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Wirtschaftliche Vereine in der Schweiz - frog style web engineering

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Basler Studien<br />

zur Rechtswissenschaft<br />

Reihe A: Privatrecht<br />

Piera Beretta<br />

Band 56 <strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Helb<strong>in</strong>g & Lichtenhahn


Basler Studien<br />

zur Rechtswissenschaft<br />

Piera Beretta<br />

<strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>


Basler Studien<br />

zur Rechtswissenschaft<br />

Herausgegeben von K. Spiro, G. Stratenwerth, K. Eichenberger,<br />

F. Vischer, P. Simonius, L. Wildhaber, R. Rh<strong>in</strong>ow, F. Hasenböhler,<br />

I. Schwenzer, E.A. Kramer, M. Pieth, A.K. Schny<strong>der</strong>, E. Riva,<br />

K. Seelmann, J.-F. Stöckli, A. Peters, M. Schefer, S. Breitenmoser,<br />

F. Hafner<br />

Reihe A: Privatrecht<br />

Band 56


Piera Beretta<br />

<strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Helb<strong>in</strong>g & Lichtenhahn<br />

Basel ּ Genf ּ München<br />

2001


Dieses Werk ist <strong>in</strong> gedruckter Form erschienen bei:<br />

Dieses Werk ist <strong>in</strong> gedruckter Form erschienen bei:<br />

Helb<strong>in</strong>g & Lichtenhahn<br />

Helb<strong>in</strong>g Basel, Genf, & Lichtenhahn München<br />

Basel, 2001 Genf, München<br />

2001<br />

ISBN 3-7190-2052-5<br />

ISBN 3-7190-2052-5<br />

Diese elektronische Fassung stimmt nicht <strong>in</strong> allen E<strong>in</strong>zelheiten mit <strong>der</strong><br />

Diese gedruckten elektronische Fassung Fassung übere<strong>in</strong> stimmt und ist nicht daher <strong>in</strong> nicht allen zitierfähig. E<strong>in</strong>zelheiten mit <strong>der</strong><br />

gedruckten Fassung übere<strong>in</strong> und ist daher nicht zitierfähig.


R.H.R.S.P.


Dank<br />

Die vorliegende Dissertation ist aus <strong>der</strong> anwaltlichen und<br />

gutachterlichen Beschäftigung mit wirtschaftlich ausgerichteten<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n hervorgegangen. Herrn PROF. DR. DR.H.C. FRANK VISCHER,<br />

Advokat, sei an dieser Stelle me<strong>in</strong> herzlicher Dank für den E<strong>in</strong>bezug <strong>in</strong><br />

diese Tätigkeiten und die anregende Unterstützung bei <strong>der</strong> Entstehung<br />

<strong>der</strong> Arbeit ausgesprochen. Me<strong>in</strong>em Doktorvater Herrn PROF. DR.<br />

CHRISTIAN BRÜCKNER, Advokat und Notar, gilt me<strong>in</strong> Dank für viele<br />

wertvolle Anregungen. Ferner danke ich Herrn DR. IUR. DAVID JENNY,<br />

Advokat, und Frau DR. IUR. CLAUDIA GÖTZ für die konstruktive Kritik<br />

sowie Frau BARBARA RAIS-EKERDT für das professionelle Korrektorat.<br />

Die Drucklegung erfolgte mit freundlicher Unterstützung des<br />

WERENFELS-FONDS <strong>der</strong> Freiwilligen Akademischen Gesellschaft Basel.


Es gibt ke<strong>in</strong>e raff<strong>in</strong>iertere<br />

Ausbeutungsmasch<strong>in</strong>e als es <strong>der</strong> rechtsfähige<br />

Vere<strong>in</strong> ist, denn es ist e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong><br />

bekannte Tatsache, dass sich unter <strong>der</strong> Maske<br />

idealer Bestrebungen oft die<br />

allerselbsttüchtigsten und dem<br />

Allgeme<strong>in</strong>wohl schädlichsten Bestrebungen<br />

verbergen.<br />

ADRIAN MEILE<br />

Absolut ist am Recht nur unser<br />

Rechtsbewusstse<strong>in</strong> o<strong>der</strong> die hohe Bedeutung,<br />

die es für die menschliche Gesellschaft<br />

besitzt. Das konkrete Recht dagegen ist<br />

wandelbar und schmiegt sich unweigerlich<br />

den Verhältnissen an, die es zu ordnen<br />

unternimmt.<br />

EUGEN HUBER


Inhaltsübersicht<br />

Inhaltsübersicht ................................... XI<br />

Inhaltsverzeichnis ................................. XIII<br />

Literatur. ...................................... XXI<br />

Materialien ................................... XXVIII<br />

Abkürzungen ................................... XXIX<br />

A. EINFÜHRUNG ............................... 1<br />

B. ALLGEMEINE BETRACHTUNGEN. ................. 3<br />

I. Problematik von wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

nach schweizerischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

II. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit . . . . 7<br />

III. Der Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss <strong>der</strong> gesetzlichen Konzeption. . . . . . . 22<br />

IV. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung . . . . . . . . 34<br />

V. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck <strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen<br />

Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />

VI. Das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens . . . . . . . . . . . . 95<br />

VII. Das typologische Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

VIII. Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Argumente für die<br />

Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck<br />

als Teilkategorie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . . . . . . . 115<br />

C. BESONDERE PROBLEMKREISE. .................. 127<br />

IX. Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . . . . . . . . 127<br />

X. Vere<strong>in</strong>sfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />

XI. Die Gründung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters. . . . . . . . . 132<br />

XII. Die Mitgliedschaftsrechte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136<br />

XIII. Die Mitgliedschaftspflichten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters und <strong>der</strong>en Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />

XIV. Der E<strong>in</strong>- und Austritt von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s<br />

wirtschaftlichen Charakters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

XV. Gläubigerschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182<br />

XVI. Besteuerung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . . . . . . . . . . 200<br />

XVII. Auflösung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters. . . . . . . . . . . 207<br />

XVIII. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im Schuldbetreibungsund<br />

Konkursverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210<br />

XIX. Fusion und Umwandlung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217<br />

XX. Anwendbares Recht im <strong>in</strong>ternationalen Verhältnis . . . . . . . . . . . . 221<br />

XXI. Übersicht über die beson<strong>der</strong>en Regeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225<br />

D. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND<br />

SCHLUSSBEMERKUNGEN ...................... 229<br />

XI


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsübersicht .................................. XI<br />

Inhaltsverzeichnis................................ XIII<br />

Literatur...................................... XXI<br />

Materialien.................................. XXVIII<br />

Abkürzungen.................................. XXIX<br />

A. EINLEITUNG. ................................1<br />

B. ALLGEMEINE BETRACHTUNGEN ..................3<br />

I. Problematik von wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

nach schweizerischem Recht ......................3<br />

1. Vorbemerkung.............................3<br />

2. Gesetzliche Regelung .........................3<br />

3. Diskrepanz zwischen Gesetz und Rechtswirklichkeit........4<br />

4. Haltung von Judikatur und Doktr<strong>in</strong> .................4<br />

5. Folgen <strong>der</strong> Verne<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s . . 5<br />

6. Neue Perspektiven...........................6<br />

II. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Rechtswirklichkeit ............................7<br />

1. E<strong>in</strong>leitung................................7<br />

2. Beispiele für Grossvere<strong>in</strong>e.......................7<br />

a) Tour<strong>in</strong>g Club <strong>Schweiz</strong> (TCS) ....................7<br />

b) Automobil Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> .....................8<br />

3. Beispiele für <strong>in</strong>ternational tätige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit<br />

sehr grossen Umsätzen.........................8<br />

a) Comité International Olympique. ...................8<br />

b) Fédération Internationale de Football Association .......... 10<br />

c) Union des Associations Européennes de Football (UEFA) .... 11<br />

d) Internationales Komitee vom Roten Kreuz .............. 12<br />

4. Beispiele für Dachorganisationen<br />

weltweit tätiger Unternehmen.................... 13<br />

a) Deloitte Touche Tohmatsu. ..................... 13<br />

b) Deloitte Consult<strong>in</strong>g ......................... 14<br />

c) KPMG International ........................ 14<br />

d) KLegal International Association .................. 15<br />

e) Coopers & Lybrand International. ................. 16<br />

5. Beispiele für weitere „atypische <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>“ ............ 17<br />

a) Organisation <strong>in</strong>ternationale de normalisation. ............ 17<br />

b) Sport-Toto-Gesellschaft ....................... 18<br />

6. Gründe für die Attraktivität des schweizerischen Vere<strong>in</strong>s<br />

für wirtschaftlich ausgerichtete Zusammenschlüsse ....... 19<br />

XIII


III. Der Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss <strong>der</strong><br />

gesetzlichen Konzeption ........................22<br />

1. E<strong>in</strong>leitung...............................22<br />

2. Regelung des aOR von 1881 .....................22<br />

3. Die Bestimmungen im ZGB.....................24<br />

4. Bestimmungen <strong>in</strong> Spezialgesetzen..................28<br />

5. Problematik <strong>der</strong> gesetzlichen Regelung...............29<br />

a) Unklarheiten bei den Gesetzgebungsarbeiten .............29<br />

b) Relevanz des Abgrenzungskriteriums „wirtschaftlicher Zweck“<br />

und fehlende gesetzliche Def<strong>in</strong>ition ..................31<br />

c) Schlussfolgerung ...........................33<br />

IV. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung ..34<br />

1. Vorbemerkungen und Übersicht...................34<br />

2. Rechtsprechung des Bundesgerichts seit Inkrafttreten des<br />

ZGB (1907) bis 1934: Entscheidend ist alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweck .....35<br />

a) BGE 44 II 77 (Union rurale, 1918) ...............35<br />

b) BGE 48 II 145 (Arbeiterunion Zürich, 1922) ..........36<br />

c) BGE 51 II 522 (<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverband,<br />

Sektion Biel, 1925) ........................36<br />

d) BGE 56 I 123 (Diakonieverband „Wartburg“, 1930) ......37<br />

e) BGE 59 I 32 (Institution de Baldegg, 1933) ...........37<br />

3. Rechtsprechung des Bundesgerichts von 1934 bis 1962:<br />

Zulässigkeit von Wirtschaftsverbänden <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform,<br />

solange sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben.......38<br />

a) Entscheid des Bundesgerichts vom 5./6. Dezember 1934<br />

(Fédération suisse des associations de fabricants d’horlogerie, Union<br />

des branches annexes de l‘horlogerie, JdT 1935 I, S. 66 ff.) ....38<br />

b) BGE 62 II 32 (<strong>Schweiz</strong>. Tabakverband, 1936) ..........40<br />

c) BGE 69 I 127 (<strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung zur Wahrung<br />

<strong>der</strong> Gebirgs<strong>in</strong>teressen, 1943) ....................41<br />

d) BGE 71 I 119 (Kaufmännische Corporation <strong>in</strong> St. Gallen, 1945) . 41<br />

e) BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative vaudoise<br />

d’allocations familiales, 1946) ...................42<br />

f) BGE 73 I 316 (Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich, 1947) ..........43<br />

g) BGE 76 II 281(<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong><br />

sanitären Branche, 1950) .....................44<br />

h) Entscheid des Bundesgerichts vom 26. März 1953 (Association<br />

des maîtres ferblantiers et appareilleurs, SemJud 1954,<br />

S. 85 ff. und 466 f.) ........................44<br />

i) BGE 81 II 117 (<strong>Schweiz</strong>erischer Tabakverband, 1955) ......46<br />

j) BGE 82 II 292 (Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956) 46<br />

XIV


4. BGE 88 II 209 (Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera, 1962):<br />

Obiter dictum des Bundesgerichts – entscheidend sollte<br />

alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweck se<strong>in</strong>......................... 47<br />

5. Rechtsprechung des Bundesgerichts von 1964 bis heute:<br />

Nichtbeachtung des obiter dictum <strong>in</strong> BGE 88 II 209<br />

und Fortführung <strong>der</strong> langjährigen Rechtsprechung........ 50<br />

a) BGE 90 II 333 (Association suisse des<br />

fabricants de cigarettes, 1964) .................. 50<br />

b) Entscheid des Bundesgerichts vom 22. Dezember 1965<br />

(Interessengeme<strong>in</strong>schaft für pharmazeutische und kosmetische<br />

Produkte, ZBl 67 [1966], S. 303 ff.) .............. 52<br />

c) BGE 98 II 211 (Union des camionneurs de Renens, 1972) .... 53<br />

d) BGE 100 III 19 (Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung, 1974) 53<br />

e) Urteil des Bundesgerichts vom 18. Februar 1980 (Multihôtels-Club,<br />

SemJud 1981, S. 46 ff.) ..................... 54<br />

f) BGE 108 II 6 (Swiss Commodity Industry Association, 1982) .. 55<br />

g) BGE 108 II 15 (Fussballclub Zürich, Nationalliga<br />

des <strong>Schweiz</strong>erischen Fussballverbandes, 1982) ........... 55<br />

h) BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Uhren<strong>in</strong>dustrie FH, 1997) .................... 55<br />

6. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> publizierten<br />

Schiedsgerichtsurteilen: Urteil e<strong>in</strong>es ad-hoc Schiedsgerichts<br />

mit Sitz <strong>in</strong> New York vom 27. Mai 1991 .............. 56<br />

7. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

kantonalen Gerichtspraxis...................... 57<br />

a) Vorbemerkung ........................... 57<br />

b) Urteil des bernischen Appellationshofes vom 21. Januar 1914<br />

(Vere<strong>in</strong> schweizerischer Lokomotivführer, ZBJV 50, S. 318 ff.<br />

und SJZ 10, S. 374) ....................... 57<br />

c) Urteil des Cour de justice civile des Kantons Genf<br />

vom 5. Dezember 1930 (Syndicat des détaillants en épicerie,<br />

laiterie, comestibles, primeurs et branches s’y rattachant,<br />

SemJud 1931, S. 225 ff.) ..................... 58<br />

d) Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Tess<strong>in</strong><br />

vom 27. September 1943 (SJZ 40, S. 242) ............ 58<br />

e) Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Neuenburg<br />

vom 4. Dezember 1933 (SJZ 30, S. 347) ............. 59<br />

f) Urteil des Tribunal cantonal neuchâtelois vom 4. Dezember 1933<br />

(Fédération suisse des associations de fabricants de boîtes<br />

de montres en or, SemJud 1934, S. 150 ff.) ............ 59<br />

g) Urteil des Handelsgerichts Bern vom 12. Mai 1950 (Verband<br />

<strong>Schweiz</strong>erischer Schuh- und Bodenpflegemittel-Fabrikanten<br />

<strong>in</strong> Liqu., ZBJV 87, S. 33 ff.) .................. 60<br />

XV


h) Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 18. März 1964 und<br />

Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 19. Oktober 1965<br />

(Milchhändlerverband Basel und Umgebung, BJM 1966, S. 233 ff.) 61<br />

i) Urteil des Obergerichts Zürich vom 7. November 1977<br />

(Eishockey-Club K., SJZ 75, S. 75 ff.) ..............62<br />

j) Urteil des Appellationsgerichts Bern vom 27. Juni 1986 (<strong>Schweiz</strong>e-<br />

rischer Reit- und Fahrsportverband, ZBJV 124, S. 311 ff.) ....62<br />

k) Urteil des Richteramtes III Bern vom 22. Dezember 1987<br />

(<strong>Schweiz</strong>erischer Leichtathletikverband, SJZ 84, S. 85 ff.) .....63<br />

