
Branche als parteifähiger Schadenersatz-Beklagter im Zusammenhang mit<br />
e<strong>in</strong>em Boykott anerkannt, den er gegen e<strong>in</strong> Unternehmen verhängt hatte.<br />
Nach se<strong>in</strong>en Statuten war <strong>der</strong> Verband e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB<br />
und bezweckte die Wahrung <strong>der</strong> Berufs- und Standes<strong>in</strong>teressen se<strong>in</strong>er<br />
Mitglie<strong>der</strong> und die Bekämpfung ungesun<strong>der</strong> Konkurrenzauswüchse. Als<br />
Mittel zur Erreichung dieses Zwecks dienten dem <strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband<br />
<strong>der</strong> sanitären Branche gemäss den Statuten <strong>der</strong> Abschluss von Verträgen<br />
aller Art mit Produzenten und Konsumenten, die Aufstellung<br />
e<strong>in</strong>heitlicher Kaufpreise, Lieferungs- und Zahlungsbed<strong>in</strong>gungen, geme<strong>in</strong>sames<br />
Vorgehen gegen Konkurrenten und Dritte, welche die Kreise<br />
des Verbandes stören, sowie Sperrmassnahmen und Ähnliches. Der<br />
<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche hatte se<strong>in</strong>e Rechtsfähigkeit<br />
nicht bestritten und das Bundesgericht hat sich mit dieser Frage<br />
auch nicht grundsätzlich ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt. Lediglich im Zusammenhang<br />
mit dem Rechtsbegehren des boykottierten Unternehmens auf Beseitigung<br />
des Boykotts erwähnte es anlässlich von Überlegungen dazu,<br />
ob <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche dazu verurteilt<br />
werden könnte, das boykottierte Unternehmen als Mitglied aufzunehmen,<br />
dass für e<strong>in</strong>en Wirtschaftsverband an sich die Genossenschaftsform<br />
sachlich richtiger wäre als die Vere<strong>in</strong>sform. Aber das Bundesgericht<br />
akzeptierte dennoch die Vere<strong>in</strong>sform.<br />
h) Entscheid des Bundesgerichts vom 26. März 1953 (Association des maîtres<br />
ferblantiers et appareilleurs, SemJud 1954, S. 85 ff. und 466 f.)<br />
In diesem Entscheid wurde e<strong>in</strong> Branchenverband als parteifähiger<br />
Kläger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Prozess gegen e<strong>in</strong>en unlauter agierenden Unternehmer<br />
anerkannt. Die Association des maîtres ferblantiers et appareilleurs du canton de<br />
Genève war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB konstituiert worden. Sie bezweckte<br />
(but) die Organisation <strong>der</strong> Eisenwarenhändler und Installateure<br />
des Kantons Genf, um unter diesen kollegiale Beziehungen zu för<strong>der</strong>n<br />
und ihre Standes<strong>in</strong>teressen zu verteidigen. Als Aufgabe gemäss Statuten<br />
44
(tâche) 97 hatte die Association „de fixer, en les unifiant, les conditions du<br />
travail dans tous les ateliers de ces professions existant dans le canton;<br />
d’établir des prix rationnels pour tous les traveaux de la profession et de<br />
s’employer à en obtenir l’application uniforme; de renseigner ses membres<br />
sur le personnel, sur les fournisseurs et sur la solvabilité et la bonne<br />
foi des clients; d’organiser éventuellement, dans l’<strong>in</strong>térêt exclusif et personnel<br />
de ses membres, l’achat en commun de matières premières ou<br />
d’articles manufacturés utilisés dans la profession; de défendre le bon<br />
renom de la corporation en s’opposant par tous les moyens à sa disposition<br />
à l’execution de travaux défectueux et en luttant contre les procédés<br />
immoraux; de favoriser le développement de la formation professionnelle<br />
du patron, de l’ouvrier et de l’apprenti“. Das Bundesgericht hatte<br />
e<strong>in</strong>e Klage <strong>der</strong> Association gegen e<strong>in</strong>en Installateur und Elektriker zu beurteilen.<br />
Mit dieser Klage sollte festgestellt und publik gemacht werden,<br />
dass <strong>der</strong> Beklagte mit se<strong>in</strong>er Werbung für e<strong>in</strong>e Küche unlauteren Wettbewerb<br />
betrieben habe. Er hatte unter an<strong>der</strong>em die Rechts- und Prozessfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Association bestritten. Das Bundesgericht berief sich auf<br />
se<strong>in</strong>e frühere Rechtsprechung 98 und wies darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung<br />
mit wirtschaftlichem Zweck nicht bereits dann vorliege, wenn die<br />
Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>em wirtschaftlichen Bereich im Gegensatz zum religiösen,<br />
künstlerischen und ähnlichen Bereich zuzurechnen sei. Vielmehr<br />
müsse sich die Vere<strong>in</strong>igung selbst mit Gew<strong>in</strong>nabsicht <strong>der</strong> Vornahme von Geschäften<br />
widmen. Somit könne e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung, welche zur Wahrung von<br />
Standes<strong>in</strong>teressen gegründet worden war, ohne sich selbst jedoch wirtschaftlich<br />
zu betätigen, um Gew<strong>in</strong>ne zu erzielen, die Persönlichkeit als Vere<strong>in</strong> i.S.d.<br />
ZGB erlangen. Namentlich BGE 76 II 281 99 habe an dieser Rechtslage<br />
nichts geän<strong>der</strong>t.<br />
Im vorliegenden Fall betreibe die Association des maîtres ferblantiers et appareilleurs<br />
ke<strong>in</strong>erlei wirtschaftliche Tätigkeit <strong>in</strong> ihrem eigenen Interesse.<br />
Dies nicht e<strong>in</strong>mal dann, wenn sie gemäss Statuten Grosse<strong>in</strong>käufe organisiere,<br />
denn sie tue dies ausdrücklich und ausschliesslich im persönlichen<br />
Interesse ihrer Mitglie<strong>der</strong>, ohne eigene Gew<strong>in</strong>nabsichten. Das Ausüben<br />
e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>artigen Tätigkeit habe lediglich zur Folge, dass sich die Association<br />
gemäss Art. 61 Abs. 2 ZGB im Handelsregister e<strong>in</strong>zutragen habe,<br />
ohne dass dem E<strong>in</strong>trag konstitutiven Charakter zukomme.<br />
97 Der Begriff „tâche“ wird im französischen Text des ZGB nicht verwendet.<br />
98 BGE 48 II 145, Arbeiterunion Zürich, (vgl. S. 36) und Entscheid des Bundesgerichts<br />
vom 5./6. Dezember 1934, Fédération suisse des associations de fabricants d’horlogerie, Union des<br />
branches annexes de l’horlogerie , vgl. oben S. 38.<br />
99 <strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche, vgl. oben S. 44.<br />
45
i) BGE 81 II 117 (<strong>Schweiz</strong>erischer Tabakverband, 1955)<br />
In BGE 81 II 117 musste das Bundesgericht die Zulässigkeit e<strong>in</strong>es<br />
Boykotts und damit zusammenhängend e<strong>in</strong>e Schadenersatzfor<strong>der</strong>ung<br />
beurteilen. Der Boykott war vom <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverband verhängt<br />
worden, <strong>der</strong> als parteifähiger Beklagter zugelassen wurde. Der <strong>Schweiz</strong>erische<br />
Tabakverband war im Jahre 1932 als Vere<strong>in</strong> gemäss Art. 60 ff. ZGB<br />
gegründet worden. Bereits im Jahre 1936 war er Partei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verfahren<br />
vor Bundesgericht 100 , <strong>in</strong> welchem se<strong>in</strong>e Existenz als Vere<strong>in</strong> i.S.d.<br />
ZGB bejaht worden war. Im Jahr 1939 hatte <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erische Tabakverband<br />
offenbar se<strong>in</strong>e Statuten geän<strong>der</strong>t. Nach diesen neuen Statuten bezweckte<br />
er „<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Sanierung <strong>der</strong> Preis- und Rabattverhältnisse<br />
und <strong>der</strong> damit <strong>in</strong> Zusammenhang stehenden Missbräuche<br />
(Prämiensysteme und Zugabewesen) beim Verkauf von Tabakwaren an<br />
die Konsumenten und ebenso die Wahrung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en lebenswichtigen<br />
Interessen <strong>der</strong> schweizerischen Tabakbranche“. Mitglie<strong>der</strong> des<br />
<strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverbandes konnten Handelsorganisationen und E<strong>in</strong>zelfirmen<br />
<strong>der</strong> Tabakbranche werden. Zwischen den Verbandsmitglie<strong>der</strong>n<br />
bestand e<strong>in</strong>e Kartellordnung. In BGE 81 II 117 setzte sich das Bundesgericht<br />
nicht mit <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform i.S.d. ZGB ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
und anerkannte somit den <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverband auch mit se<strong>in</strong>en<br />
neuen Statuten ohne weiteres als Vere<strong>in</strong>.<br />
j) BGE 82 II 292 (Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956)<br />
In BGE 82 II 292 wurde e<strong>in</strong>e Branchenorganisation <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform<br />
als parteifähige Beklagte gegenüber e<strong>in</strong>em Kläger anerkannt, <strong>der</strong> als Mitglied<br />
<strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong> aufgenommen werden wollte. Das Groupement des<br />
Fournisseurs d’Horlogerie war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB gegründet<br />
worden und bezweckte die kollektive Wahrung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Berufs<strong>in</strong>teressen<br />
se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> sowie die För<strong>der</strong>ung des Verkaufs von<br />
<strong>Schweiz</strong>er Uhren hoher Qualität durch möglichst weitgehende Vere<strong>in</strong>heitlichung<br />
von Verkaufs- und Zahlungsbed<strong>in</strong>gungen. Mitglie<strong>der</strong> des<br />
Groupement waren Uhrenfabriken und Unternehmen des Uhrengrosshandels.<br />
Das Groupement hatte mit dem Zentralverband <strong>Schweiz</strong>erischer Uhrenmacher<br />
e<strong>in</strong>en Vertrag abgeschlossen. Nach diesem Vertrag verpflichteten<br />
sich die Mitglie<strong>der</strong> des Groupement im Gebiet <strong>der</strong> Konvention, Uhren nur<br />
an die Mitglie<strong>der</strong> des Zentralverbandes <strong>Schweiz</strong>erischer Uhrenmacher zu liefern,<br />
während sich diese ihrerseits dazu verpflichteten, Uhren aus-<br />
100 Vgl. BGE 62 II 32, oben S. 40.<br />
46
schliesslich bei den Mitglie<strong>der</strong>n des Groupement zu beziehen. In BGE 82<br />
II 292 musste e<strong>in</strong>e Klage e<strong>in</strong>er Firma beurteilt werden, die als Mitglied<br />
<strong>in</strong> das Groupement aufgenommen werden wollte, das Groupement e<strong>in</strong>es<br />
Verdrängungsboykotts bezichtigte und entsprechend Schadenersatzfor<strong>der</strong>ungen<br />
stellte.<br />
Das Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie wandte gegen das Aufnahmebegehren<br />
<strong>der</strong> Firma e<strong>in</strong>, als Vere<strong>in</strong> sei es befugt, e<strong>in</strong>em Bewerber die<br />
Aufnahme als Mitglied auch ohne Angabe von Gründen zu verweigern.<br />
Das Bundesgericht liess diesen E<strong>in</strong>wand jedoch nicht gelten und führte<br />
folgendes aus: „Der Beklagte ist zwar äusserlich <strong>in</strong> die Rechtsform e<strong>in</strong>es<br />
Vere<strong>in</strong>s zu nicht wirtschaftlichen Zwecken im S<strong>in</strong>ne von Art. 60 ff.<br />
ZGB gekleidet. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei ihm um e<strong>in</strong>en<br />
Zusammenschluss von Gewerbetreibenden zur Verfolgung ausgesprochen<br />
wirtschaftlicher Ziele, wie die Zweckumschreibung <strong>in</strong> Art. 2 se<strong>in</strong>er<br />
Statuten klar erkennen lässt. Die dort genannten Ziele, nämlich die kollektive<br />
Verteidigung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Interessen <strong>der</strong> ihm angehörenden Fabrikanten<br />
und Grossisten – also nicht <strong>der</strong> Uhren<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit –, die<br />
För<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Schutz des Uhrenhandels, die Vere<strong>in</strong>heitlichung <strong>der</strong><br />
Verkaufs- und Zahlungsbed<strong>in</strong>gungen, beziehen sich nicht auf irgendwelche<br />
idealen Zwecke, son<strong>der</strong>n sie s<strong>in</strong>d darauf gerichtet, den Verbandsmitglie<strong>der</strong>n<br />
auf dem Wege <strong>der</strong> Marktregulierung e<strong>in</strong>e Erhöhung des Umsatzes und des<br />
Gew<strong>in</strong>nes zu verschaffen. Es wäre daher sachlich richtiger und den Umständen<br />
angemessener gewesen, statt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform diejenige <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
zu wählen, bei <strong>der</strong> nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift [...]<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>tritt neuer Mitglie<strong>der</strong> nicht übermässig erschwert (und noch weniger<br />
überhaupt verunmöglicht) werden darf. Es ist daher geboten, bei<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n von <strong>der</strong> Art des Beklagten die genannte Bestimmung des Genossenschaftsrechts<br />
analog zur Anwendung zu br<strong>in</strong>gen, wie dies bereits<br />
im Falle des BGE 76 II 294 101 angedeutet worden ist.“ 102<br />
4. BGE 88 II 209 (Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera, 1962): Obiter<br />
dictum des Bundesgerichts – entscheidend sollte alle<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Zweck se<strong>in</strong><br />
Am 25. Juli 1930 hatten zehn Firmen des Eisengrosshandels e<strong>in</strong>e Urkunde<br />
mit dem Titel „Konvention zwischen den Firmen...“ unterzeichnet.<br />
Diese Urkunde war bis <strong>in</strong>s Jahr 1931 durch „Protokollbeschlüsse“<br />
101<br />
<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche, vgl. dazu oben S. 44.<br />
102<br />
Vgl. zur Kritik von MEIER-HAYOZ /FORSTMOSER S. 105. Siehe auch PETER<br />
FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre<br />
registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 145.<br />
47
ergänzt und abgeän<strong>der</strong>t worden. Paragraph 1 <strong>der</strong> Konvention bestimmte:<br />
„Die Kontrahenten bilden zusammen den ‚Eisen-Verband‘.“<br />
Dieser bezweckte gemäss § 2 <strong>der</strong> Konvention „die Wahrung <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />
Interessen <strong>in</strong> Bezug auf den Verkauf von Stabeisen [...] durch<br />
Festsetzung von Preisen und Lieferbed<strong>in</strong>gungen und Festlegung von<br />
Sanktionen für Zuwi<strong>der</strong>handlungen“. In § 3 wurde das „Konventionsgebiet“<br />
umschrieben. Paragraph 4 besagte, dass die geltenden Preise und<br />
Lieferbed<strong>in</strong>gungen „als <strong>in</strong>tegrierende Bestandteile zu diesem Vertrag“<br />
bei <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Treuhand Aktiengesellschaft <strong>in</strong> Basel h<strong>in</strong>terlegt<br />
würden. Bei dieser sollten gemäss § 9 auch „e<strong>in</strong>e von allen Kontrahenten<br />
unterzeichnete Ausfertigung des Vertrages“ h<strong>in</strong>terlegt werden. Gemäss §<br />
6 sollte „jede Zuwi<strong>der</strong>handlung gegen diesen Vertrag“ gebüsst werden,<br />
wobei die Busse gemäss § 7 unter Umständen von <strong>der</strong> „Gesamtheit <strong>der</strong><br />
Kontrahenten“ verhängt werden sollte. Paragraph 11 besagte<br />
schliesslich: „Wenn e<strong>in</strong> Kontrahent se<strong>in</strong> Unternehmen verkauft o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Rechtsform umwandelt, so hat er dafür besorgt zu se<strong>in</strong>, dass<br />
se<strong>in</strong> Rechtsnachfolger die Rechte und Pflichten dieser Vere<strong>in</strong>barung<br />
übernimmt. Er bleibt aus diesem Vertrag für sich und se<strong>in</strong>en Rechtsnachfolger<br />
so lange haftbar, bis dies geschehen ist.“ Gemäss § 12 sollte<br />
„dieser Vertrag [...] bis 31. März 1932“ gelten. Nach Ablauf dieser Zeit<br />
sollte „<strong>der</strong> Vertrag [...] je<strong>der</strong>zeit [...] gekündigt werden“ können. Dem<br />
Eisen-Verband hatten sich vertraglich vier regionale Organisationen unterworfen,<br />
welchen Eisenhändler aus <strong>der</strong> ganzen <strong>Schweiz</strong> angehörten.<br />
Die vier regionalen Organisationen waren untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um vertraglich<br />
gebunden.<br />
E<strong>in</strong>e dieser Organisationen nannte sich „Eisenhändlerkonvention Basel-<br />
Zentralschweiz-Bern“, e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e „Eisenhändler-Konvention Zürich-<br />
Ostschweiz“. Die Eisenhändler-Konvention Zürich-Ostschweiz bestand aus 37<br />
Firmen, von welchen e<strong>in</strong> Teil als „Sektion Zürich“ untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> durch<br />
die „Zürcher Eisenhändler-Konvention“ gebunden waren und e<strong>in</strong><br />
an<strong>der</strong>er Teil als „Sektion Ostschweiz“ dem „Verband<br />
Ostschweizerischer Eisenhändler“ angehörte.<br />
We<strong>der</strong> <strong>der</strong> Eisen-Verband noch die Eisenhändler-Konvention Zürich-Ostschweiz<br />
waren im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen.<br />
Mit <strong>der</strong> Klage, welche das Bundesgericht zu beurteilen hatte, warfen<br />
e<strong>in</strong>e Eisengrosshändler<strong>in</strong> sowie e<strong>in</strong>ige Eisenhändler drei Firmen, welche<br />
die Konvention des Eisen-Verbandes unterzeichnet hatten, vor, diese<br />
boykottierten sie, um sie aus dem Eisenhandel zu verdrängen. Die Klage<br />
richtete sich gegen die drei Firmen als Beklagte. In den Rechtsbegehren<br />
wurde unter an<strong>der</strong>em verlangt, „die Beklagten“ hätten jeglichen Boykott<br />
48
zu unterlassen und „die Beklagten“ hätten „für sich und den Eisenverband,<br />
eventuell für sich, sämtlichen ihnen bezw. dem Eisenverband angeschlossenen“<br />
Firmen anzuzeigen, diese hätten die Kläger<strong>in</strong>nen mit bestimmten<br />
Produkten zu beliefern und „die Beklagten und <strong>der</strong><br />
Eisenverband, eventuell die Beklagten“ hätten nichts gegen die Belieferung<br />
e<strong>in</strong>zuwenden. Ausserdem wurde die solidarische Verurteilung „<strong>der</strong><br />
Beklagten“ zur Zahlung von Schadenersatz verlangt, „unter Anrechnung<br />
allfälliger Schadenersatzleistungen solidarisch mithaften<strong>der</strong> Dritter“.<br />
Neun Firmen traten den Beklagten als Neben<strong>in</strong>tervenient<strong>in</strong>nen bei,<br />
<strong>in</strong>dem sie sich auf ihre Zugehörigkeit zur Eisenhändler-Konvention Zürich-<br />
Ostschweiz o<strong>der</strong> zur Eisenhändlerkonvention Basel-Zentralschweiz-Bern beriefen.<br />
Das Zürcher Handelsgericht wies die Klage ab mit <strong>der</strong> Begründung,<br />
<strong>der</strong> Eisen-Verband und die Eisenhändler-Konvention Zürich-Ostschweiz seien<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, daher seien die Beklagten nicht passivlegitimiert. Zu diesem<br />
Ergebnis gelangte das Handelsgericht <strong>in</strong>dem es ausführte, <strong>der</strong> Eisen-Verband<br />
weise e<strong>in</strong>ige Züge auf, die für e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> und an<strong>der</strong>e, die für e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>fache Gesellschaft charakteristisch seien. Dabei überwögen jedoch<br />
die vere<strong>in</strong>srechtlichen Elemente. Ausserdem verne<strong>in</strong>te es die Zulässigkeit<br />
e<strong>in</strong>es Teils <strong>der</strong> Rechtsbegehren und stellte unter an<strong>der</strong>em fest, die<br />
Beklagten könnten nicht verpflichtet werden, Erklärungen namens des<br />
Eisen-Verbandes abzugeben, selbst wenn sie passivlegitimiert wären.<br />
Das Bundesgericht verne<strong>in</strong>te h<strong>in</strong>gegen die Existenz von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n und<br />
bejahte die Passivlegitimation <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen beklagten Firmen als Mitglie<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft. Entscheidend war dabei, dass e<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong> formellen Gründungsvoraussetzungen des Vere<strong>in</strong>srechts nicht erfüllt<br />
war: Aus den „Statuten ergab sich ke<strong>in</strong> Wille, als Vere<strong>in</strong> o<strong>der</strong> als sonstige<br />
Körperschaft bestehen zu wollen.<br />
Zusätzlich hielt das Bundesgericht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em obiter dictum fest, dass<br />
nicht nur dann e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck vorliegt, <strong>der</strong> die Erlangung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit<br />
als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB ausschliesst, wenn die Personenverb<strong>in</strong>dung selbst<br />
e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreibt. Das Bundesgericht führte aus, dass die<br />
Art. 52 Abs. 2 ZGB, 59 Abs. 2 ZGB und 60 Abs. 1 ZGB auf den Zweck<br />
abstellen, welchen die Personenverb<strong>in</strong>dung verfolgt, nicht jedoch auf die<br />
Art und Weise, wie sie diesen Zweck anstrebt. Auch aus Art. 61 Abs. 2<br />
ZGB ergebe sich, dass <strong>der</strong> Betrieb e<strong>in</strong>es kaufmännischen Gewerbes<br />
nicht relevant sei. Die Bestimmungen des ZGB stellten nicht darauf ab,<br />
wem die allenfalls erstrebten Vorteile zukommen sollen, ob <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung<br />
o<strong>der</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong>n. Der Zweck könne auch<br />
dann wirtschaftlich se<strong>in</strong>, wenn se<strong>in</strong>e Verfolgung nur den Mitglie<strong>der</strong>n zu-<br />
49
gute kommt, nicht aber <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung als solcher. Der konstitutive<br />
Handelsregistere<strong>in</strong>trag bezwecke, dass sich die Personenverb<strong>in</strong>dung<br />
<strong>der</strong> Öffentlichkeit vorstellt, bevor ihr die Persönlichkeit zukommt.<br />
Daran hätten alle e<strong>in</strong> Interesse, die mit <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> geschäftliche<br />
Beziehungen treten o<strong>der</strong> von ihr durch unerlaubte Handlungen<br />
verletzt werden können. Den <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n i.S.d. ZGB werde h<strong>in</strong>gegen<br />
<strong>der</strong> Handelsregistere<strong>in</strong>trag erlassen, weil sie wegen ihres nichtwirtschaftlichen<br />
Zweckes den geschäftlichen Verkehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht erheblich<br />
bee<strong>in</strong>flussten. Wo dies nicht zutreffe, weil <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />
Gewerbe betreibt, greife Art. 61 Abs. 2 ZGB. Die Bestimmungen<br />
über die juristischen Personen g<strong>in</strong>gen als Regel davon aus, dass e<strong>in</strong>e juristische<br />
Person die Persönlichkeit nur durch E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister<br />
erlangen könne (Art. 52 Abs. 1 ZGB). Der Erlass <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht<br />
für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit nichtwirtschaftlichem Zweck bilde die Ausnahme<br />
(Art. 52 Abs. 2 ZGB).<br />
5. Rechtsprechung des Bundesgerichts von 1964 bis heute:<br />
Nichtbeachtung des obiter dictum <strong>in</strong> BGE 88 II 209 und<br />
Fortführung <strong>der</strong> langjährigen Rechtsprechung<br />
a) BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de cigarettes, 1964) 103<br />
In BGE 90 II 333 war die Association suisse des fabricants de cigarettes zu<br />
beurteilen, die als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB gegründet worden war.<br />
Dabei handelte es sich um e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung von Zigarettenfabrikanten.<br />
Art. 2 <strong>der</strong> Statuten bestimmte: „L’association a pour but de sauvegar<strong>der</strong><br />
et de favoriser dans tous les doma<strong>in</strong>es les <strong>in</strong>térêts communs de ses<br />
membres, notamment: (a) de prendre toutes mesures utiles quant à<br />
l’imposition du tabac et des produits manufacturés du tabac, a<strong>in</strong>si que de<br />
traiter toutes négociations avec les autorités [...]; (b) de régler les conditions<br />
de vente des cigarettes en Suisse, en particulier de fixer des prix de<br />
vente au détail obligatoires; (c) d’agir en lieu et place des membres dans<br />
les luttes économiques et de les protéger contre leurs effets.“ Die Association<br />
suisse des fabricants de cigarettes hatte im Jahr 1958 e<strong>in</strong>e neue<br />
Marktordnung erlassen, welche die Kundschaft unter den Fabrikanten<br />
und Grossisten aufteilte und die Margen def<strong>in</strong>ierte. Ausserdem wurde<br />
e<strong>in</strong>e umsatzabhängige Ausgleichskasse unter den Grossisten geschaffen.<br />
Auf Klage e<strong>in</strong>er Engros-Tabakfirma, welche sich dieser Marktordnung<br />
nicht angeschlossen hatte und daher diskrim<strong>in</strong>ierenden Massnahmen<br />
103 Vgl. die deutsche Übersetzung <strong>in</strong> Pra 54 (1965), Nr. 35.<br />
50
ausgesetzt worden war, hatte das Bundesgericht über das Vorliegen e<strong>in</strong>es<br />
Boykotts zu bestimmen und e<strong>in</strong>e Schadenersatzfor<strong>der</strong>ung zu beurteilen.<br />
Die Association suisse des fabricants de cigarettes hatte ihre Rechtsfähigkeit<br />
nicht bestritten, das Bundesgericht prüfte diese jedoch von Amtes wegen.<br />
Es nahm Bezug auf die gesetzliche Zweiteilung <strong>der</strong> Körperschaften:<br />
E<strong>in</strong>erseits die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss ZGB, welche ke<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
Zweck verfolgen, an<strong>der</strong>erseits die Körperschaften mit wirtschaftlichem<br />
Zweck, die den Bestimmungen des OR unterstehen. Das Bundesgericht<br />
unterstrich jedoch, <strong>der</strong> Gesetzgeber habe offenbar nicht vorausgesehen,<br />
welche Bedeutung den „associations économiques“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit<br />
zukommen werde. Diese „associations économiques“ charakterisierte<br />
das Bundesgericht wie folgt: „... sans participer directement à l’activité<br />
économique, elles ont pour but de servir médiatement les <strong>in</strong>térêts économiques de leurs<br />
membres“. Nach Ansicht des Bundesgerichts haben diese wirtschaftlichen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Gesetz nicht den Platz erhalten, <strong>der</strong> ihnen zusteht. Dies sei<br />
von <strong>der</strong> Rechtsprechung korrigiert worden: „Elle n’<strong>in</strong>terdisait le choix<br />
de ce type de personne morale qu’aux organisations corporatives exerçant<br />
elles-mêmes une <strong>in</strong>dustrie en la forme commerciale. Sous le couvert<br />
d’une <strong>in</strong>terprétation restrictive du but économique, elle substituait a<strong>in</strong>si<br />
au critère légal du but celui des moyens utilisés pour l’atte<strong>in</strong>dre. Néanmo<strong>in</strong>s,<br />
la solution choisie présentait un triple avantage. Conforme à<br />
l’esprit libéral du code civil, elle permettait aux associations économiques,<br />
si variées dans leur composition et leur importance, de choisir la<br />
forme la plus appropriée à leurs beso<strong>in</strong>s. Elle était facile à appliquer: on<br />
vérifie aisément si une personne, physique ou morale, exerce une <strong>in</strong>dustrie<br />
en la forme commerciale. Le critère était apparent, à la différence du<br />
processus psychique de la volonté qui fixe un but, dont les tiers ne perçoivent<br />
que les manifestations externes.“ Das Bundesgericht gestand<br />
dem Entscheid Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera 104 zu, den Gesetzestext ganz<br />
genau auszulegen. Die praktischen Auswirkungen dieses Entscheides<br />
seien jedoch nicht haltbar. Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> tatsächlichen<br />
wirtschaftlichen Gegebenheiten könne – namentlich auch im Interesse<br />
Dritter und unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> gegenseitigen Abhängigkeit<br />
von Zivil- und Handelsrecht – nicht an dieser Rechtsprechung<br />
festgehalten werden. Diese würde dem Umstand nicht Rechnung tragen,<br />
dass <strong>der</strong>selbe Zweck gleichzeitig wirtschaftlich o<strong>der</strong> ideell se<strong>in</strong> kann, je<br />
nach dem, ob e<strong>in</strong> allfälliger Vorteil Dritten o<strong>der</strong> den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Personenverb<strong>in</strong>dung zugute kommen soll. Ausserdem ergäben sich<br />
104 Vgl. oben S. 47.<br />
51
Schwierigkeiten bei Personenverb<strong>in</strong>dungen, die mehrere Zwecke verfolgen.<br />
Schliesslich gäbe es auch gemischte Zwecke, halb ideal, halb wirtschaftlich.<br />
Wenn <strong>in</strong> solchen Fällen auf den vorherrschenden (ideellen)<br />
Zweck abgestellt würde, so liesse man implizit zu, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> i.S.d.<br />
ZGB auch wirtschaftliche Zwecke verfolgt; ausserdem wäre auch nicht<br />
ausgeschlossen, dass sich das Verhältnis zwischen den verschiedenen<br />
Zwecken im Laufe <strong>der</strong> Zeit verän<strong>der</strong>t.<br />
Mit H<strong>in</strong>weis auf die be<strong>in</strong>ahe dreissigjährige Rechtsprechung wandte<br />
das Bundesgericht daher aus Gründen <strong>der</strong> Rechtssicherheit weiterh<strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>e frühere Praxis an, wonach e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung auch bei Verfolgung<br />
e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zwecks als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB existieren kann, solange<br />
sie selbst ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreibt. Das obiter dictum<br />
aus BGE 88 II 209 kam nicht zur Anwendung. Dies nicht zuletzt<br />
auch deswegen, weil e<strong>in</strong>erseits für Berufsverbände ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e adäquate<br />
Rechtsform zur Verfügung stehe, an<strong>der</strong>erseits aber auch <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
verschiedentlich zum Ausdruck br<strong>in</strong>ge, dass er <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />
Zweck toleriere. Das Bundesgericht verwies <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
auf Art. 322 OR, Spezialgesetze im Sozialver-<br />
sicherungsrecht, das KG und Art. 47 HRV. 105<br />
b) Entscheid des Bundesgerichts vom 22. Dezember 1965<br />
(Interessengeme<strong>in</strong>schaft für pharmazeutische und kosmetische<br />
Produkte, ZBl 67 [1966], S. 303 ff.)<br />
In diesem Entscheid des Bundesgerichts, <strong>in</strong> welchem die Zulässigkeit<br />
e<strong>in</strong>er zürcherischen Verordnung über den Verkehr mit Heilmitteln zu<br />
beurteilen war, wurde <strong>der</strong> Interessengeme<strong>in</strong>schaft für pharmazeutische und kosmetische<br />
Produkte, die als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB konstituiert war,<br />
ohne weiteres ausdrücklich die Rechtspersönlichkeit zuerkannt. Sie bezweckte<br />
nach ihren Statuten unter an<strong>der</strong>em die Wahrung <strong>der</strong> gewerblichen,<br />
fachlichen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglie<strong>der</strong>, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
auch die För<strong>der</strong>ung von Produktion und Absatz guter<br />
Heilmittel im Rahmen e<strong>in</strong>er zweckmässigen Gesetzgebung, die Stellungnahme<br />
zur Gesetzgebung und die geme<strong>in</strong>same Abwehr untragbarer und<br />
schädigen<strong>der</strong> Belastungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>.<br />
105 Vgl. dazu oben S. 28.<br />
52
c) BGE 98 II 211 (Union des camionneurs de Renens, 1972)<br />
In BGE 98 II 211 spielte die Union des camionneurs de Renens e<strong>in</strong>e Rolle.<br />
Diese war als Vere<strong>in</strong> konstituiert. Der Präsident <strong>der</strong> Union hatte <strong>in</strong> <strong>der</strong>en<br />
Namen <strong>in</strong> den Jahren 1967 und 1968 bei e<strong>in</strong>er Firma Brennstoff bestellt,<br />
welcher für se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> bestimmt war. Der Präsident handelte<br />
ausdrücklich im Namen des Vere<strong>in</strong>s, die Rechnungen wurden an diesen<br />
gerichtet und auch von diesem bezahlt. Der Vere<strong>in</strong> verkaufte dann offenbar<br />
den Brennstoff an se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> weiter. Im konkreten Fall<br />
hatte das Bundesgericht sich nicht explizit mit <strong>der</strong> Rechtsfähigkeit des<br />
Vere<strong>in</strong>s ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu setzen, die Union des camionneurs de Renens wurde<br />
aber ohne weiteres als Kläger<strong>in</strong> zugelassen.<br />
d) BGE 100 III 19 (Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung, 1974)<br />
In BGE 100 III 19 wurde die Bejahung <strong>der</strong> Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s,<br />
<strong>der</strong> Ziele e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>kaufsgenossenschaft hatte, als nicht offensichtlich<br />
gesetzwidrig bezeichnet. Die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung<br />
wurde im Jahr 1972 als Vere<strong>in</strong> i.S.v. Art. 60 ZGB gegründet. Art. 2 <strong>der</strong><br />
Statuten umschrieb den Zweck unter dem Titel „Vere<strong>in</strong>szweck“ wie<br />
folgt: „Die ‚Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung‘ bezweckt die<br />
Aufklärung ihrer Mitglie<strong>der</strong> über die wirtschaftlichen Vorteile <strong>der</strong> Gefrierkonservierung.<br />
Ganz beson<strong>der</strong>s soll darauf geachtet werden, dass<br />
möglichst breite Bevölkerungskreise auch schnellver<strong>der</strong>bliche Nahrungsmittel<br />
wie Frischfleisch, Gemüse, Früchte und Fertigmahlzeiten als<br />
Notvorrat anlegen. Die ‚Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung‘ wird<br />
ihre Mitglie<strong>der</strong> ständig über die neuesten Erkenntnisse <strong>der</strong> Gefrierkonservierung<br />
auf dem Laufenden halten. Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> ‚Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung<br />
Bern und Umgebung‘ werden auch über die Haltung <strong>der</strong> geeigneten<br />
Kühlgeräte durch neutrale Fachleute beraten. Es soll <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
auch m<strong>in</strong><strong>der</strong>bemittelten Mitglie<strong>der</strong>n ermöglicht werden, eigene Tiefkühlgeräte<br />
zu halten.“ Unter dem Titel „Mittel“ wurde <strong>in</strong> Art. 3 ausgeführt:<br />
„Vere<strong>in</strong>szweck: Um die <strong>in</strong> Art. 2 umschriebenen Vere<strong>in</strong>szwecke<br />
besser erfüllen zu können, wird die ‚Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung‘<br />
Lebensmittel, die sich nach Sorte und Qualität beson<strong>der</strong>s gut<br />
für die Gefrierkonservierung eignen, <strong>in</strong> grösseren Mengen e<strong>in</strong>kaufen und<br />
diese preisgünstig an se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> abgeben.“ Die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung<br />
Bern und Umgebung betrieb e<strong>in</strong>en bedeutenden Handel mit Fleisch,<br />
Fleischprodukten und Tiefkühlgeräten. Sie eröffnete vier Metzgereifilialen;<br />
<strong>der</strong> monatliche Umsatz betrug CHF 80'000.– bis CHF 100'000.–.<br />
Statutengemäss sollte <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden.<br />
53
Das zuständige Handelsregisteramt lehnte es jedoch ab, die E<strong>in</strong>tragung<br />
vorzunehmen. Ende 1972 hatte die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung etwa 700 Mitglie<strong>der</strong>.<br />
Im Jahre 1973 meldete die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung den Konkurs an mit <strong>der</strong><br />
Begründung, es bestehe e<strong>in</strong>e Unterbilanz von etwa CHF 110'000.–. E<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong> Gläubiger<strong>in</strong>nen machte das Konkursgericht darauf aufmerksam, dass<br />
die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung ausschliesslich kommerzielle Zwecke verfolge und<br />
daher als e<strong>in</strong>fache Gesellschaft zu betrachten sei. Demzufolge könne e<strong>in</strong><br />
Konkurs über sie nicht eröffnet werden. In <strong>der</strong> Folge wurde dennoch<br />
<strong>der</strong> Konkurs eröffnet. Das Bundesgericht hatte die Zulässigkeit des<br />
Konkurserkenntnisses zu überprüfen und führte dabei Folgendes aus:<br />
„E<strong>in</strong>e Überprüfungsbefugnis <strong>der</strong> Konkursbehörden dürfte jedenfalls –<br />
wenn überhaupt – höchstens dann <strong>in</strong> Frage kommen, wenn das Konkurserkenntnis<br />
offensichtlich gesetzeswidrig wäre. Dies trifft im vorliegenden<br />
Fall nicht zu. Die Annahme des Konkursrichters, die Rekurrent<strong>in</strong><br />
sei e<strong>in</strong> rechtsfähiger Vere<strong>in</strong>, mag unrichtig se<strong>in</strong>; schlechth<strong>in</strong><br />
unhaltbar ist sie nicht. Immerh<strong>in</strong> ist die Rekurrent<strong>in</strong> während e<strong>in</strong>es ganzen<br />
Jahres im Rechtsleben als Vere<strong>in</strong> aufgetreten. Aus ihren Statuten alle<strong>in</strong><br />
ergibt sich sodann nicht ohne weiteres, dass sie e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
Zweck verfolgt. Schliesslich lässt sich auch daraus nichts ableiten,<br />
dass sie nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist.“<br />
Das Bundesgericht musste die Frage nach <strong>der</strong> Rechtsfähigkeit <strong>der</strong><br />
Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung nicht entscheiden; es konnte sich<br />
mit <strong>der</strong> Feststellung begnügen, <strong>der</strong> Zweck sei nicht offensichtlich gesetzeswidrig.<br />
Die Gläubiger vertröstete es damit, sie seien durch die Eröffnung<br />
des Konkurses über die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung nicht ihrer Möglichkeit<br />
beraubt worden, gegen die e<strong>in</strong>zelnen Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> vorzugehen. Das<br />
angerufene Zivilgericht werde die Frage nach <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit<br />
beurteilen.<br />
e) Urteil des Bundesgerichts vom 18. Februar 1980 (Multihôtels-Club,<br />
SemJud 1981, S. 46 ff.)<br />
In diesem Urteil g<strong>in</strong>g es um den Konkurs des Multihôtels-Club, e<strong>in</strong>es<br />
Ferienvermittlungsunternehmens <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform. Der Sitz des Vere<strong>in</strong>s<br />
war <strong>in</strong> Genf, wo er im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen war. Zweck des Vere<strong>in</strong>s<br />
war, „de garantir à ses membres des vacances de grand stand<strong>in</strong>g“.<br />
Das Bundesgericht setzte sich nicht weiter mit dem Zweck des Multihôtels-Club<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und schien sich jedenfalls nicht an <strong>der</strong> genannten<br />
Zweckverfolgung zu stören.<br />
54
f) BGE 108 II 6 (Swiss Commodity Industry Association, 1982)<br />
In BGE 108 II 6 wurde die Parteifähigkeit e<strong>in</strong>es Branchenverbandes<br />
bejaht. Zu beurteilen war e<strong>in</strong>e Klage gegen die Swiss Commodity Industry<br />
Association, wobei die Nichtaufnahme e<strong>in</strong>es Mitgliedes unter kartellrechtlichen<br />
Gesichtspunkten zur Debatte stand. Die Swiss Commodity Industry<br />
Association sollte zum Zweck <strong>der</strong> Selbstregulierung <strong>der</strong> Rohstoffterm<strong>in</strong>handelsbranche<br />
als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB gegründet werden. Im Entscheid<br />
des Bundesgerichts g<strong>in</strong>g es hauptsächlich um Fragen <strong>der</strong> Gründung, da<br />
diese durch e<strong>in</strong> ungewöhnliches und wi<strong>der</strong>sprüchliches Verfahren erfolgt<br />
se<strong>in</strong> sollte. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Gründung am vorgesehenen<br />
Gründungstag nicht zustande gekommen war. Allerd<strong>in</strong>gs kam<br />
es zu folgendem Schluss: „Heute, nachdem er zwei Jahre lang e<strong>in</strong>e statutengemässe<br />
Tätigkeit ausgeübt hat, kann se<strong>in</strong>e Existenz auf jeden Fall<br />
wohl kaum mehr <strong>in</strong> Frage gestellt werden.“ Im Zusammenhang mit dem<br />
Zweck des Vere<strong>in</strong>s sah das Bundesgericht jedenfalls ke<strong>in</strong>erlei Probleme.<br />
g) BGE 108 II 15 (Fussballclub Zürich, Nationalliga des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Fussballverbandes, 1982)<br />
BGE 108 II 15 befasst sich mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Abgrenzung von Spielregeln<br />
zu Mitgliedschaftspflichten <strong>in</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. Im Entscheid werden<br />
ohne weiteres sowohl die Nationalliga des <strong>Schweiz</strong>erischen Fussballverbandes,<br />
als auch <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erische Fussballverband und <strong>der</strong> Fussballclub Zürich als<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB akzeptiert.<br />
h) BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH,<br />
1997)<br />
BGE 123 III 193 ist <strong>der</strong> jüngste Entscheid des Bundesgerichts, <strong>in</strong><br />
dem e<strong>in</strong> Wirtschaftsverband <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform anerkannt wurde. Der Verband<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH ist als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff.<br />
ZGB konstituiert. Es handelt sich um e<strong>in</strong>e Branchenorganisation, die<br />
gemäss Statuten die repräsentative Organisation <strong>der</strong> gesamten schweizerischen<br />
Uhren<strong>in</strong>dustrie darstellt. In BGE 123 III 193 hatte das Bundesgericht<br />
e<strong>in</strong>e Klage e<strong>in</strong>es ausgeschlossenen Mitgliedes zu beurteilen. Es<br />
stellte Überlegungen an zur Ausschlussautonomie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. Dabei<br />
kam es zum Schluss, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit und etwa<br />
gegenüber Behörden o<strong>der</strong> potentiellen Kunden se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> als<br />
massgebende Organisation des entsprechenden Berufsstandes o<strong>der</strong><br />
Wirtschaftszweiges auftreten, sich nicht une<strong>in</strong>geschränkt auf die Ausschlussautonomie<br />
gemäss Art. 72 Abs. 2 ZGB berufen können. Viel-<br />
55
mehr sei das Persönlichkeitsrecht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> auf wirtschaftliche Entfaltung<br />
zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang hielt das<br />
Bundesgericht nebenbei fest: „Beim Beklagten handelt es sich offensichtlich<br />
um e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> im vorgenannten S<strong>in</strong>n; dabei erweist sich allerd<strong>in</strong>gs<br />
die Umschreibung mit ‚wirtschaftlicher Zweck‘ als ungenau, da<br />
es sich <strong>in</strong> Wirklichkeit um e<strong>in</strong>en ‚wirtschaftspolitischen Zweck‘ handelt.“<br />
6. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> publizierten<br />
Schiedsgerichtsurteilen: Urteil e<strong>in</strong>es ad-hoc Schiedsgerichts<br />
mit Sitz <strong>in</strong> New York vom 27. Mai 1991 106<br />
Aus <strong>der</strong> Schiedsgerichtspraxis ist lediglich e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger relevanter Entscheid<br />
veröffentlicht. Im betreffenden Schiedsgerichtsverfahren g<strong>in</strong>g es<br />
um e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>, dessen Mitglie<strong>der</strong> Dienstleistungsunternehmen aus<br />
über fünfzig Län<strong>der</strong>n waren. Der Vere<strong>in</strong> diente als Dachorganisation,<br />
um den Verbund unter den Unternehmen zu überwachen und zu regeln.<br />
E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> wollte aus dem Vere<strong>in</strong> austreten und sich e<strong>in</strong>er<br />
Konkurrenzorganisation anschliessen (ebenfalls e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> nach schweizerischem<br />
Recht). Das austretende Mitglied erhoffte sich durch den<br />
Wechsel bessere Geschäftschancen. Vor dem Schiedsgericht war die<br />
Frage strittig, ob das austretende Mitglied Austrittsgel<strong>der</strong> bezahlen<br />
müsse. 107 Dem Schiedsgericht gehörten die Herren PROF. ALBERT JAN<br />
VAN DER BERG (Präsident), PROF. ANDREAS F. LOWENFELD und DR.<br />
CLAUS SCHELLENBERG an. Die Parteien hatten je e<strong>in</strong> Parteigutachten<br />
von PROF. FRANK VISCHER und PROF. PETER FORSTMOSER e<strong>in</strong>gereicht.<br />
Das Schiedsgericht setzte sich e<strong>in</strong>gehend mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem<br />
Zweck ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Es kam dabei zum Schluss, dass trotz <strong>der</strong> gesetzlichen<br />
Konzeption des Vere<strong>in</strong>srechts <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />
von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n existiert, welche m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong> zwei Punkten vom Bild<br />
abweichen, welches dem ZGB zugrunde liegt: Der Zweck liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung von wirtschaftlichen o<strong>der</strong> kommerziellen Interessen, auch<br />
wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> selbst ke<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>ne erzielt, und die Mitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d<br />
selbst Unternehmen. Namentlich aufgrund <strong>der</strong> Rechtsprechung des<br />
Bundesgerichts im Fall BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de<br />
cigarettes, 1964) kam die Mehrheit <strong>der</strong> Schiedsrichter zum Schluss, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
mit wirtschaftlichem Zweck dürften nicht als unzulässig erachtet<br />
106 Auszugsweise veröffentlicht <strong>in</strong> Yearbook Comm. Arb’n XVII (1992), S. 11 ff; e<strong>in</strong>e<br />
Zusammenfassung des Entscheids f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> SZW 1992, S. 228 ff.<br />
107 Vgl. dazu ausführlich unten S. 174.<br />
56
werden. Vielmehr seien im H<strong>in</strong>blick auf die Beson<strong>der</strong>heiten solcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
angemessene Lösungen zu suchen.<br />
Das Schiedsgericht setzte sich unter an<strong>der</strong>em auch mit <strong>der</strong> Typenlehre<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> 108 , auf welche <strong>der</strong> schweizerische Schiedsrichter DR. CLAUS<br />
SCHELLENBERG grosses Gewicht gelegt hatte. Die Mehrheit des<br />
Schiedsgerichts sah <strong>in</strong> <strong>der</strong> Typenlehre ke<strong>in</strong>en Grund für die Unzulässigkeit<br />
des zu beurteilenden Vere<strong>in</strong>s, unter an<strong>der</strong>em weil dieser nicht <strong>in</strong><br />
Rechtsumgehungsabsicht gegründet worden war. Die Mehrheit schloss<br />
sich vielmehr <strong>der</strong> Expertenme<strong>in</strong>ung von PROF. FRANK VISCHER an und<br />
suchte nach e<strong>in</strong>er Lösung, welche für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />
Zweck angemessen erschien.<br />
7. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> kantonalen<br />
Gerichtspraxis<br />
a) Vorbemerkung<br />
Im folgenden wird e<strong>in</strong>e Auswahl kantonaler Entscheide wie<strong>der</strong>gegeben,<br />
die sich mit e<strong>in</strong>schlägigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n befassen. Die Darstellung erhebt<br />
ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Vollständigkeit.<br />
b) Urteil des bernischen Appellationshofes vom 21. Januar 1914 (Vere<strong>in</strong><br />
schweizerischer Lokomotivführer, ZBJV 50, S. 318 ff. und SJZ 10, S.<br />
374)<br />
In diesem Entscheid war die Persönlichkeit des Vere<strong>in</strong>s schweizerischer<br />
Lokomotivführer zu beurteilen, weil dieser sie als Beklagter bestritten<br />
hatte. Der Vere<strong>in</strong> war am 1. Januar 1888 gegründet worden. Die Statuten<br />
enthielten offenbar ke<strong>in</strong>e ausdrückliche Zweckbestimmung. Der bernische<br />
Appellationshof leitete jedoch aus folgen<strong>der</strong> Bestimmung den<br />
Zweck des Vere<strong>in</strong>s ab: „Die Unterstützungskasse hat den Zweck, den<br />
Mitglie<strong>der</strong>n des Vere<strong>in</strong>s schweizerischer Lokomotivführer im Unglücks- o<strong>der</strong><br />
Todesfalle für sich selbst o<strong>der</strong> ihre H<strong>in</strong>terlassenen e<strong>in</strong>en Beitrag zu sichern.<br />
Der Beitritt ist für die Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s schweizerischer Lokomotivführer<br />
obligatorisch und auch nur solchen gestattet; er muss <strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>es Jahres nach def<strong>in</strong>itiver Anstellung als Führer und vor Ablauf<br />
des 40. Altersjahrs erfolgen.“ Der Appellationshof bezeichnete den Vere<strong>in</strong><br />
als „Berufsverband mit mehrfachen Zwecken“ und qualifizierte den<br />
Zweck des Vere<strong>in</strong>s gemäss den anwendbaren Bestimmungen des ZGB<br />
108 Vgl. dazu e<strong>in</strong>gehend unten S. 103 ff.<br />
57
als ideal: „... stellt sich <strong>der</strong> beklagte V.S.L.F. als e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> mit mehrfachem<br />
Zweck dar; diese entkleiden den Vere<strong>in</strong> se<strong>in</strong>es Charakters als<br />
idealer Vere<strong>in</strong> nicht, auch wenn e<strong>in</strong>zelne Zwecke wirtschaftlicher Natur<br />
s<strong>in</strong>d, solange die wirtschaftliche Tätigkeit nicht die Hauptsache bildet. Beim<br />
V.S.L.F. kann es sich fragen, ob <strong>in</strong> <strong>der</strong> Äufnung e<strong>in</strong>er Unterstützungskasse<br />
e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit liege; ist e<strong>in</strong>e solche anzunehmen, so<br />
handelt es sich doch nicht um e<strong>in</strong>en selbständigen, son<strong>der</strong>n um e<strong>in</strong>en<br />
zur Erreichung des idealen Hauptzweckes mitbestimmenden Zweck.<br />
Solange <strong>der</strong> Hauptzweck e<strong>in</strong> idealer ist, kann auch das Bestehen e<strong>in</strong>es<br />
selbständigen wirtschaftlichen Nebenbetriebes den Vere<strong>in</strong> nicht zu e<strong>in</strong>em<br />
wirtschaftlichen umgestalten, son<strong>der</strong>n es hat e<strong>in</strong>zig gemäss Art. 61,<br />
Al. 2 e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>tragung, nicht als privatrechtliche Voraussetzung für die<br />
Entstehung <strong>der</strong> Persönlichkeit, son<strong>der</strong>n bloss als öffentlichrechtliche<br />
Pflicht, stattzuf<strong>in</strong>den. Ist aber <strong>der</strong> V.S.L.F. e<strong>in</strong> idealer Vere<strong>in</strong>, so hat er<br />
Persönlichkeit, trotzdem er nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist.“<br />
c) Urteil des Cour de justice civile des Kantons Genf vom 5. Dezember 1930<br />
(Syndicat des détaillants en épicerie, laiterie, comestibles, primeurs et<br />
branches s’y rattachant, SemJud 1931, S. 225 ff.)<br />
Zu beurteilen war <strong>in</strong> diesem Entscheid e<strong>in</strong>e Klage des Syndicat des détaillants<br />
en épicerie, laiterie, comestibles, primeurs et branches s’y rattachant wegen<br />
unlauteren Wettbewerbs, begangen gegenüber se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n. Das<br />
Syndicat war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB konstituiert. Es hatte als statutarischen<br />
Zweck die Vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> entsprechenden Detailhändler des<br />
Kantons Genf zur Wahrung <strong>der</strong>er Interessen gegenüber Dritten sowie<br />
zur Wahrung allfälliger Ansprüche <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> vor den zuständigen<br />
Behörden und zur Unterstützung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Verfahren, welche<br />
gegen diese gerichtet waren. Das Gericht g<strong>in</strong>g ohne weiteres davon aus,<br />
das Syndicat sei als Berufsverband rechtsfähig.<br />
d) Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Tess<strong>in</strong> vom 27. September<br />
1943 (SJZ 40, S. 242)<br />
In diesem kantonalen Entscheid wurde die Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es Käseproduktionsunternehmens<br />
als Vere<strong>in</strong> verne<strong>in</strong>t. Das Appellationsgericht<br />
hatte offenbar e<strong>in</strong>e Klage gegen e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung von Viehbesitzern<br />
zu beurteilen, welche zum Zweck <strong>der</strong> Käseproduktion gegründet<br />
worden war. Die Statuten sahen die E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister vor;<br />
diese war jedoch nie vorgenommen worden. Das Gericht entschied, dass<br />
die Vere<strong>in</strong>igung mangels Handelsregistere<strong>in</strong>trages die Rechtspersönlich-<br />
58
keit als Genossenschaft nicht erlangt hatte, angesichts des wirtschaftlichen<br />
Charakters aber auch nicht als Vere<strong>in</strong> bestehen könne. Daher<br />
handle es sich lediglich um e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Gesellschaft.<br />
e) Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Neuenburg vom 4. Dezember 1933<br />
(SJZ 30, S. 347)<br />
Das Kantonsgericht Neuenburg entschied, dass e<strong>in</strong> Berufsverband,<br />
<strong>der</strong> die geschäftlichen Interessen se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>n bezweckt,<br />
als Vere<strong>in</strong> mit idealem Zweck anzusehen sei, solange er nicht selbst e<strong>in</strong><br />
Geschäft betreibt.<br />
f) Urteil des Tribunal cantonal neuchâtelois vom 4. Dezember 1933<br />
(Fédération suisse des associations de fabricants de boîtes de montres en or,<br />
SemJud 1934, S. 150 ff.)<br />
In diesem Entscheid wurde die Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es Berufsverbandes<br />
bejaht. Die Fédération suisse des associations de fabricants de boîtes de montres en<br />
or war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB konstituiert. Als Mitglie<strong>der</strong> gehörten ihr die<br />
Genossenschaft Société suisse des fabricants de boîtes de montres en or, die Association<br />
genevoise des fabricants de bijouterie, joaillerie et de boîtes de montres und<br />
das Syndicat des patrons décorateurs de boîtes de montres et bijoutiers an. Der<br />
Zweck des Vere<strong>in</strong>s war wie folgt def<strong>in</strong>iert: „(a) Introduction et application<br />
de toutes mesures et moyens susceptibles de ma<strong>in</strong>tenir et de développer<br />
l’<strong>in</strong>dustrie de la boîte de montre en Suisse. (b) Représentation des<br />
groupements affiliés auprès des associations horlogères pour<br />
l’élaboration et l’application des contrats collectifs. (c) Représentation<br />
des groupements affiliés auprès des autorités fédérales pour la sauvegarde<br />
de l’<strong>in</strong>dustrie de la boîte or (traités de commerce, tarifs douaniers,<br />
contigents, etc.). (d) Elaboration et application des conditions de vente<br />
et de leur contrôle. (e) Elaboration de conventions spéciales entre les<br />
groupements membres de la Fédération.“ Das Gericht bezeichnete die<br />
Fédération als Berufsverband und qualifizierte den Zweck gemäss lit. a als<br />
ideal. Obwohl die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes als Ergebnis<br />
den Mitglie<strong>der</strong>n wirtschaftliche Vorteile verschaffen, so machten sie<br />
nach Auffassung des Gerichts dennoch nicht den Betrieb e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Unternehmens nötig. Und selbst wenn die Fédération e<strong>in</strong><br />
kaufmännisches Unternehmen betreiben würde, so hätte dies lediglich<br />
zur Folge, dass sie sich mit deklaratorischer Wirkung <strong>in</strong>s Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>zutragen hätte. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundes-<br />
59
gerichts bestätigte das Tribunal cantonal die Rechtsfähigkeit <strong>der</strong> Fédération<br />
suisse des associations de fabricants de boîtes de montres en or.<br />
g) Urteil des Handelsgerichts Bern vom 12. Mai 1950 (Verband<br />
<strong>Schweiz</strong>erischer Schuh- und Bodenpflegemittel-Fabrikanten <strong>in</strong> Liqu.,<br />
ZBJV 87, S. 33 ff.)<br />
Das Handelsgericht hatte e<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ungsklage gegen den Verband<br />
<strong>Schweiz</strong>erischer Schuh- und Bodenpflegemittel-Fabrikanten <strong>in</strong> Liqu. zu beurteilen<br />
und anerkannte dabei dessen Rechtsfähigkeit als Vere<strong>in</strong>. Der Verband<br />
war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB gegründet worden und bezweckte gemäss<br />
Statuten die Wahrung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Preisfragen und<br />
Preisgestaltung, die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, die Wahrung<br />
<strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Verbandsmitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> allen wirtschaftlichen und<br />
rechtlichen Fragen sowie die Abgabe von Stellungnahmen zu sozialen<br />
und wirtschaftlichen Problemen. Während e<strong>in</strong>igen Jahren vermittelte <strong>der</strong><br />
Verband zwischen se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n und Lieferanten Käufe von Rohstoffen.<br />
Im Jahre 1947 begann <strong>der</strong> Verband jedoch damit, direkt als<br />
Käufer gegenüber den Lieferanten aufzutreten, um dann die Rohstoffe<br />
an se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> weiterzuverkaufen. Der Verband hatte alle<strong>in</strong> beim<br />
Kläger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitraum von sieben Monaten Rohstoffe für CHF<br />
65'101.75 e<strong>in</strong>gekauft. Der Verband verfügte neben <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />
und dem Vorstand über e<strong>in</strong> drittes Organ namens „Geschäftsstelle“.<br />
Das Gericht entschied die umstrittene Frage, ob die<br />
Kaufverträge, auf die sich <strong>der</strong> Kläger berief, direkt mit dem Verband zustande<br />
gekommen waren, positiv und hatte offenbar ke<strong>in</strong>e Probleme mit<br />
<strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit des Verbandes als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB. Aus<br />
stellvertretungsrechtlicher Sicht wurde dem Verband unter an<strong>der</strong>em die<br />
Tatsache zum Verhängnis, dass er über das Organ „Geschäftsstelle“ verfügte.<br />
Das Gericht entschied, dass damit nach aussen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck erweckt<br />
worden sei, <strong>der</strong> Verband beschränke sich nicht auf e<strong>in</strong>e Tätigkeit<br />
zugunsten se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n er wolle wirtschaftlich selbständig auftreten.<br />
Geschäftsstellen würden geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> nur dort e<strong>in</strong>gerichtet, wo die<br />
wirtschaftliche Tätigkeit e<strong>in</strong>es Verbandes e<strong>in</strong>e gewisse Bedeutung aufweise<br />
und verbandseigen sei.<br />
60
h) Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 18. März 1964 und Urteil des<br />
Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 19. Oktober 1965<br />
(Milchhändlerverband Basel und Umgebung, BJM 1966, S. 233 ff.)<br />
Diese Entscheide des Zivilgerichts Basel-Stadt und des Appellationsgerichts<br />
Basel-Stadt s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>zigen, welche vom obiter dictum des<br />
Bundesgerichts <strong>in</strong> BGE 88 II 209 (Eisenverband / M<strong>in</strong>iera) direkt bee<strong>in</strong>flusst<br />
worden s<strong>in</strong>d. Der Milchhändlerverband Basel und Umgebung war 1928<br />
als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB zur Wahrung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Interessen se<strong>in</strong>er<br />
Mitglie<strong>der</strong> gegründet worden. Am 30. März 1962 reichte er als Vere<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Klage wegen rechtswidriger Abgabe von Gratis-Pastmilch gegen<br />
e<strong>in</strong>e Genossenschaft e<strong>in</strong>, welche dem Migros-Genossenschafts-Bund angehörte.<br />
Am 11. September 1962, noch vor <strong>der</strong> Gerichtsverhandlung, erg<strong>in</strong>g<br />
das Bundesgerichtsurteil Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera 109 , <strong>in</strong> welchem das<br />
Bundesgericht sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em obiter dictum gegen se<strong>in</strong>e langjährige<br />
Rechtsprechung aussprach. Am 9. Oktober 1963, ebenfalls noch vor <strong>der</strong><br />
Gerichtsverhandlung, gründeten die Milchhändler, welche dem klägerischen<br />
Vere<strong>in</strong> angehörten, zum Zweck <strong>der</strong> „Erhaltung des privaten<br />
Milchhandels“ die Genossenschaft „Milchhändlerverband Basel und<br />
Umgebung“ und beantragten mittels Klagän<strong>der</strong>ungsgesuch vom 16.<br />
Oktober 1963 die Bewilligung dafür, dass anstelle des klägerischen Vere<strong>in</strong>s<br />
die neue Genossenschaft als Kläger<strong>in</strong> auftreten dürfe. Das Zivilgericht<br />
folgte dem obiter dictum des Bundesgerichts und stellte fest, dass<br />
<strong>der</strong> ursprüngliche Kläger als Vere<strong>in</strong> mit wirtschaftlichem Zweck ke<strong>in</strong>e<br />
Persönlichkeit erlangt hatte und daher den Prozess nicht hätte führen<br />
können. Aus Gründen <strong>der</strong> Prozessökonomie bewilligte es die Klagän<strong>der</strong>ung,<br />
um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass die „Mitglie<strong>der</strong>“ des klägerischen Vere<strong>in</strong>s<br />
als e<strong>in</strong>fache Gesellschafter e<strong>in</strong>en zweiten Prozess über dieselbe Frage<br />
führen mussten. Dabei wies es auf den Umstand h<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> ursprüngliche<br />
Kläger bei E<strong>in</strong>reichung <strong>der</strong> Klage nach <strong>der</strong> damals herrschenden<br />
Rechtsauffassung trotz se<strong>in</strong>em wirtschaftlichen Zweck als rechtsfähiger<br />
Vere<strong>in</strong> habe angesehen werden dürfen.<br />
Das Appellationsgericht bestätigte als zweite kantonale Instanz den<br />
Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Klagän<strong>der</strong>ung<br />
vollumfänglich. Es führte aus, dass sich <strong>der</strong> ehemalige Kläger, „dem als<br />
Vere<strong>in</strong> nachträglich durch den Bundesgerichtsentscheid vom September<br />
1962 <strong>der</strong> Boden unter den Füssen entzogen worden ist“, auf das Bestehen<br />
se<strong>in</strong>er Rechtspersönlichkeit nach <strong>der</strong> damaligen Auffassung und<br />
Praxis habe verlassen dürfen. Es bezeichnete die Praxisän<strong>der</strong>ung des<br />
109 BGE 88 II 209, vgl. oben S. 47.<br />
61
Bundesgerichts als „ausserordentliche Rechtslage, die nicht vorausgesehen<br />
werden konnte“ und erachtete die strengen Voraussetzungen <strong>der</strong><br />
Basler Prozessordnung für Klagän<strong>der</strong>ungen als „zweifellos gegeben“,<br />
wonach „triftige Gründe“ vorliegen müssen.<br />
i) Urteil des Obergerichts Zürich vom 7. November 1977<br />
(Eishockey-Club K., SJZ 75, S. 75 ff.)<br />
In diesem Entscheid wurde <strong>der</strong> Eishockey-Club K. als rechtsfähiger<br />
Vere<strong>in</strong> anerkannt. Er war von e<strong>in</strong>em Mitglied e<strong>in</strong>geklagt worden, das aus<br />
dem Club austreten wollte. Der Eishockey-Club K. war als Vere<strong>in</strong> i.S.d.<br />
ZGB gegründet worden und als solcher Mitglied des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Eishockeyverbandes, <strong>der</strong> ebenfalls als Vere<strong>in</strong> organisiert war und bezweckte,<br />
„den Eishockeysport <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> zu verbreiten, zu för<strong>der</strong>n<br />
und zu organisieren“. Das Zürcher Obergericht erwog, dass <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne<br />
Hochleistungssport <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> seit e<strong>in</strong>igen Jahren „nicht nur<br />
von ideellen, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> zunehmendem Masse auch von wirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten geprägt wird, sei es auf seiten <strong>der</strong> Sportler selbst, sei es<br />
auf seiten <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> o<strong>der</strong> geschäftstüchtiger Dritter“. Sportler sähen<br />
sich „<strong>in</strong> den allermeisten Fällen e<strong>in</strong>em nationalen Sportverband gegenüber[...],<br />
welcher e<strong>in</strong>e Monopolstellung e<strong>in</strong>nimmt und oftmals se<strong>in</strong>e eigenen<br />
Interessen denjenigen des Sportes voranstellt“. Das Gericht g<strong>in</strong>g<br />
dennoch ohne weiteres von <strong>der</strong> Persönlichkeit des beklagten Eishockey-<br />
Clubs als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB aus.<br />
j) Urteil des Appellationsgerichts Bern vom 27. Juni 1986 (<strong>Schweiz</strong>erischer<br />
Reit- und Fahrsportverband, ZBJV 124, S. 311 ff.)<br />
Auch das höchste Berner Gericht anerkannte die Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es<br />
Sportvere<strong>in</strong>s. Dabei berücksichtigte es bei <strong>der</strong> Rechtsanwendung die<br />
Beson<strong>der</strong>heiten dieses Vere<strong>in</strong>s. Das bernische Appellationsgericht hatte<br />
e<strong>in</strong>e Klage e<strong>in</strong>es Mitgliedes des <strong>Schweiz</strong>erischen Reit- und Fahrsportverbandes<br />
zu beurteilen, das sich gegen e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>sstrafe wehren wollte. Der<br />
<strong>Schweiz</strong>erische Reit- und Fahrsportverband war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB gegründet<br />
worden. Das Appellationsgericht führte aus: „Es drängt sich [...] auf,<br />
die Ausschlussautonomie des Vere<strong>in</strong>s, welche vom historischen Gesetzgeber<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Annahme statuiert wurde, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> würden ausschliesslich<br />
idealen Zwecken dienen, zu beschränken, jedenfalls <strong>in</strong> denjenigen Fällen,<br />
<strong>in</strong> denen nicht nur ideale, son<strong>der</strong>n auch und sogar vor allem wirtschaftliche<br />
Interessen e<strong>in</strong>e massgebende Rolle spielen. Diese Beschränkungstendenz,<br />
welche ihren Nie<strong>der</strong>schlag bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kartellgesetzgebung<br />
62
gefunden hat, ist die logische Fortführung des Gedankens, die für ideale<br />
Zwecke vorgesehene Rechtsform des Vere<strong>in</strong>s auch wirtschaftlichen Institutionen<br />
(mit neuen Schutzbedürfnissen) zu öffnen (BGE 90 II<br />
333 110 ). Um die Allmacht e<strong>in</strong>es Verbandes – und damit auch se<strong>in</strong>e Ausschlussautonomie<br />
– zu begrenzen, muss es je nach <strong>der</strong> beherrschenden<br />
Stellung des Verbandes dem Mitglied möglich se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en Ausschluss anzufechten,<br />
allerd<strong>in</strong>gs nur unter gewissen, e<strong>in</strong>schränkenden Voraussetzungen,<br />
d.h. wenn <strong>der</strong> Ausschluss rechtsmissbräuchlich ist, gegen gesetzliche<br />
o<strong>der</strong> statutarische Vorschriften verstösst o<strong>der</strong> aber <strong>in</strong><br />
erheblichem Masse das Persönlichkeitsrecht des Mitgliedes verletzt.<br />
Diese Anfechtungsmöglichkeit, die im Endeffekt auf e<strong>in</strong>e Interessenabwägung<br />
Vere<strong>in</strong>sautonomie/Mitglied<strong>in</strong>teresse h<strong>in</strong>ausläuft, rechtfertigt<br />
sich im Zusammenhang mit Sportvere<strong>in</strong>en um so mehr, als heutzutage,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Spitzensport, die idealen Vorstellungen von Spiel und<br />
Sport zunehmend von wirtschaftlichen Überlegungen abgelöst werden.<br />
Namentlich e<strong>in</strong>en Profisportler trifft e<strong>in</strong> längerdauern<strong>der</strong> Ausschluss<br />
zutiefst, da mit dieser Massnahme se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>nahmen (Prämien, Gew<strong>in</strong>nbeteiligung,<br />
Sponsorene<strong>in</strong>nahmen) sowie auch se<strong>in</strong> Ruf und damit se<strong>in</strong><br />
Marktwert gefährdet werden.“<br />
k) Urteil des Richteramtes III Bern vom 22. Dezember 1987<br />
(<strong>Schweiz</strong>erischer Leichtathletikverband, SJZ 84, S. 85 ff.)<br />
In diesem Entscheid wurde die Rechtsfähigkeit des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Leichtathletikverbandes als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB ohne weiteres bejaht.<br />
8. Würdigung <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />
a) Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts kann <strong>in</strong> grober Weise folgen<strong>der</strong>massen<br />
zusammengefasst werden: Unter dem aOR und auch anfänglich<br />
unter dem ZGB stellte die zivilrechtliche Rechtsprechung überwiegend<br />
alle<strong>in</strong> auf den Zweck <strong>der</strong> zu beurteilenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ab. Abgesehen<br />
von e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Entscheid 111 bejahte das Bundesgericht jedoch stets<br />
die Rechtsfähigkeit <strong>der</strong> zur Debatte stehenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>in</strong>dem es den<br />
Zweck entsprechend als zulässig bezeichnete. Anfangs <strong>der</strong> dreissiger<br />
Jahre öffnete das Bundesgericht das wegen se<strong>in</strong>er Anonymität und Libe-<br />
110 Association suisse des fabricants de cigarettes, 1964, vgl. S. 50.<br />
111 BGE 44 II 77 (Union rurale, 1918).<br />
63
alität begehrte Vere<strong>in</strong>srecht explizit den <strong>in</strong>zwischen mächtig angewachsenen<br />
Wirtschaftsverbänden. Das Bundesgericht stellte <strong>in</strong> <strong>der</strong> zivilrechtlichen<br />
Rechtsprechung – zum<strong>in</strong>dest bei den zu beurteilenden Berufs-,<br />
Branchen- und Wirtschaftsverbänden – den unzulässigen Zweck dem<br />
Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Gewerbes o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er geschäftlichen<br />
Tätigkeit gleich. 112 Im Ergebnis wurden Wirtschaftsverbände für zulässig<br />
erklärt, die selbst ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betrieben. 113 Im Jahre<br />
1962 führte das Bundesgericht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em obiter dictum aus, dass e<strong>in</strong>e<br />
Personenverb<strong>in</strong>dung ausschliesslich dann dem Vere<strong>in</strong>srecht unterstehen<br />
könne, wenn sie e<strong>in</strong>en idealen Zweck verfolge. 114 Lediglich zwei Jahre<br />
später verwarf das Bundesgericht das genannte obiter dictum und<br />
wandte mit e<strong>in</strong>er neuen Begründung se<strong>in</strong>e langjährige Praxis weiter an:<br />
Es erklärte nur – aber immerh<strong>in</strong> – diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />
Zweck als unzulässig, welche gleichzeitig e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe<br />
betreiben. 115<br />
b) <strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als zulässig erachtet<br />
Die wie<strong>der</strong>gegebenen Entscheide zeigen, dass wirtschaftlich ausgerichtete<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen Rechtsprechung e<strong>in</strong>en wichtigeren<br />
Platz e<strong>in</strong>nehmen, als dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur allgeme<strong>in</strong> dargestellt wird.<br />
Mit Ausnahme e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zigen Falles im Jahre 1918 116 hat das Bundesgericht<br />
stets angenommen, die <strong>in</strong> Frage stehenden wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
seien zulässig. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> kantonalen Rechtsprechung ist lediglich e<strong>in</strong><br />
Entscheid aus dem Jahre 1943 bekannt 117 , <strong>in</strong> welchem e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> mit<br />
wirtschaftlicher Ausrichtung die Rechtsfähigkeit abgesprochen worden<br />
ist. Der e<strong>in</strong>zige publizierte Entscheid e<strong>in</strong>es Schiedsgerichts zeigt<br />
schliesslich, wie Fragen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
auf e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Art angegangen werden können, wenn man nicht<br />
112<br />
Die selbe Argumentation wandte das Bundesgericht <strong>in</strong> BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative<br />
vaudoise d’allocations familiales, 1946) auch auf e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> zur Ausrichtung kantonalvorsorgerechtlicher<br />
Ausgleichszahlungen an, vgl. dazu S. 42.<br />
113<br />
ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–<br />
1964, ZSR 83 I (1964), S. 440; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung<br />
e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 5. Vgl. S. 38 ff.<br />
114<br />
BGE 88 II 209 (Eisenverband / M<strong>in</strong>iera, 1962), vgl. S. 47 ff.<br />
115<br />
ARTHUR MEIER-HAYOZ, a.a.O., S. 5. Vgl. S. 50 ff.<br />
116<br />
BGE 44 II 77, Union rurale.<br />
117<br />
Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Tess<strong>in</strong> vom 27. September 1943 (SJZ 40,<br />
S. 242).<br />
64
aus grundsätzlichen Erwägungen die Augen vor <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit<br />
schliesst.<br />
c) BGE 88 II 209 (Eisenverband / M<strong>in</strong>iera)<br />
BGE 88 II 209 wurde und wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehre als spektakulärer Entscheid<br />
bezeichnet, <strong>in</strong> welchem das Bundesgericht nach Ansicht e<strong>in</strong>es<br />
Teils <strong>der</strong> Autoren zu e<strong>in</strong>er gesetzeskonformen Praxis zurückgefunden<br />
hatte. Von Gegnern <strong>der</strong> Zulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wird diesem<br />
Entscheid damit e<strong>in</strong> Stellenwert zuerkannt, <strong>der</strong> ihm bei zutreffen<strong>der</strong><br />
Betrachtung <strong>der</strong> Rechtsprechung nicht zukommt. Der sogenannte „Ausreisser-Entscheid“<br />
enthält lediglich e<strong>in</strong> obiter dictum im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Beurteilung e<strong>in</strong>facher Gesellschaften.<br />
Der Entscheid des Bundesgerichts ist vom Ergebnis her zutreffend.<br />
Die zur Debatte stehenden Personenverb<strong>in</strong>dungen stellten e<strong>in</strong>fache Gesellschaften<br />
dar 118 , denn aus den „Statuten“ <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dungen<br />
war gar ke<strong>in</strong> Wille ersichtlich, als Vere<strong>in</strong> o<strong>der</strong> sonstige Körperschaft bestehen<br />
zu wollen. Das Bundesgericht hält diesbezüglich zutreffend fest,<br />
dass es nicht angehen kann, wie die Vor<strong>in</strong>stanz abzuwägen, ob e<strong>in</strong>e Personenverb<strong>in</strong>dung<br />
eher den Charakter e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s aufweist, wenn die formellen Gründungsvoraussetzungen<br />
für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gar nicht erfüllt s<strong>in</strong>d.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund waren die umfangreichen Ausführungen des<br />
Bundesgerichts zur Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit des wirtschaftlichen Zweckes<br />
überflüssig, trotz <strong>der</strong> Ankündigung <strong>in</strong> den Regesten, es handle sich um<br />
e<strong>in</strong>e „Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rechtsprechung“. 119 Sie stellen – im Gegensatz zu<br />
den Erwägungen <strong>in</strong> früheren und späteren Entscheiden – von e<strong>in</strong>em<br />
konkreten Sachverhalt losgelöste Überlegungen dar, die als solche möglicherweise<br />
durchaus zu überzeugen vermögen, aber ke<strong>in</strong>erlei Bezug zur<br />
Rechtswirklichkeit nehmen. Bereits 1962 hatte sich die Rechtswirklichkeit<br />
massgeblich von <strong>der</strong> Situation entfernt, welche den Gesetzgebungsarbeiten<br />
zum ZGB zugrunde lag, und auf welche das obiter dictum <strong>in</strong><br />
BGE 88 II 209 <strong>in</strong> wesentlichen Punkten abgestützt ist.<br />
BRINER wies bereits im Jahr 1964 darauf h<strong>in</strong>, dass es sich beim obiter<br />
dictum um die erste, als solche ausdrücklich bezeichnete und damit unmittelbar<br />
Geltung beanspruchende Praxisän<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>er hy-<br />
118<br />
Gleicher Ansicht PAUL PIOTET, Retour à la jurisprudence traditionnelle sur le but non<br />
économique des associations, JdT 113 I (1965), S. 194.<br />
119<br />
Gleicher Ansicht ROBERT BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />
WuR 1964, S. 74.<br />
65
pothetischen Erwägung handle. Vom Standpunkt <strong>der</strong> Rechtssicherheit<br />
her sei e<strong>in</strong> solches Vorgehen nicht unbedenklich. Es sei denkbar, dass<br />
die „Praxisän<strong>der</strong>ung“ wie<strong>der</strong> zurückgenommen würde, ohne e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges<br />
Urteil des Bundesgerichts wirklich bestimmt zu haben. In diesem Fall<br />
läge e<strong>in</strong>e lehrende o<strong>der</strong> kommentierende Tätigkeit des Bundesgerichts<br />
vor, <strong>der</strong>en rechtliche Bedeutung nur schwer fassbar sei. 120<br />
Die Voraussage BRINERS trat lediglich zwei Jahre nach Veröffentlichung<br />
des obiter dictum <strong>in</strong> BGE 90 II 333 tatsächlich e<strong>in</strong>: Das Bundesgericht<br />
nahm unter Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> Argumentation e<strong>in</strong>es Gutachtens<br />
von PROF. FRANK VISCHER 121 die Ausführungen des Entscheids Eisen-<br />
Verband / M<strong>in</strong>iera zurück. Abgesehen von Verwirrungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen<br />
kantonalen Entscheid 122 hat das obiter dictum somit nie praktische<br />
Auswirkungen erlangt. Das Bundesgericht hat bei <strong>der</strong> konkreten Beurteilung<br />
von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Ausrichtung nach s<strong>in</strong>nvollen<br />
Lösungen gesucht, anstatt bloss <strong>der</strong>en Zulässigkeit zu verne<strong>in</strong>en.<br />
d) Fallbezogene Entscheidungen<br />
Die e<strong>in</strong>schlägigen Erwägungen des Bundesgerichts und <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem<br />
Ausmass diejenigen <strong>der</strong> kantonalen Gerichte waren stets sehr fallbezogen.<br />
123 Vor allem Entscheide aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
ersche<strong>in</strong>en oft als zum<strong>in</strong>dest unterschwellig politisch o<strong>der</strong> konfessionell<br />
gefärbt. 124 Der E<strong>in</strong>druck drängt sich auf, dass die Frage <strong>der</strong> Rechtsfähigkeit<br />
meist kasuistisch entschieden wurde. In den steuerrechtlichen Ent-<br />
120 ROBERT BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände, WuR<br />
1964, S. 74. – Vgl. zur rechtlichen Bedeutung von obiter dicta im angelsächsischen Recht<br />
CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, RZ 1141: Obiter dicta<br />
s<strong>in</strong>d unpräjudizielle Urteilsbestandteile. Weiterführend DENIS KEENAN, Smith &<br />
Keenan’s English Law, 12. Auflage London 1998, S. 139 f.: „The reason why obiter dicta<br />
are merely persuasive is because the prerogative of judges is not to make the law by formulat<strong>in</strong>g<br />
it and declar<strong>in</strong>g it (this is for the legislature) but to make the law by apply<strong>in</strong>g it<br />
to cases com<strong>in</strong>g before them.“<br />
121 Gutachten von PROF. FRANK VISCHER für die Basler Handelskammer, zitiert bei<br />
BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände, WuR 1964, S. 76.<br />
122 Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 18. März 1964 und Urteil des Appellationsgerichts<br />
Basel-Stadt vom 19. Oktober 1965 (Milchhändlerverband Basel und Umgebung, BJM<br />
1966, S. 233 ff.).<br />
123 Vgl. dazu auch die Bemerkung PIOTETS, JdT 111 I (1963), S. 99, zu BGE 88 II 209:<br />
„On ne peut se défendre de l’impression que, si notre haute cour avait eu affaire à l’une<br />
des grandes associations professionnelles qui collaborent avec les autorités en ma<strong>in</strong>tes<br />
occasions, elle aurait beaucoup hésité à la déclarer juridiquement <strong>in</strong>existante.“<br />
124 BGE 44 II 77 (Union rurale), BGE 48 II 145 (Arbeiterunion Zürich), BGE 51 II 522<br />
(<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverband, Sektion Biel).<br />
66
scheiden 125 stört sich das Bundesgericht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht daran, dass<br />
auch Vere<strong>in</strong>igungen mit „ohne Zweifel wirtschaftlichem Zweck“ 126 als<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB konstituiert s<strong>in</strong>d. Denn wenn <strong>der</strong>en Existenz als juristische<br />
Person verne<strong>in</strong>t würde, so wäre ke<strong>in</strong> Steuersubjekt mehr vorhanden:<br />
Dem Staat würden E<strong>in</strong>nahmen entgehen.<br />
e) Ungeklärte Verhältnisse Zweck – Mittel und<br />
wirtschaftlich – nichtwirtschaftlich<br />
Aus den vorausgegangenen Beispielen lässt sich folgern, dass für die<br />
Gerichte das Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Zweck und kaufmännischem<br />
Gewerbe nicht immer klar war. Die Rechtsprechung hat<br />
ausserdem nie e<strong>in</strong> klares Abgrenzungskriterium zwischen wirtschaftlichem<br />
und nichtwirtschaftlichem Zweck herausgearbeitet. 127 Sie bleibt<br />
auch diesbezüglich kasuistisch. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sich das<br />
Bundesgericht vornehmlich im Zusammenhang mit Berufs-, Branchenund<br />
Wirtschaftsverbänden zur Zulässigkeit des Zweckes aussprechen<br />
musste und dabei e<strong>in</strong>en pragmatischen Weg gewählt hat. In <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Gerichtspraxis kommt dem kaufmännischen Gewerbe letztlich<br />
e<strong>in</strong> wichtigerer Stellenwert zu als dem wirtschaftlichen Zweck. In den<br />
Entscheiden, welche an<strong>der</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> betreffen, liess sich das Bundesgericht<br />
h<strong>in</strong>gegen nicht auf die Äste h<strong>in</strong>aus. Die diesbezüglichen Diskussionen<br />
wurden <strong>der</strong> Lehre überlassen. Im nachfolgenden Kapitel V wird<br />
untersucht, ob es <strong>der</strong> Lehre gelungen ist, e<strong>in</strong>deutige und praktikable Abgrenzungskriterien<br />
zu f<strong>in</strong>den.<br />
f) Schlussfolgerung<br />
Der Entscheidung des Bundesgerichts, wonach zum<strong>in</strong>dest Berufs-,<br />
Branchen- und Wirtschaftsverbände <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform als zulässig erachtet<br />
werden, ist im Ergebnis grundsätzlich zuzustimmen. Das Bundesgericht<br />
erkennt zutreffen<strong>der</strong>weise, dass es für die Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform<br />
nicht bloss auf den Zweck ankommen kann, son<strong>der</strong>n dass vielmehr die<br />
Tätigkeit <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Betreiben e<strong>in</strong>es<br />
kaufmännischen Unternehmens, relevant ist. Allerd<strong>in</strong>gs wird die vorliegende<br />