8. Würdigung <strong>der</strong> Rechtsprechung...................63<br />

a) Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts .........63<br />

b) <strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als zulässig erachtet .......64<br />

c) BGE 88 II 209 (Eisenverband / M<strong>in</strong>iera) ............65<br />

d) Fallbezogene Entscheidungen .....................66<br />

e) Ungeklärte Verhältnisse Zweck – Mittel und wirtschaftlich –<br />

nichtwirtschaftlich ..........................67<br />

f) Schlussfolgerung ...........................67<br />

V. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

schweizerischen Literatur .......................69<br />

1. Vorbemerkung und Übersicht....................69<br />

2. Fallgruppen ..............................70<br />

a) Berufs-, Branchen- und Wirtschaftsverbände .............70<br />

b) Kartelle ...............................71<br />

c) Sportvere<strong>in</strong>e .............................71<br />

d) Automobilclub <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (ACS),<br />

Tour<strong>in</strong>g Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (TCS) .................73<br />

3. Bestimmung des massgeblichen Zwecks und E<strong>in</strong>ordnung<br />

als wirtschaftlich o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlich .............74<br />

a) E<strong>in</strong>leitung ..............................74<br />

b) Mehrdeutigkeit des Ausdrucks „Zweck“ ..............74<br />

c) Def<strong>in</strong>itionen für den wirtschaftlichen Zweck .............76<br />

d) Def<strong>in</strong>itionen für den nichtwirtschaftlichen Zweck ...........79<br />

4. Stellungnahmen <strong>der</strong> Lehre zur Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

mit wirtschaftlichem Zweck.....................82<br />

a) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck<br />

abgelehnt werden ...........................82<br />

b) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit gemischter Zielsetzung<br />

anerkannt werden ..........................83<br />

c) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger weitgehend anerkannt werden ...........87<br />

5. Unklare Folgen <strong>der</strong> Nichtanerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

mit wirtschaftlichem Zweck.....................88<br />

XVI


6. Untauglichkeit des Abgrenzungskriteriums wirtschaftlicher<br />

o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck für die Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit<br />

von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n............................. 90<br />

a) Ambivalente Haltung <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> ................. 90<br />

b) Unpraktikabilität <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Lehre entwickelten Kriterien ..... 90<br />

c) Weitreichende Folgen <strong>der</strong> Unterscheidung wirtschaftlicher –<br />

nichtwirtschaftlicher Zweck ..................... 92<br />

d) Fehlende Notwendigkeit <strong>der</strong> Unterscheidung nach dem<br />

wirtschaftlichen Zweck. ....................... 93<br />

e) Schlussfolgerungen .......................... 94<br />

VI. Das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens ...... 95<br />

1. Vorbemerkung............................ 95<br />

2. Der Begriff des kaufmännischen Unternehmens......... 96<br />

3. Relevanz des kaufmännischen Unternehmens im<br />

schweizerischen Gesellschaftsrecht................. 97<br />

4. Folgen des Betreibens e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens<br />

für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.............................. 98<br />

5. Das kaufmännische Unternehmen als s<strong>in</strong>nvolles<br />

Abgrenzungskriterium........................ 99<br />

a) E<strong>in</strong>fach handhabbares und allgeme<strong>in</strong> relevantes Kriterium ...... 99<br />

b) Ausdrückliche Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />

kaufmännischem Unternehmen. .................. 100<br />

c) Ke<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>behandlung von „nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n“<br />

mit kaufmännischem Unternehmen ................ 100<br />

d) Weiterentwicklung <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts ..... 101<br />

VII. Das typologische Argument .................... 103<br />

1. Vorbemerkung........................... 103<br />

2. Numerus clausus <strong>der</strong> Verbandstypen............... 103<br />

a) Numerus clausus und verwandte Pr<strong>in</strong>zipien ............ 103<br />

b) Begründung für das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus. ......... 104<br />

c) Auswirkungen auf die Rechtsanwendung. ............. 105<br />

3. Gesetzliche Positionierung des Vere<strong>in</strong>s im<br />

schweizerischen Gesellschaftsrecht................ 106<br />

4. Ablehnung des typologischen Arguments............ 106<br />

a) Rechtswirklichkeit. ........................ 106<br />

b) Berücksichtigung schützenswerter Interessen ............ 108<br />

c) Fehlende Typenb<strong>in</strong>dung betreffend wirtschaftlichen Zweck ..... 109<br />

d) Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung .............. 110<br />

e) Schlussfolgerungen ......................... 114<br />

XVII


VIII. Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Argumente für die<br />

Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck<br />

als Teilkategorie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . 115<br />

1. Vorbemerkungen.......................... 115<br />

2. Status quo.............................. 115<br />

a) Diskrepanz zwischen Gesetz und Rechtswirklichkeit ........ 115<br />

b) E<strong>in</strong>stellung von Judikatur und Doktr<strong>in</strong> .............. 116<br />

c) Ungenügende gesetzliche Regelung für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit<br />

kaufmännischem Unternehmen ................... 116<br />

3. Neue Perspektiven ......................... 117<br />

4. Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck.... 118<br />

a) Weiterentwicklung <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts ...... 118<br />

b) Abgrenzung zulässiger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> von Gebilden, für welche die<br />

Vere<strong>in</strong>sform nicht zur Verfügung steht ............... 119<br />

5. Beson<strong>der</strong>e Regeln für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters . . . 120<br />

a) <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit zusätzlichem Regelungsbedarf ............. 120<br />

b) Umschreibung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters ....... 121<br />

c) Begriffliche Erfassung ....................... 125<br />

d) Vorschlag für Ausführungsbestimmungen zu<br />

Art. 2 Abs. 1 lit. b VERRG ................... 125<br />

C. BESONDERE PROBLEMKREISE .................. 127<br />

IX. Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters . . 127<br />

1. Vorbemerkungen.......................... 127<br />

2. Analog anwendbare Regeln..................... 127<br />

X. Vere<strong>in</strong>sfreiheit ............................. 129<br />

1. Problematik............................. 129<br />

2. Privatrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit.................. 129<br />

3. Verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit............... 129<br />

XI. Die Gründung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters ... 132<br />

1. Gründung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss ZGB.............. 132<br />

2. E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister................. 132<br />

XII. Die Mitgliedschaftsrechte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters ..................... 136<br />

1. Die Mitgliedschaftsrechte gemäss ZGB.............. 136<br />

2. Allgeme<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten .................... 136<br />

3. Die Auskunftsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>................ 138<br />

a) Auskunftsrechte gemäss ZGB ................... 138<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten ........................... 138<br />

c) Grossvere<strong>in</strong>e ............................ 141<br />

4. Stimm- und Wahlrecht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>............... 141<br />

a) Stimm- und Wahlrecht gemäss ZGB ................ 141<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten ........................... 142<br />

XVIII


5. Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> ....................... 143<br />

a) Der Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im allgeme<strong>in</strong>en gemäss ZGB ...... 143<br />

b) Der Persönlichkeitsschutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. ............. 144<br />

c) Der Schutz des Vere<strong>in</strong>szwecks .................. 146<br />

d) Grossvere<strong>in</strong>e ............................ 148<br />

6. Vermögenswerte Rechte...................... 148<br />

a) Benutzungsrechte ......................... 148<br />

b) Geldleistungen. .......................... 148<br />

c) Gew<strong>in</strong>nverwendung ........................ 149<br />

XIII. Die Mitgliedschaftspflichten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters und <strong>der</strong>en Sanktionierung .... 153<br />

1. Mitgliedschaftspflichten gemäss ZGB.............. 153<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 153<br />

a) Treuepflicht ............................ 153<br />

b) Weitere Pflichten ......................... 154<br />

c) Grossvere<strong>in</strong>e ............................ 155<br />

3. Beitragspflicht und Haftung.................... 155<br />

a) Beitragspflicht und Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gemäss ZGB ...... 155<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten. .......................... 157<br />

4. Verbandsstrafen .......................... 161<br />

a) Verbandsstrafen gemäss ZGB ................... 161<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten. .......................... 161<br />

5. Der Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n................. 162<br />

a) Der Ausschluss gemäss ZGB ................... 162<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten. .......................... 163<br />

XIV. Der E<strong>in</strong>- und Austritt von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s<br />

wirtschaftlichen Charakters. .................... 167<br />

1. Der E<strong>in</strong>tritt gemäss ZGB..................... 167<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 167<br />

3. Der Austritt gemäss ZGB..................... 172<br />

4. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 172<br />

a) Allgeme<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten ..................... 172<br />

b) Austrittsfrist ........................... 173<br />

c) Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n ................. 174<br />

d) Anspruch auf das Vere<strong>in</strong>svermögen ................ 180<br />

e) Grossvere<strong>in</strong>e ............................ 181<br />

XV. Gläubigerschutz. ........................... 182<br />

1. Der Gläubigerschutz gemäss ZGB................ 182<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 185<br />

a) Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital .................... 185<br />

b) Reservebildung. .......................... 188<br />

c) Anzeigepflicht bei Überschuldung ................. 191<br />

d) Rechnungslegung. ......................... 193<br />

XIX


e) Abschlussprüfung (Kontrollstelle, Revision) ............ 195<br />

f) Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Organe und Organträger .......... 197<br />

XVI. Besteuerung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters .... 200<br />

1. Direkte Steuern im Bund und <strong>in</strong> den Kantonen im allgeme<strong>in</strong>en 200<br />

2. Mehrwertsteuerpflicht im allgeme<strong>in</strong>en .............. 203<br />

3. Steuerpflicht von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters..... 203<br />

XVII. Auflösung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ..... 207<br />

1. Die Auflösung gemäss ZGB.................... 207<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 208<br />

3. Grossvere<strong>in</strong>e............................. 209<br />

XVIII. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im Schuldbetreibungs-<br />

und Konkursverfahren ........................ 210<br />

1. Betreibung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters...... 210<br />

2. Konkursgründe und Konkursverfahren.............. 211<br />

3. Belangbarkeit von Organen und Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n nach<br />

durchgeführtem Vere<strong>in</strong>skonkurs.................. 213<br />

4. Verwertung von Mitgliedschaftsrechten im Betreibungs-<br />

o<strong>der</strong> Konkursverfahren gegen Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> ........ 214<br />

XIX. Fusion und Umwandlung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters ............................... 217<br />

1. Die Fusion und Umwandlung im allgeme<strong>in</strong>en.......... 217<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten........................... 218<br />

XX. Anwendbares Recht im <strong>in</strong>ternationalen Verhältnis ....... 221<br />

XXI. Übersicht über die beson<strong>der</strong>en Regeln .............. 225<br />

1. Methode............................... 225<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters.... 225<br />

3. Beson<strong>der</strong>heiten für Grossvere<strong>in</strong>e................. 227<br />

D. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND<br />

SCHLUSSBEMERKUNGEN ...................... 229<br />

XX


Literatur<br />

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XXI


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S. 142 ff.<br />

DERS., Gutachten zur Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n beim Vere<strong>in</strong>, zitiert<br />

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FORSTMOSER / MEIER-HAYOZ / NOBEL, <strong>Schweiz</strong>erisches Aktienrecht,<br />

Bern 1996<br />

FORSTMOSER / UNTERSANDER, Entwicklungen im Gesellschaftsrecht –<br />

Handelsgesellschaften und Genossenschaften – und im Wertpapierrecht,<br />

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FUCHS CHRISTOPH, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung<br />

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VON GRAFFENRIED RENÉ, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />

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GRETER MARCO, Kommentar zu Art. 23 StHG, Basel 1997<br />

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24. September 1993<br />

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DERS., Gedanken zur Typologie des Gesellschaftsrechts, SJZ 67 (1971),<br />

S. 134 ff.<br />

DERS., Nachwort des Herausgebers zu den Bemerkungen zur schweizerischen<br />

Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–1964, ZSR 83 I (1964),<br />

S. 453 ff.<br />

DERS., Zum Problem <strong>der</strong> Freiheit bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsperson,<br />

ZSR 84 I (1965), S. 223 ff.<br />

HABERSTICH A., Handbuch des <strong>Schweiz</strong>erischen Obligationenrechts,<br />

Zweiter Band, Zürich 1887<br />

HÄFELIN / HALLER, <strong>Schweiz</strong>erisches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage<br />

Zürich 1998<br />

DIES., <strong>Schweiz</strong>erisches Bundesstaatsrecht, Supplement zur 4. Auflage<br />

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HANDELSREGISTERAMT DES KANTONS ZÜRICH, Stellungnahme vom 8.<br />

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unveröffentlichte Diss. Basel 2000<br />

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vom 27.07.2000, S. 45<br />

XXVII


Materialien<br />

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Botschaft des Bundesrates über die Revision <strong>der</strong> Krankenversicherung<br />

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Botschaft des Bundesrates über e<strong>in</strong>e neue Bundesverfassung vom<br />

20. November 1996, Separatdruck<br />

Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung,<br />

Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz; FusG) vom<br />

13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4337 ff.<br />

EIDGENÖSSISCHE STEUERVERWALTUNG HAUPTABTEILUNG DIREKTE<br />

BUNDESSTEUER, Kreisschreiben Nr. 12 vom 8. Juli 1994 betreffend<br />

Steuerbefreiung juristischer Personen, die öffentliche o<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>nützige<br />

Zwecke (Art. 56 Bst. g DBG) o<strong>der</strong> Kultuszwecke (Art. 56 Bst. h<br />

DBG) verfolgen; Abzugsfähigkeit von Zuwendungen (Art. 33 Abs. 1<br />

Bst. i und Art. 59 Bst. c DBG)<br />

EXPERTENKOMMISSION „RECHNUNGSLEGUNGSRECHT“, Revision des<br />

Rechnungslegungsrechtes, Vorentwürfe und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em<br />

Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision (RRG) und zu<br />

e<strong>in</strong>er Verordnung über die Zulassung von Abschlussprüfern (VZA)<br />

vom 29. Juni 1998 zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes<br />

HUBER EUGEN, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum<br />

Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Erstes<br />

Heft: E<strong>in</strong>leitung, Personen- und Familienrecht, Bern 1901 (Erläuterungen<br />

1901)<br />

HUBER EUGEN, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum<br />

Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Erster<br />

Band: E<strong>in</strong>leitung, Personen-, Familien- und Erbrecht, 2. ergänzte<br />

Auflage Bern 1914 (Erläuterungen 1914)<br />

WOLF P., Die <strong>Schweiz</strong>erische Bundesgesetzgebung, Erster Band,<br />

Basel 1890<br />

XXVIII


Abkürzungen<br />

a. a. O. am angegebenen Ort<br />

Abs. Absatz<br />

aBV Bundesverfassung <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Eidgenossenschaft<br />

vom 29. Mai 1874 (SR 101)<br />

aOR Bundesgesetz über das Obligationenrecht<br />

vom 14. Brachmonat 1881 (alt OR)<br />

Art. Artikel<br />

BBl Bundesblatt<br />

BdBSt Bundesratsbeschluss über die Erhebung e<strong>in</strong>er<br />

direkten Bundessteuer vom 9. Dezember<br />

1940 (SR 642.11)<br />

BGB Bürgerliches Gesetzbuch für das deutsche<br />

Reich vom 18. August 1896<br />

BGE Entscheidung des <strong>Schweiz</strong>erischen Bundesgerichts<br />

BJM Basler Juristische Mitteilungen<br />

BlSchKG Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs,<br />

Wädenswil<br />

BS Bere<strong>in</strong>igte Sammlung <strong>der</strong> Bundesgesetze und<br />

Verordnungen 1848-1947<br />

Bst. Buchstabe<br />

BV Bundesverfassung <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Eidgenossenschaft<br />

vom 18. April 1999 (SR 101)<br />

CHF <strong>Schweiz</strong>er Franken<br />

DBG Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über<br />

die direkte Bundessteuer (SR 642.11)<br />

<strong>der</strong>s. <strong>der</strong>selbe<br />

dies. dieselbe / dieselben<br />

EFusG Entwurf zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über Fusion,<br />

Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung<br />

(Fusionsgesetz), BBl 2000, S. 4337 ff.<br />

ESTV Eidgenössische Steuerverwaltung<br />

EZGB Entwurf des Bundesrates zum ZGB<br />

f. folgende<br />

ff. fortfolgende<br />

FN Fussnote<br />

XXIX


FusG Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung<br />

und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz)<br />

HRegV Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937<br />

(SR 221.411), Fassung des Titels <strong>in</strong> Kraft seit<br />

1. Januar 1990<br />

HRV Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937<br />

(SR 221.411), Fassung des Titels <strong>in</strong> Kraft bis<br />

31.12.1989<br />

i. S. <strong>in</strong> Sachen<br />

i. S. d. im S<strong>in</strong>ne des / <strong>der</strong><br />

i. S. v. im S<strong>in</strong>ne von<br />

IPRG Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht<br />

vom 18. Dezember 1987 (SR 291)<br />

JdT Journal des Tribunaux, Lausanne<br />

KG 1962 Bundesgesetz über Kartelle und ähnliche Organisationen<br />

vom 20. Dezember 1962, <strong>in</strong><br />

Kraft vom 15.02.1964 bis 30.06.1986 (AS<br />

1964, S. 53 ff.)<br />

KG 1985 Bundesgesetz über Kartelle und ähnliche Organisationen<br />

vom 20. Dezember 1985, <strong>in</strong><br />

Kraft vom 1.07.1986 bis 30.06.1996 (AS 1986,<br />

S. 874 ff.)<br />

KG 1995 Bundesgesetz über Kartelle und an<strong>der</strong>e Wettbewerbsbeschränkungen<br />

(Kartellgesetz) vom<br />

6. Oktober 1995, <strong>in</strong> Kraft seit 1.07.1996<br />

(SR 251)<br />

KMU kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen<br />

KVG Bundesgesetz über die Krankenversicherung<br />

vom 18. März 1994 (SR 832.10)<br />

KVV Verordnung über die Krankenversicherung<br />

vom 27. Juni 1995 (SR 832.102)<br />

lit. litera<br />

LugÜ (Lugano) Übere<strong>in</strong>kommen über die gerichtliche<br />

Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher<br />

Entscheidungen <strong>in</strong> Zivil- und<br />

Handelssachen vom 16. September 1988<br />

(SR 0.275.11)<br />

Mio. Million(en)<br />

Mrd. Milliarde(n)<br />

XXX


MWSTG Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer<br />

(Mehrwertsteuergesetz) vom 2. September<br />

1999, Inkrafttreten 1. Januar 2001<br />

(SR 641.20), BBl 1999, 7479<br />

MWSTV Verordnung über die Mehrwertsteuer vom 22.<br />

Juni 1994 (SR 641.201), gültig bis 31. Dezember<br />

2000<br />

N Note<br />

NZZ Neue Zürcher Zeitung, Zürich<br />

OR Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des<br />

<strong>Schweiz</strong>erischen Zivilgesetzbuches (Fünfter<br />

Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911<br />

(SR 220)<br />

Pra Die Praxis des Bundesgerichts, Basel<br />

RRG Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision<br />

RZ Randziffer<br />

S. Seite<br />

SAG <strong>Schweiz</strong>erische Aktiengesellschaft, Zürich<br />

(seit 1990 SZW)<br />

SJZ <strong>Schweiz</strong>erische Juristen-Zeitung, Zürich<br />

SPR <strong>Schweiz</strong>erisches Privatrecht, Basel<br />

SpuRt Zeitschrift für Sport und Recht, München<br />

ST Systematischer Teil<br />

StHG Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über<br />

die Harmonisierung <strong>der</strong> direkten Steuern <strong>der</strong><br />

Kantone und Geme<strong>in</strong>den (SR 642.14)<br />

SZW <strong>Schweiz</strong>erische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht,<br />

Zürich (bis 1989 SAG)<br />

USD US-Dollar(s)<br />

VERRG Vorentwurf zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die<br />

Rechnungslegung und Revision (RRG)<br />

VEZGB Vorentwurf zum ZGB<br />

VGeK Verordnung des Bundesgerichts über den<br />

Genossenschaftskonkurs vom 20. Dezember<br />

1937 (SR 281.52)<br />

vgl. vergleiche<br />

VPB Verwaltungspraxis <strong>der</strong> Bundesbehörden, Bern<br />

XXXI


VVAG Verordnung des Bundesgerichts über die<br />

Pfändung und Verwertung von Anteilen an<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsvermögen vom 17. Januar 1923<br />

(SR 281.41)<br />

WuR Wirtschaft und Recht, Zürich<br />

Yearbook Comm. Arb’n Yearbook of Commercial Arbitration, herausgegeben<br />

vom International Council for<br />

Commercial Arbitration, Deventer<br />

ZGB <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember<br />

1907 (SR 210)<br />

ZR Blätter für Zürcherische Rechtsprechung, Zürich<br />

ZSR Zeitschrift für <strong>Schweiz</strong>erisches Recht, Basel<br />

XXXII


A. E<strong>in</strong>leitung<br />

Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht ist bekannt für se<strong>in</strong>e ausgesprochen<br />

freiheitliche Ordnung, welche e<strong>in</strong>en weiten Gestaltungsspielraum bietet.<br />

Bei <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> Regeln des ZGB vor hun<strong>der</strong>t Jahren ist <strong>der</strong><br />

Gesetzgeber von den damals existierenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n ausgegangen, die <strong>in</strong><br />

kle<strong>in</strong>en Verhältnissen primär <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong> Geselligkeit o<strong>der</strong> sonstigen<br />

Bedürfnissen ohne wirtschaftlichen Bezug dienten.<br />

Die vielfältigen Freiheiten, welche das Vere<strong>in</strong>srecht belässt, und bestimmte<br />

Eigenschaften an<strong>der</strong>er Gesellschaftsformen haben sehr bald<br />

dazu geführt, dass verschiedentlich Personenverb<strong>in</strong>dungen mit<br />

wirtschaftlichem Bezug <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform gegründet worden s<strong>in</strong>d.<br />

Teilweise haben sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> entwickelt, die e<strong>in</strong>en wichtigen Stellenwert<br />

im Wirtschaftsleben e<strong>in</strong>nehmen, so etwa <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Bereich <strong>der</strong><br />

sogenannten Professional Service Firms.<br />

Die Lehre ist solchen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gegenüber skeptisch e<strong>in</strong>gestellt. Die<br />

diesbezügliche Diskussion erfolgt unter dem Stichwort „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit<br />

wirtschaftlichem Zweck“. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>en solchen „wirtschaftlichen<br />

Zweck“ verfolgen, s<strong>in</strong>d gemäss überwiegen<strong>der</strong> Lehre unzulässig. Demgegenüber<br />

hat die Rechtsprechung e<strong>in</strong>en pragmatischeren Weg e<strong>in</strong>geschlagen<br />

und im E<strong>in</strong>zelfall nach Lösungen gesucht, welche die Rechtswirklichkeit<br />

berücksichtigen. Bis heute hat jedoch nie e<strong>in</strong>e systematische<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Frage stattgefunden, welche Problemkreise<br />

für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Bezug heute an<strong>der</strong>s angegangen werden<br />

müssen, als dies im ZGB <strong>der</strong> Fall ist, weil solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht dem Bild<br />

entsprechen, das <strong>der</strong> Gesetzgeber vor hun<strong>der</strong>t Jahren vor Augen hatte.<br />

Ziel <strong>der</strong> vorliegenden Untersuchung ist es aufzuzeigen, dass <strong>der</strong> Gesichtsw<strong>in</strong>kel<br />

Zulässigkeit/Unzulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>der</strong><br />

Rechtswirklichkeit nicht gerecht wird. Dogmatische Überlegungen zur<br />

Unzulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die im Rechts- und Wirtschaftsleben <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> seit Jahrzehnten fest verankert s<strong>in</strong>d und wichtige Aufgaben erfüllen,<br />

leisten ke<strong>in</strong>en wirklichen Beitrag zur rechtlichen Erfassung dieser<br />

Gebilde. Anstatt mit dogmatischen Argumenten die Unzulässigkeit solcher<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zu postulieren, ist es fruchtbarer, Regeln zu entwickeln,<br />

denen diese <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gerecht werden müssen, um mit ihrer Existenz und<br />

Tätigkeit ke<strong>in</strong>e schützenswerten Interessen von Mitglie<strong>der</strong>n und Dritten<br />

zu verletzen.<br />

Dazu ist vorweg im Teil B e<strong>in</strong> gewisses Mass an Feldarbeit von<br />

Nöten, nämlich die Beschreibung existieren<strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirt-<br />

1


schaftlichem Bezug. Anschliessend wird im e<strong>in</strong>zelnen dargelegt, weshalb<br />

das Abstellen auf die Frage nach dem Zweck e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s für die<br />

Beurteilung se<strong>in</strong>er Zulässigkeit nicht s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t. Weiter wird<br />

dargestellt, wie „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

grösseren Zusammenhang gestellt werden müssen mit an<strong>der</strong>en<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsformen von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die ebenfalls nicht dem Bild<br />

entsprechen, das dem ZGB zugrunde liegt, weil sie die kle<strong>in</strong>en<br />

Verhältnisse zur Pflege <strong>der</strong> Geselligkeit sprengen. Dabei werden<br />

namentlich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen führen,<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen. Alle diese Ersche<strong>in</strong>ungsformen werden unter<br />

dem Sammelbegriff „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters“ zusammengefasst.<br />

Die neuesten Gesetzgebungstendenzen (namentlich das geplante<br />

Rechnungslegungsgesetz) eröffnen die Möglichkeit, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters durch Fortentwicklung <strong>der</strong> bundesgerichtlichen Rechtsprechung<br />

weitgehend als zulässig anzuerkennen und Regeln zu<br />

unterstellen, welche ihren Charakteristika gerecht werden. Mit <strong>der</strong><br />

Anerkennung unabhängig von <strong>der</strong> Frage des verfolgten Zwecks kann<br />

e<strong>in</strong>e Reihe schwieriger und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis kaum zu bewältigen<strong>der</strong><br />

Abgrenzungsfragen überwunden werden. Der Umgang <strong>der</strong><br />

Rechtsordnung mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlicher Ausrichtung verschiebt<br />

sich von <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> postulierten, kaum jemals durchgesetzten<br />

Nichtanerkennung als juristische Person auf die Ebene <strong>der</strong><br />

„Compliance“ – und damit aus <strong>der</strong> Welt dogmatischer Postulate <strong>in</strong> diejenige<br />

<strong>der</strong> gelebten Realität.<br />

In Teil C <strong>der</strong> Arbeit wird im e<strong>in</strong>zelnen darauf e<strong>in</strong>gegangen, für welche<br />

Aspekte von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters die Regeln des ZGB<br />

als ungenügend ersche<strong>in</strong>en, und es werden erstmals systematisch Lösungen<br />

für die e<strong>in</strong>zelnen Problemkreise vorgeschlagen.<br />

Rechtsprechung, Gesetzgebungsarbeiten und Literatur wurden bis<br />

und mit September 2000 berücksichtigt.<br />

2


B. Allgeme<strong>in</strong>e Betrachtungen<br />

I. Problematik von wirtschaftlich ausgerichteten<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nach schweizerischem Recht<br />

1. Vorbemerkung<br />

Bevor auf das Thema wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im e<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>gegangen<br />

wird, sei an dieser Stelle die Grundproblematik skizziert; für die<br />

Details wird jeweils auf die nachfolgenden Kapitel verwiesen.<br />

2. Gesetzliche Regelung<br />

Im Zusammenhang mit wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n s<strong>in</strong>d<br />

vier Bestimmungen des ZGB von Interesse: In Art. 60 Abs. 1 ZGB werden<br />

die Gründungsmodalitäten geregelt für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die sich e<strong>in</strong>er „nicht<br />

wirtschaftlichen Aufgabe“ widmen. Gemäss Art. 59 Abs. 2 ZGB unterstehen<br />

Personenverb<strong>in</strong>dungen, die e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“ verfolgen,<br />

den „Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften“.<br />

An<strong>der</strong>erseits befasst sich Art. 61 Abs. 2 ZGB mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />

die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben und <strong>in</strong> Art. 52 Abs. 2<br />

ZGB wird im H<strong>in</strong>blick auf die E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister festgehalten:<br />

„Ke<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>tragung bedürfen [...] die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht wirtschaftliche<br />

Zwecke verfolgen [...].“ – Bei e<strong>in</strong>er ersten Lektüre dieser Bestimmungen<br />

wird nicht unbed<strong>in</strong>gt klar, <strong>in</strong>wiefern sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wirtschaftlich ausrichten dürfen. 1<br />

Bei <strong>der</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts hat sich <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

an den damals existierenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n orientiert, welche <strong>in</strong><br />

kle<strong>in</strong>en Verhältnissen <strong>der</strong> Pflege von Bedürfnissen ohne wirtschaftlichen<br />

Bezug gedient haben. Die Regeln des ZGB s<strong>in</strong>d dementsprechend freiheitlich<br />

ausgestaltet; die wenigsten Bestimmungen s<strong>in</strong>d zw<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Natur.<br />

Abgesehen davon, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ohne E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

gegründet werden können, enthält das Gesetz auch ke<strong>in</strong>e<br />

detaillierten Gläubigerschutzvorschriften. 2 Damit unterscheidet sich die<br />

1 Vgl. dazu im e<strong>in</strong>zelnen S. 22 ff.<br />

2 Vgl. CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, RZ 1138;<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998,<br />

§4 N 23.<br />

3


Regelung des ZGB wesentlich von den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen<br />

im OR.<br />

3. Diskrepanz zwischen Gesetz und Rechtswirklichkeit<br />

Obwohl die Bestimmungen des ZGB auf kle<strong>in</strong>e, „nichtwirtschaftliche“<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ausgerichtet s<strong>in</strong>d, existiert <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität e<strong>in</strong>e grosse Anzahl<br />

von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Bezug. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> betreiben zum<br />