Arbeit zeigen, dass heute angesichts <strong>der</strong> neuesten<br />
125<br />
BGE 71 I 119 (Kaufmännische Corporation St. Gallen), BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative<br />
vaudoise d’allocations familiales), BGE 73 I 316 (Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich).<br />
126<br />
So ausdrücklich BGE 73 I 316 (Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich, 1947), S. 43.<br />
127<br />
Gleicher Ansicht MARGARETA BADDELEY, L’association sportive face au droit,<br />
Diss. Genf, Basel 1994, S. 31.<br />
67
Gesetzgebungstendenzen die Beschränkungen des Bundesgerichts<br />
h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Frage des kaufmännischen Unternehmens überwunden<br />
werden können. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts kann<br />
diesbezüglich s<strong>in</strong>nvoll weiterentwickelt werden. 128<br />
128 Vgl. <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e S. 99 ff.<br />
68
V. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
schweizerischen Literatur<br />
1. Vorbemerkung und Übersicht<br />
Der überwiegende Teil <strong>der</strong> Lehre erachtet – unter Berufung auf den<br />
Text des ZGB – <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck als unzulässig, weil<br />
die Regeln des ZGB etwa h<strong>in</strong>sichtlich des Gläubigerschutzes als ungenügend<br />
angesehen werden. 129 Personenvere<strong>in</strong>igungen, die e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
Zweck verfolgen, sollen ausschliesslich <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />
Gesellschaften des OR gegründet werden können. H<strong>in</strong>gegen wird ebenfalls<br />
gestützt auf den Gesetzestext als zulässig erachtet, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
gemäss ZGB e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit entfalten, namentlich e<strong>in</strong><br />
kaufmännisches Unternehmen betreiben. 130 Die nachfolgende Darstellung<br />
<strong>der</strong> Lehrme<strong>in</strong>ungen zu <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Ausrichtung<br />
beschränkt sich daher auf den Aspekt des Zweckes.<br />
Die Frage, wie weitgehend e<strong>in</strong>zelne Autor<strong>in</strong>nen und Autoren <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
mit wirtschaftlichem Zweck als zulässig o<strong>der</strong> als unzulässig erklären,<br />
hängt wesentlich damit zusammen, wie sie den wirtschaftlichen Zweck<br />
def<strong>in</strong>ieren. Bei vielen ist erkennbar, dass sie – wie dies auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> bereits<br />
dargestellten Rechtsprechung geschieht – e<strong>in</strong>e bestimmte, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Realität existierende Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform als zulässig<br />
o<strong>der</strong> als unzulässig ansehen und – gestützt auf diese Wertung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
konkreten Fall – allgeme<strong>in</strong>e Regeln formulieren. Dabei ersche<strong>in</strong>t mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger zufällig, ob das angestrebte Resultat durch e<strong>in</strong>e entsprechende<br />
Def<strong>in</strong>ition des wirtschaftlichen Zweckes o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Frage nach<br />
<strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit e<strong>in</strong>em solchen realisiert wird. Im<br />
Rahmen <strong>der</strong> nachfolgenden Darstellung <strong>der</strong> Lehrme<strong>in</strong>ungen werden daher<br />
zunächst Fallgruppen zusammengestellt, die von den e<strong>in</strong>zelnen Autor<strong>in</strong>nen<br />
und Autoren als zulässig o<strong>der</strong> als unzulässig bezeichnet werden.<br />
131 Erst anschliessend werden die abstrakten Stellungnahmen zur<br />
Zulässigkeit des wirtschaftlichen Zweckes wie<strong>der</strong>gegeben. 132<br />
129<br />
Vgl. S. 4.<br />
130<br />
HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 54 f. ZGB N 54, Bern 1990; ERNST<br />
PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 56 f.; ARTHUR<br />
MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens,<br />
SAG 45 (1973), S. 2. – Vgl. dazu Kapitel VI.<br />
131<br />
Vgl. sogleich nachfolgend.<br />
132<br />
S. 74 ff.<br />
69
2. Fallgruppen<br />
a) Berufs-, Branchen- und Wirtschaftsverbände<br />
Berufs-, Branchen- und Wirtschaftsverbände, auf die sich auch die<br />
meisten Gerichtsentscheide beziehen, s<strong>in</strong>d traditionellerweise diejenigen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, anhand welcher die Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen<br />
Zweckes diskutiert wird. Unter diesem Oberbegriff werden etwa<br />
Verbände von Produzenten und des Handels, Konsumentenverbände,<br />
Arbeitgeber<strong>in</strong>nen- und Arbeitnehmerverbände, Handelskammern, Verkehrsvere<strong>in</strong>e<br />
und sonstige Verbände zur För<strong>der</strong>ung wirtschaftlicher Beziehungen<br />
sowie Berufs- und Standesorganisationen diskutiert. 133 Sie<br />
werden von den meisten Autoren als zulässig erachtet. Meist wird die<br />
Zulässigkeit <strong>der</strong>artiger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> damit begründet, diese Verbände verfolgten<br />
wirtschafts- und sozialpolitische, somit politische Zwecke. 134<br />
Teilweise wird die E<strong>in</strong>schränkung gemacht, Berufs- und Wirtschaftsverbände<br />
<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform seien nur dann zulässig, wenn die vom Verband<br />
erstrebten Vorteile <strong>der</strong> gesamten Berufs- o<strong>der</strong> Wirtschaftsgruppe zukommen<br />
sollen. Es müssen also auch Nichtmitglie<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Tätigkeit<br />
des Vere<strong>in</strong>s profitieren können. 135 RIEMER macht die weitere E<strong>in</strong>schrän-<br />
133 Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 60, Bern 1990.<br />
134 ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 75 ff. und<br />
S. 86 f., will h<strong>in</strong>gegen lediglich Vere<strong>in</strong>igungen zur Berufsbildung o<strong>der</strong> -weiterbildung als<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftspolitischem Zweck zulassen, nicht jedoch Berufsverbände und<br />
Gewerkschaften. Auch RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 112 ff., bezeichnet die<br />
Argumentation, <strong>der</strong> Zweck von Berufsverbänden sei sozialpolitisch und damit nichtwirtschaftlich,<br />
als unzutreffend. Se<strong>in</strong>er Ansicht nach ergibt sich aus dem Umstand, dass die<br />
meisten Berufsverbände die Mehrheit o<strong>der</strong> gar die Gesamtheit <strong>der</strong> Angehörigen e<strong>in</strong>es Berufsstandes<br />
umfassen, die Tatsache, dass für die „För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Interessen<br />
e<strong>in</strong>es ganzen Berufsstandes“ neben dem eigentlichen Zweck des Verbandes kaum noch<br />
Platz sei. GRAFFENRIED ist <strong>der</strong> Ansicht, dass die mittelbare För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Stellung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> letzten Endes immer das Hauptmotiv sei, selbst wenn man<br />
mit dem Bundesgericht davon ausgehe, Berufsverbände bezweckten auch die Schaffung<br />
e<strong>in</strong>es Berufsethos, Erfahrungsaustausch, Geselligkeit, berufliche Bildung und an<strong>der</strong>e ähnliche<br />
Ziele. GRAFFENRIED bejaht dennoch die Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform, weil se<strong>in</strong>er<br />
Ansicht nach die Mitglie<strong>der</strong> von Wirtschafts- und Berufsverbänden immer nur mittelbar<br />
wirtschaftliche Vorteile erlangen und ke<strong>in</strong>e wirtschaftlichen Güter vom Vere<strong>in</strong> auf die<br />
Mitglie<strong>der</strong> übergehen. Vgl. dazu unten S. 74 ff.<br />
135 HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 10, Basel 1996, mit H<strong>in</strong>weis auf<br />
BGE 48 II 146 ff., 153 (Arbeiterunion Zürich, 1922); ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
Basel 1967, S. 527; A. EGGER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 10 f., Zürich 1930.<br />
70
kung, dass die Verbände ke<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n an die Mitglie<strong>der</strong> verteilen dürfen.<br />
136<br />
b) Kartelle<br />
H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Zulässigkeit von Kartellen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform ist die<br />
Lehre zurückhalten<strong>der</strong>. Vor allem ältere Autoren lehnen Kartelle <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform<br />
ab 137 . Auch nach Ansicht RIEMERS verfolgen Kartelle – im Gegensatz<br />
zu Berufs- und Wirtschaftsverbänden – e<strong>in</strong>deutig e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
und nicht bloss e<strong>in</strong>en wirtschaftspolitischen Zweck.<br />
RIEMER lehnt an sich die Zulässigkeit von Kartellen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform ab,<br />
sche<strong>in</strong>t aber die Praxis des Bundesgerichts aus Gründen <strong>der</strong> Rechtssicherheit<br />
anzuerkennen. 138<br />
c) Sportvere<strong>in</strong>e<br />
Sportvere<strong>in</strong>e werden traditionellerweise als Musterbeispiel für gesellige<br />
und an<strong>der</strong>e nichtwirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> angeführt, die <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er<br />
Weise wirtschaftliche Zwecke verfolgen. 139 In neuerer Zeit wird jedoch<br />
vere<strong>in</strong>zelt die vergleichsweise ketzerische Frage gestellt, ob dies tatsächlich<br />
noch zutreffe, und es werden gelegentlich Zweifel daran geäussert,<br />
ob zum<strong>in</strong>dest <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> des Berufssports noch ideale Zwecke verfolgen. 140<br />
136 HANS MICHAEL RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 610; DERS., Kommentar<br />
zu Art. 60 ZGB N 61, Bern 1990. RIEMER schliesst sich ausserdem <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichts an, wonach Wirtschafts- und Berufsverbände ke<strong>in</strong> kaufmännisches<br />
Gewerbe betreiben dürfen.<br />
137 A. EGGER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 4 ff., Zürich 1930; ERNST PESTALOZZI, Der<br />
Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 86 f.<br />
138 HANS MICHAEL RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 611; DERS., Kommentar<br />
zu Art. 60 ZGB N 70, Bern 1990, mit H<strong>in</strong>weisen auf weitere Literatur <strong>in</strong> N 69.<br />
139 Für A. EGGER, a.a.O. N 7, dienen Sportvere<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Gesundheitspflege.<br />
140 Vgl. die H<strong>in</strong>weise bei HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 33 lit. l,<br />
Bern 1990. – Gemäss SCHERRER-BIRCHER ist h<strong>in</strong>gegen evident, dass auch Sportvere<strong>in</strong>e,<br />
die Professionalsport betreiben, e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen Zweck verfolgen. Solche<br />
Sportvere<strong>in</strong>e verfolgen ihrer Ansicht nach nicht primär die För<strong>der</strong>ung geldwerter Interessen<br />
ihrer Mitglie<strong>der</strong>, da die Berufssportler oft nicht Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s seien. Der<br />
Zweck sei vielmehr die Verfolgung sportlicher Ziele bzw. die Erhaltung und För<strong>der</strong>ung<br />
des Fussballsportes auf höchster Ebene. Die e<strong>in</strong>genommenen f<strong>in</strong>anziellen Mittel (auch<br />
solche aus Spielerhandel) würden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zur Erreichung dieses Vere<strong>in</strong>szweckes e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Vgl. DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e,<br />
Diss. Zürich 1994, S. 27 f. Für URS SCHERRER, Rechtsfragen des organisierten Sportlebens<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich 1982, S. 67, steht fest, dass sich Grosssportvere<strong>in</strong>e und<br />
–verbände (trotz grundsätzlich nichtwirtschaftlichem Zweck) als Aktiengesellschaften<br />
konstituieren sollten.<br />
71
Die meisten Autor<strong>in</strong>nen und Autoren stellen sich jedoch auf den Standpunkt,<br />
dass die kommerzielle Komponente bei Sportvere<strong>in</strong>en, die sich<br />
etwa <strong>in</strong> regelmässigen Umsätzen durch die Erhebung von E<strong>in</strong>trittsgel<strong>der</strong>n,<br />
durch E<strong>in</strong>- und Verkäufe von Spielern 141 o<strong>der</strong> im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Vermarktung von Sportübertragungsrechten 142 manifestiert, eher<br />
die Frage des Vorliegens e<strong>in</strong>es (zulässigen) kaufmännischen Unternehmens<br />
betreffe, als die Frage nach dem Zweck. 143 Tatsache ist jedoch,<br />
dass sich die Sportvere<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Sparten zu eigentlichen Wirtschaftsunternehmen<br />
mit teilweise Millionenumsätzen entwickelt haben.<br />
144 Im deutschen Kartellrecht werden Sportler als „Unternehmer“<br />
qualifiziert. 145<br />
141 Vgl. zur Grössenordnung solcher Verkäufe URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld<br />
von Spiel und Wirtschaft, SJZ 94 (1998), S. 291: Anlässlich des Übertritts des Brasilianers<br />
Ronaldo vom FC Barcelona zu Inter Mailand bezahlte Inter Mailand e<strong>in</strong>en Kaufpreis<br />
von rund CHF 40 Mio. zuzüglich e<strong>in</strong>er Transferentschädigung von CHF 2.5 Mio.<br />
142 Zahlen im Zusammenhang mit Übertragungsrechten f<strong>in</strong>den sich bei URS SCHERRER,<br />
a.a.O., S. 292: Für die Übertragungsrechte <strong>der</strong> Fussballweltmeisterschaften 2002 und 2006<br />
wurden CHF 2.8 Milliarden bezahlt, die Champions-Leage <strong>der</strong> Europäischen Fussballunion<br />
UEFA (Vere<strong>in</strong> nach schweizerischem Recht mit Sitz <strong>in</strong> Nyon) br<strong>in</strong>gt jährliche Bruttoe<strong>in</strong>nahmen<br />
von CHF 300 Mio.<br />
143 HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 13 f., Basel 1996; HANS MICHAEL<br />
RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 612; DOROTHE SCHERRER-BIRCHER,<br />
<strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 29; MARGARETA BAD-<br />
DELEY, L’association sportive face au droit, Diss. Genf, Basel 1994, S. 40 und 53; ANTON<br />
HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 21; URS SCHERRER, Rechtsfragen<br />
des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich 1982, S. 47 f. und S. 50 ff. Vgl.<br />
auch CHRISTOPH FUCHS, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich 1999, S. 86, <strong>der</strong><br />
immerh<strong>in</strong> zugesteht, dass denkbar sei, dass <strong>in</strong> gewissen „Sportverei-<br />
nen“ e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Zweckverfolgung im Vor<strong>der</strong>grund steht. – Po<strong>in</strong>tiert dagegen<br />
BGE 97 I 488: „Die Nationalliga ist ke<strong>in</strong> Wirtschafts-, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Sportverband...“.<br />
144 DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, a.a.O., S. 2: Die 36 <strong>Schweiz</strong>er Fussball-Nationalvere<strong>in</strong>e<br />
haben im Zeitraum 1990/92 jährlich etwa CHF 70 bis 80 Mio. umgesetzt. Für den<br />
Fussballclub Grasshopper Zürich wurde für das Jahr 1990 mit e<strong>in</strong>em Budget von<br />
CHF 8 Mio. gerechnet, für den Fussballclub Zürich mit e<strong>in</strong>em solchen von CHF 4 Mio.<br />
Handballvere<strong>in</strong>e weisen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Budgets von CHF 1 bis 1.5 Mio. auf (CHRISTIAN<br />
MODL, Wie Sportklubs wirtschaftlich leistungsfähig zu erhalten s<strong>in</strong>d, NZZ vom<br />
27.07.2000, S. 45). Weitere Zahlen f<strong>in</strong>den sich bei MARGARETA BADDELEY, a.a.O., S. 43<br />
FN 110 und S. 44 FN 114. – Interessant ist, dass zum Beispiel <strong>der</strong> FC Zürich im Jahr<br />
1971 e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft zur Ausglie<strong>der</strong>ung se<strong>in</strong>es Geschäftsbereichs gegründet hat.<br />
Die Betriebsgesellschaft FCZ AG bezweckt unter an<strong>der</strong>em die Organisation und Durchführung<br />
von Fussballveranstaltungen und die Bereitstellung von Spielerkont<strong>in</strong>genten. Hierzu<br />
führt SCHERRER-BIRCHER aus, es sei rechtswidrig, wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> durch e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft<br />
als Organgesellschaft wirtschaftliche Zwecke verfolge, die dem Vere<strong>in</strong> selber<br />
verwehrt s<strong>in</strong>d. Die Verb<strong>in</strong>dung zwischen dem FC Zürich und <strong>der</strong> Betriebsgesellschaft FCZ<br />
AG sei jedoch rechtmässig, weil sich aus dem Inhalt des Zusammenarbeitsvertrages<br />
72
d) Automobilclub <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (ACS), Tour<strong>in</strong>g Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (TCS)<br />
GUTZWILLER ist <strong>der</strong> Ansicht, sogenannte „Mammutvere<strong>in</strong>e“ wie <strong>der</strong><br />
Automobilclub <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Tour<strong>in</strong>g Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> verfolgten<br />
„zweifellos ideale“ Zwecke, wenn sie unter an<strong>der</strong>em die För<strong>der</strong>ung des<br />
Automobilwesens, die Wahrung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Interessen im Zusammenhang<br />
mit dem Automobilismus, die Verschaffung von Vorteilen<br />
<strong>in</strong> Bezug auf Versicherungen o<strong>der</strong> die Entwicklung und För<strong>der</strong>ung des<br />
Tourismus bezwecken. 146<br />
ergebe, dass sich die Aktiengesellschaft <strong>in</strong> den Dienst des Vere<strong>in</strong>s stelle und diesen bei<br />
se<strong>in</strong>er idealen Zweckverfolgung unterstützen wolle. Vgl. dazu a.a.O. S. 68 ff. Als weiteres<br />
Beispiel sei auf die Grasshopper Fussball AG, die Grasshopper Fussball Betriebs AG und die<br />
Grasshopper Fussball Services AG verwiesen. Die Mehrheit <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er Fussballnationalliga-<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wehrt sich jedoch seit Jahren gegen e<strong>in</strong>e Regelung, dass <strong>der</strong> Nationalliga<br />
nur noch Aktiengesellschaften angehören dürfen (URS SCHERRER, Abwendung des<br />
„worst case“ im Fussball, NZZ vom 27.07.2000, S. 45). Demgegenüber wurde die Eishockey-Nationalliga<br />
grundlegend neu organisiert: Ab <strong>der</strong> Saison 2000/2001 ist für die<br />
Clubs <strong>der</strong> Nationalliga zw<strong>in</strong>gend die Rechtsform <strong>der</strong> Aktiengesellschaft vorgeschrieben.<br />
Die Nationalliga selbst ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert (FRANZ<br />
A. ZÖLCH, Verstärkte Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong> Klubs, NZZ vom 27.07.2000, S. 45). –<br />
URS SCHERRER äusserte sich im Jahr 1988 wie folgt: „Von Jahr zu Jahr nimmt <strong>der</strong> Sport<br />
gigantischere Formen an. Die totale Verkommerzialisierung sche<strong>in</strong>t nicht mehr aufhaltbar<br />
zu se<strong>in</strong>. Der mo<strong>der</strong>ne Sport bietet nicht nur Spitzensportlern e<strong>in</strong>e Existenzgrundlage.<br />
Sponsoren und Mäzene tragen überdies dazu bei, dass Sport und Wirtschaft immer enger<br />
verknüpft werden.“ Im Jahr 1998 nahm er auf diese Ausführungen Bezug: „Wie sich <strong>der</strong><br />
Sport im letzten Jahrzehnt entwickelt hat, übertraf allerd<strong>in</strong>gs sämtliche Vorstellungen.“<br />
(URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld von Spiel und Wirtschaft, SJZ 94 [1998],<br />
S. 289). SCHERRER scheut sich auch nicht, von „Sportbus<strong>in</strong>ess“ zu sprechen und vergleicht<br />
dieses mit dem „übrigen Wirtschaftsleben“ (URS SCHERRER, Beson<strong>der</strong>heit Sportbus<strong>in</strong>ess,<br />
NZZ vom 27.07.2000, S. 45). Zum E<strong>in</strong>fluss des Wirtschaftslebens auf Sportvere<strong>in</strong>e<br />
vgl. auch DERS., Rechtsfragen des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss.<br />
Zürich 1982, S. 43 ff. – Selbstverständlich gibt es daneben auch noch kle<strong>in</strong>e Sportvere<strong>in</strong>e,<br />
die sich dem Amateursport widmen, und den Vorstellungen des Gesetzgebers des ZGB<br />
noch entsprechen. Auf solche Sportvere<strong>in</strong>e wird etwa <strong>in</strong> Art. 25 Abs. 1 MWSTG Bezug<br />
genommen.<br />
145<br />
Vgl. den diesbezüglichen H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>en Entscheid des Oberlandesgerichts Frankfurt<br />
bei URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld von Spiel und Wirtschaft,<br />
SJZ 94 (1998), S. 290, FN 11.<br />
146<br />
MAX GUTZWILLER, Zum Problem bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsperson, ZSR 84 I (1965),<br />
S. 234 ff.<br />
73
3. Bestimmung des massgeblichen Zwecks und E<strong>in</strong>ordnung<br />
als wirtschaftlich o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlich<br />
a) E<strong>in</strong>leitung<br />
Die theoretische Abgrenzung zwischen wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem<br />
Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wird nach Ansicht RIEMERS weitgehend<br />
e<strong>in</strong>heitlich vorgenommen. 147 Die nachfolgende Darstellung wird<br />
zeigen, ob dies tatsächlich zutrifft. Im Zusammenhang mit den Ausführungen<br />
zur Rechtsprechung betreffend <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung<br />
wurde aufgezeigt, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung nie e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />
Def<strong>in</strong>ition des wirtschaftlichen Zwecks herausgearbeitet worden<br />
ist. 148 Daher ist von Interesse, ob es <strong>der</strong> Lehre gelungen ist, den massgeblichen<br />
Zweck klar zu bestimmen und diesen namentlich von den<br />
Mitteln abzugrenzen. 149 Ebenfalls von Interesse ist, wie die Lehre mit<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n umgeht, die e<strong>in</strong>e Mehrzahl von Zwecken verfolgen. 150 Wie <strong>der</strong><br />
Begriff „wirtschaftlich“ im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Zweckverfolgung<br />
def<strong>in</strong>iert wird, wird auf S. 76 ff. behandelt.<br />
b) Mehrdeutigkeit des Ausdrucks „Zweck“<br />
Der Begriff „Zweck“ wird im Gesetz nicht def<strong>in</strong>iert. Die Lehre erkennt<br />
dem Ausdruck verschiedene Bedeutungen zu, um die Bestimmungen<br />
des ZGB auslegen zu können. 151 In <strong>der</strong> heutigen schweizerischen<br />
Lehre dürfte die Unterscheidung RIEMERS – zum<strong>in</strong>dest vom Ergebnis<br />
her – für das Vere<strong>in</strong>srecht allgeme<strong>in</strong> anerkannt se<strong>in</strong>. Danach können<br />
drei verschiedene Bedeutungen des Ausdrucks „Zweck“ unterschieden<br />
werden:<br />
(i) „Zweck“ als unmittelbare Tätigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s (teilweise als<br />
„Mittel“ bezeichnet);<br />
147<br />
Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 47, Bern 1990, mit H<strong>in</strong>weisen.<br />
148<br />
Vgl. S. 63.<br />
149<br />
Sogleich nachfolgend.<br />
150<br />
S. 83.<br />
151<br />
Vgl. zum Begriff des Zwecks ausführlich FELIX KLAUS, Der Schutz des Vere<strong>in</strong>szwecks,<br />
Diss. Freiburg, Zürich 1977, S. 106 ff.; ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen<br />
Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 33 ff. – Vgl. auch WALTER BEYELER, Der Korporationszweck,<br />
Diss. Basel 1942, S. 21 ff. und ANDREAS KELLER, Die Ausschliessung aus dem<br />
Vere<strong>in</strong>, Diss. Freiburg, Zürich 1979, S. 93 ff.<br />
74
(ii) „Zweck“ als mittelbare Aufgabe und mittelbares „höheres“ Ziel<br />
e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s und<br />
(iii) „Zweck“ als Endziel e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s vom wirtschaftlichen Standpunkt<br />
aus betrachtet. 152<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER 153 kommen zum selben Ergebnis, <strong>in</strong>dem<br />
sie unterscheiden zwischen dem Endzweck e<strong>in</strong>es Verbandes (im<br />
S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Bedeutung iii, verstanden als die Auswirkungen zugunsten <strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong>) und dem unmittelbaren Zweck (im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Bedeutung<br />
i, verstanden als <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>same Zweck, welcher von den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
verfolgt wird). 154<br />
Unter „Zweck“ i.S.v. Art. 59 Abs. 2 ZGB wird allgeme<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweck<br />
i.S.d. Bedeutung iii, <strong>der</strong> Endzweck, verstanden. Dieser soll massgebend<br />
dafür se<strong>in</strong>, ob e<strong>in</strong> Verband als Vere<strong>in</strong> gemäss ZGB konstituiert werden<br />
kann, o<strong>der</strong> ob er unter die Bestimmungen des OR fallen muss. 155 Entsprechend<br />
wird unter „Aufgabe“ i.S.v. Art. 60 Abs. 1 ZGB ebenfalls <strong>der</strong><br />
Zweck i.S.d. Bedeutung iii verstanden. 156 Die Aufzählung von Art. 60<br />
Abs. 1 ZGB soll Beispiele für nichtwirtschaftliche Zwecke geben, wobei<br />
die Aufzählung aus Zweckumschreibungen i.S.d. Bedeutung ii zusammengestellt<br />
ist. 157 Schliesslich verstehen HEINI und HEINI / SCHERRER<br />
152 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 37, Bern 1990, mit weiteren<br />
H<strong>in</strong>weisen. Vgl. zur Illustration die Beispiele <strong>in</strong> FN 154.<br />
153 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 4 N 7. Gleicher Ansicht bereits ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947, S. 37 ff. und ERNST PESTALOZZI, Der<br />
Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 56.<br />
154 Als Beispiel für den Zweck i.S.d. Bedeutung i nach RIEMER wird angeführt, dass e<strong>in</strong><br />
Vere<strong>in</strong> Kurse und Vorträge organisiert, welche als Zweck i.S.d. Bedeutung ii <strong>der</strong> beruflichen<br />
und wissenschaftlichen Weiterbildung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> dienen sollen, damit <strong>der</strong> Zweck<br />
i.S.d. Bedeutung iii erreicht werden kann, nämlich die Erzielung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen<br />
o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlichen Vorteils zugunsten <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Dritter (HANS MICHAEL<br />
RIEMER, a.a.O. N 37). Als geme<strong>in</strong>samer Zweck nach MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER kann<br />
etwa die Herstellung e<strong>in</strong>es bestimmten Produktes vere<strong>in</strong>bart se<strong>in</strong>. Durch die Herstellung<br />
dieses Produktes wird <strong>der</strong> Endzweck angestrebt, welcher zum Beispiel <strong>in</strong> materiellen<br />
Vorteilen für die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> besteht (MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O.,<br />
§ 4 N 7).<br />
155 Vgl. etwa HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 38, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />
156 Vgl. bereits GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />
Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 153: Massgeblich ist nur das Ergebnis, welches<br />
die Mitglie<strong>der</strong> für sich aus <strong>der</strong> Körperschaftstätigkeit erwarten. Was vor diesem Ergebnis<br />
liegt, ist Mittel und kann auch beim Vere<strong>in</strong> wirtschaftlicher Natur se<strong>in</strong>.<br />
157 HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 38. – RIEMER erklärt so den Umstand, dass bei<br />
Zwecken, wie sie <strong>in</strong> Art. 60 Abs. 1 ZGB aufgezählt werden, regelmässig, aber nicht notwendigerweise<br />
e<strong>in</strong> nichtwirtschaftliches Endziel verfolgt wird.<br />
75
unter dem „Zweck“ gemäss Art. 60 Abs. 2 ZGB die <strong>in</strong>haltliche Konkretisierung<br />
des Zwecks im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> „Aufgabe“ gemäss Abs. 1, also den<br />
Gegenstand o<strong>der</strong> das Sachgebiet, auf welchem <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> tätig ist. 158<br />
SPECKER und PESTALOZZI führen e<strong>in</strong>en weiteren Begriff e<strong>in</strong>: das<br />
„Motiv“. Darunter verstehen sie den Beweggrund, aus welchem die Mitglie<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Personenvere<strong>in</strong>igung beitreten und ihr angehören. Das Motiv<br />
sei e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> subjektives Moment, welches ke<strong>in</strong>en Ausdruck <strong>in</strong> den Statuten<br />
f<strong>in</strong>det und von Mitglied zu Mitglied verschieden se<strong>in</strong> kann. 159 NIGG<br />
sche<strong>in</strong>t für die Bestimmung des Zweckes eher auf diese Motive abzustellen.<br />
Für ihn ist <strong>der</strong> Zweck des Vere<strong>in</strong>s das Interesse, welches die e<strong>in</strong>zelnen<br />
Mitglie<strong>der</strong> verb<strong>in</strong>det, und auf welches die Vere<strong>in</strong>stätigkeit ausgerichtet<br />
ist. 160<br />
c) Def<strong>in</strong>itionen für den wirtschaftlichen Zweck<br />
Zur Frage, wann <strong>der</strong> massgebliche Zweck e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlich<br />
ist, f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehre e<strong>in</strong>e Vielzahl von Def<strong>in</strong>itionen.<br />
Für GRAFFENRIED setzt <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck Transaktionen<br />
zwischen dem Vere<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n voraus. E<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />
Zweck liege dann vor, wenn unter bestimmten Voraussetzungen<br />
wirtschaftliche Güter vom Verband auf das Mitglied übertragen werden,<br />
wenn die Mitglie<strong>der</strong> unmittelbar vom Verband materielle Werte erhalten.<br />
Dabei soll nicht entscheidend se<strong>in</strong>, ob mit den materiellen Werten auch<br />
e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Vorteil für das Mitglied verbunden ist. Der objektive<br />
Übergang e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Gutes von <strong>der</strong> Körperschaft auf das Mitglied soll<br />
für den wirtschaftlichen Zweck genügen. Beim wirtschaftlichen Gut<br />
kann es sich dabei nach GRAFFENRIED sowohl um Gew<strong>in</strong>ne als auch<br />
um genossenschaftliche Werte handeln. Die wirtschaftlichen Güter können<br />
nach GRAFFENRIED die Form von Geld o<strong>der</strong> irgendwelchen an<strong>der</strong>en<br />
wirtschaftlichen Leistungen haben. 161 Dabei sei unerheblich, ob das<br />
158 ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 523; HEINI / SCHERRER, Kommentar<br />
zu Art. 60 ZGB N 1 ff., Basel 1996.<br />
159 CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />
Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 44; ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des<br />
idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 33 ff.<br />
160 THOMAS NIGG, Liechtenste<strong>in</strong>isches und schweizerisches Vere<strong>in</strong>srecht im Vergleich,<br />
Diss. Zürich, Vaduz 1996, S. 104, mit H<strong>in</strong>weis auf STÖBER.<br />
161 Als Beispiele nennt GRAFFENRIED die Übertragung des Eigentums an e<strong>in</strong>er Geldsumme<br />
vom Verband auf das Mitglied, die Verpflichtung des Verbandes gegenüber e<strong>in</strong>em<br />
Gläubiger des Mitglieds für die Erfüllung von Schulden e<strong>in</strong>zustehen und die Übernahme<br />
und Tragung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Risikos im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Versicherung. Ke<strong>in</strong> materieller<br />
76
Recht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> auf materielle Werte von vornhere<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Statuten<br />
verankert ist, o<strong>der</strong> ob <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er tatsächlichen<br />
Übertragung materieller Werte von <strong>der</strong> Körperschaft auf die<br />
Mitglie<strong>der</strong> zum Ausdruck kommt. 162<br />
Für die übrigen Autoren sche<strong>in</strong>t nicht erfor<strong>der</strong>lich, dass Transaktionen<br />
zwischen dem Verband und se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n stattf<strong>in</strong>den. HEINI<br />
hält vielmehr ausdrücklich fest, die Verfolgung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen<br />
Zwecks sei nicht bloss dann anzunehmen, wenn zwischen Mitglied und<br />
Verband e<strong>in</strong> Leistungsaustausch stattf<strong>in</strong>det. Es komme auch nicht darauf<br />
an, ob <strong>der</strong> Verband den materiellen Vorteil dem Mitglied unmittelbar<br />
o<strong>der</strong> lediglich mittelbar verschafft. Sobald e<strong>in</strong>e Verbandsperson<br />
Zwecke verfolgt, welche die wirtschaftliche Stellung des Mitgliedes <strong>in</strong> bestimmter<br />
Weise tangieren 163 o<strong>der</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommens- bzw. Gew<strong>in</strong>nmaximierung<br />
dienen, liege e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck vor. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die ökonomische<br />
Stellung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> konkreter Weise sei etwa bei den<br />
<strong>in</strong> Geldwerte übersetzbaren Ansprüche von Aktionären o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung bzw. Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Genossenschaft gegeben. Die Frage nach <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Aufgabe ist nach HEINI für jeden Fall aufgrund e<strong>in</strong>er Interessenanalyse<br />
zu entscheiden: Wo immer die Mitglie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Tätigkeit<br />
<strong>der</strong> Verbandsperson e<strong>in</strong> konkretes ökonomisches Interesse haben,<br />
bedürfen sie <strong>der</strong> Schutzvorschriften des OR. 164<br />
SIEGWART spricht dann von e<strong>in</strong>em wirtschaftlichem Zweck, wenn e<strong>in</strong><br />
Vere<strong>in</strong> ökonomische Interessen se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> för<strong>der</strong>n will. 165<br />
MEIER-HAYOZ stellt allgeme<strong>in</strong> auf die Erzielung wirtschaftlicher Vorteile<br />
für die Mitglie<strong>der</strong> ab. 166 Für BEYELER ist entscheidend, dass <strong>der</strong> Zusammenschluss<br />
von Personen unmittelbar auf wirtschaftliche Tätigkeit und wirtschaftlichen<br />
Erfolg gerichtet ist. 167 NIGG stellt darauf ab, ob den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
Wert sei h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong> Anspruch des Mitglieds an e<strong>in</strong>em von ihm e<strong>in</strong>bezahlten Kapitalanteil.<br />
162<br />
RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />
Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 75.<br />
163<br />
In <strong>der</strong> Term<strong>in</strong>ologie HEINIS: „an se<strong>in</strong> Portemonnaie rühren“.<br />
164<br />
ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–<br />
1964, ZSR 83 I (1964), S. 442 ff.<br />
165<br />
ALFRED SIEGWART, Die Freiheit bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsform und bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />
ihres Inhaltes, Freiburg 1943, S. 188. Gleicher Ansicht URS SCHERRER, Rechtsfragen<br />
des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich 1982, S. 28 ff.<br />
166<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 4 N 1 f.<br />
167<br />
WALTER BEYELER, Der Korporationszweck, Diss. Basel 1942, S. 53.<br />
77
von Seiten des Vere<strong>in</strong>s e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Vorteil <strong>in</strong> Geld o<strong>der</strong> <strong>in</strong> natura<br />
(Güter, Dienstleistungen) zukommen soll. 168<br />
Für MEILE s<strong>in</strong>d die materiellen Bedürfnisse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> entscheidend.<br />
Wenn die Mitglie<strong>der</strong> bloss geistige o<strong>der</strong> altruistische Bedürfnisse<br />
durch den Vere<strong>in</strong> befriedigt haben wollen, so liegt e<strong>in</strong> idealer, nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck vor. Wenn h<strong>in</strong>gegen materielle Bedürfnisse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
befriedigt werden sollen, so ist <strong>der</strong> Zweck wirtschaftlich. MEILE lehnt es<br />
ab, den Begriff „wirtschaftlich“ als „erwerbswirtschaftlich“ <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne<br />
zu verstehen, dass nur die Erwerbstätigkeit e<strong>in</strong>es Verbandes o<strong>der</strong> die<br />
re<strong>in</strong> ökonomische Unterstützung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> zur wirtschaftlichen<br />
Natur führen. 169 Nach Ansicht MEILES soll zur Unterscheidung auf die<br />
natürlichen Verhältnisse des Lebens und die Anfor<strong>der</strong>ungen des Verkehrs<br />
abgestellt werden: Organisationen, <strong>der</strong>en Interessen nach dem natürlichen<br />
menschlichen Empf<strong>in</strong>den dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft angehören,<br />
können sich nicht als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB konstituieren. 170<br />
PREISWERK def<strong>in</strong>iert Verbände mit wirtschaftlichen Zweck so, dass<br />
<strong>der</strong> Zweck auf den Erwerb gerichtet ist, o<strong>der</strong> dass den Mitglie<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Teil <strong>der</strong>selben direkte f<strong>in</strong>anzielle Vorteile verschafft werden. E<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />
Zweck liege namentlich dann vor, wenn e<strong>in</strong> Verband durch e<strong>in</strong>e<br />
Erwerbstätigkeit im Wirtschaftsleben e<strong>in</strong>e aktive Rolle spielt, Geschäfte<br />
betreibt, Verträge abschliesst, Risiken e<strong>in</strong>geht und Kredit beansprucht. 171<br />
Die Def<strong>in</strong>itionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> neueren Lehre von RIEMER, HEINI, HEINI /<br />
SCHERRER, WEBER, MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER und PEDRAZZINI /<br />
OBERHOLZER stellen darauf ab, dass e<strong>in</strong>e Gesellschaft e<strong>in</strong>en ökonomischen<br />
Vorteil, das heisst e<strong>in</strong>en geldwerten Nutzen zugunsten ihrer Mitglie<strong>der</strong><br />
erstrebt. <strong>Wirtschaftliche</strong> Personenverb<strong>in</strong>dungen dienen demnach <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Besserstellung, wobei <strong>der</strong> geldwerte Vorteil letztlich den<br />
Mitglie<strong>der</strong>n zukommt. 172<br />
168 THOMAS NIGG, Liechtenste<strong>in</strong>isches und schweizerisches Vere<strong>in</strong>srecht im Vergleich,<br />
Diss. Zürich, Vaduz 1996, S. 105, unter Berufung auf die gemäss RIEMER weitgehend e<strong>in</strong>heitliche<br />
und unbestrittene schweizerische Lehre.<br />
169 ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke,<br />
Diss. Bern 1947, S. 41 ff.<br />
170 ADRIAN MEILE, a.a.O., S. 46 ff., mit Verweis auf Hermogenian: „hom<strong>in</strong>um causa<br />
omne ius constitutum est“.<br />
171 W. PREISWERK, Zur gesellschaftsrechtlichen Organisation von Wirtschaftsverbänden,<br />
SAG 118 (1945/46), S. 64 f.<br />
172 HANS MICHAEL RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 607; DERS., Kommentar<br />
zu Art. 60 ZGB N 47, Bern 1990; DERS., Kommentar zu Art. 52-59, ST N 79,<br />
Bern 1993; ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 523; DERS., Das schweizerische<br />
Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 12 ff.; HEINI / SCHERRER, Kommentar zu<br />
78
Gemäss zwei älteren Lehrme<strong>in</strong>ungen ist nicht entscheidend, dass die<br />
Mitglie<strong>der</strong> wirtschaftliche Vorteile erhalten. E<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck<br />
soll bereits dann vorliegen, wenn dem Verband selbst o<strong>der</strong> Dritten wirtschaftliche<br />
Vorteile zugute kommen: Für SPECKER ist e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck<br />
das Streben nach f<strong>in</strong>anziellen, ökonomischen o<strong>der</strong> geldwerten Vorteilen.<br />
Auffälligste Form des wirtschaftlichen Zwecks sei die Gew<strong>in</strong>nverteilung.<br />
E<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck liege aber auch dann vor, wenn e<strong>in</strong> beabsichtigter<br />
Überschuss nicht den Mitglie<strong>der</strong>n son<strong>der</strong>n dem Verband selbst<br />
o<strong>der</strong> Dritten zufliessen soll, sofern <strong>in</strong> diesem Fall die Gew<strong>in</strong>nverteilung<br />
nicht e<strong>in</strong> Mittel zur Erreichung e<strong>in</strong>es idealen Zwecks ist. Auch die Absicht<br />
<strong>der</strong> unmittelbaren wirtschaftlichen För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> stellt<br />
e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck dar. Unter den wirtschaftlichen Zweck<br />
fällt nach SPECKER nicht nur die positive För<strong>der</strong>ung, das heisst e<strong>in</strong>e<br />
Vermögensvermehrung, son<strong>der</strong>n auch die bloss negative Sicherung, das<br />
heisst die Vermeidung von Vermögensverlust. 173 Nach MANTEL darf<br />
e<strong>in</strong>e durch e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Betätigung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s erzielte Vermehrung<br />
des Vere<strong>in</strong>svermögens nicht zum Zweck haben, dem Vere<strong>in</strong><br />
o<strong>der</strong> dessen Mitglie<strong>der</strong>n irgendwelche wirtschaftlichen Vorteile zu ver-<br />
schaffen.<br />
174 175<br />
Aus dem Kommentar von SCHMID zu Art. 46 SchKG ergibt sich<br />
schliesslich, dass dieser Autor den wirtschaftlichen Zweck e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s<br />
mit dem Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Gewerbes gleichsetzt. 176<br />
d) Def<strong>in</strong>itionen für den nichtwirtschaftlichen Zweck<br />
Der nichtwirtschaftliche Zweck wird meist negativ def<strong>in</strong>iert, als Gegensatz<br />
zur Umschreibung des wirtschaftlichen Zwecks. 177<br />
Art. 60 ZGB N 5, Basel 1996; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung<br />
e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 2; MEIER-HAYOZ /<br />
FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 4 N 5; ROLF H.<br />
WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 61. Gleicher Ansicht CLAIRE<br />
HUGUENIN JACOBS, Kommentar zu Art. 59 ZGB N 18, Basel 1996; PEDRAZZINI /<br />
OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Auflage Bern 1993, 9.1.2.<br />
173<br />
CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />
Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 46 ff.<br />
174<br />
HANS-JÜRG MANTEL, Die vere<strong>in</strong>srechtlichen Momente im neuen Genossenschaftsrecht,<br />
Diss. Bern 1948, S. 29.<br />
175<br />
Für weitere (ältere) Def<strong>in</strong>itionen vgl. RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und<br />
nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 77 ff.<br />
176<br />
ERNST F. SCHMID, Kommentar zu Art. 46 SchKG N 65, Basel 1998.<br />
177<br />
Oft werden nichtwirtschaftliche Zwecke <strong>in</strong> ideale Zielsetzungen und geme<strong>in</strong>nützige<br />
Zielsetzungen unterteilt (MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 4 N 6; CHRISTIAN<br />
79
Für GRAFFENRIED liegt e<strong>in</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck dann vor,<br />
wenn die Mitglie<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e unmittelbaren materiellen Werte von <strong>der</strong> Körperschaft<br />
erhalten; sie dürfen also bloss immaterielle Werte o<strong>der</strong> lediglich mittelbar<br />
materielle Vorteile erhalten. 178 Gemäss MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER<br />
darf e<strong>in</strong> Verband ke<strong>in</strong>en geldwerten Nutzen zugunsten se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> anstreben.<br />
179 Für BEYELER muss e<strong>in</strong> Verband mit nichtwirtschaftlichem Zweck<br />
<strong>der</strong> Befriedigung egoistisch-geistiger o<strong>der</strong> altruistischer Bedürfnisse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
dienen. 180 NIGG stellt darauf ab, dass lediglich Nichtmitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />
Vorteil von Seiten des Verbandes zukommen o<strong>der</strong> dass<br />
durch den Verband überhaupt ke<strong>in</strong> wirtschaftlicher Vorteil erzielt werden<br />
soll. 181 Gemäss WEBER darf überhaupt ke<strong>in</strong> ökonomischer Vorteil o<strong>der</strong> lediglich<br />
e<strong>in</strong> Vorteil zugunsten von Nichtmitglie<strong>der</strong>n erzielt werden. 182 Nach<br />
PREISWERK darf <strong>der</strong> Zweck e<strong>in</strong>es Verbandes nicht auf Erwerb gerichtet<br />
se<strong>in</strong>, es dürfen den Mitglie<strong>der</strong>n ke<strong>in</strong>e direkten Vorteile verschafft werden. 183<br />
Nach SPECKER liegt e<strong>in</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck dann vor, wenn die<br />
SPECKER, a.a.O., S. 50 f.; ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit<br />
ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947, S. 48 ff.). Den idealen Zweck def<strong>in</strong>ieren etwa<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER als das Ziel <strong>der</strong> Befriedigung nichtwirtschaftlicher Bedürfnisse<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> (MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />
8. Auflage Bern 1998, § 4 N 6. – An<strong>der</strong>s RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und<br />
nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 85 ff.: Er<br />
spricht bewusst nicht von idealen Zwecken, weil er den Begriff „ideal“ als Gegensatz zu<br />
„real“ o<strong>der</strong> „materiell“ versteht. Zum nichtwirtschaftlichen Zweck gehören se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung<br />
nach verschiedene Zwecke, welche kaum idealen Charakter <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n haben,<br />
so etwa <strong>der</strong> Zweck von Kartellen. Auch die nichtwirtschaftlichen Zwecke seien <strong>in</strong>sofern<br />
egoistisch, als sie sich immer auf die Befriedigung von Mitglie<strong>der</strong>bedürfnissen beziehen.).<br />
Unter e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>nützigen Zweck wird allgeme<strong>in</strong> die Befriedigung materieller o<strong>der</strong><br />
idealer Bedürfnisse Dritter verstanden (MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 4 N 6.<br />
Gleich auch ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 61, 64; HANS<br />
MICHAEL RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 607; HEINI / SCHERRER,<br />
Kommentar zu Art. 60 ZGB N 9, Basel 1996; ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel<br />
1967, S. 523; DERS., Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 13; PEDRAZZINI /<br />
OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Auflage Bern 1993, 9.1.2. Dies wurde<br />
gemäss HEINI und MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER <strong>in</strong> BGE 69 I 128 [<strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung<br />
zur Wahrung <strong>der</strong> Gebirgs<strong>in</strong>teressen, 1943] verkannt. Ebenso <strong>in</strong> BGE 64 I 327 [Genossenschaft<br />
Zürcher Frauenvere<strong>in</strong> für alkoholfreie Wirtschaften].).<br />
178<br />
RENÉ VON GRAFFENRIED, a.a.O., S. 85 ff.<br />
179<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 4 N 6.<br />
180<br />
WALTER BEYELER, Der Korporationszweck, Diss. Basel 1942, S. 51.<br />
181<br />
THOMAS NIGG, Liechtenste<strong>in</strong>isches und schweizerisches Vere<strong>in</strong>srecht im Vergleich,<br />
Diss. Zürich, Vaduz 1996, S. 105 f., mit H<strong>in</strong>weisen.<br />
182<br />
ROLF H. WEBER, a.a.O., S. 61.<br />
183<br />
W. PREISWERK, Zur gesellschaftsrechtlichen Organisation von Wirtschaftsverbänden,<br />
SAG 118 (1945/46), S. 64 f.<br />
80
Verbandsmitglie<strong>der</strong> sich we<strong>der</strong> zusammenschliessen, um e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n<br />
zu erzielen, noch um ihre wirtschaftliche Stellung unmittelbar zu för<strong>der</strong>n<br />
o<strong>der</strong> zu sichern. Wenn sich e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Unterstützung ausschliesslich<br />
auf die Mitglie<strong>der</strong> erstreckt, aber nicht alle Mitglie<strong>der</strong> unterstützt<br />
werden, son<strong>der</strong>n nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Kreis bedürftiger Mitglie<strong>der</strong>, so<br />
ist nach SPECKER zu untersuchen, ob diese Leistungen überwiegend<br />
wohltätiger o<strong>der</strong> überwiegend wirtschaftlicher Natur s<strong>in</strong>d. Nichtwirtschaftlich<br />
sei ausserdem e<strong>in</strong> Zweck, <strong>der</strong> im öffentlichen Interesse liegt. 184<br />
Interessant ist die Def<strong>in</strong>ition von PELLET: Se<strong>in</strong>er Ansicht nach ist e<strong>in</strong><br />
Zweck nichtwirtschaftlich i.S.d. Art. 59 Abs. 2 und 60 Abs. 1 ZGB,<br />
wenn <strong>der</strong> Zweck „n’est ni <strong>in</strong>dustriel ni commercial, c’est-à-dire [...]<br />
n’implique pas habituellement la conclusion de rapports juridiques de nature contractuelle<br />
avec les tiers“. 185<br />
E<strong>in</strong>e differenzierende Betrachtung f<strong>in</strong>det sich bei RIEMER: Ausnahmsweise<br />
kann auch die Erzielung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Vorteils zugunsten<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en idealen Zweck darstellen, wenn etwa die<br />
Mitglie<strong>der</strong> ihrerseits <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e juristische Personen mit idealem<br />
Zweck s<strong>in</strong>d. Entsprechendes gilt nach Ansicht RIEMERS auch für<br />
natürliche Personen als Mitglie<strong>der</strong>, wenn <strong>der</strong> wirtschaftliche Vorteil zwar<br />
ihnen zufliesst, jedoch zugunsten Dritter verwendet werden muss. 186<br />
An<strong>der</strong>erseits kann auch bei Erzielung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Vorteils zugunsten<br />
Dritter ausnahmsweise ke<strong>in</strong> idealer Zweck gegeben se<strong>in</strong>, wenn<br />
dieser Zufluss vollkommen voraussetzungslos, das heisst ohne beson<strong>der</strong>e<br />
Bedürfnissituation <strong>der</strong> Empfänger und alle<strong>in</strong> zur wirtschaftlichen<br />
Bereicherung <strong>der</strong> betreffenden Personen erfolgen soll. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige<br />
Konstellation sei namentlich dann denkbar, wenn diese Personen den<br />
Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n <strong>in</strong> irgend e<strong>in</strong>er Weise nahestehen. 187<br />
Als nichtwirtschaftliche Zwecke werden von verschiedenen Autoren<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die Zulässigkeit von Berufsverbänden ausdrücklich die<br />
För<strong>der</strong>ung wirtschaftlicher Interessen e<strong>in</strong>er ganzen Berufs- o<strong>der</strong> Wirtschaftsgruppe,<br />
also auch von Nichtmitglie<strong>der</strong>n, o<strong>der</strong> die Verfolgung von<br />
184<br />
CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />
Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 50 f.<br />
185<br />
MARC-ANDRE PELLET, Le but non économique de l’association, Diss. Lausanne 1964,<br />
S. 246 und 236.<br />
186<br />
HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 49, Bern 1990.<br />
187<br />
HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. Gleicher Ansicht bereits CHRISTIAN SPECKER, a.a.O.,<br />
S. 50 f.<br />
81
im öffentlichen Interesse liegen<strong>der</strong> Ziele bezeichnet. 188 Solche Zwecke<br />
werden oft unter die Kategorie „wirtschaftspolitisch“, das heisst politisch<br />
i.S.v. Art. 60 Abs. 1 ZGB subsumiert. 189<br />
4. Stellungnahmen <strong>der</strong> Lehre zur Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
mit wirtschaftlichem Zweck<br />
a) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck abgelehnt werden<br />
Losgelöst von <strong>der</strong> Beurteilung konkreter Fälle haben sich als Reaktion<br />
auf die Entscheide des Bundesgerichts <strong>in</strong> Sachen Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera<br />
190 und Association suisse des fabricants de cigarettes 191 e<strong>in</strong>ige Autoren dezidiert<br />
gegen die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem<br />
Zweck“ ausgesprochen. Es s<strong>in</strong>d dies vor allem GUTZWILLER 192 , LIVER 193<br />
und F. VON STEIGER 194 . Auch FORSTMOSER bezeichnet die Praxis des<br />
Bundesgerichts als gesetzwidrig. 195<br />
188<br />
ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–<br />
1964, ZSR 83 I (1964), S. 445 f.; CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 52 f.; ADRIAN<br />
MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern<br />
1947, S. 48 ff., mit konkreten Beispielen und Auszügen aus Statuten.<br />
189<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits A. EGGER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 10 f., Zürich<br />
1930.<br />
190<br />
BGE 88 II 209, vgl. dazu S. 47.<br />
191<br />
BGE 90 II 333, vgl. dazu S. 50.<br />
192<br />
MAX GUTZWILLER, Nachwort des Herausgebers zu den Bemerkungen zur schweizerischen<br />
Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–1964, ZSR 83 I (1964), S. 453 ff.; DERS., SPR II,<br />
Verbandspersonen, Grundsätzliches, Basel., 1967, S. 461 ff.; DERS., Zum Problem bei <strong>der</strong><br />
Wahl <strong>der</strong> Verbandsperson, ZSR 84 I (1965), S. 223 ff.; DERS., Gedanken zur Typologie<br />
des Gesellschaftsrechts, SJZ 67 (1971), S. 137.<br />
193<br />
PETER LIVER, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1964,<br />
ZBJV 101 (1965), S. 365 ff. Se<strong>in</strong>er Ansicht nach ist <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em „Sammelschacht<br />
für die Abflüsse aus dem Gesellschaftsrecht“ geworden.<br />
194<br />
F. VON STEIGER, Ke<strong>in</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mehr zu wirtschaftlichen Zwecken, SAG 35<br />
(1962/63), S. 198 ff. und DERS., Wie<strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zu wirtschaftlichen Zwecken, SAG 37<br />
(1965), S. 244 ff. VON STEIGER br<strong>in</strong>gt immerh<strong>in</strong> Verständnis auf für die schwierigen Folgen<br />
<strong>der</strong> Rechtsprechungsän<strong>der</strong>ung.<br />
195<br />
PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 154 f.<br />
82
) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit gemischter Zielsetzung anerkannt werden<br />
Im Gesetz ist nicht ausdrücklich geregelt, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> neben e<strong>in</strong>em<br />
nichtwirtschaftlichen noch e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen<br />
darf. 196 E<strong>in</strong>ige Autoren lehnen daher zwar <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit re<strong>in</strong> wirtschaftlichem<br />
Zweck ab, anerkennen jedoch die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />
gemischter Zielsetzung, teils unter dem Vorbehalt, dass <strong>der</strong> „wirtschaftliche<br />
Zweck“ dem „nichtwirtschaftlichen“ untergeordnet bleibt. So wird<br />
versucht, das Problem anzugehen, dass die meisten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er<br />
H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Komponente aufweisen und diese oft<br />
nicht klar beim Zweck o<strong>der</strong> bei den Mitteln lokalisiert werden kann.<br />
Obwohl EGGER grundsätzlich Personenvere<strong>in</strong>igungen mit wirtschaftlichem<br />
Zweck <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform als unzulässig erachtet, ist er doch vergleichsweise<br />
offen: Wenn mehrere Zwecke auf gleicher Stufe angeführt<br />
werden, die teils wirtschaftlich, teils nichtwirtschaftlich s<strong>in</strong>d, so darf<br />
nach EGGER <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> als nichtwirtschaftlich betrachtet werden; die<br />
Vere<strong>in</strong>sform i.S.d. ZGB ist zulässig. 197<br />
HUG lässt zu, dass e<strong>in</strong> Berufsverband <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form des Vere<strong>in</strong>s neben<br />
e<strong>in</strong>em idealen Hauptzweck noch Kartellzwecke verfolgt o<strong>der</strong> Aufgaben<br />
e<strong>in</strong>er Zweckgeme<strong>in</strong>schaft übernimmt, wobei es gleichgültig sei, ob es<br />
sich um e<strong>in</strong>en Nebenzweck o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en zweiten Hauptzweck neben dem<br />
idealen Zweck handle. Diese Zweckverfolgung nehme dem Berufsverband<br />
den Charakter als idealer Vere<strong>in</strong> nicht. 198<br />
Die übrigen Autoren anerkennen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />
Teilzweck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur dann, wenn dieser gegenüber dem nichtwirtschaftlichen<br />
Zweck als untergeordnet ersche<strong>in</strong>t. In diesem S<strong>in</strong>ne äussern<br />
sich SIEGWART 199 , SPECKER 200 , PESTALOZZI 201 , HEINI 202 , MENGIARDI 203 ,<br />
196 Vgl. die Ausführungen S. 22 ff.<br />
197 A. EGGER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 8 f., Zürich 1930.<br />
198 WALTER HUG, Die rechtliche Organisation <strong>der</strong> Kartelle und Konzerne, SJZ 37 (1941),<br />
S. 324. HUG weist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e Reihe von Berufsverbänden nichts<br />
an<strong>der</strong>es als getarnte Kartelle seien.<br />
199 ALFRED SIEGWART, Die Freiheit bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsform und bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />
ihres Inhaltes, Freiburg 1943, S. 187 ff.: Wenn e<strong>in</strong> ökonomischer Zweck als Mittel<br />
zur Erreichung des idealen Endzwecks vorgesehen ist, so kann se<strong>in</strong>er Ansicht nach e<strong>in</strong><br />
Vere<strong>in</strong> gegründet werden. Wenn idealer o<strong>der</strong> wirtschaftlicher Zweck h<strong>in</strong>gegen gleichgeordnet<br />
nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> stehen (also nicht im Verhältnis Zweck – Mittel), so ist entscheidend,<br />
welcher Zweck überwiegt.<br />
200 CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />
Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 53.<br />
83
PEDRAZZINI / OBERHOLZER 204 , NIGG 205 , RIEMER 206 und HEINI /<br />
SCHERRER 207 .<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER verlangen zusätzlich, dass die wirtschaftliche<br />
Zielsetzung mit <strong>der</strong> Erreichung des nichtwirtschaftlichen<br />
Hauptzweckes s<strong>in</strong>nvoll verbunden ersche<strong>in</strong>en muss. 208<br />
Zum Teil wird im übrigen darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass <strong>in</strong> Fällen, <strong>in</strong> welchen<br />
e<strong>in</strong>e Personenvere<strong>in</strong>igung lediglich zum Sche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen<br />
Zweck verfolgt, die Vere<strong>in</strong>sform ausgeschlossen sei. 209<br />
201 ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 69 und<br />
S. 75 ff. PESTALOZZI anerkennt allerd<strong>in</strong>gs als zulässige wirtschaftliche Nebenzwecke nur<br />
solche mit wirtschaftspolitischem Charakter, vgl. dazu bereits FN 134.<br />
202 ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 529. HEINI hat früher verschiedentlich<br />
die Ansicht geäussert, dass das Vere<strong>in</strong>srecht dem Mitglied ke<strong>in</strong>en genügenden<br />
Schutz mehr bieten kann, wenn auch nur e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> angestrebten Zwecke e<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />
ist. Deshalb lehnte er de lege lata Personenvere<strong>in</strong>igungen mit gemischter Zielsetzung<br />
<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform grundsätzlich ab. Er akzeptierte jedoch die Annahme e<strong>in</strong>er Gesetzeslücke<br />
für Fälle, <strong>in</strong> welchen <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck im Verhältnis zu den nichtwirtschaftlichen<br />
Zielen als untergeordnet ersche<strong>in</strong>t. Dabei dachte HEINI namentlich an Berufs- und Wirtschaftsverbände.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs wies er mit Nachdruck auf das Erfor<strong>der</strong>nis e<strong>in</strong>er Gesetzesrevision<br />
auch für solche Fälle h<strong>in</strong> (ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung<br />
<strong>der</strong> Jahre 1962–1964, ZSR 83 I [1964], S. 446 ff. und DERS., SPR II, Die<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 525 ff.).<br />
203 PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />
S. 189 f.<br />
204 PEDRAZZINI / OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Auflage Bern 1993,<br />
9.1.2.<br />
205 THOMAS NIGG, Liechtenste<strong>in</strong>isches und schweizerisches Vere<strong>in</strong>srecht im Vergleich,<br />
Diss. Zürich, Vaduz 1996, S. 106, mit H<strong>in</strong>weisen. Se<strong>in</strong>er Ansicht nach kann e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />
mit e<strong>in</strong>em wirtschaftlicher Nebenzweck offenbar auch e<strong>in</strong>en Gewerbebetrieb führen.<br />
206 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 73 ff., Bern 1990.<br />
207 HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 11 f., Basel 1996, wo die Ansicht<br />
ANTON HEINIS, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 20 als „wohl etwas zu<br />
streng“ bezeichnet wird.<br />
208 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 4 N 30; vgl. bereits ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es<br />
kaufmännischen Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 5. Ähnlich bereits ADRIAN MEILE,<br />
Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947,<br />
S. 59 ff. und RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck<br />
im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 141 f.: Der wirtschaftliche Nebenzweck<br />
muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sachlichen Zusammenhang mit dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck<br />
stehen, sofern er gegenüber diesem nicht völlig untergeordnet ersche<strong>in</strong>t.<br />
209 W. BEYLI, Zur Abgrenzung zwischen Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft, SJZ 13 (1916),<br />
S. 194 ff.; A. EGGER, Kommentar zu Art. 59 ZGB N 26, Zürich 1930; ADRIAN MEI-<br />
LE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947,<br />
S. 75 f.<br />
84
Zwei ältere Autoren, die sich vergleichsweise ausführlich mit <strong>der</strong><br />
Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit mehreren Zwecken ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen,<br />
führen aus, wie die Abgrenzung mehrerer Zwecke zur Beantwortung<br />
<strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Zulässigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s erfolgen soll. 210<br />
GRAFFENRIED unterscheidet drei Fälle von Zweckverb<strong>in</strong>dungen: E<strong>in</strong><br />
nichtwirtschaftlicher Hauptzweck verbunden mit e<strong>in</strong>em wirtschaftlichen<br />
Nebenzweck, e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Hauptzweck verbunden mit e<strong>in</strong>em<br />
nichtwirtschaftlichen Nebenzweck sowie e<strong>in</strong> wirtschaftlicher neben e<strong>in</strong>em<br />
gleichwertigen o<strong>der</strong> gleichgeordneten nichtwirtschaftlichen<br />
Zweck. 211 Zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenzweck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />
gibt GRAFFENRIED H<strong>in</strong>weise auf die Methode und auf e<strong>in</strong>ige Beurteilungsfaktoren.<br />
Nach GRAFFENRIED ist zunächst zu prüfen, ob die Mitglie<strong>der</strong><br />
nach den Statuten unmittelbar von den Körperschaftsorganen<br />
materielle Werte erhalten sollen, und ob somit die ratio legis des Art. 59<br />
Abs. 2 ZGB die zw<strong>in</strong>gende Anwendung e<strong>in</strong>er Körperschaftsform des<br />
OR verlangt. Falls dies nicht zutrifft, handle es sich um e<strong>in</strong>en re<strong>in</strong><br />
nichtwirtschaftlichen Zweck. Beziehen jedoch die Mitglie<strong>der</strong> unmittelbare<br />
materielle Werte, so liege e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck vor und es<br />
müsse untersucht werden, ob er alle<strong>in</strong>iger Haupt-, Neben- o<strong>der</strong> gleichgeordneter<br />
Zweck sei. Wenn noch e<strong>in</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck vorliegt,<br />
so seien die beiden Zwecke gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abzuwägen. E<strong>in</strong> Überordnungsverhältnis<br />
muss dabei nach GRAFFENRIED offensichtlich und<br />
e<strong>in</strong>deutig se<strong>in</strong>, im Zweifel sei eher Gleichordnung anzunehmen. Die<br />
Natur <strong>der</strong> Zweckverb<strong>in</strong>dung könne sich nur aus <strong>der</strong> Berücksichtigung<br />
aller erheblichen Umstände und aus dem Gesamtcharakter <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung<br />
ergeben. Als Anhaltspunkte nennt GRAFFENRIED etwa<br />
das Bestehen des e<strong>in</strong>en Zwecks von Anfang an, während <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e erst<br />
später h<strong>in</strong>zukam, o<strong>der</strong> den Umstand, dass für e<strong>in</strong>en Zweck <strong>der</strong> grössere<br />
Aufwand betrieben wird. E<strong>in</strong> Nebenzweck liege etwa dann vor, wenn<br />
anzunehmen ist, dass die Mitglie<strong>der</strong> bei se<strong>in</strong>em alle<strong>in</strong>igen Vorhandense<strong>in</strong><br />
nicht mitmachen würden o<strong>der</strong> wenn se<strong>in</strong> Wegfall die Beteiligung nicht<br />
bee<strong>in</strong>flussen würde. 212 Immer seien jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt die<br />
210 ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke,<br />
Diss. Bern 1947, S. 63 ff.; RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 146.<br />
211 RENÉ VON GRAFFENRIED, a.a.O., S. 135.<br />
212 DERS., S. 136. Als Beispiele von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Nebenzweck<br />
haben, führt GRAFFENRIED, a.a.O. S. 142 f., Sport-, Automobil-, Kunstvere<strong>in</strong>e und Alpenclubs<br />
an, die zahlreiche wirtschaftliche Vorteile <strong>in</strong> Form von Veranstaltungen, Reisen,<br />
Unterkunftsgelegenheiten und den dabei gewährten Vergünstigungen bieten. Hier sei für<br />
den Zweck des Gesamtvere<strong>in</strong>s nicht von Bedeutung, wenn für e<strong>in</strong>zelne Mitglie<strong>der</strong> nur die<br />
85
Mittel scharf vom Zweck i.S.v. Art. 59 Abs. 2 ZGB zu trennen. 213 Während<br />
GRAFFENRIED bei Berufsverbänden wirtschaftliche Nebenzwecke<br />
ohne weiteres zulässt, möchte er bei an<strong>der</strong>en <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n schärfere Massstäbe<br />
anlegen: Die materiellen Werte müssen se<strong>in</strong>er Ansicht nach <strong>in</strong> diesen<br />
Fällen von ausgesprochen untergeordneter Bedeutung se<strong>in</strong>. Nach<br />
GRAFFENRIED ist es undenkbar, dass e<strong>in</strong> geselliger Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />
Gewerbe betreibt, um den daraus erzielten Gew<strong>in</strong>n <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er<br />
Form se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n zuzuführen, sei es durch unmittelbare Zuwendungen<br />
o<strong>der</strong> auch nur durch Anschaffungen für den Vere<strong>in</strong> o<strong>der</strong><br />
F<strong>in</strong>anzierung von Reisen. An<strong>der</strong>s zu beurteilen sei <strong>der</strong> Fall, bei dem die<br />
materiellen Werte auf Zuwendungen von Nichtmitglie<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Leistungen<br />
von e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong>n beruhen. 214<br />
Auch MEILE unterscheidet verschiedene Konstellationen: Mittelbarer<br />
Zweck neben unmittelbarem Zweck, Hauptzweck neben Nebenzweck<br />
sowie gleichgeordnete Zwecke und vorgetäuschter Zweck neben wirklichem<br />
Zweck, wobei jeweils e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> beiden Zwecke wirtschaftlich, <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e nichtwirtschaftlich ist. 215 Welche <strong>der</strong> genannten Konstellationen<br />
im konkreten Fall vorliegt, sei nicht immer auf den ersten Blick feststellbar.<br />
Häufig sei es e<strong>in</strong>e Frage <strong>der</strong> Statutenauslegung, wobei e<strong>in</strong>e allzu<br />
enge, grammatikalische Interpretation zu Unbilligkeiten führen könne.<br />
Bisweilen müssten auch Reglemente, Konventionen, Protokolle, Vere<strong>in</strong>susanzen<br />
und Ähnliches zur Entscheidung über die Natur des Zweckes<br />
herangezogen werden. Letztlich massgebend sei „<strong>der</strong> an die Öffentlichkeit<br />
tretende Gesamtcharakter“ e<strong>in</strong>es Verbandes. 216 MEILE verwendet<br />
zusätzlich den Begriff <strong>der</strong> „neutralen Zweckbestimmung“. E<strong>in</strong>e solche<br />
soll dann vorliegen, wenn die Statuten e<strong>in</strong>e generelle Umschreibung enthalten,<br />
die we<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen noch auf e<strong>in</strong>en idealen<br />
materiellen Werte und Vorteile das Hauptmotiv zum Beitritt darstellen. Ebenfalls zulässig<br />
s<strong>in</strong>d nach GRAFFENRIED Obstbauvere<strong>in</strong>e, welche ihren Mitglie<strong>der</strong>n junge Bäume zu günstigen<br />
Preisen abgeben, Fischerei-, Bienen- o<strong>der</strong> Pferdezuchtvere<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> gesellige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
die Verlosungen durchführen. Zulässig sei ausserdem die Verz<strong>in</strong>sung allfälliger Mitglie<strong>der</strong>anteile<br />
am Vere<strong>in</strong>svermögen, solange <strong>der</strong> landesübliche Z<strong>in</strong>sfuss für entsprechende<br />
langfristige Darlehen nicht überschritten wird.<br />
213<br />
RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />
Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 137.<br />
214<br />
DERS., a.a.O., S. 143 f.<br />
215<br />
ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke,<br />
Diss. Bern 1947, S. 52 f.<br />
216<br />
DERS., a.a.O., S. 53.<br />
86
Zweck h<strong>in</strong>weist. 217 Nach MEILE muss bei Vorliegen e<strong>in</strong>es Gewerbes entschieden<br />
werden, ob <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen dem idealen Zweck<br />
und dem Gewerbe direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt ist. Ist <strong>der</strong> Zusammenhang direkt,<br />
so ist das Gewerbe als Mittel zu betrachten. Ist <strong>der</strong> Zusammenhang<br />
<strong>in</strong>direkt, so stellt das Gewerbe ke<strong>in</strong> eigentliches Mittel mehr dar, son<strong>der</strong>n<br />
es ist als untergeordneter Zweck, als Nebenzweck zu betrachten. 218<br />
Auf die Bezeichnung <strong>in</strong> den Statuten als „Zweck“ o<strong>der</strong> „Mittel“ dürfe<br />
nicht abgestellt werden. 219<br />
c) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck mehr o<strong>der</strong><br />
weniger weitgehend anerkannt werden<br />
In <strong>der</strong> verfügbaren Literatur f<strong>in</strong>det sich <strong>der</strong>zeit nur e<strong>in</strong> Autor, <strong>der</strong> sich<br />
gegenüber <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck positiv äussert:<br />
VISCHER bejaht bereits de lege lata die Zurverfügungstellung des Vere<strong>in</strong>srechts<br />
für Vere<strong>in</strong>igungen mit nicht re<strong>in</strong> nichtwirtschaftlichen<br />
Zwecken, wobei er den wichtigen Vorbehalt anbr<strong>in</strong>gt, dass bei <strong>der</strong><br />
Auslegung <strong>der</strong> Bestimmungen des Vere<strong>in</strong>srechts <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Natur <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung Rechnung getragen werden muss. 220<br />
Immerh<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t auch WEBER <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Zielsetzung<br />
nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber zu stehen. Die Beschränkung<br />
<strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> auf nichtwirtschaftliche Zwecke lässt sich gemäss<br />
WEBER damit begründen, dass die Charakteristika des schweizerischen<br />
Vere<strong>in</strong>s mit den Interessen von Gläubigern und an<strong>der</strong>en Drittbeteiligten<br />
kollidieren können und das Vere<strong>in</strong>srecht entsprechend se<strong>in</strong>er freiheitlichen<br />
Ausgestaltung diese Interessen weniger ausgeprägt berücksichtigt<br />
als dies bei den Körperschaften des OR <strong>der</strong> Fall ist. Die Rechtfertigung<br />
für den Verzicht auf Schutznormen im Vere<strong>in</strong>srecht beruhe auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung,<br />
dass Gläubiger<strong>in</strong>teressen bei den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftsordnung<br />
217 ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke,<br />
Diss. Bern 1947, S. 51. Als Beispiel für e<strong>in</strong>e neutrale Zweckbestimmung nennt MEILE die<br />
„För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>“.<br />
218 DERS., a.a.O., S. 55. Als Beispiel für den direkten Zusammenhang führt MEILE e<strong>in</strong>en<br />
Vere<strong>in</strong> zur Bekämpfung <strong>der</strong> Trunksucht an, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> alkoholfreies Restaurant führt. Als<br />
Beispiel für den <strong>in</strong>direkten Zusammenhang nennt er die Missionsgesellschaft, die e<strong>in</strong> Kaffeeimportgeschäft<br />
betreibt.<br />
219 DERS., a.a.O., S. 55 ff., mit Beispielen von Statuten.<br />
220 FRANK VISCHER, Besprechung von He<strong>in</strong>i, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991,<br />
S. 365. Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch die Expertenme<strong>in</strong>ung VISCHERS im Schiedsgerichtsfall,<br />
<strong>der</strong> zum Urteil vom 27.05.1991 geführt hat (Yearbook Comm. Arb'n XVII [1992], S. 11<br />
ff.).<br />
87
aktiv tätigen Gesellschaften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel höher zu bewerten s<strong>in</strong>d als bei<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die re<strong>in</strong> ideale Zwecke verfolgen. WEBER deutet an, dass diese<br />
Auffassung diskutabel ist. Denn namentlich bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />
Gewerbe betreiben, können ebenfalls wichtige Gläubiger<strong>in</strong>teressen<br />
auf dem Spiel stehen, selbst wenn diese <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>en ausschliesslich<br />
ideellen Zweck verfolgen. 221<br />
Ausserdem schliessen sich TUOR / SCHNYDER / SCHMID <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichts an, gemäss welcher e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> nur dann<br />
e<strong>in</strong>en unzulässigen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, wenn er e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />
Gewerbe betreibt. Sie tun dies – im Gegensatz zu den übrigen<br />
Autoren – mit e<strong>in</strong>er gewissen Überzeugung und nicht bloss im S<strong>in</strong>ne<br />
e<strong>in</strong>er Resignation vor <strong>der</strong> Rechtsprechung, die sie im Grunde ablehnen.<br />
Solange e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreibt, darf er gemäss<br />
diesen Autoren somit <strong>in</strong> beliebiger Weise versuchen, das Wirtschaftsleben<br />
zu bee<strong>in</strong>flussen. 222<br />
Schliesslich sei an dieser Stelle auf die Me<strong>in</strong>ung BRÜCKNERS h<strong>in</strong>gewiesen:<br />
Er möchte für die Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform nicht an den<br />
statutarischen Zweck anknüpfen, son<strong>der</strong>n im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „Nutzwertanalyse“<br />
die Gesamtheit <strong>der</strong> Tätigkeiten e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Betracht<br />
ziehen. BRÜCKNER stellt die Frage: „Wem nützt die Vere<strong>in</strong>stätigkeit?“<br />
Kommt die Vere<strong>in</strong>stätigkeit ausschliesslich o<strong>der</strong> vorwiegend den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
zugute, <strong>in</strong>dem ihnen frei verfügbare Gew<strong>in</strong>nausschüttungen zufliessen,<br />
so ist nach Ansicht BRÜCKNERS die Existenz e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s zu<br />
verne<strong>in</strong>en. Zulässig soll h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>snutzen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
Form von mitgliedschaftsbezogenen Dienstleistungen se<strong>in</strong>; ebenso Nutzen<br />
<strong>in</strong> beliebiger Form für Dritte. BRÜCKNER möchte so von <strong>der</strong> Relevanz<br />
<strong>der</strong> subjektiven, allenfalls sogar unrichtig deklarierten Absichten<br />
<strong>der</strong> historischen Vere<strong>in</strong>sgrün<strong>der</strong> wegkommen, die sich im statutarischen<br />
Zweck manifestieren sollen. 223<br />
5. Unklare Folgen <strong>der</strong> Nichtanerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />
wirtschaftlichem Zweck<br />
Es herrscht grundsätzlich E<strong>in</strong>igkeit darüber, dass unzulässige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
mit wirtschaftlichem Zweck e<strong>in</strong>fache Gesellschaften darstellen. Diese<br />
221<br />
ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 62 f.<br />
222<br />
TUOR / SCHNYDER / SCHMID, Das <strong>Schweiz</strong>erische Zivilgesetzbuch, Zürich 1995, S.<br />
136 f.<br />
223<br />
CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, RZ 1145.<br />
88
Rechtsfolge ergibt sich aus Art. 62 ZGB. 224 Allerd<strong>in</strong>gs besteht ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igkeit<br />
darüber, wie Personenvere<strong>in</strong>igungen zu behandeln s<strong>in</strong>d, die<br />
gleichzeitig nichtwirtschaftliche und wirtschaftliche Zwecke verfolgen. 225<br />
PIOTET diskutiert für solche Fälle vier Lösungsmöglichkeiten, falls die<br />
Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> als nicht zulässig erachtet<br />
würde: (i) Die Personenvere<strong>in</strong>igung wird entwe<strong>der</strong> ganz den Regeln<br />
des Vere<strong>in</strong>s o<strong>der</strong> jenen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft unterstellt, je<br />
nachdem welcher Zweck überwiegt; (ii) die Personenverb<strong>in</strong>dung untersteht<br />
als „corporation mixte“ zum Teil den Regeln des Vere<strong>in</strong>s, zum Teil<br />
jenen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft; (iii) es kommen nur die Regeln <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />
Gesellschaft zur Anwendung o<strong>der</strong> (iv) es wird angenommen, es<br />
bestünden zwei verschiedene, mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbundene Gebilde, e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />
mit nichtwirtschaftlichen Zwecken und e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Gesellschaft<br />
mit wirtschaftlichem Ziel. 226 Die erste Möglichkeit bezeichnet PIOTET<br />
als unbefriedigend. E<strong>in</strong>erseits sei nicht e<strong>in</strong>zusehen, weshalb für die Verfolgung<br />
e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zwecks nicht die Regeln <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />
Gesellschaft zur Anwendung kommen sollten, bzw. weshalb für die Verfolgung<br />
e<strong>in</strong>es nichtwirtschaftlichen Zweckes diejenigen des Vere<strong>in</strong>s<br />
nicht zur Verfügung stehen sollten. An<strong>der</strong>erseits könnte sich das Verhältnis<br />
zwischen den Zwecken im Laufe <strong>der</strong> Zeit auch än<strong>der</strong>n. PIOTET<br />
bevorzugt die Lösung <strong>der</strong> corporation mixte, erklärt sie jedoch für nicht<br />
durchführbar wegen des Pr<strong>in</strong>zips des numerus clausus <strong>der</strong> Gesellschaftsformen<br />
227 , gegen welches sie verstosse. Daher plädiert PIOTET <strong>in</strong> Anlehnung<br />
an die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Familienstiftungen<br />
für die analoge Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 2 OR. Demnach<br />
sollen die Statuten e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s h<strong>in</strong>sichtlich des wirtschaftlichen<br />
Zwecks nichtig se<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> Folge, dass gemäss Art. 62 ZGB die Regeln<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft zur Anwendung kommen. Ob sich die Nichtigkeit<br />
auch auf den nichtwirtschaftlichen Zweck erstreckt, bestimmt<br />
sich nach dem hypothetischen Parteiwillen. Es ist zu vermuten, dass die<br />
224<br />
Vgl. etwa BGE 90 II 333, 341 f. Auf solche Fälle nicht anwendbar s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen die<br />
Art. 78 ZGB, 52 Abs. 3 ZGB und 57 Abs. 3 ZGB, welche für den Fall wi<strong>der</strong>rechtlicher<br />
Zwecke die Auflösung bzw. Nichtentstehung des Vere<strong>in</strong>s vorsehen. Diese Bestimmungen<br />
regeln Fälle, <strong>in</strong> welchen <strong>der</strong> angestrebte Zweck für sämtliche Gesellschaftsformen verboten<br />
ist und beziehen sich nicht auf e<strong>in</strong>en allenfalls für den Vere<strong>in</strong> verbotenen wirtschaftlichen<br />
Zweck (HANS MICHAEL RIEMER, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wi<strong>der</strong>rechtlichem Zweck, ZSR 97 I<br />
[1978], S. 83).<br />
225<br />
Vgl. dazu auch die Ausführungen <strong>in</strong> BGE 90 II 333, 336 ff.<br />
226<br />
PAUL PIOTET, La nouvelle jurisprudence du Tribunal fédéral sur le but des associations,<br />
JdT 111 I (1963), S. 100.<br />
227<br />
Vgl. dazu unten S. 103 ff.<br />
89
Gründungsmitglie<strong>der</strong> den Vere<strong>in</strong> auch ohne den wirtschaftlichen Zweck<br />
gegründet hätten. Daher kommen h<strong>in</strong>sichtlich des nichtwirtschaftlichen<br />
Zwecks so lange die Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts zur Anwendung, als nicht<br />
bewiesen wird, dass die Gründungsmitglie<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> son<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Gesellschaft gegründet hätten, wenn sie gewusst hätten,<br />
dass <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck unzulässig ist. Nur wenn dieser Beweis<br />
erbracht werden kann, kommen auf das ganze Gebilde die Regeln <strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft zur Anwendung. Ansonsten liegen zwei verschiedene,<br />
wenn auch mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbundene Personenverb<strong>in</strong>dungen vor:<br />
e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Gesellschaft. Insoweit das Recht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />
Gesellschaft zur Anwendung kommt, so sollen nach PIOTET zudem<br />
nur die zw<strong>in</strong>genden Regeln <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft gelten. Anstelle<br />
<strong>der</strong> dispositiven Regeln soll <strong>der</strong> hypothetische Parteiwille<br />