Teil sehr umfangreiche kaufmännische Unternehmen o<strong>der</strong> generieren<br />

sonstwie als Anbieter o<strong>der</strong> Nachfrager auf dem Markt grosse Umsätze.<br />

An<strong>der</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> verfolgen e<strong>in</strong>en Zweck, welcher nicht mehr als „nichtwirtschaftlich“<br />

klassifiziert werden kann. Ausserdem weichen verschiedene<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wegen ihrer grossen Mitglie<strong>der</strong>zahl von <strong>der</strong> Vorstellung<br />

des historischen Gesetzgebers ab. 3<br />

4. Haltung von Judikatur und Doktr<strong>in</strong><br />

In <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> werden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im allgeme<strong>in</strong>en <strong>in</strong> zwei Kategorien<br />

aufgeteilt: <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>en „nichtwirtschaftlichen Zweck“ verfolgen<br />

und daher zulässig s<strong>in</strong>d, und solche, die e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“<br />

verfolgen und daher wegen des Wortlauts von Art. 59 Abs. 2 ZGB unzulässig<br />

s<strong>in</strong>d. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen als Mittel<br />

zur Erreichung e<strong>in</strong>es gemäss dieser E<strong>in</strong>ordnung zulässigen Zwecks verfolgen,<br />

werden h<strong>in</strong>gegen – gestützt auf Art. 61 Abs. 2 ZGB – als zulässig<br />

erachtet. 4 Die E<strong>in</strong>ordnung des Zwecks und die Abgrenzung desselben<br />

von den Mitteln ist jedoch im e<strong>in</strong>zelnen ungeklärt und die Doktr<strong>in</strong> setzt<br />

sich kaum mit den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit existierenden Ersche<strong>in</strong>ungen<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, welche sich nicht <strong>in</strong> das genannte Schema e<strong>in</strong>ordnen<br />

lassen. Diese „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Haltung“ wird hauptsächlich damit begründet,<br />

dass die Regelungen des ZGB wirtschaftlichen Gebilden nicht<br />

gerecht würden. 5 E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es wichtiges Argument ist <strong>der</strong> im schweizerischen<br />

Recht bestehende numerus clausus <strong>der</strong> zulässigen Gesellschaftsformen,<br />

<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e differenzierende Betrachtung <strong>der</strong> real existierenden<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ermöglichen soll. 6<br />

3<br />

Vgl. dazu S. 7 ff.<br />

4<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne etwa HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 54 f. ZGB N 54,<br />

Bern 1990; ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952,<br />

S. 56 f.; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 2.<br />

5<br />

Vgl. dazu S. 69 ff.<br />

6<br />

Zum typologischen Argument vgl. S. 103 ff.<br />

4


Auch die Judikatur befasst sich mit wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

grundsätzlich gemäss <strong>der</strong> „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Fragestellung“ nach<br />

dem zulässigen o<strong>der</strong> unzulässigen Zweck. Bei <strong>der</strong> Beurteilung von konkreten<br />

Fällen von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Bezug haben die Gerichte<br />

jedoch im Gegensatz zur Doktr<strong>in</strong> nicht e<strong>in</strong>fach die Augen verschlossen<br />

und an <strong>der</strong> „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Haltung“ festgehalten. Die<br />

Gerichte akzeptieren vielmehr seit Jahren auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die gemäss dem<br />

„entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Schema“ unzulässig s<strong>in</strong>d, und wenden bei <strong>der</strong>en Beurteilung<br />

beson<strong>der</strong>e, auf die konkreten Probleme zugeschnittene Regeln<br />

an, welche sich im geschriebenen Vere<strong>in</strong>srecht nicht f<strong>in</strong>den. Im Gegensatz<br />

zur „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-Haltung“ <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> stellt sich die Rechtsprechung<br />

damit auf den Standpunkt „ja, sofern“: Zum<strong>in</strong>dest bestimmte<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> dürfen e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“ verfolgen, solange sie<br />

ke<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben. Die Gerichte haben damit<br />

bei <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n e<strong>in</strong>en Schritt weg von<br />

<strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Beurteilung des Zwecks gemacht und beziehen auch die Mittel<br />

zur Zweckverfolgung <strong>in</strong> die Betrachtung e<strong>in</strong>. 7<br />

5. Folgen <strong>der</strong> Verne<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit e<strong>in</strong>es<br />

Vere<strong>in</strong>s<br />

Wird e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung, die sich als Vere<strong>in</strong> konstituiert hat,<br />

die Berechtigung zur Existenz als Vere<strong>in</strong> abgesprochen, so hat dies weitreichende<br />

Folgen 8 : Gemäss Lehre und Rechtsprechung ergibt sich aus<br />

Art. 62 ZGB, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> als e<strong>in</strong>fache Gesellschaften zu behandeln<br />

s<strong>in</strong>d, wenn sie e<strong>in</strong>en unzulässigen Zweck verfolgen o<strong>der</strong> gemäss <strong>der</strong><br />

Rechtsprechung des Bundesgerichts Zweck und Mittel <strong>in</strong> unzulässiger<br />

Weise verb<strong>in</strong>den.<br />

Kommt e<strong>in</strong> Gericht zum Schluss, die Personenverb<strong>in</strong>dung sei als e<strong>in</strong>fache<br />

Gesellschaft zu behandeln, so s<strong>in</strong>d die Rechtsfolgen ebenso dramatisch<br />

wie <strong>in</strong>adäquat: Die juristische Person mit ihren verantwortlichen<br />

Organen und beitragspflichtigen Mitglie<strong>der</strong>n verschw<strong>in</strong>det von <strong>der</strong> Bildfläche<br />

und wird umgedeutet <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kollektiv solidarisch haften<strong>der</strong> Gesellschafter,<br />

wobei möglicherweise we<strong>der</strong> diese Gesellschafter selber<br />

noch Dritte den fraglichen Personenkreis sowie Identität und Wohnsitz<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelnen abschliessend zu ermitteln vermögen.<br />

7 Vgl. zur Rechtsprechung im e<strong>in</strong>zelnen S. 34 ff.<br />

8 Vgl. dazu ausführlich S. 88 ff.<br />

5


6. Neue Perspektiven<br />

Die folgenden Ausführungen werden zeigen, ob die „entwe<strong>der</strong>/o<strong>der</strong>-<br />

Haltung“ <strong>der</strong> Lehre zu überzeugen vermag, o<strong>der</strong> ob nicht die „ja, sofern-Haltung“<br />

des Bundesgerichts <strong>der</strong> Realität besser gerecht wird. Auch<br />

wird untersucht, welche neuen Perspektiven die neuesten Tendenzen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Gesetzgebung für die Beurteilung von wirtschaftlich ausgerichteten<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n eröffnen: Zu denken ist dabei e<strong>in</strong>erseits an das geplante Rechnungslegungsgesetz,<br />

welches für alle Gesellschaftsformen grundsätzlich<br />

e<strong>in</strong>heitliche Regeln betreffend den Gläubigerschutz enthält. 9 An<strong>der</strong>erseits<br />

ist auch das geplante Fusionsgesetz zu beachten 10 , das e<strong>in</strong>e Durchbrechung<br />

<strong>der</strong> strengen Grenzen des numerus clausus be<strong>in</strong>haltet, <strong>in</strong>dem<br />

etwa rechtsformübergreifende Fusionen zugelassen werden.<br />

9 Vgl. EXPERTENKOMMISSION „RECHNUNGSLEGUNGSRECHT“, Revision des Rechnungslegungsrechtes,<br />

Vorentwürfe und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />

und Revision (RRG) und zu e<strong>in</strong>er Verordnung über die Zulassung von Abschlussprüfern<br />

(VZA) vom 28. Juni 1998 zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und<br />

Polizeidepartementes. Dazu ausführlich S. 182 ff.<br />

10 Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />

Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4337 ff.<br />

6


II. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Rechtswirklichkeit<br />

1. E<strong>in</strong>leitung<br />

In <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> existiert e<strong>in</strong>e Reihe von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche <strong>in</strong> wesentlichen<br />

Aspekten von den Vorstellungen abweichen, die sich <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

bei <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen zum Vere<strong>in</strong>srecht<br />

im ZGB gemacht hat. 11 Viele dieser <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> üben wichtige<br />

Funktionen im Wirtschaftsleben aus – oft s<strong>in</strong>d sie von weltweiter Bedeutung.<br />

Es ist signifikant, dass sich drei <strong>der</strong> „Big Five“ <strong>der</strong><br />

Wirtschaftsprüfungsbranche für ihre weltweite Organisation <strong>der</strong> Form<br />

des schweizerischen Vere<strong>in</strong>s bedienen. Im allgeme<strong>in</strong>en wird kaum<br />

wahrgenommen, dass es sich bei den entsprechenden Organisationen<br />

um <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nach schweizerischem Recht handelt. Nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit weckt das Stichwort „Vere<strong>in</strong>“ Assoziationen zu<br />

Kan<strong>in</strong>chenzüchtern, Hobby-Sportlern und sangesfreudigen<br />

Gruppierungen; auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur zum Vere<strong>in</strong>srecht wird <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />

welche nicht dem herkömmlichen Bild entsprechen, nicht <strong>der</strong><br />

Stellenwert zuerkannt, <strong>der</strong> ihnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität zukommt. 12 Die folgende<br />

Darstellung zeigt beispielhaft e<strong>in</strong>e Auswahl von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die vom<br />

herkömmlichen Bild abweichen, das dem ZGB zugrunde liegt:<br />

Grossvere<strong>in</strong>e, <strong>in</strong>ternational tätige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit sehr grossen Umsätzen,<br />

Dachorganisationen weltweit tätiger Unternehmen und weitere atypische<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />

2. Beispiele für Grossvere<strong>in</strong>e<br />

a) Tour<strong>in</strong>g Club <strong>Schweiz</strong> (TCS)<br />

Der Tour<strong>in</strong>g Club <strong>Schweiz</strong> (TCS), gegründet im Jahr 1896, ist im Handelsregister<br />

des Kantons Genf als Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen. Der TCS bezweckt<br />

gemäss Statuten „die Wahrung <strong>der</strong> Rechte und Interessen se<strong>in</strong>er<br />

Mitglie<strong>der</strong> im Strassenverkehr und im Bereiche <strong>der</strong> Mobilität im allgeme<strong>in</strong>en.<br />

Er för<strong>der</strong>t ihre touristischen Belange. Er trägt dabei dem Ge-<br />

11 Vgl. dazu nachfolgend S. 24 ff.<br />

12 E<strong>in</strong>e Ausnahme hiervon bilden Berufs- und Wirtschaftsverbände, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichts e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen, und grosse Sportvere<strong>in</strong>e. Sie werden<br />

daher <strong>in</strong> diesem Kapitel nicht ausführlich porträtiert.<br />

7


samt<strong>in</strong>teresse gebührend Rechnung. Der TCS erbr<strong>in</strong>gt für se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong><br />

im In- und Ausland Dienstleistungen <strong>in</strong> den Bereichen Hilfe, Schutz,<br />

Beratung, Sicherheit, Umwelt und Information, wie auch auf dem Gebiete<br />

des Tourismus und <strong>der</strong> Freizeit. Der TCS trifft und unterstützt<br />

Massnahmen im Rahmen se<strong>in</strong>er Zielsetzung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zur Hebung<br />

<strong>der</strong> Verkehrssicherheit.“<br />

Mitglie<strong>der</strong> des TCS können gemäss Statuten nur natürliche Personen<br />

se<strong>in</strong>. Gemäss Angaben des TCS „vertrauen heute dem TCS über 1.3<br />

Mio. Haushalte“. Der TCS erhebt jährliche Mitglie<strong>der</strong>beiträge. Er bietet<br />

verschiedene Versicherungen an, betreibt Camp<strong>in</strong>gplätze, Hotels und<br />

Reisebüros.<br />

b) Automobil Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Der Automobil Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (ACS), e<strong>in</strong>getragen im Handelsregister<br />

Bern-Mittelland, ist 1898 gegründet worden und bezweckt gemäss Statuten<br />

„den Zusammenschluss <strong>der</strong> Automobilisten zur Wahrung <strong>der</strong> verkehrspolitischen,<br />

wirtschaftlichen, touristischen, sportlichen und aller<br />

weiterer mit dem Automobilismus zusammenhängenden Interessen wie<br />

Konsumenten- und Umweltschutz“. Unter <strong>der</strong> Marg<strong>in</strong>alie „Zweck“<br />

wird weiter angeführt: „Er widmet <strong>der</strong> Strassenverkehrsgesetzgebung<br />

und ihrer Anwendung se<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit. Er setzt sich<br />

e<strong>in</strong> für die Sicherheit auf <strong>der</strong> Strasse und die Verkehrserziehung.“ Zusätzlich<br />

ist <strong>der</strong> Automobilclub <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> auch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational anerkannte<br />

Sportbehörde auf dem Gebiet des Automobilsports.<br />

Mitglie<strong>der</strong> des ACS s<strong>in</strong>d die Mitglie<strong>der</strong> (natürliche und juristische<br />

Personen) <strong>der</strong> Sektionen und Regionalverbände. Diese s<strong>in</strong>d ihrerseits<br />

selbständige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Gemäss Jahresbericht 1998 erreichte <strong>der</strong> Bestand<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> per 31.12.1998 knapp 110'000.<br />

3. Beispiele für <strong>in</strong>ternational tätige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit sehr grossen<br />

Umsätzen<br />

a) Comité International Olympique<br />

Das Comité International Olympique (C.I.O.) ist gemäss Statuten „une organisation<br />

<strong>in</strong>ternationale non-gouvernementale, à but non-lucratif, à<br />

forme d’association dotée de la personnalité juridique, reconnue par le<br />

8


Conseil fédéral suisse“. 13 Als „mission“ geben die Statuten an „de diriger<br />

le Mouvement olympique conformément à la Charte olympique“. Die<br />

„Charte Olympique“ ist „la codification des Pr<strong>in</strong>cipes fondamentaux,<br />

des Règles et des Textes d’application adoptés par le C.I.O.“. In <strong>der</strong><br />

„Charte Olympique“ wird die Rolle des C.I.O. def<strong>in</strong>iert: „Le rôle du<br />

C.I.O. est de diriger la promotion de l’Olympisme en accord avec la<br />

Charte olympique.“ Anschliessend wird aufgezählt, welche Handlungen<br />

das C.I.O. dazu vornimmt. Unter an<strong>der</strong>em wird festgehalten, das C.I.O.<br />

„assure la promotion et la mise en application des mesures visant à renforcer<br />

l’unité du Mouvement olympique; collabore avec les organisations<br />

et autorités publiques ou privées compétentes aux f<strong>in</strong>s de mettre le sport<br />

au service de l’humanité; assure la célébration régulière des Jeux<br />

Olympiques“. Sämtliche Mitglie<strong>der</strong> des C.I.O. s<strong>in</strong>d natürliche Personen,<br />

die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em aufwendigen Verfahren gewählt werden. Die Mitglie<strong>der</strong>zahl<br />

ist auf 115 beschränkt.<br />

Zum Thema „Ressources“ wird <strong>in</strong> den Statuten ausgeführt: „Le C.I.O.<br />

peut accepter des dons et legs et rechercher toutes autres ressources lui<br />

permettant de remplir ses tâches. Il perçoit des revenus provenant de<br />

l’exploitation de droits, y compris des droits de télévision, a<strong>in</strong>si que de la<br />

célébration des Jeux Olympiques.“ In <strong>der</strong> „Charte Olympique“ wird dazu<br />

festgehalten: „Les Jeux Olympiques sont la propriété exclusive du<br />

C.I.O. qui est titulaire de toutes les droits et tous les données s’y rapportant,<br />

notamment et sans restriction, tous les droits relatifs à leur organisation,<br />

exploitation, retransmission, enregistrement, présentation,<br />

reproduction, accès et diffusion quels qu’en soient la forme, les moyens<br />

ou les mécanismes qu’ils soient existants ou à venir.“<br />

Die F<strong>in</strong>anzierung des C.I.O. erfolgt heute weitgehend aus dem Verkauf<br />

von Fernsehrechten und E<strong>in</strong>trittskarten sowie durch E<strong>in</strong>nahmen<br />

aus Sponsorenschaften und Lizenzvergaben. Unter <strong>der</strong> Präsidentschaft<br />

von J. A. Samaranch hat e<strong>in</strong>e systematische Vermarktung <strong>der</strong> Olympischen<br />

Bewegung stattgefunden. Im Zeitraum 1989-1992 bezifferte das<br />

C.I.O. die E<strong>in</strong>nahmen aus dem „Olympic Market<strong>in</strong>g“ auf über USD 1.9<br />

Mrd. Davon gehen etwa 7 % an das C.I.O., die übrigen 93 % werden auf<br />

das Organisationskomitee, die nationalen Olympischen Komitees, das<br />

Programm „Olympische Solidarität“ (Unterstützungsprogramm für fi-<br />

13 Das C.I.O. ist nach herrschen<strong>der</strong> Ansicht ke<strong>in</strong> Völkerrechtssubjekt (ANDERSEN /<br />

WOYKE, Handwörterbuch Internationale Organisationen, 2. Auflage Opladen 1995,<br />

S. 229). An<strong>der</strong>s, als dies etwa beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

OMPI <strong>der</strong> Fall ist, hat <strong>der</strong> Bundesrat nie die <strong>in</strong>ternationale Rechtspersönlichkeit und<br />

Rechtsfähigkeit des C.I.O. anerkannt.<br />

9


nanziell schwächere nationale Olympische Komitees) und die Internationalen<br />

Sportverbände verteilt. Die Gesamte<strong>in</strong>nahmen aus dem Verkauf<br />

<strong>der</strong> Fernsehrechte für die Olympischen Spiele <strong>in</strong> Barcelona im Jahr 1992<br />

und die W<strong>in</strong>terspiele 1992 beliefen sich auf USD 935 Mio. Im Zeitraum<br />

1989-1992 haben weltweit abgestimmte Sponsorship-Programme USD<br />

750 Mio. e<strong>in</strong>gebracht. Die Vermarktung <strong>der</strong> Olympischen Bewegung <strong>in</strong><br />

den Jahren 1993-1996 hat E<strong>in</strong>nahmen von USD 2.5 Mrd. e<strong>in</strong>gebracht,<br />

davon s<strong>in</strong>d USD 175 Mio. für das C.I.O. vorgesehen. Das Guthaben des<br />

C.I.O. wurde 1995 auf über CHF 170 Mio. geschätzt. Der Jahresetat belief<br />

sich auf über CHF 30 Mio. Die Errichtung des Olympischen Museums<br />

<strong>in</strong> Lausanne kostete bis zur Eröffnung ca. CHF 28 Mio. 14 Im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> geplanten und später verworfenen Befreiung des<br />

C.I.O. von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer wurde mit Mehrwertsteuerabgaben des<br />

C.I.O. von jährlich CHF 2 Mio. gerechnet. 15 Der gesamtwirtschaftliche<br />

Nutzen des C.I.O. für die Genfersee-Region wird auf CHF 100 Mio. geschätzt.<br />

16<br />

Das C.I.O. ist nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen. Organe des C.I.O.<br />

s<strong>in</strong>d gemäss Statuten „la Session“, „la Commission exécutive“ und „le<br />

Président“. E<strong>in</strong>e Kontrollstelle ist nicht vorgesehen.<br />

b) Fédération Internationale de Football Association<br />

Die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist e<strong>in</strong>e Internationale<br />

Organisation, die als Vere<strong>in</strong> nach schweizerischem Recht im<br />

Handelsregister des Kantons Zürich seit 1996 e<strong>in</strong>getragen ist. Gemäss<br />

Statuten setzt sich die FIFA „aus den ihr angeschlossenen und durch sie<br />

anerkannten Verbänden zusammen, welche den Association Football <strong>in</strong><br />

ihren Län<strong>der</strong>n kontrollieren“. Zweck <strong>der</strong> FIFA ist gemäss Statuten unter<br />

an<strong>der</strong>em: „Den Association Football <strong>in</strong> je<strong>der</strong> ihr angebracht ersche<strong>in</strong>enden<br />

Weise zu för<strong>der</strong>n. Durch Anregung zur Durchführung von Fussballspielen<br />

auf allen Ebenen und durch Unterstützung des Association<br />

Football mit Hilfe aller ihr nützlich ersche<strong>in</strong>enden Mittel die freundschaftlichen<br />

Beziehungen zwischen Verbänden, Konfö<strong>der</strong>ationen sowie<br />

<strong>der</strong>en Offiziellen und Spielern zu för<strong>der</strong>n.“ Die FIFA erhebt von ihren<br />

Mitglie<strong>der</strong>n Mitglie<strong>der</strong>beiträge. In den Statuten wird ausserdem festge-<br />

14 Sämtliche Angaben stammen aus ANDERSEN / WOYKE, Handwörterbuch Internationale<br />

Organisationen, 2. Auflage Opladen 1995, S. 229 f.<br />

15 „Olympische Verzögerung“ im Stän<strong>der</strong>at, NZZ vom 1.10.1998, S. 13.<br />

16 So e<strong>in</strong>e Studie <strong>der</strong> Universität Lausanne, zitiert <strong>in</strong>: Umstrittene Mehrwertsteuerbefreiung<br />

für das IOK, NZZ vom 29.09.1998, S. 17.<br />

10


halten: „Die FIFA, ihre Verbände, Konfö<strong>der</strong>ationen und Klubs s<strong>in</strong>d Eigentümer<br />

aller exklusiven Rechte <strong>der</strong> audiovisuellen o<strong>der</strong> rundfunktechnischen<br />

direkten, zeitverschobenen o<strong>der</strong> zusammenfassenden<br />

Übertragung von Veranstaltungen, die <strong>in</strong> ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich<br />

fallen.“ Zusätzlich hat je<strong>der</strong> Verband <strong>der</strong> FIFA von jedem<br />

Län<strong>der</strong>spiel, das zwischen zwei „A“-Nationalmannschaften ausgetragen<br />

wird, <strong>der</strong> FIFA e<strong>in</strong>e Abgabe aus den Bruttoe<strong>in</strong>nahmen zu entrichten.<br />

Das Gesamtbudget des World Cup 1994 wird auf über USD 1 Mrd.<br />

geschätzt, wovon USD 275 Mio. durch den Verkauf <strong>der</strong> Fernsehrechte,<br />

USD 250 Mio. von Grosssponsoren und USD 210 Mio. durch den Verkauf<br />

von E<strong>in</strong>trittskarten erzielt wurden. Die Gesamte<strong>in</strong>nahmen s<strong>in</strong>d mit<br />

USD 4 Mrd. veranschlagt worden. In den Jahren 1990-1993 betrug <strong>der</strong><br />

Überschuss <strong>der</strong> FIFA nach eigenen Angaben CHF 2.2 Mio., für den<br />

Zeitraum 1994-1997 war e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n von CHF 7.2 Mio. anvisiert. 17 Alle<strong>in</strong><br />

für die Übertragungsrechte <strong>der</strong> Fussballweltmeisterschaften 2002<br />

und 2006 s<strong>in</strong>d CHF 2.8 Mrd. an die FIFA geflossen. 18<br />

c) Union des Associations Européennes de Football (UEFA)<br />

Die Union des Associations Européennes de Football (UEFA) hat ihren Sitz<br />

<strong>in</strong> Nyon und ist im Handelsregister des Kantons Waadt e<strong>in</strong>getragen. Die<br />

UEFA ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Verbände, die <strong>der</strong> FIFA angeschlossen und von dieser<br />

anerkannt s<strong>in</strong>d. Die UEFA hat gemäss Statuten unter an<strong>der</strong>em „pour<br />

but“: „De traiter toutes les questions qui concernent le football européen;<br />

de promouvoir le football en Europe dans un esprit de paix, de<br />

compréhension et de fair-play, sans discrim<strong>in</strong>ation fondée sur la politique,<br />

le sexe, la religion ou la race; de sauvegar<strong>der</strong> les <strong>in</strong>térêts collectifs<br />

des associations; de préparer et d’organiser des compétitions <strong>in</strong>ternationales<br />

et des tournois <strong>in</strong>ternationaux de football européen.“ Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> UEFA s<strong>in</strong>d nationale Verbände. Die Statuten führen aus: „Les recettes<br />

de l’UEFA sont composées des contributions, prélèvements et autres<br />

revenus suivants: Une cotisation annuelle de CHF 300.– par association<br />

[...]; les droits d’<strong>in</strong>scription aux compétitions [...]; les revenus et<br />

prélèvements réglementaires qui proviennent de recettes de la vente de<br />

billets, de la télévision et de la publicité lors de compétitions de l’UEFA<br />

[...]; les prélèvements sur les matches de compétitions de la FIFA [...]; les<br />

17<br />

Angaben bei ANDERSEN / WOYKE, Handwörterbuch Internationale Organisationen,<br />

2. Auflage Opladen 1995, S. 410.<br />

18<br />

URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld von Spiel und Wirtschaft, SJZ 94 (1998),<br />

S. 292.<br />

11


prélèvements sur les matches des équipes nationales [...].“ Die Statuten<br />

halten bezüglich Übertragungsrechte fest: „Pour les matches qui sont<br />

dans leur doma<strong>in</strong>e de compétence, l’UEFA et ses associations détiennent<br />

le droit exclusif d’autoriser des transmissions audiovisuelles ou radiophoniques<br />

a<strong>in</strong>si que toute autre exploitation et distribution au moyen<br />

de supports visuels ou de sons, que ce soit en direct ou en différé, en entier<br />

ou sous forme d’extraits.“<br />

Die Bilanzsumme <strong>der</strong> UEFA betrug per Ende 1999 CHF 540.9 Mio.<br />

Per Ende 2000 wird mit e<strong>in</strong>er Bilanzsumme von CHF 1 Mrd. gerechnet.<br />

19<br />

An die 32 Clubs, welche <strong>der</strong> von <strong>der</strong> UEFA organisierten Champions<br />

League angehören, konnten im Wettbewerb 1999/2000 rund CHF 611<br />

Mio. ausbezahlt werden. Gesamthaft wird für das Geschäftsjahr 2000<br />

mit e<strong>in</strong>em Geldfluss aus <strong>der</strong> UEFA von CHF 750 Mio. gerechnet. Daneben<br />

kann die UEFA stattliche Zuwendungen an Fonds und Rückstellungen<br />

tätigen: Per 31.12.1999 beliefen sich die entsprechenden Bilanzpositionen<br />

auf über CHF 290 Mio. 20<br />

d) Internationales Komitee vom Roten Kreuz<br />

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist e<strong>in</strong>e nichtstaatliche,<br />

unabhängige humanitäre Organisation 21 , die als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB<br />

organisiert ist und Völkerrechtspersönlichkeit geniesst. 22<br />

Das IKRK hat maximal 25 Mitglie<strong>der</strong>, die allesamt <strong>Schweiz</strong>er Bürger<strong>in</strong>nen<br />

und Bürger s<strong>in</strong>d. Das IKRK f<strong>in</strong>anziert sich aus freiwilligen Beiträgen<br />

<strong>der</strong> Regierungen und <strong>der</strong> nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften.<br />

23 Im Jahr 1999 betrugen die Ausgaben des IKRK für<br />

„activities at headquarters“ CHF 149.3 Mio., für „activities <strong>in</strong> the field“<br />

CHF 713.1 Mio. Für das Jahr 2000 waren total über CHF 1 Mrd.<br />

budgetiert. Für das Budget 1998 bis 2001 hat alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er<br />

19<br />

NZZ vom 25.08.2000, S. 51.<br />

20<br />

A.a.O.<br />

21<br />

ANDERSEN / WOYKE, Handwörterbuch Internationale Organisationen, 2. Auflage<br />

Opladen 1995, S. 197; SEIDL-HOHENVELDERN / LOIBL, Das Recht <strong>der</strong> Internationalen<br />

Organisationen e<strong>in</strong>schliesslich <strong>der</strong> Supranationalen Geme<strong>in</strong>schaften, 6. Auflage Köln<br />

1996, RZ 0104.<br />

22<br />

Zur Anerkennung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit des<br />

IKRK durch den Bundesrat vgl. SR 0.192.122.50.<br />

23<br />

ANDERSEN / WOYKE, a.a.O., S. 197.<br />

12


Bundesrat dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes e<strong>in</strong>en<br />

Betrag von CHF 275 Mio. zugesprochen. 24<br />

Das ständige Personal am Sitz des IKRK <strong>in</strong> Genf umfasst über 600<br />

Personen. 25<br />

4. Beispiele für Dachorganisationen weltweit tätiger<br />

Unternehmen<br />

a) Deloitte Touche Tohmatsu<br />

Im Handelsregister des Kantons Zürich ist unter dem Namen Deloitte<br />

Touche Tohmatsu e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen, dessen Mitglie<strong>der</strong> laut Statuten<br />

Berufsfirmen s<strong>in</strong>d, die im Bereich <strong>der</strong> Beratungsdienstleistungen tätig<br />

s<strong>in</strong>d und Dienstleistungen auf den Gebieten Buchhaltung, Buchprüfung,<br />

Insolvenz, Recht, Unternehmensberatung, Steuern und damit verwandte<br />

Dienstleistungen erbr<strong>in</strong>gen. 26<br />

Der Vere<strong>in</strong> bezweckt: „Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Zusammenarbeit und des Zusammenhalts zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n; die<br />

Gewährleistung von geme<strong>in</strong>samen beruflichen Leistungsstandards von<br />

höchster Qualität für die Praxis; die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen und<br />

nationalen Führungsrolle <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung von<br />

Beratungsdienstleistungen; und alle an<strong>der</strong>en Tätigkeiten, die mit den<br />

oben erwähnten Zwecken zusammenhängen.“<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> verpflichten sich gegenüber dem Vere<strong>in</strong> unter an<strong>der</strong>em<br />

zur E<strong>in</strong>haltung von professionellen Standards und zur Vornahme von<br />