entscheidend se<strong>in</strong>. 228<br />
6. Untauglichkeit des Abgrenzungskriteriums wirtschaftlicher<br />
o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck für die Frage <strong>der</strong><br />
Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
a) Ambivalente Haltung <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong><br />
Die Haltung <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> gegenüber <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem<br />
Zweck“ ersche<strong>in</strong>t ambivalent. Eigentlich ist die Mehrzahl <strong>der</strong> Autor<strong>in</strong>nen<br />
und Autoren gegen die Zulässigkeit solcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> – e<strong>in</strong>zelne Fallgruppen<br />
werden aber doch anerkannt. 229 Viele lehnen die Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichts aus grundsätzlichen Erwägungen ab –<br />
resignieren dann aber doch und f<strong>in</strong>den sich mit dem geltenden Zustand<br />
ab.<br />
b) Unpraktikabilität <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Lehre entwickelten Kriterien<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Formulierung des ZGB und <strong>der</strong> fehlenden gesetzlichen<br />
Def<strong>in</strong>ition des Begriffs „Zweck“ ist bereits die theoretische Bestimmung<br />
des massgeblichen Zwecks nicht von vornhere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutig. In <strong>der</strong> Praxis<br />
ergeben sich zusätzliche Probleme 230 : Bei vielen Verbänden lässt sich<br />
228<br />
PAUL PIOTET, La nouvelle jurisprudence du Tribunal fédéral sur le but des associations,<br />
JdT 111 I (1963), S. 101 ff.<br />
229<br />
So etwa wenn <strong>der</strong> Zweck von Berufs- und Wirtschaftsverbänden als (wirtschafts-)<br />
politisch bezeichnet wird, vgl. dazu S. 81.<br />
230<br />
Vgl. auch MARC-ANDRE PELLET, Le but non économique de l’association, Diss. Lausanne<br />
1964, S. 214.<br />
90
e<strong>in</strong>e Mehrzahl von Verbandszwecken nachweisen, die zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um<br />
im Verhältnis von Mittel und Zweck stehen. 231 Oft hilft <strong>der</strong><br />
Wortlaut <strong>der</strong> Statuten nicht weiter, weil nicht immer sauber unterschieden<br />
wird zwischen Zweck und Mitteln. 232 Namentlich bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />
mehreren „Zwecken“ können Dritte nicht abschliessend darüber urteilen,<br />
wie das Verhältnis zwischen Zweck und Mittel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em konkreten<br />
Fall tatsächlich ist. 233 Dieser Umstand spiegelt sich bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diskussion<br />
<strong>der</strong> Lehre wie<strong>der</strong>, wie <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit gemischter Zielsetzung zu behandeln<br />
s<strong>in</strong>d. In <strong>der</strong> Praxis ersche<strong>in</strong>en die Probleme noch viel grösser.<br />
Dies gilt vor allem dann, wenn man– wie etwa HEINI dies tut – die<br />
Frage, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen<br />
Zweck verfolgt, nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aufgrund <strong>der</strong> Formulierung<br />
<strong>der</strong> Statuten beantworten will, son<strong>der</strong>n aufgrund <strong>der</strong> tatsächlichen Bedeutung,<br />
welche den Statuten durch die Mitglie<strong>der</strong> beigemessen wird. 234<br />
Genau diese müsste für die Bestimmung des Zwecks massgebend se<strong>in</strong>;<br />
die Eruierung dieses psychologischen Elements ist jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />
nicht handhabbar. 235 Ebenfalls völlig unpraktikabel ist <strong>der</strong> Vorschlag,<br />
dass auch überprüft werden muss, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> den deklarierten Zweck<br />
lediglich zum Sche<strong>in</strong> verfolgt. Die Bestimmung des gemäss herrschen<strong>der</strong><br />
Lehre massgebenden Zweckes be<strong>in</strong>haltet daher letztlich oft e<strong>in</strong>e Wertung.<br />
236<br />
Gel<strong>in</strong>gt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis, den massgeblichen Zweck zu bestimmen, so<br />
stellt sich die Frage, ob dieser wirtschaftlich (und damit unzulässig) o<strong>der</strong><br />
nichtwirtschaftlich (und damit zulässig) ist. Die Darstellung <strong>der</strong> diesbezüglichen<br />
Lehrme<strong>in</strong>ungen hat gezeigt, dass zur Def<strong>in</strong>ition verschiedene<br />
231<br />
Vgl. dazu das Beispiel bei CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 44 f.: E<strong>in</strong> Personenverband<br />
betreibt e<strong>in</strong> Lebensmittelgeschäft, um mit dem Gew<strong>in</strong>n Bedürftige zu unterstützen.<br />
E<strong>in</strong> solcher Verband hat zunächst den Zweck, das notwendige Betriebskapital zu beschaffen,<br />
dann e<strong>in</strong> geeignetes Lokal zu mieten, das erfor<strong>der</strong>liche Personal anzustellen, die notwendigen<br />
E<strong>in</strong>- und Verkäufe vorzunehmen, durch Ansetzung e<strong>in</strong>er entsprechenden Gew<strong>in</strong>nmarge<br />
e<strong>in</strong>en Überschuss zu erzielen und diesen unter die Bedürftigen zu verteilen. So<br />
gesehen ist ke<strong>in</strong> Zweck Selbstzweck, son<strong>der</strong>n er ist se<strong>in</strong>erseits Mittel zur Erreichung e<strong>in</strong>es<br />
an<strong>der</strong>en ihm übergeordneten Zwecks.<br />
232<br />
Vgl. zur Auslegung des Statutenwortlauts MARC-ANDRE PELLET, Le but non économique<br />
de l’association, Diss. Lausanne 1964, S. 220.<br />
233<br />
Vgl. zur theoretischen Erfassung mehrerer Zwecke S. 83.<br />
234<br />
ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 529.<br />
235<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich<br />
2000, RZ 1145.<br />
236<br />
CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 44 ff.<br />
91
– teils erheblich divergierende – Begriffe und Umschreibungen verwendet<br />
werden. Bereits SCHERRER hielt im Jahr 1982 fest: „Bis heute ist es<br />
m.E. ke<strong>in</strong>em Interpreten gelungen, den Begriff des ‚wirtschaftlichen<br />
Zweckes‘ unmissverständlich klar zu def<strong>in</strong>ieren.“ 237 Die Diskussion<br />
sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zwischenzeit nicht weiter geführt zu haben.<br />
c) Weitreichende Folgen <strong>der</strong> Unterscheidung wirtschaftlicher –<br />
nichtwirtschaftlicher Zweck<br />
Obwohl nicht e<strong>in</strong>deutig ist, wann genau e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
Zweck verfolgt, so soll die Frage nach dem Zweck gemäss Doktr<strong>in</strong><br />
doch weitreichende Rechtsfolgen nach sich ziehen.<br />
Auch wenn die Personenvere<strong>in</strong>igung nicht aufgelöst, son<strong>der</strong>n als e<strong>in</strong>fache<br />
Gesellschaft behandelt wird, so liegt die praktische Folge <strong>der</strong> Anwendbarkeit<br />
<strong>der</strong> Vorschriften über die e<strong>in</strong>fache Gesellschaft dar<strong>in</strong>, dass<br />
die Personenverb<strong>in</strong>dung we<strong>der</strong> aktiv noch passiv parteifähig ist, und<br />
dass die Gesellschafter persönlich, unbeschränkt und solidarisch haften.<br />
238 Dies hat konkret zur Folge, dass etwa Gläubiger e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung,<br />
die sich als „Vere<strong>in</strong>“ bezeichnet und <strong>in</strong> dieser Eigenschaft<br />
möglicherweise gar im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist, Gefahr laufen,<br />
dass sie mit entsprechendem Kostenrisiko die falsche Partei e<strong>in</strong>klagen,<br />
weil sie nicht genügend abschätzen können, ob <strong>der</strong> „Vere<strong>in</strong>“ e<strong>in</strong>en zulässigen<br />
Zweck verfolgt o<strong>der</strong> nicht. 239 Noch komplizierter wird die Lage<br />
für die Gläubiger, weil ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igkeit über die Behandlung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
mit mehreren Zwecken 240 besteht. Es verwun<strong>der</strong>t nicht weiter, dass<br />
etwa HEINI die von PIOTET entwickelte Theorie <strong>der</strong> Teilnichtigkeit bei<br />
e<strong>in</strong>er Mehrzahl von Zwecken ausdrücklich wegen ihrer praktischen Anwendung<br />
ablehnt, da se<strong>in</strong>er Ansicht nach die Rechtssicherheit durch<br />
diese Theorie gefährdet würde. 241 Diese Gefahr, namentlich für Gläubiger,<br />
ist jedoch nicht nur im Zusammenhang mit <strong>der</strong> von PIOTET favorisierten<br />
Lösung e<strong>in</strong> Problem. Angesichts <strong>der</strong> Unsicherheiten bei <strong>der</strong> Be-<br />
237<br />
URS SCHERRER, Rechtsfragen des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich<br />
1982, S. 29.<br />
238<br />
ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 50.<br />
239<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits DIETER ZOBL, Die Behandlung <strong>der</strong> fehlerhaften Personengesellschaft<br />
im schweizerischen Recht, Lausanne 1989, S. 473.<br />
240<br />
Vgl. dazu S. 88.<br />
241<br />
ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–<br />
1964, ZSR 83 I (1964), S. 448 f. HEINI stellt anhand des Ausschlusses e<strong>in</strong>es Mitgliedes aus<br />
e<strong>in</strong>er Doppelvere<strong>in</strong>igung dar, dass die Theorie praktisch nicht handhabbar ist.<br />
92
stimmung des Zwecks e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s bestehen bei allen Lösungsvarianten<br />
zu grosse Ungewissheiten gerade auch für die Gläubiger.<br />
Die Nichtanerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck hat<br />
aber nicht nur für die Gläubiger kaum zumutbare Folgen. Werden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
mit wirtschaftlicher Ausrichtung nicht anerkannt, so fehlt auch für<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von legitimen Bedürfnissen des Wirtschaftslebens die passende<br />
Rechtsform. 242 Solche Personenzusammenschlüsse, die sich als<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> konstituiert haben, stünden nicht nur plötzlich als e<strong>in</strong>fache Gesellschaften<br />
da, es wäre ihnen und neuen Gebilden auch verwehrt, sich<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rechtsform zu konstituieren, <strong>in</strong> welcher ihre legitimen Bedürfnissen<br />
berücksichtigt werden können.<br />
d) Fehlende Notwendigkeit <strong>der</strong> Unterscheidung nach dem wirtschaftlichen<br />
Zweck<br />
Der Umstand, dass das Kriterium wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck für die übrigen Gesellschaftsformen (abgesehen von<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wo die entsprechende Bestimmung<br />
jedoch geän<strong>der</strong>t und an das Recht <strong>der</strong> Aktiengesellschaft angeglichen<br />
werden soll 243 ) nicht relevant ist, zeigt, dass <strong>der</strong> Unterscheidung<br />
nach dem Zweck im schweizerischen Gesellschaftsrecht sonst<br />
ke<strong>in</strong>e Bedeutung zukommt.<br />
Bereits e<strong>in</strong> oberflächlicher Blick über die Grenzen zeigt ausserdem,<br />
dass die Abgrenzung zwischen wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem<br />
Zweck <strong>in</strong> den verschiedenen Rechtsordnungen, <strong>in</strong> welchen diese<br />
e<strong>in</strong>e Rolle spielt, unterschiedlich vorgenommen wird. 244 In Frankreich<br />
242 FRANK VISCHER, Besprechung von HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991,<br />
S. 365; VISCHER, Gutachten zu Handen <strong>der</strong> Basler Handelskammer, zitiert bei BRINER,<br />
Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände, WuR 1994, S. 76 und die<br />
H<strong>in</strong>weise von ROBERT BRINER, a.a.O. S. 81 ff.; vgl. auch BGE 90 II 333, 339 ff. und bereits<br />
Entscheid des Bundesgerichts vom 5./6. Dezember 1934 (Fédération suisse des associations<br />
de fabricants d’horlogerie, Union des branches annexes), JdT 1935 I, S. 66 ff.<br />
243 BÖCKLI / FORSTMOSER / RAPP, Reform des GmbH-Rechts, Expertenentwurf vom<br />
29. November 1996 für e<strong>in</strong>e Reform des Rechts <strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter Haftung,<br />
Zürich 1997, S. 19 und 73.<br />
244 Im Rahmen dieser Arbeit wird auf e<strong>in</strong>e rechtsvergleichende Untersuchung verzichtet.<br />
Rechtsvergleichende Betrachtungen im Gesellschaftsrecht können nicht darauf beschränkt<br />
werden, lediglich e<strong>in</strong>e bestimmte Gesellschaftsform <strong>in</strong> den verschiedenen<br />
Rechtsordnungen zu betrachten und zu vergleichen. In e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nvollen Untersuchung<br />
muss das gesamte System <strong>der</strong> jeweiligen Ordnung des Gesellschaftsrechts analysiert werden.<br />
Nur so kann ermittelt werden, ob und wie sämtliche Bedürfnisse abgedeckt werden,<br />
die sich im Rechtsleben ergeben. Es ist durchaus möglich, dass e<strong>in</strong>e Rechtsordnung e<strong>in</strong>e<br />
Gesellschaftsform kennt, die im wesentlichen dem schweizerischen Vere<strong>in</strong> entspricht.<br />
93
wird beispielsweise auf die Absicht abgestellt, e<strong>in</strong>en erzielten Gew<strong>in</strong>n zu verteilen.<br />
In Italien ist entscheidend die Ausübung e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Tätigkeit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Absicht, Gew<strong>in</strong>n zu verteilen. In Österreich ist entscheidend, ob die<br />
Personenverb<strong>in</strong>dung „auf Gew<strong>in</strong>n berechnet ist“, während <strong>in</strong> Deutschland<br />
auf das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes abgestellt<br />
wird. Dieser Umstand und auch die Tatsache, dass sich die schweizerische<br />
Lehre nicht auf e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiges Abgrenzungskriterium e<strong>in</strong>igen kann,<br />
deuten darauf h<strong>in</strong>, dass ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Realfaktoren des Rechts vorgegebene<br />
Notwendigkeit besteht, die Verwendungsmöglichkeiten von Verbandsformen<br />
nach dem Kriterium des wirtschaftlichen o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlichen<br />
Zweckes zu beschränken. 245<br />
e) Schlussfolgerungen<br />
Das letztlich subjektive Kriterium wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck ist zur Beantwortung <strong>der</strong> mit weitreichenden Konsequenzen<br />
verbundenen Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unpraktikabel<br />
und daher untauglich. Entgegen <strong>der</strong> Intentionen hilft es nicht,<br />
berechtigte Interessen Dritter zu schützen, son<strong>der</strong>n legt diesen vielmehr<br />
zusätzliche Ste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Weg.<br />
Massgebend muss vielmehr e<strong>in</strong> klar fass- und für Dritte erkennbares<br />
Kriterium se<strong>in</strong>. Im folgenden wird untersucht, ob das Betreiben e<strong>in</strong>es<br />
kaufmännischen Unternehmens e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvolleres Abgrenzungskriterium<br />
darstellen würde, um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass sich Gesellschaften des Vere<strong>in</strong>srechts<br />
bedienen, für welche die freiheitliche Ordnung nicht passt. In<br />
diesem Zusammenhang sei daran er<strong>in</strong>nert, dass im Verlauf <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten<br />
wirtschaftlicher Zweck und kaufmännisches Gewerbe<br />
immer wie<strong>der</strong> durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gebracht worden s<strong>in</strong>d. 246<br />
Wenn diese Rechtsordnung für die entsprechende Gesellschaftsform vorsieht, dass ke<strong>in</strong>e<br />
„wirtschaftlichen Zwecke“ verfolgt werden dürfen, so kann es se<strong>in</strong>, dass diese Ordnung<br />
als s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t, wenn daneben an<strong>der</strong>e Gesellschaftsformen zur Verfügung stehen,<br />
die sämtliche Bedürfnisse <strong>der</strong> Wirtschaft abdecken. E<strong>in</strong>e solch umfassende Analyse ausländischer<br />
Gesellschaftrechtssysteme würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher<br />
sei an dieser Stelle lediglich auf die Ausführungen bei HANS MICHAEL RIEMER, ST vor<br />
Art. 60-79 ZGB N 569 ff., Bern 1990, und PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des<br />
Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968), S. 170 ff. und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e S. 102 verwiesen. Vgl.<br />
auch die H<strong>in</strong>weise bei MAX GUTZWILLER, Gedanken zur Typologie des Gesellschaftsrechts,<br />
SJZ 67 (1971), S. 136.<br />
245<br />
So bereits PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 176 f.<br />
246<br />
Vgl. S. 24 ff.<br />
94
VI. Das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Unternehmens<br />
1. Vorbemerkung<br />
Nach <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d für die Frage nach <strong>der</strong> Qualifizierung des<br />
Zwecks e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s als wirtschaftlich o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlich und<br />
damit nach <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform die Mittel, welche zur Erreichung<br />
dieses Zwecks e<strong>in</strong>gesetzt werden, grundsätzlich nicht entscheidend.<br />
247 Relevant soll alle<strong>in</strong> das subjektive und nur schwer fassbare Kriterium<br />
„Zweck“ se<strong>in</strong>. Demgegenüber erkennt das Bundesgericht zu<br />
Recht, dass zwischen Zweck und Mittel e<strong>in</strong> enger Zusammenhang besteht.<br />
248<br />
Als hier hauptsächlich <strong>in</strong>teressierendes Mittel e<strong>in</strong>es Verbandes kommt<br />
das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens <strong>in</strong> Frage. Abgesehen<br />
davon s<strong>in</strong>d auch weitere wirtschaftliche Mittel denkbar. E<strong>in</strong> solches liegt<br />
etwa bei e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen Gewerbe- o<strong>der</strong> Geschäftsbetrieb vor, <strong>der</strong> nicht<br />
den Anfor<strong>der</strong>ungen von Art. 52 Abs. 3 HRegV und Art. 53 HRegV entspricht.<br />
Ausserdem kann e<strong>in</strong> wirtschaftliches Mittel auch dann gegeben<br />
se<strong>in</strong>, wenn die Haupttätigkeit e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung im geme<strong>in</strong>samen<br />
Besitz und <strong>in</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Nutzung e<strong>in</strong>er Sache besteht. <strong>Wirtschaftliche</strong>s<br />
Mittel kann auch die Ausgabe von Wertpapieren, Anteilsche<strong>in</strong>en<br />
und Beteiligungssche<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>, sofern diese Handlungen<br />
entgeltlicher Natur s<strong>in</strong>d und auf e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen f<strong>in</strong>anziellen Willen<br />
beruhen. 249 Aus Art. 61 Abs. 2 ZGB kann a majore m<strong>in</strong>us geschlossen<br />
werden, dass für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss Gesetz jede Betätigung wirtschaftlicher<br />
247 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 54 f. ZGB N 54, Bern 1990; ERNST<br />
PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 56 f.; ARTHUR<br />
MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens,<br />
SAG 45 (1973), S. 2. Undeutlich ist die Bestimmung von Art. 772 Abs. 3 OR: Der Betrieb<br />
e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens wird gemäss Wortlaut <strong>der</strong> Bestimmung ausdrücklich<br />
mit <strong>der</strong> Verfolgung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zweckes gleichgesetzt.<br />
248 Gemäss Bundesgericht sollen zum<strong>in</strong>dest Berufs-, Branchen- und Wirtschaftsverbände<br />
so lange e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen dürfen, als sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe<br />
betreiben. – Wohl e<strong>in</strong>schränken<strong>der</strong> HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu<br />
Art. 60 ZGB N 65, Bern 1990: An<strong>der</strong>e Verbände mit wirtschaftlichem Zweck s<strong>in</strong>d selbst<br />
dann unzulässig, wenn sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben. – Vgl. dazu auch S.<br />
38 ff. und S. 50 ff.<br />
249 CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />
Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 56 ff.<br />
95
Art zulässig ist, auch wenn sie nicht die Gestalt e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Gewerbes i.S.d. OR annimmt. 250<br />
2. Der Begriff des kaufmännischen Unternehmens<br />
Die Handelsregisterverordnung enthält Präzisierungen dafür, was unter<br />
kaufmännischen Unternehmen 251 zu verstehen ist. Art. 52 Abs. 3<br />
HRegV def<strong>in</strong>iert, was e<strong>in</strong> Gewerbe ist. Art. 53 HRegV enthält e<strong>in</strong>e Liste<br />
<strong>der</strong> Tätigkeiten, die zum Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens<br />
führen. Art. 54 HRegV verlangt schliesslich e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destsumme von<br />
jährlichen Rohe<strong>in</strong>nahmen für bestimmte gewerbliche Tätigkeiten.<br />
In Art. 52 Abs. 3 HRegV wird <strong>der</strong> Begriff „Gewerbe“ def<strong>in</strong>iert als<br />
e<strong>in</strong>e „selbständige, auf dauernden Erwerb gerichtete Tätigkeit“. Das<br />
Erfor<strong>der</strong>nis des dauernden Erwerbs ist nach <strong>der</strong> Rechtsprechung des<br />
Bundesgerichts rasch erfüllt. Bereits e<strong>in</strong> Zeitraum von drei Monaten<br />
genügt, weil die Dauer nach Ansicht des Bundesgerichts ke<strong>in</strong><br />
selbständiges Element darstellt, son<strong>der</strong>n im Wesen <strong>der</strong> Gewerbetätigkeit<br />
notwendigerweise mitenthalten ist. Nach Bundesgericht besteht e<strong>in</strong><br />
Gewerbe aus e<strong>in</strong>er organisierten Tätigkeit, die auf e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>holung<br />
von gleichartigen, auf Erwerb abzielenden Geschäften gerichtet ist.<br />
Ausserdem muss <strong>der</strong> Gewerbebetrieb selbständig ausgeübt werden. Die<br />
wirtschaftliche Erwerbstätigkeit muss nicht mit Gew<strong>in</strong>nabsicht erfolgen.<br />
Es genügt, dass e<strong>in</strong> gewisser Umsatz erzielt wird. 252 Nicht je<strong>der</strong><br />
Gewerbebetrieb muss <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden,<br />
son<strong>der</strong>n nur Handels-, Fabrikations- und an<strong>der</strong>e nach kaufmännischer<br />
Art geführte Gewerbe. Handelsgewerbe werden beispielhaft und nicht<br />
abschliessend <strong>in</strong> Art. 53 lit. A HRegV aufgezählt. In <strong>der</strong> Regel wird e<strong>in</strong><br />
Erwerb angestrebt durch den Austausch von Gütern o<strong>der</strong> die Leistung<br />
von Diensten, ohne dass dabei an <strong>der</strong> Handelsware wesentliche<br />
Verän<strong>der</strong>ungen vorgenommen werden. Beim Fabrikationsgewerbe steht<br />
250<br />
RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />
Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 34.<br />
251<br />
Im schweizerischen Obligationenrecht und im Zivilgesetzbuch wird <strong>der</strong> Begriff<br />
„kaufmännisches Unternehmen“ nicht verwendet; es wird vielmehr von „nach kaufmännischer<br />
Art geführten Gewerben“ gesprochen (Art. 934 Abs. 1 OR). Unter dem Begriff<br />
„kaufmännisches Unternehmen“ wird im heutigen schweizerischen Recht e<strong>in</strong> „Handels-,<br />
Fabrikations- o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe“ gemäss<br />
Art. 934 Abs. 1 OR verstanden (ROBERT PATRY, SPR VIII/1, Grundlagen des Handelsrechts,<br />
Basel 1976, S. 70 ff.; MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />
8. Auflage Bern 1998, § 4 N 35).<br />
252<br />
ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens,<br />
SAG 45 (1973), S. 6 f.<br />
96
h<strong>in</strong>gegen die Bearbeitung von Rohstoffen und an<strong>der</strong>en Waren mit Hilfe<br />
von Masch<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en technischen Hilfsmitteln zum Zwecke <strong>der</strong><br />
Herstellung o<strong>der</strong> Veredelung von Erzeugnissen im Vor<strong>der</strong>grund. Die<br />
an<strong>der</strong>en nach kaufmännischer Art geführten Gewerbe erfor<strong>der</strong>n nach<br />
Art und Umfang des Unternehmens e<strong>in</strong>en kaufmännischen Betrieb und<br />
e<strong>in</strong>e geordnete Buchführung. Gewisse Handelsgewerbe gelten <strong>in</strong> jedem<br />
Fall als kaufmännische Unternehmen. Die übrigen Handelsgewerbe, alle<br />
Fabrikationsbetriebe und die übrigen nach kaufmännischer Art<br />
geführten Gewerbe s<strong>in</strong>d dagegen von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht befreit,<br />
solange ihre jährlichen Rohe<strong>in</strong>nahmen, das heisst ihr Umsatz 253 , den<br />
Betrag von CHF 100'000.– nicht übersteigen (Art. 54 HRegV). 254<br />
3. Relevanz des kaufmännischen Unternehmens im<br />
schweizerischen Gesellschaftsrecht<br />
Gemäss Art. 934 Abs. 1 OR ist das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Unternehmens das Kriterium für die Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister.<br />
Diese allgeme<strong>in</strong>e Regel wird für alle Gesellschaften <strong>in</strong> Spezialbestimmungen<br />
wie<strong>der</strong>holt. 255 Das Handelsregister dient <strong>der</strong> Rechtssicherheit<br />
im Geschäftsverkehr. Hauptzweck des Handelsregisters ist, dem<br />
Publikum und den Gläubigern <strong>in</strong> klarer Weise die rechtserheblichen Tatsachen,<br />
namentlich die Haftungs- und Vertretungsverhältnisse und die<br />
Verantwortlichkeitsordnung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>getragenen Geschäftsbetriebe zur<br />
Kenntnis zu br<strong>in</strong>gen. 256 An die E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister knüpft<br />
das Gesetz aber auch spezifische Rechtsfolgen. Abgesehen von <strong>der</strong><br />
Verleihung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit für e<strong>in</strong>zelne Gesellschaftsformen,<br />
verschafft <strong>der</strong> Handelsregistere<strong>in</strong>trag das Firmenrecht mit dem Firmenschutz.<br />
Die E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister hat auch die Unterwerfung<br />
unter die Konkurs- und Wechselbetreibung zur Folge. Ausserdem besteht<br />
die Pflicht zur kaufmännischen Buchführung gemäss den Art. 957<br />
ff. OR, welche allerd<strong>in</strong>gs bereits und ausschliesslich an die E<strong>in</strong>tragungs-<br />
253<br />
Unter Rohe<strong>in</strong>nahmen s<strong>in</strong>d die gesamten Geschäftse<strong>in</strong>nahmen ohne Abzug <strong>der</strong> Aufwendungen<br />
zu verstehen (Entscheid des Bundesgerichts vom 19.02.1996, <strong>in</strong>: Jahrbuch des<br />
Handelsregisters 1996, S. 82 f.).<br />
254<br />
ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens,<br />
SAG 45 (1973), S. 7 f.<br />
255<br />
Vgl. Art. 552 f. OR für die Kollektivgesellschaft, Art. 594 f. OR für die Kommanditgesellschaft,<br />
Art. 643 OR für die Aktiengesellschaft und kraft Verweis von Art. 764 OR für<br />
die Kommanditaktiengesellschaft, Art. 780 OR für die Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung, Art. 838 OR für die Genossenschaft und Art. 61 ZGB für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />
256<br />
MARTIN ECKERT, Kommentar zu Art. 927 OR N 7, Basel 1994; ROBERT PATRY,<br />
SPR VIII/1, Grundlagen des Handelsrechts, Basel 1976, S. 123.<br />
97
pflicht anknüpft, nicht an e<strong>in</strong>e tatsächliche, gegebenenfalls lediglich gestützt<br />
auf die E<strong>in</strong>tragungsberechtigung erfolgte E<strong>in</strong>tragung. 257 Die Buchführung<br />
dient ihrerseits <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Information aussenstehen<strong>der</strong><br />
Gläubiger und <strong>der</strong> am Unternehmen beteiligten Personen. Sie erfüllt<br />
entsprechende Schutzfunktionen. 258<br />
Der Umstand, dass das kaufmännische Unternehmen das Anknüpfungskriterium<br />
für die E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister darstellt, welche<br />
wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>e wesentliche Grundlage für den Schutz <strong>der</strong> Gläubiger<strong>in</strong>teressen<br />
ist, zeigt, dass nach <strong>der</strong> Wertung des Gesetzgebers im<br />
Gesellschaftsrecht dann e<strong>in</strong> Bedürfnis für e<strong>in</strong>en verstärkten Gläubigerschutz<br />
besteht, wenn e<strong>in</strong>e Personenvere<strong>in</strong>igung durch Betreiben e<strong>in</strong>es<br />
„Handels-, Fabrikations- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en nach kaufmännischer Art geführten<br />
Gewerbes“ <strong>in</strong> Kontakt mit dem Publikum tritt.<br />
4. Folgen des Betreibens e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Unternehmens für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
Wie die übrigen Gesellschaften muss auch e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> gemäss Art. 61<br />
Abs. 2 ZGB <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden, wenn er e<strong>in</strong><br />
kaufmännisches Unternehmen betreibt. H<strong>in</strong>sichtlich des Erwerbs <strong>der</strong><br />
Rechtsfähigkeit hat <strong>der</strong> E<strong>in</strong>trag lediglich deklaratorische Wirkung.<br />
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu wirtschaftlich ausgerichteten<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n verleiht dem kaufmännischen Unternehmen e<strong>in</strong>e weitere<br />
Funktion. Nach Ansicht des Bundesgerichts ist das Vorliegen e<strong>in</strong>es<br />
kaufmännischen Unternehmens entscheidend dafür, ob sich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em wirtschaftlichen Zweck widmen darf. 259<br />
257 MARTIN ECKERT, Kommentar zu Art. 927 OR N 9, Basel 1994.<br />
258 MARKUS NEUHAUS, Kommentar zu Art. 957 OR N 1 ff., Basel 1994.<br />
259 Vgl. dazu etwa BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de cigarettes), S. 50. Im<br />
Urteil vom 5./6. Dezember 1934 (Fédération suisse des associations des fabricants d’horlogerie,<br />
Union des branches annexes de l’horlogerie, JdT 1935 I, S. 66 ff.) hatte das Bundesgericht<br />
allerd<strong>in</strong>gs noch ausgeführt, für die Qualifikation des Zwecks e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>igung komme es<br />
e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> darauf an, ob die Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit entfalte.<br />
Auch <strong>in</strong> BGE 62 II 32 (<strong>Schweiz</strong>. Tabakverband, 1936) hatte das Bundesgericht noch den<br />
wirtschaftlichen Zweck mit dem Führen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens<br />
gleichgesetzt: Von <strong>der</strong> Verfolgung e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Aufgabe könne erst dann<br />
gesprochen werden, „wenn <strong>der</strong> Verband selber <strong>in</strong> dem <strong>in</strong> Frage stehenden Wirtschaftssektor<br />
durch den Betrieb e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dustriellen, gewerblichen o<strong>der</strong> Handelsunternehmens<br />
e<strong>in</strong>e aktive geschäftliche Tätigkeit entfaltet“.<br />
98
5. Das kaufmännische Unternehmen als s<strong>in</strong>nvolles<br />
Abgrenzungskriterium<br />
a) E<strong>in</strong>fach handhabbares und allgeme<strong>in</strong> relevantes Kriterium<br />
Das Bundesgericht erkennt dem Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Unternehmens zu Recht e<strong>in</strong>e wesentliche Funktion im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform zu. 260 Das kaufmännische Unternehmen<br />
stellt im Gegensatz zum „wirtschaftlichen Zweck“ e<strong>in</strong> klar bestimm-<br />
und e<strong>in</strong>fach handhabbares Kriterium dar. Entscheidend für das<br />
Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens s<strong>in</strong>d nicht subjektive<br />
Momente (wie sie für die Bestimmung des Zwecks massgebend s<strong>in</strong>d),<br />
son<strong>der</strong>n die Aussenwirkungen, welche für Gläubiger und Dritte erkennbar<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Das kaufmännische Unternehmen ist daher im Gesellschaftsrecht allgeme<strong>in</strong><br />
relevant. Nach <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>gültigen Wertung des Gesetzgebers<br />
ist das Vorliegen e<strong>in</strong>es solchen entscheidend dafür, ob bestimmte Gläubigerschutzbestimmungen<br />
greifen sollen. Es wäre daher s<strong>in</strong>nvoller gewesen,<br />
die Verwendungsmöglichkeiten des freiheitlichen Vere<strong>in</strong>srechts, das<br />
für Gläubiger nicht denselben Schutz bietet wie die Gesellschaftsformen<br />
des OR, anhand des Kriteriums kaufmännisches Unternehmen zu beschränken.<br />
261<br />
Dieser Ansicht s<strong>in</strong>d auch mehrere Autoren: Bereits BRINER weist darauf<br />
h<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber e<strong>in</strong>deutig e<strong>in</strong> viel grösseres Wagnis auf<br />
sich nahm, als er den „sogenannten idealen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n“ erlaubte, e<strong>in</strong> Geschäft<br />
nach kaufmännischer Art zu betreiben, als es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zulassung <strong>der</strong><br />
Vere<strong>in</strong>sform für Wirtschaftsverbände durch das Bundesgericht lag. 262<br />
Auch HEINI hat bereits 1964 darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass es für das Publizitätsbedürfnis<br />
des Rechtsverkehrs nicht darauf ankommt, ob das E<strong>in</strong>greifen<br />
e<strong>in</strong>er Verbandsperson <strong>in</strong> das wirtschaftliche Geschehen das Ziel<br />
<strong>der</strong> Körperschaft darstellt, son<strong>der</strong>n dass entscheidend se<strong>in</strong> muss, ob und<br />
260<br />
Vgl. S. 35 ff.<br />
261<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits die Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Kommission des Nationalrates, wie<strong>der</strong>gegeben<br />
S. 26.<br />
262<br />
ROBERT BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />
WuR 1964, S. 75.<br />
99
<strong>in</strong> welchem Umfang die Teilnahme am geschäftlichen Verkehr Tatsache<br />
ist. 263<br />
Auch FORSTMOSER stellt sich auf den Standpunkt, dass die gesetzliche<br />
Konzeption <strong>in</strong>konsequent ist. FORSTMOSER hat die Ansicht vertreten,<br />
dass im H<strong>in</strong>blick auf die Interessen Dritter und <strong>der</strong> Beteiligten e<strong>in</strong><br />
verstärktes organisatorisches und f<strong>in</strong>anzielles Substrat weniger bei <strong>der</strong><br />
Verfolgung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zwecks als vielmehr bei <strong>der</strong> Führung<br />
e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens erfor<strong>der</strong>lich ist. Auch nach Ansicht<br />
FORSTMOSERS wäre es daher konsequent, wenn das kaufmännische<br />
Unternehmen relevant wäre, anstatt <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck. 264 In<br />
neuester Zeit schliesst sich WEBER dieser Me<strong>in</strong>ung an. 265<br />
b) Ausdrückliche Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit kaufmännischem<br />
Unternehmen<br />
Gemäss geltendem Gesetzestext ist jedoch ausdrücklich zulässig, dass<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben. Die Doktr<strong>in</strong><br />
schliesst sich <strong>der</strong> Zulässigkeit des kaufmännischen Unternehmens an,<br />
obwohl die Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens gezeigt hat, dass<br />
im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten die Abgrenzung wirtschaftlicher<br />
Zweck – kaufmännisches Unternehmen nicht immer klar war. 266 . Es wird<br />
allgeme<strong>in</strong> akzeptiert, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die entsprechend hohe Umsätze erzielen,<br />
bloss den liberalen Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts unterstehen, obwohl<br />
mehrere Autoren die Problematik erkennen.<br />
c) Ke<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>behandlung von „nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n“ mit<br />
kaufmännischem Unternehmen<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf den Gläubigerschutz dürfen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die zur Verfolgung<br />
e<strong>in</strong>es nichtwirtschaftlichen Zweckes e<strong>in</strong> kaufmännisches Unter-<br />
263<br />
ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962-<br />
1964, ZSR 83 I (1964), S. 441 f.; bestätigend DERS., SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967,<br />
S. 525 f.<br />
264<br />
PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 155.<br />
265<br />
ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 62 f. Auch CHRISTOPH<br />
HONEGGER, Probleme des Gläubigerschutzes im Vere<strong>in</strong>srecht, unveröffentlichte Diss.<br />
Basel 2000, erkennt das Problem. Er schlägt zur Lösung allerd<strong>in</strong>gs vor, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die<br />
e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben, verpflichtet werden, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gesellschaft<br />
des OR umzuwandeln o<strong>der</strong> das Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e solche auszuglie<strong>der</strong>n.<br />
266<br />
Zu den Unstimmigkeiten, die sich im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten ergeben haben,<br />
vgl. S. 24 ff.<br />
100
nehmen betreiben, nicht an<strong>der</strong>s behandelt werden, als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>en<br />
„wirtschaftlichen Zweck“ verfolgen. Obwohl e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en wirtschaftlich<br />
ausgerichteten Zweck verfolgt, im allgeme<strong>in</strong>en grössere Umsätze<br />
zu erzielen versucht, als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die zur Erreichung e<strong>in</strong>es ideellen<br />
o<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Zweckes e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben,<br />
so gibt es doch e<strong>in</strong>e Reihe von Beispielen, die das Gegenteil belegen.<br />
267 Im Rahmen <strong>der</strong> gesetzlichen Konzeption darf dieser Umstand jedenfalls<br />
ke<strong>in</strong>e Rolle spielen: Bei allen übrigen Gesellschaftsformen ist<br />
alle<strong>in</strong> das Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens entscheidend<br />
für die Ausgestaltung des Gläubigerschutzes. 268 Im Gegensatz zum Kriterium<br />
des kaufmännischen Unternehmens wird namentlich im Recht<br />
<strong>der</strong> Personengesellschaften – abgesehen vom Vere<strong>in</strong>srecht – nirgends an<br />
den wirtschaftlichen o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlichen Zweck angeknüpft. 269<br />
d) Weiterentwicklung <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt e<strong>in</strong>en Schritt <strong>in</strong> die<br />
richtige Richtung dar, weil sie die Tätigkeit <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> berücksichtigt.<br />
Dennoch vermag sie die Problematik „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />
Zweck“ 270 nicht befriedigend zu lösen. Indem das Bundesgericht die<br />
Relevanz des kaufmännischen Unternehmens mit dem „wirtschaftlichen<br />
Zweck“ verknüpft, werden die aufgezeigten Probleme im Zusammenhang<br />
mit diesem nicht beseitigt. Es stellt sich daher die Frage, ob <strong>der</strong><br />
Ansatz, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Ausdruck<br />
267<br />
Als Beispiel mag die Gesellschaft für das Gute und Geme<strong>in</strong>nützige Basel (GGG) dienen, e<strong>in</strong><br />
Vere<strong>in</strong> mit zweifellos geme<strong>in</strong>nützigem Charakter: Im Betriebsjahr 1999 betrugen die E<strong>in</strong>nahmen<br />
CHF 15.758 Mio., die Ausgaben CHF 11.322 Mio. Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalaufwand<br />
belief sich auf CHF 6 Mio. (vgl. Jahresbericht 1999/2000). – Zu den massiven Umsätzen,<br />
welche Sportvere<strong>in</strong>e (die allgeme<strong>in</strong> als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit nichtwirtschaftlichem Zweck angesehen<br />
werden) generieren, vgl. FN 144. – Auch ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen,<br />
Basel 1998, S. 62 f., deutet an, dass die Auffassung diskutabel ist, wonach Gläubiger<strong>in</strong>teressen<br />
bei den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftsordnung aktiv tätigen Gesellschaften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />
höher zu bewerten s<strong>in</strong>d als bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die re<strong>in</strong> ideale Zwecke verfolgen.<br />
268<br />
Vgl. Art. 553 OR und Art. 595 OR.<br />
269<br />
Indem das Gesetz als Abgrenzungskriterium bei den Personengesellschaften das<br />
kaufmännische Gewerbe statuiert, kommt zum Ausdruck, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber bei diesen<br />
ke<strong>in</strong> grosses Gewicht auf das Innenverhältnis gelegt hat. Entscheidend sollen die Interessen<br />
aussenstehen<strong>der</strong> Drittpersonen se<strong>in</strong>. Entsprechend ist das Aussenverhältnis ausführlich<br />
und zw<strong>in</strong>gend geregelt, während die Innenbeziehungen weitgehend dispositiv s<strong>in</strong>d<br />
(RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />
Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 59 f.).<br />
270<br />
Zur Problematik, was genau unter „wirtschaftlichem Zweck“ zu verstehen ist, vgl.<br />
S. 76 ff.<br />
101
kommt, angesichts <strong>der</strong> neuesten Gesetzgebungspläne – namentlich <strong>der</strong><br />
rechtsformunabhängigen Gläubigerschutzbestimmungen des geplanten<br />
Rechnungslegungsgesetzes 271 – nicht weiter entwickelt werden kann: Das<br />
Bundesgericht lässt bereits heute zu, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
Zweck verfolgen, solange sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben.<br />
Wenn es gel<strong>in</strong>gt, für wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>nvolle Regeln zu<br />
f<strong>in</strong>den, welche das geschriebene Vere<strong>in</strong>srecht ergänzen und dessen Unzulänglichkeiten<br />
im H<strong>in</strong>blick auf den Gläubigerschutz beseitigen, so<br />
spricht nichts dagegen, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck unabhängig<br />
vom Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens anzuerkennen. Gel<strong>in</strong>gt<br />
es, solche Regeln aufzustellen, so müssen diese s<strong>in</strong>nvollerweise<br />
auch für die allgeme<strong>in</strong> als zulässig angesehenen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten, die –<br />
ohne e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“ zu verfolgen – e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />
Unternehmen führen. Denn für sie s<strong>in</strong>d die geltenden Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts<br />
ebenso unzulänglich, wie für die neu anzuerkennenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />
Der Grund, weshalb dieser Schritt nicht bereits früher gemacht worden<br />
ist, dürfte nicht zuletzt dar<strong>in</strong> liegen, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> die sogenannte<br />
Typenlehre und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> numerus clausus <strong>der</strong> Verbandsformen<br />
bis anh<strong>in</strong> als H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis dafür angesehen worden s<strong>in</strong>d. Die<br />
Ausführungen im folgenden Kapitel werden zeigen, ob dieses H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis<br />
tatsächlich besteht.<br />
271 Vgl. dazu ausführlich S. 182 ff.<br />
102
VII. Das typologische Argument<br />
1. Vorbemerkung<br />
Die Typologie (Typenlehre) des schweizerischen Gesellschaftsrechts –<br />
e<strong>in</strong>e vergleichsweise neue Betrachtungsweise 272 – wird als wichtiges Argument<br />
gegen die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck<br />
<strong>in</strong>s Feld geführt. 273 Gemäss <strong>der</strong> Typenlehre stehen im eidgenössischen<br />
Gesellschaftsrecht acht Rechtsfiguren zur Verfügung. Es ist verboten,<br />
e<strong>in</strong>e dem schweizerischen Recht unbekannte Gesellschaftsform zu wählen.<br />
274 Im folgenden wird untersucht, ob die Typenlehre e<strong>in</strong>er Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts h<strong>in</strong> zur weitgehenden<br />
Anerkennung <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem<br />
Zweck tatsächlich entgegensteht.<br />
2. Numerus clausus <strong>der</strong> Verbandstypen<br />
a) Numerus clausus und verwandte Pr<strong>in</strong>zipien<br />
Nach herkömmlicher Ansicht ist das schweizerische Recht <strong>der</strong> Verbandspersonen<br />
stark geprägt vom Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> beschränkten Typenzahl<br />
(numerus clausus <strong>der</strong> Verbandstypen). Im Vertragsrecht steht das Pr<strong>in</strong>zip<br />
<strong>der</strong> Privatautonomie im Vor<strong>der</strong>grund; entsprechend können die<br />
Parteien beliebige Verträge abschliessen, auch völlig frei gestaltete Innom<strong>in</strong>atverträge.<br />
Zur Gründung e<strong>in</strong>er Verbandsperson soll h<strong>in</strong>gegen nur<br />
e<strong>in</strong>e beschränkte Zahl von Formen zur Verfügung stehen. Wer e<strong>in</strong> Gesellschaftsverhältnis<br />
e<strong>in</strong>gehen möchte, muss aufgrund <strong>der</strong> Typenlehre<br />
e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> im Gesetz abschliessend aufgezählten Rechtsformen wählen. Es<br />
soll verboten se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e dem schweizerischen Recht unbekannte Verbandsform<br />
zu wählen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e die zw<strong>in</strong>genden Schranken <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />
272<br />
WERNER VON STEIGER, SPR VIII/1, Gesellschaftsrecht, Basel 1976, S. 302: In <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> wurde die Diskussion durch die Studie von PETER JÄGGI (1958) ausgelöst.<br />
273<br />
Vgl. etwa die Ausführungen im Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New<br />
York vom 27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 24 f. und namentlich die<br />
Dissent<strong>in</strong>g Op<strong>in</strong>ion von DR. CLAUS SCHELLENBERG, S. 27 ff.; PETER FORSTMOSER, Atypische<br />
und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung,<br />
SAG 1983, S. 153 f.<br />
274<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 11 N 3 f.<br />
103
gesetzlich vorgesehenen Formen überschreitende Mischung von verschiedenen<br />
Verbandsformen vorzunehmen. 275<br />
Das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus <strong>der</strong> Verbandstypen wird ergänzt<br />
durch das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Typenfixierung. 276 Wenn das Gesetz bloss e<strong>in</strong>e beschränkte<br />
Anzahl von Typen zur Verfügung stellt, so muss mittels zw<strong>in</strong>gen<strong>der</strong><br />
Gesetzesbestimmungen dafür gesorgt werden, dass die e<strong>in</strong>zelnen<br />
gesetzlichen Typen nicht nach Belieben verän<strong>der</strong>t werden können. Die<br />
Durchführung des Grundsatzes <strong>der</strong> beschränkten Typenzahl ist vom<br />
Grad <strong>der</strong> Fixierung <strong>der</strong> gesetzlichen Typen abhängig. 277<br />
Ausserdem spielt <strong>der</strong> sogenannte Grundsatz <strong>der</strong> gesetzlichen Typenb<strong>in</strong>dung<br />
e<strong>in</strong>e Rolle. Dieser beschlägt die Frage nach den Verwendungsmöglichkeiten<br />
<strong>der</strong> gesetzlichen Typen. Bei strenger gesetzlicher Typenb<strong>in</strong>dung<br />
ist die Wahl <strong>der</strong> gesetzlich vorgesehenen Verbandsformen<br />
zusätzlich e<strong>in</strong>geschränkt, <strong>in</strong>dem etwa e<strong>in</strong>e bestimmte Verbandsperson<br />
lediglich für bestimmte Zwecke e<strong>in</strong>gesetzt werden darf. 278<br />
b) Begründung für das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus<br />
Die schweizerische Privatrechtsordnung baut auf dem Grundsatz <strong>der</strong><br />
Privatautonomie auf. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund bedarf das Pr<strong>in</strong>zip des<br />
numerus clausus <strong>der</strong> Verbandspersonen e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Rechtfertigung.<br />
279 Für die Beschränkung <strong>der</strong> Privatautonomie werden verschiedene<br />
Gründe angeführt: Das Bedürfnis nach Schutz von Drittpersonen, die<br />
mit e<strong>in</strong>er Gesellschaft <strong>in</strong> Rechtsbeziehungen treten, und ganz allgeme<strong>in</strong><br />
das Bedürfnis nach Verkehrssicherheit. Wer am Rechtsverkehr teilnimmt,<br />
soll sich darauf verlassen können, dass e<strong>in</strong>e Verbandsperson bestimmte<br />
Eigenschaften aufweist, welche durch die gewählte Rechtsform<br />
vorgegeben s<strong>in</strong>d und nicht durch <strong>in</strong>terne Abmachungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
275 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 11 N 2 und 4; ROBERT BRINER, Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />
WuR 1964, S. 80; PEDRAZZINI / OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts,<br />
4. Auflage Bern 1993, 9.1.2.3; MEIER-HAYOZ / SCHLUEP / OTT, Zur Typologie im<br />
schweizerischen Gesellschaftsrecht, ZSR 90 I (1971), S. 317 f.; ARNOLD KOLLER, Grundfragen<br />
e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg 1967, S. 96 ff.; ANTON HEINI,<br />
SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 527.<br />
276 HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 52-59 ZGB N 14, Bern 1993.<br />
277 PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />
S. 105 ff. und S. 116 f.; MEIER-HAYOZ / SCHLUEP / OTT, a.a.O., S. 318.<br />
278 Vgl. PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 112 f.; PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche<br />
Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG<br />
1983, S. 143 f.<br />
279 PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 119 ff.<br />
104
wegbedungen werden können. Auch <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> letzteren wird als<br />
Begründung angeführt. Vor allem bei Verbänden mit e<strong>in</strong>er grossen Zahl<br />
von Mitglie<strong>der</strong>n, die untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> nicht persönlich verbunden s<strong>in</strong>d,<br />
müsse das e<strong>in</strong>zelne Mitglied vor willkürlicher Behandlung durch die<br />
Mehrheit geschützt werden, <strong>in</strong>dem für die <strong>in</strong>terne Organisation e<strong>in</strong><br />
Rahmen abgesteckt wird. Das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus soll auch<br />
dem Schutz <strong>der</strong> Arbeitnehmenden und <strong>der</strong>jeniger Personen dienen, welche<br />
Verbandspersonen zur Geldanlage verwenden. 280<br />
c) Auswirkungen auf die Rechtsanwendung<br />
E<strong>in</strong>zelne Autoren schliessen aus dem Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus <strong>der</strong><br />
Verbandspersonen und <strong>der</strong> daraus abgeleiteten Unzulässigkeit von<br />
Mischformen, dass konsequenterweise auch bei <strong>der</strong> Rechtsanwendung<br />
ausschliesslich vom Recht e<strong>in</strong>er Verbandsform auszugehen sei. Es sollen<br />
ausschliesslich die gesetzlichen Regeln <strong>der</strong> von den Mitglie<strong>der</strong>n gewählten<br />
Form zur Anwendung kommen. Namentlich soll die analoge Rechtsanwendung<br />
verboten se<strong>in</strong>. 281<br />
An<strong>der</strong>e Autoren h<strong>in</strong>gegen schliessen trotz des Verbots von Mischformen<br />
nicht aus, dass bei Lücken im Recht e<strong>in</strong>er Verbandsperson gewisse<br />
Normen des Rechts e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Verbandsperson beigezogen<br />
werden. Die Anwendung erfolgt jedoch nie unmittelbar, son<strong>der</strong>n nur<br />
mittelbar, das heisst analog o<strong>der</strong> als Mittel zur Auslegung. 282<br />
280 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 11 N 5 f.; ARNOLD KOLLER, Grundfragen e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht,<br />
Freiburg 1967, S. 98. – Rechtsgeschichtlich hat die Beschränkung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Gesellschaftstypen<br />
allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Grund: Abgesehen von <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft,<br />
die bereits im römischen Recht bekannt war (societas), mussten sich die Personengesellschaften<br />
und juristischen Personen im Verlauf des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts gegenüber e<strong>in</strong>em verbandsfe<strong>in</strong>dlichen<br />
Staat durchsetzen. Das hatte zur Folge, dass nur diejenigen Verbände<br />
Rechtsschutz fanden, welche e<strong>in</strong>em praktischen Bedürfnis entsprachen. Vgl. dazu PEIDER<br />
MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968), S. 122 f. und<br />
ARNOLD KOLLER, a.a.O., S. 61 ff.<br />
281 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 11 N 4. BGE 82 II 292 (Groupement des Fournisseurs<br />
d’Horlogerie) bezeichnen sie <strong>in</strong> diesem Zusammenhang als Entgleisung. Dieselbe<br />
Me<strong>in</strong>ung hat PROF. FORSTMOSER bereits <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Parteigutachten im Verfahren vor e<strong>in</strong>em<br />
<strong>in</strong>ternationalen Schiedsgericht <strong>in</strong> New York geäussert. Die Mehrheit des Schiedsgerichts<br />
hat diese Haltung verworfen, die im Urteil prägnant mit „a law is a law“ zusammengefasst<br />
wird (vgl. Urteil vom 27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n XVII [1992],<br />
S. 11 ff.).<br />
282 Vgl. mit ausdrücklichem Bezug auf den Vere<strong>in</strong> RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r<br />
und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948,<br />
105
3. Gesetzliche Positionierung des Vere<strong>in</strong>s im schweizerischen<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Das schweizerische Gesellschaftsrecht kennt Personengesellschaften<br />
und Kapitalgesellschaften. Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft stehen sich als<br />
Personengesellschaften sehr nahe. Beide haben e<strong>in</strong>e stark personalistische<br />
Prägung, beiden ist e<strong>in</strong> starkes demokratisches Element <strong>in</strong>härent.<br />
Im Gegensatz dazu ist bei den Kapitalgesellschaften die Mitgliedschaft<br />
streng versachlicht. 283 Schlagwortartig kann die Unterscheidung folgen<strong>der</strong>massen<br />
dargestellt werden: Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n s<strong>in</strong>d die Tätigkeit und <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong>kreis stark aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogen. Demgegenüber s<strong>in</strong>d Aktiengesellschaften<br />
„Cash-Masch<strong>in</strong>en“, die auf e<strong>in</strong>e anonyme Gew<strong>in</strong>nerzielung<br />
für austauschbare Beteiligungs<strong>in</strong>haber ausgerichtet s<strong>in</strong>d. Die Mitglie<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d dagegen nicht austauschbar, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d<br />
nicht börsengängig.<br />
Von den Personengesellschaften <strong>der</strong> Art. 530 bis 619 OR unterscheiden<br />
sich Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft dadurch, dass sie als juristische<br />
Personen mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet s<strong>in</strong>d. 284<br />
Die herkömmliche Unterscheidung zwischen Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft<br />
liegt dar<strong>in</strong>, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> grundsätzlich zur Verfolgung von nichtwirtschaftlichen<br />
Zwecken dienen sollen, Genossenschaften h<strong>in</strong>gegen für<br />
die Verfolgung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zweckes vorgesehen s<strong>in</strong>d. 285<br />
Ausserdem wird bei <strong>der</strong> Genossenschaft die geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe als<br />
Mittel zur Zweckverfolgung stark gewichtet. 286<br />
4. Ablehnung des typologischen Arguments<br />
a) Rechtswirklichkeit<br />
Die dargestellten Pr<strong>in</strong>zipien, welche aus <strong>der</strong> Typologie des Personenund<br />
Gesellschaftsrechts abgeleitet werden, vermögen als Argumente ge-<br />
S. 148. Vgl. auch HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 74 ff., Bern 1990,<br />
mit Ausführungen zur Frage, wann e<strong>in</strong>e Lücke im Gesetz vorliegt.<br />
283<br />
ANTON HEINI, Vorbemerkungen zu Art. 60-79 ZGB N 1, Basel 1996; MEIER-HAYOZ<br />
/ FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 3 N 13.<br />
284<br />
ANTON HEINI, a.a.O. N 2.<br />
285<br />
Vgl. dazu und zu den Folgen <strong>der</strong> gesetzlichen Ausgestaltung ausführlich ADRIAN<br />
MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern<br />
1947, S. 32 ff.<br />
286<br />
REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel 1998, S. 12.<br />
Vgl. dazu ausführlicher S. 149 ff.<br />
106
gen die Zulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nur dann zu überzeugen,<br />
wenn durch sie tatsächlich berechtigte Interessen geschützt werden können.<br />
Die Rechtswirklichkeit gibt jedenfalls e<strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>es Bild, als es<br />
aufgrund <strong>der</strong> dargestellten Pr<strong>in</strong>zipien erwartet werden müsste. Die im<br />
Gesetz geregelten Verbandspersonen werden oft nicht gemäss den Vorstellungen<br />
und Erwartungen des Gesetzgebers verwendet. Die gesetzlichen<br />
Regelungen werden zum Beispiel durch Parteiabreden stark verän<strong>der</strong>t.<br />
Bereits das Gesetz belässt für alle Verbandspersonen e<strong>in</strong>en erheblichen<br />
Spielraum für <strong>in</strong>dividuelle Ausgestaltungen; für viele Problemkreise<br />
bestehen ke<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>genden gesetzlichen Bestimmungen. 287 Auch völlig<br />
atypische Verbände können demnach selbst unter den Gesichtspunkten<br />
e<strong>in</strong>er strengen Typologie rechtmässig se<strong>in</strong>, soweit ke<strong>in</strong> zw<strong>in</strong>gendes<br />
Recht besteht. 288 Durch Ausschöpfung <strong>der</strong> entsprechenden Verwendungs-<br />
und Gestaltungsmöglichkeiten und unter Beizug von aussergesellschaftsrechtlichen<br />
Mitteln wie Stimmb<strong>in</strong>dungsverträgen, fiduziarischen<br />
Verträgen o<strong>der</strong> Bürgschaften ist es möglich, unter <strong>der</strong> Etikette<br />
e<strong>in</strong>er bestimmten Verbandsform e<strong>in</strong> Rechtsverhältnis zu schaffen, das <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>en Auswirkungen <strong>der</strong> gesetzlichen Ordnung e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Verbandsform<br />
entspricht. Durch die Komb<strong>in</strong>ation verschiedener Verbände<br />
als Konzern o<strong>der</strong> als rechtlich getrennte Organisationen, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>kreise<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger identisch s<strong>in</strong>d, können ausserdem Resultate<br />
erzielt werden, welche den Intentionen <strong>der</strong> gesetzlichen Ordnung<br />
diametral entgegen stehen. 289 Es gibt Autoren, welche vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />
<strong>der</strong> grossen Gestaltungsfreiheit im schweizerischen Personen- und<br />
Gesellschaftsrecht die Frage aufwerfen, ob <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> beschränkten<br />
Typenzahl überhaupt gilt. 290<br />
287<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 11 N 4.<br />
288<br />
PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 143, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen, und<br />
S. 145.<br />
289<br />
PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />
S. 29 ff.; ARNOLD KOLLER, Grundfragen e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg<br />
1967, S. 116 f.; RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 150.<br />
290<br />
Vgl. etwa PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 116 ff.; KURT NAEF, Kennt das schweizerische<br />
Recht die stille Gesellschaft?, ZBJV 96 (1960), S. 268.<br />
107
) Berücksichtigung schützenswerter Interessen<br />
Angesichts <strong>der</strong> neuesten Gesetzgebung, gemäss welcher selbst rechtsformübergreifende<br />
Fusionen zugelassen werden sollen 291 , sche<strong>in</strong>t fraglich,<br />
ob am genannten Grundsatz festgehalten werden soll. 292 Die Interessen,<br />
welche zur Rechtfertigung des E<strong>in</strong>griffs <strong>in</strong> die Privatautonomie<br />
angeführt werden, s<strong>in</strong>d durchaus berechtigt und schützenswert. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
ersche<strong>in</strong>t das Mittel des numerus clausus <strong>der</strong> Typenzahl <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Praxis als nicht tauglich. Selbst wenn die e<strong>in</strong>zelnen gesetzlichen Typen<br />
mittels zw<strong>in</strong>gendem Recht stärker fixiert würden, so wären früher o<strong>der</strong><br />
später zusätzliche gesetzliche Typen zu schaffen, 293 da sonst e<strong>in</strong>e ganze<br />
Reihe von berechtigten und neu entstehenden Bedürfnissen des Rechtslebens<br />
nicht mehr abgedeckt werden könnten. 294 Zusätzliche gesetzliche<br />
Typen könnten ihrerseits jedoch nie sämtliche Bedürfnisse des Rechtslebens<br />
abdecken; es käme zwangsläufig zu neuen und wohl auch erfolgrei-<br />
291 Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />
Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4337 ff.<br />
292 Kritisch offenbar auch FRANK VISCHER, Besprechung von HEINI, Das schweizerische<br />
Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991, S. 365: „Ich würde eher den Mut des Bundesgerichts zur Erweiterung<br />
des numerus clausus <strong>der</strong> Verbandspersonen hervorheben.“<br />
293 Vgl. als Beispiel die Vorschläge <strong>der</strong> GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“<br />
zu e<strong>in</strong>er neuen Personengesellschaft mit beschränkter Haftung, Schlussbericht vom<br />
24.09.1993, S. 53.<br />
294 PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />
S. 118 f. Vgl. auch das Gutachten von PROF. FRANK VISCHER zu Handen <strong>der</strong> Basler Handelskammer,<br />
zitiert bei BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />
WuR 1964, S. 76, und die H<strong>in</strong>weise von ROBERT BRINER, a.a.O. S. 81 ff. Bereits<br />
ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 6 f., wies im<br />
Jahr 1952 darauf h<strong>in</strong>, dass das schweizerische Recht ke<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Rechtsform für körperschaftliche<br />
Zusammenschlüsse des Wirtschaftslebens ohne Erwerbszweck zur Verfügung<br />
stellt; für körperschaftliche Zusammenschlüsse des wirtschaftlichen Lebens also, die<br />
ohne eigenen Erwerbszweck die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
zum Ziel haben. PESTALOZZI hält ausdrücklich fest, dass das Genossenschaftsrecht den<br />
Bedürfnissen des Wirtschaftslebens nicht zu genügen vermag. Daher muss die Lücke, die<br />
sich aus den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens ergibt, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie mittels <strong>der</strong> Regeln<br />
über den idealen Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB geschlossen werden.<br />
108
chen Versuchen 295 , die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit an Verbände<br />
abzudecken. 296<br />
Erfolgversprechen<strong>der</strong> wirkt dagegen <strong>der</strong> Ausbau von gesetzlichen Bestimmungen,<br />
welche die genannten Interessen unabhängig von e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
Verbandsform berücksichtigen. Als Beispiel seien etwa die<br />
e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen h<strong>in</strong>sichtlich Arbeitnehmer- und Anlegerschutz<br />
genannt. Diese stehen bereits heute überwiegend losgelöst von<br />
e<strong>in</strong>zelnen Verbandsformen. Mittels Son<strong>der</strong>normen können auch die übrigen<br />
schützenswerten Interessen sehr viel besser berücksichtigt werden,<br />
<strong>in</strong>dem sie – unabhängig von <strong>der</strong> Rechtsform – gezielt etwa für grosse<br />
o<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>e Unternehmen, Banken o<strong>der</strong> sonstige bestimmte Konstellationen<br />
gelten. 297 Der jüngste Gesetzesentwurf, <strong>der</strong> genau dieses Ziel verfolgt,<br />
ist <strong>der</strong> Vorentwurf zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />
und Revision (VERRG). In diesem Gesetz werden<br />
rechtsformunabhängig Bestimmungen zur Rechnungslegung und allgeme<strong>in</strong><br />
zum Gläubigerschutz aufgestellt. 298<br />
c) Fehlende Typenb<strong>in</strong>dung betreffend wirtschaftlichen Zweck<br />
Für die Bejahung <strong>der</strong> Zulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> braucht jedoch<br />
das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus nicht unbed<strong>in</strong>gt über Bord geworfen<br />
o<strong>der</strong> erweitert zu werden. Die Zulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
kann auch am Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung anknüpfen, da <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche<br />
e<strong>in</strong>e kaufmännisches Unternehmen betreiben, gemäss geltendem Gesetz<br />
295<br />
Vgl. dazu die Ausführungen <strong>der</strong> GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“,<br />
Schlussbericht vom 24.09.1993, S. 59 f.: „Die vom Gesetzgeber beabsichtigte starke Typenb<strong>in</strong>dung<br />
des Genossenschaftsrechts hat [...] nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis atypische<br />
Genossenschaften auch unter dem revidierten Recht erhalten blieben o<strong>der</strong> sich gar<br />
erst unter diesem entwickelten.“<br />
296<br />
In diesem Zusammenhang sei auch auf die jüngsten For<strong>der</strong>ungen nach e<strong>in</strong>em Son<strong>der</strong>recht<br />
für KMU h<strong>in</strong>gewiesen (z.B. Postulat Baumberger vom 2.10.1975 betreffend Revision<br />
des Aktienrechts, Postulat <strong>der</strong> Kommission für Rechtsfragen des Stän<strong>der</strong>ates vom<br />
15.04.1992 betreffend Gesellschaftsform für Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe und Antrag zu e<strong>in</strong>er<br />
Motion von Nationalrat Flüh vom 10.12.1992 betreffend Gesellschaftsform für Kle<strong>in</strong>und<br />
Mittelbetriebe – vgl. dazu GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“, a.a.O.,<br />
S. 21 ff.), welches ansatzweise etwa im VERRG verwirklicht wird.<br />
297<br />
PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />
S. 126 ff.<br />
298<br />
EXPERTENKOMMISSION „RECHNUNGSLEGUNGSRECHT“, Revision des Rechnungslegungsrechtes,<br />
Vorentwürfe und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />
und Revision (RRG) und zu e<strong>in</strong>er Verordnung über die Zulassung von Abschlussprüfern<br />
(VZA) vom 28. Juni 1998 zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und<br />
Polizeidepartementes. – Vgl. dazu unten S. 183 ff.<br />
109
ausdrücklich zulässig s<strong>in</strong>d. Konkret geht es um die Frage nach <strong>der</strong> Berechtigung<br />
<strong>der</strong> Beschränkung gewisser gesetzlicher Typen auf die Verfolgung<br />
wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher Zwecke. E<strong>in</strong>e solche<br />
Beschränkung lässt sich nur rechtfertigen, wenn wichtige Gründe dafür<br />
bestehen, die Art und Weise <strong>der</strong> Verfolgung wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher<br />
Zwecke zw<strong>in</strong>gend vorzuschreiben. 299 Wie bereits im Zusammenhang<br />
mit dem Führen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens ausgeführt<br />
wurde, s<strong>in</strong>d solche Gründe nicht ersichtlich. Entsprechend<br />
stehen die meisten Verbandsformen des schweizerischen Rechts bereits<br />
heute für die Verfolgung sowohl wirtschaftlicher als auch nichtwirtschaftlicher<br />
Zwecke offen. 300 Nach Ansicht MENGIARDIS kennt die<br />
schweizerische Rechtsordnung daher den Grundsatz <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung<br />
gar nicht, wenn es um die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke geht. 301<br />
Auch die meisten unserer Nachbarrechtsordnungen s<strong>in</strong>d entsprechend<br />
konzipiert. 302 Es ist daher nicht e<strong>in</strong>zusehen, weshalb ausgerechnet <strong>der</strong><br />
Vere<strong>in</strong> – als e<strong>in</strong>zige Gesellschaftsform – Beschränkungen unterstehen<br />
soll, welche an e<strong>in</strong> Kriterium anknüpfen, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis nicht s<strong>in</strong>nvoll<br />
ersche<strong>in</strong>t. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass das Abgrenzungskriterium,<br />
welches für allfällige Beschränkungen handhabbar wäre, das<br />
Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens ist. Da das Gesetz <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens aber ausdrücklich<br />
erlaubt, sollte die Verwendungsmöglichkeit des Vere<strong>in</strong>s nicht<br />
unter Berufung auf das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung und gestützt auf e<strong>in</strong>en<br />
allfälligen wirtschaftlichen Zweck beschränkt werden. Dies bed<strong>in</strong>gt allerd<strong>in</strong>gs,<br />
dass für wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bestimmte Probleme an<strong>der</strong>s<br />
angegangen und gelöst werden müssen als für herkömmliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
welche beim Verfassen des Textes des ZGB im Vor<strong>der</strong>grund standen. 303<br />
d) Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung<br />
Die bereits dargestellte Me<strong>in</strong>ung, aus dem Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus<br />
<strong>der</strong> Gesellschaftstypen ergebe sich, dass die analoge Anwendung von<br />
299<br />
PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />
S. 196.<br />
300<br />
Vgl. dazu bereits S. 31.<br />
301<br />
PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 197 f. und S. 126 ff.<br />
302<br />
PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 196 f.<br />
303<br />
Dieser Gedanke f<strong>in</strong>det sich auch im Urteil des Appellationsgerichts Bern vom<br />
27.06.1986 (<strong>Schweiz</strong>erischer Reit- und Fahrsportverband, ZBJV 124, S. 311 ff.) – Vgl. dazu ausführlich<br />
Teil C dieser Arbeit S. 127 ff.<br />
110
Normen e<strong>in</strong>er Gesellschaftsform auf e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e ausgeschlossen sei, 304<br />
ist abzulehnen. Die Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung im Gesellschaftsrecht<br />
ist namentlich dann zu bejahen, wenn feststeht, dass bei <strong>der</strong><br />
Formulierung von Gesetzesbestimmungen nicht von den heute bestehenden<br />
Realitäten ausgegangen worden ist. Im Handels- und Wirtschaftsrecht<br />
hatten die Rechtstatsachen seit jeher e<strong>in</strong>en wesentlichen<br />
E<strong>in</strong>fluss auf die Rechtslage (normative Kraft des Faktischen). KRAMER<br />
führt im Rahmen se<strong>in</strong>er Ausführungen zum Vorrang <strong>der</strong> entstehungszeitlichen<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> geltungszeitlichen Interpretation aus: „Wird die<br />
Stellungnahme des historischen Gesetzgebers und die daraus ableitbare<br />
Interpretation heutigen Gegebenheiten nicht mehr gerecht, wi<strong>der</strong>sprechen<br />
sie vor allem auch Wertungen, die sich aus aktueller Gesetzgebung<br />
ableiten lassen, so muss sich <strong>der</strong> Interpret ke<strong>in</strong>eswegs zähneknirschend<br />
<strong>in</strong> das ihm historisch Vorgegebene fügen, son<strong>der</strong>n ist zu e<strong>in</strong>er gegenwartsbezogenen<br />
Interpretation befugt, ja sogar verpflichtet.“ 305 In diesem<br />
Zusammenhang bemerkenswert ist auch e<strong>in</strong> jüngerer Entscheid des<br />
Bundesgerichts zur Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit von Umwandlungen im Gesellschaftsrecht.<br />
Obwohl das Bundesgericht ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>gewiesen<br />
hat, dass im konkreten Fall erhebliche Gläubiger-, Aktionärs-<br />
und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<strong>in</strong>teressen auf dem Spiel standen, und die <strong>in</strong> Frage stehende<br />
Umwandlung e<strong>in</strong>er Gesellschaft mit beschränkter Haftung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Aktiengesellschaft auch als „de nature [...] à violer des dispositions<br />
impératives sur la structure de base des différentes formes juridiques en<br />
cause ou édictées dans l’<strong>in</strong>térêt public“ bezeichnete, liess es die Umwandlung<br />
dennoch zu. Das Bundesgericht wies als Begründung auf die<br />
Entwicklung des „contexte économique“ seit <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> Bestimmungen<br />
des OR h<strong>in</strong>, welche <strong>der</strong> Gesetzgeber offenbar nicht vorausgesehen<br />
hatte. Den gefährdeten Gläubiger-, Aktionärs- und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<strong>in</strong>teressen<br />
trug das Bundesgericht nicht dadurch Rechnung, dass es<br />
304 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 11 N 4; PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften<br />
und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 145. Vgl. S. 105.<br />
305 ERNST A. KRAMER, Juristische Methodenlehre, Bern 1998, S. 104, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />
Die von KRAMER an an<strong>der</strong>er Stelle geäusserte Me<strong>in</strong>ung (a.a.O., S. 169 f.), die Bejahung<br />
<strong>der</strong> Zulässigkeit von wirtschaftliche Zwecke verfolgenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unter blosser<br />
Rücksicht auf die „réalité des faits économiques“ stelle e<strong>in</strong>e illegitime Entscheidung<br />
„contra rationem legis“ dar, vermag h<strong>in</strong>gegen nicht zu überzeugen. Dies <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
deshalb, weil die Darstellung <strong>der</strong> Entstehungsgeschichte <strong>der</strong> Bestimmungen des ZGB<br />
zeigt, dass die Zwecksetzung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen gesetzlichen Regelungen ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>deutig<br />
ist (was gemäss KRAMER e<strong>in</strong>e Voraussetzung für die Unzulässigkeit des Judizierens<br />
„contra rationem legis“ wäre).<br />
111
die geplante Umwandlung untersagte, son<strong>der</strong>n dadurch, dass es <strong>in</strong> Anwendung<br />
von Art. 1 Abs. 2 und 3 ZGB Regeln aufstellte, welche dem<br />
Schutz <strong>der</strong> gefährdeten Interessen dienen. 306<br />
Die Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung muss aber auch dann<br />
gelten, wenn das Gesetz für gewisse Fragen dispositive Bestimmungen<br />
enthält, die für e<strong>in</strong>en konkreten Sachverhalt nicht passen. So führt denn<br />
etwa KOLLER aus, dass selbst <strong>der</strong> numerus clausus <strong>der</strong> Gesellschaftsformen<br />
lediglich erfor<strong>der</strong>t, dass die zw<strong>in</strong>genden Bestimmungen <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Gesellschaftsform unmittelbar angewendet werden. H<strong>in</strong>gegen<br />
muss h<strong>in</strong>sichtlich aller Elemente, welche <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Gesellschaftsform<br />
lediglich durch dispositive gesetzliche Bestimmungen geregelt s<strong>in</strong>d,<br />
gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB e<strong>in</strong>e Normberichtigung vorgenommen werden,<br />
wenn die dispositiven Bestimmungen für den konkreten Sachverhalt<br />
nicht passen. 307 Dies geschieht s<strong>in</strong>nvollerweise mittels Analogien zu<br />
an<strong>der</strong>en Gesellschaftsformen. Die Beachtung von solchen Regeln ist<br />
aber nicht nur bei eigentlichen Gesetzeslücken zulässig. RIEMER führt<br />
diesbezüglich zutreffend aus, dass die Regeln an<strong>der</strong>er Gesellschaftsformen<br />
auch als Hilfsmittel zur Beantwortung von Auslegungs- und Anwendungsfragen<br />
betreffend geschriebenes Vere<strong>in</strong>srecht beigezogen werden<br />
können. 308<br />
Schliesslich s<strong>in</strong>d mit RIEMER auch im Zusammenhang mit an<strong>der</strong>en<br />
Gesellschaftsformen entwickelte und geschriebene Regeln zu an<strong>der</strong>en<br />
Gesellschaften auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> anzuwenden, sofern diesen allgeme<strong>in</strong>er o<strong>der</strong><br />
gar fundamentaler Charakter für das Gesellschaftsrecht zukommt. 309 Die<br />
folgenden Ausführungen 310 werden zeigen, dass bei <strong>der</strong> neueren Gesetzgebung<br />
die Tendenz besteht, gewisse Probleme – die sich im ganzen Gesellschaftsrecht<br />
rechtsformunabhängig stellen – mit e<strong>in</strong>heitlichen, von<br />
den e<strong>in</strong>zelnen Gesellschaftsformen losgelösten Regeln anzugehen. Angesichts<br />
dieser Entwicklung ersche<strong>in</strong>t es erst recht unbedenklich, <strong>in</strong> Bereichen,<br />
<strong>in</strong> welchen die Gesetzgebung <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne noch nicht sehr<br />
306 BGE 125 III 18.<br />
307 ARNOLD KOLLER, Grundfragen e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg<br />
1967, S. 168 ff. Im e<strong>in</strong>zelnen ist wie folgt vorzugehen: Zunächst ist zu ermitteln, welche<br />
Interessen auf dem Spiel stehen. Dann ist zu prüfen, wie das Gesetz ähnliche Interessenlagen<br />
bewertet und die anstehenden Probleme löst. Dies führt zum Schluss, dass bestimmte<br />
Gesetzesnormen wegen Gleichwertigkeit des <strong>in</strong> ihnen geregelten Tatbestandes<br />
mit dem <strong>in</strong> Frage stehenden analog anzuwenden s<strong>in</strong>d.<br />
308 HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 77, Bern 1990.<br />
309 DERS., a.a.O. N 100. In gleichem S<strong>in</strong>ne auch R. DALLAFIOR, Durchsetzung des gesetzlichen<br />
Anspruchs auf E<strong>in</strong>berufung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sversammlung, SJZ 85 (1989), S. 377.<br />
310 S. 117 und ausführlich S. 183 ff. betreffend das geplante Rechnungslegungsgesetz.<br />
112
fortgeschritten ist, sachlich s<strong>in</strong>nvolle Regeln analog anzuwenden, um berechtigte<br />
Interessen zu schützen.<br />
In <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts f<strong>in</strong>den sich verschiedentlich<br />
Beispiele analoger Rechtsanwendung im Gesellschaftsrecht. Aus<br />
dem Bereich des Vere<strong>in</strong>srechts sei an dieser Stelle lediglich auf BGE 76<br />
II 281 (<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche, 1950) 311 und BGE<br />
82 II 292 (Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956) 312 h<strong>in</strong>gewiesen. 313<br />
Auch im Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom<br />
27.05.1991 314 wird festgehalten: „It seems to the majority of the Tribunal<br />
unsound to say that the form of a Vere<strong>in</strong> is unsuitable for an association<br />
of commercial enterprises [...] and then when they do exist and are approved<br />
by the Fe<strong>der</strong>al (Supreme) Court to apply to such associations restrictions<br />
clearly designed for and directed to a quite different type of<br />
association.“ Die Mehrheit des Schiedsgerichts bejahte entsprechend die<br />
Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung und folgte dar<strong>in</strong> dem Parteigutachten<br />
von PROF. FRANK VISCHER. 315<br />
Zusammenfassend kann mit WERNER VON STEIGER festgehalten<br />
werden: Der „typologische Boden“ wird dort schwankend, „wo es um<br />
Auslegungsfragen geht – dies vor allem deshalb, weil es gerade <strong>in</strong> den<br />
wichtigsten Gebieten kaum (o<strong>der</strong> gar nicht) möglich ist, genügend feststehende<br />
gesetzliche Leitbil<strong>der</strong> zu f<strong>in</strong>den. Dies muss sich auch auf die<br />
Rechtsanwendung auswirken, wobei <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> Diskussion<br />
offensichtlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Tragweite allgeme<strong>in</strong>er (oberster)<br />
Pr<strong>in</strong>zipien – kodifizierter und ungeschriebener – und damit ihrer Anwendbarkeit<br />
auf die verschiedenen Gesellschafts-Formen und -Typen<br />
liegt. Hier die – unter Abwägung <strong>der</strong> Postulate <strong>der</strong> Rechtssicherheit und<br />
<strong>der</strong> Fallgerechtigkeit – richtige Lösung zu f<strong>in</strong>den, ist e<strong>in</strong>e Aufgabe, die<br />
nicht nach abstrakten Regeln, son<strong>der</strong>n nur nach richtigem Ermessen<br />
gelöst werden kann.“ 316<br />
311<br />
Vgl. dazu S. 44.<br />
312<br />
Vgl. dazu S. 46.<br />
313<br />
E<strong>in</strong>e umfassen<strong>der</strong>e Aufzählung f<strong>in</strong>det sich bei HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art.<br />
60-79 ZGB N 78 ff., Bern 1990.<br />
314<br />
Vgl. dazu S. 56.<br />
315<br />
Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 18 f.<br />
316<br />
WERNER VON STEIGER, SPR VIII/1, Gesellschaftsrecht, Basel 1976, S. 309 f.<br />
113
e) Schlussfolgerungen<br />
Das typologische Argument steht <strong>der</strong> Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />
wirtschaftlichem Zweck nicht entgegen. Zur Anerkennung solcher<br />
braucht <strong>der</strong> numerus clausus <strong>der</strong> Gesellschaftstypen nicht unbed<strong>in</strong>gt erweitert<br />
zu werden, wenn man sich vor Augen hält, dass das schweizerische<br />
Recht den Grundsatz <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung nicht kennt, wenn es um<br />
die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke geht, und dass gemäss ausdrücklicher<br />
gesetzlicher Anordnung wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zulässig<br />
s<strong>in</strong>d, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben.<br />
Durch die Anwendung neuer gesetzlicher Regeln, wie sie etwa das geplante<br />
Rechnungslegungsgesetz vorsieht, und durch Berücksichtigung<br />
allgeme<strong>in</strong>-gesellschaftsrechtlicher Pr<strong>in</strong>zipien sowie durch analoge Anwendung<br />
von passenden Bestimmungen zu an<strong>der</strong>en Gesellschaftsformen<br />
können Regeln gefunden werden, welche wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />
und ohne kaufmännischem Unternehmen gerecht werden.<br />
114
VIII. Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Argumente<br />
für die Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />
wirtschaftlichem Zweck als Teilkategorie<br />
von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />
1. Vorbemerkungen<br />
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass es gute Gründe dafür<br />
gibt, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck mit dem Bundesgericht<br />