Qualitätskontrollen.<br />

Untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verpflichten sich die Mitglie<strong>der</strong> zur Respektierung exklusiver<br />

Privilegien <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong>nerhalb von Gebietshoheiten,<br />

zur Information und Zusammenarbeit <strong>in</strong> bestimmten Gebieten und<br />

zur Vermittlung von Kundschaft und Kontakten.<br />

Der Vere<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> haben Rechte und Pflichten betreffend<br />

den Gebrauch des Namens „Deloitte Touche Tohmatsu“ und an<strong>der</strong>er<br />

Namensrechte, welche nicht <strong>in</strong> den Statuten, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Reglement<br />

geregelt s<strong>in</strong>d.<br />

24 Pressemitteilung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten<br />

betreffend F<strong>in</strong>anzhilfe des Bundes an das Budget des Sitzes des Internationalen Komitees<br />

vom Roten Kreuz vom 2.06.1997.<br />

25 ANDERSEN / WOYKE, a.a.O., S. 197.<br />

26 Ähnliche Zwecke dürfte auch <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> „Touche Ross International“ verfolgt haben, <strong>der</strong><br />

von 1983 bis 1997 im Handelsregister des Kantons Zürich e<strong>in</strong>getragen war.<br />

13


Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> können unter an<strong>der</strong>em bei unprofessionellem, ungehörigem<br />

o<strong>der</strong> statutenwidrigem Verhalten ausgeschlossen werden.<br />

b) Deloitte Consult<strong>in</strong>g<br />

Unter dem Namen Deloitte Consult<strong>in</strong>g 27 ist im Handelsregister des<br />

Kantons Basel-Stadt e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen, <strong>der</strong> ähnlich organisiert ist<br />

wie <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> Deloitte Touche Tohmatsu. Der Vere<strong>in</strong> Deloitte Consult<strong>in</strong>g<br />

bezweckt unter an<strong>der</strong>em die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>er<br />

umfassenden, nahtlosen, weltweiten Consult<strong>in</strong>gpraxis von Weltrang.<br />

c) KPMG International<br />

Unter dem Namen KPMG International ist im Handelsregister des<br />

Kantons Zürich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen, <strong>der</strong> 1987 gegründet worden ist.<br />

Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d die Gründungsunternehmen sowie „any<br />

partnership, corporation or any other entity“, die als Mitglie<strong>der</strong><br />

aufgenommen werden. Die Gründungsmitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d die Deutsche<br />

Treuhand-Gesellschaft, KMG Klynveld Kraayenhof & Co., Peat<br />

Marwick, Ma<strong>in</strong> & Co. sowie Peat, Marwick, McL<strong>in</strong>tock.<br />

Der Vere<strong>in</strong> bezweckt gemäss Statuten 28 : „Bildung e<strong>in</strong>er starken,<br />

zusammenhängenden <strong>in</strong>ternationalen Organisation, die aus führenden<br />

nationalen Firmen besteht und <strong>in</strong> welcher ke<strong>in</strong>e Firma dom<strong>in</strong>iert;<br />

Zurverfügungstellung, Koord<strong>in</strong>ation und Unterstützung, seitens se<strong>in</strong>er<br />

Mitglie<strong>der</strong>, von Dienstleistungen von höchster Qualität im Revisions-,<br />

Buchhaltungs- und Steuerwesen, auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />

Unternehmensberatung und auf an<strong>der</strong>en vom Ausschuss bezeichneten<br />

Gebieten; För<strong>der</strong>ung des Gebrauchs des Namens ‚KPMG’ <strong>in</strong> <strong>der</strong> ganzen<br />

Welt; För<strong>der</strong>ung des Erfolgs und des Ansehens sowie <strong>der</strong> Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, überall <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt qualifizierte Dienstleistungen<br />

anzubieten; Erleichterung <strong>der</strong> Festlegung und Erhaltung von<br />

anspruchsvollen und übere<strong>in</strong>stimmenden Arbeits- und<br />

Verhaltensnormen für die Mitglie<strong>der</strong> und Erteilung von Ratschlägen<br />

<strong>in</strong>bezug auf Normen, an die sich jedes Vere<strong>in</strong>smitglied halten sollte;<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung von Auslän<strong>der</strong>n, wenn e<strong>in</strong>e solche auf Grund<br />

bestehen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> potentieller Anfor<strong>der</strong>ungen von Kunden zweckmässig<br />

ersche<strong>in</strong>t, um sicherzustellen, dass ihnen die Erfahrung von Auslän<strong>der</strong>n<br />

und Anghörigen des Staates, <strong>in</strong> dem sie ihre Tätigkeit ausüben, zur<br />

27 Früher Deloitte & Touche Consult<strong>in</strong>g Group.<br />

28 Übersetzung gemäss Handelsregisterauszug.<br />

14


Verfügung gestellt wird.“ Die Statuten enthalten die Verpflichtung <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>, gewissen Berufsstandards zu entsprechen.<br />

In den Statuten ist festgehalten, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> das exklusive Recht<br />

habe, die Bezeichnungen „KPMG“, „KPMG International“ und<br />

„Klynveld Peat Marwick Goerdeler“ <strong>in</strong> Lizenz zu vergeben. Gemäss<br />

Statuten schliesst <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n diesbezüglich<br />

Lizenzverträge ab.<br />

d) KLegal International Association<br />

Seit dem 3. Oktober 2000 ist im Handelsregister des Kantons Zürich<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> KLegal International Association e<strong>in</strong>getragen. Der Zweck des<br />

Vere<strong>in</strong>s ist <strong>in</strong> den Statuten wie folgt umschrieben: „ (a) Bildung e<strong>in</strong>er<br />

starken, zusammenhängenden <strong>in</strong>ternationalen Organisation, die aus<br />

führenden, unabhängigen nationalen Firmen besteht, welche <strong>in</strong> ihrer<br />

jeweiligen Gerichtsbarkeit zur Erbr<strong>in</strong>gung juristischer Dienstleistungen<br />

zugelassen s<strong>in</strong>d. Die Bildung dieser Organisation erfolgt im H<strong>in</strong>blick<br />

darauf, die gegenseitige Unterstützung und die Zusammenarbeit unter<br />

den Mitglie<strong>der</strong>n zu för<strong>der</strong>n sowie die Ausübung <strong>der</strong> Dienstleistungen<br />

zum Nutzen dieser Firmen und ihrer Kunden zu verbessern und zu<br />

entwickeln, wobei die Ausübung dieser Diestleistungen <strong>in</strong> zunehmendem<br />

Masse global und multidiszipl<strong>in</strong>är wird. (b) Koord<strong>in</strong>ation und<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung von Dienstleistungen<br />

höchster Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtspraxis und an<strong>der</strong>er verwandter Gebiete,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Gerichtsbarkeit des Mitgliedes und <strong>in</strong> dem Gebiet /<br />

den Gebieten erlaubt s<strong>in</strong>d, wo das fragliche Mitglied gestützt auf<br />

bestehende Gesetze sowie Anwalts- o<strong>der</strong> Berufsvorschriften, welche die<br />

Praxis regeln, tätig se<strong>in</strong> darf. (c) För<strong>der</strong>ung und Ausweitung des<br />

Gebrauchs des Namens KLegal International <strong>in</strong> <strong>der</strong> ganzen Welt und<br />

För<strong>der</strong>ung weiterer lokaler Namen, die bereits durch Mitglie<strong>der</strong> im<br />

Inland benützt werden o<strong>der</strong> benützt werden möchten, vorausgesetzt<br />

<strong>der</strong>artige neue Namen seien vom Verwaltungsrat genehmigt worden. (d)<br />

För<strong>der</strong>ung des Erfolgs und des Ansehens aller Mitglie<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en<br />

Fähigkeit überall auf <strong>der</strong> Welt Dienstleistungen höchster Qualität zu<br />

erbr<strong>in</strong>gen, sei es durch die Mitglie<strong>der</strong> selbst o<strong>der</strong> unter Mithilfe o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Verb<strong>in</strong>dung mit an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n. (e) Erleichterung <strong>der</strong> Festigung<br />

und Aufrechterhaltung hoher und e<strong>in</strong>heitlicher Arbeits- und<br />

Verhaltensnormen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. Beratung h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Normen,<br />

Grundsätze, Strategien, Verfahren, Programme und Empfehlungen für<br />

die Erbr<strong>in</strong>gung professioneller Dienstleistungen, an welche sich jedes<br />

Mitglied halten sollte, <strong>in</strong> jedem Fall unter Vorbehalt <strong>der</strong> anwendbaren<br />

15


Gesetze, Vorschriften o<strong>der</strong> Normen <strong>der</strong> beruflichen Praxis o<strong>der</strong><br />

Gebräuche <strong>in</strong> <strong>der</strong> betreffenden Gerichtsbarkeit. (f) Wann immer<br />

gerechtfertigt auf Grund bestehen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> möglicher<br />

Kundenbedürfnisse, die Erleichterung <strong>der</strong> Anstellung von Auslän<strong>der</strong>n,<br />

um sicherzustellen, dass den Kunden die komb<strong>in</strong>ierte Erfahrung<br />

qualifizierter Juristen zur Verfügung gestellt wird, die <strong>der</strong>artige<br />

Kundenbedürfnisse erfüllen können. (g) Ausübung weiterer, mit dem<br />

hier festgelegten Zweck verbundener o<strong>der</strong> für den Vere<strong>in</strong> för<strong>der</strong>licher<br />

Funktionen.“ In den Statuten ist ausdrücklich festgehalten: „Der Vere<strong>in</strong><br />

betreibt ke<strong>in</strong> Handels-, Fabrikations- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>es nach kaufmännischer<br />

Art geführtes Gewerbe, noch übt er generell irgende<strong>in</strong>e Tätigkeit aus,<br />

ausser <strong>in</strong> Zusammenhang mit den [...] umschriebenen Aktivitäten.“<br />

Die Mitgliedschaft setzt sich aus den Gründungsmitglie<strong>der</strong>n und<br />

später als Mitglied aufgenommenen Gesellschaften, Aktiengesellschaften<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Vere<strong>in</strong>igungen zusammen. Gründungsmitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d<br />

KLegal, UK; Ste<strong>in</strong>s Bisschop Meijburg & Co; Fiduciaire Juridique et<br />

Fiscale de France (FIDAL); Wildgen, Spielmann, Metzler & Ries;<br />

KPMG Abogados, S.L sowie KPMG Legal, Australia. Als Bed<strong>in</strong>gung<br />

nennen die Statuten, dass die e<strong>in</strong>zelnen praktizierenden Anwälte e<strong>in</strong>es<br />

jeden Mitglieds „zur betreffenden Anwaltschaft o<strong>der</strong> Juristenvere<strong>in</strong>igung<br />

zugelassen und/o<strong>der</strong> den lokalen Gesetzen und auf Anwaltsfirmen<br />

anwendbaren Vorschriften unterworfen“ se<strong>in</strong> müssen. Die Mitglie<strong>der</strong><br />

verpflichten sich zur E<strong>in</strong>haltung „beruflicher und ethischer Grundsätze<br />

und Praxisnormen“ des Vere<strong>in</strong>s und grundlegen<strong>der</strong> ethischer<br />

Grundsätze sowie zum Beitritt zu e<strong>in</strong>em Berufshaftpflichtversicherungs-<br />

Programm.<br />

Jedes Mitglied hat mit dem Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Mitgliedschafts- und e<strong>in</strong>en<br />

Lizenzvertrag abzuschliessen. Im Lizenzvertrag wird das Recht geregelt,<br />

den Namen „KLegal International“ und das dazugehörige Logo zu<br />

verwenden.<br />

e) Coopers & Lybrand International<br />

Unter dem Namen Coopers & Lybrand International ist im Handelsregister<br />

des Kantons Zürich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen, <strong>der</strong> 1995 gegründet<br />

worden ist. Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d Unternehmen, welche <strong>in</strong> den Bereichen<br />

Buchführung, Buchprüfung, Steuern und Management-Beratung<br />

Dienstleistungen erbr<strong>in</strong>gen. Die Mitgliedschaft im Vere<strong>in</strong> Coopers & Lybrand<br />

International verleiht das Recht, die Bezeichnung „Coopers & Lybrand“<br />

zu verwenden, das heisst namentlich die Geschäftstätigkeit unter<br />

dieser Bezeichnung auszuüben. Im Gegenzug verpflichten sich die Mit-<br />

16


glie<strong>der</strong> im wesentlichen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit den<br />

Zweck und die Politik des Vere<strong>in</strong>s zu unterstützen und zu för<strong>der</strong>n, den<br />

Anordnungen des Vere<strong>in</strong>s bezüglich <strong>der</strong> Geschäftsführung Folge zu leisten,<br />

Aufträge <strong>in</strong> bestimmten regionalen Gebieten an die dort tätigen<br />

Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> zu vermitteln sowie sich den vom Vere<strong>in</strong> festgelegten<br />

Qualitätsstandards bezüglich Berufsausübung, Verhalten und Ethik zu<br />

unterstellen. Für Verstösse gegen diese Pflichten sehen die Statuten diverse<br />

Sanktionen vor, die von Weisungen über Massnahmen und das<br />

Recht zum Entzug des Gebrauchsrechts <strong>der</strong> Bezeichnung „Coopers &<br />

Lybrand“ bis zum Ausschluss reichen.<br />

Als Zweck des Vere<strong>in</strong>s bezeichnen die Statuten: „Die gegenseitige<br />

Unterstützung, die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt zwischen<br />

den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n im H<strong>in</strong>blick auf <strong>der</strong>en Berufsausübung zu för<strong>der</strong>n;<br />

den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Leitbild zu geben; mögliche<br />

Geschäftsaktivitäten für die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> zu erkennen und<br />

Prioritäten festzulegen; Qualitätsstandards bezüglich Berufsausübung,<br />

-verhalten und -ethik im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung <strong>der</strong><br />

Dienstleistungen durch die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> festzulegen und die Befolgung<br />

dieser Qualitätsstandards zu überprüfen; die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> betreffend<br />

Organisation und Erbr<strong>in</strong>gung von Dienstleistungen zu beraten;<br />

allgeme<strong>in</strong> das nationale und <strong>in</strong>ternationale Ansehen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung <strong>der</strong> Dienstleistungen zu för<strong>der</strong>n; weitere Tätigkeiten<br />

auszuüben, die <strong>der</strong> Verfolgung <strong>der</strong> vorgenannten Zwecke dienen<br />

o<strong>der</strong> mit diesen im Zusammenhang stehen; und von den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n,<br />

unabhängig von den Mitglie<strong>der</strong>beiträgen, jene Beiträge zu verlangen<br />

o<strong>der</strong> diesen zukommen zu lassen, die das Exekutivkomitee für die<br />

Erreichung bestimmter, im Rahmen <strong>der</strong> vorgenannten Zwecke liegen<strong>der</strong><br />

Ziele als notwendig o<strong>der</strong> angemessen erachtet.“<br />

Die Statuten sehen vor, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> diejenigen Dienstleistungen<br />

erbr<strong>in</strong>gen und diejenigen Investitionen direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt tätigen soll,<br />

„die se<strong>in</strong>em Zweck entsprechen“.<br />

Aus den Statuten ergibt sich, dass nebst diesen auch Reglemente und<br />

e<strong>in</strong> Zusatzabkommen betreffend Mitgliedschaft bestehen.<br />

5. Beispiele für weitere „atypische <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>“<br />

a) Organisation <strong>in</strong>ternationale de normalisation<br />

Die Organisation <strong>in</strong>ternationale de normalisation (ISO) ist 1947 gegründet<br />

worden. Zum Sitz und zur Rechtsform <strong>der</strong> ISO bestimmen die Statuten:<br />

„L’Organisation fixe elle-même le lieu de son siège et, à mo<strong>in</strong>s qu’elle<br />

17


n’en décide autrement, il se trouve à Genève (Suisse). Tant que le siège<br />

de l’Organisation est en Suisse, des mesures sont prises pour que<br />

l’Organisation jouisse de la personnalité civile conformément aux Articles<br />

60 et suivants du Code civil suisse. Si le siège de l’Organisation est<br />

transféré dans un autre pays et si des dispositions légales semblables<br />

sont jugées utiles, ces dispositions seront prises si elles sont approuvées<br />

par le Conseil et ratifiées par l’Assemblée générale.“<br />

Gemäss Statuten hat die ISO „l’objet [...] de favoriser le développment<br />

de la normalisation et des activités connexes dans le monde, en vue de<br />

faciliter entre les nations les échanges de marchandises et les prestations<br />

de services et de réaliser une entente dans les doma<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tellectuel,<br />

scientifique, technique et économique. A cette f<strong>in</strong>, l’Organisation peut<br />

notamment: Prendre des dispositions pour faciliter l’harmonisation des<br />

normes et des activités connexes au plan mondial; élaborer et publier des<br />

Normes <strong>in</strong>ternationales et prendre des dispositions pour leur mise en<br />

application au plan mondial; organiser l’échange d’<strong>in</strong>formation relative<br />

aux travaux de ses membres et de ses comités techniques; coopérer avec<br />

les organisations <strong>in</strong>ternationales <strong>in</strong>téressées par des matières connexes<br />

et, en particulier, effectuer à leur demande des études relatives à des projets<br />

de normalisation.“<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> ISO s<strong>in</strong>d nationale Organisationen aus vielen Län<strong>der</strong>n.<br />

Die Statuten bestimmen: „Les fonds de l’Organisation proviennent des<br />

cotisations et des contributions des membres a<strong>in</strong>si que de la vente des<br />

publications.“ Die Statuten sehen weiter vor, dass <strong>der</strong> Generalversammlung<br />

jährlich e<strong>in</strong> Budget für das Folgejahr unterbreitet wird.<br />

b) Sport-Toto-Gesellschaft<br />

Die Sport-Toto-Gesellschaft ist e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> mit Sitz <strong>in</strong> Basel, <strong>der</strong> im Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>getragen ist. Die Sport-Toto-Gesellschaft „bezweckt die Beschaffung<br />

von Mitteln zur Unterstützung und Mitf<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />

sportlichen Erziehung <strong>der</strong> Jugend und des Amateursportes.“ Sie führt<br />

wöchentlich Wetten mit Voraussagen des Ausgangs von sportlichen<br />

Wettkämpfen durch. Gemäss Statuten hat <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> „ke<strong>in</strong>en Erwerbszweck“.<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sport-Toto-Gesellschaft s<strong>in</strong>d neben verschiedenen<br />

Vertretern von Kantonen auch „die Sportorganisationen, vertreten<br />

durch den <strong>Schweiz</strong>erischen Olympischen Verband [...]davon immer mit<br />

e<strong>in</strong>em Vertreter des <strong>Schweiz</strong>erischen Fussball-Verbandes“.<br />

Die Statuten bestimmen unter dem Titel „F<strong>in</strong>anzielle Bestimmungen“:<br />

„Die beteiligten Kantone erhalten vom Betriebsergebnis vorweg 2 % des<br />

Wette<strong>in</strong>satzes e<strong>in</strong>schliesslich allfälliger Bewilligungsgebühren.“ Ausser-<br />

18


dem wird festgehalten: „Die Sport-Toto-Gesellschaft unterstützt die För<strong>der</strong>ung<br />

des Fussballsportes. Zu diesem Zwecke kann sie dem <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Fussballverband Zuschüsse leisten. Über die Verwendung dieser<br />

Entschädigung entscheidet <strong>der</strong> Ausschuss, <strong>der</strong> paritätisch aus Vertretern<br />

<strong>der</strong> Sport-Toto-Gesellschaft und des <strong>Schweiz</strong>erischen Fussballverbandes zusammengesetzt<br />

ist.“ Vom Re<strong>in</strong>gew<strong>in</strong>n gehen gemäss Statuten ausserdem 25<br />

% an den <strong>Schweiz</strong>erischen Olympischen Verband und 75 % an die beteiligten<br />

Kantone. Die dem <strong>Schweiz</strong>erischen Olympischen Verband zugehenden Mittel<br />

„sollen gemäss dem vom Exekutivrat des Olympischen Verbandes und<br />

vom Vorstand <strong>der</strong> Sport-Toto-Gesellschaft genehmigten Reglement über die<br />

Verteilung <strong>der</strong> Sport-Toto-Gel<strong>der</strong> des <strong>Schweiz</strong>erischen Olympischen Verbandes<br />

verwendet werden.“ Bezüglich <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Gel<strong>der</strong> durch die<br />

Kantone wird bestimmt: „Die Anteile <strong>der</strong> Kantone s<strong>in</strong>d von ihnen im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Art. 3 und 5 des Bundesgesetzes über die Lotterien und die<br />

gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923 zur Unterstützung und zur<br />

Mitf<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> sportlichen Erziehung <strong>der</strong> Jugend und des Amateursportes<br />

zu verwenden. Als Leistungen <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne gelten<br />

beispielsweise Beiträge an die Erstellung und den Unterhalt von Turn-,<br />

Spiel- und Sportplatzanlagen sowie Schiesse<strong>in</strong>richtungen, soweit die<br />

Bau- und Unterhaltspflicht nicht öffentlichrechtlicher Natur ist.“<br />

Seit ihrer Gründung im Jahre 1938 hat die Sport-Toto-Gesellschaft „dem<br />

Sport“ über CHF 1.6 Milliarden zukommen lassen.<br />

6. Gründe für die Attraktivität des schweizerischen Vere<strong>in</strong>s für<br />

wirtschaftlich ausgerichtete Zusammenschlüsse<br />

Die dargestellten Beispiele zeigen, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> als juristische Person<br />

nach schweizerischem Recht e<strong>in</strong>e auch im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich<br />

attraktive Rechtsform darstellt. Gestützt auf den im schweizerischen<br />

Recht tief verwurzelten Grundsatz <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit 29 ist die Regelung<br />

des Vere<strong>in</strong>srechts im ZGB aussgesprochen freiheitlich. Der Vere<strong>in</strong> ist<br />

29 Diese be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>erseits das verfassungsmässige Individualrecht auf freie Me<strong>in</strong>ungsäusserung<br />

<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform (verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit, Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit)<br />

und an<strong>der</strong>erseits die hier relevante privatrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit (teilweise auch als Vere<strong>in</strong>sautonomie<br />

bezeichnet, so z.B. durch PEDRAZZINI / OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts,<br />

4. Auflage Bern 1993, 9.1.1; <strong>in</strong> an<strong>der</strong>em S<strong>in</strong>ne verwendet ANTON HEINI,<br />

Vorbemerkungen zu Art. 60-79 ZGB N 7 ff., Basel 1996, den Begriff Vere<strong>in</strong>s- o<strong>der</strong> Verbandsautonomie:<br />

er versteht darunter das Selbstbestimmungsrecht des Vere<strong>in</strong>s und wirft<br />

die Frage auf, <strong>in</strong>wieweit sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>er Fremdbestimmung unterwerfen können; vgl.<br />

auch BGE 97 II 108). Vgl. dazu ausführlich S. 129 ff.<br />

19


deshalb e<strong>in</strong>e ausserordentlich flexible Gesellschaftsform und kann als<br />

Organisationsform für verschiedenste Ersche<strong>in</strong>ungen dienen. 30<br />

Abgesehen von den grundsätzlichen Freiheiten, welche aufgrund <strong>der</strong><br />

weitgehend dispositiven Regelung im H<strong>in</strong>blick auf die Organisation bestehen,<br />

bietet das Vere<strong>in</strong>srecht – etwa im Gegensatz zum Recht <strong>der</strong> Aktiengesellschaft<br />

31 – die Möglichkeit, den Mitglie<strong>der</strong>n weitgehende nichtf<strong>in</strong>anzielle<br />

Pflichten (wie zum Beispiel die E<strong>in</strong>haltung von Berufs- o<strong>der</strong><br />

Ethikregeln) auf gesellschaftsrechtlicher Ebene aufzuerlegen. 32 Im Gegensatz<br />

zur Genossenschaft 33 besteht im Vere<strong>in</strong>srecht ke<strong>in</strong>e Pflicht zur<br />

„offenen Türe“. Mitglie<strong>der</strong> können bei entsprechen<strong>der</strong> Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> Statuten auch ohne die Angabe von Gründen wie<strong>der</strong> ausgeschlossen<br />

werden, ohne dass e<strong>in</strong> Gericht den Ausschlussgrund überprüfen kann. 34<br />

An<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft 35 bestehen für die Mitgliedschaft 36<br />

und die Bestellung <strong>der</strong> Organe 37 ke<strong>in</strong>erlei E<strong>in</strong>schränkungen betreffend<br />

Nationalität. Generell kann die Tätigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s weitgehend geheim<br />

gehalten werden. 38 Schliesslich bestehen – etwa im Gegensatz zur<br />

30<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch HAUSHEER / AEBI, Das Personenrecht des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Zivilgesetzbuches, Bern 1999, RZ 18.03.<br />

31<br />

Art. 680 Abs. 1 OR.<br />

32<br />

Vgl. dazu S. 153 ff.<br />

33<br />

Art. 828 und 839 OR, siehe S. 167 ff.<br />

34<br />

Art. 72 ZGB. Vgl. dazu S. 162 ff.<br />

35<br />

Art. 708 Abs. 1 OR.<br />

36<br />

Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s können natürliche und juristische Personen nach schweizerischem<br />

o<strong>der</strong> ausländischem Recht se<strong>in</strong>. Selbst die Mitgliedschaft e<strong>in</strong>facher Gesellschaften<br />

ist denkbar (ANTON HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 49 f.). An<strong>der</strong>er<br />

Ansicht HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 9, Bern 1990: E<strong>in</strong>fache<br />

Gesellschaften können nicht Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> se<strong>in</strong>, da sie als solche nicht rechtsfähig<br />

s<strong>in</strong>d. Möglich ist nur e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>schaftliche Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />

Gesellschaft.<br />

37<br />

E<strong>in</strong>e Ausnahme ergibt sich gemäss Gesetz für die Bestellung <strong>der</strong> Liquidatoren, vgl. Art.<br />

740 Abs. 3 OR i.V.m. Art. 913 OR und Art. 58 ZGB.<br />

38<br />

Zwar müssen die Statuten e<strong>in</strong>es <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>s <strong>der</strong> Öffentlichkeit bekannt gegeben werden,<br />

wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>getragen wird; nebst den eigentlichen Statuten<br />

können jedoch zusätzlich b<strong>in</strong>dende geheime Reglemente aufgestellt werden. Ausserdem<br />

können sich die Mitglie<strong>der</strong> untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> geheimen Verträgen verpflichten. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

unterstehen ke<strong>in</strong>er behördlichen Aufsicht. Nach geltendem Recht besteht ausser zu Steuerzwecken<br />

ke<strong>in</strong>e Pflicht zur Offenbarung von F<strong>in</strong>anz- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Daten. Das Verhältnis<br />

zwischen Vere<strong>in</strong> und Mitglie<strong>der</strong>n kann zudem e<strong>in</strong>er Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt<br />

werden.<br />

20


Genossenschaft 39 – ke<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>genden Vorschriften über das Stimmrecht.<br />

40<br />

Die genannten Vorschriften zu den übrigen Gesellschaftsformen führen<br />

dazu, dass für e<strong>in</strong>e Reihe von legitimen Bedürfnissen des Rechtslebens<br />

– abgesehen vom Vere<strong>in</strong> – ke<strong>in</strong>e passenden Gesellschaftsformen<br />

existieren. 41 Gerade <strong>in</strong> Bereichen, <strong>in</strong> welchen e<strong>in</strong> Wunsch nach Geheimhaltung<br />

vor o<strong>der</strong> Ausschluss <strong>der</strong> Konkurrenz besteht o<strong>der</strong> die persönliche<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Organisation gewünscht wird, ist<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> äusserst attraktiv. Dies gilt namentlich für die Koord<strong>in</strong>ation<br />

<strong>in</strong>ternational erbrachter Berufsleistungen o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> weltweiten Vermarktung<br />

solcher Leistungen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Produkte durch Professional<br />

Service Firms 42 . 43<br />

39<br />

Gemäss Art. 885 OR gilt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Genossenschaft zw<strong>in</strong>gend <strong>der</strong> Grundsatz „one man –<br />

one vote“.<br />

40<br />

Dazu e<strong>in</strong>gehend S. 141 ff.<br />

41<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch das Gutachten von PROF. FRANK VISCHER zu Handen <strong>der</strong><br />

Basler Handelskammer, zitiert bei BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />

WuR 1964, S. 76, betreffend Berufsverbände. Die Überlegung wird von<br />

ROBERT BRINER, a.a.O. auf sämtliche Wirtschaftsverbände ausgedehnt. Vgl. im übrigen<br />

die H<strong>in</strong>weise von BRINER auf weitere Bedürfnisse, a.a.O., S. 81 ff.<br />

42<br />

Zum Begriff <strong>der</strong> Professional Service Firms vgl. MÜLLER-STEWENS / DROLSHAMMER /<br />

KRIEGMEIER, Professional Service Firms – Branchenmerkmale und Gestaltungsfel<strong>der</strong> des<br />

Managements, <strong>in</strong>: MÜLLER-STEWENS / DROLSHAMMER / KRIEGMEIER, Professional<br />

Service Firms, Frankfurt a.M. 1999, S. 11 ff.<br />

43<br />

So auch das Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991,<br />

Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 24. Vgl. dazu ausführlicher nachfolgend S. 56.<br />

21


III. Der Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Konzeption<br />

1. E<strong>in</strong>leitung<br />

Es wurde bereits darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass gemäss <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Zweck, den e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> verfolgt, für dessen Zulässigkeit entscheidend<br />

se<strong>in</strong> soll, während die Mittel nicht ausschlaggebend se<strong>in</strong> sollen. 44 Die<br />