und e<strong>in</strong>em Teil <strong>der</strong> Lehre als zulässig anzuerkennen. Angesichts <strong>der</strong><br />
neuesten Tendenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesetzgebung gilt dies gar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren<br />
Masse, als es das Bundesgericht bis anh<strong>in</strong> getan hat. Für entsprechende<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> müssen jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bereichen an<strong>der</strong>e Regeln gelten, als<br />
sie für herkömmliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> entwickelt worden s<strong>in</strong>d. Zugleich s<strong>in</strong>d<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck nicht isoliert zu betrachten, son<strong>der</strong>n<br />
<strong>in</strong> Zusammenhang zu stellen mit weiteren Ersche<strong>in</strong>ungsformen, die<br />
ebenfalls beson<strong>der</strong>er Regeln bedürfen: Nämlich mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters.<br />
Im folgenden werden die e<strong>in</strong>zelnen Argumente nochmals übersichtsartig<br />
wie<strong>der</strong>gegeben, bevor im H<strong>in</strong>blick auf die beson<strong>der</strong>en Regeln 317<br />
dargestellt wird, für welche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> diese Regeln Geltung beanspruchen.<br />
2. Status quo<br />
a) Diskrepanz zwischen Gesetz und Rechtswirklichkeit<br />
Die geltende Regelung des ZGB ist für kle<strong>in</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> konzipiert, die<br />
sich nicht am Wirtschaftsleben beteiligen. Entsprechend s<strong>in</strong>d die gesetzlichen<br />
Bestimmungen des ZGB weitgehend dispositiver Natur und enthalten<br />
– im Gegensatz zu jenen für die Gesellschaftsformen des OR –<br />
ke<strong>in</strong>e expliziten Bestimmungen über den Gläubigerschutz. Trotz dieser<br />
Konzeption haben sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit e<strong>in</strong>e Vielzahl von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
gebildet, welche den genannten Rahmen sprengen. 318 Diese Entwicklung<br />
wurde unter an<strong>der</strong>em durch die Tatsache begünstigt, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
gemäss geltendem Gesetz e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen führen<br />
317 Diese Regeln f<strong>in</strong>den sich im Abschnitt C, Beson<strong>der</strong>e Problemkreise, S. 127 ff.<br />
318 S. 7 ff. und S. 34 ff.<br />
115
dürfen. 319 An<strong>der</strong>erseits ist auch <strong>der</strong> Umstand massgebend, dass das Bundesgericht<br />
schon vergleichsweise früh <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung<br />
und namentlich mit „wirtschaftlichem Zweck“ unter bestimmten<br />
Bed<strong>in</strong>gungen zugelassen hat.<br />
b) E<strong>in</strong>stellung von Judikatur und Doktr<strong>in</strong><br />
Während die Doktr<strong>in</strong> zwar e<strong>in</strong>zelne konkrete Fälle von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />
wirtschaftlicher Ausrichtung billigt, stellte sie sich bis anh<strong>in</strong> auf theoretischer<br />
Ebene überwiegend auf den Standpunkt, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit „wirtschaftlichem<br />
Zweck“ seien gemäss <strong>der</strong> Regelung des ZGB unzulässig. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
ist es <strong>der</strong> Lehre bis heute nicht gelungen, e<strong>in</strong>deutige Kriterien<br />
dafür festzulegen, wann e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“ verfolgt.<br />
In diesem Zusammenhang beson<strong>der</strong>s heikel ist auch die Abgrenzung<br />
des Zwecks von den Mitteln, welche gemäss herrschen<strong>der</strong> Lehre<br />
wirtschaftlich se<strong>in</strong> dürfen. Die diesbezüglichen Kriterien, welche von<br />
<strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> angeboten werden, ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis unpraktikabel,<br />
namentlich wenn <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>e Mehrzahl von Zwecken verfolgen o<strong>der</strong><br />
wenn sie im Laufe <strong>der</strong> Zeit neue Zwecke anvisieren o<strong>der</strong> Schwerpunkte<br />
verlagern. 320<br />
Demgegenüber nahm das Bundesgericht schon sehr früh e<strong>in</strong>e wesentlich<br />
permissivere Haltung e<strong>in</strong>. Es erkannte zu Recht, dass sich die Kriterien<br />
„wirtschaftlicher Zweck“ und wirtschaftliche Tätigkeit (namentlich<br />
<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens) nicht e<strong>in</strong>deutig trennen<br />
lassen, und dass die wirtschaftliche Tätigkeit e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss<br />
auf die Ausgestaltung des Gläubigerschutzes haben muss. 321<br />
c) Ungenügende gesetzliche Regelung für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit kaufmännischem<br />
Unternehmen<br />
Die geltende Regelung des ZGB ersche<strong>in</strong>t für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ungenügend,<br />
welche e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben. Unabhängig davon,<br />
ob e<strong>in</strong>e Gesellschaft e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen<br />
Zweck verfolgt, besteht e<strong>in</strong> Bedarf nach verstärktem Gläubigerschutz,<br />
sobald die Gesellschaft im Rechtsverkehr – aufgrund von Verträgen<br />
über Sach- o<strong>der</strong> Dienstleistungen – erhebliche Vermögenswerte<br />
319 S. 95 ff.<br />
320 S. 69 ff.<br />
321 S. 34 ff.<br />
116
ewegt beziehungsweise umsetzt. Ausschlaggebend ist <strong>der</strong> damit verbundene<br />
Publikumskontakt. 322<br />
3. Neue Perspektiven<br />
Das <strong>in</strong> Vorbereitung bef<strong>in</strong>dliche Rechnungslegungsgesetz eröffnet für<br />
die Frage nach <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Ausrichtung<br />
neue Perspektiven. Das geplante Gesetz soll gemäss Vorentwurf<br />
rechtsformunabhängige Bestimmungen betreffend den Gläubigerschutz<br />
bei Gesellschaften enthalten. Die entsprechenden Regeln dienen<br />
auch dem Schutz <strong>der</strong> Betriebsangehörigen und <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. 323 Sie entsprechen<br />
bereits heute geltenden, im OR enthaltenen Bestimmungen,<br />
welchen fundamentaler Charakter für das Gesellschaftsrecht zukommt;<br />
dies nicht zuletzt deshalb, weil die übernommenen Bestimmungen des<br />
geltenden Rechts aufgrund von Querverweisen bereits heute für die meisten<br />
Gesellschaftsformen gelten. 324 Wenn <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />
Zweck, bei denen sich diesbezüglich Probleme ergeben, den Bestimmungen<br />
des geplanten Rechnungslegungsgesetzes unterstellt werden, so<br />
wird das Argument h<strong>in</strong>fällig, nur die Son<strong>der</strong>ordnung des OR werde <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
mit wirtschaftlichem Zweck gerecht. 325<br />
322 S. 95 ff.<br />
323 Vgl. MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage<br />
Bern 1998, § 8 N 5 ff.; Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über Rechnungslegung<br />
und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 63.<br />
324 Auf diesen Umstand wird ausführlich S. 182 ff. e<strong>in</strong>gegangen.<br />
325 In diesem S<strong>in</strong>ne etwa RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 60 und S. 153 f. – Im<br />
übrigen sei auf die Ausführungen PEIDER MENGIARDIS, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts,<br />
ZSR 87 II (1968), S. 133 und 202 f. verwiesen: Ke<strong>in</strong> gesetzlicher Typus<br />
kann den Gläubigern e<strong>in</strong>e Gewähr für die Kreditwürdigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft bieten. Wer<br />
sich mit e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Geschäftsbeziehungen e<strong>in</strong>lässt, muss sich bewusst<br />
se<strong>in</strong>, dass unter Umständen ke<strong>in</strong> Haftungssubstrat vorhanden ist. Beim Vere<strong>in</strong> stellen sich<br />
<strong>in</strong> dieser Beziehung ke<strong>in</strong>e unbekannten Probleme. In Bezug auf die Publizität und die<br />
Buchführungspflicht gelten für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche e<strong>in</strong> nach kaufmännischer Art geführtes<br />
Gewerbe betreiben, bereits nach geltendem Recht die selben Vorschriften wie für die<br />
ausserordentlich verbreiteten E<strong>in</strong>zelunternehmungen (gemäss MEIER-HAYOZ /<br />
FORSTMOSER, a.a.O., § 25 N 19, waren Ende 1996 im Handelsregister 131'285 E<strong>in</strong>zelfirmen<br />
e<strong>in</strong>getragen), mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Den Publizitätsvorschriften<br />
darf im Zusammenhang mit den Interessen Dritter ke<strong>in</strong> allzu grosses Gewicht<br />
beigemessen werden. Wer mit e<strong>in</strong>er Personengesellschaft o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er juristischen Person<br />
geschäftliche Beziehungen aufnehmen möchte, begnügt sich selten mit den Angaben, die<br />
ihm das Handelsregister gibt, sofern dieses überhaupt konsultiert wird. In <strong>der</strong> Regel wird<br />
e<strong>in</strong> allfälliger Kredit von bestimmten Sicherheiten o<strong>der</strong> von den <strong>in</strong>ternen Verhältnissen<br />
abhängig gemacht, welche dem Handelsregister nicht zu entnehmen s<strong>in</strong>d.<br />
117
4. Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck<br />
a) Weiterentwicklung <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />
Angesichts <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit, <strong>der</strong> permissiven Rechtsprechung<br />
und <strong>der</strong> neuesten Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesetzgebung kann heute die<br />
Rechtsprechung des Bundesgerichts s<strong>in</strong>nvoll weiterentwickelt werden:<br />
Indem für die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nicht mehr <strong>der</strong> von ihnen verfolgte<br />
Zweck entscheidend ist, kann e<strong>in</strong>e Vielzahl von – sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Theorie als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis ungelöster – Probleme überwunden werden.<br />
Ausserdem wird die Rechtswirklichkeit nicht wie bisher ignoriert. In<br />
diesem Zusammenhang sei auf Ausführungen <strong>der</strong> GROUPE DE<br />
RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“ betreffend atypische Genossenschaften<br />
verwiesen: „Nach Auffassung <strong>der</strong> GROUPE DE RÉFLEXION<br />
kann es nicht darum gehen, das Rad <strong>der</strong> Geschichte zurückzudrehen und<br />
den Organisationen, die sich als Genossenschaften gebildet haben, die<br />
Rechtsform künftig zu versagen. Auch bei atypischen Gesellschaften erfüllt<br />
die Rechtsform <strong>der</strong> Genossenschaft legitime Bedürfnisse, denen die<br />
übrigen Gesellschaftsformen nicht gerecht werden.“ 326 – Analoges muss<br />
auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten.<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d daher unabhängig von ihrem Zweck als zulässig zu betrachten.<br />
Sofern sie dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft zuzuordnen s<strong>in</strong>d, müssen<br />
sie jedoch Regeln unterstehen, welche die geschriebenen Regeln des<br />
ZGB ergänzen. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass namentlich<br />
<strong>der</strong> Gläubigerschutz für solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>nvoll gelöst werden<br />
kann. 327 Indem solche Regeln primär mittels Analogien zu an<strong>der</strong>en Gesellschaften<br />
geschaffen werden, kann auch dem Grundgedanken von<br />
Art. 59 Abs. 2 ZGB Nachachtung verschafft werden: <strong>Wirtschaftliche</strong><br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unterstehen <strong>in</strong> den relevanten Fragen den „Bestimmungen über<br />
die Gesellschaften und Genossenschaften“.<br />
Die Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem Zweck“ wi<strong>der</strong>spricht<br />
wie gezeigt nicht den Grundsätzen <strong>der</strong> Typenlehre. 328 Es ersche<strong>in</strong>t<br />
zweifelhaft, ob das schweizerische Recht h<strong>in</strong>sichtlich des Kriteriums<br />
„wirtschaftlicher Zweck“ den Grundsatz <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung kennt.<br />
Da wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bereits im Gesetz angelegt s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>dem Ver-<br />
326<br />
Schlussbericht vom 24.09.1993, S. 60.<br />
327<br />
Abschnitt C, Beson<strong>der</strong>e Problemkreise, S. 127 ff.<br />
328<br />
S. 103 ff.<br />
118
e<strong>in</strong>e ausdrücklich zur Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens berechtigt<br />
s<strong>in</strong>d, wird <strong>der</strong> numerus clausus <strong>der</strong> Gesellschaftsformen nicht<br />
gesprengt. Auf dem Gebiet des Vere<strong>in</strong>srechts wird vielmehr e<strong>in</strong>er Realität<br />
Rechnung getragen, wie sie im Bereich <strong>der</strong> Unternehmensstiftungen<br />
329 und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaften, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe<br />
betreiben, 330 längst anerkannt ist.<br />
b) Abgrenzung zulässiger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> von Gebilden, für welche die Vere<strong>in</strong>sform<br />
nicht zur Verfügung steht<br />
Wenn die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem Zweck“<br />
postuliert wird, so bedeutet dies nach <strong>der</strong> hier vertretenen Auffassung<br />
unter an<strong>der</strong>em, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> auch Gew<strong>in</strong>ne an ihre Mitglie<strong>der</strong> ausschütten<br />
dürfen. 331 Die nachfolgend aufgestellten Regeln werden zeigen, dass<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden kann, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zur hemmungslosen Gew<strong>in</strong>nerzielung<br />
verwendet werden, ohne dass Dritte ausreichend geschützt werden.<br />
Dennoch ist an dieser Stelle ausdrücklich festzuhalten, wo die Grenze<br />
für die Möglichkeit <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform weiterh<strong>in</strong> verläuft:<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d wie gezeigt Personengesellschaften, im Gegensatz etwa zur<br />
Aktiengesellschaft, welche zu den Kapitalgesellschaften gehört. 332 Gebilde,<br />
welche eigentlich Kapitalgesellschaften s<strong>in</strong>d, dürfen sich nicht <strong>der</strong><br />
Vere<strong>in</strong>sform bedienen. Wesentlich für die Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform<br />
ist daher das personalistische Element: Tätigkeit und Mitglie<strong>der</strong>kreis<br />
müssen aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogen se<strong>in</strong>. Die zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Arbeit vorgestellten<br />
Beispiele von wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n und Grossvere<strong>in</strong>en<br />
weisen denn auch personenbezogene Strukturen auf: Sie s<strong>in</strong>d auf<br />
bestimmte persönliche Eigenschaften <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> angewiesen. Die<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> Deloitte Touche Tohmatsu, Deloitte Consult<strong>in</strong>g, Coopers & Lybrand,<br />
KPMG International und KLegal International Association wollen etwa nur<br />
Mitglie<strong>der</strong> aufnehmen, die bestimmte berufliche Qualifikationen<br />
erfüllen. Die Mitglie<strong>der</strong> des Comité International Olympique s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong>flussreiche Persönlichkeiten des Sportlebens. Den Grossvere<strong>in</strong>en<br />
329<br />
Grundlegend H. GRÜNINGER, Die Unternehmensstiftung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Basel<br />
1984; vgl. auch MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />
8. Auflage Bern 1998, § 22.<br />
330<br />
Vgl. dazu etwa MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 4 N 67.<br />
331<br />
Vgl. dazu S. 149.<br />
332<br />
S. 106.<br />
119
Tour<strong>in</strong>g Club <strong>Schweiz</strong> und Automobil Club <strong>Schweiz</strong> gehören Personen <strong>in</strong><br />
ihrer Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer an.<br />
Wenn h<strong>in</strong>gegen die Mitglie<strong>der</strong> auf anonyme, auf austauschbare Beteiligungs<strong>in</strong>haber<br />
ausgerichtete Gew<strong>in</strong>nerzielung aus s<strong>in</strong>d (wenn die Gesellschaft<br />
e<strong>in</strong>e blosse, womöglich börsengängige „Cash-Masch<strong>in</strong>e“ se<strong>in</strong><br />
soll), steht die Gesellschaftsform Vere<strong>in</strong> nicht zur Verfügung; <strong>in</strong> diesem<br />
Fall ist e<strong>in</strong>e Kapitalgesellschaft zu gründen. Die nachfolgend aufgestellten<br />
Regeln, welche namentlich vorsehen, dass die Mitglie<strong>der</strong> unter bestimmten<br />
Umständen persönlich haftbar werden 333 , machen die Vere<strong>in</strong>sform<br />
für solche Unternehmen denn auch unattraktiv.<br />
Die Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform wird so von <strong>der</strong><br />
Ebene des unfassbaren, subjektiv gefärbten „wirtschaftlichen Zweckes“<br />
auf die fundamentale Ebene <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>gültigen Unterscheidung Personengesellschaft<br />
– Kapitalgesellschaft verlagert.<br />
5. Beson<strong>der</strong>e Regeln für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
a) <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit zusätzlichem Regelungsbedarf<br />
Es wurde bereits mehrfach erwähnt, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit „wirtschaftlichem<br />
Zweck“ anerkannt werden können, wenn sie beson<strong>der</strong>en flankierenden<br />
Regeln unterstellt werden, wie sie teilweise bereits durch das<br />
Bundesgericht entwickelt worden s<strong>in</strong>d. Ebenfalls ausgeführt wurde, dass<br />
die gesetzliche Regelung des ZGB generell für diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ungenügend<br />
ersche<strong>in</strong>t, welche e<strong>in</strong> gemäss Gesetz ausdrücklich zulässiges<br />
kaufmännisches Unternehmen betreiben. Die nachfolgend zusammengestellten<br />
Regeln müssen folglich für diese beiden Arten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
gelten.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs ist e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Ziele dieser Untersuchung, vom Kriterium des<br />
„wirtschaftlichen Zwecks“ wegzukommen, weil dieses <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />
nicht handhabbar ist. Die Umschreibung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche unter die<br />
nachfolgenden Regeln fallen, versucht daher, ohne Bezug auf den Zweck<br />
auszukommen. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass etwa<br />
für die Ausgestaltung des Gläubigerschutzes weniger entscheidend ist,<br />
welchen Zweck e<strong>in</strong>e Gesellschaft verfolgt, als vielmehr <strong>der</strong> Umstand,<br />
<strong>in</strong>wiefern sie mit Dritten <strong>in</strong> Kontakt tritt. Dieses äusserlich wahrnehmbare<br />
Kriterium muss demnach hier relevant se<strong>in</strong>, unabhängig vom subjektiv<br />
und psychologisch bestimmten verfolgten Zweck.<br />
333 S. 158 ff.<br />
120
Beim Erlass des ZGB standen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Vor<strong>der</strong>grund, die <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />
Verhältnissen <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong> Geselligkeit dienen. Im Gegensatz zu diesen<br />
sollen diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unter die flankierenden Regeln fallen, welche<br />
dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft zuzurechnen s<strong>in</strong>d. 334 Abgesehen von<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche hohe Umsätze erzielen, s<strong>in</strong>d dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
auch solche zuzurechnen, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> selber Unternehmen<br />
s<strong>in</strong>d, und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die selbst als Unternehmen am Wirtschaftsleben teilnehmen.<br />
Für alle diese Vere<strong>in</strong>sarten, welche <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit<br />
als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters bezeichnet werden, müssen unabhängig<br />
vom verfolgten Zweck die nachfolgend entwickelten Regeln gelten,<br />
weil ihnen die im ZGB enthaltenen Regeln nicht gerecht werden.<br />
Die Regeln des ZGB ersche<strong>in</strong>en für e<strong>in</strong>e weitere Kategorie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
nicht ausreichend: Für Grossvere<strong>in</strong>e. Inwiefern auch Grossvere<strong>in</strong>e<br />
den flankierenden Regeln unterstellt werden sollen, wird sogleich zu<br />
untersuchen se<strong>in</strong>. 335<br />
b) Umschreibung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
E<strong>in</strong> wichtiger Umstand, <strong>der</strong> hilft, die ablehnende Haltung gegenüber<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem Zweck“ aufzugeben, ist das geplante<br />
Rechnungslegungsgesetz. Die dar<strong>in</strong> enthaltenen rechtsformunabhängigen<br />
Gläubiger-, Anleger- und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutzbestimmungen müssen<br />
für alle <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters gelten. Daher ersche<strong>in</strong>t es<br />
s<strong>in</strong>nvoll, e<strong>in</strong>e genaue Umschreibung <strong>der</strong>jeniger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>er Son<strong>der</strong>behandlung bedürfen, auf<br />
den geplanten Anwendungsbereich des RRG abzustimmen.<br />
Das geplante RRG soll gemäss Art. 2 VERRG allgeme<strong>in</strong> für „juristische<br />
Personen, die im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> sich e<strong>in</strong>tragen<br />
lassen müssen“ gelten. Es soll ausserdem auch für „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> [...]<br />
auch ohne E<strong>in</strong>tragung und E<strong>in</strong>tragungspflicht [gelten], sofern ihre<br />
Grösse o<strong>der</strong> die Art ihrer Tätigkeit die Buchführung und Rechnungslegung<br />
erfor<strong>der</strong>lich machen“. Der VERRG geht mith<strong>in</strong> von drei Kategorien<br />
aus: <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister s<strong>in</strong>d<br />
jene, welche e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben (Art. 61 Abs. 2<br />
ZGB). <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d diejenigen,<br />
334 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative vaudoise d’allocations<br />
familiales, 1946, S. 42), wo darauf abgestellt wurde, ob man sich <strong>in</strong>nerhalb des Gebiets <strong>der</strong><br />
Wirtschaft bef<strong>in</strong>de. Vgl. auch MEILE, für den wesentlich ist, ob die Interessen e<strong>in</strong>er Organisation<br />
nach dem natürlichen menschlichen Empf<strong>in</strong>den dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
angehören (bereits S. 78).<br />
335 Nachfolgend S. 123.<br />
121
welche sich freiwillig e<strong>in</strong>getragen haben, ohne e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe<br />
zu betreiben. Schliesslich wird von e<strong>in</strong>er dritten – neuen – Kategorie<br />
ausgegangen, nämlich den <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>der</strong>en Grösse o<strong>der</strong> Art <strong>der</strong><br />
Tätigkeit die Buchführung und Rechnungslegung erfor<strong>der</strong>lich machen.<br />
Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b VERRG soll <strong>der</strong> Bundesrat die Kriterien<br />
festsetzen, wann die Grösse und Art <strong>der</strong> Tätigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s dessen<br />
Unterstellung unter das RRG erfor<strong>der</strong>lich machen.<br />
Der allgeme<strong>in</strong>e Anwendungsbereich des RRG (juristische Personen,<br />
die im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> sich e<strong>in</strong>tragen lassen müssen)<br />
erfasst bereits diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen<br />
betreiben. Im H<strong>in</strong>blick auf die angestrebte Kongruenz zwischen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters und den <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche<br />
unter das RRG fallen, s<strong>in</strong>d die weiteren Arten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters daher <strong>in</strong> die dritte Kategorie gemäss RRG e<strong>in</strong>zuordnen:<br />
Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>der</strong>en „Grösse o<strong>der</strong> Art ihrer Tätigkeit die Buchführung<br />
und Rechnungslegung erfor<strong>der</strong>lich machen“.<br />
Für die Art <strong>der</strong> Tätigkeit entscheidend s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits das bereits erfasste<br />
Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens 336 , an<strong>der</strong>erseits<br />
aber auch <strong>der</strong> Umstand, dass die Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s selbst Unternehmen<br />
s<strong>in</strong>d, o<strong>der</strong> dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> als solches am Wirtschaftsleben teilnimmt.<br />
Es ist davon auszugehen, dass sich Unternehmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />
dann zu e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> zusammenschliessen, wenn sie sich daraus Vorteile<br />
für ihre wirtschaftliche Tätigkeit erhoffen. Die Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> Mitgliedschaft wirkt sich <strong>in</strong>sofern auf die Art <strong>der</strong> Tätigkeit des Vere<strong>in</strong>s<br />
aus. Weiter muss aber auch <strong>der</strong> Umstand entscheidend se<strong>in</strong>, dass<br />
sich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> selbst als Unternehmen am Wirtschaftsleben beteiligt.<br />
Auch <strong>in</strong> diesem Fall liegt – unabhängig von <strong>der</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong><br />
Mitgliedschaft – e<strong>in</strong>e Tätigkeit vor, welche von den bestehenden Regeln<br />
des Vere<strong>in</strong>srechts nicht <strong>in</strong> allen Punkten genügend erfasst wird.<br />
Für die massgebliche Grösse e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d zwei Umstände entscheidend:<br />
E<strong>in</strong>erseits die Anzahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>, an<strong>der</strong>erseits die Höhe<br />
des Brutto-Umsatzes. Die Höhe des Umsatzes lehnt sich s<strong>in</strong>nvollerweise<br />
an e<strong>in</strong>e bekannte, im Gesetz bereits enthaltene Grösse an: Gemäss Art.<br />
54 HRegV kommt <strong>der</strong> Brutto-Umsatzhöhe von CHF 100'000.– e<strong>in</strong>e entscheidende<br />
Rolle zu. 337 E<strong>in</strong>e Anlehnung an diese Grösse bietet sich für<br />
diejenigen Fälle an, <strong>in</strong> welchen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen<br />
im S<strong>in</strong>ne des Gesetzes betreiben, aber dennoch hohe Umsätze er-<br />
336 Dieses Kriterium ist bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition von Art. 2 Abs. 1 lit. a VERRG enthalten<br />
und deckt sich teilweise mit den hier als massgeblich erachteten Umsätzen.<br />
337 Vgl. dazu S. 96.<br />
122
zielen. 338 Allerd<strong>in</strong>gs ist zu beachten, dass <strong>der</strong> Betrag gemäss HRegV von<br />
CHF 100'000.– seit Dezember 1971 nicht mehr angepasst worden ist. 339<br />
Gemäss Berechnungen gestützt auf den Landes<strong>in</strong>dex <strong>der</strong> Konsumentenpreise<br />
betrug die Teuerung im Zeitraum Januar 1972 bis Juli 2000 148.9<br />
%. 340 Würde <strong>der</strong> gemäss Art. 54 HRegV massgebliche Betrag heute an<br />
die Teuerung angepasst, so wäre im Jahr 2000 e<strong>in</strong>e Umsatzhöhe von<br />
etwa CHF 250'000.– entscheidend. Dieser Betrag ersche<strong>in</strong>t sowohl für<br />
den Anwendungsbereich <strong>der</strong> HRegV als auch für die Umschreibung <strong>der</strong><br />
Kategorie <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters angemessener, als <strong>der</strong><br />
Betrag von CHF 100'000.–. Solange die HRegV nicht geän<strong>der</strong>t wird, ist<br />
im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Praktikabilität dennoch e<strong>in</strong>e zur HRegV parallele Umschreibung<br />
zu wählen. H<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d – <strong>in</strong> Abweichung zur HRegV, aber<br />
entsprechend den steuerlichen Regeln – die Mitglie<strong>der</strong>beiträge für die<br />
Berechnung des massgeblichen Umsatzes nicht entscheidend. So kann<br />
erreicht werden, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht erfasst werden, die – abgesehen von<br />
<strong>der</strong> Sammlung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen – ke<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anziellen Tätigkeiten<br />
<strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne entfalten, dass sie im Wirtschaftsleben <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung<br />
treten. 341 Obwohl die <strong>in</strong> Teil C dieser Arbeit entwickelten Regeln auch<br />
dem Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> dienen, s<strong>in</strong>d entsprechende <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht<br />
dem „Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft“ zuzuordnen, solange sie ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> übrigen<br />
relevanten Kriterien erfüllen.<br />
Ähnliche Überlegungen s<strong>in</strong>d auch im Zusammenhang mit Grossvere<strong>in</strong>en<br />
anzustellen. Alle<strong>in</strong> die grosse Mitglie<strong>der</strong>zahl führt noch nicht dazu,<br />
dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> dem „Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft“ zuzurechnen ist. Dennoch<br />
machen e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Regeln, welche <strong>in</strong> Teil C dieser Arbeit beschrieben<br />
338<br />
Als Alternative käme auch e<strong>in</strong>e Anlehnung an die Bestimmungen des MWSTG <strong>in</strong><br />
Frage: Dies hätte zur Folge, dass bereits e<strong>in</strong> Umsatz von CHF 75'000.– entscheidend<br />
wäre. Allerd<strong>in</strong>gs würde sich bei dieser Variante das Problem <strong>der</strong> Behandlung von den von<br />
<strong>der</strong> Steuer ausgenommenen Umsätzen (Art. 18 MWSTG) und von den von <strong>der</strong> Steuerpflicht<br />
ausgenommenen Unternehmen (Art. 25 MWSTG) stellen. – Die Anlehnung an die<br />
Bestimmungen <strong>der</strong> HRegV hat zudem den Vorteil, dass so allfällige Schwierigkeiten im<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> Frage, ob e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen vorliegt, aus dem<br />
Weg geräumt werden können.<br />
339<br />
Vgl. Beschluss des Bundesrates vom 20.12.1971, AS 1971, S. 1839.<br />
340<br />
Auf <strong>der</strong> Basis September 1966 = 100 betrug <strong>der</strong> Index im Januar 1972 124.8, im<br />
Juli 2000 310.6.<br />
341<br />
Zu denken ist etwa an die Vielzahl sogenannter För<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>e, <strong>der</strong>en Tätigkeit sich<br />
darauf beschränkt, die Summe <strong>der</strong> erzielten Mitglie<strong>der</strong>beiträge z.B. an e<strong>in</strong>e Stiftung zu<br />
überweisen. In dieser Konstellation rechtfertigt sich etwa die Unterstellung unter die Regeln<br />
des RRG im Verhältnis zum Aufwand nicht. Entfaltet e<strong>in</strong> solcher Vere<strong>in</strong> h<strong>in</strong>gegen<br />
zusätzliche Aktivitäten, so führt <strong>der</strong> sich daraus ergebende Umsatz bei Erreichen <strong>der</strong> relevanten<br />
Höhe zur Anwendbarkeit <strong>der</strong> Regeln für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters.<br />
123
werden, auch für Grossvere<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>n. Es s<strong>in</strong>d dies namentlich Beson<strong>der</strong>heiten<br />
im Zusammenhang mit den Auskunftsrechten 342 und dem Persönlichkeitsschutz<br />
343 <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> sowie die Beson<strong>der</strong>heiten betreffend<br />
die Treuepflicht 344 und mögliche Auflösungsmodalitäten 345 . An sich bedürfen<br />
auch die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Grossvere<strong>in</strong>s des Schutzes, welchen die<br />
Regeln des geplanten RRG bieten. Dabei ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e an die Folgen<br />
aus <strong>der</strong> Pflicht zur Rechnungslegung 346 , zur Abschlussprüfung 347 und die<br />
Anzeigepflicht bei Überschuldung 348 zu denken. Der Zusatzaufwand,<br />
welcher sich aus den Regeln des RRG ergibt, ersche<strong>in</strong>t jedoch unverhältnismässig<br />
für diejenigen Grossvere<strong>in</strong>e, welche ke<strong>in</strong>en relevanten<br />
Umsatz erzielen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> übrigen massgeblichen Kriterien erfüllen.<br />
349 Im Rahmen <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> entsprechenden Regeln <strong>in</strong> Teil C<br />
wird daher jeweils auf Grossvere<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s h<strong>in</strong>gewiesen, ohne dass<br />
sie generell zu den <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters gezählt werden.<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf diese Regeln erfolgt auch die Festsetzung <strong>der</strong> für<br />
Grossvere<strong>in</strong>e massgeblichen Mitglie<strong>der</strong>zahl s<strong>in</strong>nvollerweise anhand bereits<br />
bestehen<strong>der</strong> Kriterien: Im Genossenschaftsrecht geht <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
davon aus, dass Genossenschaften mit mehr als 300 Mitglie<strong>der</strong>n<br />
als Grossgenossenschaften zu behandeln s<strong>in</strong>d. 350 Angesichts <strong>der</strong> Nähe<br />
von Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft – namentlich auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />
Stellung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> und des demokratischen Elements – ersche<strong>in</strong>t es<br />
342 S. 141.<br />
343 S. 148.<br />
344 S. 155.<br />
345 S. 209.<br />
346 S. 193.<br />
347 S. 195.<br />
348 S. 191 ff.<br />
349 Auch <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ist an die Vielzahl von För<strong>der</strong>- und Gönnervere<strong>in</strong>en<br />
zu denken, welche nicht <strong>der</strong> Wirtschaft zuzurechnen s<strong>in</strong>d. Solange solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht<br />
die massgebliche Umsatzgrenze erreichen, ist das Risiko für die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> betragsmässig<br />
vergleichsweise beschränkt, auch wenn im E<strong>in</strong>zelfall e<strong>in</strong>e grosse Differenz<br />
bestehen kann zwischen dem Mitglie<strong>der</strong>beitrag gemäss Statuten und dem Risiko, das sich<br />
aus <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>stätigkeit ergibt.<br />
350 Das Kriterium von mehr als 300 Mitglie<strong>der</strong>n f<strong>in</strong>det sich im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />
Urabstimmung (Art. 880 OR) und <strong>der</strong> Delegiertenversammlung (Art. 892 OR). In beiden<br />
Fällen g<strong>in</strong>g <strong>der</strong> Gesetzgeber davon aus, dass das Institut <strong>der</strong> Generalversammlung angesichts<br />
<strong>der</strong> grossen Mitglie<strong>der</strong>zahl se<strong>in</strong>em Zweck nicht mehr gerecht zu werden vermag,<br />
weil die ordnungsgemässe Durchführung <strong>der</strong> Generalversammlung mit so vielen Mitglie<strong>der</strong>n<br />
Schwierigkeiten bereiten kann (ANDREAS MOLL, Kommentar zu Art. 880 OR N 2<br />
und zu Art. 892 OR N 2, Basel 1994).<br />
124
s<strong>in</strong>nvoll, auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>zahl mehr als 300 beträgt, als<br />
Grossvere<strong>in</strong>e zu behandeln.<br />
c) Begriffliche Erfassung<br />
Aus dem Ausgeführten ergibt sich somit folgende begriffliche Erfassung<br />
<strong>der</strong>jeniger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche als „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters“<br />
den Regeln unterstehen, die <strong>in</strong> Teil C dieser Arbeit aufgeführt werden:<br />
Als „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters“ gelten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>es o<strong>der</strong> mehrere<br />
<strong>der</strong> nachfolgenden Kriterien erfüllen:<br />
- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die ohne Berücksichtigung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge e<strong>in</strong>en Brutto-<br />
Jahresumsatz erzielen, <strong>der</strong> den gemäss Art. 54 HRegV massgeblichen<br />
Betrag übersteigt;<br />
- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen i.S.v. Art. 934 OR führen;<br />
- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> im wesentlichen selber Unternehmen s<strong>in</strong>d;<br />
- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die selbst unternehmerisch tätig s<strong>in</strong>d und am Wirtschaftsleben<br />
teilnehmen.<br />
d) Vorschlag für Ausführungsbestimmungen zu Art. 2 Abs. 1 lit. b<br />
VERRG<br />
Die soeben genannte Aufzählung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
kann auch als Grundlage für e<strong>in</strong>en Vorschlag zur Umschreibung<br />
des Anwendungsbereichs des RRG verwendet werden:<br />
Als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.v. Art. 2 Abs. 1 lit. b RRG, <strong>der</strong>en Grösse o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Art <strong>der</strong><br />
Tätigkeit die Buchführung und Rechnungslegung erfor<strong>der</strong>lich machen, gelten<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>es o<strong>der</strong> mehrere <strong>der</strong> nachfolgenden Kriterien erfüllen:<br />
- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die ohne Berücksichtigung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge e<strong>in</strong>en Brutto-<br />
Jahresumsatz erzielen, <strong>der</strong> den gemäss Art. 54 HRegV massgeblichen<br />
Betrag übersteigt;<br />
- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> im wesentlichen selber Unternehmen s<strong>in</strong>d;<br />
- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die selbst unternehmerisch tätig s<strong>in</strong>d und am Wirtschaftsleben<br />
teilnehmen.<br />
Neben diesen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unterstehen gestützt auf Art. 2 Abs. 1 lit. a<br />
VERRG wie bereits erwähnt auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> den Regeln des RRG, die e<strong>in</strong><br />
kaufmännisches Unternehmen führen, und solche, die sich freiwillig im<br />
Handelsregister haben e<strong>in</strong>tragen lassen.<br />
Die hier vertretene Me<strong>in</strong>ung h<strong>in</strong>sichtlich des Anwendungsbereichs des<br />
RRG deckt sich nicht mit <strong>der</strong>jenigen, welche die Expertenkommission<br />
„Rechnungslegungsrecht“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Satz andeutet. Die Expertenkommis-<br />
125
sion g<strong>in</strong>g von wesentlich höheren Zahlen aus: „Gedacht ist etwa an <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
die e<strong>in</strong>e Bilanzsumme von mehr als 4 Millionen CHF aufweisen<br />
o<strong>der</strong> mehr als 1 Million CHF jährliche Erträge erzielen.“ 351 Allerd<strong>in</strong>gs<br />
ersche<strong>in</strong>t für die Anwendung <strong>der</strong> Regeln des RRG weniger entscheidend,<br />
wie hoch die Bilanzsumme o<strong>der</strong> die Erträge s<strong>in</strong>d. Wesentlich ist die<br />
Höhe des Brutto-Umsatzes: Entscheidend muss se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> welchem Umfang<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> mit Dritten <strong>in</strong> Kontakt tritt. Dies ergibt sich bereits aus<br />
den Regeln zum kaufmännischen Unternehmen. Es ist zudem ke<strong>in</strong><br />
Grund ersichtlich, weshalb <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>e Tätigkeit entfalten, welche<br />
nicht unter die Def<strong>in</strong>ition des kaufmännischen Unternehmens fällt, aber<br />
dennoch zur Erzielung hoher Umsätze führt, an<strong>der</strong>s zu behandeln s<strong>in</strong>d.<br />
Dies gilt umso mehr, als die Mitglie<strong>der</strong>beiträge bei <strong>der</strong> Berechnung des<br />
massgeblichen Umsatzes nicht berücksichtigt werden.<br />
Im übrigen sei bereits an dieser Stelle <strong>der</strong> unvermeidliche E<strong>in</strong>wand<br />
entkräftet, die Unterstellung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unter das RRG, die e<strong>in</strong>en<br />
Jahresumsatz von CHF 100'000.– bzw. CHF 250'000.– erzielen, führe zu<br />
unverhältnismässig hohen Kosten: E<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die unter das<br />
hier aufgestellte Kriterium fallen, s<strong>in</strong>d aufgrund ihres Umsatzes auch<br />
mehrwertsteuerpflichtig. Für diese <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wird sich – abgesehen von<br />
<strong>der</strong> erstmaligen Umstellung <strong>der</strong> Buchführung und Rechnungslegung –<br />
ke<strong>in</strong> erheblicher Zusatzaufwand ergeben. Denn sie s<strong>in</strong>d bereits nach Art.<br />
58 MWSTG zu e<strong>in</strong>er ordnungsgemässen Buchführung verpflichtet. Für<br />
die übrigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gilt, dass sie bei je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gesellschaftsform<br />
ebenfalls zur E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Regeln des RRG verpflichtet wären. Das<br />
RRG löst die Kostenproblematik bei kle<strong>in</strong>en Verhältnissen dadurch,<br />
dass <strong>in</strong> verschiedenen Bestimmungen nach <strong>der</strong> Grösse <strong>der</strong> Organisation<br />
unterschieden wird. Es ersche<strong>in</strong>t nicht gerechtfertigt, bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />
e<strong>in</strong>er bestimmten Grösse zusätzliche Ausnahmen vorzusehen.<br />
351 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 97.<br />
126
C. Beson<strong>der</strong>e Problemkreise<br />
IX. Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters<br />
1. Vorbemerkungen<br />
Werden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im S<strong>in</strong>ne dieser Arbeit<br />
anerkannt, so müssen bei <strong>der</strong> Rechtsanwendung e<strong>in</strong>ige Beson<strong>der</strong>heiten<br />
beachtet werden.<br />
Es stellt sich die Frage, ob die bestehenden Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts,<br />
etwa betreffend den Schutz e<strong>in</strong>zelner Mitglie<strong>der</strong>, von M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten o<strong>der</strong><br />
von Gläubigern, genügen. Zu denken ist zum Beispiel an Beson<strong>der</strong>heiten<br />
betreffend die Aufnahme und den Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> den<br />
Anspruch ausscheiden<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> auf das Vere<strong>in</strong>svermögen. Zu prüfen<br />
ist auch, welche Arten <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nverwendung als zulässig ersche<strong>in</strong>en<br />
und welche Verhaltensweisen von den beteiligten Personen im H<strong>in</strong>blick<br />
auf e<strong>in</strong>en wirksamen Gläubigerschutz gefor<strong>der</strong>t werden müssen.<br />
E<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>gehenden Prüfung bedarf zudem die Frage, welche Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an die Gründung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters zu<br />
stellen s<strong>in</strong>d. 352<br />
2. Analog anwendbare Regeln<br />
RIEMER postuliert für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit kaufmännischem Gewerbe ausdrücklich<br />
e<strong>in</strong>e Angleichung an das Recht <strong>der</strong> Körperschaften des OR. 353<br />
Im folgenden wird für die e<strong>in</strong>zelnen Problemkreise zu prüfen se<strong>in</strong>, welche<br />
bestehenden o<strong>der</strong> vom Gesetzgeber geplanten Regeln zur Ergänzung<br />
des Vere<strong>in</strong>srechts des ZGB für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
passen. Aufgrund <strong>der</strong> bereits dargestellten Ähnlichkeiten zwischen dem<br />
Vere<strong>in</strong> und <strong>der</strong> Genossenschaft ist primär die analoge Anwendung von<br />
Regeln des Genossenschaftsrechts <strong>in</strong> Betracht zu ziehen: Von den Gesellschaften<br />
mit herkömmlicherweise wirtschaftlichem Zweck steht die<br />
Genossenschaft dem Vere<strong>in</strong> bezüglich <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> am nächsten, weil bei <strong>der</strong> Genossenschaft die Mitglie<strong>der</strong><br />
352<br />
Vgl. bereits PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II<br />
(1968), S. 202 f.<br />
353<br />
HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 361, Bern 1990.<br />
127
nicht re<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielle, son<strong>der</strong>n ebenfalls persönliche Beiträge leisten<br />
müssen. Im Gegensatz etwa zur Aktiengesellschaft ist die Genossenschaft<br />
daher vergleichsweise stark auf die Persönlichkeit ihrer Mitglie<strong>der</strong><br />
ausgerichtet. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Genossenschaft s<strong>in</strong>d<br />
namentlich <strong>in</strong> den Fällen von Interesse, <strong>in</strong> welchen die Persönlichkeit<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s zu beachten ist. Es ist jedoch nicht auszuschliessen,<br />
dass auch Regeln zu an<strong>der</strong>en Gesellschaftsformen <strong>in</strong> Betracht<br />
zu ziehen s<strong>in</strong>d. Schliesslich s<strong>in</strong>d auch Regeln zu beachten, welchen <strong>der</strong><br />
Charakter von Grundpr<strong>in</strong>zipien des Gesellschaftsrechts zukommt.<br />
Die Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung im Gesellschaftsrecht ist<br />
wie bereits dargestellt nicht ganz unbestritten. 354 Weitgehende E<strong>in</strong>igkeit<br />
besteht darüber, dass im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>en wirksamen Gläubigerschutz<br />
eigentliche gemischte Körperschaften, die teilweise dem Recht e<strong>in</strong>er Gesellschaftsform,<br />
teilweise dem Recht e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Gesellschaftsform<br />
unterstehen, unzulässig s<strong>in</strong>d. 355 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER schliessen<br />
daraus offenbar, dass auch die Rechtsanwendung ausschliesslich<br />
vom Recht <strong>der</strong> gewählten Gesellschaftsform auszugehen habe. 356 So berechtigt<br />
die Ablehnung gemischter Körperschaftstypen se<strong>in</strong> mag, ist<br />
nach zutreffen<strong>der</strong> Ansicht die analoge Anwendung von Normen an<strong>der</strong>er<br />
Gesellschaftsformen auch im Gesellschaftsrecht zulässig. 357<br />
354 Ausführlich zur Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung HANS MICHAEL<br />
RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 73 ff., Bern 1990.<br />
355 Vgl. hierzu die Ausführungen S. 103 ff.<br />
356 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 11 N 4, vgl. dazu bereits S. 105; PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche<br />
Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983,<br />
S. 145.<br />
357 Vgl. dazu ausführlich S. 110 ff.<br />
128
X. Vere<strong>in</strong>sfreiheit<br />
1. Problematik<br />
Die Vere<strong>in</strong>sfreiheit ist e<strong>in</strong> wesentlicher Aspekt des schweizerischen<br />
Vere<strong>in</strong>srechts. Darunter wird e<strong>in</strong>erseits das verfassungsmässige Individualrecht<br />
auf freie Me<strong>in</strong>ungsäusserung <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform verstanden, an<strong>der</strong>erseits<br />
wird <strong>der</strong> Ausdruck auch im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Gestaltungsfreiheit im<br />
Vere<strong>in</strong>srecht verwendet. 358<br />
Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters stellen sich vor allem zwei<br />
Fragen: E<strong>in</strong>erseits ist zu überlegen, <strong>in</strong>wieweit sich solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> auf die<br />
privatrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne berufen können, als dass<br />
sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> rechtlichen Beziehungen weitestgehend frei<br />
s<strong>in</strong>d. An<strong>der</strong>erseits ist zu klären, <strong>in</strong>wieweit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit gemäss Art. 23 BV unterstehen, und <strong>in</strong>wieweit<br />
sie unter die Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV fallen.<br />
2. Privatrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit<br />
H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> privatrechtlichen Vere<strong>in</strong>sfreiheit gilt, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
welche nicht dem Bild des Vere<strong>in</strong>s entsprechen, das sich <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
bei <strong>der</strong> Ausarbeitung des Vere<strong>in</strong>srechts gemacht hat, sich nicht une<strong>in</strong>geschränkt<br />
auf die von Gesetzes wegen sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit<br />
berufen können. Vielmehr müssen sich solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
gefallen lassen, dass gewisse E<strong>in</strong>schränkungen gemacht werden, welche<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die betroffenen Interessen als notwendig ersche<strong>in</strong>en.<br />
Konkret hat dies zur Folge, dass bei jedem Problem, welches sich <strong>in</strong> dieser<br />
Form nur bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ergibt, die Frage<br />
gestellt werden muss, wie dieses unter Berücksichtigung sämtlicher<br />
Aspekte s<strong>in</strong>nvoll gelöst werden kann. Wann e<strong>in</strong>e Beschränkung <strong>der</strong> privatrechtlichen<br />
Vere<strong>in</strong>sfreiheit s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t, ergibt sich aus den<br />
nachstehenden Ausführungen.<br />
3. Verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit<br />
Die verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit (Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit) ist <strong>in</strong><br />
Art. 23 BV garantiert. Diese Bestimmung stimmt im wesentlichen mit<br />
Art. 11 EMRK übere<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>erseits gewährleistet die verfassungsrechtli-<br />
358<br />
PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />
S. 111 ff., FN 1.<br />
129
che Vere<strong>in</strong>sfreiheit gegenüber dem Staat das Recht, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> und an<strong>der</strong>e<br />
Vere<strong>in</strong>igungen des Privatrechts mit „ideellem Zweck“ zu bilden und<br />
aufzulösen, ihnen beizutreten o<strong>der</strong> anzugehören und sich an <strong>der</strong>en Tätigkeiten<br />
zu beteiligen; an<strong>der</strong>erseits schützt sie vor staatlichem Zwang<br />
zum Beitritt zu o<strong>der</strong> zum Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>. Ausserdem garantiert<br />
sie die freie Vere<strong>in</strong>stätigkeit, das heisst die Verfolgung beliebiger<br />
Zwecke und die Anwendung beliebiger Mittel, sofern diese nicht<br />
rechtswidrig o<strong>der</strong> staatsgefährdend s<strong>in</strong>d. 359 Nebst <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit ist<br />
<strong>in</strong> Art. 28 BV auch die Koalitionsfreiheit als beson<strong>der</strong>er Aspekt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit<br />
gewährleistet. 360 Die Koalitionsfreiheit ist ausserdem <strong>in</strong><br />
Art. 11 Ziff. 1 EMRK verankert.<br />
Nach <strong>der</strong> traditionellen Lehre soll die Vere<strong>in</strong>sfreiheit gemäss BV nur<br />
für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit „ideellen Zwecken“ gelten. 361 Die bundesgerichtliche<br />
Rechtsprechung zu Art. 56 aBV befasste sich aber auch mit<br />
Vere<strong>in</strong>igungen mit wirtschaftlichem Zweck. 362 In <strong>der</strong><br />
verfassungsrechtlichen Literatur wird <strong>der</strong> Begriff des „ideellen Zweckes“<br />
allerd<strong>in</strong>gs an<strong>der</strong>s verwendet als im Zivilrecht. Geme<strong>in</strong>t ist namentlich<br />
die Verfolgung politischer, wissenschaftlicher, literarischer,<br />
künstlerischer o<strong>der</strong> wohltätiger Zwecke. Ausdrücklich ausgenommen<br />
wird (angesichts <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verfassung selbständig verankerten<br />
Glaubens- und Gewissensfreiheit) die Verfolgung religiöser<br />
Zielsetzungen. Interessant ist, dass – zum<strong>in</strong>dest im Anwendungsbereich<br />
<strong>der</strong> aBV – auch Vere<strong>in</strong>igungen, die geme<strong>in</strong>same wirtschaftliche<br />
Interessen verfolgen, unter den Schutz <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit fielen, solange<br />
359 BGE 87 I 275 ff., 286. Vgl. auch ANTON HEINI, Vorbemerkungen zu Art. 60-79 ZGB<br />
N 3, Basel 1996. – Inwiefern sich lediglich natürliche o<strong>der</strong> auch juristische Personen auf<br />
die verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit berufen können, ist umstritten. Das Bundesgericht<br />
beschränkt die Vere<strong>in</strong>sfreiheit auf natürliche Personen, die herrschende Lehre dehnt<br />
sie auf juristische Personen aus. Im Rahmen <strong>der</strong> Revision <strong>der</strong> BV fand ke<strong>in</strong>e Klärung dieses<br />
Problems statt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Botschaft f<strong>in</strong>det sich lediglich e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf den Stand <strong>der</strong><br />
Me<strong>in</strong>ungen (Botschaft des Bundesrates über e<strong>in</strong>e neue Bundesverfassung vom 20. November<br />
1996, Separatdruck, S. 167).<br />
360 Vgl. dazu HÄFELIN / HALLER, <strong>Schweiz</strong>erisches Bundesstaatsrecht, Supplement zur<br />
4. Auflage „Die neue Bundesverfassung“, Zürich 2000, RZ 1352 ff.<br />
361 So etwa DIES., a.a.O. N 1336 f., wobei <strong>der</strong> ideelle Zweck ihrer Ansicht nach auch <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Wahrung wirtschaftlicher Interessen bestehen kann, während Vere<strong>in</strong>igungen<br />
zur Verfolgung von Erwerbszwecken nur dem Schutz <strong>der</strong> Wirtschaftsfreiheit gemäss<br />
Art. 27 BV unterstehen sollen.<br />
362 In BGE 42 I 10 wandte das Bundesgericht Art. 56 aBV grundsätzlich auf die Genossenschaft<br />
„<strong>Schweiz</strong>. Sparanstalt“ an, welche zum Zweck des geme<strong>in</strong>samen Erwerbs von<br />
Prämienwerten gegen Ratenzahlungen Wertpapiere an ihre Mitglie<strong>der</strong> veräussert hatte.<br />
130
sie nicht „erwerbsorientiert“ 363 o<strong>der</strong> „gew<strong>in</strong>nstrebig“ 364 waren. 365 Gemäss<br />
JÖRG PAUL MÜLLER ist das Kriterium <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit auch im<br />
Anwendungsbereich <strong>der</strong> neuen BV entscheidend. Es komme nicht<br />
darauf an, ob e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird; massgeblich<br />
sei, ob die Profitorientierung o<strong>der</strong> die ideelle Zielsetzung im<br />
Vor<strong>der</strong>grund steht. 366 Diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters,<br />
die nicht erwerbsorientiert o<strong>der</strong> gew<strong>in</strong>nstrebig s<strong>in</strong>d, fallen somit <strong>in</strong> den<br />
Anwendungsbereich <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit gemäss BV. H<strong>in</strong>gegen fallen neu<br />
Vere<strong>in</strong>igungen, <strong>in</strong> welchen Arbeitgeber<strong>in</strong>nen respektive Arbeitgeber und<br />
Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen respektive Arbeitnehmer organisiert s<strong>in</strong>d, wohl ausschliesslich<br />
unter die Bestimmung <strong>der</strong> Koalitionsfreiheit (Art. 28 BV).<br />
363<br />
HÄFELIN / HALLER, <strong>Schweiz</strong>erisches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage Zürich 1998,<br />
N 1336 ff.<br />
364<br />
JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, 3. Auflage Bern 1999, S. 341 f.<br />
365<br />
Diese Auslegung erfolgte wohl im H<strong>in</strong>blick auf Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände<br />
und Berufsverbände, da die aBV die Koalitionsfreiheit nicht ausdrücklich erwähnte. Im<br />
Zusammenhang mit Vere<strong>in</strong>igungen, die wirtschaftliche Interessen verfolgen ohne erwerbsorientiert<br />
zu se<strong>in</strong>, werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur Genossenschaften erwähnt (HÄFELIN /<br />
HALLER, a.a.O. N 1336 ff.; G. MALINVERNI, Kommentar zu Art. 56 aBV N 2 ff., Loseblattsammlung,<br />
Basel, Zürich und Bern, Stand April 1986, je mit weiteren H<strong>in</strong>weisen. Vgl.<br />
auch BGE 97 I 116 [Vere<strong>in</strong> Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel, 1971], <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>em<br />
Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> die Eröffnung und Führung e<strong>in</strong>er privaten, von den bestehenden staatlichen<br />
Fakultäten unabhängige Hochschule zur Ausbildung evangelischer Pfarrer bezweckte,<br />
<strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Handels- und Gewerbefreiheit verweigert wurde, weil er<br />
„offensichtlich [...] e<strong>in</strong>en re<strong>in</strong> idealen Zweck“ und damit ke<strong>in</strong>en Erwerbszweck verfolgte.).<br />
In <strong>der</strong> neuen BV von 1999 wird die Koalitionsfreiheit ausdrücklich als Grundrecht <strong>in</strong><br />
Art. 28 BV genannt. Systematisch ist die Koalitionsfreiheit im auf die Wirtschaftsfreiheit<br />
folgenden Artikel angesiedelt. Der Schutz von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden<br />
und Berufsverbänden wurde damit weg von <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit <strong>in</strong> die Nähe <strong>der</strong> Wirtschaftsfreiheit<br />
gerückt. Der Botschaft zur revidierten BV lässt sich jedoch nicht entnehmen,<br />
ob dies bedeutet, dass die Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit von Art. 23 BV neu nicht mehr für<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck gilt (Botschaft des Bundesrates über e<strong>in</strong>e neue Bundesverfassung<br />
vom 20. November 1996, Separatdruck, S. 167 ff. und S. 177 ff.).<br />
366<br />
JÖRG PAUL MÜLLER, a.a.O., S. 341. Soweit e<strong>in</strong>e ideelle Vere<strong>in</strong>igung (z.B. e<strong>in</strong> Umweltverband)<br />
auf dem Markt auftrete, könne er sich bezüglich <strong>der</strong> kommerziellen Tätigkeit<br />
nicht auf die Vere<strong>in</strong>sfreiheit, son<strong>der</strong>n lediglich auf die Wirtschaftsfreiheit berufen. – Als<br />
ideell bezeichnet MÜLLER aber ausdrücklich „berufsspezifische Zwecke“.<br />
131
XI. Die Gründung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen<br />
Charakters<br />
1. Gründung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss ZGB<br />
Nach Art. 60 f. ZGB erfolgt die Gründung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s, <strong>in</strong>dem Personen,<br />
welche die Funktion von Gründungsmitglie<strong>der</strong>n haben, mit dem<br />
Willen zur Schaffung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s Statuten <strong>in</strong> schriftlicher Form errichten.<br />
Diese Statuten müssen über den Zweck des Vere<strong>in</strong>s, se<strong>in</strong>e Mittel<br />
und se<strong>in</strong>e Organisation Aufschluss geben und unterzeichnet werden. 367<br />
Nach Vornahme dieser Gründungshandlungen besteht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> mit<br />
Rechtspersönlichkeit. 368 Anschliessend an die Gründung und nach <strong>der</strong><br />
Wahl <strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong> können sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die ke<strong>in</strong> kaufmännisches<br />
Unternehmen betreiben, freiwillig <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen<br />
lassen, während sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben,<br />
<strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen müssen. Allerd<strong>in</strong>gs erlangen<br />
auch sie bereits vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung die Rechtspersönlichkeit; <strong>der</strong><br />
Handelsregistere<strong>in</strong>trag hat lediglich deklaratorische Wirkung. 369<br />
2. E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
Die E<strong>in</strong>tragung von Gesellschaften <strong>in</strong>s Handelsregister dient <strong>in</strong> erster<br />
L<strong>in</strong>ie dem Schutz Dritter. Dem Handelsregistere<strong>in</strong>trag kommt e<strong>in</strong>e negative<br />
und e<strong>in</strong>e positive Publizitätswirkung zu. Wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> Träger<br />
e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens ist, so ist das Bedürfnis von<br />
kreditgebenden Personen, Lieferanten und Kundschaft an <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Bekanntgabe gewisser Daten beson<strong>der</strong>s gross, namentlich was die<br />
Offenlegung <strong>der</strong> Haftungsverhältnisse anbelangt. 370<br />
Der E<strong>in</strong>trag im Handelsregister hat verschiedene Wirkungen. Im<br />
Handelsregister e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unterliegen <strong>der</strong> Konkurs- und<br />
367<br />
Zur Wahl des Namens des Vere<strong>in</strong>s: Gemäss Weisung des Eidgenössischen Amtes für<br />
das Handelsregister vom 1.01.1998 an die kantonalen Handelsregisterbehörden, Ziff. 345,<br />
muss „<strong>der</strong> Name e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s [...] als solcher erkennbar se<strong>in</strong>“ und „erfor<strong>der</strong>lichenfalls<br />
mit <strong>der</strong> Angabe <strong>der</strong> Rechtsform“ versehen werden; <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis wird dieser Weisung jedoch<br />
nicht nachgelebt, so dass bei <strong>der</strong> Schaffung des Namens grosse Freiheiten bestehen.<br />
368<br />
Vgl. im e<strong>in</strong>zelnen HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB, Bern 1990.<br />
369<br />
URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 1, Basel 1996; HANS MICHAEL<br />
RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 50, Bern 1990.<br />
370<br />
HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 7, Basel 1996; HANS MICHAEL<br />
RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 18, Bern 1990.<br />
132
Wechselbetreibung. 371 Da <strong>der</strong> E<strong>in</strong>trag Angaben über den Vere<strong>in</strong>ssitz<br />
enthalten muss, ist für Dritte klar, wo <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> beklagt und betrieben<br />
werden kann. 372 In Kantonen mit Handelsgerichtsbarkeit ist grundsätzlich<br />
das Handelsgericht zuständig. 373 E<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> könne auch<br />
Zweignie<strong>der</strong>lassungen begründen. 374 E<strong>in</strong>tragungspflichtige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unterliegen<br />
ausserdem <strong>der</strong> Buchführungspflicht, selbst wenn die E<strong>in</strong>tragung<br />
noch nicht erfolgt ist. 375 Aus dem Handelsregister ist ersichtlich, ob<br />
gewisse Mitglie<strong>der</strong> persönlich haften o<strong>der</strong> zu Nachschüssen verpflichtet<br />
s<strong>in</strong>d. 376 Der Handelsregistere<strong>in</strong>trag verschafft dem Vere<strong>in</strong> die Möglichkeit,<br />
die aktive Vertretungsmacht zu beschränken, so dass <strong>der</strong> Beschränkung<br />
ohne weiteres Wirkung auch gegenüber gutgläubigen Dritten zukommt.<br />
377 Schliesslich s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> verpflichtet, alle<br />
Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>getragenen Tatsachen <strong>der</strong> Handelsregisterführung<br />
mitzuteilen, damit das Handelsregister die jeweiligen Verhältnisse wahrheitsgemäss<br />
wi<strong>der</strong>gibt. 378 Die hier geschil<strong>der</strong>ten Wirkungen gelten alle<br />
für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche sich nach Art. 61 Abs. 2 ZGB <strong>in</strong>s Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>tragen lassen müssen, weil sie e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben.<br />
Freiwillig e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen nicht buchführungspflichtig,<br />
sie unterstehen nicht e<strong>in</strong>er allfälligen Handelsgerichtsbarkeit<br />
und sie können ke<strong>in</strong>e Zweignie<strong>der</strong>lassungen begründen und<br />
e<strong>in</strong>tragen. 379<br />
Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters muss im Interesse des Gläubigerschutzes<br />
allgeme<strong>in</strong> die E<strong>in</strong>tragungspflicht gelten, selbst wenn sie<br />
ke<strong>in</strong> eigentliches kaufmännisches Unternehmen i.S.v. Art. 934 Abs. 1<br />
371<br />
URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 3, Basel 1996; HANS MICHAEL<br />
RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 54 f., Bern 1990. Vgl. dazu auch S. 210 ff.<br />
372<br />
HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 56 f.<br />
373<br />
DERS., a.a.O. N 62 ff.<br />
374<br />
DERS., a.a.O. N 69 f.<br />
375<br />
URS SCHERRER, a.a.O. N 4; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 58 ff. Das Bundesgericht<br />
leitet für Genossenschaften unter an<strong>der</strong>em aus Art. 958 OR die Pflicht ab, die Betriebsrechnung<br />
und die Bilanz jährlich abzunehmen (Entscheid des Bundesgerichts vom<br />
17. September 1941, Pra 30 [1941], S. 281 f.). Diese Pflicht sollte auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters gelten. So jedenfalls für e<strong>in</strong>tragungspflichtige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> HEINI,<br />
SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 559 f., FN 18; DERS., Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht,<br />
Basel 1988, S. 78, FN 38; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 60.<br />
376<br />
Art. 99 HRV i.V.m. Art. 94 HRV und Art. 95 HRV; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O.<br />
N 71.<br />
377<br />
DERS., a.a.O. N 52 f.<br />
378<br />
DERS., a.a.O. N 66 ff.<br />
379<br />
DERS., a.a.O. N 73 ff.<br />
133
OR führen. 380 E<strong>in</strong> Handelsregistere<strong>in</strong>trag liegt durchaus im Interesse von<br />
wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. 381 Durch den Handelsregi-<br />
380 Bereits nach geltendem Recht ist es <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters möglich,<br />
sich freiwillig <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen zu lassen. Dies würde selbst dann gelten,<br />
wenn <strong>der</strong> Zweck e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s als unzulässig qualifiziert würde. Die Handelsregisterführung<br />
hat zwar immer dann, wenn e<strong>in</strong>e Personenverb<strong>in</strong>dung sich als Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>tragen will, vorfrageweise zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 60 ZGB<br />
erfüllt s<strong>in</strong>d. Diese Prüfungspflicht ist <strong>in</strong> den Art. 21 und 115 HRV ausdrücklich statuiert,<br />
unter an<strong>der</strong>em, weil den <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>getragenen Tatsachen gemäss<br />
Art. 9 ZGB e<strong>in</strong>e erhöhte Beweiskraft zukommt. Allerd<strong>in</strong>gs steht <strong>der</strong> Handelsregisterführung<br />
nach <strong>der</strong> bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur e<strong>in</strong> sehr beschränktes Überprüfungsrecht<br />
zu. Die E<strong>in</strong>tragung darf unter Berufung auf die fehlende Gesetzmässigkeit nur<br />
dann verweigert werden, wenn offensichtliche und unzweideutige Verstösse gegen e<strong>in</strong>deutig<br />
zw<strong>in</strong>gendes Recht vorliegen. Und selbst <strong>in</strong> diesem Bereich darf die Handelsregisterführung<br />
nur e<strong>in</strong>schreiten, wenn dieses zur Wahrung öffentlicher Interessen o<strong>der</strong> im<br />
Interesse Dritter statuiert worden ist, also nicht bloss die direkt beteiligten Personen betrifft<br />
(Zuletzt BGE 125 II 18, 21. – Vgl. CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s<br />
von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 3 f.;<br />
ARNOLD KOLLER, Grundfragen e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg 1967,<br />
S. 100 ff.; PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 146 ff., mit H<strong>in</strong>weisen<br />
auf die Bundesgerichtspraxis; MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />
8. Auflage Bern 1998, § 6 N 34 ff. – Zur Kritik an dieser Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichts vgl. die H<strong>in</strong>weise bei MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O.). E<strong>in</strong><br />
möglicherweise unzulässiger wirtschaftlicher Zweck darf angesichts <strong>der</strong> vielen Unsicherheiten<br />
zur Frage des wirtschaftlichen Zwecks nicht dazu führen, dass die E<strong>in</strong>tragung abgelehnt<br />
werden kann. Der Handelsregistere<strong>in</strong>trag begründet lediglich e<strong>in</strong>e wi<strong>der</strong>legbare<br />
Vermutung. Gerichte können daher die Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>s selbständig<br />
überprüfen. Wie die vorliegende Arbeit zeigt, ist durchaus e<strong>in</strong>e plausible Auslegung<br />
des Gesetzestextes möglich, wonach <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck zulässig<br />
s<strong>in</strong>d. Dies führt gemäss Bundesgericht dazu, dass die E<strong>in</strong>tragung vorgenommen werden<br />
muss (BGE 125 III 18, 21).<br />
381 Bereits <strong>in</strong> den Erläuterungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes<br />
zum VEZGB wird ausgeführt, dass die Abgrenzung, ob sich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>tragen lassen muss, eigentlich nach <strong>der</strong> Frage erfolgen sollte, ob die Personenverb<strong>in</strong>dung<br />
„dem Verkehr angehöre o<strong>der</strong> nicht“. Die getroffene Abgrenzung zwischen<br />
Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft werde auch im wesentlichen darauf h<strong>in</strong>auslaufen. Wo sich die<br />
vom Gesetz getroffene Abgrenzung als nicht richtig erweisen sollte, dürfe darauf vertraut<br />
werden, dass die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> selber und aus eigenem Interesse die E<strong>in</strong>tragung erwirken würden,<br />
sobald sie im Verkehrsleben e<strong>in</strong>e Stellung e<strong>in</strong>nehmen, die es ihnen als ratsam ersche<strong>in</strong>en<br />
lässt, sich <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen zu lassen. Dies sei <strong>der</strong> Grund, weshalb<br />
die Grundentscheidung betreffend Notwendigkeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s<br />
Handelsregister nach dem Vere<strong>in</strong>szweck getroffen worden sei und nicht nach dem Interesse<br />
des Verkehrs (EUGEN HUBER, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum<br />
Vorentwurf, Erstes Heft: E<strong>in</strong>leitung, Personen- und Familienrecht, Bern 1901, S. 82). Die<br />
Rechtswirklichkeit ist allerd<strong>in</strong>gs an<strong>der</strong>s: E<strong>in</strong>e Vielzahl von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche <strong>in</strong>sofern<br />
„dem Verkehr angehören“, als sie grosse Umsätze generieren, s<strong>in</strong>d nicht im Handelsregi-<br />
134
stere<strong>in</strong>trag werden klare Verhältnisse geschaffen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e kommt<br />
sämtlichen e<strong>in</strong>getragenen Tatsachen die erhöhte Beweiskraft gemäss Art.<br />
9 ZGB zu. Dritten fällt es daher schwerer, die Existenz e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>getragenen<br />
Vere<strong>in</strong>s zu bestreiten mit dem Ziel, die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> direkt<br />
als persönlich Haftende <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen.<br />
An sich wäre es konsequent, für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
die Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung mit konstitutiver Wirkung zu for<strong>der</strong>n. 382 Damit<br />
würden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters sachgerecht gleich behandelt<br />
wie Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung,<br />
Genossenschaften und Kommanditaktiengesellschaften. Obwohl<br />
dadurch lediglich <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>e Grundsatz <strong>der</strong> rechtsbegründenden<br />
Wirkung <strong>der</strong> Handelsregistere<strong>in</strong>tragung 383 auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters ausgedehnt würde, kann die konstitutive Wirkung angesichts<br />
von Art. 61 Abs. 2 ZGB allerd<strong>in</strong>gs nur auf dem Weg e<strong>in</strong>er Gesetzesän<strong>der</strong>ung<br />
e<strong>in</strong>geführt werden.<br />
ster e<strong>in</strong>getragen. So etwa die meisten Sportvere<strong>in</strong>e (DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong><br />
Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 29).<br />
382 Gleicher Ansicht auch URS SCHERRER, Rechtsfragen des organisierten Sportlebens <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich 1982, S. 68.<br />
383 ROBERT PATRY, SPR VIII/1, Grundlagen des Handelsrechts, Basel 1976, S. 148.<br />
135
XII. Die Mitgliedschaftsrechte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters<br />
1. Die Mitgliedschaftsrechte gemäss ZGB<br />
Die Rechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s werden <strong>in</strong> drei Hauptgruppen<br />
unterteilt. Unterschieden werden Mitverwaltungs- o<strong>der</strong> Mitwirkungsrechte,<br />
Schutzrechte sowie Benutzungsrechte und weitere vermögenswerte<br />
Rechte. 384<br />
Bei den Mitverwaltungsrechten steht das Stimm- und Wahlrecht 385 im<br />
Vor<strong>der</strong>grund. Dem Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> 386 dienen vor allem die Bestimmungen<br />
über die Unverletzlichkeit des Zweckes 387 und die Möglichkeit<br />
<strong>der</strong> Anfechtung von Beschlüssen, welche das Gesetz o<strong>der</strong> die Statuten<br />
verletzen. 388 Ausserdem kann bei Verletzung e<strong>in</strong>es subjektiven<br />
Mitgliedschaftsrechts das Gericht angerufen werden. Durch die Benutzungsrechte<br />
wird den Mitglie<strong>der</strong>n die Teilnahme an den Tätigkeiten des<br />
Vere<strong>in</strong>s gewährleistet, die durch den Vere<strong>in</strong>szweck vorgegeben s<strong>in</strong>d. 389<br />
Herkömmlicherweise spielen eigentliche Vermögensrechte bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. 390<br />
Obwohl das geschriebene Vere<strong>in</strong>srecht ke<strong>in</strong>e Norm betreffend die<br />
allgeme<strong>in</strong>e Gleichbehandlung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> enthält, wird dieses<br />
Pr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> Rechtsprechung und Literatur wie für alle Gesellschaftsformen<br />
auch für den Vere<strong>in</strong> anerkannt. 391<br />
2. Allgeme<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten<br />
Im folgenden werden die Beson<strong>der</strong>heiten, welche sich h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />
Mitgliedschaftsrechte bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ergeben,<br />
384<br />
ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 6, Basel 1996; DERS., Das schweizerische<br />
Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 50.<br />
385<br />
Vgl. dazu S. 141 ff.<br />
386<br />
Vgl. S. 143 ff.<br />
387<br />
Vgl. S. 146 ff.<br />
388<br />
Vgl. zur Anfechtung von Fusions- o<strong>der</strong> Umwandlungsbeschlüssen die spezielle Regelung<br />
<strong>in</strong> Art. 105 EFusG.<br />
389<br />
ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 7 ff., Basel 1996.<br />
390<br />
Vgl. dazu S. 148 ff.<br />
391<br />
Vgl. <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 149 ff.,<br />
Bern 1990, mit Nachweisen; BGE 108 II 15; EUGEN CURTI, Die Mitgliedschaftsrechte <strong>der</strong><br />
Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> nach dem <strong>Schweiz</strong>erischen Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1952, S. 87 ff.<br />
136
im e<strong>in</strong>zelnen dargestellt. Dabei wird sich immer wie<strong>der</strong> zeigen, dass die<br />
Stellung e<strong>in</strong>es Mitgliedes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nichtwirtschaftlichen Vere<strong>in</strong> sich<br />
grundsätzlich <strong>in</strong> stärkerem Masse an den Persönlichkeitsrechten <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> zu orientieren hat, als dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters <strong>der</strong> Fall ist (auf die Beson<strong>der</strong>heiten im Zusammenhang mit<br />
den Persönlichkeitsrechten von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen<br />
Charakters wird später e<strong>in</strong>gegangen 392 ). 393 An<strong>der</strong>erseits gibt es aber<br />
Bereiche, <strong>in</strong> welchen die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters<br />
e<strong>in</strong>en verstärkten Schutz benötigen im Vergleich zu denjenigen<br />
e<strong>in</strong>es herkömmlichen Vere<strong>in</strong>s. Zu denken ist etwa an den Bereich <strong>der</strong><br />
vermögenswerten Rechte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e an Fälle, <strong>in</strong> welchen Geldleistungen<br />
ausgerichtet werden. 394<br />
Im Gegensatz zum Vere<strong>in</strong>srecht f<strong>in</strong>det sich im Genossenschaftsrecht<br />
e<strong>in</strong>e explizite Bestimmung betreffend den Grundsatz <strong>der</strong> Gleichbehandlung<br />
aller Mitglie<strong>der</strong> (Art. 854 OR). Für gewisse Bereiche – etwa im<br />
Zusammenhang mit dem Stimmrecht – ist e<strong>in</strong>e absolute Gleichbehandlung<br />
<strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> vorgeschrieben (Art. 885 OR). Ansonsten<br />
ist für das Genossenschaftsrecht anerkannt, dass Art. 854 OR<br />
als Grundsatz <strong>der</strong> relativen Gleichbehandlung zu verstehen ist. 395 Massstab<br />
dafür ist <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> jeweiligen Genossenschaft. Jede Ungleichbehandlung<br />
hat dem Wesen <strong>der</strong> betreffenden Genossenschaft zu entsprechen<br />
und muss sachlich gerechtfertigt se<strong>in</strong>. 396 Trotz <strong>der</strong> Nähe von<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters zu Genossenschaften ist es nicht<br />
gerechtfertigt, die bei <strong>der</strong> Genossenschaft für bestimmte Bereiche vorgesehene<br />
absolute Gleichbehandlung auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zu übertragen. In gewissen<br />
Konstellationen ist es geradezu e<strong>in</strong> Vorteil, wenn etwa das<br />
Stimmrecht differenziert geregelt werden kann. Allgeme<strong>in</strong> gesehen führt<br />
die Befolgung des Pr<strong>in</strong>zips <strong>der</strong> relativen Gleichbehandlung zu e<strong>in</strong>er<br />
grösseren Gerechtigkeit im E<strong>in</strong>zelfall. H<strong>in</strong>gegen ist für die Konkretisierung<br />
des Massstabs <strong>der</strong> relativen Gleichbehandlung <strong>der</strong> wirtschaftliche<br />
Charakter des Vere<strong>in</strong>s zu berücksichtigen. Wie bei <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
hat sich die Lösung <strong>der</strong> Gleichbehandlungsfrage am Vere<strong>in</strong>scharakter zu<br />
orientieren. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ersche<strong>in</strong>t es gerecht,<br />
gewisse Rechte von den geldwerten Vorteilen, welche e<strong>in</strong> Mitglied<br />
392<br />
S. 144.<br />
393<br />
FRANK VISCHER, Besprechung von HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991,<br />
S. 365.<br />
394<br />
Vgl. dazu nachfolgend S. 148 ff.<br />
395<br />
Vgl. die Nachweise bei HANS NIGG, Kommentar zu Art. 854 OR N 6, Basel 1994.<br />
396<br />
DERS., a.a.O. N 7, mit weiteren Nachweisen.<br />
137
dem Vere<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gt, o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Kapitalstärke <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> abhängig<br />
zu machen.<br />
3. Die Auskunftsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
a) Auskunftsrechte gemäss ZGB<br />
Den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n steht im Rahmen <strong>der</strong> Mitgliedschaftsrechte<br />
und -pflichten e<strong>in</strong> Auskunftsrecht gegenüber dem Vere<strong>in</strong> bzw. dessen<br />
Organen zu, obwohl das Gesetz dieses nicht ausdrücklich statuiert. 397<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />
Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d die Auskunftsrechte <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s wichtig, weil das Gesetz im Gegensatz zur Genossenschaft<br />
(Art. 906 OR) und zu den Kapitalgesellschaften ke<strong>in</strong>e Kontrollstelle<br />
vorschreibt. 398<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> dürfen gemäss Gesetz nur mit ausdrücklicher<br />
Ermächtigung <strong>der</strong> Generalversammlung o<strong>der</strong> aufgrund e<strong>in</strong>es Beschlusses<br />
<strong>der</strong> Verwaltung <strong>in</strong> die Geschäftsbücher und Korrespondenzen<br />
<strong>der</strong> Genossenschaft E<strong>in</strong>sicht nehmen (Art. 857 Abs. 2 OR). E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige<br />
E<strong>in</strong>schränkung ist für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> – zum<strong>in</strong>dest für solche, die nicht<br />
statutarisch e<strong>in</strong>e Kontrollstelle vorsehen – nicht zweckmässig. In <strong>der</strong><br />
Genossenschaft können die Mitglie<strong>der</strong> nämlich von <strong>der</strong> Kontrollstelle<br />
die erfor<strong>der</strong>lichen Aufschlüsse verlangen, wenn sie ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sicht erhalten.<br />
399<br />
Analog zur Genossenschaft ist jedoch auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n darauf zu<br />
achten, dass das Geschäftsgeheimnis des Vere<strong>in</strong>s bei E<strong>in</strong>sichtnahmen<br />
397 ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 9, Basel 1996; ALEXANDER DE BEER,<br />
Zum Auskunftsrecht des Vere<strong>in</strong>smitglieds, ZSR 107 I (1988), S. 243.<br />
398 Dieser Gedanke liegt auch <strong>der</strong> Regelung von Art. 819 OR zugrunde: Die nichtgeschäftsführenden<br />
Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben weitgehende<br />
Kontrollrechte. Diese entfallen jedoch, wenn die Statuten e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Kontrollstelle<br />
vorsehen. In diesem Fall entsprechen die Kontrollrechte denjenigen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Aktiengesellschaft. – Zur Frage, <strong>in</strong>wieweit die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Kontrollstelle bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wirtschaftlichen Charakters zu for<strong>der</strong>n ist, vgl. S. 195 ff.<br />
399 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch ALEXANDER DE BEER, a.a.O., S. 247 f., <strong>der</strong> darauf h<strong>in</strong>weist,<br />
dass bei <strong>der</strong> Konzeption des Vere<strong>in</strong>srechts (Fehlen e<strong>in</strong>er Kontrollstelle) davon ausgegangen<br />
wurde, die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s seien selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, die Kontrolle auszuüben.<br />
DE BEER bezeichnet das Auskunftsrecht als e<strong>in</strong> Auffangrecht, das den Vollzug von Macht<br />
<strong>in</strong> demokratisch legitimierter Weise zu gewährleisten hat, und damit als e<strong>in</strong>en Eckpfeiler<br />
<strong>in</strong>nerverbandlicher Demokratie.<br />
138
gewahrt wird (Art. 857 Abs. 2 OR; vgl. entsprechend für die Aktiengesellschaft<br />
Art. 697 Abs. 2 OR). Insofern hat <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall e<strong>in</strong>e Interessenabwägung<br />
stattzuf<strong>in</strong>den zwischen dem Interesse des Vere<strong>in</strong>smitglieds<br />
auf Auskunft und demjenigen des Vere<strong>in</strong>s auf Wahrung <strong>der</strong><br />
Geschäftsgeheimnisse. Zum selben Ergebnis kommt e<strong>in</strong>e Untersuchung<br />
DE BEERS, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Vergleich zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n und <strong>der</strong> Aktiengesellschaften<br />
angestellt wird. 400 Der Umfang des Auskunftsrechts <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
bestimmt sich wesentlich nach den Zielsetzungen des Vere<strong>in</strong>s,<br />
<strong>der</strong> Intensität und Natur <strong>der</strong> Beziehungen zwischen Mitglied und Vere<strong>in</strong><br />
und den damit zusammenhängenden Treuepflichten. 401 Die Beziehungen<br />
zwischen Mitglied und Vere<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> Unternehmen s<strong>in</strong>d,<br />
400<br />
ALEXANDER DE BEER, Zum Auskunftsrecht des Vere<strong>in</strong>smitglieds, ZSR 107 I [1988],<br />
S. 246 ff.<br />
401<br />
Da Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft ke<strong>in</strong>er Treue- und damit ke<strong>in</strong>er Geheimhaltungspflicht<br />
unterstehen (Vgl. zur Frage, ob Aktionäre e<strong>in</strong>er Treuepflicht unterstehen<br />
o<strong>der</strong> unterstellt werden können MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />
8. Auflage Bern 1998, § 3 N 23: Obwohl <strong>in</strong> neuerer Zeit verschiedentlich<br />
angeregt worden ist, für beson<strong>der</strong>e Arten von Aktiengesellschaften [v.a. kle<strong>in</strong>e, personenbezogene<br />
Aktiengesellschaften, Familienaktiengesellschaften] e<strong>in</strong>e Treuepflicht zu bejahen,<br />
hat das Bundesgericht dies konsequent abgelehnt [BGE 105 II 128, BGE 99 II 62].),<br />
bleibt zum<strong>in</strong>dest bei grossen Publikumsgesellschaften wenig Raum für das Auskunftsrecht.<br />
DE BEER beurteilt demgegenüber bei personenbezogeneren Kle<strong>in</strong>aktiengesellschaften<br />
die Gefahr als kle<strong>in</strong>er, dass Informationen an e<strong>in</strong>e grössere Öffentlichkeit gelangen<br />
könnten. Ausserdem sei das Auskunfts<strong>in</strong>teresse <strong>der</strong> Aktionäre gross, weil ihr f<strong>in</strong>anzielles<br />
Engagement meist auf Dauer angelegt und e<strong>in</strong>e Veräusserung <strong>der</strong> Aktien häufig<br />
mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei. Entsprechend kommt DE BEER für kle<strong>in</strong>e<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit nichtwirtschaftlichem Zweck zum Ergebnis: Angesichts <strong>der</strong> vergleichsweise<br />
starken Treuepflichten (vgl. zu den Treuepflichten im Vere<strong>in</strong>srecht S. 153 ff.) und <strong>der</strong><br />
nichtwirtschaftlichen Zielsetzung bestehe e<strong>in</strong>e umfassende Informationspflicht über alle<br />
Fragen, die mit dem Vere<strong>in</strong>szweck als solchem zusammenhängen. E<strong>in</strong>e Verweigerung von<br />
Auskünften unter H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong> Geheimhaltungs<strong>in</strong>teresse sei daher bei herkömmlichen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nur <strong>in</strong> sehr seltenen Fällen zulässig. Für sogenannte Grossvere<strong>in</strong>e (als Beispiele<br />
führt DE BEER Automobilverbände [z.B. TCS und ACS] an) verne<strong>in</strong>t DE BEER h<strong>in</strong>gegen<br />
e<strong>in</strong> umfassendes Auskunftsrecht. Er begründet dies damit, das Interesse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
richte sich vorab auf die Leistungen, die ihnen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> erbr<strong>in</strong>gt. Sie hätten wenig Anteil<br />
an <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sgeschicke. Mitwirkungsrechte und -pflichten könnten<br />
e<strong>in</strong>er Delegiertenversammlung übertragen werden. Ausserdem würden <strong>in</strong> solchen Verhältnissen<br />
oft zusätzlich Kontrollorgane geschaffen, welchen e<strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränktes Auskunftsrecht<br />
zukomme. E<strong>in</strong> zusätzliches Auskunftsrecht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> könne <strong>in</strong><br />
solchen Grossvere<strong>in</strong>en aus praktischen Gründen nicht denselben Umfang annehmen wie<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kle<strong>in</strong>vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Mitwirkung und Mitbestimmung jedes e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedes<br />
abhängig ist. DE BEER ist jedoch <strong>der</strong> Ansicht, das volle Auskunftsrecht <strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> müsse dann wie<strong>der</strong> aufleben, wenn die gewählten Vere<strong>in</strong>sorgane<br />
rechts- und statutenwidrig handeln und die Kontrollorgane versagen.<br />
139
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel weniger persönlich als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
ist zu beachten, dass auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
unter Umständen auf sehr strenge Treuepflichten ihrer Mitglie<strong>der</strong> angewiesen<br />
s<strong>in</strong>d. Zu denken ist etwa an die zu Beg<strong>in</strong>n dieser Arbeit vorgestellten<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wie Deloitte Consult<strong>in</strong>g 402 , Deloitte Touche Tohmatsu 403 ,<br />
KPMG International 404 o<strong>der</strong> Coopers & Lybrand International 405 , die wohl<br />
unter an<strong>der</strong>em gerade wegen <strong>der</strong> Treuepflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />
diese Rechtsform gewählt haben. 406<br />
An<strong>der</strong>erseits ist auch <strong>der</strong> Ansicht DE BEERS Beachtung zu schenken,<br />
das Auskunftsrecht von Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n bestimme sich zusätzlich<br />
auch durch die Beitrags- und Rechenschaftspflicht: DE BEER schliesst<br />
aus <strong>der</strong> Beitragspflicht gemäss Art. 71 Abs. 1 ZGB, die Mitglie<strong>der</strong> hätten<br />
e<strong>in</strong> Stimm- und Auskunftsrecht über Höhe und Verwendung <strong>der</strong> geleisteten<br />
Beiträge. Daraus ergebe sich e<strong>in</strong> umfassen<strong>der</strong> Anspruch auf Auskunftserteilung<br />
betreffend die Verwaltung des Vere<strong>in</strong>svermögens durch<br />
den Vorstand. Nach DE BEER kann dieses auf die wirtschaftliche Tätigkeit<br />
des Vorstandes gerichtete Auskunftsrecht – im Gegensatz zum Aktienrecht<br />
– nicht mit dem H<strong>in</strong>weis auf Geheimhaltungsbedürfnisse des<br />
Vere<strong>in</strong>s beschränkt werden. 407 Sofern e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> statutarisch e<strong>in</strong>e Kontrollstelle<br />
vorsieht, ist es jedoch entgegen <strong>der</strong> Auffassung DE BEERS<br />
vertretbar, dass die E<strong>in</strong>sichtsrechte <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> betreffend das<br />
Vere<strong>in</strong>svermögen analog zum Genossenschaftsrecht beschränkt werden.<br />
408 Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund liegt es im Interesse von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters, e<strong>in</strong>e Kontrollstelle als Organ vorzusehen, weil<br />
dadurch unerwünschte Publizität vermieden werden kann. An<strong>der</strong>erseits<br />
muss trotz Vorhandense<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>er Kontrollstelle auch e<strong>in</strong> Recht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />
auf Bekanntgabe <strong>der</strong> Bilanz bestehen, wie dies Art. 856<br />
OR für die Genossenschaft vorsieht. 409<br />
402<br />
Siehe S. 14.<br />
403<br />
Siehe S. 13.<br />
404<br />
Siehe S. 14.<br />
405<br />
Siehe S. 16.<br />
406<br />
Auf die Treuepflichten wird S. 153 ff. weiter e<strong>in</strong>gegangen.<br />
407<br />
ALEXANDER DE BEER, Zum Auskunftsrecht des Vere<strong>in</strong>smitglieds, ZSR 107 I (1988),<br />
S. 250 ff., mit H<strong>in</strong>weisen zum deutschen Recht. – Auf die speziellen Ausführungen DE<br />
BEERS gestützt auf Gläubiger- und Schuldnerrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> (z.B. zweckgebundene<br />
Spenden) ist an dieser Stelle nicht näher e<strong>in</strong>zugehen.<br />
408<br />
Vgl. dazu auch Art. 819 OR (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und den H<strong>in</strong>weis<br />
<strong>in</strong> FN 398.<br />
409<br />
Vgl. dazu auch S. 195 ff.<br />
140
c) Grossvere<strong>in</strong>e<br />
Die soeben dargestellten Beson<strong>der</strong>heiten h<strong>in</strong>sichtlich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters gelten auch für Grossvere<strong>in</strong>e 410 .<br />
4. Stimm- und Wahlrecht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
a) Stimm- und Wahlrecht gemäss ZGB<br />
Die Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em herkömmlichen Vere<strong>in</strong> basiert auf <strong>der</strong><br />
Person des Mitglieds und nicht auf <strong>der</strong> Kapitalbeteiligung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em<br />
an<strong>der</strong>en wirtschaftlichen Aspekt. Gemäss Art. 67 Abs. 1 ZGB gilt daher<br />
grundsätzlich, dass alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sversammlung dasselbe<br />
Stimmrecht haben. Diese Bestimmung ist allerd<strong>in</strong>gs dispositiver Natur,<br />
wobei nach vorherrschen<strong>der</strong> Auffassung Abweichungen vom Pr<strong>in</strong>zip des<br />
Kopfstimmrechts nicht willkürlich se<strong>in</strong> dürfen: Sie müssen sachlich begründet<br />
se<strong>in</strong> und ihre Rechtfertigung im Vere<strong>in</strong>szweck f<strong>in</strong>den. 411<br />
Die Zulässigkeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>räumung des Stimm- und Wahlrechts an<br />
Nichtmitglie<strong>der</strong> wird mehrheitlich abgelehnt, weil das Vere<strong>in</strong>sleben im<br />
Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften massgeblich durch das persönliche<br />
Mitwirken <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> bestimmt sei. 412<br />
Sofern die Statuten nicht explizit die gewillkürte Stellvertretung bei<br />
<strong>der</strong> Ausübung des Stimmrechts zulassen, wird diese allgeme<strong>in</strong> als<br />
Fremdkörper im Vere<strong>in</strong>srecht und daher ebenfalls als unzulässig betrachtet.<br />
413 Und selbst bei statutarischer Festsetzung wird teilweise die<br />
Beschränkung auf konkrete Verhandlungsgegenstände wie die Abgabe<br />
<strong>der</strong> Stimme zu e<strong>in</strong>em bestimmten Traktandum o<strong>der</strong> die Wahl e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
Person postuliert. 414<br />
Stimmrechtsvere<strong>in</strong>barungen bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n werden – sofern sie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Literatur überhaupt behandelt werden – als grundsätzlich zulässig ange-<br />
410 Vgl. dazu S. 123.<br />
411 HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 67 ZGB N 4 f., Basel 1996; HANS MICHAEL<br />
RIEMER, Kommentar zu Art. 67 ZGB N 9, Bern 1990.<br />
412 HEINI / SCHERRER, a.a.O. N 2; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 22 ff.; ANTON<br />
HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 50 f. An<strong>der</strong>er Ansicht A. EGGER,<br />
Kommentar zu Art. 66/67 ZGB N 10.<br />
413 Vgl. als Beispiel für e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> die Vertretung zulässt, Art. 10 <strong>der</strong> Statuten <strong>der</strong><br />
Tonhalle-Gesellschaft Zürich. Gemäss diesen Statuten darf ke<strong>in</strong> Mitglied mehr als vier<br />
an<strong>der</strong>e Mitglie<strong>der</strong> vertreten.<br />
414 ANTON HEINI, a.a.O., S. 51 f. Gegen e<strong>in</strong>e Beschränkung auf bestimmte Gegenstände<br />
HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 35. Teilweise wird auch die generelle Unzulässigkeit<br />
postuliert, selbst bei statutarischer Grundlage, vgl. dazu die H<strong>in</strong>weise bei RIEMER, a. a. O.<br />
141
sehen. Allerd<strong>in</strong>gs wird auf die Schranke des Persönlichkeitsschutzes<br />
verwiesen, <strong>der</strong>en Überschreitung zur Nichtigkeit des entsprechenden<br />
Vertrages führt (Art. 27 ZGB i.V.m. Art. 19 Abs. 2 OR). Diese Schranke<br />
dürfte bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n charakteristischerweise nicht selten<br />
aktuell werden, falls e<strong>in</strong>e Stimmrechtsvere<strong>in</strong>barung getroffen werden<br />
soll. 415<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />
E<strong>in</strong>e Differenzierung des Stimmrechts kann bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters etwa mit e<strong>in</strong>er unterschiedlichen Kapitalbeteiligung begründet<br />
werden. Sie kann sich aber auch nach <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />
richten, nach <strong>der</strong> Grösse und Bedeutung des Mitgliedes, wenn<br />
es sich um e<strong>in</strong>e juristische Person handelt, o<strong>der</strong> nach Massgabe <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Potenz des Mitgliedes (bestimmbar etwa anhand des Umsatzes).<br />
Alle genannten Kriterien s<strong>in</strong>d bei e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel sachlich gerechtfertigt. 416<br />
E<strong>in</strong> statutarisch e<strong>in</strong>geräumtes Stimmrecht für Nichtmitglie<strong>der</strong> ist auch<br />
bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters abzulehnen. Zu beachten ist,<br />
dass Dritten dennoch weitgehende Rechte e<strong>in</strong>geräumt werden können:<br />
Nach RIEMER können nämlich Nichtmitglie<strong>der</strong>n die „Nebenrechte“ zum<br />
Stimmrecht, das passive Wahlrecht für Organfunktionen sowie Ernennungs-<br />
und E<strong>in</strong>spracherechte zugestanden werden. 417<br />
E<strong>in</strong> Vergleich mit den Möglichkeiten <strong>der</strong> Stellvertretung bei Kapitalgesellschaften<br />
zeigt, dass etwa die aktienrechtliche Mitgliedschaft<br />
äusserst vertretungsfreundlich ausgestaltet ist (Art. 689 ff. OR). Bei <strong>der</strong><br />
Genossenschaft f<strong>in</strong>den sich mehr Beschränkungen, es ist aber immerh<strong>in</strong><br />
noch zulässig, dass sich Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> durch an<strong>der</strong>e Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
vertreten lassen, wobei allerd<strong>in</strong>gs bei Genossenschaften<br />
mit bis zu tausend Mitglie<strong>der</strong>n niemand mehr als e<strong>in</strong>e Person<br />
vertreten darf (Art. 886 OR). Die Statuten e<strong>in</strong>er Genossenschaft können<br />
ausserdem die Vertretung durch Familienangehörige für zulässig erklären.<br />
Die Stellvertretung bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters muss<br />
demgegenüber noch weiter e<strong>in</strong>geschränkt se<strong>in</strong> und darf nicht von den<br />
oben dargestellten Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts abweichen, da auch bei<br />
415 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 67 ZGB N 31 f., Bern 1990.<br />
416 Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 9, mit H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e Stimmrechtsdifferenzierung<br />
nach <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> vertretenen Partizipationssche<strong>in</strong>e bei e<strong>in</strong>er Zunft (Entscheid<br />
des Bundesgerichts vom 27.01.1926, ZR 27 [1928], S. 193).<br />
417 HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 23 ff.<br />
142
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters die Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
sehr viel stärker im Vor<strong>der</strong>grund steht als bei Kapitalgesellschaften. Oft<br />
wurde auch die Vere<strong>in</strong>sform für den Personenzusammenschluss gewählt,<br />
weil die Aktivitäten e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s Dritten gegenüber weitgehend geheim<br />
gehalten werden können. Grundsätzlich ist daher auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wirtschaftlichen Charakters die Stellvertretung bei <strong>der</strong> Ausübung des<br />
Stimmrechts nur dann zulässig, wenn die Statuten dies ausdrücklich vorsehen.<br />
Selbst e<strong>in</strong>e Beschränkung des Vertretungsrechts auf bestimmte<br />
Verhandlungsgegenstände ist nicht systemwidrig. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters kann unter Umständen für die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong><br />
sogar sehr viel mehr auf dem Spiel stehen, als dies bei herkömmlichen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n <strong>der</strong> Fall ist.<br />
Stimmrechtsvere<strong>in</strong>barungen bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />
s<strong>in</strong>d im allgeme<strong>in</strong>en weniger problematisch als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />
Die Gefahr e<strong>in</strong>er persönlichkeitsverletzenden B<strong>in</strong>dung ist ger<strong>in</strong>ger,<br />
was beson<strong>der</strong>s für Mitglie<strong>der</strong> gilt, die geschäftserfahren s<strong>in</strong>d.<br />
5. Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
a) Der Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im allgeme<strong>in</strong>en gemäss ZGB<br />
Dem Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im allgeme<strong>in</strong>en dienen die Rechte auf Unverletzlichkeit<br />
des Vere<strong>in</strong>szwecks (Art. 74 ZGB) 418 und auf Rechtmässigkeit<br />
des korporativen Lebens (Art. 75 ZGB), e<strong>in</strong>schliesslich des<br />
Rechts auf Nichtigerklärung von Vere<strong>in</strong>sbeschlüssen und auf Anfechtung<br />
und Nichtigerklärung von Beschlüssen an<strong>der</strong>er Organe. Eng verbunden<br />
mit diesen Rechten s<strong>in</strong>d die Schutzrechte im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Ausschliessung von Mitglie<strong>der</strong>n und das ungeschriebene Anhörungsrecht.<br />
419<br />
Als Schutzrechte im weiteren S<strong>in</strong>ne werden auch bezeichnet: Das<br />
Recht des Mitglieds auf Verantwortlichkeitsklagen (Art. 55 Abs. 2<br />
ZGB) 420 , das Recht auf E<strong>in</strong>berufung e<strong>in</strong>er Generalversammlung (Art. 64<br />
Abs. 3 ZGB), das Recht auf – unter Umständen sofortigen – Austritt<br />
(Art. 70 Abs. 2 ZGB) 421 , das Recht auf Auflösung des Vere<strong>in</strong>s (Art. 78<br />
ZGB) 422 und das Recht auf Gleichbehandlung 423 . 424<br />
418<br />
Dazu unten S. 146 ff.<br />
419<br />
Zum Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n vgl. S. 162 ff.<br />
420<br />
Vgl. dazu S. 197 ff.<br />
421<br />
Vgl. dazu S. 172 ff.<br />
422<br />
Zur Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit e<strong>in</strong>er Auflösungsklage vgl. S. 208.<br />
143
) Der Persönlichkeitsschutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Schranke für Handlungen e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d die Persönlichkeitsrechte<br />
se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong>. Beschlüsse, welche gegen die Persönlichkeitsrechte<br />
von Mitglie<strong>der</strong>n verstossen, s<strong>in</strong>d als nichtig zu betrachten.<br />
425<br />
Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters erhalten die Persönlichkeitsrechte<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Gewicht als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />
E<strong>in</strong>erseits ist die Mitgliedschaft weniger auf die psychische, moralische<br />
und soziale Persönlichkeit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> 426 ausgerichtet.<br />
E<strong>in</strong>e Verletzung dieser Aspekte <strong>der</strong> Persönlichkeit wird daher seltener<br />
vorkommen. An<strong>der</strong>erseits s<strong>in</strong>d aber auch die wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechte<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im Auge zu behalten, namentlich das<br />
Recht auf wirtschaftliche Entfaltung.<br />
Das Bundesgericht hat sich im Zusammenhang mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n zum<br />
letzten Mal <strong>in</strong> BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie<br />
FH, 1997) mit dem Persönlichkeitsrecht auf wirtschaftliche Entfaltung<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt. 427 In diesem Entscheid war <strong>der</strong> Ausschluss e<strong>in</strong>es<br />
Mitglieds aus e<strong>in</strong>em Branchenverband zu beurteilen. 428 Das Persönlichkeitsrecht<br />
auf wirtschaftliche Entfaltung wird aus Art. 28 ZGB abgeleitet<br />
429 und steht auch juristischen Personen zu. 430 Es hat se<strong>in</strong>en Nie<strong>der</strong>schlag<br />
auch im Kartellrecht gefunden.<br />
Das Bundesgericht ist traditionellerweise – zum<strong>in</strong>dest im Zusammenhang<br />
mit Art. 27 ZGB – bei <strong>der</strong> Annahme e<strong>in</strong>er Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />
auf wirtschaftliche Entfaltung sehr zurückhaltend. E<strong>in</strong>e<br />
Bee<strong>in</strong>trächtigung des Persönlichkeitsrechts auf wirtschaftliche Entfaltung<br />
i.S.v. Art. 27 ZGB wird erst dann angenommen, wenn die eigentli-<br />
423<br />
Vgl. dazu oben S. 137.<br />
424<br />
Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 176 f., Bern 1990. Vgl.<br />
auch ANTON HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 54 ff.<br />
425<br />
ANTON HEINI, a.a.O., S. 56 f. An<strong>der</strong>er Ansicht offenbar HANS MICHAEL RIEMER,<br />
Kommentar zu Art. 75 ZGB N 121, Bern 1990, <strong>der</strong> angesichts <strong>der</strong> grundsätzlichen Verzichtbarkeit<br />
auf Persönlichkeitsrechte <strong>in</strong> den Schranken von Art. 27 ZGB von <strong>der</strong> Anfechtbarkeit<br />
solcher Beschlüsse ausgeht.<br />
426<br />
Vgl. dazu PEDRAZZINI / OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Auflage<br />
Bern 1993, S. 132, mit H<strong>in</strong>weis auf die Botschaft des Bundesrates zur Revision <strong>der</strong><br />
Art. 28 ff., <strong>in</strong> Kraft seit 1. Juli 1985.<br />
427<br />
Vgl. zum Sachverhalt S. 55.<br />
428<br />
Zum Ausschluss vgl. ausführlich unten S. 162 ff.<br />
429<br />
ANDREAS MEIER, Kommentar zu Art. 28 ZGB N 31, Basel 1996.<br />
430<br />
Vgl. BGE 121 III 168 (Gewerkschaft Druck und Papier, 1995).<br />
144
chen Grundlagen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Existenz gefährdet s<strong>in</strong>d. 431 In<br />
BGE 123 III 193 sche<strong>in</strong>t das Bundesgericht diese Zurückhaltung bei <strong>der</strong><br />
Anwendung von Art. 28 ZGB gelockert zu haben. Das Bundesgericht<br />
g<strong>in</strong>g offenbar implizit davon aus, <strong>der</strong> Ausschluss aus e<strong>in</strong>er Branchen-,<br />
Berufs- o<strong>der</strong> Standesorganisation stelle per se e<strong>in</strong>e Verletzung <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />
i.S.v. Art. 28 ZGB dar. Erst im Rahmen <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong><br />
Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit <strong>der</strong> Verletzung, also bei <strong>der</strong> Prüfung, ob Rechtfertigungsgründe<br />
gemäss Art. 28 Abs. 2 ZGB vorlagen, wurden auch die Interessen<br />
des Vere<strong>in</strong>s berücksichtigt. 432 Dieser Ansatz <strong>der</strong> bundesgerichtlichen<br />
Rechtsprechung darf nicht <strong>der</strong>art für sämtliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters verallgeme<strong>in</strong>ert werden, als dass jede auch<br />
noch so m<strong>in</strong>ime Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>der</strong> Möglichkeiten auf wirtschaftliche<br />
Entfaltung die Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e Persönlichkeitsverletzung i.S.v.<br />
Art. 28 ZGB erfüllt (die dann möglicherweise gerechtfertigt ist). Im Zusammenhang<br />
mit Bee<strong>in</strong>trächtigungen und Beschränkungen <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Entfaltungsmöglichkeiten, wie sie im Wirtschaftsleben üblich<br />
und akzeptiert s<strong>in</strong>d, sollte Art. 28 ZGB nur <strong>in</strong> Extremfällen e<strong>in</strong><br />
Thema se<strong>in</strong>. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung, die aufgrund <strong>der</strong><br />
Beson<strong>der</strong>heiten von Branchen-, Berufs- und Standesorganisationen mit<br />
e<strong>in</strong>er Monopol- o<strong>der</strong> sonstwie qualifizierten Stellung 433 durchaus zu begrüssen<br />
ist, darf nicht unbesehen auf sämtliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters übertragen werden. Immer dann, wenn es nicht um die<br />
Beschränkung <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Ausübung e<strong>in</strong>es bestimmten Berufes<br />
geht 434 , son<strong>der</strong>n um sonstige wirtschaftliche Interessen, ist bei <strong>der</strong> Annahme<br />
e<strong>in</strong>er Persönlichkeitsverletzung grösste Zurückhaltung geboten.<br />
431 Vgl. namentlich BGE 104 II 6 (Gesellschaft <strong>der</strong> Ärzte des Kantons Zürich, 1978).<br />
432 Die theoretische Erfassung des Problems ist aus dem publizierten Entscheid nicht klar<br />
ersichtlich. Die Bezugnahme des Bundesgerichts auf die Vor<strong>in</strong>stanz sche<strong>in</strong>t jedoch die<br />
hier beschriebene E<strong>in</strong>ordnung zu implizieren.<br />
433 E<strong>in</strong>e solche kann etwa dann vorliegen, wenn die Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Berufs- o<strong>der</strong><br />
Standesorganisation e<strong>in</strong>e eigentliche Voraussetzung für die Ausübung e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
beruflichen Tätigkeit darstellt, weil nur die Mitgliedschaft den Zugang zu bestimmten<br />
Formen <strong>der</strong> Berufsausübung ermöglicht.<br />
434 In diesem Zusammenhang ist auch die Rechtsprechung zur Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berufstätigkeit<br />
von Sportler<strong>in</strong>nen und Sportlern zu nennen: Urteil des Bernischen Appellationshofes<br />
vom 27. 06.1986 (<strong>Schweiz</strong>erischer Reit- und Fahrsportverband), ZBJV 124 (1988), S. 311 ff.;<br />
Urteil des Berner Richteramtes vom 22.12.1987 (<strong>Schweiz</strong>erischer Leichtathletikverband, Sperre<br />
von Sandra Gasser), SJZ 84 (1988). S. 85 ff.; Urteil des Obergerichts Zürich vom<br />
7.11.1977 (EHC K.), SJZ 75 (1979), S. 75 ff. – Namentlich im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />
Sperre von Sportler<strong>in</strong>nen und Sportlern kann auch die Verletzung <strong>der</strong> Ehre <strong>der</strong> Betroffenen<br />
e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />
145
Schliesslich ist darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Prüfung<br />
<strong>der</strong> Frage, ob e<strong>in</strong> wirtschaftliches Persönlichkeitsrecht e<strong>in</strong>es Mitgliedes<br />
<strong>in</strong> wi<strong>der</strong>rechtlicher Weise verletzt ist – auch die (wirtschaftlichen)<br />
Persönlichkeitsrechte des Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen s<strong>in</strong>d.<br />
Solche können e<strong>in</strong>en Rechtfertigungsgrund im S<strong>in</strong>ne des überwiegenden<br />
privaten Interesses gemäss Art. 28 Abs. 2 ZGB darstellen. 435<br />
Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, dass e<strong>in</strong>e Persönlichkeitsverletzung<br />
wegen E<strong>in</strong>willigung <strong>der</strong> verletzten Person gerechtfertigt<br />
ersche<strong>in</strong>t. Wenn sich e<strong>in</strong> Mitglied durch Beitritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> dessen<br />
Statuten o<strong>der</strong> den Beschlüssen <strong>der</strong> zuständigen Organe unterwirft, so<br />
kann dies als E<strong>in</strong>willigung <strong>in</strong> allfällige persönlichkeitsverletzende Bestimmungen<br />
und Beschlüsse aufgefasst werden. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige E<strong>in</strong>willigung<br />
unterliegt jedoch wie<strong>der</strong>um den Schranken von Art. 27 ZGB:<br />
Wenn die Statuten o<strong>der</strong> Beschlüsse <strong>in</strong> krasser Weise Persönlichkeitsrechte<br />
bee<strong>in</strong>trächtigen, so kann sich ke<strong>in</strong> Mitglied <strong>in</strong> b<strong>in</strong>den<strong>der</strong> Weise<br />
zur Befolgung <strong>der</strong>selben verpflichten (Art. 27 Abs. 2 ZGB). E<strong>in</strong>e Rechtfertigung<br />
durch E<strong>in</strong>willigung <strong>der</strong> verletzten Person kommt somit nicht<br />
<strong>in</strong> Frage. 436<br />
c) Der Schutz des Vere<strong>in</strong>szwecks<br />
Gemäss Art. 74 ZGB kann die Umwandlung des Vere<strong>in</strong>szwecks ke<strong>in</strong>em<br />
Mitglied „aufgenötigt“ werden. Diese Bestimmung hat zur Folge,<br />
dass für Zweckumwandlungen das E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zip gilt. 437 Grund<br />
für diese restriktive Regelung ist, dass bei re<strong>in</strong> personenbezogenen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
das Tätigkeitsgebiet den Grund für die Mitgliedschaft bildet, nicht<br />
etwa e<strong>in</strong>e Kapitalbeteiligung. Da sich Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> unter Umständen<br />
auch zur Erfüllung von nicht-kapitalbezogenen Mitgliedschaftspflichten<br />
verpflichten, soll ihnen nicht zugemutet werden, dass diese gegen<br />
ihren Willen grundlegend geän<strong>der</strong>t werden. 438<br />
435 Vgl. s<strong>in</strong>ngemäss BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH, 1997).<br />
436 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne BGE 104 II 6 (Gesellschaft <strong>der</strong> Ärzte des Kantons Zürich, 1978) betreffend<br />
Verbot <strong>der</strong> Selbstdispensation durch e<strong>in</strong>en Arzt und Urteil des Obergerichts Zürich<br />
vom 7.11.1977 (EHC K.), SJZ 75 (1979), S. 78, betreffend Transfer e<strong>in</strong>es Sportlers.<br />
437 Vgl. zur Berücksichtigung des E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zips betreffend Zweckän<strong>der</strong>ungen<br />
im Zusammenhang mit Fusionen Art. 18 Abs. 6 EFusG. Für Umwandlungen sieht <strong>der</strong><br />
EFusG h<strong>in</strong>gegen lediglich die Zustimmung von drei Vierteln <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Generalversammlung<br />
anwesenden Mitglie<strong>der</strong> vor. Offenbar wird davon ausgegangen, dass bei Umwandlungen<br />
nie e<strong>in</strong>e Zweckän<strong>der</strong>ung erfolgt.<br />
438 URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 74 ZGB N 2, Basel 1996.<br />
146
Gemäss <strong>der</strong> Rechtsprechung soll immerh<strong>in</strong> zulässig se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong><br />
Vere<strong>in</strong> durch Mehrheitsbeschluss se<strong>in</strong>en Zweck lediglich än<strong>der</strong>t, ohne<br />
ihn umzuwandeln. 439 E<strong>in</strong>e i.S.v. Art. 74 ZGB wesentliche Zweckumwandlung<br />
liegt dann vor, wenn <strong>der</strong> Zweck <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt geän<strong>der</strong>t wird,<br />
dem die Mitglie<strong>der</strong> bei ihrem Entschluss zum Beitritt und zur Erfüllung<br />
<strong>der</strong> Mitgliedschaftspflichten nach Treu und Glauben erhebliche Bedeutung<br />
beimessen durften. 440 Allgeme<strong>in</strong> wird angenommen, e<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Mittel zur gleichbleibenden Zweckerreichung werde von Art. 74<br />
ZGB nur dann erfasst, wenn die Mittel den Charakter des Vere<strong>in</strong>s als<br />
Grundlage <strong>der</strong> Mitgliedschaft wesentlich mitprägen. 441 Ob die Bestimmung<br />
von Art. 74 ZGB zw<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Natur ist, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur umstritten.<br />
Die neuere Lehre tendiert zur Annahme, es handle sich um dispositives<br />
Recht. 442<br />
Das E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zip ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche nicht dem<br />
herkömmlichen Bild des Gesetzgebers entsprechen, unter dem Gesichtspunkt<br />
<strong>der</strong> Praktikabilität kritisch. Dennoch sche<strong>in</strong>t nicht vertretbar,<br />
von den Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts abzuweichen und die generelle<br />
Zulässigkeit von Zweckän<strong>der</strong>ungen mit Mehrheitsbeschluss zu postulieren.<br />
Obwohl bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters das ideelle Interesse<br />
weniger im Vor<strong>der</strong>grund steht, als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />
unterstehen selbst bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft Zweckän<strong>der</strong>ungen qualifizierten<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen (Art. 704 Abs. 1 Ziff. 1 OR). 443 Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d im Gegensatz zur Aktiengesellschaft<br />
zusätzlich persönliche Verpflichtungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im Spiel. Diese<br />
rechtfertigen die Beibehaltung des E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zips. 444<br />
439<br />
Vgl. etwa Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 14.12.1990 (Basler Orchestergesellschaft),<br />
BJM 1992, S. 38 ff.<br />
440<br />
BGE 86 II 389.<br />
441<br />
URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 74 ZGB N 5, Basel 1996; HANS MICHAEL<br />
RIEMER, Kommentar zu Art. 74 ZGB N 12, Bern 1990.<br />
442<br />
Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 6, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen; ANTON HEINI, Das<br />
schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 54; URS SCHERRER, a.a.O. N 9.<br />
443<br />
In diesem Zusammenhang sei auf BGE 86 II 389 verwiesen. Das Bundesgericht führt<br />
<strong>in</strong> diesem Entscheid e<strong>in</strong>en Vergleich zwischen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft und dem Vere<strong>in</strong><br />
durch und betont, Beschlüsse über die Än<strong>der</strong>ung des Zwecks e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft berührten<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>zig wirtschaftliche Interessen <strong>der</strong> Aktionäre. Ausserdem g<strong>in</strong>ge es<br />
meist nur darum, den Endzweck <strong>der</strong> Erzielung e<strong>in</strong>er Rendite auf e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Weg als<br />
bisher anzustreben. Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> hätten h<strong>in</strong>gegen an <strong>der</strong> Beibehaltung des Vere<strong>in</strong>szwecks<br />
oft e<strong>in</strong> ideelles Interesse.<br />
444<br />
E<strong>in</strong> gewisser Wi<strong>der</strong>spruch ergibt sich aufgrund dieser Auffassung im Vergleich zur<br />
Genossenschaft. Das Genossenschaftsrecht enthält ke<strong>in</strong>e speziellen Bestimmungen betreffend<br />
Beschlüsse über Zweckän<strong>der</strong>ungen. Gemäss <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Bestimmung von<br />
147
d) Grossvere<strong>in</strong>e<br />
Auch <strong>in</strong> Grossvere<strong>in</strong>en 445 steht die Persönlichkeit des e<strong>in</strong>zelnen Mitglieds<br />
nicht im Vor<strong>der</strong>grund. Persönlichkeitsverletzungen dürften daher<br />
seltener zu bejahen se<strong>in</strong>, als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />
Die Ausführungen bezüglich <strong>der</strong> schlechten Praktikabilität des E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zips<br />
für Zweckän<strong>der</strong>ungen gelten <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Masse<br />
auch für Grossvere<strong>in</strong>e. 446 Wie bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />
sche<strong>in</strong>t jedoch auch bei jenen e<strong>in</strong>e Abweichung von den geltenden Regeln<br />
nicht angezeigt.<br />
6. Vermögenswerte Rechte<br />
a) Benutzungsrechte<br />
H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Benutzungsrechte im engeren S<strong>in</strong>n ergeben sich bei<br />
e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters ke<strong>in</strong>e grundsätzlichen Beson<strong>der</strong>heiten.<br />
H<strong>in</strong>zuweisen ist lediglich auf den Umstand, dass die Gewährung<br />
und die Ausübung von Benutzungsrechten im E<strong>in</strong>zelfall so konzipiert<br />
se<strong>in</strong> können, dass e<strong>in</strong> (ganz o<strong>der</strong> teilweise vere<strong>in</strong>s<strong>in</strong>terner)<br />
Gewerbebetrieb i.S.v. Art. 61 Abs. 2 ZGB vorliegt. Nach <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichts hätte dies im Gegensatz zur hier vertretenen<br />
Ansicht bei e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> mit wirtschaftlichem Zweck zur Folge, dass<br />
dieser unzulässig wäre. 447<br />
b) Geldleistungen<br />
Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „nichtwirtschaftlichem Zweck“ werden charakteristischerweise<br />
grundsätzlich ke<strong>in</strong>e Geldleistungen an die Mitglie<strong>der</strong> ausgerichtet.<br />
Dennoch ist vergleichsweise häufig <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sstatuten vorge-<br />
Art. 888 Abs. 2 OR bedürfen Statutenän<strong>der</strong>ungen somit lediglich e<strong>in</strong>er zw<strong>in</strong>genden M<strong>in</strong>destmehrheit<br />
von zwei Dritteln <strong>der</strong> abgegebenen Stimmen. Zweckän<strong>der</strong>ungen werden<br />
also im Gegensatz zur Aktiengesellschaft bei <strong>der</strong> Genossenschaft nicht an<strong>der</strong>s behandelt<br />
als sonstige Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Statuten. Ausserdem muss e<strong>in</strong>e Statutenän<strong>der</strong>ung bei <strong>der</strong><br />
Genossenschaft auch nicht öffentlich beurkundet werden. Die Regelung des Vere<strong>in</strong>srechts<br />
berücksichtigt jedoch das personalistische Element von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters besser als die Regeln zur Genossenschaft.<br />
445<br />
Vgl. dazu S. 123.<br />
446<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits FELIX KLAUS, Der Schutz des Vere<strong>in</strong>szwecks, Diss. Freiburg,<br />
Zürich 1977, S. 179 ff.<br />
447<br />
Vgl. dazu HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 28 f., Bern 1990,<br />
mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />
148
sehen, dass im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es untergeordneten Zwecks an bedürftige<br />
Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> Fürsorge- o<strong>der</strong> Unterstützungsleistungen geleistet<br />
werden. Auch führten viele <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit Versicherungs-<br />
o<strong>der</strong> Spare<strong>in</strong>richtungen. 448<br />
Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ist die Ausrichtung von<br />
Geldleistungen o<strong>der</strong> von geldwerten Vorteilen nach <strong>der</strong> hier vertretenen<br />
Ansicht zulässig. 449 Dabei s<strong>in</strong>d allgeme<strong>in</strong>e Grundsätze wie die Gleichbehandlung<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> 450 und <strong>der</strong> Gläubigerschutz 451 zu berücksichtigen.<br />
c) Gew<strong>in</strong>nverwendung<br />
Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Ausrichtung von Geldleistungen an die<br />
Mitglie<strong>der</strong> bedarf die Problematik <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nverwendung e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en<br />
Betrachtung. Handels- o<strong>der</strong> Erwerbsgesellschaften tätigen ihre<br />
Geschäfte mit <strong>der</strong> Absicht, e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n zu erzielen, welcher an die<br />
Mitglie<strong>der</strong> verteilt werden soll. Die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie an <strong>der</strong> Wertsteigerung ihrer E<strong>in</strong>lage und / o<strong>der</strong> an<br />
e<strong>in</strong>er hohen und regelmässigen Rendite ihrer Kapitalanlage <strong>in</strong>teressiert,<br />
ohne dass die effektive Tätigkeit <strong>der</strong> Aktiengesellschaft im Vor<strong>der</strong>grund<br />
steht. Die Genossenschaft bezweckt h<strong>in</strong>gegen, ihren Mitglie<strong>der</strong>n konkrete<br />
Sachvorteile zu verschaffen. Gemäss Art. 828 OR i.V.m. Art. 92<br />
Abs. 1 HRegV versuchen die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Genossenschaft, ihre wirtschaftlichen<br />
Interessen durch geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe zu för<strong>der</strong>n und<br />
zwar nicht nur durch Geldleistungen, son<strong>der</strong>n vor allem durch die Befriedigung<br />
bestimmter Sach<strong>in</strong>teressen. 452<br />
Auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d Personengesellschaften.<br />
453 Daher dürfen sie nicht ausschliesslich darauf ausgerichtet se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en<br />
f<strong>in</strong>anziellen Gew<strong>in</strong>n zu erzielen, <strong>der</strong> an die Mitglie<strong>der</strong> verteilt wird.<br />
Die alle<strong>in</strong>ige Ausrichtung auf das Verteilen von Dividenden (ohne jegliches<br />
personalistisches Element), welche dazu führt, dass Gesellschaften<br />
für Kapitalanlagen attraktiv werden, muss den Kapitalgesellschaften des<br />
448<br />
Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 171 f., Bern 1990.<br />
449<br />
Vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen zur Gew<strong>in</strong>nverwendung.<br />
450<br />
Vgl. dazu S. 137.<br />
451<br />
Vgl. dazu ausführlich S. 182.<br />
452<br />
Vgl. im Zusammenhang mit dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> genossenschaftlichen Selbsthilfe die<br />
Überlegungen <strong>der</strong> GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“, Schlussbericht vom<br />
24.09.1993, S. 61.<br />
453<br />
Vgl. weiterführend die Ausführungen S. 119.<br />
149
OR vorbehalten bleiben. In Kapitel VIII wurde dargestellt, welche Voraussetzungen<br />
erfüllt se<strong>in</strong> müssen, damit e<strong>in</strong> Personenzusammenschluss<br />
e<strong>in</strong>e Personengesellschaft darstellt und sich somit als Vere<strong>in</strong> konstituieren<br />
kann. S<strong>in</strong>d diese Voraussetzungen erfüllt, so ist als zulässig zu erachten,<br />
dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters Gew<strong>in</strong>nausschüttungen<br />
tätigen. 454 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> dürfen ihren Mitglie<strong>der</strong>n auch sonstige, direkte geldwerte<br />
Vorteile verschaffen. Der Unterschied zur Genossenschaft liegt<br />
dabei dar<strong>in</strong>, dass bei dieser die geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe als Mittel zur<br />
Zweckverfolgung stark gewichtet und als zw<strong>in</strong>gendes Element bezeichnet<br />
wird. 455 Das Genossenschaftsrecht baut auf dem Gedanken <strong>der</strong> Solidarität<br />
auf. Die Erreichung des Zwecks erfolgt durch persönliche Beitragsleistungen<br />
aller Mitglie<strong>der</strong>, die dazu zw<strong>in</strong>gend verpflichtet s<strong>in</strong>d. Es<br />
reicht nicht, dass die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Genossenschaft dauernd nur f<strong>in</strong>anzielle<br />
Beiträge leisten. Jedes Mitglied soll sich persönlich e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen,<br />
e<strong>in</strong> Stück <strong>der</strong> wirtschaftlichen Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> soll <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Gesellschaft aufgehen. 456 Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n steht zwar die Persönlichkeit <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> ebenfalls im Vor<strong>der</strong>grund (<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d Personengesellschaften),<br />
<strong>der</strong> Gedanke <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Selbsthilfe und <strong>der</strong> Solidarität<br />
ist jedoch nicht so ausgeprägt wie bei <strong>der</strong> Genossenschaft und jedenfalls<br />
nicht zw<strong>in</strong>gendes Erfor<strong>der</strong>nis.<br />
Die Statuten haben zu regeln, wie die Gew<strong>in</strong>nverteilung erfolgen soll.<br />
Zu beachten ist <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Gleichbehandlung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>,<br />
wobei sachlich begründete Ungleichbehandlungen zulässig s<strong>in</strong>d. Solche<br />
können zum Beispiel an verschiedene Mitglie<strong>der</strong>kategorien anknüpfen,<br />
sofern diese wie<strong>der</strong>um sachlich begründet s<strong>in</strong>d. 457 Regeln die Statuten<br />
die Verteilung des Gew<strong>in</strong>nes nicht, so gilt auch ohne beson<strong>der</strong>e gesetzliche<br />
Grundlage dieselbe Regel, wie sie Art. 859 Abs. 1 OR für die Genossenschaft<br />
aufstellt: Der Re<strong>in</strong>ertrag fällt <strong>in</strong> das Vere<strong>in</strong>svermögen. Dies<br />
bedeutet, dass er zur Erreichung des statutarischen Zweckes e<strong>in</strong>gesetzt<br />
454<br />
Nach <strong>der</strong> hier vertretenen Ansicht impliziert <strong>der</strong> Wortlaut <strong>der</strong> Bestimmung von<br />
Art. 61 Abs. 2 ZGB („für se<strong>in</strong>en Zweck“) nicht e<strong>in</strong> Verbot <strong>der</strong> Auszahlung von<br />
Gew<strong>in</strong>nen an die Mitglie<strong>der</strong>. – Wird die unpraktikable Frage nach dem Zweck für die<br />
Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nicht gestellt, so kann <strong>der</strong> Wortlaut von Art. 61 Abs. 2 ZGB<br />
erst recht ke<strong>in</strong> Verbot <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nausschüttung zur Folge haben.<br />
455<br />
So REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel 1998,<br />
S. 12.<br />
456<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 19 N 8 ff.; CARL BAUDENBACHER, Kommentar zu Art. 828 OR N 22 ff., Basel<br />
1994.<br />
457<br />
Vgl. dazu S. 137.<br />
150
wird. Allerd<strong>in</strong>gs können die Mitglie<strong>der</strong> diesen Zweck 458 bzw. die Statuten<br />
durch Aufnahme e<strong>in</strong>er Bestimmung über die Gew<strong>in</strong>nverwendung je<strong>der</strong>zeit<br />
gemäss den statutarischen Regeln än<strong>der</strong>n, wenn durch diese Ertragszuweisung<br />
e<strong>in</strong> unverhältnismässig hohes Vere<strong>in</strong>svermögen geäufnet<br />
wird.<br />
Die Spezialbestimmung von Art. 859 Abs. 2 OR sollte dagegen auf<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht angewendet werden. Diese hat ihren Ursprung dar<strong>in</strong>, dass<br />
bei <strong>der</strong> Genossenschaft an sich ke<strong>in</strong> Re<strong>in</strong>ertrag erzielt werden darf, son<strong>der</strong>n<br />
dass die Mitglie<strong>der</strong> direkt durch günstige Leistungen <strong>der</strong> genossenschaftlichen<br />
E<strong>in</strong>richtungen begünstigt werden sollen. Die Genossenschaft<br />
soll den Mitglie<strong>der</strong>n bei <strong>der</strong>en eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit<br />
behilflich se<strong>in</strong>. 459 Da bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n die geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe ke<strong>in</strong> zw<strong>in</strong>gendes<br />
Element darstellt, braucht diese ausgesprochen genossenschaftliche<br />
Regel nicht beachtet zu werden.<br />
H<strong>in</strong>gegen bietet die Regelung von Art. 859 Abs. 3 OR e<strong>in</strong>e praktisch<br />
wirksame Abgrenzungsmöglichkeit zu den Kapitalgesellschaften. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
können gemäss geltendem Recht Anteilsche<strong>in</strong>e ausgeben; <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Praxis existiert e<strong>in</strong>e Anzahl <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die dies tun. 460 Die Regelung, dass<br />
die auf Anteilsche<strong>in</strong>e entfallende Quote des Re<strong>in</strong>ertrages den landesüblichen<br />
Z<strong>in</strong>sfuss für langfristige Darlehen ohne beson<strong>der</strong>e Sicherheitsleistungen<br />
nicht übersteigen darf, soll bezwecken, dass allfällige Anteilsche<strong>in</strong>e<br />
bei Genossenschaften für Kapitalanlagen unattraktiv s<strong>in</strong>d. 461<br />
Diese Bestimmung ist auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters analog<br />
458 Zur Problematik <strong>der</strong> Zweckän<strong>der</strong>ung vgl. S. 146 ff.<br />
459 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 19 N 52 f.; MARKUS NEUHAUS, Kommentar zu Art. 858 OR N 1 ff. und zu<br />
Art. 859 OR N 1 ff., Basel 1994; CARL BAUDENBACHER, Kommentar zu Art. 828 OR<br />
N 18, Basel 1994.<br />
460 Als Beispiel kann etwa die Tonhalle-Gesellschaft <strong>in</strong> Zürich dienen, die auch bei HANS<br />
MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 280, Bern 1990 erwähnt ist, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />
Pfadf<strong>in</strong><strong>der</strong>heim auf dem Hummel mit Sitz <strong>in</strong> Basel, <strong>der</strong> ähnlich organisiert ist, wie e<strong>in</strong>e Reihe<br />
weiterer Pfadf<strong>in</strong><strong>der</strong>heim-<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Vgl. ferner DERS., Kommentar zu Art. 60 ZGB N 43,<br />
und DERS., F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Sportvere<strong>in</strong>en,<br />
gemäss schweizerischem Recht, SpuRt 1999, S. 40 f. Zur Zulässigkeit <strong>der</strong> Ausgabe von<br />
Anteilsche<strong>in</strong>en bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n vgl. bereits WALTER BEYELER, Der Korporationszweck,<br />
Diss. Basel 1942, S. 45; RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />
Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 15, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />
461 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 19 N 54.<br />
151
anzuwenden, um zu gewährleisten, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> hier dargestellten<br />
Weise e<strong>in</strong>gesetzt werden. 462<br />
Führt die Ausschüttung von Gew<strong>in</strong>nen dazu, dass dem Vere<strong>in</strong> das<br />
Vermögenssubstrat zur Ausübung se<strong>in</strong>er Tätigkeit fehlt, so ist dies gleich<br />
zu beurteilen, wie wenn ungenügende Mitglie<strong>der</strong>beiträge erhoben werden.<br />
Entsprechendes Verhalten kann zur Verantwortlichkeitshaftung <strong>der</strong><br />
Organe o<strong>der</strong> zur anteilsmässigen Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> führen. 463 Diese<br />
Folgen dürften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis e<strong>in</strong> wichtiges H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis dafür darstellen,<br />
dass die Vere<strong>in</strong>sform für Personenzusammenschlüsse missbraucht wird,<br />
welche eigentlich Kapitalgesellschaften darstellen.<br />
462 Vgl. zur Auszahlung von Dividenden an Mitglie<strong>der</strong> den Entscheid des Bundesgerichts<br />
vom 27.01.1926, ZR 27 [1928], S. 192 ff.<br />
463 Vgl. dazu im e<strong>in</strong>zelnen unten S. 158.<br />
152
XIII. Die Mitgliedschaftspflichten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters und <strong>der</strong>en<br />
Sanktionierung<br />
1. Mitgliedschaftspflichten gemäss ZGB<br />
Die e<strong>in</strong>zige explizit im Gesetz vorgesehene Mitgliedschaftspflicht ist<br />
die Beitragspflicht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> (Art. 71 ZGB). Auf diese wird<br />
unten 464 näher e<strong>in</strong>gegangen. Abgesehen davon ist allgeme<strong>in</strong> anerkannt,<br />
dass auch im Vere<strong>in</strong>srecht e<strong>in</strong>e gesetzliche, auf ungeschriebenem Recht<br />
beruhende allgeme<strong>in</strong>e Treuepflicht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> besteht. Diese be<strong>in</strong>haltet<br />
hauptsächlich die Pflicht, alles zu unterlassen, was den am Vere<strong>in</strong>szweck<br />
orientierten Verbands<strong>in</strong>teressen zuwi<strong>der</strong>laufen könnte. Sie<br />
kann aber auch Handlungspflichten umfassen. Die Tragweite <strong>der</strong> Treuepflicht<br />
ergibt sich aus <strong>der</strong> Ausgestaltung des Vere<strong>in</strong>s im E<strong>in</strong>zelfall. 465<br />
Als Ergänzung zu den gesetzlichen Pflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />
können die Statuten zusätzliche Mitgliedschaftspflichten vorsehen. Dabei<br />
genügt, dass die Statuten e<strong>in</strong>em Organ die Kompetenz zur Begründung<br />
von Mitgliedschaftspflichten e<strong>in</strong>räumen. 466 Zu denken ist an persönliche<br />
Leistungs-, Handlungs- o<strong>der</strong> Unterlassungspflichten. In <strong>der</strong><br />
Praxis werden solche Pflichten sehr häufig statuiert. 467<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />
a) Treuepflicht<br />
Die Tragweite <strong>der</strong> Treuepflicht richtet sich, wie oben erwähnt, nach<br />
dem E<strong>in</strong>zelfall. Entscheidend ist, wie eng die sonstigen Beziehungen<br />
zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n und dem Vere<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d. 468 Auch bei den Genossenschaften,<br />
für welche die Treuepflicht explizit im Gesetz statuiert ist<br />
464<br />
S. 155 ff.<br />
465<br />
BGE 74 II 165; MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />
8. Auflage Bern 1998, § 20 N 38; ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 14 ff.,<br />
Basel 1996; HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 189 ff., Bern 1990;<br />
URS SCHERRER, Rechtsfragen des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich<br />
1982, S. 98 ff.<br />
466<br />
ANTON HEINI, a.a.O. N 14 ff.<br />
467<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 20 N 37; ANTON HEINI, a.a.O. N 15; HANS<br />
MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 186 ff.<br />
468<br />
HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 189.<br />
153
(Art. 866 OR), variiert die praktische Bedeutung dieser Pflicht von Gesellschaft<br />
zu Gesellschaft. Bei kle<strong>in</strong>en Genossenschaften mit engen persönlichen<br />
B<strong>in</strong>dungen unter den Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong>n lassen sich aus<br />
<strong>der</strong> gesetzlichen Treuepflicht konkrete Leistungs- und Unterlassungspflichten<br />
ableiten. Bei Grossgenossenschaften mit sehr vielen Mitglie<strong>der</strong>n<br />
ist sie dagegen weitgehend <strong>in</strong>haltslos. 469 Im übrigen beurteilt sich<br />
die konkrete Treuepflicht <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />
nach dem angestrebten Zweck und den dafür vorgesehenen Mitteln. Der<br />
weitere Statuten<strong>in</strong>halt ist für die Bestimmung <strong>der</strong> Treuepflicht dann beachtlich,<br />
wenn sich daraus beson<strong>der</strong>e Pflichten ergeben, welche über die<br />
eigentliche Zweckbestimmung und die dafür vorgesehenen Mittel gehen.<br />
Die Statuten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>erseits Grundlage, an<strong>der</strong>erseits Schranke<br />
<strong>der</strong> Treuepflicht. Beschränkungen <strong>der</strong> Individualrechtssphäre <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
können nur <strong>in</strong>soweit als zulässig erachtet werden,<br />
als die Rechtssphäre <strong>der</strong> Genossenschaft reicht. Dies muss aus den<br />
Statuten erkennbar se<strong>in</strong>. 470<br />
Werden diese Gesichtspunkte auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> übertragen, so erhält die<br />
Treuepflicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />
Qualität, als dies bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n <strong>der</strong> Fall ist. E<strong>in</strong>erseits<br />
s<strong>in</strong>d die Beziehungen zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen<br />
Charakters <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel weniger persönlich, an<strong>der</strong>erseits ist<br />
aber auch zu beachten, dass gerade die Treuepflichten e<strong>in</strong> wichtiges Argument<br />
für die Wahl <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform se<strong>in</strong> können.<br />
Treuepflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> dürfen nicht zu e<strong>in</strong>er wi<strong>der</strong>rechtlichen<br />
Verletzung <strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> führen,<br />
wobei bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters namentlich das Persönlichkeitsrecht<br />
auf wirtschaftliche Entfaltung 471 zu beachten ist. 472<br />
b) Weitere Pflichten<br />
Die Möglichkeit, neben <strong>der</strong> Beitragspflicht weitere Mitgliedschaftspflichten<br />
vorzusehen, ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gründe, welche den Vere<strong>in</strong> für bestimmte<br />
wirtschaftliche Zusammenschlüsse als Rechtsform attraktiv ma-<br />
469<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage<br />
Bern 1998, § 19 N 46.<br />
470<br />
BGE 101 II 125.<br />
471<br />
Vgl. dazu die Ausführungen S. 144.<br />
472<br />
Vgl. zur Treuepflicht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Arbeitgeber- o<strong>der</strong> Arbeitnehmerverbandes<br />
BGE 74 II 158.<br />
154
chen. 473 Auch jede konkrete Handlungs- o<strong>der</strong> Unterlassungspflicht hat<br />
die Persönlichkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> zu respektieren, wobei allerd<strong>in</strong>gs<br />
zu beachten ist, dass die Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> auf freiwilliger<br />
Basis erfolgt und Mitglie<strong>der</strong> auch aus dem Vere<strong>in</strong> wie<strong>der</strong> austreten<br />
können. Dennoch s<strong>in</strong>d Pflichten mit „existenzvernichtenden<br />
Konsequenzen“ nicht zulässig. 474<br />
c) Grossvere<strong>in</strong>e<br />
Auch bei Grossvere<strong>in</strong>en 475 gelten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Beson<strong>der</strong>heiten im<br />
H<strong>in</strong>blick auf die Treuepflichten. In Grossvere<strong>in</strong>en ist die B<strong>in</strong>dung zwischen<br />
Mitglied und Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht sehr eng; die Treuepflicht<br />
wird daher weitgehend <strong>in</strong>haltslos.<br />
3. Beitragspflicht und Haftung<br />
a) Beitragspflicht und Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gemäss ZGB<br />
Normalerweise ist e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> zur Erfüllung se<strong>in</strong>es Zweckes auf f<strong>in</strong>anzielle<br />
Leistungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> an den Vere<strong>in</strong> angewiesen. Gemäss<br />
Art. 71 ZGB ist für die Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gegenüber dem Vere<strong>in</strong><br />
entscheidend, ob die Mitglie<strong>der</strong>beiträge durch den Vere<strong>in</strong> betragsmässig<br />
festgesetzt worden s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> nicht. Wenn die Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />
fixiert ist, so ist die Haftung des Vere<strong>in</strong>s auf die Summe <strong>der</strong> festgesetzten<br />
Mitglie<strong>der</strong>beiträge (zuzüglich allfälliges Vere<strong>in</strong>svermögen) beschränkt,<br />
die Mitglie<strong>der</strong> haften dem Vere<strong>in</strong> gegenüber lediglich für die<br />
Entrichtung dieser Beiträge. In diesem Umfang haftet das Mitglied mit<br />
se<strong>in</strong>em ganzen privaten Vermögen. Wenn die Beiträge nicht festgesetzt<br />
s<strong>in</strong>d, haften die Mitglie<strong>der</strong> dem Vere<strong>in</strong> gegenüber anteilsmässig und zu<br />
473 Bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft können neben <strong>der</strong> Beitragspflicht ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>en Mitgliedschaftspflichten<br />
statuiert werden. Vgl. betreffend Treuepflichten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aktiengesellschaft<br />
S. 139 FN 401.<br />
474 Vgl. dazu BGE 85 II 525 (<strong>Schweiz</strong>erischer Musikerverband SMV, 1959): Der SMV, <strong>der</strong><br />
nach den damaligen Statuten die geistigen und materiellen Interessen des Musikerstandes<br />
verfechten wollte und sich unter an<strong>der</strong>em bestrebte, die soziale Stellung des Standes<br />
durch Erwirkung günstiger Lohn- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen zu verbessern, hatte se<strong>in</strong>en<br />
Mitglie<strong>der</strong>n die Mitwirkung an „Televisionssendungen, die durch Relais auf die ausländischen<br />
Televisions-Stationen übertragen werden sollen“ verboten. Dass dieses Verbot mit<br />
„existenzvernichtenden Konsequenzen“ verbunden sei, wurde im konkreten Fall verne<strong>in</strong>t.<br />
– Zur Frage <strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte von Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n vgl. S. 144.<br />
475 Vgl. dazu S. 123.<br />
155
gleichen Teilen soweit, als dies zur Verfolgung des Vere<strong>in</strong>szweckes und<br />
zur Deckung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sschulden notwendig ist (Art. 71 Abs. 2 ZGB).<br />
In <strong>der</strong> Regel werden die Beiträge <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> objektiv<br />
bestimmbarer Weise <strong>in</strong> den Statuten festgesetzt (Art. 71 Abs. 1 ZGB).<br />
Häufig wird aber auch die Beitragspflicht lediglich dem Grundsatz nach<br />
<strong>in</strong> den Statuten geregelt, während die genaue Höhe <strong>der</strong> Beiträge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Reglement festgesetzt o<strong>der</strong> periodisch mittels e<strong>in</strong>es Beschlusses bestimmt<br />
wird. Dies wird allgeme<strong>in</strong> als genügend erachtet für die Beschränkung<br />
<strong>der</strong> Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. 476 Die Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
kann beim Vere<strong>in</strong> somit vergleichsweise e<strong>in</strong>fach beschränkt werden; die<br />
Beschränkung ist denn auch die Regel. 477<br />
Statutarisch kann neben o<strong>der</strong> anstatt <strong>der</strong> auf das Vere<strong>in</strong>svermögen beschränkten<br />
Haftung auch e<strong>in</strong>e persönliche Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gegenüber<br />
den Vere<strong>in</strong>sgläubigern vorgesehen werden. 478 In diesem Fall<br />
werden die entsprechenden Statutenbestimmungen gemäss Art. 99<br />
HRegV <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em allfälligen Handelsregistere<strong>in</strong>trag erwähnt 479 und das<br />
Handelsregisteramt führt e<strong>in</strong> Verzeichnis <strong>der</strong> persönlich haftenden Mitglie<strong>der</strong>.<br />
480<br />
Neben <strong>der</strong> persönlichen Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> kann auch e<strong>in</strong>e Nachschusspflicht<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> statuiert werden. Die Pflicht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
476 Vgl. etwa HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 11, Bern 1990. –<br />
Kritisch URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 5, Basel 1996. Ablehnend betreffend<br />
die Delegation <strong>der</strong> Festsetzung an e<strong>in</strong> Organ ohne Vorsehen e<strong>in</strong>es Reglements<br />
CHRISTIAN RUETZ-VENZIN, F<strong>in</strong>anzielle Beitragspflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, Diss. Zürich<br />
1985, S. 43, 67 und 103.<br />
477 Vgl. CHRISTIAN RUETZ-VENZIN, a.a.O., S. 8 f.<br />
478 An<strong>der</strong>s CHRISTIAN RUETZ-VENZIN, a.a.O., S. 47 f.: Aus <strong>der</strong> persönlichen Haftung berechtigt<br />
ist <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>, nicht die Gläubiger.<br />
479 Es ist grundsätzlich auch denkbar, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen<br />
ist, statutarisch e<strong>in</strong>e persönliche Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Nachschusspflicht<br />
vorsieht. Aus Art. 99 HRegV kann ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>tragungspflicht solcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> abgeleitet<br />
werden. Entsprechende Fälle dürften allerd<strong>in</strong>gs sehr selten se<strong>in</strong>. Ohne<br />
Handelsregistere<strong>in</strong>trag ist es alle<strong>in</strong> Sache des Vere<strong>in</strong>s, Verzeichnisse <strong>der</strong> nachschusspflichtigen<br />
Mitglie<strong>der</strong> zu führen. Gläubiger können sich <strong>in</strong> diesem Fall nicht darauf verlassen,<br />
dass Missbräuche ausgeschlossen s<strong>in</strong>d. Insofern s<strong>in</strong>d die praktischen Vorteile <strong>der</strong><br />
Nachschusspflicht ohne E<strong>in</strong>tragung des Vere<strong>in</strong>s im Handelsregister nicht sehr gross. Vgl.<br />
auch HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB N 627 und Kommentar<br />
zu Art. 71 N 14, Bern 1990.<br />
480 Zu den Ausgestaltungsmöglichkeiten <strong>der</strong> persönlichen Haftung (Beschränkung auf<br />
e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>, anteilsmässige o<strong>der</strong> solidarische Haftung etc.) und den formellen<br />
Voraussetzungen vgl. die überzeugenden Ausführungen von HANS MICHAEL RIEMER,<br />
a.a.O. N 16 f.<br />
156
gegenüber dem Vere<strong>in</strong> zur Deckung erlittener Verluste 481 ist beim Vere<strong>in</strong><br />
– im Gegensatz zur Genossenschaft (Art. 803 OR) und zur Gesellschaft<br />
mit beschränkter Haftung (Art. 871 OR) – nicht auf die „Deckung von<br />
Bilanzverlusten“ beschränkt. 482 In den Statuten können daher auch<br />
sonstwie begründete Nachschüsse vorgesehen werden. 483 Auch die<br />
Nachschusspflicht ist aus dem Handelsregistere<strong>in</strong>trag ersichtlich, wenn<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen ist (Art. 99 HRegV). 484<br />
Wirtschaftlich betrachtet erfüllen Haftung und Nachschusspflicht den<br />
gleichen Zweck: Sie dienen <strong>der</strong> Besserstellung <strong>der</strong> Gläubiger, die Kreditwürdigkeit<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft kann erhöht werden. 485 Persönliche Haftung<br />
und Nachschusspflicht können beim Vere<strong>in</strong> alternativ o<strong>der</strong> kumulativ<br />
vorgesehen werden. 486<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />
Bei den Kapitalgesellschaften ist <strong>der</strong> Umfang des m<strong>in</strong>imalen Haftungssubstrates<br />
aus dem Handelsregister klar ersichtlich. Solange die<br />
Statuten e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s, welcher im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist, die<br />
Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> objektiv bestimmbarer Weise<br />
def<strong>in</strong>ieren, können Dritte, die mit dem Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> geschäftliche Beziehungen<br />
treten, beim Handelsregisteramt herausf<strong>in</strong>den, <strong>in</strong>wieweit die<br />
Mitglie<strong>der</strong> für die Beiträge haften. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />
nicht direkt aus dem Handelsregistere<strong>in</strong>trag ersichtlich; sie<br />
ergibt sich höchstens aus den Statuten (falls diese überhaupt e<strong>in</strong>e entsprechende<br />
Bestimmung enthalten), welche zusätzlich e<strong>in</strong>gesehen werden<br />
müssen. Auch ergibt sich aus dem Handelsregistere<strong>in</strong>trag nicht, wie-<br />
481 Zu unterscheiden von <strong>der</strong> Deckung von Schulden gemäss Art. 71 Abs. 2 ZGB, vgl.<br />
dazu HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 18, Bern 1990. Die Nachschusspflicht<br />
ist e<strong>in</strong>e Schuldverpflichtung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gegenüber dem Vere<strong>in</strong>. Sie hat<br />
e<strong>in</strong>e Sanierungs- und Sicherungsfunktion und somit re<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternen Charakter. Vgl. HANS<br />
NIGG, Kommentar zu Art. 869 OR N 11 f., Basel 1994.<br />
482 Vgl. allerd<strong>in</strong>gs zu den praktischen Auswirkungen HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 18.<br />
483 Zu den weiteren Ausgestaltungsmöglichkeiten und den formellen Voraussetzungen<br />
vgl. wie<strong>der</strong>um HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 16 f., dessen Ausführungen überzeugen.<br />
484 Die Nachschusspflicht kann wie die persönliche Haftung auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n vorgesehen<br />
werden, die nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d (HANS MICHAEL RIEMER, ST<br />
vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB N 627, Bern 1990).<br />
485 HANS NIGG, a.a.O. N 13. Vgl. auch die Überlegungen bei CHRISTIAN RUETZ-VENZIN,<br />
F<strong>in</strong>anzielle Beitragspflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, Diss. Zürich 1985, S. 47 f.<br />
486 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 18, Bern 1990. – Bei analoger<br />
Anwendung <strong>der</strong> Regeln <strong>der</strong> VGeK ist im Konkurs des Vere<strong>in</strong>s zunächst die Nachschusspflicht<br />
vor <strong>der</strong> persönlichen Haftung zu beanspruchen (Art. 10 VGeK), vgl. dazu S. 213.<br />
157
viele Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> angehören; somit kann die Höhe des<br />
Haftungssubstrates nicht bestimmt werden. 487 Dieser Umstand stellt<br />
etwa im Vergleich zu e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft e<strong>in</strong>en Nachteil dar, <strong>der</strong> die<br />
Kreditwürdigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n verr<strong>in</strong>gern kann. Allerd<strong>in</strong>gs sollte die<br />
praktische Bedeutung <strong>der</strong> fehlenden Erkennbarkeit des Haftungssubstrates<br />
von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nicht überbewertet werden. Vorsichtige Gläubiger<br />
werden sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zusätzliche Sicherheiten wie Bürgschaften, Garantien<br />
o<strong>der</strong> Pfän<strong>der</strong> geben lassen.<br />
Gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters kann die Versuchung<br />
bestehen, dass im Verhältnis zur Tätigkeit des Vere<strong>in</strong>s zu niedrige Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />
festgesetzt werden, o<strong>der</strong> dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er heiklen Situation<br />
auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen gegenüber sämtlichen o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>igen Mitglie<strong>der</strong>n verzichtet wird, um so den Gläubigern Haftungssubstrat<br />
zu entziehen. Das Bundesgericht hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entscheid <strong>in</strong> Betracht<br />
gezogen, e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen<br />
Mitglied, dieses könne entgegen den Statuten vorzeitig aus dem Vere<strong>in</strong><br />
austreten, für unverb<strong>in</strong>dlich zu erklären, weil e<strong>in</strong> solcher Austritt e<strong>in</strong>en<br />
Verzicht des Vere<strong>in</strong>s auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen darstellen<br />
könne. Das Bundesgericht zog dabei die Interessen Dritter <strong>in</strong> Betracht,<br />
die – im Vertrauen auf die noch für das ablaufende und das folgende<br />
Jahr <strong>in</strong> sicherer Aussicht stehenden Mitglie<strong>der</strong>beiträge – mit dem<br />
Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Geschäftsbeziehungen getreten waren. 488 In e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />
Entscheid musste das Bundesgericht e<strong>in</strong>en eigentlichen Verzicht e<strong>in</strong>es<br />
Vere<strong>in</strong>s auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen beurteilen: Der Vere<strong>in</strong><br />
hatte mit e<strong>in</strong>er Drittperson e<strong>in</strong>en Vertrag abgeschlossen und sich<br />
dabei zur Bezahlung e<strong>in</strong>er grösseren Summe verpflichtet. Die Mittel zur<br />
Erfüllung dieses Vertrages sollten durch die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen<br />
nach e<strong>in</strong>em bestimmten Verteilungsschlüssel aufgebracht werden.<br />
Nachdem die geschuldete Summe gerichtlich festgesetzt worden<br />
war, beschloss <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>, ke<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong>beiträge mehr zu erheben.<br />
Das Bundesgericht hielt fest, dieser Beschluss des Vere<strong>in</strong>s än<strong>der</strong>e nichts<br />
an <strong>der</strong> Schuld des Vere<strong>in</strong>s; e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> könne nicht durch Beschlussfassung<br />
die Rechte se<strong>in</strong>er Gläubiger schmälern. Der Beschluss sei gegenüber<br />
dem Gläubiger unwirksam; <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> bleibe trotzdem Schuldner.<br />
489 Diese Rechtsprechung ist verschiedentlich auf Kritik gestossen.<br />
RIEMER führt etwa aus, dass grundsätzlich ke<strong>in</strong> Vertrauensschutz Dritter<br />
487<br />
Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> besteht von Gesetzes wegen ke<strong>in</strong>e Pflicht zu e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destkapital, vgl.<br />
S. 185 ff.<br />
488<br />
BGE 55 II 283.<br />
489<br />
BGE 63 II 86.<br />
158
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> bezüglich des E<strong>in</strong>gangs von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen<br />
bestehe. 490 H<strong>in</strong>gegen muss sich nach RIEMER ke<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sgläubiger<br />
gefallen lassen, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Haftungssubstrat absichtlich<br />
tief hält, entzieht o<strong>der</strong> verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t. 491 In e<strong>in</strong>em solchen Fall müssen<br />
sich Dritte nach RIEMER wehren können, etwa mittels e<strong>in</strong>er Schadenersatzklage<br />
gegen den Vere<strong>in</strong> (gestützt auf Art. 55 Abs. 2 ZGB) o<strong>der</strong> gegen<br />
die Organträger (Art. 55 Abs. 3 ZGB) 492 wegen sittenwidriger Schadenszufügung<br />
i.S.v. Art. 41 Abs. 2 OR. RIEMER hält auch für zulässig,<br />
dass e<strong>in</strong>e Drittperson gestützt auf Art. 2 Abs. 1 ZGB direkt gegen die<br />
Mitglie<strong>der</strong> vorgehen kann, o<strong>der</strong> dass das entsprechende Verhalten des<br />
Vere<strong>in</strong>s gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB als unbeachtlich angesehen wird<br />
und Gläubiger auf frühere Mitglie<strong>der</strong>beiträge zurückgreifen können. 493<br />
RIEMER ist dar<strong>in</strong> zuzustimmen, dass Organträger zur Verantwortung gezogen<br />
werden können, wenn sie den Gläubigern absichtlich Haftungssubstrat<br />
entziehen o<strong>der</strong> dieses verm<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Organträger müssen auch<br />
dann zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie sich <strong>in</strong> Fällen,<br />
<strong>in</strong> welchen die Mitglie<strong>der</strong>beiträge offensichtlich zu tief festgesetzt<br />
s<strong>in</strong>d für die Tätigkeit, die <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> ausübt, schuldhaft nicht um e<strong>in</strong>e<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge bemühen.<br />
Dies gilt allerd<strong>in</strong>gs nicht für diejenigen Fälle, <strong>in</strong> welchen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />
die benötigten Mittel an<strong>der</strong>weitig aufbr<strong>in</strong>gen kann, etwa durch Zuwendungen<br />
Dritter. Unter solchen Umständen ist es sogar zulässig, dass<br />
vollständig auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen verzichtet wird. In<br />
diesem Fall können die Organträger lediglich dann zur Verantwortung<br />
gezogen werden, wenn sie sich schuldhaft nicht um entsprechende Zuwendungen<br />
Dritter bemühen, o<strong>der</strong> wenn sie sich im Falle des dauernden<br />
Ausbleibens von Zuwendungen nicht für die E<strong>in</strong>führung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen<br />
e<strong>in</strong>setzen.<br />
490 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 20, Bern 1990. RIEMER weist<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit e<strong>in</strong>es vorzeitigen Ausscheidens<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es sofortigen Austritts von Mitglie<strong>der</strong>n aus wichtigem Grund h<strong>in</strong>.<br />
491 Zum Beispiel durch e<strong>in</strong>en Beschluss auf Festsetzung offensichtlich zu tiefer Mitglie<strong>der</strong>beiträge,<br />
auf gänzlichen Verzicht auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen o<strong>der</strong> auf<br />
Rückzahlung bereits geleisteter Beiträge. Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 20.<br />
492 Vgl. dazu Urteil des Bernischen Appellationshofes vom 17.03.1981, ZBJV 119 (1983),<br />
S. 237 ff. betreffend e<strong>in</strong>en Durchgriff auf e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>spräsidenten für die Verb<strong>in</strong>dlichkeiten<br />
e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s, dessen Statuten offensichtlich zu niedrige Mitglie<strong>der</strong>beiträge vorsahen.<br />
E<strong>in</strong>e ausführliche Kommentierung dieses Entscheides f<strong>in</strong>det sich bei CHRISTIAN<br />
RUETZ-VENZIN, F<strong>in</strong>anzielle Beitragspflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, Diss. Zürich 1985,<br />
S. 94 ff.<br />
493 HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 20.<br />
159
In Fällen, <strong>in</strong> welchen sich die Organträger für e<strong>in</strong>e Erhöhung o<strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>führung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen e<strong>in</strong>setzen, jedoch etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />
überstimmt werden, ist wie folgt zu entscheiden:<br />
Wenn <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters <strong>in</strong> ihren Statuten Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />
vorsehen, die für die Geschäfte, die <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> betreibt, offensichtlich<br />
ungenügend s<strong>in</strong>d, so ist gleich vorzugehen, wie wenn die Vere<strong>in</strong>sstatuten<br />
die Mitglie<strong>der</strong>beiträge gar nicht festsetzen. Nach Art. 71<br />
Abs. 2 ZGB haben die Mitglie<strong>der</strong> die zur Verfolgung des Vere<strong>in</strong>szwekkes<br />
und zur Deckung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sschulden notwendigen Beiträge zu gleichen<br />
Teilen zu leisten. 494 So können Missbrauchsfälle aufgefangen und<br />
die Nachteile, welche sich aus dem Fehlen e<strong>in</strong>es Grund- o<strong>der</strong> Stammkapitals<br />
ergeben 495 , kompensiert werden. Gleiches gilt auch, wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />
zu hohe Gew<strong>in</strong>ne ausschüttet und dadurch den Gläubigern die Vermögensbasis<br />
entzieht 496 . Zudem ergibt sich aus <strong>der</strong> Bestimmung von<br />
Art. 55 Abs. 3 ZGB, dass die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> als Angehörige des<br />
Organs Vere<strong>in</strong>sversammlung bei Verschulden persönlich haftbar werden<br />
können. 497<br />
Die Beitragsfor<strong>der</strong>ung und die Nachschussfor<strong>der</strong>ung des Vere<strong>in</strong>s gegenüber<br />
dem Mitglied s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>saktiva und gehören als solche zum<br />
pfändbaren Vermögen i.S.v. Art. 95 Abs. 1 SchKG und Art. 99 SchKG<br />
bzw. zur Konkursmasse des Vere<strong>in</strong>s. 498 Die Vere<strong>in</strong>sgläubiger können<br />
solche For<strong>der</strong>ungen also pfänden und verwerten lassen. Sie können die<br />
For<strong>der</strong>ungen auch gemäss Art. 131 Abs. 2 SchKG <strong>in</strong> eigenem Namen<br />
direkt geltend machen. Dies führt <strong>in</strong>direkt zu e<strong>in</strong>er subsidiären persönlichen<br />
Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gegenüber den Vere<strong>in</strong>sgläubigern für die<br />
Schulden des Vere<strong>in</strong>s bis zur Höhe des festgelegten Mitglie<strong>der</strong>beitrages<br />
bzw. unbeschränkt, wenn die Mitglie<strong>der</strong>beiträge nicht festgesetzt s<strong>in</strong>d. 499<br />
494<br />
Aus Art. 71 Abs. 2 ZGB ergibt sich ke<strong>in</strong>e solidarische Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. Jedes<br />
Mitglied schuldet dem Vere<strong>in</strong> gegenüber lediglich se<strong>in</strong>en Anteil (HANS MICHAEL RIEMER,<br />
Kommentar zu Art. 71 ZGB N 24, Bern 1990).<br />
495<br />
Vgl. dazu h<strong>in</strong>ten S. 185 ff.<br />
496<br />
Vgl. dazu bereits S. 149 ff.<br />
497<br />
Gleicher Ansicht HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art 65 ZGB N 34 ff., Bern<br />
1990. Vgl. dazu weiterführend S. 197 ff.<br />
498<br />
Vgl. dazu ausführlicher S. 210 ff.<br />
499<br />
DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich<br />
1994, S. 179 ff.; HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 41, Bern<br />
1990.<br />
160
4. Verbandsstrafen<br />
a) Verbandsstrafen gemäss ZGB<br />
In den Statuten kann zur Sicherung <strong>der</strong> Erfüllung von Mitgliedschaftspflichten<br />
e<strong>in</strong>e Kompetenz des Vere<strong>in</strong>s zur Verhängung sogenannter<br />
Verbandsstrafen vorgesehen werden. Als mögliche Sanktionen<br />
kommen Geldleistungen, Suspendierung von <strong>der</strong> Ausübung <strong>der</strong> Mitgliedschaftsrechte<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n 500 <strong>in</strong> Frage. Bei<br />
allen diesen Sanktionen handelt es sich um privatrechtliche Behelfe, welche<br />
nicht als Ausübung von Strafgewalt verstanden werden dürfen. 501<br />
Verbandsstrafen wie Geldstrafen, Bussen und <strong>der</strong>gleichen s<strong>in</strong>d ihrer<br />
Natur nach Konventionalstrafen und unterliegen den entsprechenden<br />
gesetzlichen Bestimmungen, namentlich <strong>der</strong> Herabsetzung gemäss Art.<br />
163 OR. 502 Gänzlich unbeachtlich s<strong>in</strong>d Sanktionen, die gegen das Persönlichkeitsrecht<br />
des Mitglieds verstossen. 503<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />
Die Möglichkeit <strong>der</strong> richterlichen Herabsetzung von Konventionalstrafen<br />
stellt e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>bruch <strong>in</strong> die Vertragsfreiheit und die Pflicht zur<br />
Vertragstreue dar. Gemäss Bundesgericht ist sie deshalb nur mit Zurückhaltung<br />
anzuwenden. Nur krasse Missverhältnisse s<strong>in</strong>d zu korrigieren;<br />
grundsätzlich soll es darum gehen, wirtschaftlich schwächere Parteien<br />
zu schützen. 504 Es ist kaum möglich, allgeme<strong>in</strong>e Regeln für die<br />
massgeblichen Kriterien aufzustellen. Das Gericht muss die Angemessenheit<br />
e<strong>in</strong>er Konventionalstrafe nach freiem, aber pflichtgemässem<br />
Ermessen unter Würdigung des E<strong>in</strong>zelfalles beurteilen. 505 Im Zusammenhang<br />
mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
500<br />
Vgl. dazu nachfolgend S. 162 ff.<br />
501<br />
Umstritten ist die genaue Qualifikation von Verbandsstrafen. HEINI versteht Vere<strong>in</strong>sbussen<br />
entgegen <strong>der</strong> herrschenden Lehre und Rechtsprechung nicht als Konventionalstrafen<br />
i.e.S., son<strong>der</strong>n als konkretisierende Gestaltung des privaten Mitgliedschaftsverhältnisses<br />
durch e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sorgan. Er bejaht aber dennoch die analoge Anwendung von<br />
Art. 163 OR (Herabsetzung durch das Gericht bei übermässiger Höhe), vgl. ANTON<br />
HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 19, Basel 1996, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />
502<br />
Vgl. BGE 80 II 123.<br />
503<br />
ANTON HEINI, a.a.O. N 21.<br />
504<br />
BGE 103 II 129 ff., 135.<br />
505<br />
Zu den e<strong>in</strong>zelnen möglichen Beurteilungskriterien vgl. FELIX EHRAT, Kommentar zu<br />
Art. 163 OR N 16 f., 2. Auflage Basel 1996.<br />
161
die Geschäftserfahrenheit sowie die wirtschaftliche Abhängigkeit <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> vom Vere<strong>in</strong> zu berücksichtigen. Beson<strong>der</strong>e Regeln gelten für<br />
allfällige Konkurrenzverbote; <strong>in</strong> diesem Zusammenhang kann auch die<br />
Rechtsprechung zu Art. 340 ff. OR berücksichtigt werden.<br />
Im Zusammenhang mit Verbandsstrafen, welche Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihren<br />
Persönlichkeitsrechten tangieren, ist wie<strong>der</strong>um auf das Persönlichkeitsrecht<br />
auf wirtschaftliche Entfaltung h<strong>in</strong>zuweisen. 506 Dieses wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
dann aktuell, wenn e<strong>in</strong>e Verbandsstrafe faktisch zu e<strong>in</strong>em –<br />
wenn auch möglicherweise zeitlich begrenzten – Berufsausübungsverbot<br />
führt. 507<br />
5. Der Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n<br />
a) Der Ausschluss gemäss ZGB<br />
Der Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitglieds stellt die gravierendste Form e<strong>in</strong>er<br />
Verbandsstrafe dar. Das ZGB räumt <strong>der</strong> Ausschlussautonomie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
als e<strong>in</strong>em Teilaspekt <strong>der</strong> privatrechtlichen Vere<strong>in</strong>sfreiheit e<strong>in</strong>en<br />
wichtigen Platz e<strong>in</strong>. 508 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n steht es frei, ob sie die Gründe für den<br />
Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n <strong>in</strong> den Statuten angeben o<strong>der</strong> nicht. Nennen<br />
jedoch die Statuten ke<strong>in</strong>e Ausschlussgründe und ist auch die Möglichkeit<br />
des Ausschlusses ohne Grundangabe nicht explizit vorgesehen, so darf<br />
e<strong>in</strong> Mitglied nur aus wichtigen Gründen ausgeschlossen werden (Art. 72<br />
Abs. 3 ZGB).<br />
Wenn die Statuten die Ausschlussgründe explizit nennen o<strong>der</strong> die<br />
Möglichkeit des Ausschlusses ohne Grundangabe vorsehen, so kann das<br />
506 Vgl. dazu S. 144. In diesem S<strong>in</strong>ne auch HANS BODMER, Vere<strong>in</strong>sstrafe und Verbandsgerichtsbarkeit,<br />
Diss. St. Gallen, Bern 1989, S. 93 ff.<br />
507 Dies kann beson<strong>der</strong>s bei <strong>der</strong> Sperre von Sportlern <strong>der</strong> Fall se<strong>in</strong>. In e<strong>in</strong>em Urteil des<br />
Bernischen Appellationshofes vom 27.06.1986, ZBJV 124 (1988), S. 314, wird festgehalten,<br />
dass zum Beispiel e<strong>in</strong>e vorläufige Spielsperre dieselben e<strong>in</strong>schneidenden Wirkungen<br />
haben kann wie e<strong>in</strong> Ausschluss und diesem daher gleichzusetzen ist (vgl. dazu nachfolgend).<br />
Vgl. im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Sperre <strong>der</strong> Berner Leichtathlet<strong>in</strong> Sandra Gasser<br />
wegen Dop<strong>in</strong>gs URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld von Spiel und Wirtschaft,<br />
SJZ 94, S. 293 f., mit weiteren H<strong>in</strong>weisen. Die Sperre von Sportlern kann aber auch unter<br />
Gesichtspunkten des Kartellrechts relevant se<strong>in</strong>, sofern Monopolsportverbände als Unternehmen<br />
i.S.v. Art. 2 Abs. 1 KG qualifiziert werden. URS SCHERRER, a.a.O., S. 294, bejaht<br />
dies. – Zur Abgrenzung von Spielstrafen von Verbandsstrafen vgl. Urteil des Bernischen<br />
Appellationshofes vom 27. 06.1986, ZBJV 124 (1988), S. 313.<br />
508 An<strong>der</strong>s die Regelung im KVG: Der Ausschluss aus e<strong>in</strong>er Krankenkasse ist gemäss<br />
Art. 4 Abs. 2 KVG und Art. 9 Abs. 4 KVV verboten (vgl. Botschaft über die Revision <strong>der</strong><br />
Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 144 I [1992], S. 142).<br />
162
ausgeschlossene Mitglied den Ausschluss nicht gestützt auf den Ausschlussgrund<br />
gerichtlich anfechten (Art. 72 Abs. 2 ZGB). Das Gericht<br />
soll nicht se<strong>in</strong>e eigene Beurteilung an die Stelle <strong>der</strong> vere<strong>in</strong>s<strong>in</strong>ternen<br />
Wertung setzen können. 509 Die Anfechtung etwa wegen Verfahrensmängeln<br />
o<strong>der</strong> Rechtsmissbrauchs 510 ist h<strong>in</strong>gegen möglich, ebenso wegen<br />
Verletzung des Persönlichkeitsrechts <strong>der</strong> betroffenen Person.<br />
Wenn die Statuten ke<strong>in</strong>e bestimmten Ausschlussgründe vorsehen und<br />
auch den Ausschluss ohne Angabe <strong>der</strong> Gründe nicht explizit gestatten,<br />
so kann je<strong>der</strong> Ausschluss gerichtlich angefochten werden. Das ausgeschlossene<br />
Mitglied muss dann darlegen, dass die Gründe für den Ausschluss<br />
ke<strong>in</strong>e „wichtigen“ i.S.v. Art. 72 Abs. 3 ZGB s<strong>in</strong>d.<br />
Von Gesetzes wegen gelten folgende Verfahrensregeln: Jedes Mitglied,<br />
welches ausgeschlossen werden soll, hat e<strong>in</strong> Recht auf Anhörung<br />
durch das Gremium, welches für den Ausschluss zuständig ist. Wenn die<br />
Statuten ke<strong>in</strong>en Ausschluss ohne Angabe von Gründen vorsehen, so<br />
s<strong>in</strong>d dem auszuschliessenden Mitglied die Gründe für den Ausschluss<br />
mitzuteilen. Ausserdem muss das Mitglied rechtzeitig über den Ausschluss<br />
<strong>in</strong>formiert werden.<br />
b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />
Beim Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitgliedes aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters ist wie<strong>der</strong>um die Persönlichkeit des Mitgliedes zu respektieren.<br />
511 Zu beachten ist namentlich das Recht auf wirtschaftliche Entfaltung<br />
512 , aber auch etwa die Ehre des ausgeschlossenen Mitglieds. E<strong>in</strong>e<br />
Verletzung dieser Aspekte des Persönlichkeitsrechts kann nach dem<br />
oben Ausgeführten bei je<strong>der</strong> Art <strong>der</strong> statutarischen Ausschlussregelung<br />
geltend gemacht werden. Es ist also durchaus möglich, dass e<strong>in</strong> Ausschluss<br />
gestützt auf e<strong>in</strong>en bestimmten, <strong>in</strong> den Statuten explizit genann-<br />
509<br />
ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 72 ZGB N 7, Basel 1996.<br />
510<br />
BGE 51 II 237; BGE 85 II 525; BGE 90 II 346.<br />
511<br />
Gleicher Ansicht MARGARETA BADDELEY, L’association sportive face au droit, Diss.<br />
Genf, Basel 1994, S. 95 ff.<br />
512<br />
An<strong>der</strong>er Ansicht BEAT BADERTSCHER, Der Ausschluss aus dem Vere<strong>in</strong> nach <strong>Schweiz</strong>erischem<br />
Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1980, S. 222: Aus Art. 28 ZGB kann ke<strong>in</strong>e Beschränkung<br />
<strong>der</strong> Ausschlussfreiheit abgeleitet werden. „Die vorliegende Arbeit dürfte<br />
vielmehr gezeigt haben, dass die Rechtsform des Vere<strong>in</strong>s im Grunde genommen gerade<br />
auch wegen des freien Ausschlussrechts nur für e<strong>in</strong>e ideale Zweckverfolgung geeignet<br />
ist.“ – Immerh<strong>in</strong> erkennt BADERTSCHER den Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Verfolgung<br />
e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zwecks und <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> Ausschlussfreiheit.<br />
163
ten Ausschlussgrund unzulässig ist, weil bereits <strong>der</strong> Ausschlussgrund als<br />
solcher die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> verletzt 513 . 514<br />
In BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH,<br />
1997) hat das Bundesgericht das Verhältnis zwischen <strong>der</strong> Ausschlussautonomie<br />
von Berufs- und Standesorganisationen und dem Persönlichkeitsrecht<br />
auf wirtschaftliche Entfaltung beleuchtet. Bereits <strong>der</strong> Bernische<br />
Appellationshof hatte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entscheid vom 27.06.1986<br />
festgehalten, es dränge sich auf, bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />
die Ausschlussautonomie <strong>in</strong> gewissen Fällen zu beschränken. 515<br />
Das Bundesgericht ist traditionellerweise bei <strong>der</strong> Annahme e<strong>in</strong>er Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />
des Persönlichkeitsrechts auf wirtschaftliche Entfaltung<br />
i.S.v. Art. 27 ZGB sehr zurückhaltend. Grundsätzlich wird verlangt, dass<br />
die Grundlagen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Existenz gefährdet se<strong>in</strong> müssen. 516<br />
In BGE 123 III 193 wird aber offenbar davon ausgegangen, dass je<strong>der</strong><br />
Ausschluss aus e<strong>in</strong>er Berufs- und Standesorganisation o<strong>der</strong> aus e<strong>in</strong>em<br />
Wirtschaftsverband e<strong>in</strong>e Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf wirtschaftliche<br />
Entfaltung darstelle. Entsprechend sei bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />
des Ausschlusses e<strong>in</strong>es Mitgliedes e<strong>in</strong>e Abwägung vorzunehmen zwischen<br />
den Interessen des Vere<strong>in</strong>s am Ausschluss des Mitgliedes e<strong>in</strong>erseits<br />
und dessen Interessen an <strong>der</strong> Mitgliedschaft (wirtschaftliche und<br />
berufliche Bedeutung) an<strong>der</strong>erseits. E<strong>in</strong> Ausschluss sei nur bei überwie-<br />
513 Der Umstand, dass sich das Mitglied freiwillig den Statuten unterstellt hat, welche diesen<br />
Ausschlussgrund enthalten, kann höchstens im Rahmen von Art. 27 Abs. 2 ZGB e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>willigung <strong>der</strong> verletzten Person darstellen, welche die Persönlichkeitsverletzung zu<br />
rechtfertigen vermöge.<br />
514 Etwas an<strong>der</strong>s beurteilt HEINI die Beson<strong>der</strong>heiten des Ausschlusses aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters: Se<strong>in</strong>er Ansicht nach muss Art. 72 ZGB e<strong>in</strong>schränkend ausgelegt<br />
werden (teleologische Reduktion), mit dem Ergebnis, dass die Ausschliessung aus<br />
e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> vom gesetzgeberischen Leitbild nicht mehr erfasst wird, <strong>der</strong> freien gerichtlichen<br />
Überprüfung unterliegt. Vgl. ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 72 ZGB<br />
N 14, Basel 1996; DERS., Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 65, je mit H<strong>in</strong>weisen<br />
auf MAX KUMMER, Spielregeln und Rechtsregeln, Bern 1973, S. 57 und Urteil des<br />
Bernischen Appellationsgerichtshofs vom 27.06.1996, ZBJV (124) 1988, S. 311 ff.;<br />
ANTON HEINI, Die gerichtliche Überprüfung von Vere<strong>in</strong>sstrafen, <strong>in</strong>: FORSTMOSER /<br />
SCHLUEP (Hrsg.), Festschrift zum 60. Geburtstag von Arthur Meier-Hayoz, Bern 1982,<br />
S. 223 ff., S. 230 ff.; PETER LOSER, Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft im Spannungsfeld von<br />
Ausschlussautonomie und Handels- und Gewerbefreiheit, recht 1998, S. 35. – Diese<br />
Auslegung von Art. 72 ZGB sche<strong>in</strong>t jedoch nicht notwendig, da die allgeme<strong>in</strong>en Regeln<br />
zum Persönlichkeitsschutz angewendet werden können.<br />
515 ZBJV 124 (1988), S. 313.<br />
516 Vgl. BGE 104 II 6 (Gesellschaft <strong>der</strong> Ärzte des Kantons Zürich, 1978) zur Frage, ob e<strong>in</strong> Mitglied<br />
durch e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>sbeschluss <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Persönlichkeit verletzt wird, dazu unten<br />
S. 144 ff.<br />
164
genden Interessen des Vere<strong>in</strong>s zulässig und daher im Ergebnis nur bei<br />
Vorliegen wichtiger Gründe. Das Bundesgericht ist somit im Resultat <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>er neuesten Rechtsprechung im Zusammenhang mit Berufs- und<br />
Standesorganisationen vom Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Gefährdung <strong>der</strong> Grundlagen<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen Existenz abgewichen. Wenn das Bundesgericht nach<br />
wichtigen Gründen im Rahmen e<strong>in</strong>er Interessenabwägung sucht, so<br />
sucht es nach e<strong>in</strong>em Rechtfertigungsgrund, welcher die Persönlichkeitsverletzung<br />
als nicht wi<strong>der</strong>rechtlich i.S.v. Art. 28 ZGB ersche<strong>in</strong>en lässt.<br />
Die wichtigen Gründe, welche das Bundesgericht for<strong>der</strong>t, müssen also<br />
den Anfor<strong>der</strong>ungen an das überwiegende private Interesse gemäss Art.<br />
28 Abs. 2 ZGB genügen. Die Frage, wann e<strong>in</strong> überwiegendes Interesse<br />
vorliegt, kann nicht allgeme<strong>in</strong> beantwortet werden; sie ist sehr stark vom<br />
E<strong>in</strong>zelfall abhängig. Es wurde jedoch bereits früher ausgeführt, dass die<br />
Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Berufs- und Standesorganisationen<br />
nicht ohne weiteres auf sämtliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
übertragen werden kann. Wenn e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Monopolstellung<br />
zukommt, so ist e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> das Persönlichkeitsrecht <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Entfaltung nur mit grösster Zurückhaltung anzunehmen.<br />
517 Auch dort, wo das Kartellrecht greift, handelt es sich um beson<strong>der</strong>s<br />
qualifizierte Tatbestände. Der Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitglieds aus e<strong>in</strong>em<br />
Vere<strong>in</strong> kann lediglich dann unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten relevant<br />
werden, wenn es sich bei dem Vere<strong>in</strong> um e<strong>in</strong> marktbeherrschendes<br />
Unternehmen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 KG handelt (Art. 7 KG). 518<br />
Im übrigen gilt auch im Zusammenhang mit dem Ausschluss von<br />
Mitglie<strong>der</strong>n das Gebot <strong>der</strong> Gleichbehandlung. 519<br />
Zu den Beson<strong>der</strong>heiten betreffend e<strong>in</strong>en allfälligen Anspruch von<br />
ausgeschlossenen Mitglie<strong>der</strong>n auf das Vere<strong>in</strong>svermögen kann auf die im<br />
nächsten Kapitel folgenden Ausführungen im Zusammenhang mit dem<br />
Austritt verwiesen werden. 520 An dieser Stelle sei lediglich beigefügt, dass<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die wirtschaftliche Existenz des ausgeschlossenen Mitgliedes<br />
unter Umständen ger<strong>in</strong>ger ersche<strong>in</strong>t, wenn dieses e<strong>in</strong>en An-<br />
517 Vgl. dazu S. 144 ff.<br />
518 Zur Beachtung <strong>der</strong> Handels- und Gewerbefreiheit des Mitglieds und <strong>der</strong> (negativen)<br />
Vere<strong>in</strong>sfreiheit des Vere<strong>in</strong>s im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>direkten Drittwirkung vgl. PETER LOSER,<br />
Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft im Spannungsfeld von Ausschlussautonomie und Handels- und<br />
Gewerbefreiheit, recht 1998, S. 35 f.<br />
519 Gleicher Ansicht ANDREAS KELLER, Die Ausschliessung aus dem Vere<strong>in</strong>, Diss. Freiburg,<br />
Zürich 1979, S. 176. Vgl. zum Grundsatz <strong>der</strong> Gleichbehandlung S. 137.<br />
520 Vgl. dazu S. 180.<br />
165
spruch auf Vere<strong>in</strong>svermögen hat o<strong>der</strong> dem Mitglied sonstige Ansprüche<br />
auf Vermögenswerte zuerkannt werden.<br />
166
XIV. Der E<strong>in</strong>- und Austritt von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es<br />
Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters<br />
1. Der E<strong>in</strong>tritt gemäss ZGB<br />
Aus dem Vere<strong>in</strong>srecht des ZGB ergibt sich grundsätzlich ke<strong>in</strong> Anspruch<br />
auf Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>. Die vollkommen freie Entscheidung<br />
darüber, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> jemanden als Mitglied aufnehmen<br />
möchte, stellt e<strong>in</strong>en wichtigen Aspekt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit dar. 521 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
s<strong>in</strong>d grundsätzlich auch nicht zur Gleichbehandlung von aufnahmewilligen<br />
Personen und künftigen Mitglie<strong>der</strong>n verpflichtet. E<strong>in</strong>e Schranke für<br />
die Ablehnung e<strong>in</strong>er Person ergibt sich zwar aus <strong>der</strong>en Persönlichkeitsrecht<br />
gemäss Art. 28 ZGB. E<strong>in</strong>e Aufnahmeverweigerung stellt jedoch<br />
nur <strong>in</strong> ganz beson<strong>der</strong>s gelagerten Fällen e<strong>in</strong>e wi<strong>der</strong>rechtliche Verletzung<br />
<strong>der</strong> Persönlichkeit dar. 522 Noch strengere Anfor<strong>der</strong>ungen bestehen bei<br />
<strong>der</strong> grundsätzlich möglichen Berufung auf das Verbot des Rechtsmissbrauchs,<br />
wobei allerd<strong>in</strong>gs nicht geklärt ist, ob sich aus diesem Pr<strong>in</strong>zip<br />
tatsächlich e<strong>in</strong> Anspruch auf Aufnahme ableiten lässt. 523<br />
Die Vere<strong>in</strong>sstatuten können verschiedene Kriterien für die Aufnahme<br />
und eigentliche Aufnahmeerschwerungen vorsehen. Wenn die Ablehnung<br />
e<strong>in</strong>es Aufnahmegesuchs gegen vere<strong>in</strong>s<strong>in</strong>terne Regeln verstösst,<br />
ohne jedoch absolut geschützte Rechte zu tangieren, so haben lediglich<br />
die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> die Möglichkeit, den entsprechenden Beschluss<br />
anzufechten. Nichtmitglie<strong>der</strong>, also gerade auch die nicht aufgenommene<br />
Person, können sich h<strong>in</strong>gegen nicht wehren. E<strong>in</strong> allfälliger Anspruch auf<br />
Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> sich aus <strong>der</strong> Verletzung e<strong>in</strong>es absolut geschützten<br />
Rechts ergibt, kann von <strong>der</strong> abgewiesenen Person höchstens<br />
mittels e<strong>in</strong>er Gestaltungsklage auf Aufnahme <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong> durchgesetzt<br />
werden. 524<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />
Aus e<strong>in</strong>igen Spezialgesetzen ergab und ergibt sich e<strong>in</strong> Rechtsanspruch<br />
auf Mitgliedschaft <strong>in</strong> bestimmten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, bei welchen wirtschaftliche<br />
521<br />
HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 56 f., Bern 1990, mit weiteren<br />
H<strong>in</strong>weisen.<br />
522<br />
Vgl. die Beispiele bei HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 68.<br />
523<br />
Art. 2 Abs. 2 ZGB. Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 73.<br />
524<br />
Vgl. etwa BGE 108 II 6 (Swiss Commodity Industry Association, 1982), S. 55.<br />
167
Aspekte e<strong>in</strong>e Rolle spielen. 525 Art. 6 Abs. 2 KG 1962 526 und Art. 9 Abs. 1<br />
lit. b KG 1985 527 sahen e<strong>in</strong>en <strong>der</strong>artigen Rechtsanspruch im Zusammenhang<br />
mit Kartellen vor, wenn die Nichtaufnahme e<strong>in</strong>e unzulässige Wettbewerbsbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
darstellte. 528 Auch unter dem geltenden KG 1996<br />
kann sich aus Art. 12 Abs. 1 lit. a KG 1996 e<strong>in</strong> Rechtsanspruch auf Aufnahme<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> ergeben, wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> als marktbeherrschendes<br />
Unternehmen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 KG 1996 zu qualifizieren ist,<br />
an<strong>der</strong>e Unternehmen o<strong>der</strong> Personen i.S.v. Art. 7 KG 1996 durch Nichtaufnahme<br />
<strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufnahme o<strong>der</strong> Ausübung des Wettbewerbs<br />
beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. 529<br />
Entsprechende Vorschriften bestanden auch für anerkannte militärische<br />
Schiessvere<strong>in</strong>e, welche die obligatorischen und freiwilligen Bundesschiessübungen<br />
durchzuführen hatten. 530<br />
Art. 4 Abs. 2 KVG sieht ausserdem vor, dass Krankenpflegeversicherer<br />
<strong>in</strong> ihrem örtlichen Tätigkeitsgebiet jede versicherungspflichtige Person<br />
aufnehmen müssen, wobei sich anerkannte Krankenkassen gemäss<br />
Art. 12 Abs. 1 lit. a KVV ausdrücklich als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> statuieren können. 531<br />
Auch aus Art. 8 BV kann sich e<strong>in</strong> Rechtsanspruch auf Aufnahme ergeben,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dann, wenn <strong>der</strong> Staat e<strong>in</strong>e öffentliche Aufgabe an e<strong>in</strong>en<br />
privatrechtlichen Vere<strong>in</strong> delegiert. 532<br />
525<br />
Vgl. dazu HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 65, Bern 1990;<br />
DERS., Entwicklungen im Gesellschaftsrecht, Allgeme<strong>in</strong>e Bestimmungen über juristische<br />
Personen, Vere<strong>in</strong>s- und Stiftungsrecht, SJZ 92 (1996), S. 392.<br />
526<br />
In Kraft vom 15.02.1964 bis zum 30.06.1986.<br />
527<br />
In Kraft vom 1.07.1986 bis zum 30.06.1996.<br />
528<br />
Vgl. dazu BGE 108 II 6 (Swiss Commodity Industry Association, 1982), S. 55.<br />
529<br />
Gleicher Ansicht HANS MICHAEL RIEMER, Entwicklungen im Gesellschaftsrecht, Allgeme<strong>in</strong>e<br />
Bestimmungen über juristische Personen, Vere<strong>in</strong>s- und Stiftungsrecht, SJZ 92<br />
(1996), S. 392. Vgl. zur Anwendung des Kartellrechts auf Sportvere<strong>in</strong>e CHRISTOPH FUCHS,<br />
Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich 1999, S. 92.<br />
530<br />
Art. 13 Abs. 2 lit. e und Art. 17 <strong>der</strong> Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst<br />
(Schiessordnung) vom 27. Februar 1991 (AS 1991, S. 662 ff.). Die heute geltende Fassung<br />
<strong>der</strong> Schiessordnung (SR 512.31, mit Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Art. 13 und 17 aus dem Jahr 1996)<br />
verpflichtet die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht mehr zur Aufnahme von Mitglie<strong>der</strong>n. Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> müssen<br />
lediglich noch Nichtmitglie<strong>der</strong> an den Schiessübungen kostenlos teilnehmen lassen. – Für<br />
die Rechtslage vor 1991 vgl. die Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst vom<br />
29. November 1935 (BS 5, S. 119 ff.).<br />
531<br />
Vgl. dazu Botschaft über die Revision <strong>der</strong> Krankenversicherung vom 6. November<br />
1991, BBl 144 I (1992), S. 142: „Die Versicherer s<strong>in</strong>d verpflichtet, alle Versicherungswilligen<br />
<strong>in</strong> ihrem örtlichen Tätigkeitsgebiet aufzunehmen.“<br />
532<br />
HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 66, Bern 1990.<br />
168
RIEMER ist <strong>der</strong> Ansicht, dass bei Berufs- und Standesorganisationen<br />
generell e<strong>in</strong> Rechtsanspruch auf Mitgliedschaft bestehen muss, sofern<br />
diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit und gegenüber potentiellen Auftraggebern<br />
und Behörden als massgebliche Organisationen des betreffenden Berufsstandes<br />
auftreten, o<strong>der</strong> wenn Berufs- und Wirtschaftsverbände ausdrücklich<br />
den Zweck <strong>der</strong> Selbstregulierung ihrer Branche verfolgen.<br />
Dies soll auch dann gelten, wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> an sich zulässige Aufnahmekriterien<br />
aufstellt, welche von <strong>der</strong> aufnahmewilligen Person erfüllt<br />
werden. RIEMER begründet se<strong>in</strong>e Ansicht damit, dass die Abweisung e<strong>in</strong>er<br />
aufnahmewilligen Person <strong>in</strong> solchen Fällen e<strong>in</strong>e wi<strong>der</strong>rechtliche o<strong>der</strong><br />
unsittliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf berufliches Ansehen<br />
und auf berufliche und wirtschaftliche Entfaltung darstellen würde (Art.<br />
28 ZGB). RIEMER schliesst auch e<strong>in</strong>e mögliche Drittwirkung von Art.<br />
27 BV nicht aus. 533 Abgesehen von Berufs- und Standesorganisationen<br />
beurteilt RIEMER auch die Verweigerung <strong>der</strong> Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Sportvere<strong>in</strong><br />
als persönlichkeitsverletzend, sofern diesem e<strong>in</strong>e Monopolstellung<br />
zukommt. 534<br />
Dieser Gedanke RIEMERS entspricht <strong>der</strong> vorherrschenden neueren<br />
Lehre im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n 535<br />
und f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts.<br />
In BGE 123 III 193 536 berief sich das Bundesgericht im Zusammenhang<br />
mit dem Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitgliedes auf dessen Persönlichkeitsrecht<br />
auf wirtschaftliche Entfaltung. Konsequenterweise müssen<br />
entsprechende Kriterien auch für die Frage <strong>der</strong> Aufnahme von Mitglie<strong>der</strong>n<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters gelten, wenn die Nichtaufnahme<br />
die wirtschaftliche Entfaltung <strong>der</strong> aufnahmewilligen Person <strong>in</strong><br />
533<br />
HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 69 f., Bern 1990.<br />
534<br />
Gleicher Ansicht MARGARETA BADDELEY, L’association sportive face au droit, Diss.<br />
Genf, Basel 1994, S. 81 ff. Vgl. allgeme<strong>in</strong> zu <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit Monopolstellung auch ANTON<br />
HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 36, Basel 1996.<br />
535<br />
ANTON HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 65; DERS., Kommentar<br />
zu Art. 72 ZGB N 11 f., Basel 1996; ANDREAS KELLER, Die Ausschliessung aus dem Vere<strong>in</strong>,<br />
Diss. Freiburg 1979, S. 119 ff.; THOMAS BÜTLER, Der Persönlichkeitsschutz des Vere<strong>in</strong>smitglieds,<br />
Diss. Basel 1986, S. 72 ff.; HANS BODMER, Vere<strong>in</strong>sstrafe und Verbandsgerichtsbarkeit,<br />
Diss. St. Gallen, Bern 1989, S. 191 ff. An<strong>der</strong>er Ansicht h<strong>in</strong>gegen BEAT<br />
BADERTSCHER, Der Ausschluss aus dem Vere<strong>in</strong> nach schweizerischem Zivilgesetzbuch,<br />
Diss. Zürich 1980, S. 215 ff.<br />
536<br />
Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH, 1997; vgl. S. 55; vgl. betreffend den Ausschluss<br />
S. 162.<br />
169
echtswidrigem Mass tangiert. 537 Im Ergebnis muss demnach <strong>in</strong> solchen<br />
Fällen e<strong>in</strong>e Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Vere<strong>in</strong>s auf<br />
Nichtaufnahme e<strong>in</strong>er Person und den Interessen dieser aufnahmewilligen<br />
Person vorgenommen werden. Nur wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> überwiegende<br />
wichtige und sachliche Gründe hat, kann er die Aufnahme e<strong>in</strong>er Person<br />
verweigern, die durch die Nichtaufnahme <strong>in</strong> ihren wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechten<br />
verletzt wird. Allerd<strong>in</strong>gs dürften solche Fälle<br />
äusserst selten se<strong>in</strong>. Auch ist zu beachten, dass die Interessenabwägung<br />
(abgesehen von Berufs-, Standes- und Branchenorganisationen) strenger<br />
ausfallen muss, wenn es um die Aufnahme geht, als dies bei e<strong>in</strong>em Ausschluss<br />
<strong>der</strong> Fall wäre. Die Verweigerung <strong>der</strong> Aufnahme ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />
weniger stossend als <strong>der</strong> Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitgliedes. 538 Vorbehalten<br />
bleiben die bereits erwähnten kartellrechtlich relevanten Fälle.<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d somit an<strong>der</strong>s zu beurteilen<br />
als Genossenschaften. Für die Genossenschaft gilt von Gesetzes wegen<br />
das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> offenen Türe, das heisst e<strong>in</strong> Mitgliedschaftswechsel<br />
durch E<strong>in</strong>- und Austritt muss je<strong>der</strong>zeit möglich se<strong>in</strong>. Art. 839 Abs. 2 OR<br />
präzisiert diesen Grundsatz für den E<strong>in</strong>tritt. Der Beitritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Genossenschaft<br />
darf zwar statutarisch von <strong>der</strong> Erfüllung beson<strong>der</strong>er tatsächlicher<br />
o<strong>der</strong> rechtlicher Voraussetzungen abhängig gemacht werden, allerd<strong>in</strong>gs<br />
müssen diese sachlich begründet se<strong>in</strong>, das heisst, aus dem Zweck<br />
<strong>der</strong> Genossenschaft resultieren. 539 Aus <strong>der</strong> Beitrittsregelung darf sich<br />
ke<strong>in</strong> faktischer numerus clausus ergeben. Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> offenen Türe<br />
bei <strong>der</strong> Genossenschaft ist wirtschaftlich dadurch begründet, dass Genossenschaften<br />
<strong>in</strong> bestimmten Berufszweigen häufig e<strong>in</strong>e faktische Monopolstellung<br />
<strong>in</strong>nehaben. Rechtshistorisch ergibt sich <strong>der</strong> Grundsatz aus<br />
dem Solidargedanken, welcher <strong>der</strong> Genossenschaft zugrunde liegt. 540 Für<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gilt von Gesetzes wegen das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> offenen Türe nicht. Es<br />
darf auch nicht ohne gesetzliche Grundlage e<strong>in</strong>geführt werden, da es e<strong>in</strong>en<br />
starken E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Fundamente <strong>der</strong> Privatrechtsordnung darstellt.<br />
Die Fälle, <strong>in</strong> welchen e<strong>in</strong> berechtigtes Interesse daran besteht, dass<br />
gewisse Personen von <strong>der</strong> Mitgliedschaft <strong>in</strong> bestimmten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nicht<br />
ausgeschlossen werden dürfen, können <strong>in</strong> Anwendung <strong>der</strong> bundesge-<br />
537 In diesem S<strong>in</strong>ne auch CHRISTOPH FUCHS, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich<br />
1999, S. 106; PETER LOSER, Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft im Spannungsfeld von Ausschlussautonomie<br />
und Handels- und Gewerbefreiheit, recht 1998, S. 38. Vgl. auch ALFRED<br />
SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 839 OR N 10, Basel 1994, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />
538 Gleicher Ansicht bereits PETER LOSER, a.a.O., S. 38.<br />
539 REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel 1998, S. 82.<br />
540 CARL BAUDENBACHER, Kommentar zu Art. 828 OR N 7, Basel 1994.<br />
170
ichtlichen Rechtsprechung zum Persönlichkeitsrecht auf wirtschaftliche<br />
Entfaltung und über das Wettbewerbs- und Kartellrecht gelöst werden.<br />
Ausserdem ist im Auge zu behalten, dass selbst bei <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
trotz des genossenschaftlichen Pr<strong>in</strong>zips <strong>der</strong> offenen Türe – alle<strong>in</strong><br />
gestützt auf diesen Grundsatz – ke<strong>in</strong> klagbarer Aufnahmeanspruch von<br />
beitrittswilligen Personen besteht, selbst wenn diese sämtliche E<strong>in</strong>trittsvoraussetzungen<br />
erfüllen. Die gegenteilige Auffassung wurde zwar <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
älteren, schwankenden, im Zusammenhang mit Boykotten vor Geltung<br />
des Kartellgesetzes von 1964 entwickelten Rechtsprechung 541 und Literatur<br />
teilweise vertreten. Sie ist heute jedoch durch die neuere Rechtsprechung<br />
542 überholt, <strong>der</strong> auch die herrschende Lehre folgt. 543<br />
Auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters könnte daher<br />
selbst <strong>in</strong> analoger Anwendung genossenschaftlicher Bestimmungen ke<strong>in</strong><br />
Anspruch auf Aufnahme bestehen. E<strong>in</strong> Anspruch muss vielmehr auf die<br />
seltenen Fälle eigentlicher wi<strong>der</strong>rechtlicher Persönlichkeitsverletzungen<br />
beschränkt bleiben. 544 Namentlich vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Rechtsprechung zum Genossenschaftsrecht kann BGE 82 II 292<br />
(Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956) nicht so verstanden werden,<br />
dass <strong>in</strong> analoger Anwendung <strong>der</strong> Bestimmungen zum Genossenschaftsrecht<br />
bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong> klageweise<br />
durchsetzbarer Anspruch auf Aufnahme besteht. Um so höhere Anfor-<br />
541<br />
BGE 76 II 281 (<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche, 1950), vgl. S. 44; BGE<br />
81 II 117 (<strong>Schweiz</strong>erischer Tabakverband, 1955), mit Vorbehalt, vgl. S. 46; BGE 82 II 292<br />
(Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956), vgl. S. 46.<br />
542<br />
BGE 118 II 437; BGE 98 II 221, mit ausführlicher Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> früheren<br />
Rechtsprechung und Literatur; CARL BAUDENBACHER, Kommentar zu Art. 828 OR N<br />
7, Basel 1994; ALFRED SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 839 OR N 3, Basel 1994; PETER<br />
FORSTMOSER, Kommentar zu Art. 839 OR N 9 ff., Bern 1974, je mit weiteren Nachweisen.<br />
– BGE 118 II 437 enthält ausserdem Ausführungen zur Frage, ob e<strong>in</strong>e beitrittswillige<br />
Person e<strong>in</strong>e Klage auf Feststellung führen kann, e<strong>in</strong>e entsprechende Statutenbestimmung<br />
sei ungültig, weil sie den genossenschaftlichen Grundsatz <strong>der</strong> offenen Türe verletze. Das<br />
Bundesgericht hielt <strong>in</strong> diesem Entscheid fest, für e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Klage bestehe ke<strong>in</strong> selbständiges<br />
Feststellungs<strong>in</strong>teresse; ausserdem wäre e<strong>in</strong> entsprechendes Urteil auch nicht<br />
durchsetzbar, weil eben ke<strong>in</strong> durchsetzbarer Anspruch auf Aufnahme bestehe. Daher bestehe<br />
ke<strong>in</strong>e Möglichkeit zu e<strong>in</strong>er solchen Feststellungsklage.<br />
543<br />
Vgl. etwa REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel<br />
1998, S. 80 f.<br />
544<br />
Es wurde bereits auf S. 144 darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass solche bei Berufs-, Branchenund<br />
Standesorganisationen eher zu bejahen s<strong>in</strong>d als bei an<strong>der</strong>en <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters.<br />
171
<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d daher an die Bejahung des überwiegenden Interesses e<strong>in</strong>er<br />
aufnahmewilligen Person zu stellen. 545<br />
3. Der Austritt gemäss ZGB<br />
Der Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> ist gemäss Art. 70 Abs. 2 OR von Gesetzes<br />
wegen zw<strong>in</strong>gend unter Beachtung e<strong>in</strong>er sechsmonatigen Austrittsfrist<br />
auf das Ende jeden Kalen<strong>der</strong>jahres o<strong>der</strong> je<strong>der</strong> Verwaltungsperiode<br />
zulässig. Ausserdem lässt die Gerichtspraxis e<strong>in</strong>en sofortigen Austritt<br />
aus wichtigem Grund zu. E<strong>in</strong> solcher liegt dann vor, wenn dem Mitglied<br />
das Verbleiben im Vere<strong>in</strong> nicht mehr zumutbar ist. 546 Allgeme<strong>in</strong> gilt,<br />
dass <strong>der</strong> Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> we<strong>der</strong> verunmöglicht noch erschwert<br />
werden darf. 547<br />
4. Beson<strong>der</strong>heiten<br />
a) Allgeme<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten<br />
Bei re<strong>in</strong> nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n steht wie bereits mehrfach erwähnt<br />
die psychische, moralische und soziale Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
im Vor<strong>der</strong>grund. 548 Der Vere<strong>in</strong> lebt e<strong>in</strong>erseits von se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n,<br />
an<strong>der</strong>erseits gehören die Mitglie<strong>der</strong> nicht aus f<strong>in</strong>anziellen o<strong>der</strong><br />
sonstigen wirtschaftlichen Überlegungen dem Vere<strong>in</strong> an. So gehört etwa<br />
zu den fundamentalen Persönlichkeitsrechten, dass niemand gezwungen<br />
wird, e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>igung anzugehören, welche (nicht mehr) se<strong>in</strong>en politischen<br />
o<strong>der</strong> religiösen Überzeugungen entspricht. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters ist dies an<strong>der</strong>s. Hier steht nicht die psychische,<br />
545 Vgl. S. 46 mit H<strong>in</strong>weis auf BGE 76 II 281 (<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären<br />
Branche), S. 44. – Im hier dargestellten S<strong>in</strong>ne auch BGE 98 II 221.<br />
546 BGE 71 II 194. – Der selbe Gedanke f<strong>in</strong>det sich im Zusammenhang mit Fusionen <strong>in</strong><br />
Art. 19 EFusG: Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, die e<strong>in</strong>er Fusion nicht zustimmen, können <strong>in</strong>nerhalb<br />
von zwei Monaten nach dem Fusionsbeschluss frei austreten. Für Umwandlungen enthält<br />
<strong>der</strong> EFusG ke<strong>in</strong>e entsprechende Regelung. E<strong>in</strong>e Umwandlung dürfte jedoch je nach den<br />
konkreten Verhältnissen e<strong>in</strong>en Grund darstellen, welcher den Mitglie<strong>der</strong>n den sofortigen<br />
Austritt aus wichtigem Grund nach den allgeme<strong>in</strong>en Regeln ermöglicht.<br />
547 BGE 117 V 53. Vgl. auch ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 42 ff., Basel<br />
1996; DERS., Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 62 f.; HANS MICHAEL<br />
RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 270, Bern 1990.<br />
548 Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 270 ff.; A. EGGER, Kommentar zu<br />
Art. 70 ZGB N 10, Zürich 1930; ANTON HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel<br />
1988, S. 63; BERYSZ ROSENBERG, Die zw<strong>in</strong>genden Schutzbestimmungen des Vere<strong>in</strong>srechtes,<br />
Diss. Basel 1985, S. 8 f.; BGE 71 II 194 ff., 197 (Verband <strong>Schweiz</strong>erischer Handsortierwerke,<br />
1945).<br />
172
moralische o<strong>der</strong> soziale Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im Zentrum. Sie<br />
gehören dem Vere<strong>in</strong> vielmehr aus irgendwie gearteten wirtschaftlichen<br />
Interessen an. Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters können<br />
unabhängige wirtschaftliche Zusammenschlüsse se<strong>in</strong>. Auf die Auswirkungen<br />
dieser Umstände auf die Frage, wann sich e<strong>in</strong> Mitglied auf<br />
wichtige Gründe berufen kann, die es zu e<strong>in</strong>em sofortigen Austritt berechtigen,<br />
wird nachfolgend im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Austrittsfrist<br />
e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Die Gewichtung <strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> hat auch<br />
Auswirkungen auf die Frage nach zulässigen Erschwerungen des Austritts<br />
aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters. Solche Erschwerungen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> weiterem Masse zulässig, als bei nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />
E<strong>in</strong> Vergleich mit <strong>der</strong> Genossenschaft zeigt, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
für den Austritt aus e<strong>in</strong>er Genossenschaft grössere Erschwernisse zulässt<br />
als bei den gesetzlichen Bestimmungen zum Vere<strong>in</strong>: Der Austritt<br />
aus e<strong>in</strong>er Genossenschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen an<br />
die Bezahlung von Austrittsgel<strong>der</strong>n geknüpft werden; <strong>der</strong> Austritt darf<br />
für fünf Jahre ausgeschlossen werden; nach dispositivem Recht beträgt<br />
die Kündigungsfrist e<strong>in</strong> Jahr.<br />
b) Austrittsfrist<br />
Die Bestimmung von Art. 70 Abs. 2 ZGB wird allgeme<strong>in</strong> als zw<strong>in</strong>gend<br />
erachtet. 549 E<strong>in</strong> Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> kann demnach nie für<br />
länger als e<strong>in</strong> halbes Jahr ausgeschlossen werden. Angesichts des zw<strong>in</strong>genden<br />
Charakters <strong>der</strong> Bestimmung und <strong>der</strong> Relativität <strong>der</strong> Beurteilung<br />
von Austrittsfristen ist ke<strong>in</strong> Grund ersichtlich, bei wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
e<strong>in</strong>e abweichende Regelung zu postulieren. Auch <strong>der</strong> gesetzlich<br />
vorgesehene Austrittsterm<strong>in</strong> ist ohne weiteres anwendbar.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters an<strong>der</strong>e Kriterien<br />
h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Zulässigkeit e<strong>in</strong>es sofortigen Austritts aus wichtigem<br />
Grund anzuwenden. Je<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelfall bedarf <strong>der</strong> exakten Abklärung<br />
und <strong>der</strong> sorgfältigen Abwägung <strong>der</strong> auf dem Spiel stehenden Interessen.<br />
Gemäss Rechtsprechung liegen dann wichtige Gründe vor, wenn es e<strong>in</strong>em<br />
Mitglied unter Berücksichtigung se<strong>in</strong>er persönlichen Verhältnisse<br />
nicht mehr zumutbar ist, dem Vere<strong>in</strong> bis zum Ablauf <strong>der</strong> ordentlichen<br />
Austrittsfrist anzugehören. E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters kaum <strong>der</strong>artige Gründe denkbar, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> psychischen, moralischen<br />
o<strong>der</strong> sozialen Persönlichkeit des Mitglieds begründet s<strong>in</strong>d. An-<br />
549 Vgl. etwa ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 43, Basel 1996.<br />
173
<strong>der</strong>erseits anerkennt das Bundesgericht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang aber<br />
explizit auch, dass die wirtschaftliche Persönlichkeit des Mitgliedes berücksichtigt<br />
werden muss. 550<br />
Nur am Rand sei darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass die Rechtsprechung des<br />
Bundesgerichts zum sofortigen Austritt aus e<strong>in</strong>er Genossenschaft nicht<br />
für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters übernommen werden kann. Der<br />
Austritt aus e<strong>in</strong>er Genossenschaft kann statutarisch für e<strong>in</strong>e viel längere<br />
Zeit ausgeschlossen werden, als dies beim Vere<strong>in</strong> zulässig ist. Vor diesem<br />
H<strong>in</strong>tergrund ist e<strong>in</strong> Recht auf e<strong>in</strong>en sofortigen Austritt aus e<strong>in</strong>er<br />
Genossenschaft schneller zu bejahen als bei e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>. 551<br />
c) Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n<br />
Das Vere<strong>in</strong>srecht enthält ke<strong>in</strong>e Bestimmungen, die sich explizit mit<br />
<strong>der</strong> Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n befassen. Bei re<strong>in</strong> nichtwirtschaftlichen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n s<strong>in</strong>d Austrittsgel<strong>der</strong> nach herrschen<strong>der</strong> Ansicht verboten,<br />
weil sie e<strong>in</strong> zusätzliches Austrittserschwernis darstellen, das <strong>in</strong> Art.<br />
70 Abs. 2 ZGB nicht vorgesehen ist. 552 Dieser Artikel stellt nach herrschen<strong>der</strong><br />
Lehre e<strong>in</strong>e Konkretisierung von Art. 27 ZGB dar. Austrittsgel<strong>der</strong><br />
würden die Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es nichtwirtschaftlichen<br />
Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> unzulässiger Weise bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />
Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ist es h<strong>in</strong>gegen zulässig –<br />
auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Interessen des Vere<strong>in</strong>s<br />
553 und <strong>der</strong> übrigen Mitglie<strong>der</strong> –, dass e<strong>in</strong> austretendes Mitglied sta-<br />
550 BGE 71 II 194. In diesem Entscheid war <strong>der</strong> sofortige Austritt e<strong>in</strong>es Mitgliedes zu<br />
beurteilen, welches die Anfechtung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>sbeschlusses versäumt hatte, gemäss welchem<br />
die Mitglie<strong>der</strong> zu zusätzlichen Geldleistungen an den Vere<strong>in</strong> verpflichtet worden<br />
waren. Das Bundesgericht betonte, es stünden ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>en als Geld<strong>in</strong>teressen auf dem<br />
Spiel und die fraglichen Summen seien für das Mitglied nicht von vitaler Bedeutung, so<br />
dass ke<strong>in</strong> sofortiger Austritt erfor<strong>der</strong>lich sei.<br />
551 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch BGE 71 II 194.<br />
552 Vgl. ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 45, Basel 1996; Siehe auch DERS.,<br />
SZW 1992, S. 228 ff.; MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, Grundriss des schweizerischen Gesellschaftsrechts,<br />
8. Auflage Bern 1998, § 20 N 54; BERYSZ ROSENBERG, Die zw<strong>in</strong>genden<br />
Schutzbestimmungen des Vere<strong>in</strong>srechtes, Diss. Basel 1985, S. 9 f. und S. 23. – HEINI geht<br />
immerh<strong>in</strong> davon aus, dass auch bei nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n e<strong>in</strong>e „Gebühr“ vorgesehen<br />
werden könnte, mit welcher die Umtriebe abgedeckt werden können, welche dem<br />
Vere<strong>in</strong> durch den Austritt entstehen. Allerd<strong>in</strong>gs dürfte es sich bei <strong>der</strong>artigen Beträgen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Regel um vergleichsweise niedrige Summen handeln, welche nicht geeignet s<strong>in</strong>d, den<br />
Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> zu erschweren.<br />
553 Bereits EUGEN HUBER hat auf den Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Regelung des Austritts<br />
aus e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>igung mit <strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung selbst h<strong>in</strong>gewiesen.<br />
Vgl. EUGEN HUBER, E<strong>in</strong>tritt und Austritt von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft, ZSR 40<br />
174
tutarisch zur Bezahlung von Austrittsgel<strong>der</strong>n verpflichtet wird. 554 Im<br />
e<strong>in</strong>zigen publizierten Entscheid zur Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n bei<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters 555 wurde die Frage angesprochen,<br />
ob Art. 70 Abs. 2 ZGB e<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>gende Bestimmung darstelle, welche<br />
auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>e Erschwerung des<br />
Austritts durch die Pflicht zur Bezahlung von Austrittsgel<strong>der</strong>n verbiete.<br />
556 Hierzu ist zu beachten, dass Art. 70 Abs. 2 ZGB sich lediglich<br />
zur Dauer <strong>der</strong> Austrittsfrist äussert. Die Formulierung „von Gesetzes<br />
wegen zulässig“ weist tatsächlich darauf h<strong>in</strong>, dass die Bestimmung diesbezüglich<br />
zw<strong>in</strong>gend ist. Es g<strong>in</strong>ge jedoch zu weit, <strong>in</strong> den Wortlaut von<br />
Art. 70 Abs. 2 ZGB h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu <strong>in</strong>terpretieren, es werde e<strong>in</strong> absolutes und<br />
zw<strong>in</strong>gendes Verbot von Austrittsgel<strong>der</strong>n statuiert. Aus <strong>der</strong> Bestimmung<br />
ist ersichtlich, dass das Recht auf Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en wichtigen<br />
Grundsatz darstellt; dieser Grundsatz muss jedoch vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />
des e<strong>in</strong>zelnen Falles im H<strong>in</strong>blick auf die <strong>in</strong> Frage stehenden<br />
Persönlichkeitsrechte konkretisiert werden. 557<br />
Die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> haben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Gewicht. Dies gilt beson<strong>der</strong>s für den<br />
Fall, dass die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s Unternehmen s<strong>in</strong>d. 558 Ausserdem<br />
(1921), S. 23. Vgl. auch das Gutachten von PROF. FRANK VISCHER zur Zulässigkeit von<br />
Austrittsgel<strong>der</strong>n beim Vere<strong>in</strong>, zitiert <strong>in</strong> <strong>der</strong> auszugsweisen Publikation e<strong>in</strong>es Entscheides<br />
e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, Yearbook Comm.<br />
Arb’n XVII (1992), S. 22.<br />
554 Im selben S<strong>in</strong>n Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom<br />
27.05.1991, auszugsweise publiziert a.a.O., S. 11 ff., und zusammengefasst <strong>in</strong> SZW 1992,<br />
S. 228 ff. Vgl. auch ANTON HEINI, SZW 1992, S. 228 ff.; DERS., Kommentar zu Art. 70<br />
ZGB N 45, Basel 1996; FRANK VISCHER, Besprechung von He<strong>in</strong>i, Das schweizerische<br />
Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991, S. 365. – Gegenteiliger Ansicht s<strong>in</strong>d MEIER-HAYOZ /<br />
FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 20 N 54, die<br />
das genannte Schiedsurteil kritisieren.<br />
555 Vgl. zum Sachverhalt S. 56 ff.<br />
556 Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, Yearbook<br />
Comm. Arb'n XVII (1992), S. 15 und SZW 1992, S. 228 ff.<br />
557 So wird denn auch im Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom<br />
27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 20 f. und SZW 1992, S. 228 ff., darauf<br />
h<strong>in</strong>gewiesen, dass e<strong>in</strong>e Statutenbestimmung, welche e<strong>in</strong>e zu bezahlende Entschädigung<br />
so hoch ansetzt, dass sie die Austrittsfreiheit praktisch illusorisch macht, auch bei<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters „clearly unenforceable“ wäre.<br />
558 Dieser Aspekt wurde auch im Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New<br />
York vom 27.05.1991 mehrfach betont, vgl. Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 14,<br />
18, 20 und 23. – Vgl. hierzu auch den Entscheid des Kantonsgerichts Graubünden vom<br />
17./18.06.1958, <strong>in</strong>: SJZ 1959, S. 226 ff. In diesem Entscheid wurde <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e hervorgehoben,<br />
dass – trotz e<strong>in</strong>es Austrittsverbotes für Verbände, welche als solche Mitglied<br />
175
s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong> Frage nach e<strong>in</strong>er Verletzung <strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um – wie bei <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Aufnahme von Mitglie<strong>der</strong>n<br />
– die Interessen des Vere<strong>in</strong>s zu beachten, so dass e<strong>in</strong> möglicher E<strong>in</strong>griff<br />
<strong>in</strong> die Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> durch e<strong>in</strong> überwiegendes Interesse<br />
des Vere<strong>in</strong>s gerechtfertigt se<strong>in</strong> kann (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Auch die Interessen<br />
<strong>der</strong> verbleibenden Mitglie<strong>der</strong> im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em<br />
möglichen wirtschaftlichen Verlust müssen <strong>in</strong> die Interessenabwägung<br />
mit e<strong>in</strong>bezogen werden. Dies um so mehr, als die austretenden Mitglie<strong>der</strong><br />
des Vere<strong>in</strong>s sich durch den Beitritt <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong> den entsprechenden<br />
statutarischen Bestimmungen freiwillig unterstellt haben. Austrittsgel<strong>der</strong><br />
s<strong>in</strong>d daher bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters <strong>in</strong> den<br />
meisten Fällen zulässig. 559 Zu diesem Ergebnis kam auch die Mehrheit<br />
des <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts, die e<strong>in</strong>em Parteigutachten von<br />
PROF. FRANK VISCHER folgte und die gegenteiligen Überlegungen von<br />
PROF. PETER FORSTMOSER verwarf.<br />
Im übrigen ist <strong>der</strong> Gedanke, dass e<strong>in</strong> austretendes Mitglied dem Vere<strong>in</strong><br />
gegenüber für bestimmte Leistungen haftbar bleibt, dem gesetzlich<br />
verankerten Vere<strong>in</strong>srecht ke<strong>in</strong>eswegs fremd: Art. 73 Abs. 2 ZGB sieht<br />
vor, dass die Mitglie<strong>der</strong> für ihre Beiträge nach Massgabe <strong>der</strong> Zeit ihrer<br />
Mitgliedschaft haften. Diese Bestimmung ist allerd<strong>in</strong>gs dispositiver Natur.<br />
Die Statuten können daher e<strong>in</strong>e über die Dauer <strong>der</strong> Mitgliedschaft<br />
h<strong>in</strong>ausgehende Mitglie<strong>der</strong>beitragspflicht vorsehen. 560 E<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Statuten<br />
vorgesehenes Austrittsgeld kann unter Umständen als Beitrag des Mitglieds<br />
an den Vere<strong>in</strong> i.S.v. Art. 71 ZGB verstanden werden. Dies liegt<br />
vor allem dann nahe, wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>en möglichst grossen Kreis<br />
e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d – die jeweiligen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mitglieds-Verbände aus diesen austreten<br />
könnten, womit die beteiligten natürlichen Personen faktisch auch aus dem Vere<strong>in</strong> austreten<br />
könnten. Dies traf beim zu beurteilenden Sachverhalt zu, kann jedoch nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />
verallgeme<strong>in</strong>ert werden. – Beachte hierzu auch die e<strong>in</strong>leuchtende Kritik HEINIS zur<br />
Auffassung des Kantonsgerichts Graubündens, die Bestimmung von Art. 63 Abs. 2 ZGB<br />
sei nur zugunsten natürlicher Personen zw<strong>in</strong>gend (ANTON HEINI, Das schweizerische<br />
Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 63, FN 101).<br />
559 Im bereits zitierten Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom<br />
27.05.1991, SZW 1992, S. 228 ff. wird darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass sich wirtschaftlich tätige<br />
Parteien, welche nach langen Verhandlungen mit professioneller Hilfe Verpflichtungen<br />
e<strong>in</strong>gegangen s<strong>in</strong>d, sich nicht ohne weiteres auf die Rechts- o<strong>der</strong> Sittenwidrigkeit von Abmachungen<br />
o<strong>der</strong> die Umgehung von zw<strong>in</strong>genden Vorschriften berufen können. Die gilt<br />
namentlich auch dann, wenn Abmachungen zur Debatte stehen, welche sich auch <strong>in</strong><br />
zahlreichen an<strong>der</strong>en Branchen f<strong>in</strong>den, wenn auch im Zusammenhang mit an<strong>der</strong>en Gesellschaftsformen.<br />
Vgl. auch CHRISTOPH FUCHS, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich<br />
1999, S. 105 f.<br />
560 Vgl. etwa URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 73 ZGB N 4, Basel 1996.<br />
176
von qualifizierten Mitglie<strong>der</strong>n angewiesen ist, wenn das austretende Mitglied<br />
während <strong>der</strong> Dauer se<strong>in</strong>er Mitgliedschaft von <strong>der</strong> Zugehörigkeit<br />
zum Vere<strong>in</strong> wirtschaftlich profitiert hat und wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> durch den<br />
Austritt gewisse wirtschaftliche E<strong>in</strong>bussen erlebt.<br />
Auch die Bestimmung von Art. 842 Abs. 2 OR, wonach austretende<br />
Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> statutarisch zur Bezahlung e<strong>in</strong>er „angemessenen<br />
Auslösungssumme“ verpflichtet werden können, wenn im konkreten<br />
Fall <strong>der</strong> Genossenschaft durch den Austritt „e<strong>in</strong> erheblicher<br />
Schaden erwächst o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fortbestand <strong>der</strong> Genossenschaft gefährdet<br />
wird“, zeigt, dass dem Gesellschaftsrecht und namentlich dem Recht <strong>der</strong><br />
Personenvere<strong>in</strong>igungen Austrittsgel<strong>der</strong> nicht fremd s<strong>in</strong>d. Derart vorgesehene<br />
Zahlungen s<strong>in</strong>d gemäss Art. 843 Abs. 2 OR bei <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
sogar dann geschuldet, wenn e<strong>in</strong> Genossenschaftsmitglied aus<br />
wichtigem Grund austritt. 561<br />
Statutarisch vorgesehene Austrittsgel<strong>der</strong> können je nach <strong>der</strong> Ausgestaltung<br />
<strong>der</strong> statutarischen Regeln Konventionalstrafen darstellen. Solche<br />
können auch <strong>in</strong> Statuten vorgesehen werden. 562 Sie s<strong>in</strong>d herkömmlicherweise<br />
Verpflichtungen, für den Fall <strong>der</strong> Nicht- o<strong>der</strong><br />
Schlechterfüllung e<strong>in</strong>er bestimmten Schuld, e<strong>in</strong>e Leistung zu erbr<strong>in</strong>gen.<br />
563 Von <strong>der</strong> Konventionalstrafe zu unterscheiden ist die Vere<strong>in</strong>barung<br />
e<strong>in</strong>er Schadenspauschalisierung. Letztere setzt im Gegensatz zur<br />
Konventionalstrafe (Art. 160 Abs. 1 OR) e<strong>in</strong>en Schaden voraus, untersteht<br />
aber teilweise den selben Regeln wie die Konventionalstrafe. 564 Die<br />
oben erwähnte Bestimmung des Genossenschaftsrechts über Auslösungssummen<br />
betrifft Vere<strong>in</strong>barungen, welche <strong>der</strong> Schadenspauschalisierung<br />
dienen (Art. 842 Abs. 2 OR). 565 Schliesslich können Austrittsgel<strong>der</strong><br />
auch <strong>der</strong> Rückerstattung von bereits erlangten Leistungen o<strong>der</strong><br />
Vorteilen dienen. 566<br />
561<br />
Gemäss REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel 1998,<br />
S. 89 ist die Auslösungssumme gar beim Ausscheiden e<strong>in</strong>es Mitglieds durch Tod geschuldet.<br />
562<br />
Vgl. BGE 80 II 123.<br />
563<br />
CHRISTOPH FUCHS, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich 1999, S. 62; FELIX<br />
EHRAT, Kommentar zu Art. 160 OR N 1, 2. Auflage Basel 1996. Wenn ohne Leistungspflicht<br />
etwas versprochen wird für den Fall, dass e<strong>in</strong>e Leistung nicht freiwillig erfüllt wird,<br />
so handelt es sich um e<strong>in</strong>e sogenannte unechte Konventionalstrafe (FELIX EHRAT, a.a.O.<br />
N 3).<br />
564<br />
FELIX EHRAT, a.a.O. N 12.<br />
565<br />
ALFRED SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 842 OR N 15, Basel 1994.<br />
566<br />
Vgl. dazu CHRISTOPH FUCHS, a.a.O., S. 65.<br />
177
Bei Bedarf können Austrittsgel<strong>der</strong> auch anstatt <strong>in</strong> den Statuten des<br />
Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> separaten Verträgen zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n festgesetzt<br />
werden. 567 Es ist nicht ausgeschlossen, dass Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft<br />
sich – neben ihrer Mitgliedschaft – noch vertraglich b<strong>in</strong>den. 568 Für solche<br />
Verträge muss das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Vertragsfreiheit gelten. Sie können<br />
somit <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>en Schranken von Art. 19 f. OR und sonstigem<br />
zw<strong>in</strong>genden Recht frei vere<strong>in</strong>bart werden. 569 Ausserdem unterstehen sie<br />
nur dem jeweiligen Vertragsrecht, nicht h<strong>in</strong>gegen dem Recht <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Gesellschaft. Verbandsrecht kommt nicht zur Anwendung;<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e gelten auch die statutarischen Bestimmungen nicht. 570<br />
Selbst wenn den oben dargestellten Überlegungen nicht gefolgt würde,<br />
so müsste daher e<strong>in</strong>e vertragliche Zusatzvere<strong>in</strong>barung über Austrittsgel<strong>der</strong><br />
als grundsätzlich zulässig erachtet werden. 571 Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d die<br />
Austrittsgel<strong>der</strong> <strong>in</strong> diesem Fall nicht dem Vere<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n direkt den verbleibenden<br />
Mitglie<strong>der</strong>n geschuldet, es sei denn, <strong>der</strong> Vertrag unter den<br />
Mitglie<strong>der</strong>n ist als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet. Im H<strong>in</strong>blick<br />
auf die allgeme<strong>in</strong>en Schranken e<strong>in</strong>er vertraglichen Vere<strong>in</strong>barung s<strong>in</strong>d im<br />
übrigen ähnliche Überlegungen anzustellen, wie sie bereits zu den statutarischen<br />
Regelungen gemacht worden s<strong>in</strong>d. Das allgeme<strong>in</strong>e Pr<strong>in</strong>zip<br />
des Persönlichkeitsschutzes 572 ist auch h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es Vertrages im<br />
567<br />
Dies war im Sachverhalt <strong>der</strong> Fall, <strong>der</strong> dem Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts<br />
<strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 11 ff. und SZW<br />
1992, S. 228 ff., zugrunde lag. Allerd<strong>in</strong>gs stand die vertragliche Vere<strong>in</strong>barung (die vor allem<br />
den Berechnungsmodus enthielt) neben e<strong>in</strong>er statutarischen Bestimmung und die<br />
Mehrheit des Schiedsgerichts g<strong>in</strong>g auf die vertragliche Grundlage nicht weiter e<strong>in</strong>.<br />
568<br />
Vgl. nur etwa die Vielzahl von Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträgen, welche sowohl von <strong>der</strong><br />
Rechtsprechung als auch von <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> ohne weiteres akzeptiert werden. Sie entspr<strong>in</strong>gen<br />
dem Bedürfnis nach e<strong>in</strong>er vertraglichen Ergänzung <strong>der</strong> aktienrechtlichen Ordnung<br />
vor allem <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, dass die an sich konsequent kapitalbezogene Mitgliedschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Aktiengesellschaft durch personenbezogene Obliegenheiten ergänzt werden. – Ausführlich<br />
zu den Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträgen etwa FORSTMOSER / MEIER-HAYOZ / NOBEL,<br />
<strong>Schweiz</strong>erisches Aktienrecht, Bern 1996, § 39 N 139 ff., mit weiteren H<strong>in</strong>weisen. Speziell<br />
zum Vere<strong>in</strong> vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 135, Bern 1990.<br />
569<br />
Vgl. für Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträge FORSTMOSER / MEIER-HAYOZ / NOBEL, a.a.O.,<br />
§ 39 N 149 und GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“, Schlussbericht vom<br />
24.09.1993, S. 30.<br />
570<br />
Vgl. wie<strong>der</strong>um für Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträge FORSTMOSER / MEIER-HAYOZ / NOBEL,<br />
a.a.O., § 39 N 167.<br />
571<br />
An<strong>der</strong>er Ansicht DR. CLAUS SCHELLENBERG <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dissent<strong>in</strong>g Op<strong>in</strong>ion im Urteil e<strong>in</strong>es<br />
<strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n<br />
XVII (1992), S. 40: Er leitet aus <strong>der</strong> Unzulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n gemäss Vere<strong>in</strong>srecht<br />
die Nichtigkeit entsprechen<strong>der</strong> Verträge ab.<br />
572<br />
Vgl. dazu GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“, a.a.O., S. 30.<br />
178
H<strong>in</strong>blick auf den wirtschaftlichen Charakter <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Vertragsparteien<br />
zu konkretisieren; zudem s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>en Interessen an <strong>der</strong><br />
Mitgliedschaft im Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Betracht zu ziehen und gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abzuwägen.<br />
Aus den im Urteil publizierten Erwägungen des Schiedsgerichts geht<br />
hervor, dass das Gericht darauf abstellte, dass durch die Austrittsleistung<br />
„e<strong>in</strong> fairer Ausgleich zwischen dem Schutz <strong>der</strong> juristischen Person auf<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en, demjenigen des austrittswilligen Mitglieds auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n<br />
Seite“ geschaffen wird. 573 Von e<strong>in</strong>em fairen Ausgleich könne nur dann<br />
gesprochen werden, wenn die Höhe <strong>der</strong> Ausgleichszahlung angemessen<br />
sei. Im konkreten Fall wurde die Austrittssumme mit den jährlichen<br />
E<strong>in</strong>künften des austretenden Mitgliedes verglichen; sie betrug etwa 1.3<br />
% davon und wurde als zulässig erachtet. 574 E<strong>in</strong>e statutarisch<br />
vorgesehene Austrittssumme ist generell dann angemessen, wenn <strong>der</strong><br />
Austritt für das austrittswillige Mitglied nicht wirtschaftlich<br />
verunmöglicht wird. Wird das Austrittsgeld ausschliesslich als<br />
Konventionalstrafe qualifiziert, so liegt hier<strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zige Schranke,<br />
welche bei <strong>der</strong> Anwendung von Art. 163 Abs. 3 OR zu berücksichtigen<br />
ist. E<strong>in</strong>e übermässig hohe Konventionalstrafe kann dabei im allgeme<strong>in</strong>en<br />
nur bei krassen Missverhältnissen angenommen werden. 575 Kommt<br />
e<strong>in</strong>em statutarisch vorgesehenen Austrittsgeld <strong>der</strong> Charakter e<strong>in</strong>er<br />
Schadenspauschalisierung zu, so stellt <strong>der</strong> effektive Schaden, <strong>der</strong> dem<br />
Vere<strong>in</strong> erwächst, die oberste Grenze für die Höhe des Austrittsgeldes<br />
dar. 576 An<strong>der</strong>erseits kommt aber auch Art. 161 Abs. 2 OR analog zur<br />
Anwendung: Übersteigt <strong>der</strong> erlittene Schaden den vere<strong>in</strong>barten Betrag,<br />
so kann auch dieser Mehrbetrag gefor<strong>der</strong>t werden, soweit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
Verschulden des austretenden Mitgliedes beweisen kann. Dient das<br />
Austrittsgeld vorwiegend o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Rückerstattung von Leistungen<br />
o<strong>der</strong> Vorteilen, so gilt die soeben dargestellte Schranke für dessen Höhe<br />
nicht.<br />
Wenn Vere<strong>in</strong>sstatuten e<strong>in</strong>e sich im E<strong>in</strong>zelfall als unzulässig hoch erweisende<br />
Austrittssumme vorsehen, so stellt sich die Frage nach <strong>der</strong><br />
Sanktionierung: E<strong>in</strong>e Möglichkeit besteht dar<strong>in</strong>, die Bestimmung betref-<br />
573 Das Schiedsgericht folgte damit den Ausführungen im Parteigutachten von PROF.<br />
FRANK VISCHER, vgl. Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 22.<br />
574 Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, SZW 1992,<br />
S. 228 ff. – Nach Ansicht HEINIS wären die Voraussetzungen des Genossenschaftsrechts<br />
<strong>in</strong> casu nicht erfüllt gewesen, ANTON HEINI, SZW 1992, S. 228 ff.<br />
575 FELIX EHRAT, Kommentar zu Art. 163 OR N 10, 2. Auflage Basel 1996.<br />
576 ALFRED SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 842 OR N 17, Basel 1994.<br />
179
fend die Austrittssumme auf Antrag des betroffenen Mitgliedes durch<br />
e<strong>in</strong> Gericht als ganze für nichtig erklären zu lassen. Die an<strong>der</strong>e Möglichkeit<br />
ist die, die Höhe <strong>der</strong> Summe auf das zulässige Mass zu reduzieren.<br />
Bei <strong>der</strong> Genossenschaft ist offenbar umstritten, was gelten soll. 577 Der<br />
Herabsetzung auf das zulässige Mass ist beim Vere<strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorzug zu geben:<br />
Sie entspricht eher dem Willen <strong>der</strong> beteiligten Personen und es besteht<br />
gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters seltener das Bedürfnis,<br />
e<strong>in</strong>e schwächere Vertragspartei vor Missbrauch zu schützen. 578<br />
Für die Herabsetzung auf das zulässige Mass können die Regeln zur<br />
Konventionalstrafe analog beigezogen werden, auch wenn die Austrittssumme<br />
nicht als solche qualifiziert wird. Nach Art. 163 Abs. 3 OR erfolgt<br />
die Herabsetzung <strong>in</strong> Anwendung von freiem Ermessen des Gerichts<br />
unter Würdigung des E<strong>in</strong>zelfalles, 579 wobei die oben dargestellten<br />
Argumente zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d.<br />
d) Anspruch auf das Vere<strong>in</strong>svermögen<br />
Art. 73 Abs. 1 ZGB sieht vor, dass austretende o<strong>der</strong> ausgeschlossene<br />
Mitglie<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>en Anspruch auf das Vere<strong>in</strong>svermögen haben. SCHERRER<br />
beurteilt diese Regelung als sachlich folgerichtig, weil beim Vere<strong>in</strong> die<br />
ideal-personelle Komponente im Vor<strong>der</strong>grund stehe und das Vere<strong>in</strong>svermögen<br />
e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> dienende Funktion im Interesse <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />
erfülle. 580<br />
Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters kommt <strong>der</strong> Bedeutung des<br />
Vere<strong>in</strong>svermögens jedoch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Funktion zu. Es ist daher zulässig,<br />
dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters statutarisch e<strong>in</strong>en Anspruch<br />
<strong>der</strong> austretenden Mitglie<strong>der</strong> auf das Vere<strong>in</strong>svermögen vorsehen.<br />
577 Vgl. ALFRED SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 842 OR N 20, Basel 1994: SCHWARTZ ist<br />
unter Berufung auf FORSTMOSER für die Herabsetzbarkeit auf das zulässige Mass.<br />
GUTZWILLER ist h<strong>in</strong>gegen für die Annahme e<strong>in</strong>er unheilbaren Nichtigkeit.<br />
578 An<strong>der</strong>s ist dies, wenn etwa Konsumentenbelange auf dem Spiel stehen: Bei <strong>der</strong> Frage<br />
nach <strong>der</strong> Behandlung von übermässigen Konsumkreditz<strong>in</strong>sen ist unter konsumentenschützerischen<br />
Gesichtspunkten wirksamer, wenn e<strong>in</strong> zu hoher Z<strong>in</strong>s als nichtig betrachtet<br />
wird.<br />
579 Vgl. FELIX EHRAT, Kommentar zu Art. 163 OR N 15, 2. Auflage Basel 1996.<br />
580 URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 73 ZGB N 3, Basel 1996; ANTON HEINI, Das<br />
schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 67.<br />
180
e) Grossvere<strong>in</strong>e<br />
Die Beson<strong>der</strong>heiten h<strong>in</strong>sichtlich zulässiger Austrittserschwerungen<br />
gelten entsprechend auch für Grossvere<strong>in</strong>e 581 , da die<br />
Persönlichkeitsrechte – wie bereits ausgeführt 582 – <strong>in</strong> diesen an<strong>der</strong>s zu<br />
gewichten s<strong>in</strong>d, als <strong>in</strong> herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />
581 Vgl. dazu S. 123.<br />
582 S. 148.<br />
181
XV. Gläubigerschutz<br />
1. Der Gläubigerschutz gemäss ZGB<br />
E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Hauptargumente <strong>der</strong> Lehre gegen die Zulassung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
mit wirtschaftlichem Zweck ist <strong>der</strong> – im Gegensatz zu den Gesellschaften<br />
des OR – fehlende o<strong>der</strong> nicht beson<strong>der</strong>s ausgestaltete Gläubigerschutz<br />
des Vere<strong>in</strong>srechts. 583 Dem Gläubigerschutz dienen zwar unter<br />
an<strong>der</strong>em die Vorschriften, welche sich aus <strong>der</strong> Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />
Unternehmens ergeben: <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> solches betreiben, müssen<br />
<strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden; sie s<strong>in</strong>d entsprechend buchführungspflichtig<br />
und unterliegen <strong>der</strong> Konkurs- und Wechselbetreibung.<br />
H<strong>in</strong>gegen besteht nach dem Wortlaut des geltenden Gesetzes ke<strong>in</strong>e<br />
Pflicht für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, e<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital zu haben, Reserven<br />
zu bilden o<strong>der</strong> Anzeigepflichten bei Überschuldung wahrzunehmen.<br />
Auch bestehen ke<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>vorschriften über die Bilanzierung; zudem<br />
müssen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong>e Kontrollstelle haben. 584<br />
Der Gläubigerschutz ist bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die dem bei <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />
vorhandenen Idealbild nicht entsprechen, de lege lata tatsächlich e<strong>in</strong><br />
Problem. Es ist jedoch darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass das Gesetz ausdrücklich<br />
zulässt, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben. Bei solchen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n können beträchtliche Gläubiger<strong>in</strong>teressen auf dem Spiel<br />
stehen, auch wenn oft davon ausgegangen wird, eigentliches „big bus<strong>in</strong>ess“<br />
und beson<strong>der</strong>s risikoträchtige Geschäfte würden nicht über <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
abgewickelt. 585<br />
Mit RIEMER kann festgehalten werden, dass die Gesetzgebung im<br />
Vere<strong>in</strong>srecht h<strong>in</strong>sichtlich des Gläubigerschutzes auf halbem Weg stehengeblieben<br />
ist. 586 De lege ferenda br<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> Vorentwurf zu e<strong>in</strong>em<br />
Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision Abhilfe. 587 Ange-<br />
583<br />
Vgl. etwa DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e,<br />
Diss. Zürich 1994, S. 23 ff.<br />
584<br />
Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 361, Bern 1990.<br />
585<br />
So etwa DERS., a.a.O. N 361. – Vgl. dazu S. 95 ff. – Als e<strong>in</strong> Beispiel für „big bus<strong>in</strong>ess“<br />
sei auf den jährlichen Umsatz des IOK h<strong>in</strong>gewiesen: Laut NZZ vom 1.10.1998 („Olympische<br />
Verzögerung“ im Stän<strong>der</strong>at) hätte die Befreiung des IOK von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer zu<br />
jährlichen M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen des Bundes von CHF 2 Mio. geführt.<br />
586<br />
HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 361, mit Verweis auf FORSTMOSER.<br />
587<br />
Vgl. EXPERTENKOMMISSION „RECHNUNGSLEGUNGSRECHT“, Revision des Rechnungslegungsrechtes,<br />
Vorentwürfe und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />
und Revision (RRG) und zu e<strong>in</strong>er Verordnung über die Zulassung von Ab-<br />
182
sichts <strong>der</strong> Tatsache, dass auch im Zusammenhang mit den von Gesetzes<br />
wegen ausdrücklich zulässigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit kaufmännischem Gewerbe<br />
e<strong>in</strong>e erhebliche Gefahr für die Gläubiger bestehen kann, ergibt sich jedoch<br />
die Notwendigkeit, bereits de lege lata s<strong>in</strong>nvolle Postulate betreffend<br />
Gläubigerschutz zu verwirklichen. Dabei stellt sich die Frage, an<br />
welchen Regeln sich <strong>der</strong> zu for<strong>der</strong>nde Gläubigerschutz beim Vere<strong>in</strong> orientieren<br />
soll. Vergleicht man die Regeln zum Gläubigerschutz bei den<br />
juristischen Personen des OR, so fällt auf, dass – abgesehen von gesellschaftsspezifischen<br />
Beson<strong>der</strong>heiten – für die meisten Fragen auf das<br />
Recht <strong>der</strong> Aktiengesellschaft verwiesen wird. Im Ergebnis besteht somit<br />
für die Gesellschaften des OR e<strong>in</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger e<strong>in</strong>heitlicher<br />
Gläubigerschutz, <strong>der</strong> durch typenspezifische Merkmale 588 modifiziert<br />
wird. Dies ist durchaus s<strong>in</strong>nvoll, da sich bei allen Gesellschaften im<br />
Grundsatz ähnliche Fragen des Gläubigerschutzes stellen. Abweichungen<br />
von den allgeme<strong>in</strong>en Pr<strong>in</strong>zipien rechtfertigen sich dann, wenn gewisse<br />
Massnahmen für e<strong>in</strong>e bestimmte Konstellation als nicht verhältnismässig<br />
ersche<strong>in</strong>en. Daher s<strong>in</strong>d Differenzierungen beim<br />
Gläubigerschutz s<strong>in</strong>nvoll, wenn sie sich nicht an <strong>der</strong> Gesellschaftsform<br />
orientieren, son<strong>der</strong>n an nicht-gesellschaftsformgebundenen Merkmalen<br />
wie Grösse des Unternehmens, Vorliegen e<strong>in</strong>es operativen Geschäfts<br />
o<strong>der</strong> an sonstigen Charakteristika. 589<br />
Genau dieser Gedanke liegt auch dem Vorentwurf zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz<br />
über die Rechnungslegung und Revision zugrunde. 590 Der<br />
VERRG geht davon aus, dass das RRG primär für E<strong>in</strong>zelfirmen, Personengesellschaften<br />
und juristische Personen gelten soll, die im Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht unterstehen.<br />
Ausserdem soll es aber auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> und Stiftungen ohne E<strong>in</strong>tra-<br />
schlussprüfern (VZA) vom 28. Juni 1998 zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes.<br />
– Vgl. dazu unten S. 183.<br />
588 Z.B. persönliche Haftung, Ausgestaltung <strong>der</strong>selben etc.<br />
589 Dieser Gedanke wird immer wie<strong>der</strong> im Zusammenhang mit KMU geäussert, wenn e<strong>in</strong>e<br />
Art Son<strong>der</strong>recht für KMU gefor<strong>der</strong>t wird. Vgl. dazu bereits FN 296. Der EFusG enthält<br />
als Beispiel für e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Gesetz e<strong>in</strong>e Vielzahl von Son<strong>der</strong>bestimmungen für<br />
KMU. Art. 2 lit. e EFusG enthält gar e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition von KMU für den Geltungsbereich<br />
des FusG. – Vgl. zur Differenzierung nach Grösse bereits de lege lata<br />
Art. 663e Abs. 2 OR (Konzernrechnung) und Art. 727b Abs. 1 Ziff. 3 OR (beson<strong>der</strong>s befähigte<br />
Revisoren).<br />
590 Vgl. Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />
und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998. Die rechtsformübergreifende Konzeption des<br />
Entwurfes wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vernehmlassung positiv gewertet, vgl. dazu FORSTMOSER /<br />
UNTERSANDER, Entwicklungen im Gesellschaftsrecht – Handelsgesellschaften und Genossenschaften<br />
– und im Wertpapierrecht, SJZ 95 (1999), S. 477.<br />
183
gung und E<strong>in</strong>tragungspflicht gelten, „sofern ihre Grösse o<strong>der</strong> die Art<br />
ihrer Tätigkeit die Buchführung und Rechnungslegung erfor<strong>der</strong>lich machen“.<br />
591 Die Vorschriften des geplanten RRG sollen also unabhängig<br />
von <strong>der</strong> Rechtsform gelten, jedoch abhängig von <strong>der</strong> konkreten Ausgestaltung<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Gesellschaften und Organisationsformen.<br />
E<strong>in</strong> immer wie<strong>der</strong>kehrendes Kriterium ist dabei die Grösse <strong>der</strong> Organisationen.<br />
592 Die Lösungen, welche <strong>der</strong> VERRG für alle betroffenen Organisationen<br />
vorschlägt, orientieren sich stark an den heutigen Regeln<br />
des Aktienrechts, weil nur dieses de lege lata detaillierte Vorschriften<br />
enthält. 593<br />
E<strong>in</strong>e Weiterentwicklung des Gläubigerschutzes bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n über den<br />
e<strong>in</strong>schlägigen Gesetzestext h<strong>in</strong>aus kann de lege lata an <strong>der</strong> Bestimmung<br />
von Art. 55 ZGB anknüpfen sowie allgeme<strong>in</strong> am Verhältnis zwischen<br />
dem Vere<strong>in</strong> und den Organpersonen. 594 Aus Art. 69 ZGB ergibt sich,<br />
dass <strong>der</strong> Vorstand den konkreten Statuten entsprechend „die Angelegenheiten<br />
des Vere<strong>in</strong>s zu besorgen“ hat. Subsidiär ist die Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />
zuständig; ihr obliegt ausserdem die Aufsicht über die Tätigkeit<br />
<strong>der</strong> übrigen Organe (Art. 65 ZGB). Die e<strong>in</strong>zelnen Pflichten <strong>der</strong><br />
Organe und Organpersonen von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />
müssen – mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung – unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> speziellen Merkmale des Vere<strong>in</strong>s und <strong>in</strong> analoger Anwendung<br />
geschriebener Gläubigerschutzbestimmungen bei an<strong>der</strong>en Gesellschaften<br />
erarbeitet werden.<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Organe und Organträger<br />
595 ist es ausserordentlich empfehlenswert, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters <strong>in</strong> ihren Statuten bestimmte Gläubigerschutzbestimmungen<br />
aufstellen. Zu denken ist etwa an das Verhalten <strong>der</strong> Organe bei<br />
f<strong>in</strong>anziellen Schwierigkeiten des Vere<strong>in</strong>s, an Buchführungspflichten und<br />
an Verhaltenspflichten, welche das Entstehen f<strong>in</strong>anzieller Schwierigkeiten<br />
unwahrsche<strong>in</strong>licher machen. Es ist nicht auszuschliessen, dass e<strong>in</strong>e<br />
591<br />
Art. 2 VERRG. Vgl. zur Konkretisierung dieser Bestimmung S. 125.<br />
592<br />
Vgl. etwa Art. 4 Abs. 2 VERRG, Art. 18 Abs. 2 VERRG, Art. 20 Abs. 3 VERRG, Art.<br />
21 Abs. 3 VERRG, Art. 42 Abs. 3 VERRG und Art. 43 VERRG. Der Entwurf unterscheidet<br />
<strong>in</strong> Anlehnung an die entsprechenden EG-Richtl<strong>in</strong>ien zwischen kle<strong>in</strong>en, mittleren<br />
und grossen Organisationen. Aufgrund <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schränkungen <strong>in</strong> den genannten Bestimmungen<br />
ist das Grössenmerkmal jedoch nicht relevant für Kapitalgesellschaften. Zur Def<strong>in</strong>ition<br />
grosser Organisationen i.S.d. VERRG vgl. Art. 35 VERRG.<br />
593<br />
Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 69.<br />
594<br />
Vgl. dazu unten S. 197.<br />
595<br />
Zum Kreis <strong>der</strong> Verantwortlichen vgl. unten S. 197.<br />
184
unzweckmässige Organisation zur Haftung <strong>der</strong> für die Organisation zuständigen<br />
Organe o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> führt. 596<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />
a) Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital<br />
Von Gesetzes wegen s<strong>in</strong>d herkömmliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht verpflichtet,<br />
e<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital zu haben. E<strong>in</strong> solches e<strong>in</strong>zuführen, ist<br />
jedoch nicht unzulässig. 597<br />
Von den Gesellschaften des OR verfügen die Aktiengesellschaft, die<br />
Kommanditaktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung über e<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital. Freiwillig vorgesehen werden<br />
kann e<strong>in</strong> Grundkapital bei <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />
Das Aktienkapital <strong>der</strong> Aktiengesellschaft hat wie dasjenige <strong>der</strong> Kommanditaktiengesellschaft<br />
und <strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
die Funktion e<strong>in</strong>er Sperrquote und e<strong>in</strong>es Sollbetrages 598 : E<strong>in</strong> Betrag <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Höhe des Aktienkapitals soll als Re<strong>in</strong>vermögen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft<br />
immer erhalten bleiben. Die Gesellschaft darf das Vermögen im<br />
entsprechenden Umfang nicht freiwillig verm<strong>in</strong><strong>der</strong>n. So ergibt sich e<strong>in</strong>e<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger sichere Haftungsbasis für die Gläubiger; die Kreditfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft wird verstärkt. Allerd<strong>in</strong>gs kann nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />
werden, dass das Re<strong>in</strong>vermögen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft gegen den<br />
Willen <strong>der</strong> Beteiligten unter die Sperrquote s<strong>in</strong>kt. Praktisch hat demnach<br />
das Aktienkapital die Wirkung, dass bei E<strong>in</strong>tritt e<strong>in</strong>es Vermögenszerfalls<br />
vergleichsweise frühzeitig e<strong>in</strong> Mechanismus <strong>in</strong> Gang gesetzt wird, <strong>der</strong><br />
vom Gesetz genau bestimmt ist. Dieser kann zwar nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />
dass im Extremfall e<strong>in</strong> Konkurs eröffnet werden muss, er sollte jedoch<br />
sicher stellen, dass bei <strong>der</strong> Konkurseröffnung noch gewisse Mittel vorhanden<br />
s<strong>in</strong>d. 599 Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n ist dies nicht <strong>der</strong> Fall, wenn sie nicht freiwillig<br />
e<strong>in</strong> unantastbares Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital e<strong>in</strong>führen. Bei Ver-<br />
596 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne (betreffend die Festsetzung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge) bereits<br />
S. 158 f.<br />
597 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 43, Bern 1990, mit Beispielen<br />
aus <strong>der</strong> Rechtsprechung.<br />
598 Für alle drei Gesellschaften gelten aufgrund <strong>der</strong> Verweise im Gesetz im wesentlichen<br />
die Vorschriften des Aktienrechts.<br />
599 Vgl. dazu etwa MEIER-HAYOZ /FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />
8. Auflage Bern 1998, § 16 N 46 ff.<br />
185
e<strong>in</strong>en muss gemäss Art. 77 ZGB <strong>der</strong> Konkurs erst dann eröffnet werden,<br />
wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> zweifelsfrei und dauernd zahlungsunfähig ist. 600<br />
Auch für die Genossenschaft ist im Gegensatz zur Aktiengesellschaft<br />
nicht obligatorisch vorgesehen, dass sie e<strong>in</strong> Grundkapital haben muss.<br />
Bei Genossenschaften wird davon ausgegangen, dass die Qualifikation<br />
ihrer Mitglie<strong>der</strong>, welche aktiv mitwirken sollen und allenfalls auch persönlich<br />
haften, e<strong>in</strong> genügen<strong>der</strong> Ausweis für die Kreditwürdigkeit <strong>der</strong><br />
Genossenschaft sei. Im Genossenschaftsrecht f<strong>in</strong>den sich ke<strong>in</strong>e Vorschriften<br />
über die M<strong>in</strong>desthöhe des Grundkapitals, über den M<strong>in</strong>destnennwert<br />
<strong>der</strong> Anteile und über e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imale Liberierungsquote. Das<br />
Gesetz verbietet vielmehr aufgrund des Pr<strong>in</strong>zips <strong>der</strong> offenen Türe 601 , e<strong>in</strong><br />
Grundkapital <strong>in</strong> fester Höhe vorzusehen: Sofern e<strong>in</strong> solches besteht, hat<br />
jedes Mitglied e<strong>in</strong>en Anteilsche<strong>in</strong> zu übernehmen. Würde das Grundkapital<br />
fixiert, würde damit <strong>in</strong>direkt auch die Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bestimmt.<br />
Von Gesetzes wegen wird also bei <strong>der</strong> Genossenschaft das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />
offenen Türe höher bewertet als e<strong>in</strong> wirksamer Gläubigerschutz. 602<br />
Auch <strong>der</strong> VERRG sieht für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong> festes Grundkapital vor. Die<br />
Pflicht zur E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es solchen kann nicht ohne gesetzliche<br />
Grundlage gefor<strong>der</strong>t werden. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d die Nachteile für die Gläubiger,<br />
die sich aus dem Fehlen e<strong>in</strong>es festen Grundkapitals ergeben, nicht<br />
zu überschätzen. MENGIARDI hat bereits im Jahr 1968 festgehalten:<br />
Ke<strong>in</strong> gesetzlicher Typus kann den Gläubiger<strong>in</strong>nen und Gläubigern Gewähr<br />
für die Kreditwürdigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft bieten. Wer sich mit e<strong>in</strong>er<br />
Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Geschäftsbeziehungen e<strong>in</strong>lässt, muss sich<br />
600<br />
Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt<br />
se<strong>in</strong>e fälligen Geldverb<strong>in</strong>dlichkeiten nicht mehr erfüllen kann, weil er nicht über genügend<br />
liquide Mittel verfügt und diese auch nicht kurzfristig bereitgestellt werden können.<br />
Zahlungsunfähigkeit i.S.v. Art. 77 ZGB ist zu unterscheiden von <strong>der</strong> Zahlungse<strong>in</strong>stellung<br />
und <strong>der</strong> Überschuldung. Die Zahlungse<strong>in</strong>stellung stellt für im Handelsregister e<strong>in</strong>getragene<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Konkursgrund gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG dar<br />
(Konkurseröffnung auf Antrag e<strong>in</strong>es Gläubigers ohne vorgängige Betreibung). Ausserdem<br />
kann je<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> die Konkurseröffnung selbst beantragen, <strong>in</strong>dem er sich gemäss Art. 191<br />
SchKG für zahlungsunfähig erklärt. H<strong>in</strong>gegen führt die blosse Überschuldung e<strong>in</strong>es <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>s<br />
als solche de lege lata nicht zur Auflösung des Vere<strong>in</strong>s von Gesetzes wegen, da sie<br />
nicht notwendigerweise Zahlungsunfähigkeit bedeutet. – Vgl. zur Frage <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit<br />
URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 77 ZGB N 3 ff., Basel 1996; HANS<br />
MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79 ZGB N 17 ff., Bern 1990, je mit weiteren<br />
Nachweisen. Vgl. ausserdem die Ausführungen betreffend den Konkurs von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
S. 210 ff.<br />
601<br />
Vgl. dazu S. 170.<br />
602<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />
1998, § 19 N 27 ff.<br />
186
ewusst se<strong>in</strong>, dass unter Umständen ke<strong>in</strong> Haftungssubstrat vorhanden<br />
ist. 603 Auch bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft bestehen diesbezüglich Risiken,<br />
vor allem wenn das Aktienkapital vergleichsweise niedrig ist. Vorsichtige<br />
Gläubiger werden sich daher im E<strong>in</strong>zelfall zusätzliche Sicherheiten geben<br />
lassen, wenn sie ihre Position verbessern wollen. Dadurch können<br />
die Nachteile, die sich aus dem Fehlen e<strong>in</strong>es festen Grundkapitals ergeben,<br />
wirksam beseitigt werden. Die Stellung <strong>der</strong> Gläubiger ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />
sogar besser, als wenn sie sich ausschliesslich auf e<strong>in</strong> Grundkapital<br />
verlassen. Schliesslich sei auf die Ausführungen im Zusammenhang mit<br />
<strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge verwiesen, wo e<strong>in</strong>e Lösung aufgezeigt<br />
wird, die das fehlende Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital zu kompensieren vermag.<br />
604<br />
Die Bestimmungen über das Grundkapital werden durch diejenigen<br />
über Sache<strong>in</strong>lage- und Sachübernahmegründungen flankiert. Das Gesetz<br />
enthält für die Aktiengesellschaft beson<strong>der</strong>e Schutzmassnahmen, welche<br />
gewährleisten sollen, dass die Bewertungen von Sachwerten vertretbar<br />
s<strong>in</strong>d. 605 Auch für die Genossenschaft bestehen diesbezüglich beson<strong>der</strong>e<br />
Vorschriften, die allerd<strong>in</strong>gs – namentlich seit <strong>der</strong> Revision des Aktienrechts<br />
– wesentlich e<strong>in</strong>facher zu erfüllen s<strong>in</strong>d als bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft.<br />
606 Es stellt sich die Frage, ob diese Regeln auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten<br />
sollten, die freiwillig e<strong>in</strong> festes Grundkapital e<strong>in</strong>führen. Auch<br />
betreffend Kapitalverän<strong>der</strong>ungen gibt es beson<strong>der</strong>e Vorschriften im Aktienrecht.<br />
E<strong>in</strong>e Herabsetzung <strong>der</strong> Aktienkapitalziffer ist nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
formellen Verfahren möglich, mit dem sichergestellt werden soll, dass<br />
die Gläubiger nicht zu Schaden kommen 607 .<br />
603<br />
PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />
S. 202 f.<br />
604<br />
Vgl. S. 158 ff.<br />
605<br />
Vgl. etwa MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage<br />
Bern 1998, § 16 N 427 ff.<br />
606<br />
DIES., a.a.O. § 19 N 27 ff.<br />
607<br />
Vgl. Art. 732 ff. OR. Hauptmerkmale des Verfahrens <strong>der</strong> konstitutiven Kapitalherabsetzung<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Revisionsbericht, <strong>in</strong> dem festgestellt wird, dass die For<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Gläubiger voll gedeckt bleiben, und e<strong>in</strong>e dreimalige Publikation im SHAB, verbunden<br />
mit <strong>der</strong> Information <strong>der</strong> Gläubiger, dass sie ihre For<strong>der</strong>ungen anmelden und<br />
Befriedigung o<strong>der</strong> Sicherstellung verlangen können. Vgl. etwa FORSTMOSER / MEIER-<br />
HAYOZ / NOBEL, <strong>Schweiz</strong>erisches Aktienrecht, Bern 1996, § 53 N 33 ff., <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e N<br />
83 ff. und N 136 ff. Bei <strong>der</strong> deklarativen Kapitalherabsetzung zur Beseitigung e<strong>in</strong>er Unterbilanz<br />
entfallen die genannten Gläubigerschutzbestimmungen, weil den Gläubigern<br />
ke<strong>in</strong> Haftungssubstrat entzogen wird (vgl. Art. 735 OR). E<strong>in</strong>e Schlechterstellung <strong>der</strong><br />
Gläubiger tritt aber immerh<strong>in</strong> <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>, als künftige Gew<strong>in</strong>ne als Dividende verteilt<br />
werden können, ohne dass zuerst die Kapitalverluste früherer Jahre ausgeglichen werden<br />
187
Auch <strong>in</strong> diesen Punkten können für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong>e entsprechenden<br />
Regeln ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage e<strong>in</strong>geführt werden.<br />
Wenn sich jedoch e<strong>in</strong> Gläubiger e<strong>in</strong>gehend über die Kreditwürdigkeit<br />
des Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong>formiert, so kann es hilfreich se<strong>in</strong>, wenn auch e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />
qualifizierte Prüfungsberichte vorlegen kann, die nach den Regeln des<br />
Aktienrechts erstellt worden s<strong>in</strong>d und über den Wert von Sache<strong>in</strong>lagen<br />
Auskunft geben. Legt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Bestätigung vor (was<br />
angesichts <strong>der</strong> Kosten solcher Berichte <strong>der</strong> Regelfall se<strong>in</strong> wird), und<br />
kann sich <strong>der</strong> Gläubiger nicht sonstwie über die Werthaltigkeit <strong>der</strong><br />
Sache<strong>in</strong>lagen <strong>in</strong>formieren, so wird er wie<strong>der</strong>um an<strong>der</strong>weitige Sicherheiten<br />
verlangen. Dadurch kann das Fehlen von Vorschriften betreffend<br />
Kapitalverän<strong>der</strong>ungen kompensiert werden.<br />
b) Reservebildung<br />
Gemäss geltendem Recht haben Aktiengesellschaften und Gesellschaften<br />
mit beschränkter Haftung obligatorische Reserven zum Schutz<br />
des Eigenkapitals <strong>der</strong> Gesellschaft zu bilden. Diese haben im Interesse<br />
<strong>der</strong> Fortführung <strong>der</strong> Unternehmung die Funktion e<strong>in</strong>er Ausschüttungssperre.<br />
608 Auch bei <strong>der</strong> Genossenschaft soll das Grundkapital als Haf-<br />
müssen. Diese Schlechterstellung wurde bewusst <strong>in</strong> Kauf genommen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Annahme, es<br />
liege auch im Interesse <strong>der</strong> Gläubiger, wenn e<strong>in</strong>e Gesellschaft wie<strong>der</strong> Dividenden ausschütten<br />
und e<strong>in</strong>en Verlustvortrag beseitigen kann, weil dadurch ihre Kreditwürdigkeit<br />
steigt. – Vgl. dazu FORSTMOSER / MEIER-HAYOZ / NOBEL, a.a.O., § 53 N 258 ff., <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
N 266. – Der Mechanismus zur Sicherung des Grundkapitals ist für die Genossenschaft<br />
ähnlich ausgestaltet wie für die Aktiengesellschaft. E<strong>in</strong>e freiwillige Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
ist – abgesehen von <strong>der</strong> Reduktion durch Austritte – nur unter E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> für<br />
die Reduktion des Aktienkapitals geltenden Vorschriften zulässig.<br />
608 Vgl. für die Aktiengesellschaft Art. 671 OR, für die Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung Art. 805 OR. In den Statuten e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft können überdies höhere<br />
Reserven vorgesehen werden (Art. 672 ff. OR) und die Generalversammlung kann die<br />
Bildung von Reserven beschliessen, die we<strong>der</strong> im Gesetz noch <strong>in</strong> den Statuten vorgesehen<br />
s<strong>in</strong>d, sofern dies mit Rücksicht auf das dauernde Gedeihen des Unternehmens o<strong>der</strong> auf<br />
die Ausrichtung e<strong>in</strong>er möglichst gleichmässigen Dividende und unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Interessen aller Mitglie<strong>der</strong> gerechtfertigt ersche<strong>in</strong>t (Art. 674 Abs. 2 OR). – Von den<br />
obligatorischen Reserven s<strong>in</strong>d die sogenannten stillen Reserven zu unterscheiden. Diese<br />
werden vom Verwaltungsrat beschlossen und kommen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bilanz nicht als Reserven<br />
zum Ausdruck. Sie entstehen dadurch, dass die Vermögenslage <strong>der</strong> Gesellschaft schlechter<br />
ausgewiesen wird, als sie tatsächlich ist, vgl. MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches<br />
Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 16 N 132. Die Möglichkeit zur Bildung<br />
von stillen Reserven soll gemäss VERRG de lege ferenda <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>geschränkt werden,<br />
als die Bildung von sogenannten willkürlichen Reserven untersagt wird (Art. 24<br />
Abs. 3 VERRG). Willkürreserven entstehen aus <strong>der</strong> bewussten „stillen“ Unterbewertung<br />
von Aktiven o<strong>der</strong> Überbewertung von Passiven. Solche Reserven verfälschen den Er-<br />
188
tungsbasis durch Reserven ergänzt werden. Gemäss Gesetz gilt sogar <strong>der</strong><br />
Grundsatz, dass e<strong>in</strong> allfälliger Re<strong>in</strong>ertrag ohne gegenteilige statutarische<br />
Bestimmungen vollumfänglich im Genossenschaftsvermögen verbleiben<br />
soll. 609<br />
Die Expertenkommission „Rechnungslegungsrecht“ hat dieses Gedankengut<br />
mit e<strong>in</strong>igen Präzisierungen und Vere<strong>in</strong>fachungen <strong>in</strong> den<br />
VERRG übernommen. 610 Sie hat ausserdem erwogen, ob auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
e<strong>in</strong>e Ausschüttungssperre e<strong>in</strong>geführt werden soll. Gemäss Bericht<br />
zum Vorentwurf wurde jedoch „mit Rücksicht auf die beson<strong>der</strong>en<br />
Strukturen dieser Organisationen“ darauf verzichtet. 611<br />
Gemäss VERRG soll bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft und bei <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
mit beschränkter Haftung neu zwischen Kapitalreserven 612 und<br />
gesetzlichen Reserven 613 unterschieden werden. Kapitalreserven sollen<br />
folgsnachweis und entsprechen daher nicht dem vom VERRG neu vorgesehenen Grundsatz<br />
<strong>der</strong> fair presentation (getreue Darstellung). Vgl. dazu Vorentwurf und Begleitbericht<br />
zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom<br />
28. Juni 1998, S. 64 f., S. 120. – Auf die Bildung von stillen Reserven wird an dieser Stelle<br />
nicht e<strong>in</strong>gegangen, da es sich hierbei um e<strong>in</strong>e Frage <strong>der</strong> Bilanzierung und Rechnungslegung<br />
handelt. Vgl. dazu S. 193.<br />
609 Wenn <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>ertrag <strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Weise als zur Äufnung des Genossenschaftsvermögens<br />
verwendet wird, muss gemäss Art. 860 OR während m<strong>in</strong>destens zwanzig Jahren e<strong>in</strong><br />
Zwanzigstel des Re<strong>in</strong>gew<strong>in</strong>ns e<strong>in</strong>em Reservefonds zugewiesen werden (an<strong>der</strong>e Vorschriften<br />
gelten gemäss Art. 861 OR für Kreditgenossenschaften). Vgl. dazu etwa MEIER-<br />
HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998,<br />
§ 19 N 27 ff. und S. 149.<br />
610 Das neue RRG soll allerd<strong>in</strong>gs nur die buchhalterische Behandlung von Reserven regeln.<br />
Gemäss VERRG müssen die Reserven bei <strong>der</strong> Darstellung des Eigenkapitals <strong>in</strong> Aufwertungsreserven,<br />
Gew<strong>in</strong>nreserven, weitere obligatorische Reserven und Kapitalreserven<br />
geglie<strong>der</strong>t werden (Art. 16 VERRG), vgl. Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em<br />
Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 109.<br />
Die „materiellen“ Regeln betreffend Reservebildung wurden nicht <strong>in</strong> den VERRG aufgenommen.<br />
Der VERRG sieht lediglich vor, dass die entsprechenden Bestimmungen zu den<br />
e<strong>in</strong>zelnen Gesellschaften im OR angepasst werden: Än<strong>der</strong>ungsvorschläge werden für die<br />
Art. 671 ff. OR (AG) und Art. 805 OR (GmbH) gemacht. Unverän<strong>der</strong>t bleiben soll<br />
Art. 860 OR (Genossenschaft). Vgl. dazu Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz<br />
über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 67,<br />
S. 158 ff.<br />
611 A.a.O., S. 67. Geme<strong>in</strong>t ist, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong> festes Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital haben<br />
müssen und es daher kaum S<strong>in</strong>n macht, e<strong>in</strong>e Ausschüttungssperre e<strong>in</strong>zuführen.<br />
612 Kapitalreserven s<strong>in</strong>d von den Eigenkapitalgebern e<strong>in</strong>bezahlte Reserven (Agio, Kaduzierungsgew<strong>in</strong>ne),<br />
vgl. a.a.O., S. 158.<br />
613 Der Begriff „gesetzliche Reserven“ wird im VERRG nicht mehr als Oberbegriff für<br />
alle obligatorischen Reserven verstanden. Gesetzliche Reserven s<strong>in</strong>d neu diejenigen, welche<br />
aus <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltungspflicht e<strong>in</strong>es Teils des Gew<strong>in</strong>ns entstehen: a.a.O., S. 109, S. 159.<br />
189
nur zur Beseitigung e<strong>in</strong>es Kapitalverlusts o<strong>der</strong> zur Umwandlung <strong>in</strong> Aktienkapital<br />
verwendet werden dürfen, gesetzliche Reserven nur zur Dekkung<br />
e<strong>in</strong>es Verlustes. 614 Für die Expertenkommission „Rechnungslegungsrecht“<br />
war offenbar nicht von vornhere<strong>in</strong> klar, ob für die<br />
Aktiengesellschaften die E<strong>in</strong>behaltungspflicht für e<strong>in</strong>en Teil des<br />
Gew<strong>in</strong>nes zur Bildung von gesetzlichen Reserven beibehalten werden<br />
solle. Im geltenden Aktienrecht wird davon ausgegangen, dass diese<br />
zusätzliche Ausschüttungssperre die Position <strong>der</strong> Fremdkapitalgeber<br />
verbessere. Nach Ansicht <strong>der</strong> Expertenkommission ist die praktische<br />
Bedeutung <strong>der</strong> gesetzlichen Reserven aber nicht sehr gross. 615<br />
Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters stellt sich die Frage, ob die<br />
Annahme o<strong>der</strong> statutarische E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Pflicht zur Bildung von<br />
Reserven s<strong>in</strong>nvoll ist. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die ke<strong>in</strong> festes Grundkapital haben,<br />
ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Regelung betreffend die Bildung von Reserven aus dem<br />
Gew<strong>in</strong>n nicht notwendig, obschon das Genossenschaftsrecht die Pflicht<br />
zur Reservebildung auch bei Genossenschaften ohne Grundkapital vorsieht.<br />
616 Wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> h<strong>in</strong>gegen freiwillig e<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital<br />
e<strong>in</strong>führt, so ist es trotz <strong>der</strong> Zweifel h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> praktischen Bedeutung<br />
s<strong>in</strong>nvoll, wenn auch Vorschriften über die Reservebildung <strong>in</strong><br />
die Statuten aufgenommen werden: So kann die Kreditwürdigkeit erhöht<br />
werden, weil das Grundkapital zusätzlich abgesichert wird, und es wird<br />
unwahrsche<strong>in</strong>licher, dass e<strong>in</strong> Vorwurf betreffend mangelhafte Organisation<br />
erhoben werden kann. Ob sich statutarische Regeln betreffend die<br />
Reservebildung des Vere<strong>in</strong>s an denjenigen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft bzw.<br />
Gesellschaft mit beschränkter Haftung o<strong>der</strong> an denjenigen <strong>der</strong> Genos-<br />
614 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 158 f.<br />
615 A.a.O., S. 159. – Die angloamerikanischen Regelungen kennen ke<strong>in</strong>e gesetzlichen Reserven<br />
und die e<strong>in</strong>schlägigen EU-Richtl<strong>in</strong>ien verlangen ebenfalls ke<strong>in</strong>e. H<strong>in</strong>gegen kennt<br />
zum Beispiel Deutschland e<strong>in</strong>e ähnliche Regelung wie die <strong>Schweiz</strong>.<br />
616 Die gesetzliche Konzeption, dass bei <strong>der</strong> Genossenschaft allfällige Gew<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Gesellschaft verbleiben sollen (sei es als Verbot <strong>der</strong> Verteilung des Re<strong>in</strong>gew<strong>in</strong>ns, sei es als<br />
Pflicht zur Bildung von Reserven), beruht auf dem Grundgedanken, dass Genossenschaften<br />
die Verfolgung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><strong>in</strong>teressen <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Selbsthilfe bezwecken.<br />
An<strong>der</strong>s als die Kapitalgesellschaften sollten Genossenschaften eigentlich ke<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n<br />
erzielen. Würde dem Grundsatz <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Selbsthilfe konsequent nachgelebt,<br />
könnte aus <strong>der</strong> Gesellschaftstätigkeit gar ke<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n resultieren. Wenn dennoch – etwa<br />
im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er vorsichtigen Geschäftspolitik – gewisse Rückbehalte gemacht werden, aus<br />
welchen e<strong>in</strong> Re<strong>in</strong>ertrag entsteht, so soll dieser nicht primär verteilt werden, son<strong>der</strong>n im<br />
Gesellschaftsvermögen verbleiben. Vgl. dazu etwa MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER,<br />
<strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 19 N 52 f. – Beim Vere<strong>in</strong><br />
steht demgegenüber die geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe nicht im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
190
senschaft orientieren sollen, spielt letztlich ke<strong>in</strong>e grosse Rolle. Bis zu<br />
welcher Höhe Reserven gebildet werden müssen, kann <strong>in</strong> den Statuten<br />
e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s frei bestimmt werden.<br />
c) Anzeigepflicht bei Überschuldung<br />
Die Folgen von Kapitalverlust und Überschuldung s<strong>in</strong>d de lege lata<br />
nur für die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
und die Genossenschaft ausführlich geregelt. 617 De lege lata wird<br />
daher etwa von RIEMER die Pflicht zur Benachrichtigung des Gerichts<br />
bei Überschuldung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s verne<strong>in</strong>t. Gemäss <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung<br />
RIEMERS darf e<strong>in</strong>e entsprechende Pflicht auch nicht auf dem Weg <strong>der</strong><br />
Analogie e<strong>in</strong>geführt werden. 618 Es wird aber auch die gegenteilige Me<strong>in</strong>ung<br />
vertreten. So hält etwa EGGER fest, dass für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bei Überschuldung<br />
die Pflicht besteht, den Konkurs anzumelden. 619 RIEMER geht<br />
immerh<strong>in</strong> davon aus, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>svorstand bei erheblicher Überschuldung<br />
ohne ernsthafte Aussicht auf Besserung <strong>in</strong>nert nützlicher<br />
Frist aufgrund se<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Aufgaben verpflichtet ist, die Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />
e<strong>in</strong>zuberufen und sie von <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Lage des Vere<strong>in</strong>s<br />
<strong>in</strong> Kenntnis zu setzen. Nach Ansicht RIEMERS kann die E<strong>in</strong>gehung<br />
neuer f<strong>in</strong>anzieller Verpflichtungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />
Verantwortlichkeit des Vorstandes begründen. 620<br />
Das Problem <strong>der</strong> Überschuldung besteht für alle buchführungs- und<br />
rechnungspflichtigen Organisationen. Aus diesem Grund enthält <strong>der</strong><br />
VERRG entsprechende Vorschriften, die grundsätzlich unabhängig von<br />
<strong>der</strong> Gesellschaftsform gelten. E<strong>in</strong>heitlich geregelt wird auch die Proble-<br />
617 Art. 77 ZGB nennt erst die Zahlungsunfähigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s als Auflösungsgrund.<br />
Vgl. zum Begriff <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit die Ausführungen <strong>in</strong> FN 600. Gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
mit e<strong>in</strong>em unqualifizierten Management besteht daher e<strong>in</strong>e gewisse Gefahr, dass<br />
wirtschaftliche Probleme zu spät erkannt werden und <strong>der</strong> Zeitpunkt verpasst wird, <strong>in</strong> welchem<br />
noch geeignete Schritte für e<strong>in</strong>e Sanierung e<strong>in</strong>geleitet werden können, vgl.<br />
DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich<br />
1994, S. 25.<br />
618 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79 ZGB N 20, Bern 1990, mit H<strong>in</strong>weis<br />
auf BGE 100 III 19 (vgl. dazu S. 53. Gleicher Ansicht DOROTHE SCHERRER-<br />
BIRCHER, a.a.O., S. 155.<br />
619 A. EGGER, Kommentar zu Art. 77 ZGB N 1, Zürich 1930, mit H<strong>in</strong>weis auf<br />
BGE 30 II 319. Vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 18.02.1980 (Multihôtels-Club),<br />
SemJud 1981, S. 47 f.<br />
620 HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 20.<br />
191
matik <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit. 621 Bereits de lege lata muss für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters gelten, dass sie sich <strong>in</strong> kritischen Situationen<br />
ähnlich verhalten müssen, wie dies für die Kapitalgesellschaften des OR<br />
und die Genossenschaft vorgeschrieben ist. Vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung neuer<br />
Regeln durch das RRG haben sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zweckmässigerweise an den<br />
Regeln des Aktienrechts zu orientieren. Diese bilden auch die Grundlage<br />
für die e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen im VERRG. 622 Kommt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>svorstand<br />
den entsprechenden Pflichten nicht nach, so wird er verantwortlich.<br />
Zu diesen Pflichten gehört unter Umständen auch, dass er<br />
sich um die Erhöhung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge kümmert. 623<br />
Die Bestimmung des VERRG betreffend Kapitalverlust (Art. 62<br />
VERRG) gilt nicht für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Auch dies ist e<strong>in</strong>e Konsequenz davon,<br />
dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss VERRG ke<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital haben<br />
müssen. Die Folgen von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit s<strong>in</strong>d<br />
jedoch rechtsformunabhängig geregelt (Art. 63 ff. VERRG): Wenn die<br />
Aktiven das Fremdkapital nicht mehr decken, müssen Sanierungsmassnahmen<br />
durchgeführt werden, damit die Gläubiger nicht zu Schaden<br />
kommen. Gemäss Art. 63 VERRG, <strong>der</strong> sich an Art. 725 Abs. 2 OR orientiert,<br />
muss das oberste Geschäftsführungsorgan bei begründeter Besorgnis<br />
zur Überschuldung o<strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit unverzüglich zwei<br />
Zwischenbilanzen erstellen: E<strong>in</strong>e zu Fortführungs- und e<strong>in</strong>e zu Liquidationswerten.<br />
Diese müssen vom Abschlussprüfer geprüft werden. 624<br />
Wenn e<strong>in</strong>e Organisation ke<strong>in</strong>en Abschlussprüfer hat, so muss das oberste<br />
Geschäftsführungsorgan e<strong>in</strong>e fachkundige Person ernennen. Gleichzeitig<br />
muss e<strong>in</strong>e Gesellschafterversammlung e<strong>in</strong>berufen werden, <strong>der</strong> Sanierungsmassnahmen<br />
beantragt werden. Art. 63 VERRG kommt<br />
ausdrücklich auch bei Zahlungsunfähigkeit zur Anwendung. Es ist also<br />
nicht erfor<strong>der</strong>lich, dass zuerst aufgrund des Begehrens e<strong>in</strong>es Gläubigers<br />
621 Art. 62 ff. VERRG; Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die<br />
Rechnungslegung und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 82.<br />
622 Bei Kapitalverlust und Überschuldung gelten bei <strong>der</strong> Genossenschaft dieselben Informationspflichten<br />
wie bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft. Vgl. MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER,<br />
<strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 19 N 27 ff.<br />
623 Vgl. bereits S. 158.<br />
624 Generell hat die Rechnungslegung gemäss VERRG auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Fortführung<br />
zu erfolgen: Die Fortführung muss für m<strong>in</strong>destens zwölf Monate sichergestellt se<strong>in</strong>.<br />
In dieser Zeit muss die Liquidität gewährleistet se<strong>in</strong> und voraussichtlich ke<strong>in</strong>e Überschuldung<br />
e<strong>in</strong>treten. Ausserdem darf die weitere Fortführung nach e<strong>in</strong>em Jahr nicht bereits im<br />
Zeitpunkt <strong>der</strong> Rechnungslegung als praktisch unmöglich ersche<strong>in</strong>en (Art. 9 VERRG;<br />
Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 102 f.).<br />
192
e<strong>in</strong> Betreibungsverfahren e<strong>in</strong>geleitet wird, <strong>in</strong> welchem unter Umständen<br />
wertvolle Zeit verloren geht. 625 Wenn sich aufgrund <strong>der</strong> Zwischenbilanzen<br />
ergibt, dass die Organisation überschuldet o<strong>der</strong> zahlungsunfähig ist,<br />
so muss das oberste Geschäftsführungsorgan das Gericht benachrichtigen.<br />
Dies kann vermieden werden, <strong>in</strong>dem die Gläubiger im Ausmass <strong>der</strong><br />
Unterdeckung zu Fortführungswerten Rangrücktrittserklärungen abgeben<br />
und ihre For<strong>der</strong>ungen stunden, o<strong>der</strong> wenn konkrete Aussicht auf<br />
e<strong>in</strong>e Sanierung <strong>in</strong>nerhalb von sechzig Tagen besteht. Bei Bestehen von<br />
Nachschusspflichten, s<strong>in</strong>d diese zuerst geltend zu machen. 626 Kommt<br />
das oberste Geschäftsführungsorgan se<strong>in</strong>en Pflichten nicht nach und ist<br />
dies offensichtlich, so muss <strong>der</strong> Abschlussprüfer o<strong>der</strong> die fachkundige<br />
Person das Gericht benachrichtigen (Art. 65 VERRG). Die Massnahmen,<br />
welche das Gericht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge gemäss Art. 66 VERRG e<strong>in</strong>leitet,<br />
entsprechen wörtlich denjenigen von Art. 725a OR (Aktiengesellschaft):<br />
Das Gericht eröffnet den Konkurs, kann diesen jedoch bei Aussicht auf<br />
Sanierung aufschieben. Zur Erhaltung des Vermögens kann e<strong>in</strong> Sachwalter<br />
bestellt werden.<br />
d) Rechnungslegung<br />
Der VERRG geht davon aus, dass sich <strong>der</strong> Adressatenkreis <strong>der</strong> Rechnungslegung<br />
je nach Grösse, Rechtsform und Art <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
aus den Anteilseignern, den Vertragspartnern (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
Kreditgebern und übrigen Gläubigern), den F<strong>in</strong>anzanalysten, den potentiellen<br />
Investoren und den Behörden (Steuer- und Aufsichtsbehörden)<br />
zusammensetzt. Die Interessenlage <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Adressaten ist dabei<br />
unterschiedlich. 627 Nach dem Gesetzesentwurf s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die sich <strong>in</strong>s<br />
625 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 152.<br />
626 Diese Bestimmung ist aus dem Recht <strong>der</strong> Genossenschaft (Art. 903 Abs. 4 OR) und<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Art. 817 Abs. 2 OR) übernommen.<br />
627 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 63, S. 149 f. – Die Frage <strong>der</strong> Publizität – also die<br />
Frage, wie die Daten <strong>der</strong> Rechnungslegung veröffentlicht werden müssen, und wer legitimiert<br />
se<strong>in</strong> soll, <strong>in</strong> die Unterlagen <strong>der</strong> Rechnungslegung E<strong>in</strong>sicht zu nehmen – wird im<br />
VERRG an<strong>der</strong>s geregelt, als dies etwa <strong>in</strong> den entsprechenden EG-Richtl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> Fall ist.<br />
Diese gehen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Publizität sehr weit. Verlangt wird E<strong>in</strong>sicht für alle Personen<br />
wie Anteilseigner, Kreditgeber<strong>in</strong>nen, Lieferanten, Mitarbeiter<strong>in</strong>nen, F<strong>in</strong>anzanalysten, zukünftige<br />
Investierende und Behörden. Die <strong>in</strong> den nationalen Gesetzen vorgesehenen Publizitätspflichten<br />
werden aber längst nicht überall befolgt. In Deutschland sollen etwa<br />
über achtzig Prozent <strong>der</strong> KMU sich weigern, ihre Unterlagen den Handelsregisterämtern<br />
e<strong>in</strong>zureichen, was offenbar <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis toleriert wird. Die im VERRG vorgesehene Lö-<br />
193
Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen müssen – wie bereits nach geltendem<br />
Recht –, buchführungs- und rechnungslegungspflichtig. Zusätzlich werden<br />
aber auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ohne Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister<br />
als buchführungs- und rechnungspflichtig erklärt, wenn sie entwe<strong>der</strong><br />
freiwillig e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, o<strong>der</strong> „sofern <strong>der</strong>en Grösse und die Art ihrer<br />
Tätigkeit es erfor<strong>der</strong>lich machen“. 628 Aufgrund <strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit vorgeschlagenen<br />
Def<strong>in</strong>ition des Anwendungsbereichs des RRG 629 s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters generell buchführungs- und rechnungslegungspflichtig.<br />
630 Die Rechnungslegung nach den Regeln des<br />
RRG liegt nicht zuletzt auch im Interesse <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> und <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
selbst. Das Kostenargument, welches <strong>in</strong> diesem Zusammenhang gerne<br />
<strong>in</strong>s Feld geführt wird, kann entkräftet werden: Bei e<strong>in</strong>fachen Verhältnissen<br />
fallen auch die Kosten für die Rechnungslegung nicht unverhältnismässig<br />
hoch aus. Bei komplizierteren Verhältnissen kann mit e<strong>in</strong>er<br />
Rechnungslegung, die gesetzlichen Regeln entspricht, allfälligen Vorwürfen<br />
betreffend mangelhafte Organisation entgegengewirkt werden. 631<br />
sung geht vor diesem H<strong>in</strong>tergrund davon aus, dass grosse Organisationen Jahresrechnung<br />
und Revisionsbericht im SHAB veröffentlichen und je<strong>der</strong> <strong>in</strong>teressierten Person <strong>in</strong>nert e<strong>in</strong>er<br />
bestimmten Frist zustellen müssen. Kle<strong>in</strong>e und mittlere Organisationen müssen h<strong>in</strong>gegen<br />
nur denjenigen Gläubigern E<strong>in</strong>sicht gewähren, die e<strong>in</strong> schutzwürdiges Interesse<br />
nachweisen können. Vgl. dazu a.a.O., S. 77 ff. und S. 150 f.<br />
628 Art. 2 VERRG; Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />
und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 68 f.<br />
629 Vgl. dazu S. 125.<br />
630 Vergleiche auch die Anfor<strong>der</strong>ungen, welche an Fussballvere<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Nationalliga im<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> Erteilung <strong>der</strong> Lizenz gestellt werden (die Lizenzerteilung ist abhängig<br />
davon, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Nachweis „ausreichen<strong>der</strong> wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit“<br />
erbr<strong>in</strong>gen kann): DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und<br />
Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 103 f. und URS SCHERRER, Abwendung des „worst<br />
case“ im Fussball, NZZ vom 27.07.2000, S. 45. E<strong>in</strong>e solche Prüfung fehlt im Rahmen <strong>der</strong><br />
Handball-Nationalliga. Die führenden Clubs haben aber offenbar schon seit e<strong>in</strong>iger Zeit<br />
die Rechnungslegungs- und Bilanzierungsvorschriften aus dem Aktienrecht freiwillig e<strong>in</strong>geführt<br />
(CHRISTIAN MODL, Wie Sportklubs wirtschaftlich leistungsfähig zu erhalten s<strong>in</strong>d,<br />
NZZ vom 27.07.2000, S. 45). Die Fussballvere<strong>in</strong>e haben sogar e<strong>in</strong>en Revisionsbericht<br />
vorzulegen. Vgl. zu den Auflagen, welche bei <strong>der</strong> Lizenzerteilung gemacht werden können<br />
DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, a.a.O. S. 108.<br />
631 H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> materiellen Fragen enthält <strong>der</strong> VERRG – wie<strong>der</strong>um rechtsformunabhängig<br />
– wesentliche Neuerungen und Än<strong>der</strong>ungen, auf welche jedoch an dieser Stelle<br />
nicht näher e<strong>in</strong>gegangen wird. Vgl. dazu Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz<br />
über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
S. 89 ff.<br />
194
e) Abschlussprüfung (Kontrollstelle, Revision)<br />
Gemäss ZGB s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht verpflichtet, e<strong>in</strong> Kontrollorgan e<strong>in</strong>zuführen,<br />
können dies jedoch freiwillig tun. In <strong>der</strong> Literatur wird übere<strong>in</strong>stimmend<br />
angenommen, Aufgabe e<strong>in</strong>es Kontrollorgans bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
sei es, das gesamte Rechnungswesen des Vere<strong>in</strong>s formell und materiell<br />
auf se<strong>in</strong>e Richtigkeit h<strong>in</strong> zu überprüfen. 632 Allerd<strong>in</strong>gs können die Aufgaben<br />
e<strong>in</strong>es allfälligen Kontrollorgans – e<strong>in</strong>schränkend o<strong>der</strong> ausdehnend –<br />
<strong>in</strong> den Statuten geregelt werden. 633 Der VERRG enthält rechtsformunabhängige<br />
Bestimmungen betreffend die Revision, weil diese e<strong>in</strong>e<br />
Qualitätsgewähr für die Rechnungslegung darstellt. Für grosse und<br />
mittlere Unternehmen i.S.d. VERRG ist die Prüfung durch e<strong>in</strong>e Person<br />
vorgesehen, welche e<strong>in</strong>e formelle Zulassung mit entsprechend hohen<br />
Kriterien erlangt hat. Bezüglich kle<strong>in</strong>er Organisationen konnte sich die<br />
Expertenkommission nicht e<strong>in</strong>igen. Im Bericht zum VERRG wird festgehalten,<br />
für den E<strong>in</strong>bezug kle<strong>in</strong>er Unternehmen spreche vor allem <strong>der</strong><br />
Umstand, dass bei fehlen<strong>der</strong> Revision die Vorschriften zur Rechnungslegung<br />
zu e<strong>in</strong>em Teil lettre morte zu werden drohen. An<strong>der</strong>erseits bestehe<br />
bei kle<strong>in</strong>en Organisationen nicht dasselbe öffentliche Interesse an<br />
e<strong>in</strong>er geordneten Rechnungslegung. Bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad könne<br />
auf die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen und die Interessenwahrnehmung<br />
durch die <strong>in</strong>teressierten Personen (etwa kreditgebende Banken)<br />
vertraut werden. Der VERRG enthält zwei Varianten betreffend<br />
kle<strong>in</strong>e Unternehmen, wobei jedoch auch bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Prüfungspflicht<br />
diese auf Kapitalgesellschaften und Genossenschaften beschränkt<br />
würde. 634 Gemäss VERRG sollen also nur diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
632<br />
Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Vorbemerkungen zu Art. 64-69 ZGB N 32, Bern 1990,<br />
mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />
633<br />
DERS., a.a.O. N 33; DERS., Die Revision e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s, SpuRt 1998, S. 44, mit H<strong>in</strong>weis<br />
auf MADÖRIN.<br />
634<br />
Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 92 ff. Die Beschränkung auf Kapitalgesellschaften<br />
und Genossenschaften wird damit begründet, dass die Zuverlässigkeit <strong>der</strong> Rechnungslegung<br />
und die Revision bei diesen Körperschaften e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Grund <strong>in</strong> den Kapitalschutzbestimmungen<br />
haben (S. 94). – In <strong>der</strong> Vernehmlassung zum VERRG wurde von<br />
Seiten <strong>der</strong> KMU die Befreiung aller kle<strong>in</strong>eren Unternehmen von <strong>der</strong> Revisionspflicht gefor<strong>der</strong>t,<br />
vgl. dazu FORSTMOSER / UNTERSANDER, Entwicklungen im Gesellschaftsrecht –<br />
Handelsgesellschaften und Genossenschaften – und im Wertpapierrecht, SJZ 95 (1999),<br />
S. 477.<br />
195
<strong>der</strong> Revisionspflicht unterstehen, welche die Kriterien e<strong>in</strong>er grossen o<strong>der</strong><br />
mittleren Organisation i.S.d. VERRG erfüllen. 635<br />
Entgegen <strong>der</strong> Regelung im VERRG müssen jedoch auch diejenigen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> revisionspflichtig se<strong>in</strong>, welche nicht <strong>in</strong> die Kategorie grosse und<br />
mittlere Unternehmen i.S.d. VERRG fallen. 636 Gerade bei kle<strong>in</strong>eren <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />
<strong>der</strong>en Buchhaltung von Personen geführt wird, welche unter Umständen<br />
nicht über e<strong>in</strong>schlägige Kenntnisse verfügen, ist die Kontrolle<br />
notwendig. Die Angst, dies könnte zu nicht tragbaren Kosten führen, ist<br />
unbegründet. Die Kosten e<strong>in</strong>er Revision fallen bei unkomplizierten Verhältnissen<br />
entsprechend ger<strong>in</strong>ger aus. Aus haftungsrechtlicher Sicht ist<br />
es jedenfalls für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters unerlässlich, auch<br />
ohne gesetzliche Pflicht e<strong>in</strong> Kontrollorgan e<strong>in</strong>zuführen. Je nach den<br />
konkreten Verhältnissen kann e<strong>in</strong> von den Organen (<strong>in</strong>klusive Mitglie<strong>der</strong>versammlung)<br />
zu verantworten<strong>der</strong> Organisationsmangel vorliegen,<br />
wenn ke<strong>in</strong> Kontrollorgan vorgesehen wird. Dessen Aufgaben werden<br />
s<strong>in</strong>nvollerweise analog zu bestehenden gesetzlichen Bestimmungen <strong>in</strong><br />
den Statuten geregelt. Als Massstab dienen die Regeln des Aktienrechts<br />
bzw. nach dessen Inkrafttreten die Regeln des RRG. 637 Gemäss Art. 59<br />
VERRG ist sogar ausdrücklich vorgesehen, dass bei e<strong>in</strong>er freiwilligen<br />
Revision die Vorschriften des RRG Anwendung f<strong>in</strong>den müssen. 638<br />
635 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 141 f. Die diesbezüglichen Kriterien f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong><br />
Art. 43 VERRG: Die Revisionspflicht besteht dann, wenn an zwei aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>folgenden<br />
Bilanzstichtagen zwei <strong>der</strong> genannten Kriterien erreicht wurden: Bilanzsumme von CHF<br />
4 Mio.; Umsatzerlöse von CHF 8 Mio.; Arbeitnehmer für 50 vollzeitige Stellen im Durchschnitt<br />
des Geschäftsjahres.<br />
636 Gleicher Ansicht auch CHRISTOPH HONEGGER, Probleme des Gläubigerschutzes im<br />
Vere<strong>in</strong>srecht, unveröffentlichte Diss. Basel 2000, S. 226f.<br />
637 Vgl. de lege lata HANS MICHAEL RIEMER, Vorbemerkungen zu Art. 64-69 ZGB<br />
N 32 ff., Bern 1990. Die im VERRG vorgeschlagenen Regelungen betreffend die Prüfung<br />
entsprechen im wesentlichen dem geltenden Aktienrecht. Vgl. Vorentwurf und Begleitbericht<br />
zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom<br />
28. Juni 1998, S. 148.<br />
638 Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass e<strong>in</strong>e Jahresrechnung nicht irreführend als „revidiert“<br />
o<strong>der</strong> „geprüft“ bezeichnet werden kann, ohne dass die Vorschriften des RRG erfüllt<br />
s<strong>in</strong>d. Vgl. a.a.O., S. 149.<br />
196
f) Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Organe und Organträger<br />
Gemäss Art. 55 ZGB s<strong>in</strong>d die Organe und faktischen Organe 639 nicht<br />
lediglich Vertreter <strong>der</strong> juristischen Person, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong>selben.<br />
Ihr Handeln und Verhalten verpflichtet grundsätzlich die juristische Person<br />
und zwar sowohl im rechtsgeschäftlichen als auch im ausserrechtsgeschäftlichen<br />
Bereich. Daneben müssen die Organpersonen aber auch<br />
für ihr Verschulden 640 persönlich e<strong>in</strong>stehen, sie s<strong>in</strong>d für ihr Tun und<br />
Lassen verantwortlich und zwar sowohl dem Vere<strong>in</strong> gegenüber als auch<br />
gegenüber Dritten. 641 Zu beachten ist, dass nicht nur <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>svorstand,<br />
e<strong>in</strong>e allfällige Geschäftsleitung und gegebenenfalls die Kontrollstelle<br />
Organcharakter i.S.v. Art. 55 ZGB haben. Auch die Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />
ist e<strong>in</strong> Organ des Vere<strong>in</strong>s; auch sie kann den Vere<strong>in</strong> durch ihr<br />
Verhalten nach aussen verpflichten o<strong>der</strong> Beschlüsse fassen, welche die<br />
Grundlage für das Handeln <strong>der</strong> Exekutivorgane darstellen. Die Anwendung<br />
von Art. 55 Abs. 3 ZGB kann sogar dazu führen, dass die an e<strong>in</strong>em<br />
Vere<strong>in</strong>sbeschluss mitwirkenden Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> bei persönlichem<br />
Verschulden persönlich verantwortlich werden, und zwar sowohl dem<br />
Vere<strong>in</strong> als auch Drittpersonen gegenüber. 642 Namentlich bei geschäftserfahrenen<br />
Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters kann das<br />
persönliche Verschulden unter Umständen eher bejaht werden als bei<br />
Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es herkömmlichen Vere<strong>in</strong>s.<br />
Grundsätzlich bestehen im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Verantwortlichkeit<br />
von Organen und Organträgern ke<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wirtschaftlichen Charakters. Allerd<strong>in</strong>gs ist Art. 55 ZGB lediglich e<strong>in</strong>e<br />
639 Vgl. dazu etwa BGE 117 II 571 mit weiteren H<strong>in</strong>weisen: Organ ist nicht nur, wer mit<br />
<strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> juristischen Person betraut, son<strong>der</strong>n auch, wer mit <strong>der</strong> Leitung befasst ist,<br />
o<strong>der</strong> wer nach aussen als Organ kundgegeben wird. Vgl. ausführlich HANS MICHAEL<br />
RIEMER, Kommentar zu Art. 54/55 ZGB N 28 ff., Bern 1993.<br />
640 Art. 55 Abs. 3 ZGB darf nicht so verstanden werden, dass e<strong>in</strong>e persönliche Haftung<br />
aus unerlaubter Handlung nur dann gegeben ist, wenn e<strong>in</strong>e Verschuldenshaftung <strong>in</strong> Frage<br />
steht. Wenn e<strong>in</strong>e Haftungsnorm des ausservertraglichen Haftpflichtrechts e<strong>in</strong> Verschulden<br />
nicht voraussetzt, so kann die Organperson bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen<br />
auch ohne Verschulden persönlich <strong>in</strong>s Recht gefasst werden. Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne<br />
HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 64; DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession<br />
und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 279.<br />
641 CLAIRE HUGUENIN JACOBS, Kommentar zu Art. 54/55 ZGB N 6 ff., Basel 1996;<br />
DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, a.a.O., S. 275 f.<br />
642 Vgl. dazu die überzeugenden Ausführungen von HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar<br />
zu Art. 65 ZGB N 34 ff., Bern 1990, mit H<strong>in</strong>weisen auf die Rechtsprechung des BGer zur<br />
Genossenschaft und zum Vere<strong>in</strong> (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e BGE 92 II 1 ff., 4) und die Entstehungsgeschichte<br />
von Art. 65 ZGB. – An<strong>der</strong>er Ansicht offenbar MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER,<br />
<strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 2 N 23.<br />
197
Zuweisungsnorm, <strong>in</strong> welcher bloss <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Zurechnung <strong>der</strong><br />
Handlungen <strong>der</strong> Organe statuiert wird. Art. 55 ZGB bedarf <strong>der</strong> Ergänzung<br />
durch Normen, die den materiellen Haftungstatbestand festsetzen.<br />
643 Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ergibt sich <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> aktiv- und passivlegitimierten<br />
Personen aus den allgeme<strong>in</strong>en Regeln von Art. 41 ff., Art. 97 ff. und<br />
gegebenenfalls den e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen des Arbeits- o<strong>der</strong> Auftragsrechts,<br />
welche diesbezüglich Art. 55 ZGB ergänzen. 644<br />
Mehrere Organträger, die e<strong>in</strong>en Schaden geme<strong>in</strong>sam verschuldet haben,<br />
haften solidarisch. RIEMER möchte die Regel <strong>der</strong> differenzierten<br />
Solidarität, welche <strong>in</strong> Art. 759 OR für die Aktiengesellschaft statuiert ist,<br />
auch auf die übrigen juristischen Personen anwenden. 645 Dies ist s<strong>in</strong>nvoll,<br />
soweit sich nicht dasselbe Resultat bereits aufgrund <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />
Regeln von Art. 43 f. OR erreichen lässt. Im Innenverhältnis kommt<br />
Art. 50 Abs. 2 OR zur Anwendung: Entscheidend muss auch hier das<br />
<strong>in</strong>dividuelle Verschulden se<strong>in</strong>. 646<br />
E<strong>in</strong>e weitere Ergänzung von Art. 55 ZGB ist erfor<strong>der</strong>lich im H<strong>in</strong>blick<br />
auf die Tatbestände, welche e<strong>in</strong>e allfällige Haftung auslösen: Die Pflichten<br />
<strong>der</strong> Organpersonen müssen def<strong>in</strong>iert se<strong>in</strong>. Dies geschieht im objektiven<br />
Recht <strong>der</strong> jeweiligen Verbandspersonen. 647 Die Pflichten <strong>der</strong> Organe<br />
643<br />
CLAIRE HUGUENIN JACOBS, Kommentar zu Art. 54/55 ZGB N 10 f., Basel 1996. E<strong>in</strong>e<br />
solche Ergänzungsnorm bildet etwa Art. 754 OR für die Aktiengesellschaft. In dieser Bestimmung<br />
wird <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> aktiv- und passivlegitimierten Personen def<strong>in</strong>iert.<br />
644<br />
Die Geltendmachung des sogenannten mittelbaren Schadens vor Konkurs <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />
wie sie <strong>in</strong> Art. 756 OR für die Aktiengesellschaft vorgesehen ist, ist bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
mangels spezieller gesetzlicher Regelung <strong>in</strong> dieser Form nicht möglich. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n hat<br />
entwe<strong>der</strong> die Vere<strong>in</strong>sversammlung den Beschluss zu fassen, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en allfälligen<br />
Schaden e<strong>in</strong>klagen solle (gegebenenfalls s<strong>in</strong>d die Organe abzusetzen, die sich weigern,<br />
e<strong>in</strong>e Klage e<strong>in</strong>zureichen) o<strong>der</strong> es besteht die Möglichkeit, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> – namentlich<br />
zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die geschäftsführenden Organe – e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en<br />
Bevollmächtigten bestellt (vgl. dazu PETER WIDMER, Kommentar zu<br />
Art. 756 OR N 3, Basel 1994) o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> analoger Anwendung von Art. 393<br />
Ziff. 4 ZGB bei <strong>der</strong> Vormundschaftsbehörde die Ernennung e<strong>in</strong>es Beistandes verlangt. –<br />
Die Geltendmachung des mittelbaren Schadens im Konkurs <strong>der</strong> Gesellschaft kann bei<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nur gemäss Art. 260 SchKG erfolgen.<br />
645<br />
HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 54/55 ZGB N 66, Bern 1993.<br />
646<br />
DERS., a.a.O. N 66.<br />
647<br />
Für analoge Anwendung <strong>der</strong> aktienrechtlichen Bestimmungen: DOROTHE SCHERRER-<br />
BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 280 f. ―<br />
Art. 55 ZGB befasst sich auch nicht mit dem <strong>in</strong>ternen Rechtsverhältnis zwischen Organperson<br />
und juristischer Person. Rechtsprechung und Lehre gehen allgeme<strong>in</strong> davon aus, es<br />
bestehe e<strong>in</strong> Vertragsverhältnis, welches den Regeln des Auftrags- o<strong>der</strong> des Arbeitsvertragsrechts<br />
untersteht. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich wie<strong>der</strong>um aus<br />
dem objektiven Recht <strong>der</strong> betreffenden Gesellschaftsform und <strong>der</strong> konkreten Ausgestal-<br />
198
und Organträger e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters ergeben sich<br />
aus den Beson<strong>der</strong>heiten e<strong>in</strong>es solchen Vere<strong>in</strong>s. Die oben dargestellten<br />
Grundsätze betreffend Gläubigerschutz haben daher konkrete Auswirkungen<br />
auf die Pflichten und die daraus resultierende Verantwortlichkeit.<br />
648<br />
Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Haftung von Personen, die mit e<strong>in</strong>em im<br />
Fusionsgesetz geregelten Vorgang befasst s<strong>in</strong>d, enthält Art. 107 EFusG<br />
beson<strong>der</strong>e Bestimmungen. Art. 107 EFusG verweist ausdrücklich auf die<br />
geltenden Bestimmungen für Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften<br />
sowie Gesellschaften mit beschränkter Haftung und erklärt<br />
diese als für alle Gesellschaften anwendbar, also auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. 649<br />
tung <strong>der</strong> jeweiligen juristischen Person. Vgl. statt vieler HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar<br />
zu Art. 54/55 ZGB N 22, Bern 1993.<br />
648 Die Haftung <strong>der</strong> Abschlussprüfer wurde nicht <strong>in</strong> den VERRG aufgenommen. Die<br />
Kommission war diesbezüglich <strong>der</strong> Ansicht, diese sei im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Haftung<br />
<strong>der</strong> übrigen verantwortlichen Personen zu sehen und könne angesichts <strong>der</strong> diesbezüglichen<br />
Unterschiede bei den e<strong>in</strong>zelnen Rechtsformen nicht e<strong>in</strong>heitlich geregelt werden<br />
(Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />
Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 84).<br />
649 Vgl. Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung,<br />
Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, S. 4566 f.<br />
199
XVI. Besteuerung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters<br />
1. Direkte Steuern im Bund und <strong>in</strong> den Kantonen im<br />
allgeme<strong>in</strong>en<br />
H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> direkten Bundessteuer s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> grundsätzlich <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> steuerpflichtig, wenn sich ihr Sitz o<strong>der</strong> ihre tatsächliche<br />
Verwaltung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> bef<strong>in</strong>det (Art. 50 DBG). Daneben können<br />
juristische Personen auch aufgrund <strong>der</strong> Regeln <strong>der</strong> wirtschaftlichen Zugehörigkeit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> steuerbar werden. 650 Gemäss Art. 20 StHG<br />
s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> demjenigen Kanton unbeschränkt steuerpflichtig, <strong>in</strong> welchem<br />
sich ihr Sitz o<strong>der</strong> ihre tatsächliche Verwaltung bef<strong>in</strong>det. Nach den<br />
Regeln des Bundesgerichts zur Doppelbesteuerung hat grundsätzlich <strong>der</strong><br />
Sitzkanton Vorrang, es sei denn, dem Ort des Sitzes komme bloss formelle<br />
Bedeutung zu. 651 E<strong>in</strong>e beschränkte Steuerpflicht aufgrund <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Zugehörigkeit ist <strong>in</strong> Art. 21 StHG vorgesehen.<br />
Gemäss Art. 56 lit. g DBG und Art. 23 Abs. 1 lit. f StHG s<strong>in</strong>d juristische<br />
Personen, die öffentliche o<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>nützige Zwecke verfolgen,<br />
für diejenigen Teile des Gew<strong>in</strong>ns und des Kapitals, die ausschliesslich<br />
und unwi<strong>der</strong>ruflich diesen Zwecken gewidmet s<strong>in</strong>d, sowohl im Bund als<br />
auch <strong>in</strong> den Kantonen 652 von <strong>der</strong> Steuerpflicht befreit. 653<br />
Die Frage, wann e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>nützigen Zweck verfolgt,<br />
wird für die direkte Bundessteuer im Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV<br />
präzisiert. Dort wird ausdrücklich festgehalten, dass die langjährige Praxis<br />
des Bundesgerichts zum BdBSt grundsätzlich auch Anwendung auf<br />
650 Vgl. dazu die Regelung von Art. 51 DBG. – <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unterliegen gemäss DBG e<strong>in</strong>er<br />
proportionalen Gew<strong>in</strong>nsteuer (Art. 71 DBG) und e<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>vermögenssteuer auf <strong>der</strong> Basis<br />
von Verkehrswerten (Art. 77 DBG). Zur Behandlung von Zuwendungen und Mitglie<strong>der</strong>beiträgen<br />
vgl. Art. 66 DBG.<br />
651 ATHANAS / WIDMER, Kommentar zu Art. 20 StHG N 37 ff., Basel 1997.<br />
652 Gemäss Art. 23 Abs. 4 StHG gilt dies jedoch nicht h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> kantonalen<br />
Grundstückgew<strong>in</strong>nsteuer. Die <strong>in</strong> lit. f genannten juristischen Personen unterliegen dieser<br />
<strong>in</strong> jedem Fall.<br />
653 Für die Steuerbefreiung im Zusammenhang mit <strong>der</strong> direkten Bundessteuer hat die juristische<br />
Person e<strong>in</strong> Gesuch zu stellen, <strong>in</strong> welchem die Voraussetzungen darzulegen s<strong>in</strong>d<br />
(Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 1). Im StHG ist das Steuerbefreiungsverfahren<br />
h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> kantonalen Steuern nicht geregelt. Die Kantone können<br />
die entsprechenden Vorschriften frei aufstellen (MARCO GRETER, Kommentar zu<br />
Art. 23 StHG N 2, Basel 1997).<br />
200
das DBG f<strong>in</strong>det. 654 Für die Steuerbefreiung müssen daher kumulativ folgende<br />
Voraussetzungen erfüllt se<strong>in</strong>: Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>nützigkeit<br />
ist grundlegend, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teressen verfolgt,<br />
wobei sich dieses Kriterium nach <strong>der</strong> jeweils massgeblichen<br />
Volksauffassung bestimmen soll. 655 Das Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse wird regelmässig<br />
dann angenommen, wenn <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> Personen, welchen e<strong>in</strong>e<br />
För<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Unterstützung durch den Vere<strong>in</strong> zukommt, grundsätzlich<br />
offen ist. 656 Zusätzlich ist erfor<strong>der</strong>lich, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> subjektiv uneigennützig<br />
tätig ist. Der Vere<strong>in</strong> muss altruistisch handeln, er muss für<br />
den im Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse liegenden Zweck unter H<strong>in</strong>tansetzung <strong>der</strong> eigenen<br />
Interessen Opfer erbr<strong>in</strong>gen. Die Aktivitäten des Vere<strong>in</strong>s müssen<br />
ausschliesslich auf das Wohl von Drittpersonen ausgerichtet se<strong>in</strong>. Die<br />
Zielsetzung des Vere<strong>in</strong>s darf nicht mit Erwerbszwecken o<strong>der</strong> sonstigen<br />
eigenen Interessen des Vere<strong>in</strong>s o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> (auch Selbsthilfezwecken)<br />
verknüpft se<strong>in</strong>. 657 E<strong>in</strong> Erwerbszweck wird dann angenommen,<br />
wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf o<strong>der</strong> <strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />
Monopolstellung – mit dem Zweck <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nerzielung –<br />
Kapital und Arbeit e<strong>in</strong>setzt und dabei für se<strong>in</strong>e Leistungen e<strong>in</strong> Entgelt<br />
for<strong>der</strong>t, wie es im Wirtschaftsleben üblicherweise bezahlt wird. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
führt nicht jede Erwerbstätigkeit zu e<strong>in</strong>er Verweigerung <strong>der</strong> Steuerbefreiung.<br />
Solange die Erwerbstätigkeit bloss Mittel zum Zweck ist<br />
und nicht die e<strong>in</strong>zige wirtschaftliche Grundlage des Vere<strong>in</strong>s bildet, h<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />
sie die Steuerbefreiung nicht. Entscheidend für alle genannten Kriterien<br />
ist die tatsächliche Tätigkeit des Vere<strong>in</strong>s, die <strong>der</strong> Verwirklichung<br />
des statutarischen Zweckes dienen muss. Als weitere Voraussetzung<br />
müssen die <strong>der</strong> steuerbefreiten Zwecksetzung gewidmeten Mittel unwi<strong>der</strong>ruflich<br />
– das heisst für immer – diesem Zweck verhaftet se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong><br />
Rückfall <strong>der</strong> Mittel an die Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s muss ausgeschlossen<br />
se<strong>in</strong>. Die Steuerbefreiung kommt daher nur <strong>in</strong> Frage, wenn für den Fall<br />
<strong>der</strong> Auflösung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unabän<strong>der</strong>lichen statutarischen Bestimmung vor-<br />
654 Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 1.<br />
655 Nach dem DBG ist das Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse nicht mehr auf e<strong>in</strong>e Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> begrenzt, son<strong>der</strong>n es können auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit Sitz <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> die Steuerbefreiung<br />
beantragen, wenn sie e<strong>in</strong>e weltweite Tätigkeit ausüben.<br />
656 Die Begrenzung <strong>der</strong> Begünstigten auf die Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s o<strong>der</strong> auf die Angehörigen<br />
e<strong>in</strong>es bestimmten Berufes soll gemäss Kreisschreiben die Steuerbefreiung ausschliessen.<br />
Vgl. dazu unten S. 203.<br />
657 Verfolgt e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> neben ausschliesslich geme<strong>in</strong>nützigen Zwecken auch an<strong>der</strong>e<br />
Zwecke, so kann unter Umständen e<strong>in</strong>e teilweise Steuerbefreiung <strong>in</strong> Frage kommen, vgl.<br />
dazu Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 6.<br />
201
gesehen ist, dass das Vermögen des Vere<strong>in</strong>s an e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e steuerbefreite<br />
Organisation mit ähnlicher Zwecksetzung fällt. 658<br />
Inwieweit die für die direkte Bundessteuer entwickelten Grundsätze<br />
auch für die kantonalen Steuern gelten, ist unklar. Angesichts des übere<strong>in</strong>stimmenden<br />
Wortlautes des DBG und des StHG und des Zwecks des<br />
StHG liegt es nahe davon auszugehen, dass die Geme<strong>in</strong>nützigkeit für<br />
beide Gesetze gleich bestimmt wird. 659 Immerh<strong>in</strong> halten sowohl das<br />
DBG als auch das StHG ausdrücklich fest, dass unternehmerische<br />
Zwecke grundsätzlich nicht geme<strong>in</strong>nützig s<strong>in</strong>d. H<strong>in</strong>gegen gilt <strong>der</strong> Erwerb<br />
und die Verwaltung von wesentlichen Kapitalbeteiligungen an<br />
Unternehmen als geme<strong>in</strong>nützig, wenn das Interesse an <strong>der</strong> Unternehmenserhaltung<br />
dem geme<strong>in</strong>nützigen Zweck untergeordnet ist und ke<strong>in</strong>e<br />
geschäftsleitenden Tätigkeiten ausgeübt werden. 660<br />
Zuwendungen an steuerbefreite juristische Personen s<strong>in</strong>d beim Bund<br />
unter Umständen abzugsfähig. 661 Gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. i und Art. 59<br />
lit. c DBG gilt dies für freiwillige Geldleistungen, welche an e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong><br />
mit geme<strong>in</strong>nützigem Zweck geleistet werden. 662 Statutarisch vorgesehene<br />
Mitglie<strong>der</strong>beiträge o<strong>der</strong> sonstige Zahlungen, auf welche <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Anspruch hat, fallen nicht <strong>in</strong> diese Kategorie und können somit<br />
bei <strong>der</strong> zahlenden Person nicht <strong>in</strong> Abzug gebracht werden. Auch <strong>in</strong> den<br />
Kantonen s<strong>in</strong>d gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. i StHG freiwillige Zuwendungen<br />
an steuerbefreite juristische Personen von den steuerbaren E<strong>in</strong>künften<br />
abziehbar. Die Kantone können jedoch den Umfang <strong>der</strong> Abzugsfähigkeit<br />
frei regeln.<br />
658<br />
Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 1 ff. Ausserdem ist zu beachten,<br />
dass das Bundesrecht wesentlich von den kantonalen Praxen bee<strong>in</strong>flusst wird.<br />
659<br />
Vgl. zur Me<strong>in</strong>ung, die Umschreibung des Begriffs Geme<strong>in</strong>nützigkeit obliege den<br />
Kantonen, die Ausführungen von MARCO GRETER, Kommentar zu Art. 23 StHG N 25,<br />
Basel 1997. – Immerh<strong>in</strong> ist zu beachten, dass gemäss Art. 72 Abs. 2 StHG die<br />
Bestimmungen des StHG seit dem 1. Januar 2001 direkt zur Anwendung kommen, sofern<br />
das kantonale Recht dem StHG wi<strong>der</strong>spricht.<br />
660<br />
Gemäss Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV, S. 4, gilt dies auch, wenn die Beteiligung<br />
mehr als 50 % beträgt, aber dennoch ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>flussnahme auf die Unternehmensführung<br />
möglich ist. Zu denken sei an Fälle, wo die Stimmrechte bei e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Rechtsträger<br />
liegen. – Diese Bestimmungen s<strong>in</strong>d auf Unternehmensstiftungen ausgerichtet (vgl. <strong>in</strong> diesem<br />
S<strong>in</strong>ne MARCO GRETER, a.a.O. N 34), gelten jedoch auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />
661<br />
Zu beachten ist, dass Zuwendungen an Vere<strong>in</strong>igungen, die wegen <strong>der</strong> Verfolgung von<br />
Kultuszwecken steuerbefreit s<strong>in</strong>d, nicht abzugsfähig s<strong>in</strong>d. Nur wenn die Steuerbefreiung<br />
ihren Grund <strong>in</strong> <strong>der</strong> ausschliesslich geme<strong>in</strong>nützigen Zwecksetzung hat, s<strong>in</strong>d auch Zuwendungen<br />
steuerbefreit. Vgl. dazu Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 7.<br />
662<br />
Zur betragsmässigen Beschränkung <strong>der</strong> Abzüge vgl. Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV<br />
vom 8. Juli 1994, S. 7 f.<br />
202
2. Mehrwertsteuerpflicht im allgeme<strong>in</strong>en<br />
Gemäss Art. 21 MWSTG, das per 1. Januar 2001 <strong>in</strong> Kraft trat, s<strong>in</strong>d<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> dann mehrwertsteuerpflichtig, wenn sie selbständig e<strong>in</strong>e<br />
gewerbliche o<strong>der</strong> berufliche Tätigkeit ausüben, die mit <strong>der</strong> Erzielung<br />
von E<strong>in</strong>nahmen verbunden ist, sofern ihre Lieferungen o<strong>der</strong> Dienstleistungen<br />
sowie <strong>der</strong> Eigenverbrauch im Inland jährlich gesamthaft CHF<br />
75'000.– bzw. CHF 250'000.– (sofern die nach Abzug <strong>der</strong> Vorsteuer<br />
verbleibende Steuer regelmässig nicht mehr als CHF 4'000.– betragen<br />
würde, Art. 25 Abs. 1 lit. a MWSTG) übersteigen. Dies gilt auch dann,<br />
wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>nabsicht hat. 663 Von <strong>der</strong> Steuerpflicht<br />
ausgenommen s<strong>in</strong>d nach Art. 25 Abs. 1 MWSTG seit dem 1. Januar<br />
2001 nichtgew<strong>in</strong>nstrebige, ehrenamtlich geführte Sportvere<strong>in</strong>e und<br />
geme<strong>in</strong>nützige Institutionen, die e<strong>in</strong>en Jahresumsatz von bis zu CHF<br />
150‘000.– erreichen.<br />
Gemäss Art. 18 Ziff. 13 MWSTG s<strong>in</strong>d von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer diejenigen<br />
Umsätze ausgenommen, welche nichtgew<strong>in</strong>nstrebige E<strong>in</strong>richtungen<br />
mit politischer, gewerkschaftlicher, wirtschaftlicher, religiöser, patriotischer,<br />
weltanschaulicher, philanthropischer, kultureller o<strong>der</strong><br />
staatsbürgerlicher Zielsetzung ihren Mitglie<strong>der</strong>n gegen e<strong>in</strong>en statutarisch<br />
festgesetzten Betrag erbr<strong>in</strong>gen. 664 An<strong>der</strong>e Umsätze, welche etwa aus dem<br />
Betrieb e<strong>in</strong>es Restaurants erzielt werden, können jedoch die<br />
Steuerpflicht auslösen.<br />
3. Steuerpflicht von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />
Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters kommt e<strong>in</strong>e Steuerbefreiung<br />
h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> direkten Steuern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht <strong>in</strong> Betracht. Aufgrund<br />
des Erfor<strong>der</strong>nisses <strong>der</strong> Uneigennützigkeit ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e denjenigen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n die Steuerbefreiung verwehrt, die eigene o<strong>der</strong> persönliche<br />
Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> verfolgen. 665 Dies dürfte auf die meisten<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im S<strong>in</strong>ne dieser Arbeit zutreffen,<br />
ausser auf gewisse <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>zig aufgrund ihrer Umsatzhöhe unter<br />
663<br />
Diese Regelung entspricht <strong>der</strong>jenigen von Art. 17 MWSTV, welche bis 31. Dezember<br />
2000 gilt.<br />
664<br />
Diese Regelung entspricht <strong>der</strong>jenigen von Art. 14 Ziff. 11 MWSTV (gültig bis 31. Dezember<br />
2000). Gemäss Auskunft <strong>der</strong> ESTV s<strong>in</strong>d statutarisch festgelegte Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />
grundsätzlich nur dann von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer ausgenommen, wenn sie für alle<br />
Mitglie<strong>der</strong> gleich hoch s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> nach e<strong>in</strong>em für alle Mitglie<strong>der</strong> gültigen Schema ermittelt<br />
werden. Unter Umständen wird akzeptiert, dass „e<strong>in</strong>ige wenige unterschiedliche Mitglie<strong>der</strong>kategorien“<br />
vorgesehen s<strong>in</strong>d.<br />
665<br />
MARCO GRETER, Kommentar zu Art. 23 StHG N 33, Basel 1997.<br />
203
die hier aufgestellten Regeln fallen. 666 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche<br />
Kapitalbeteiligungen an Unternehmen halten, können zwar grundsätzlich<br />
von den direkten Steuern befreit werden. Das Halten von Beteiligungen<br />
darf jedoch im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Steuerbefreiung nur Mittel zur<br />
Verfolgung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>nützigen Zweckes darstellen und muss e<strong>in</strong>e<br />
entsprechend untergeordnete Bedeutung haben. Selbst wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>nützigen Zweck im S<strong>in</strong>ne des<br />
Gesetzes verfolgt, darf also e<strong>in</strong> allfälliges Interesse an unternehmerischer<br />
E<strong>in</strong>flussnahme ke<strong>in</strong>esfalls gegenüber dem geme<strong>in</strong>nützigen Zweck<br />
überwiegen. Dies dürfte bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters kaum<br />
<strong>der</strong> Fall se<strong>in</strong>. 667<br />
Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters besteht grundsätzlich auch<br />
die Pflicht zur Entrichtung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer, wenn die allgeme<strong>in</strong>en<br />
Voraussetzungen, namentlich die Umsatzgrenze von CHF 75'000.– gegeben<br />
s<strong>in</strong>d. Die an sich mögliche Befreiung als geme<strong>in</strong>nützige Institution<br />
bis zu e<strong>in</strong>em Umsatz von CHF 150'000.– gemäss Art. 25 Abs. 1<br />
MWSTG dürfte wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> den meisten Fällen am Fehlen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>nützigkeit<br />
scheitern. 668<br />
Die Ausnahme von Umsätzen aus Leistungen, welche den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s gegen e<strong>in</strong>en statutarisch festgesetzten Beitrag erbracht<br />
werden, gilt gemäss ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
mit wirtschaftlicher Zielsetzung. 669 Allerd<strong>in</strong>gs darf <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> nicht<br />
gew<strong>in</strong>nstrebig se<strong>in</strong>. Der Begriff <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit f<strong>in</strong>det sich im übrigen<br />
Steuerrecht nirgendwo und wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mehrwertsteuergesetzgebung<br />
nicht def<strong>in</strong>iert. 670 Gemäss e<strong>in</strong>em Entscheid <strong>der</strong> Eidgenössischen<br />
666 Zur Rolle <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Berechnung des<br />
massgeblichen Umsatzes vgl. bereits S. 123.<br />
667 DERS., a.a.O. N 34.<br />
668 Die <strong>in</strong> Art. 25 Abs. 1 MWSTG erwähnten Kategorien von Sportvere<strong>in</strong>en stellen kaum<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im S<strong>in</strong>ne dieser Arbeit dar. Vgl. dazu S. 71.<br />
669 Die ausdrückliche Erwähnung von nichtgew<strong>in</strong>nstrebigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher<br />
Zielsetzung <strong>in</strong> dieser Bestimmung ist darauf zurückzuführen, dass im Vernehmlassungsverfahren<br />
zur MWSTV beanstandet worden war, Arbeitnehmerorganisationen fielen unter<br />
die Bestimmung, nicht jedoch ihre Sozialpartner (Arbeitgeber-, Wirtschafts-, Berufs- und<br />
Branchenverbände). Die entsprechende Formulierung bezieht sich demnach grundsätzlich<br />
auf solche Vere<strong>in</strong>igungen (vgl. dazu Kommentar des Eidgenössischen F<strong>in</strong>anzdepartementes<br />
zu Art. 14 MWSTV <strong>in</strong> PESTALOZZI GMÜR & PATRY, Die Eidgenössische Mehrwertsteuer,<br />
Loseblattsammlung Band 1, Basel, Stand Oktober 1994).<br />
670 Im Handelsrecht f<strong>in</strong>det sich <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit <strong>in</strong> Art. 706 Abs. 2<br />
Ziff. 4 OR: E<strong>in</strong> Generalversammlungsbeschluss e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft ist anfechtbar,<br />
wenn die Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Mitglie<strong>der</strong><br />
aufgehoben wird. Zum Begriff <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit <strong>in</strong> diesem Zusammenhang vgl. etwa<br />
204
Steuerrekurskommission war e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung dann nichtgew<strong>in</strong>nstrebig<br />
(sans but lucratif) i.S.v. Art. 14 Ziff. 11 MWSTV, wenn sie „a été constitué<br />
sans volonté de réaliser un ga<strong>in</strong> de nature pécuniaire, c’est-à-dire<br />
qui n’a pas la volonté de réaliser des bénéfices“. Gemäss <strong>der</strong> Eidgenössischen<br />
Steuerrekurskommission müssen zwei Voraussetzungen erfüllt<br />
se<strong>in</strong>: Erstens „l’absence de recherche systématique d’excédents. Même<br />
de façon limitée, l’utilisation de démarches ayant pour objectif de réaliser<br />
des bénéfices remet en cause le caractère de non-lucrativité“ und<br />
zweitens „l’absence de profit matériel direct ou <strong>in</strong>direct pour les membres,<br />
fondateurs ou dirigeants de l’organisme: les éventuels bénéfices ne<br />
sont pas distribués mais ré<strong>in</strong>vestis dans l’organisme lui-même“. 671 Im<br />
konkreten Fall hatte die Eidgenössische Steuerrekurskommission zu beurteilen,<br />
ob e<strong>in</strong> Berufsdachverband <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform e<strong>in</strong>e nichtgew<strong>in</strong>nstrebige<br />
Organisation darstellt. Die Eidgenössische Steuerrekurskommission<br />
bejahte dies. Entscheidend waren folgende Umstände: Die<br />
Statuten des Berufsdachverbandes bezeichnen den Vere<strong>in</strong> als „une association<br />
sans but lucratif“. Der Vere<strong>in</strong> entfaltet ke<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit,<br />
um neue Mitglie<strong>der</strong> anzuwerben; er verteilt lediglich <strong>in</strong>teressierten<br />
Drittpersonen Broschüren über se<strong>in</strong>e Aktivitäten. Die<br />
E<strong>in</strong>nahmeüberschüsse werden nicht verteilt, son<strong>der</strong>n rück<strong>in</strong>vestiert. Die<br />
Grün<strong>der</strong> und Leiter des Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d nicht am E<strong>in</strong>nahmeüberschuss<br />
<strong>in</strong>teressiert. Sie s<strong>in</strong>d im Gegenteil gehalten, alle Entschädigungen an den<br />
Vere<strong>in</strong> zurück zu übertragen. Die Vorstandsmitglie<strong>der</strong> erhalten ke<strong>in</strong>e<br />
Sitzungsgel<strong>der</strong>, auch die Mitglie<strong>der</strong> ziehen ke<strong>in</strong>erlei Vorteile aus dem<br />
E<strong>in</strong>nahmenüberschuss. Ausserdem bestimmen die Statuten für den Fall<br />
<strong>der</strong> Auflösung, dass e<strong>in</strong> allfälliger Nettoüberschuss an e<strong>in</strong>e Organisation<br />
mit ähnlicher Zielsetzung gehen soll.<br />
Gemäss den Ausführungen <strong>in</strong> dieser Arbeit betreffend die Gew<strong>in</strong>nverwendung<br />
bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters dürfen solche<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht ausschliesslich auf das Verteilen von Gew<strong>in</strong>nen ausgerichtet<br />
se<strong>in</strong>. 672 Allerd<strong>in</strong>gs ist gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />
nicht auszuschliessen, dass den Mitglie<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong>direkt e<strong>in</strong><br />
materieller Vorteil zukommt. Daher ist <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall zu prüfen, ob<br />
die vergleichsweise strengen Voraussetzungen erfüllt s<strong>in</strong>d, welche die<br />
MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998,<br />
§ 16 N 29 ff.<br />
671 Entscheid <strong>der</strong> Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 14. April 1999, VPB 63<br />
(1999), S. 865 ff. In diesem Entscheid werden auch die übrigen Voraussetzungen von<br />
Art. 14 Ziff. 11 MWSTV aufgezählt, vgl. dazu <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e a.a.O. S. 872 f.<br />
672 Vgl. dazu S. 149.<br />
205
Eidgenössische Steuerrekurskommission im Zusammenhang mit Art. 14<br />
Ziff. 11 MWSTV aufgestellt hat.<br />
206
XVII. Auflösung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters<br />
1. Die Auflösung gemäss ZGB<br />
Das Gesetz sieht drei Auflösungsarten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n vor: Die Auflösung<br />
durch Vere<strong>in</strong>sbeschluss (Art. 76 ZGB), die Auflösung von Gesetzes<br />
wegen bei Zahlungsunfähigkeit des Vere<strong>in</strong>s 673 o<strong>der</strong> bei Unmöglichkeit<br />
<strong>der</strong> statutengemässen Bestellung des Vorstandes (Art. 77 ZGB)<br />
sowie die Auflösung durch richterliches Urteil bei wi<strong>der</strong>rechtlichem o<strong>der</strong><br />
unsittlichem Zweck (Art. 78 ZGB). Weiter kann statutarisch die Auflösung<br />
bei E<strong>in</strong>tritt bestimmter Umstände vorgesehen werden, ohne dass<br />
e<strong>in</strong> zusätzlicher Beschluss gefasst werden muss.<br />
Wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> aufgelöst wird, verliert er se<strong>in</strong>e Rechtspersönlichkeit<br />
nicht unmittelbar mit dem E<strong>in</strong>tritt des Auflösungsgrundes, son<strong>der</strong>n erst,<br />
wenn ke<strong>in</strong>e Aktiven und Verpflichtungen mehr vorhanden s<strong>in</strong>d. Der<br />
Vere<strong>in</strong> tritt zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Liquidationsphase, <strong>in</strong> welcher sich se<strong>in</strong>e<br />
Tätigkeit auf die Durchführung <strong>der</strong> Liquidation beschränkt. Dabei muss<br />
je<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Namen den Zusatz „<strong>in</strong> Liquidation“ beifügen, auch<br />
wenn er nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist (Art. 739 Abs. 1 OR<br />
i.V. m. Art. 58 ZGB und Art. 913 Abs. 1 OR). 674<br />
E<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sbeschluss, <strong>in</strong> welchem die Zahlungsunfähigkeit des Vere<strong>in</strong>s<br />
festgestellt wird, hat dieselben Wirkungen wie die amtliche Feststellung<br />
<strong>der</strong>selben. Die privatrechtliche Liquidation, welche auf den<br />
Auflösungsbeschluss folgt, erfolgt nach den Regeln <strong>der</strong> Aktiengesellschaft.<br />
Gemäss Art. 743 Abs. 2 OR haben die Liquidatoren das Gericht<br />
zu benachrichtigen, sobald sie e<strong>in</strong>e Überschuldung feststellen. Dieses hat<br />
den Konkurs zu eröffnen. Im Ergebnis kann so auch über e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>,<br />
<strong>der</strong> nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist, <strong>der</strong> Konkurs eröffnet werden,<br />
wenn er <strong>in</strong>solvent ist. 675<br />
673 Vgl. zu diesem Begriff FN 600 und ausführlich URS SCHERRER, Kommentar zu<br />
Art. 77 ZGB N 3 ff., Basel 1996. In <strong>der</strong> Praxis s<strong>in</strong>d kaum Fälle bekannt, <strong>in</strong> welchen e<strong>in</strong><br />
Vere<strong>in</strong> wegen Zahlungsunfähigkeit aufgelöst worden ist (DERS., Auflösung und Liquidation<br />
e<strong>in</strong>es Sportvere<strong>in</strong>s, SpuRt 1998, S. 212, mit Besprechung e<strong>in</strong>es Entscheides des Gerichtspräsidenten<br />
5 des Gerichtskreises Biel-Nidau vom 18.05.1998 betreffend den Eishockey-Club<br />
Biel).<br />
674 DERS., Kommentar zu Art. 76 ZGB N 3 f., Basel 1996.<br />
675 Art. 58 ZGB verweist auf das Genossenschaftsrecht, welches wie<strong>der</strong>um auf das Recht<br />
<strong>der</strong> Aktiengesellschaft weiterverweist. Art. 743 Abs. 2 OR ist anwendbar, auch wenn die<br />
Zahlungsunfähigkeit i.S.v. Art. 77 ZGB nicht mit <strong>der</strong> Überschuldung i.S.d. aktienrechtli-<br />
207
Die Liquidation des Vermögens e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s erfolgt unabhängig von<br />
e<strong>in</strong>er allfälligen Handelsregistere<strong>in</strong>tragung nach den aktienrechtlichen<br />
Bestimmungen (Art. 739 ff. OR). Diese Regeln s<strong>in</strong>d grundsätzlich zw<strong>in</strong>gend,<br />
es sei denn, es ergeben sich aus <strong>der</strong> unterschiedlichen Ausgestaltung<br />
des Vere<strong>in</strong>s im Vergleich zur Aktiengesellschaft Beson<strong>der</strong>heiten.<br />
Abweichend geregelt ist für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> die Vermögensverwendung nach<br />
<strong>der</strong> Liquidation. Diesbezüglich gilt Art. 57 ZGB: Allfällig verbleibendes<br />
Vermögen geht an das Geme<strong>in</strong>wesen, sofern die Statuten o<strong>der</strong> die zuständigen<br />
Organe nichts an<strong>der</strong>es bestimmen. 676<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />
Die Bestimmung von Art. 78 ZGB, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wi<strong>der</strong>rechtlichem<br />
677 o<strong>der</strong> unsittlichem Zweck auf Klage h<strong>in</strong> aufzulösen s<strong>in</strong>d, enthält<br />
e<strong>in</strong>en Grundsatz, <strong>der</strong> auch für die Körperschaften des OR gilt. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
wird postuliert, die Aufhebung solcher Körperschaften sei angesichts<br />
<strong>der</strong> im Handelsrecht wichtigen Bestandes- und Verkehrsschutz<strong>in</strong>teressen<br />
als ultima ratio anzusehen. 678 Der Grundsatz, dass die<br />
Auflösung als ultima ratio zu betrachten sei, gilt auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters.<br />
Im Gegensatz zum Aktienrecht und zum Recht <strong>der</strong> Gesellschaft mit<br />
beschränkter Haftung ist im Vere<strong>in</strong>srecht ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Klage auf<br />
Auflösung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s aus wichtigem Grund vorgesehen. Nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> herrschenden Lehre kann e<strong>in</strong>e solche Klagemöglichkeit auch<br />
nicht <strong>in</strong> den Statuten vorgesehen werden. Die Mitglie<strong>der</strong> haben aus dem<br />
Vere<strong>in</strong> auszutreten, während dieser bestehen bleibt, o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />
Vere<strong>in</strong>sbeschluss herbeizuführen. 679 Die Auflösungsklage aus<br />
wichtigem Grund, wie sie im OR vorgesehen ist, dient dem Schutz von<br />
M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten vor schwerem Missbrauch durch die Mehrheit. Im Zuge<br />
chen Bestimmung übere<strong>in</strong>stimmt. Vgl. dazu DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong><br />
Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 171 ff.<br />
676<br />
DIES., a.a.O., S. 173 und mit ausführlicher Darstellung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Schritte <strong>der</strong> Liquidation<br />
S. 258 ff.<br />
677<br />
Selbst bei Ablehnung <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck ist<br />
e<strong>in</strong> solcher Zweck nicht wi<strong>der</strong>rechtlich i.S.v. Art. 78 ZGB: URS SCHERRER, Kommentar<br />
zu Art. 78 ZGB N 4, Basel 1996, mit H<strong>in</strong>weisen auf RIEMER und BGE 100 III 19.<br />
678<br />
CLAIRE HUGUENIN JACOBS, Kommentar zu Art. 57/58 ZGB N 8 f., Basel 1996. Vgl.<br />
etwa Art. 746 Ziff. 4 OR für die Aktiengesellschaft: Bei <strong>der</strong> Behandlung e<strong>in</strong>er Klage von<br />
Aktionären auf Auflösung <strong>der</strong> Gesellschaft kann das Gericht auch auf e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e sachgemässe<br />
und den Beteiligten zumutbare Lösung erkennen.<br />
679<br />
URS SCHERRER, a.a.O. N 6; HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79 ZGB<br />
N 29, Bern 1990, mit Verweisen.<br />
208
<strong>der</strong> Revision des Aktienrechts s<strong>in</strong>d die Anfor<strong>der</strong>ungen an die entsprechende<br />
Klage herabgesetzt worden, was zeigt, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
diese Klage als wichtig erachtet. 680 M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutz kann auch bei<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong> ebenso berechtigtes Anliegen<br />
se<strong>in</strong> wie bei Kapitalgesellschaften. Es muss daher zulässig se<strong>in</strong>, dass<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>e entsprechende Auflösungsklage<br />
<strong>in</strong> den Statuten vorsehen können. Wie im Aktienrecht muss dabei das<br />
Gericht die Möglichkeit haben, weniger e<strong>in</strong>greifende Massnahmen anzuordnen.<br />
In <strong>der</strong> Praxis wird es dann immer noch dem e<strong>in</strong>zelnen Mitglied<br />
überlassen se<strong>in</strong>, ob es nicht den weniger aufreibenden Weg des Austritts<br />
aus dem Vere<strong>in</strong> wählt.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass die privatrechtliche Liquidation e<strong>in</strong>es<br />
Vere<strong>in</strong>s bereits nach geltendem Recht nach den Bestimmungen des Aktienrechts<br />
zu erfolgen hat, ergeben sich für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters betreffend das Verfahren ke<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten. Es ist an<br />
dieser Stelle e<strong>in</strong>zig darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass gemäss Art. 740 Abs. 3 OR<br />
bei Zahlungsunfähigkeit des Vere<strong>in</strong>s auch die Gläubiger die Möglichkeit<br />
haben, die E<strong>in</strong>setzung von Liquidatoren zu verlangen, wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />
die Liquidation nicht vornimmt. 681 Zur konkursrechtlichen Liquidation<br />
sei auf die Ausführungen im nachfolgenden Kapitel verwiesen.<br />
3. Grossvere<strong>in</strong>e<br />
Auch <strong>in</strong> Grossvere<strong>in</strong>en 682 ist <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutz e<strong>in</strong> wichtiges<br />
Anliegen. Die Möglichkeit, statutarisch e<strong>in</strong>e Auflösungsklage aus wichtigem<br />
Grund vorzusehen, muss deshalb auch für solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten.<br />
680 CHRISTOPH STÄUBLI, Kommentar zu Art. 736 OR N 17 ff., Basel 1994.<br />
681 Vgl. auch Entscheid des Gerichtspräsidenten 5 des Gerichtskreises Biel-Nidau vom<br />
18.05.1998 betreffend den Eishockey-Club Biel, <strong>in</strong>: SpuRt 1998, S. 212 f., mit Anmerkungen<br />
von URS SCHERRER.<br />
682 Vgl. dazu S. 123.<br />
209
XVIII. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im<br />
Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren<br />
1. Betreibung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />
Obwohl es <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> sehr viele <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gibt, treten sie im Betreibungs-<br />
und Konkurswesen verhältnismässig wenig <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung. 683<br />
Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, auch für solche wirtschaftlichen Charakters, gelten grundsätzlich<br />
die allgeme<strong>in</strong>en Regeln des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes.<br />
Je<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist, sei es gestützt<br />
auf Art. 61 Abs. 2 ZGB o<strong>der</strong> freiwillig, unterliegt <strong>der</strong> Konkursund<br />
Wechselbetreibung (Art. 39 Abs. 1 Ziff. 11 SchKG). 684 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die<br />
nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, unterliegen grundsätzlich <strong>der</strong><br />
Betreibung auf Pfändung. Bei nicht e<strong>in</strong>getragenen e<strong>in</strong>tragungspflichtigen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n kann jedoch <strong>der</strong> Gläubiger bei <strong>der</strong> Handelsregisterführung die<br />
E<strong>in</strong>tragung des Vere<strong>in</strong>s verlangen, was zur Unterstellung des Vere<strong>in</strong>s<br />
unter die Konkursbetreibung führt, sobald die E<strong>in</strong>tragung erfolgt ist. 685<br />
Gemäss Art. 46 SchKG s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen<br />
s<strong>in</strong>d, an ihrem Sitz, nicht e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> am Ort ihrer tatsächlichen<br />
Verwaltung zu betreiben. Dies ist <strong>der</strong> Ort, an welchem <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />
mit dem Zentrum se<strong>in</strong>er laufenden Verwaltung Dritten gegenüber tatsächlich<br />
<strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt. 686<br />
683<br />
HANS MICHAEL RIEMER, Vere<strong>in</strong> und SchKG, BlSchKG 42 (1978), S. 130.<br />
684<br />
DERS., a.a.O., S. 132 f.<br />
685<br />
Bis zur erfolgten E<strong>in</strong>tragung ist jedoch nur e<strong>in</strong>e Betreibung auf Pfändung möglich,<br />
Art. 57 Abs. 2 HRV; BGE 61 III 43 f.; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O., S. 133.<br />
686<br />
DERS., ST vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB N 615, Bern 1990. Nach RIEMER soll<br />
bei nicht e<strong>in</strong>getragenen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n <strong>der</strong> statutarische Sitz <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall für die Bestimmung<br />
des Betreibungsortes massgebend se<strong>in</strong>. Dies kann dazu führen, dass Betreibungsort und<br />
Gerichtsstand ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>fallen, was nicht sehr s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t. RIEMER beruft sich auf<br />
den zw<strong>in</strong>genden Charakter von Art. 46 SchKG und den Grundsatz <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit des Betreibungsortes.<br />
Die Statuten e<strong>in</strong>es nicht e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d nicht unbed<strong>in</strong>gt allen<br />
Gläubigern zugänglich, während für die Bestimmung des Ortes <strong>der</strong> Verwaltung alle<br />
Gläubiger dieselbe Ausgangslage haben. – Undurchsichtige Sitz- und Verwaltungsverhältnisse<br />
e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s können laut <strong>der</strong> Rechtsprechung e<strong>in</strong>en Arrest gemäss Art. 271 Ziff. 1<br />
o<strong>der</strong> 4 SchKG rechtfertigen (a.a.O. N 628; Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom<br />
8.03.1976, bestätigt durch das Appellationsgericht Basel-Stadt am 18.06.1976, <strong>in</strong> BJM<br />
1976, S. 337 f.: Zu beurteilen war e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>en statutarischen Sitz sowie se<strong>in</strong><br />
Domizil <strong>in</strong> Basel hatte, ohne jedoch am Domizil über Mobiliar o<strong>der</strong> Akten zu verfügen.<br />
Sämtliche zeichnungsberechtigten Organe waren im Ausland wohnhaft, zum Teil aus <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> ausgewiesen worden. Das Gericht kam zum Schluss, bei dieser Sachlage bestehe<br />
210
Zum pfändbaren Vermögen bzw. zur Konkursmasse e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s<br />
gehören sämtliche Aktiven des Vere<strong>in</strong>s, e<strong>in</strong>e Ausscheidung von Kompetenzstücken<br />
ist ausgeschlossen. 687 Zu den Vere<strong>in</strong>saktiven gehören<br />
auch die Ansprüche des Vere<strong>in</strong>s gegenüber se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n, namentlich<br />
noch nicht geleistete Mitglie<strong>der</strong>beiträge. 688 Obwohl sich die Gläubiger<br />
e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s primär an den Vere<strong>in</strong> halten müssen, kann es aufgrund<br />
von Art. 131 o<strong>der</strong> Art. 260 SchKG im Stadium <strong>der</strong> Verwertung <strong>der</strong> Aktiven<br />
des Vere<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>em direkten For<strong>der</strong>ungsrecht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sgläubiger<br />
gegen die Mitglie<strong>der</strong> kommen. Um das diesbezügliche Risiko für die<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Grenzen zu halten, s<strong>in</strong>d die Mitglie<strong>der</strong>beiträge i.S.v. Art. 71<br />
Abs. 1 ZGB statutarisch <strong>in</strong> genügen<strong>der</strong> Höhe festzusetzen. 689<br />
2. Konkursgründe und Konkursverfahren<br />
Ohne vorgängige Betreibung kann gegen jeden Vere<strong>in</strong> die Konkurseröffnung<br />
verlangt werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 190 Abs.<br />
1 Ziff. 1 SchKG erfüllt s<strong>in</strong>d. 690 Bei E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> Zahlungen kann<br />
ausserdem, wie<strong>der</strong>um ohne vorgängige Betreibung, gegen im Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG die<br />
Konkurseröffnung verlangt werden. Schliesslich können <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> selbst<br />
die Konkurseröffnung verlangen, wenn sie sich beim Gericht für zahlungsunfähig<br />
i.S.v. Art. 191 SchKG erklären. 691 Art. 192 SchKG be-<br />
ke<strong>in</strong>e Gewähr dafür, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> für se<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dlichkeiten von se<strong>in</strong>en Gläubigern <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> belangt werden könne.). – Zur Zustellung <strong>der</strong> Betreibungsurkunden an im<br />
Handelsregister e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> vgl. Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG, für nicht e<strong>in</strong>getragene<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> Art. 65 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />
687<br />
BGE 63 III 17 (Fussballclub Solothurn, 1937): Der Fussballclub wollte sich auf e<strong>in</strong> öffentliches<br />
Interesse an se<strong>in</strong>em Fortbestand berufen und machte geltend, es könnten ihm<br />
ke<strong>in</strong>e für se<strong>in</strong>e Existenz unentbehrlichen Vermögensstücke gepfändet werden. Vgl. auch<br />
HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB N 624, Bern 1990.<br />
688<br />
Zum Konkurs e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s mit persönlicher Haftung o<strong>der</strong> Nachschusspflicht <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> vgl. unten S. 213.<br />
689<br />
HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 625. Vgl. dazu bereits die Ausführungen S. 155 ff. –<br />
H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> persönlichen Haftung und <strong>der</strong> Nachschusspflicht ist e<strong>in</strong>e Abtretung des<br />
Anspruches gestützt auf Art. 260 SchKG bei analoger Anwendung <strong>der</strong> VGeK ausgeschlossen<br />
(Art. 4 Abs. 4 VGeK), vgl. dazu unten S. 213.<br />
690<br />
DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich<br />
1994, S. 161 f., geht davon aus, dass diese Bestimmung für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> kaum praktische<br />
Bedeutung hat, es sei denn Organe nehmen <strong>in</strong> Ausübung ihres Amtes deliktische Handlungen<br />
zum Nachteil <strong>der</strong> Gläubiger vor o<strong>der</strong> verheimlichen Vermögensbestandteile bei<br />
e<strong>in</strong>er Pfändung.<br />
691<br />
Vgl. zur Zahlungsunfähigkeit URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 77 ZGB N 7 f., Basel<br />
1996; DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e,<br />
211
stimmt ausserdem für Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, dass<br />
<strong>der</strong> Konkurs <strong>in</strong> denjenigen Fällen ohne vorgängige Betreibung eröffnet<br />
werden kann, <strong>in</strong> welchen das OR dies vorsieht. Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d diejenigen<br />
Fälle, <strong>in</strong> welchen die Gesellschaft bei Überschuldung verpflichtet ist,<br />
„die Bilanz zu deponieren“. Im Zusammenhang mit dem Gläubigerschutz<br />
wurde ausgeführt, dass die entsprechenden Regeln – im S<strong>in</strong>ne des<br />
VERRG – auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters gelten müssen.<br />
692 Entsprechend ist Art. 192 SchKG auch auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters auszudehnen. 693<br />
Der Konkursort für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters bef<strong>in</strong>det sich<br />
am Betreibungsort gemäss Art. 46 SchKG. 694<br />
Die konkursrechtliche Liquidation von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters ist grundsätzlich nicht beson<strong>der</strong>s auszugestalten; es rechtfertigen<br />
sich jedoch zwei Abweichungen vom Gesetzeswortlaut: Art. 213<br />
Abs. 4 SchKG schliesst entgegen <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Regel von Abs. 1 aus,<br />
dass e<strong>in</strong> Mitglied e<strong>in</strong>er konkursiten Kommanditgesellschaft, Aktiengesellschaft,<br />
Kommanditaktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung o<strong>der</strong> Genossenschaft se<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ungen gegen die Gesellschaft<br />
mit Beiträgen verrechnen darf, welche <strong>der</strong> Gesellschaft geschuldet s<strong>in</strong>d.<br />
Die Bestimmung dient dem Schutz des Haftungssubstrats <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />
welches für die Gesellschaftsgläubiger von grosser Bedeutung<br />
ist. 695 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> werden <strong>in</strong> Art. 213 Abs. 4 SchKG nicht erwähnt. Aufgrund<br />
des Gesetzeswortlautes besteht daher die Möglichkeit, dass Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />
For<strong>der</strong>ungen gegen den konkursiten Vere<strong>in</strong> mit noch<br />
nicht e<strong>in</strong>bezahlten Mitglie<strong>der</strong>beiträgen und Nachschusspflichten 696 ver-<br />
Diss. Zürich 1994, S. 169; HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79 ZGB<br />
N 17 ff., Bern 1990.<br />
692 Vgl. dazu S. 191.<br />
693 Dies wurde vom Bundesgericht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entscheid vom 18.02.1980 i.S. Multihôtels-<br />
Club getan: Der Multihôtels-Club hatte als Zweck „de garantir à ses membres des vacances<br />
dans des résidences hôtelières de grand stand<strong>in</strong>g“ (SemJud 103 [1981], S. 46 ff.). – Nach<br />
Ansicht von DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e,<br />
Diss. Zürich 1994, S. 52, 144 f., steht <strong>der</strong> Konkursaufschub, wie er für die Aktiengesellschaft,<br />
die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Genossenschaft im OR vorgesehen<br />
ist, für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> als Sanierungs<strong>in</strong>strument h<strong>in</strong>gegen nicht zur Verfügung. Gemäss<br />
Art. 66 VERRG soll diese Möglichkeit jedoch auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>geführt werden. Bis<br />
zum Inkrafttreten des RRG ersche<strong>in</strong>t es s<strong>in</strong>nvoll, diese Regelung für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters analog <strong>der</strong> entsprechenden Bestimmung des Aktienrechts zuzulassen.<br />
694 ERNST F. SCHMID, Kommentar zu Art. 46 SchKG N 14, Basel 1998. Zu den Problemen<br />
im Zusammenhang mit dem Betreibungsort vgl. oben S. 210.<br />
695 STÄUBLI / DUBACHER, Kommentar zu Art. 213 SchKG N 5 und 27 ff., Basel 1998.<br />
696 Beachte zur Behandlung von Nachschüssen die nachfolgenden Ausführungen.<br />
212
echnen. Aufgrund <strong>der</strong> Bedeutung des Haftungssubstrats bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wirtschaftlichen Charakters ist e<strong>in</strong>e Ausdehnung von Art. 213 Abs. 4<br />
SchKG auf solche s<strong>in</strong>nvoll. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters sollten<br />
diesbezüglich nicht an<strong>der</strong>s behandelt werden als die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesetzesbestimmung<br />
ausdrücklich genannten Gesellschaften. 697<br />
Die zweite Abweichung betrifft <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>e persönliche Haftung<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Nachschusspflicht vorsehen. Art. 873 OR enthält<br />
beson<strong>der</strong>e Bestimmungen für den Konkurs entsprechen<strong>der</strong> Genossenschaften.<br />
Die Bestimmung wird konkretisiert durch die Verordnung<br />
des Bundesgerichts über den Genossenschaftskonkurs (VGeK): Die Gesellschaftsgläubiger<br />
nehmen nicht erst nach abgeschlossenem Konkursverfahren<br />
die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuell <strong>in</strong> Anspruch, son<strong>der</strong>n die<br />
Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> wird bereits im Konkurs <strong>der</strong> Gesellschaft durch<br />
die Konkursverwaltung geltend gemacht. E<strong>in</strong>zelangriffe und Regresse<br />
gegen die Mitglie<strong>der</strong> werden dadurch zurückgedrängt. Die Gesellschaftsgläubiger<br />
werden im Konkurs <strong>der</strong> Gesellschaft besser gestellt, weil sie<br />
ohne grossen zusätzlichen Aufwand die haftenden Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Anspruch<br />
nehmen können. Für die haftenden Mitglie<strong>der</strong> ergibt sich <strong>in</strong>sofern<br />
ebenfalls e<strong>in</strong>e Besserstellung, als sie sich bei solidarischer Verpflichtung<br />
weniger um Regressansprüche für une<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gliche Beiträge<br />
kümmern müssen; die Verteilung <strong>der</strong> Ansprüche erfolgt bereits im Rahmen<br />
des gesetzlich geregelten Umlageverfahrens. Bei anteilsmässiger<br />
Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d diese E<strong>in</strong>zelangriffen höchstens nach<br />
durchgeführtem Gesellschaftskonkurs ausgesetzt. 698 Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bestehen<br />
ke<strong>in</strong>e entsprechenden Bestimmungen; es ist jedoch s<strong>in</strong>nvoll, diejenigen<br />
zur Genossenschaft unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten des<br />
Vere<strong>in</strong>srechts entsprechend anzuwenden, zumal sich daraus sowohl für<br />
die Gläubiger als auch für die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> Vorteile ergeben. 699<br />
3. Belangbarkeit von Organen und Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n nach<br />
durchgeführtem Vere<strong>in</strong>skonkurs<br />
Grundsätzlich besteht – abgesehen von allfälligen Ansprüchen aus <strong>der</strong><br />
Verletzung von Handlungspflichten bei Liquidationsproblemen o<strong>der</strong><br />
sonstigen Verantwortlichkeitsansprüchen gegen die Organe – ke<strong>in</strong>e Ge-<br />
697 Zur Bedeutung von Art. 213 Abs. 4 SchKG für die Genossenschaft vgl. STÄUBLI /<br />
DUBACHER, Kommentar zu Art. 213 SchKG N 28, Basel 1998.<br />
698 HANS NIGG, Kommentar zu Art. 873 OR N 1, Basel 1994.<br />
699 In diesem S<strong>in</strong>ne auch HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB<br />
N 626 f. und Kommentar zu Art. 71 ZGB N 16, Bern 1990.<br />
213
fahr, dass die Organe o<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> nach Abschluss des Konkurses<br />
über den Vere<strong>in</strong> noch persönlich belangt werden.<br />
An dieser Stelle muss jedoch darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, dass e<strong>in</strong><br />
durchgeführter und abgeschlossener Konkurs über e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n ke<strong>in</strong>e absolute Sicherheit<br />
bietet, solange die Zulässigkeit solcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> umstritten ist. In BGE<br />
100 III 19 (Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung, 1974) 700 hatte das Bundesgericht<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rekursverfahren zu beurteilen, ob <strong>der</strong> gegen die<br />
Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung durchgeführte Konkurs nichtig war.<br />
E<strong>in</strong>e Gläubiger<strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung hatte sich auf den Standpunkt<br />
gestellt, die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung verfolge e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />
Zweck und sei daher als e<strong>in</strong>fache Gesellschaft zu betrachten,<br />
über die ke<strong>in</strong> Konkurs eröffnet werden kann. Das Bundesgericht<br />
kam unter an<strong>der</strong>em aus verfahrensrechtlichen Gründen zum Schluss, das<br />
Konkursverfahren sei rechtmässig und müsse zu Ende geführt werden.<br />
Es wies jedoch ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>, die Frage, ob <strong>der</strong> Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung<br />
die Rechtspersönlichkeit zukomme, sei mit dem Rekursentscheid<br />
nicht rechtskräftig entschieden. Die Gläubiger könnten immer<br />
noch e<strong>in</strong>zelne Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> belangen, worauf das Zivilgericht frei<br />
darüber bef<strong>in</strong>den könne, ob diese als e<strong>in</strong>fache Gesellschafter persönlich<br />
und solidarisch haftbar seien.<br />
4. Verwertung von Mitgliedschaftsrechten im Betreibungso<strong>der</strong><br />
Konkursverfahren gegen Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />
Wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>smitglied auf Pfändung betrieben o<strong>der</strong> wenn über e<strong>in</strong><br />
Vere<strong>in</strong>smitglied <strong>der</strong> Konkurs eröffnet wird, so fallen allfällige f<strong>in</strong>anzielle<br />
Ansprüche des Mitgliedes gegenüber dem Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> das pfändbare Vermögen<br />
bzw. <strong>in</strong> die Konkursmasse. Von beson<strong>der</strong>em Interesse s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
diesem Zusammenhang allfällige Ansprüche des Mitgliedes auf Vere<strong>in</strong>svermögen<br />
und die diesbezüglichen Auswirkungen auf den Vere<strong>in</strong>. 701<br />
Das Genossenschaftsrecht enthält für diesen Fall beson<strong>der</strong>e Bestimmungen<br />
702 : Falls die Statuten e<strong>in</strong>er Genossenschaft e<strong>in</strong>em ausscheiden-<br />
700 Vgl. dazu S. 53.<br />
701 Vgl. diesbezüglich Art. 104 SchKG und Art. 132 SchKG, die Regelungen betreffend<br />
die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gesellschaftsgut enthalten. Gemäss<br />
ANDRÉ E. LEBRECHT, Kommentar zu Art. 104 SchKG N 6, Basel 1998, gilt diese Bestimmung<br />
allerd<strong>in</strong>gs nicht für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />
702 Beson<strong>der</strong>e Bestimmungen bestehen auch für die e<strong>in</strong>fache Gesellschaft (Art. 544 Abs. 2<br />
i.V.m. Art. 545 OR), die Kollektivgesellschaft (Art. 572 Abs. 2 i.V.m. Art. 575 OR), die<br />
214
den Mitglied e<strong>in</strong>en Anteil am Vermögen <strong>der</strong> Genossenschaft e<strong>in</strong>räumen,<br />
so kann das entsprechende Austrittsrecht vom Betreibungsamt bzw. von<br />
<strong>der</strong> Konkursverwaltung geltend gemacht werden (Art. 845 OR). Die<br />
Geltendmachung des Austrittsrechts dient <strong>der</strong> Verfügbarmachung des<br />
Vermögensanspruches des Mitgliedes für dessen Gläubiger. 703 Die Bestimmung<br />
kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Vermögensrechte<br />
<strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> nicht <strong>in</strong> Anteilsche<strong>in</strong>en verurkundet<br />
s<strong>in</strong>d. 704 Die Möglichkeit <strong>der</strong> Austrittserklärung durch das<br />
Betreibungsamt o<strong>der</strong> die Konkursverwaltung ist gemäss Bundesgericht<br />
zw<strong>in</strong>gend; sie kann nicht statutarisch ausgeschlossen werden. E<strong>in</strong>e Statutenbestimmung,<br />
welche Genossenschaftsanteile als unübertragbar und<br />
unverpfändbar erklärt, ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang nicht beachtlich. 705<br />
Das Vere<strong>in</strong>srecht enthält demgegenüber ke<strong>in</strong>e Bestimmung, die explizit<br />
die Möglichkeit <strong>der</strong> Austrittserklärung durch das Betreibungsamt bzw.<br />
die Konkursverwaltung vorsieht. Der Gesetzgeber ist wohl nicht davon<br />
ausgegangen, dass sich bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unter Umständen lohnende Ansprüche<br />
für ausscheidende Mitglie<strong>der</strong> ergeben können. 706 Die Frage, ob<br />
die Bestimmungen des Genossenschaftsrechts auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> analog angewendet<br />
werden sollten, hängt jedoch nicht eng zusammen mit <strong>der</strong> Frage<br />
<strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
besteht ke<strong>in</strong> Zusammenhang mit <strong>der</strong> Problematik des Schutzes <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sgläubiger.<br />
Die entsprechenden Bestimmungen des Genossenschaftsrechts<br />
führen e<strong>in</strong>zig zu e<strong>in</strong>er Besserstellung <strong>der</strong> Gläubiger des Gesellschaftsmitgliedes,<br />
nicht jedoch <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sgläubiger. Daher g<strong>in</strong>ge es zu<br />
weit, ohne gesetzliche Grundlage die Möglichkeit <strong>der</strong> Geltendmachung<br />
des Austrittsrechts durch die Betreibungs- und Konkursbehörden zu<br />
for<strong>der</strong>n. Denn das Recht auf Entscheidung über Austritt o<strong>der</strong> Verbleib<br />
gehört gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n zu den Persönlichkeitsrechten des Mitglieds<br />
und stellt e<strong>in</strong>en wesentlichen Aspekt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit dar.<br />
Anstatt <strong>der</strong> Erklärung des Austrittes besteht bei <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
auch die Möglichkeit, dass das Anteilsrecht versteigert wird, was aller-<br />
Kommanditgesellschaft (Art. 613 Abs. 2 OR) und die Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung (Art. 793 OR).<br />
703<br />
E<strong>in</strong>e ähnliche Regelung enthalten Art. 793 ff. OR für die Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung. Für diese sieht das Gesetz jedoch zusätzlich die Möglichkeit <strong>der</strong> zwangsweisen<br />
Auflösung <strong>der</strong> Gesellschaft vor.<br />
704<br />
MAGDALENA RUTZ, Kommentar zu Art. 132 SchKG N 56, Basel 1998.<br />
705<br />
BGE 84 III 21.<br />
706<br />
Zur Frage, ob ausscheidende Mitglie<strong>der</strong> überhaupt e<strong>in</strong>en Anspruch auf Vere<strong>in</strong>svermögen<br />
haben können, vgl. die Ausführungen S. 180.<br />
215
d<strong>in</strong>gs bei statutarisch vorgesehener Unübertragbarkeit <strong>der</strong> Genossenschaftsanteile<br />
ausgeschlossen ist. Die Versteigerung des Anteilsrechts<br />
verleiht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Erwerb <strong>der</strong> Mitgliedschaft.<br />
Der Ersteigerer erwirbt lediglich die aus <strong>der</strong> Mitgliedschaft fliessenden<br />
geldwerten For<strong>der</strong>ungsrechte, also <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e den Anspruch auf allfällige<br />
Ausschüttungen gemäss Art. 859 Abs. 3 OR und auf e<strong>in</strong>en allfälligen<br />
Liquidationsanteil gemäss Art. 913 Abs. 2 und 3 OR. Für die Aufnahme<br />
als Mitglied s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>zig die statutarischen<br />
Bestimmungen massgebend, wobei gemäss Bundesgericht ke<strong>in</strong> klagbarer<br />
Anspruch auf Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Genossenschaft besteht, selbst wenn<br />
die aufnahmewillige Person sämtliche statutarischen Voraussetzungen<br />
erfüllt 707 . 708 Ob im übrigen die Bestimmungen <strong>der</strong> Verordnung des Bundesgerichts<br />
über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Geme<strong>in</strong>schaftsvermögen<br />
(VVAG) auf die Genossenschaft Anwendung f<strong>in</strong>den<br />
sollen, ist umstritten. 709 H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong><br />
Versteigerung vermögenswerter Rechte, welche sich aus <strong>der</strong> Mitgliedschaft<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> ergeben können, bestehen weniger grundsätzliche<br />
Bedenken als im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er allfälligen Austrittserklärung<br />
durch die Konkursverwaltung. Sie sollte daher auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n möglich<br />
se<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs ist zu betonen, dass bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nur unter ganz restriktiven<br />
Voraussetzungen e<strong>in</strong> Anspruch auf Aufnahme als Mitglied bestehen<br />
kann. 710 Die Ersteigerung e<strong>in</strong>es Anteils an e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> darf<br />
daher nicht zu e<strong>in</strong>em Anspruch auf Aufnahme führen.<br />
707 Vgl. dazu S. 171.<br />
708 MAGDALENA RUTZ, Kommentar zu Art. 132 SchKG N 57, Basel 1998.<br />
709 Gemäss Wortlaut von Art. 1 VVAG kommt die Verordnung auf Anteile am Vermögen<br />
von ungeteilten Erbschaften, Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>schaften, Kollektivgesellschaften, Kommanditgesellschaften<br />
o<strong>der</strong> ähnlichen Geme<strong>in</strong>schaften zur Anwendung. In <strong>der</strong> Literatur wird teilweise<br />
die Me<strong>in</strong>ung vertreten, die VVAG könne nicht auf juristische Personen angewendet<br />
werden. Zum Teil wird immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e analoge, im Ermessen <strong>der</strong> Behörden liegende Anwendung<br />
zum<strong>in</strong>dest für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung befürwortet; zum Teil<br />
wird dafür plädiert, unter die „ähnlichen Geme<strong>in</strong>schaften“ falle etwa die Gesellschaft mit<br />
beschränkter Haftung. Vgl. diesbezüglich die H<strong>in</strong>weise bei MAGDALENA RUTZ, a.a.O. N 2<br />
und 50.<br />
710 Vgl. diesbezüglich S. 167 ff.<br />
216
XIX. Fusion und Umwandlung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wirtschaftlichen Charakters<br />
1. Die Fusion und Umwandlung im allgeme<strong>in</strong>en<br />
Im geltenden Recht s<strong>in</strong>d Fusionen und Umwandlungen von Gesellschaften<br />
nur sehr rudimentär geregelt. Spaltungen s<strong>in</strong>d gar unzulässig. 711<br />
Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> enthält das geltende Recht ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen.<br />
Das Bundesgericht hat dennoch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n schon lange Fusionen<br />
zugelassen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis fanden auch diverse Umwandlungen statt. 712 In<br />
e<strong>in</strong>em jüngeren Grundsatzentscheid hat das Bundesgericht <strong>in</strong> Bestätigung<br />
<strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Handelsregisterbehörden generelle Regeln für die<br />
Zulässigkeit von Fusionen und Umwandlungen aufgestellt: Die beteiligten<br />
Rechtsformen müssen grundsätzlich kompatibel se<strong>in</strong>, die vermögensmässige<br />
und die mitgliedschaftliche Kont<strong>in</strong>uität müssen gewahrt<br />
werden und <strong>der</strong> beabsichtigte Vorgang darf die direkten o<strong>der</strong> potentiellen<br />
Interessen <strong>der</strong> Gläubigerschaft nicht bee<strong>in</strong>trächtigen. 713<br />
De lege ferenda werden im Fusionsgesetz die Fusion, Umwandlung,<br />
Spaltung und Vermögensübertragung umfassend für alle Gesellschaftsformen<br />
geregelt. Dabei werden die oben genannten Grundsätze betreffend<br />
die Zulässigkeitsvoraussetzungen übernommen. Der Entwurf zum<br />
Fusionsgesetz enthält ausdrückliche und abschliessende Bestimmungen,<br />
welche Arten von Umstrukturierungen für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zulässig s<strong>in</strong>d.<br />
Gemäss Art. 4 EFusG können im Handelsregister e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
als übertragende Gesellschaften mit Kapitalgesellschaften und Genossenschaften<br />
(Absorption) und als übernehmende Gesellschaften mit<br />
711 Vgl. die Übersicht <strong>in</strong> Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung,<br />
Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000,<br />
BBl 2000, S. 4340 und die H<strong>in</strong>weise bei LANZ /TRIEBOLD, Der Rechtskleidwechsel e<strong>in</strong>es<br />
Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft, SZW 2000, S. 58 f.<br />
712 Vgl. etwa BGE 53 II 1. Vgl. zur Praxis <strong>der</strong> Handelsregisterbehörden auch Stellungnahme<br />
des Eidgenössischen Amts für das Handelsregister vom 8. Februar 1999 zur Umwandlung<br />
e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft, Reprax 1999, S. 47 ff. und Stellungnahme<br />
des Handelsregisteramts des Kantons Zürich vom 8. Februar 1999 zum konkreten<br />
Vorgehen bei <strong>der</strong> Umwandlung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft, a.a.O., S. 51 f.<br />
Weitere Ausführungen f<strong>in</strong>den sich bei HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79<br />
ZGB N 71 ff., Bern 1990, DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und<br />
Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 81 f. und LANZ /TRIEBOLD, a.a.O., S. 57 ff.<br />
713 BGE 125 III 18; vgl. auch Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion,<br />
Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000,<br />
a.a.O., S. 4341.<br />
217
Genossenschaften ohne Anteilsche<strong>in</strong>e fusionieren (Absorption). 714 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
die nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, können lediglich mit<br />
an<strong>der</strong>en <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n fusionieren (Absorption und Komb<strong>in</strong>ation).<br />
Die zulässigen Fusionen decken sich mit den zulässigen Umwandlungen,<br />
denn e<strong>in</strong>e rechtsformüberschreitende Fusion kann stets zerlegt<br />
werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Umwandlung <strong>der</strong> Rechtsform <strong>der</strong> übertragenden Gesellschaft<br />
und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e anschliessende Fusion zwischen Gesellschaften <strong>der</strong><br />
gleichen Rechtsform. 715 Entsprechend zulässig s<strong>in</strong>d gemäss Art. 54<br />
EFusG die Umwandlung e<strong>in</strong>es im Handelsregister e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>s<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kapitalgesellschaft o<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Genossenschaft und die Umwandlung<br />
e<strong>in</strong>er Genossenschaft ohne Anteilsche<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en im Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>.<br />
Gemäss Art. 30 EFusG soll die Spaltung nur für Kapitalgesellschaften<br />
und Genossenschaften zulässig se<strong>in</strong>, nicht jedoch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Diesen<br />
steht lediglich das Rechts<strong>in</strong>stitut <strong>der</strong> Vermögensübertragung offen, mit<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlich gesehen e<strong>in</strong> ähnliches Resultat erzielt werden kann. 716<br />
Folgende Vermögensübertragungen s<strong>in</strong>d gemäss Art. 69 EFusG zulässig:<br />
Die Vermögensübertragung durch e<strong>in</strong>en im Handelsregister e<strong>in</strong>getragenen<br />
Vere<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>getragenen o<strong>der</strong> nicht e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>,<br />
auf e<strong>in</strong>e Kapitalgesellschaft, Genossenschaft o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelfirma<br />
und die Übertragung durch e<strong>in</strong>e im Handelsregister e<strong>in</strong>getragene Gesellschaft<br />
o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelfirma auf e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>getragenen o<strong>der</strong> nicht e<strong>in</strong>getragenen<br />
Vere<strong>in</strong>.<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />
Der Entwurf zum Fusionsgesetz enthält diverse Bestimmungen für<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Obwohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Botschaft verschiedentlich darauf h<strong>in</strong>gewiesen<br />
wird, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bestehen, welche nicht dem Idealbild<br />
des Gesetzgebers des ZGB entsprechen, wird <strong>in</strong> diesen Bestimmungen<br />
nicht auf die Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />
e<strong>in</strong>gegangen.<br />
714 Die Übernahme e<strong>in</strong>er Kapitalgesellschaft durch e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> wurde entgegen vere<strong>in</strong>zelten<br />
For<strong>der</strong>ungen im Vernehmlassungsverfahren als nicht zulässig bestimmt, da e<strong>in</strong>e<br />
entsprechende Fusion zur Folge hätte, dass das Aktien- o<strong>der</strong> Stammkapital verschw<strong>in</strong>den<br />
würde (Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung<br />
und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4395).<br />
715 Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />
Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, a.a.O., S. 4394.<br />
716 A.a.O., S. 4433.<br />
218
Art. 13 Abs. 2 EFusG enthält Son<strong>der</strong>bestimmungen für Fusionen<br />
zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. Bei solchen Fusionen muss <strong>der</strong> Fusionsvertrag die<br />
Rechte nicht aufzählen, welche die übernehmende Gesellschaft den Inhabern<br />
von Son<strong>der</strong>rechten, von Anteilen ohne Stimmrecht o<strong>der</strong> von<br />
Genusssche<strong>in</strong>en gewährt. Der Fusionsvertrag muss auch ke<strong>in</strong>e Modalitäten<br />
betreffend den Umtausch allfälliger Anteile enthalten, muss sich<br />
nicht über die Abmachungen betreffend den Anspruch auf e<strong>in</strong>en allfälligen<br />
Anteil am Bilanzgew<strong>in</strong>n aussprechen und muss ke<strong>in</strong>e Angaben über<br />
e<strong>in</strong>e allfällige Abf<strong>in</strong>dung enthalten, welche den Mitglie<strong>der</strong>n anstelle von<br />
Anteils- o<strong>der</strong> Mitgliedschaftsrechten angeboten wird. In <strong>der</strong> Botschaft<br />
wird diesbezüglich lediglich festgehalten, bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n sei <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht<br />
ke<strong>in</strong>e Regelung erfor<strong>der</strong>lich. 717 Damit wird implizit davon ausgegangen,<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sähen ke<strong>in</strong>e Anteilsche<strong>in</strong>e und ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Bilanzgew<strong>in</strong>ne<br />
vor. In <strong>der</strong> Praxis ersche<strong>in</strong>t diese Annahme namentlich für<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters als nicht gerechtfertigt. Für solche<br />
sollten ke<strong>in</strong>erlei E<strong>in</strong>schränkungen betreffend den Inhalt des Fusionsvertrags<br />
bestehen. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche ke<strong>in</strong>e Anteilsche<strong>in</strong>e und ke<strong>in</strong>en<br />
Anspruch auf den Bilanzgew<strong>in</strong>n vorsehen, ergibt sich von selbst, dass<br />
<strong>der</strong> Fusionsvertrag ke<strong>in</strong>e entsprechenden Bestimmungen enthält.<br />
Gemäss Art. 14 Abs. 5 EFusG muss bei <strong>der</strong> Fusion zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
ke<strong>in</strong> Fusionsbericht erstellt werden. Der Fusionsbericht, <strong>der</strong> für die<br />
übrigen Fusionen zw<strong>in</strong>gend vorgeschrieben ist, dient <strong>der</strong> Information<br />
<strong>der</strong> Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong> und namentlich dem Schutz von M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten,<br />
gibt aber auch Auskunft über die Folgen <strong>der</strong> Fusion für die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer. Er stellt e<strong>in</strong>e wesentliche Grundlage<br />
für die Willensbildung dar. In <strong>der</strong> Botschaft wird die Ausnahme für die<br />
Fusion zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit dem bestehenden Austrittsrecht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />
begründet. 718 Dieses mag für herkömmliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ausreichen,<br />
für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters ersche<strong>in</strong>t die Regelung<br />
jedoch wenig sachgerecht. Die E<strong>in</strong>schränkung von Art. 14 Abs. 2<br />
EFusG für KMU vermag die Fälle von herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n abzudecken,<br />
bei welchen sich <strong>der</strong> Verzicht aus praktischen Überlegungen<br />
rechtfertigt.<br />
Gemäss Art. 20 Abs. 2 EFusG muss <strong>der</strong> Fusionsbeschluss bei <strong>der</strong> Fusion<br />
zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n entgegen <strong>der</strong> sonstigen Regeln nicht öffentlich<br />
beurkundet werden. Der Botschaft lassen sich die Gründe für diesen<br />
717 Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />
Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4409 f.<br />
718 A.a.O., S. 4410.<br />
219
Verzicht nicht entnehmen. 719 Die Lösung für die übrigen Fusionen wird<br />
jedoch damit begründet, dass die öffentliche Beurkundung des Fusionsbeschlusses<br />
<strong>der</strong> Rechtssicherheit diene: Sie ermöglicht die zweifelsfreie<br />
Feststellung des Zeitpunkts und des Inhalts des Beschlusses. Das geltende<br />
Vere<strong>in</strong>srecht kennt im Gegensatz zum Recht <strong>der</strong> Kapitalgesellschaften<br />
ke<strong>in</strong>e Bestimmungen, dass Auflösungsbeschlüsse öffentlich beurkundet<br />
werden müssen. Allerd<strong>in</strong>gs ersche<strong>in</strong>t es gerade auch bei<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>nvoll, dass Zeitpunkt und Inhalt<br />
des Fusionsbeschlusses klar festgehalten werden. Dies gilt namentlich<br />
für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, da <strong>der</strong>en Fusion<br />
mit dem Vorliegen des Fusionsbeschlusses aller beteiligten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wirksam wird. Es ist zu überlegen, ob nicht e<strong>in</strong>e Ausnahmeregelung<br />
sachgerechter wäre, welche auf das Kriterium KMU abgestützt wird.<br />
Der Botschaft lässt sich nicht entnehmen, weshalb Spaltungen für<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht zulässig s<strong>in</strong>d. Der Gesetzgeber liess sich von <strong>der</strong> Überlegung<br />
leiten, dass bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />
mit dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> mitgliedschaftlichen Kont<strong>in</strong>uität (den Gesellschafter<strong>in</strong>nen<br />
und Gesellschaftern <strong>der</strong> übertragenden Gesellschaft<br />
müssen zw<strong>in</strong>gend Anteils- o<strong>der</strong> Mitgliedschaftsrechte an <strong>der</strong> übernehmenden<br />
Gesellschaft zugewiesen werden) 720 kollidieren können. Dieses<br />
Problem stellt sich bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, ersche<strong>in</strong>t bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wirtschaftlichen Charakters jedoch ke<strong>in</strong> Grund für die Unzulässigkeit<br />
<strong>der</strong> Spaltung, solange den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n – analog zur Regelung <strong>der</strong><br />
Fusion (Art. 19 EFusG) – e<strong>in</strong> Austrittsrecht zugestanden wird. Die für<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters zulässigen Spaltungen sollten dabei<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die Kompatibilität <strong>der</strong> Gesellschaftsformen analog den<br />
zulässigen Fusionsvorgängen geregelt werden (vgl. Art. 4 Abs. 4<br />
EFusG).<br />
719 Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />
Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4419 f.<br />
720 A.a.O., S. 4433 f.<br />
220
XX. Anwendbares Recht im <strong>in</strong>ternationalen Verhältnis<br />
Auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ist nach den Regeln des schweizerischen <strong>in</strong>ternationalen<br />
Privatrechts schweizerisches Recht anwendbar, sofern sie sich nach<br />
schweizerischem Recht organisiert haben (Art. 154 IPRG). 721 Die Kollisionsregeln<br />
des IPRG gehen von e<strong>in</strong>em bewusst weit gefassten Gesellschaftsbegriff<br />
aus. Erfasst werden alle organisierten Personenzusammenschlüsse,<br />
unabhängig von allfälligem Gew<strong>in</strong>nstreben o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Verfolgung wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher Ziele. 722 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
die gemäss Gesetz zur E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister verpflichtet<br />
s<strong>in</strong>d, weil sie e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben, entstehen bereits<br />
vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung. Daher fallen sie bereits vor ihrer E<strong>in</strong>tragung unter<br />
Art. 154 Abs. 1 IPRG. 723 Selbst wenn e<strong>in</strong> Personenzusammenschluss<br />
wegen Unzulässigkeit <strong>der</strong> Zweck-Mittel-Verb<strong>in</strong>dung als e<strong>in</strong>fache Gesellschaft<br />
qualifiziert würde, so unterstünde er als solche wie<strong>der</strong>um den Re-<br />
721 Allerd<strong>in</strong>gs ist zu beachten, dass bei e<strong>in</strong>er Klage, die bei e<strong>in</strong>em nichtschweizerischen<br />
Gericht anhängig gemacht wird, das jeweilige Kollisionsrecht das anwendbare Recht bestimmt.<br />
– <strong>Schweiz</strong>erische Gerichte s<strong>in</strong>d nach schweizerischem Kollisionsrecht für Klagen<br />
betreffend alle Ansprüche gesellschaftsrechtlicher Natur dann zuständig, wenn sich <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
den Statuten bezeichnete Sitz <strong>der</strong> entsprechenden Gesellschaft am Ort des Gerichtes bef<strong>in</strong>det,<br />
bzw. bei Fehlen e<strong>in</strong>es solchen, wenn die Gesellschaft am Ort des Gerichtes verwaltet<br />
wird (Art. 151 IPRG i.V.m. Art. 21 Abs. 2 und Art. 154 IPRG); für Verantwortlichkeitsklagen<br />
besteht e<strong>in</strong> alternativer Gerichtsstand gemäss Art. 151 Abs. 2 IPRG am<br />
schweizerischen Wohnsitz bzw. am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes <strong>der</strong> beklagten<br />
Person (<strong>der</strong> diesbezüglichen E<strong>in</strong>schränkung auf ausländische Gesellschaften, die VON<br />
PLANTA im Kommentar zu Art. 151 IPRG N 7 macht, kann nicht gefolgt werden); für<br />
Klagen, welche die Gesellschaft nicht direkt betreffen, gelten die allgeme<strong>in</strong>en Regeln, so<br />
etwa für Klagen aus Mitglie<strong>der</strong>b<strong>in</strong>dungsverträgen, vgl. dazu ANDREAS VON PLANTA,<br />
Kommentar zu Art. 151 IPRG N 6, Basel 1996. – Das LugÜ sieht ebenfalls die Zuständigkeit<br />
des Gerichts am Gesellschaftssitz vor, geht jedoch von e<strong>in</strong>em engeren Begriff <strong>der</strong><br />
gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten aus. Für die <strong>in</strong> Art. 16 Ziff. 2 LugÜ def<strong>in</strong>ierten Klagen<br />
ist <strong>der</strong> Gerichtsstand am Gesellschaftssitz ausschliesslich, für an<strong>der</strong>e gesellschaftsrechtliche<br />
Ansprüche (z.B. Verantwortlichkeitsklagen) s<strong>in</strong>d die übrigen Konventionsgerichtsstände<br />
massgeblich (vgl. dazu FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 151 IPRG<br />
N 1 f., Zürich 1993). – Zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen vgl.<br />
Art. 165 IPRG.<br />
722 Vgl. FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 150 IPRG N 1 ff., Zürich 1993; ANDREAS<br />
VON PLANTA, Vorbemerkungen zu Art. 150-165 IPRG N 2 und Kommentar zu<br />
Art. 150 IPRG N 2, Basel 1996.<br />
723 FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 154 IPRG N 19, Zürich 1993. Wird für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>e konstitutive Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />
gefor<strong>der</strong>t, so untersteht e<strong>in</strong> solcher Vere<strong>in</strong> vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung kraft Art. 154<br />
Abs. 2 IPRG ebenfalls dem schweizerischen Recht, falls er tatsächlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
verwaltet wird.<br />
221
geln von Art. 150 ff. IPRG. Die Kollisionsregeln des IPRG für das Gesellschaftsrecht<br />
gelten nämlich auch für e<strong>in</strong>fache Gesellschaften, sofern<br />
sie e<strong>in</strong>e Organisation aufweisen. Dies ist dann <strong>der</strong> Fall, wenn Aufgaben<br />
und Tätigkeiten <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft nach aussen sichtbar <strong>in</strong> den<br />
Rahmen e<strong>in</strong>er zielgerichteten Ordnung gestellt s<strong>in</strong>d und die Geme<strong>in</strong>schaft<br />
an bestimmte Verhaltensweisen gebunden ist. 724 E<strong>in</strong> Personenzusammenschluss,<br />
<strong>der</strong> im H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>e Existenz als Vere<strong>in</strong> die entsprechenden<br />
Statuten aufgestellt hat und nach aussen als solcher auftritt,<br />
erfüllt diese Voraussetzungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel. 725<br />
Da das Recht des Inkorporationsortes für das anwendbare Recht entscheidend<br />
ist, ist zu empfehlen, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
<strong>in</strong> ihren Statuten ausdrücklich festhalten, nach welchem Recht sie sich<br />
organisiert haben. Dies gilt beson<strong>der</strong>s für jene Fälle, <strong>in</strong> welchen die<br />
Verwaltung im Ausland erledigt wird o<strong>der</strong> <strong>in</strong> welchen gar <strong>in</strong> bestimmten<br />
Zeit<strong>in</strong>tervallen <strong>der</strong> Ort <strong>der</strong> Verwaltung wechselt. 726 Denn gemäss Art.<br />
154 Abs. 2 IPRG unterstehen Gesellschaften, die sich nicht erkennbar<br />
nach dem Recht e<strong>in</strong>es bestimmten Staates organisiert haben, dem Recht<br />
am Ort <strong>der</strong> tatsächlichen Verwaltung. Je nachdem, wo sich diese bef<strong>in</strong>det,<br />
kann es se<strong>in</strong>, dass dem Vere<strong>in</strong> gemäss anwendbarem Recht ke<strong>in</strong>e<br />
Rechtspersönlichkeit zukommt, wobei sich die Folgen <strong>der</strong> fehlenden<br />
Persönlichkeit wie<strong>der</strong>um nach dem jeweils anwendbaren Recht richten.<br />
727<br />
Das IPRG hat zum Ziel, dem Gesellschaftsstatut e<strong>in</strong>en möglichst umfassenden<br />
Geltungsbereich zu verschaffen. 728 Ist nach IPRG das schweizerische<br />
Recht das Gesellschaftsstatut, so bestimmen sich – gemäss <strong>der</strong><br />
beispielhaften Aufzählung von Art. 155 IPRG – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />
Rechtsnatur <strong>der</strong> Gesellschaft, <strong>der</strong>en Entstehung und Untergang, <strong>der</strong>en<br />
724<br />
FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 150 IPRG N 19 ff., Art. 154 IPRG N 18,<br />
Zürich 1993.<br />
725<br />
Vgl. zu den Anfor<strong>der</strong>ungen im e<strong>in</strong>zelnen DERS., Kommentar zu Art. 150 IPRG<br />
N 23 ff., Zürich 1993. Vgl. auch ANDREAS VON PLANTA, Kommentar zu Art. 150 IPRG<br />
N 18 f., Basel 1996. Kann die Personenverb<strong>in</strong>dung nicht als organisierter Personenzusammenschluss<br />
qualifiziert werden, so kommen gemäss Art. 150 Abs. 2 IPRG die Bestimmungen<br />
über das <strong>in</strong>ternationale Vertragsrecht (Art. 116 ff. IPRG) zur Anwendung.<br />
726<br />
Zu denken ist etwa an sogenannte <strong>in</strong>ternationale Float<strong>in</strong>g-<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, bei welchen z.B.<br />
jedes Jahr das Präsidium von e<strong>in</strong>er Person <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Land wahrgenommen wird<br />
o<strong>der</strong> die ihren Sitz von Zeit zu Zeit neu bestimmen (vgl. als Beispiel die Organisation <strong>in</strong>ternationale<br />
de normalisation [ISO], vorgestellt auf S. 17).<br />
727<br />
FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 154 IPRG N 20 ff., Zürich 1993.<br />
728<br />
Vgl. dazu FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 155 IPRG N 1 f., Zürich 1993.<br />
222
Rechts- und Handlungsfähigkeit, <strong>der</strong>en Name 729 , <strong>der</strong>en Organisation, die<br />
<strong>in</strong>ternen Beziehungen 730 , die Haftung aus Verletzung gesellschaftsrechtlicher<br />
Vorschriften, die Haftung für Schulden <strong>der</strong> Gesellschaft sowie die<br />
Vertretungsverhältnisse 731 nach schweizerischem Recht. 732 H<strong>in</strong>gegen<br />
können Verträge, welche als Ergänzung zu den Statuten etwa unter den<br />
Mitglie<strong>der</strong>n des Vere<strong>in</strong>s abgeschlossen werden 733 – sei es kraft Rechtswahl,<br />
sei es aufgrund <strong>der</strong> Regeln des IPRG – e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Recht als<br />
dem Gesellschaftsstatut unterstehen. 734<br />
Im Aussenverhältnis ist die Parteiautonomie h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Rechtswahlmöglichkeiten<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die Schutzbedürfnisse Dritter e<strong>in</strong>geschränkt,<br />
unter Umständen sogar ausgeschlossen. Dabei stellt sich die<br />
Frage, wie streng dies für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters gilt. Für<br />
Kapitalgesellschaften und juristische Personen, die durch E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong><br />
das Handelsregister geschaffen werden, besteht ke<strong>in</strong>e echte Rechtswahlmöglichkeit.<br />
Es wird davon ausgegangen, dass bei solchen Gesellschaften<br />
e<strong>in</strong>e Trennung von Aussen- und Innenverhältnis ausgeschlossen<br />
sei. 735 Das anwendbare Recht wird ausschliesslich aufgrund des<br />
Inkorporationspr<strong>in</strong>zips bestimmt. Für die Kollektiv- und die Kommanditgesellschaft<br />
als flexiblere Rechtsgebilde s<strong>in</strong>d die Rechtswahlmöglichkeiten<br />
h<strong>in</strong>gegen weitergehend. Das Innenverhältnis ist e<strong>in</strong>er Rechtswahl<br />
729<br />
Die Bildung des Namens untersteht gemäss Art. 155 IPRG dem Gesellschaftsstatut.<br />
Der Namensschutz ist h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> Art. 157 IPRG geregelt: Ist <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> im Handelsregister<br />
e<strong>in</strong>getragen, so richtet sich <strong>der</strong> Schutz des Namens nach schweizerischem Recht. Ist<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> nicht e<strong>in</strong>getragen, so richtet sich <strong>der</strong> Schutz des Namens nach dem Recht, das<br />
für Persönlichkeitsverletzungen o<strong>der</strong> für unlauteren Wettbewerb gilt (vgl. FRANK VI-<br />
SCHER, Kommentar zu Art. 157 IPRG N 1 und 6 ff., Zürich 1993; JEGHER / SCHNYDER,<br />
Kommentar zu Art. 157 IPRG, Basel 1996).<br />
730<br />
Darunter fallen nicht Verträge unter den Mitglie<strong>der</strong>n h<strong>in</strong>sichtlich des Verhältnisses <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong> untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Das Gesellschaftsstatut ist nur massgebend im Verhältnis zum<br />
Vere<strong>in</strong>; <strong>der</strong> Vertrag als solcher untersteht se<strong>in</strong>em eigenen Statut, vgl. ANDREAS VON<br />
PLANTA, Kommentar zu Art. 155 IPRG N 15, Basel 1996.<br />
731<br />
In diesem Zusammenhang ist auch Art. 158 IPRG zu beachten, <strong>der</strong> die Geltung des<br />
Gesellschaftsstatuts für den Umfang <strong>der</strong> Vertretung im Interesse des Verkehrsschutzes<br />
e<strong>in</strong>schränkt (weiterführend FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 158 IPRG, Zürich 1993;<br />
ROLF WATTER, Kommentar zu Art. 158 IPRG, Basel 1996).<br />
732<br />
Vgl. dazu ausführlich FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 155 IPRG N 3 ff.,<br />
Zürich 1993; ANDREAS VON PLANTA, a.a.O. N 3 ff.<br />
733<br />
Vgl. <strong>in</strong> diesem Zusammenhang etwa die Ausführungen zur vertraglichen Vere<strong>in</strong>barung<br />
von Austrittsgel<strong>der</strong>n S. 178.<br />
734<br />
Vgl. h<strong>in</strong>sichtlich Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträgen FRANK VISCHER, Kommentar zu<br />
Art. 150 IPRG N 31 ff., Zürich 1993.<br />
735<br />
So ANDREAS VON PLANTA, Kommentar zu Art. 151 IPRG N 22, Basel 1996.<br />
223
zugänglich, soweit e<strong>in</strong>e Gestaltungsfreiheit besteht, wobei strukturelle<br />
Eigenheiten, die das objektiv anwendbare Recht vorschreibt, vorbehalten<br />
werden müssen. 736 Im Kapitel über die Gründung wurde ausgeführt,<br />
dass für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong> konstitutiver Handelsregistere<strong>in</strong>trag<br />
zu for<strong>der</strong>n ist. 737 Konsequenterweise ist für <strong>der</strong>artige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
vom Ausschluss von Rechtswahlmöglichkeiten auszugehen.<br />
736 FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 150 IPRG N 31 f., Zürich 1993.<br />
737 S. 132 ff.<br />
224
XXI. Übersicht über die beson<strong>der</strong>en Regeln<br />
1. Methode<br />
Die Ausführungen <strong>in</strong> Teil C zeigen, dass sich de lege lata Regeln formulieren<br />
lassen, welche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters und<br />
Grossvere<strong>in</strong>en gerecht werden.<br />
Die beson<strong>der</strong>en Regeln können durch sachgerechte Auslegung o<strong>der</strong><br />
teleologische Reduktion <strong>der</strong> geschriebenen Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts<br />
entwickelt werden, unter Berücksichtigung allgeme<strong>in</strong>gültiger Grundsätze<br />
des Gesellschaftsrechts sowie durch die analoge Anwendung von geschriebenen<br />
und ungeschriebenen Bestimmungen an<strong>der</strong>er Gesellschaftsformen.<br />
Die flankierenden Regeln bieten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch für diejenigen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>nvolle Lösungen, welche gemäss herrschen<strong>der</strong> Lehre aufgrund<br />
<strong>der</strong> Regelung des ZGB une<strong>in</strong>geschränkt zulässig s<strong>in</strong>d: Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />
die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben. Für diese ersche<strong>in</strong>en<br />
die Freiheiten, welche das ZGB im Vere<strong>in</strong>srecht belässt, namentlich<br />
im H<strong>in</strong>blick auf den Gläubigerschutz nicht gerechtfertigt. Aus diesem<br />
Umstand ergibt sich, dass das Erfor<strong>der</strong>nis e<strong>in</strong>er sachgerechten Auslegung<br />
<strong>der</strong> Regeln des ZGB bereits im Gesetz angelegt ist.<br />
De lege ferenda lässt sich zudem durch Unterstellung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters unter das geplante RRG e<strong>in</strong>e weitgehende<br />
Gleichbehandlung mit den Gesellschaften des OR erreichen.<br />
2. Beson<strong>der</strong>heiten für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />
Zusammenfassend ergeben sich folgende Beson<strong>der</strong>heiten und Ergänzungen<br />
<strong>der</strong> Regeln des ZGB: Im H<strong>in</strong>blick auf den Schutz <strong>der</strong> Gläubiger<strong>in</strong>nen<br />
und Gläubiger muss für sämtliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters die E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister obligatorisch se<strong>in</strong>; de<br />
lege ferenda ist die konstitutive Wirkung des Handelsregistere<strong>in</strong>trages zu<br />
for<strong>der</strong>n. Zudem ist e<strong>in</strong>e Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung,<br />
zur Revision, zur Vornahme bestimmter Handlungen bei Zahlungsunfähigkeit<br />
und zur Anzeige bei Überschuldung analog zu den Regeln <strong>der</strong><br />
Aktiengesellschaft (beziehungsweise nach den Regeln des RRG) anzunehmen.<br />
Das fehlende Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wird<br />
durch e<strong>in</strong>e konsequente Anwendung <strong>der</strong> Regeln über die Haftung <strong>der</strong><br />
Organe und die Beitragspflicht kompensiert. Gleiches gilt auch für den<br />
Fall, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> durch die exzessive Vornahme von Gew<strong>in</strong>naus-<br />
225
schüttungen (welche grundsätzlich zulässig s<strong>in</strong>d) se<strong>in</strong>en Gläubiger<strong>in</strong>nen<br />
und Gläubigern Haftungssubstrat entzieht o<strong>der</strong> diese durch die Festsetzung<br />
nicht angemessener Mitglie<strong>der</strong>beiträge benachteiligt. In diesen<br />
Fällen (und allgeme<strong>in</strong> bei e<strong>in</strong>em Verstoss gegen die allgeme<strong>in</strong>en und beson<strong>der</strong>en<br />
Pflichten) haften e<strong>in</strong>erseits die Organpersonen (darunter fallen<br />
unter Umständen auch die Mitglie<strong>der</strong>) bei Verschulden für den entstandenen<br />
Schaden, an<strong>der</strong>erseits haben die Mitglie<strong>der</strong> – im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Mitglie<strong>der</strong>beitrags<br />
– anteilsmässig für die Verb<strong>in</strong>dlichkeiten des Vere<strong>in</strong>s<br />
aufzukommen. 738 Sieht e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> Anteilsche<strong>in</strong>e vor, so muss die auf<br />
diese entfallende Quote beschränkt bleiben, um den Vere<strong>in</strong> für Kapitalanleger<strong>in</strong>nen<br />
und -anleger unattraktiv zu belassen. 739 Im Konkurs gilt<br />
schliesslich e<strong>in</strong> Verbot <strong>der</strong> Verrechnung von For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
gegen den Vere<strong>in</strong> mit geschuldeten Beiträgen und h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Geltendmachung<br />
<strong>der</strong> Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gelten die Regeln <strong>der</strong> VGeK<br />
analog. 740<br />
Die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> haben <strong>in</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Gewicht als <strong>in</strong> herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />
Im allgeme<strong>in</strong>en ist die psychische, moralische und soziale Persönlichkeit<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> weniger rasch tangiert; an<strong>der</strong>erseits s<strong>in</strong>d die<br />
wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechte (namentlich das Persönlichkeitsrecht<br />
auf wirtschaftliche Entfaltung) vermehrt zu berücksichtigen. 741<br />
Daraus ergibt sich e<strong>in</strong>e Reihe von Beson<strong>der</strong>heiten, etwa h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />
Aufnahme und des Ausschlusses von Mitglie<strong>der</strong>n. Kann e<strong>in</strong> abgewiesener<br />
Bewerber e<strong>in</strong>e wi<strong>der</strong>rechtliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />
auf wirtschaftliche Entfaltung geltend machen, so kann sich – unter sehr<br />
restriktiven Voraussetzungen – e<strong>in</strong> Anspruch auf Aufnahme <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong><br />
ergeben. Die Berufung auf e<strong>in</strong>e Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />
auf wirtschaftliche Entfaltung kann h<strong>in</strong>gegen im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em<br />
Ausschluss selbst dann erfolgen, wenn aufgrund <strong>der</strong> statutarischen<br />
Ausgestaltung <strong>der</strong> Ausschluss an sich nicht wegen des Grundes angefochten<br />
werden kann. 742 Allgeme<strong>in</strong> ist die Zulässigkeit von Verbandsstrafen<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die Beson<strong>der</strong>heiten im Zusammenhang mit den<br />
Persönlichkeitsrechten zu beurteilen. Möchte e<strong>in</strong> Mitglied per sofort aus<br />
e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters austreten, so kann die Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Zulässigkeit<br />
738<br />
Vgl. dazu S. 182 ff.<br />
739<br />
S. 149 ff.<br />
740<br />
S. 210 ff.<br />
741<br />
S. 144 ff.<br />
742<br />
S. 162 ff.<br />
226
des Austritts zu e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Ergebnis führen, als dies bei herkömmlichen<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n <strong>der</strong> Fall wäre. 743 Die Erschwerung des Austritts durch die<br />
Pflicht zur Bezahlung von Austrittsgel<strong>der</strong>n ersche<strong>in</strong>t zulässig. 744 An<strong>der</strong>erseits<br />
kann <strong>in</strong> den Statuten auch e<strong>in</strong> Anspruch auf das Vere<strong>in</strong>svermögen<br />
vorgesehen werden. 745 Im Zusammenhang mit Stimmrechtsdifferenzierungen<br />
können die Höhe <strong>der</strong> Kapitalbeteiligung o<strong>der</strong> die Grösse o<strong>der</strong><br />
wirtschaftliche Potenz <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> als sachliche und damit<br />
zulässige Gründe ersche<strong>in</strong>en. Stimmrechtsvere<strong>in</strong>barungen unter den<br />
Mitglie<strong>der</strong>n ersche<strong>in</strong>en eher zulässig als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. 746<br />
Auch <strong>der</strong> Treuepflicht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> kommt e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Qualität zu.<br />
Dies hat Auswirkungen auf die Ausgestaltung <strong>der</strong> Auskunftsrechte <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong>: Wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> über e<strong>in</strong>e Kontrollstelle verfügt, können<br />
diese weitgehend e<strong>in</strong>geschränkt werden. 747<br />
Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Auflösung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />
Charakters ersche<strong>in</strong>t es zulässig, dass die Statuten e<strong>in</strong>e Auflösungsklage<br />
aus wichtigem Grund vorsehen. In diesem Fall, aber auch im Fall e<strong>in</strong>es<br />
wi<strong>der</strong>rechtlichen o<strong>der</strong> unsittlichen Zweckes, muss jedoch die Auflösung<br />
als ultima ratio vorbehalten werden. 748<br />
Schliesslich ersche<strong>in</strong>t es s<strong>in</strong>nvoll, auch im geplanten Fusionsgesetz die<br />
Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters zu berücksichtigen.<br />
Diese wirken sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf den Inhalt des Fusionsvertrages,<br />
die Pflicht zur Erstellung e<strong>in</strong>es Fusionsberichts und die Form<br />
des Fusionsbeschlusses aus. Auch ersche<strong>in</strong>t es vertretbar, bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wirtschaftlichen Charakters die Spaltung zuzulassen. 749<br />
3. Beson<strong>der</strong>heiten für Grossvere<strong>in</strong>e<br />
Für Grossvere<strong>in</strong>e, die ke<strong>in</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters darstellen,<br />
ersche<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> formulierten Regeln als Ergänzung zu den<br />
Regeln des ZGB zweckmässig: H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Treuepflicht ergeben<br />
sich ähnliche Abweichungen wie bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters.<br />
750 Entsprechend kann die Ausgestaltung <strong>der</strong> Auskunftsrechte beim<br />
743<br />
Vgl. S. 172 ff.<br />
744<br />
S. 174 ff.<br />
745<br />
S. 180 ff.<br />
746<br />
S. 141 ff.<br />
747<br />
Vgl. S. 153 ff. und S. 138 ff.<br />
748<br />
S. 207 ff.<br />
749<br />
S. 217 ff.<br />
750<br />
S. 155.<br />
227
Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kontrollstelle restriktiv erfolgen. 751 Austrittserschwerungen<br />
ersche<strong>in</strong>en unter Umständen zulässig; es sollte zudem<br />
möglich se<strong>in</strong>, statutarisch e<strong>in</strong>e Auflösungsklage bei Vorliegen wichtiger<br />
Gründe vorzusehen. 752<br />
751 S. 141.<br />
752 Vgl. S. 209.<br />
228
D. Schlussfolgerungen und<br />
Schlussbemerkungen<br />
Die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommenen Untersuchungen haben<br />
gezeigt, dass sich trotz – und sicher auch zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad<br />
gerade wegen – <strong>der</strong> freiheitlichen Ordnung des Vere<strong>in</strong>srechts des ZGB<br />
während <strong>der</strong> hun<strong>der</strong>t Jahre seit dessen Erlass e<strong>in</strong>e Reihe von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
gebildet haben, welche dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft zuzuordnen s<strong>in</strong>d.<br />
Teilweise handelt es sich dabei um <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />
Unternehmen betreiben o<strong>der</strong> sonstwie erhebliche Vermögenswerte bewegen<br />
beziehungsweise umsetzen.<br />
In <strong>der</strong> Lehre bestand seit jeher e<strong>in</strong>e gewisse Tendenz, diese Ersche<strong>in</strong>ungen<br />
zu ignorieren. Während e<strong>in</strong>zelne <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im konkreten Fall als<br />
zulässig bezeichnet werden, so wird auf theoretischer Ebene mehrheitlich<br />
<strong>der</strong> Standpunkt vertreten, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit „wirtschaftlichem Zweck“<br />
seien unzulässig – im Gegensatz zu <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche ihren „nichtwirtschaftlichen<br />
Zweck“ mit e<strong>in</strong>em „wirtschaftlichen Mittel“ verfolgen.<br />
Diese Ansicht wird damit begründet, e<strong>in</strong>zig die Regeln des OR würden<br />
den Interessen <strong>der</strong> Gläubiger<strong>in</strong>nen und Gläubiger gerecht, wenn e<strong>in</strong>e<br />
Gesellschaft „wirtschaftliche Zwecke“ verfolgt.<br />
Im Gegensatz zur Doktr<strong>in</strong> nimmt die Rechtsprechung schon seit langem<br />
e<strong>in</strong>e wesentlich permissivere und realitätsnähere Haltung e<strong>in</strong>. In e<strong>in</strong>er<br />
grossen Zahl von Entscheiden hat sich manifestiert, dass wirtschaftliche<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> von den Gerichten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als zulässig angesehen<br />
werden. In <strong>der</strong> theoretischen Begründung stellt das Bundesgericht weniger<br />
auf den verfolgten „Zweck“ ab; vielmehr kommt <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong><br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>e wesentliche Bedeutung zu.<br />
In <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts kommt zum Ausdruck,<br />
dass im H<strong>in</strong>blick auf die Gläubiger<strong>in</strong>teressen nicht das psychologische<br />
Kriterium „Zweck“ entscheidend se<strong>in</strong> muss, son<strong>der</strong>n die Intensität und<br />
<strong>der</strong> Umfang, <strong>in</strong> welchen e<strong>in</strong>e Gesellschaft mit Dritten <strong>in</strong> Kontakt tritt.<br />
Da im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Eruierung des Zwecks <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorie<br />
und namentlich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis grosse Probleme bestehen, ersche<strong>in</strong>t<br />
<strong>der</strong> Ansatzpunkt des Bundesgerichts überzeugen<strong>der</strong> als <strong>der</strong>jenige <strong>der</strong><br />
Doktr<strong>in</strong>. Dieser E<strong>in</strong>druck wird dadurch verstärkt, dass im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten<br />
die Abgrenzung zwischen „Zweck“ und „Mitteln“<br />
des Vere<strong>in</strong>s und <strong>der</strong>en Def<strong>in</strong>itionen ke<strong>in</strong>eswegs klar waren. H<strong>in</strong>gegen ist<br />
im Gesellschaftsrecht allgeme<strong>in</strong> die Tendenz ersichtlich, die Ausgestal-<br />
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tung <strong>der</strong> Gläubigerschutzbestimmungen von den Aussenkontakten <strong>der</strong><br />
Gesellschaft abhängig zu machen.<br />
Alle diese Umstände führen dazu, dass es – angesichts <strong>der</strong> Regelung<br />
im ZGB, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben dürfen,<br />
ohne dass beson<strong>der</strong>e Gläubigerschutzbestimmungen greifen – e<strong>in</strong>facher<br />
und sachgerechter ist, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unabhängig vom Vorliegen e<strong>in</strong>es<br />
„wirtschaftlichen“ o<strong>der</strong> „nichtwirtschaftlichen“ Zwecks als zulässig zu<br />
behandeln und spezifische Probleme und Beson<strong>der</strong>heiten dadurch zu<br />
berücksichtigen, dass als Ergänzung zu den Bestimmungen des ZGB<br />
flankierende Regeln angewendet werden. Solche flankierenden Regeln<br />
lassen sich durch Auslegung und teleologische Reduktion <strong>der</strong> Bestimmungen<br />
des ZGB f<strong>in</strong>den. Die Basis <strong>der</strong> ergänzenden Regeln kann <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Anwendung von allgeme<strong>in</strong>gültigen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts<br />
o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> analogen Anwendung von geschriebenen und ungeschriebenen<br />
Regeln an<strong>der</strong>er Gesellschaftsformen liegen. Zudem führt die Möglichkeit,<br />
<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> den Regeln des geplanten RRG zu unterstellen, dazu,<br />
dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> bestimmten Fragen gleich behandelt werden können, wie<br />
alle übrigen Gesellschaftsformen. Denn das geplante RRG ist so konzipiert,<br />
dass <strong>in</strong> Zukunft rechtsformunabhängige Bestimmungen betreffend<br />
Gläubigerschutz für alle Gesellschaftsformen gelten sollen.<br />
Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit zusammengestellten Regeln sollen<br />
nicht für alle <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten, son<strong>der</strong>n lediglich für sogenannte <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />
wirtschaftlichen Charakters. Darunter werden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> verstanden, die sich<br />
von den herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n ohne kaufmännisches Unternehmen<br />
(für welche die Regeln des ZGB une<strong>in</strong>geschränkt passen)<br />
schlagwortartig dadurch unterscheiden, dass sie am Wirtschaftsleben<br />
teilnehmen. Die diesbezüglich massgeblichen Kriterien s<strong>in</strong>d – im<br />
Gegensatz zum verfolgten Zweck – äusserlich wahrnehmbar.<br />
Indem alle <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters als zulässig anerkannt<br />
werden, können verschiedene Probleme überwunden werden, die sich im<br />
Zusammenhang mit dem Kriterium „wirtschaftlicher Zweck“ ergeben.<br />
Die Rechtssicherheit wird namentlich dadurch verbessert, als dass e<strong>in</strong>e<br />
Personenverb<strong>in</strong>dung, die als Vere<strong>in</strong> gegründet wurde, als Vere<strong>in</strong><br />
behandelt wird, auch wenn Probleme auftreten.<br />
Die Schranken <strong>der</strong> Verwendungsmöglichkeiten <strong>der</strong> Gesellschaftsform<br />
Vere<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d bei dieser Lösung im Bereich fundamentaler Pr<strong>in</strong>zipien angesiedelt:<br />
Da <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> Personengesellschaften darstellen, dürfen sie nicht<br />
als Rechtskleid für Gesellschaften verwendet werden, die dem Bereich<br />
<strong>der</strong> Kapitalgesellschaften zuzurechnen s<strong>in</strong>d. Innerhalb <strong>der</strong> Personengesellschaften<br />
unterscheiden sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters von<br />
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den Genossenschaften durch das fehlende Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />
Selbsthilfe.<br />
Durch die hier vorgeschlagene Lösung wird das Pr<strong>in</strong>zip des numerus<br />
clausus <strong>der</strong> Gesellschaftsformen nicht gesprengt, da <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />
Charakters durch die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit kaufmännischem<br />
Unternehmen bereits im Gesetz angelegt ist. Zudem haben die<br />
Untersuchungen gezeigt, dass auch das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung nicht<br />
tangiert wird, weil das schweizerische Gesellschaftsrecht diesen Grundsatz<br />
h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke nicht kennt.<br />
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