Doktr<strong>in</strong> stützt sich dabei namentlich auf den Text von Art. 59 Abs. 2<br />

und 60 Abs. 1 ZGB. 45 Die Betrachtung <strong>der</strong> Entstehungsgeschichte des<br />

geltenden Vere<strong>in</strong>srechts wird zeigen, ob die Bestimmungen des ZGB<br />

tatsächlich so verstanden werden dürfen.<br />

2. Regelung des aOR von 1881<br />

Mit <strong>der</strong> Verfassung von 1874 erhielt <strong>der</strong> Bund die Kompetenz zur<br />

Gesetzgebung auf dem Gebiet des Obligationenrechts, mit E<strong>in</strong>schluss<br />

des Handels- und Wechselrechts. Gestützt auf diese Kompetenz wurden<br />

im aOR von 1881 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Handelsgesellschaften erstmals<br />

bundesrechtlich geregelt. 46 Vor Inkrafttreten des aOR bestanden<br />

ausschliesslich kantonale Regeln. 47<br />

Das aOR unterschied bereits zwischen Genossenschaft 48 und Vere<strong>in</strong> 49 .<br />

Im aOR war e<strong>in</strong>erseits die Rede von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, „welche wohltätige, gesellige,<br />

religiöse, wissenschaftliche, künstlerische o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e ideale<br />

Zwecke verfolgen“ 50 – kurz „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n für ideale Zwecke“ –, an<strong>der</strong>er-<br />

44<br />

S. 3 ff.<br />

45<br />

In Kapitel V werden die entsprechenden Lehrme<strong>in</strong>ungen ausführlich dargestellt und<br />

gewürdigt.<br />

46<br />

Zur Entstehungsgeschichte des aOR vgl. etwa ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947, S. 5 ff.; ERNST PESTALOZZI,<br />

Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 13 ff.<br />

47<br />

Im aOR konnten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht abschliessend geregelt werden, da <strong>der</strong> Bund ke<strong>in</strong>e<br />

Kompetenz zur Regelung von Materien ausserhalb des Handelsrechts hatte. Das aOR<br />

enthielt demnach Vorbehalte zugunsten des kantonalen Rechts und regelte lediglich den<br />

Erwerb <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit und das Schicksal des Vere<strong>in</strong>svermögens bei Auflösung<br />

des Vere<strong>in</strong>s. Vgl. dazu unten S. 22, FN 50. Zu dieser Problematik vgl. auch<br />

BGE 32 II 116 (<strong>Schweiz</strong>er Verband <strong>der</strong> Versicherungsvertreter und -Beamten).<br />

48<br />

27. Titel, Art. 678 ff. aOR.<br />

49<br />

28. Titel, Art. 716 ff. aOR.<br />

50<br />

Art. 716 Abs. 1 aOR: „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche wohltätige, gesellige, religiöse, wissenschaftliche,<br />

künstlerische o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e ideale Zwecke verfolgen, können das Recht <strong>der</strong> Persön-<br />

22


seits von „wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n“ 51 . Als Genossenschaften konnten<br />

sich Personenverbände konstituieren, welche „geme<strong>in</strong>same Zwecke des<br />

wirtschaftlichen Verkehres“ verfolgten. 52<br />

Die Auslegung <strong>der</strong> Bestimmungen des aOR zum Vere<strong>in</strong>srecht war seit<br />

jeher unklar. Teilweise wurde die Me<strong>in</strong>ung vertreten, das aOR unterscheide<br />

zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n für ideale Zwecke, wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

und Genossenschaften. 53 An<strong>der</strong>e Autoren verstanden den Begriff „wirtschaftliche<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>“ <strong>in</strong> Art. 717 Abs. 1 aOR als Synonym für Genossenschaften.<br />

54 Nebst diesen Auslegungsschwierigkeiten war auch die Abgrenzung<br />

zwischen Zwecken des wirtschaftlichen Verkehrs und idealen<br />

Zwecken umstritten. 55<br />

lichkeit, auch wenn sie bisher darauf nach kantonalem Rechte ke<strong>in</strong>en Anspruch hatten,<br />

dadurch erwerben, dass sie sich <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen.“ (Die <strong>Schweiz</strong>erische<br />

Bundesgesetzgebung, Erster Band, Basel 1890, S. 235).<br />

51 Art. 717 Abs. 1 aOR: „<strong>Wirtschaftliche</strong>n <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche sich nicht <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

haben e<strong>in</strong>tragen lassen, desgleichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n für ideale Zwecke, welche we<strong>der</strong> nach<br />

kantonalem Rechte als juristische Personen anerkannt s<strong>in</strong>d noch sich <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

haben e<strong>in</strong>tragen lassen, steht ke<strong>in</strong> Recht <strong>der</strong> Persönlichkeit zu.“ (Die <strong>Schweiz</strong>erische<br />

Bundesgesetzgebung, Erster Band, Basel 1890, S. 235).<br />

52 Art. 678 aOR: „Personenverbände, welche, ohne zu den <strong>in</strong> den Titeln XXIV bis XXVI<br />

normirten Gesellschaften zu gehören, geme<strong>in</strong>same Zwecke des wirtschaftlichen Verkehres<br />

verfolgen, müssen sich, um als Genossenschaften das Recht <strong>der</strong> Persönlichkeit zu erwerben,<br />

nach Massgabe <strong>der</strong> folgenden Artikel <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen.“<br />

(Die <strong>Schweiz</strong>erische Bundesgesetzgebung, Erster Band, Basel 1890, S. 231). Es fällt auf,<br />

dass das aOR das heute für die Genossenschaft als charakteristisch geltende Kriterium<br />

<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Selbsthilfe nicht nennt. – Zu den Gesetzgebungsarbeiten betreffend die<br />

Genossenschaft des aOR vgl. ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit<br />

ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947, S. 12 ff.<br />

53 ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 13 ff., und<br />

wohl auch J. HABERSTICH, Handbuch des schweizerischen Obligationenrechts, Zweiter<br />

Band, Zürich 1887, S. 635 f. Vgl. auch den H<strong>in</strong>weis bei CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung<br />

des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948,<br />

S. 10. – Nach SPECKER anerkannte die Praxis zusätzlich die Existenz von nicht e<strong>in</strong>getragenen<br />

Genossenschaften ohne Persönlichkeit (CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 6, mit H<strong>in</strong>weisen).<br />

54 CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 10 f. mit H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>en Rekursentscheid des Bundesrates<br />

aus dem Jahr 1888. Gleicher Ansicht bereits W. BEYLI, Zur Abgrenzung zwischen<br />

Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft, SJZ 13 (1916), S. 190.<br />

55 Vgl. dazu etwa LEO KIRCHHOFER, Beiträge zum schweizerischen Genossenschaftsrecht,<br />

Diss. 1888, zitiert bei CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 27 f.; CARL PAUL WIEDEMANN, Beiträge<br />

zur Lehre von den idealen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, Die Voraussetzungen und Rechtswirkungen<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> Deutschland und <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Zürcher Beiträge zur Rechtswissenschaft,<br />

Heft 19, Zürich 1908, zitiert bei CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 28 f.<br />

23


3. Die Bestimmungen im ZGB<br />

Nachdem <strong>der</strong> Bund <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Volksabstimmung im Jahre 1898 die<br />

Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem gesamten Gebiet des Zivilrechts<br />

erhalten hatte, konnten die juristischen Personen e<strong>in</strong>heitlich und ausschliesslich<br />

bundesrechtlich geregelt werden. Die Bestimmungen über<br />

den Vere<strong>in</strong> wurden <strong>in</strong> das Personenrecht <strong>in</strong>tegriert, welches im neu geschaffenen<br />

ZGB geregelt wurde.<br />

Das ZGB enthält drei Bestimmungen, welche Bezug nehmen auf die<br />

Frage des zulässigen Zweckes von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n: Art. 60 Abs. 1, Art. 52 Abs.<br />

2 und Art. 59 Abs. 2 ZGB. 56<br />

Mit Erlass des ZGB wurde vom Pr<strong>in</strong>zip des aOR abgewichen, wonach<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit idealem Zweck nur aufgrund <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

Rechtspersönlichkeit erlangen konnten. Nach geltendem<br />

Recht müssen sich lediglich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die „e<strong>in</strong> nach kaufmännischer Art<br />

geführtes Gewerbe“ betreiben, <strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen (Art.<br />

61 Abs. 2 ZGB). Der E<strong>in</strong>trag wirkt zudem bloss deklaratorisch, <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />

erhält also die Rechtspersönlichkeit schon vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung.<br />

Der heutige Wortlaut <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen zur Frage des<br />

Zwecks von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n g<strong>in</strong>g aus e<strong>in</strong>er langen Reihe von Än<strong>der</strong>ungen und<br />

Anregungen im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten hervor. Die Entstehungsgeschichte<br />

zeigt, dass bereits bei <strong>der</strong> Ausarbeitung des Gesetzes<br />

die Unterscheidung und <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen Zweck und Tätigkeit<br />

von Personenverb<strong>in</strong>dungen (namentlich das Betreiben e<strong>in</strong>es<br />

kaufmännischen Unternehmens) zu Unklarheiten geführt hat. 57<br />

E<strong>in</strong> Teilentwurf für das ZGB aus dem Jahre 1896 enthielt e<strong>in</strong>en Artikel<br />

75 Abs. 1, <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> regelte, „die e<strong>in</strong>en wohltätigen, politischen,<br />

sozialen, wissenschaftlichen, künstlerischen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n nicht<br />

56 Art. 60 Abs. 1 ZGB stellt Vorschriften für die Gründung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n auf, welche sich<br />

„e<strong>in</strong>er politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n nicht wirtschaftlichen Aufgabe“ widmen. Art. 52 Abs. 2 ZGB hält fest, dass<br />

„<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen“, ke<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

bedürfen, um das Recht <strong>der</strong> Persönlichkeit zu erlangen. Und gemäss Art. 59<br />

Abs. 2 ZGB unterstehen „Personenverb<strong>in</strong>dungen, die e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck<br />

verfolgen“, den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.<br />

Art. 61 Abs. 2 ZGB betrifft <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen führen und<br />

befasst sich damit mit den Mitteln.<br />

57 Vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich MARC-ANDRE PELLET, Le but non économique<br />

de l’association, Diss. Lausanne 1964, S. 21 ff.<br />

24


dem Erwerb o<strong>der</strong> Gewerbe unmittelbar dienenden wirtschaftlichen Zweck verfolgen“.<br />

58<br />

Im Vorentwurf zum ZGB wurde <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis auf den Erwerb o<strong>der</strong><br />

das Gewerbe weggelassen und <strong>der</strong> unzulässige wirtschaftliche Zweck<br />

e<strong>in</strong>geschränkt: „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>en politischen, religiösen, wissenschaftlichen,<br />

künstlerischen, wohltätigen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n nicht unmittelbar<br />

wirtschaftlichen Zweck verfolgen...“ (Art. 78 Abs. 1 VEZGB). 59 Der Zusatz<br />

von Art. 716 aOR „o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e ideale Zwecke“ wurde im VEZGB bewusst<br />

nicht übernommen. Gemäss Eidgenössischem Justiz- und Polizeidepartement<br />

lag das Abgrenzungskriterium im unmittelbar wirtschaftlichen<br />

Zweck, weil es <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Rahmen <strong>der</strong> positiv aufgestellten<br />

Umschreibung geben könne, die ihren Zweck durch das Mittel e<strong>in</strong>es<br />

„wirtschaftlichen Betriebes“ zu erreichen versuchten. Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im<br />

oben genannten S<strong>in</strong>ne wurde im Gegensatz zum aOR ke<strong>in</strong> konstitutiver<br />

E<strong>in</strong>trag <strong>in</strong> e<strong>in</strong> öffentliches Register verlangt. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sollten sich aber<br />

gemäss VEZGB <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Register e<strong>in</strong>tragen lassen dürfen, wenn dies <strong>in</strong><br />

ihrem Interesse lag. In den Erläuterungen zum VEZGB wurde darauf<br />

h<strong>in</strong>gewiesen, dass „eigentlich nach dem Zwecke des Registers, das <strong>der</strong><br />

Verkehrswelt zu dienen bestimmt ist, über die Notwendigkeit o<strong>der</strong><br />

Nichtnotwendigkeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Umstand<br />

entscheiden sollte, ob sie dem Verkehr angehöre o<strong>der</strong> nicht. Die<br />

getroffene Abgrenzung zwischen Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft wird auch<br />

im wesentlichen hierauf h<strong>in</strong>auslaufen, und wo sich dies nicht als richtig<br />

erweisen sollte, darf man darauf vertrauen, dass die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> selber und<br />

aus eigenem Interesse die E<strong>in</strong>tragung erwirken werden, sobald sie im<br />

Verkehrsleben e<strong>in</strong>e Stellung e<strong>in</strong>nehmen, die es ihnen als ratsam ersche<strong>in</strong>en<br />

lässt, e<strong>in</strong>getragen zu se<strong>in</strong>. Deshalb haben wir die Grundentscheidung<br />

lieber nach dem Lebenselement <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung, nach<br />

dem Vere<strong>in</strong>szwecke, und nicht nach den Interessen des Verkehrs getroffen.“<br />

60<br />

Im Entwurf des Bundesrates, <strong>der</strong> im Jahr 1905 dem Nationalrat vorgelegt<br />

wurde, wurde <strong>der</strong> unzulässige wirtschaftliche Zweck ausgedehnt.<br />

Art. 70 EZGB (entspricht Art. 60 ZGB, Gründung) sprach von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />

„die sich e<strong>in</strong>er politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen,<br />

wohltätigen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ähnlichen Aufgabe widmen<br />

58 Vgl. CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />

Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 11.<br />

59 Vgl. CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 11.<br />

60 EUGEN HUBER, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum Vorentwurf, Erstes<br />

Heft: E<strong>in</strong>leitung, Personen- und Familienrecht, Bern 1901, S. 81 f.<br />

25


und nicht mittelbar o<strong>der</strong> unmittelbar e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen“. 61 Art.<br />

61 EZGB (entspricht Art. 52 ZGB, Erlangen <strong>der</strong> Persönlichkeit) hatte<br />

bereits den Wortlaut des heutigen ZGB: „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht wirtschaftliche<br />

Zwecke verfolgen“. 62 Auch Art. 59 Abs. 2 ZGB (Vorbehalt des Gesellschafts-<br />

und Genossenschaftsrechts) sche<strong>in</strong>t ebenfalls bereits im<br />

EZGB den heutigen Wortlaut gehabt zu haben. 63<br />

Zu Art. 70 EZGB (Art. 60 ZGB, Gründung) stellte die Kommission<br />

des Nationalrates den Antrag, den Wortlaut wie folgt zu än<strong>der</strong>n: „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

die sich e<strong>in</strong>er politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen,<br />

wohltätigen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ähnlichen Aufgabe widmen<br />

und nicht e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Betrieb nach kaufmännischer Art führen“. E<strong>in</strong><br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsantrag von Nationalrat BROSI, <strong>der</strong> hauptsächlich als zusätzliches<br />

Gründungserfor<strong>der</strong>nis e<strong>in</strong>e Publikation im Amtsblatt verlangte, beantragte<br />

zunächst „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die sich e<strong>in</strong>er politischen, religiösen, wissenschaftlichen,<br />

künstlerischen, wohltätigen, geselligen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n<br />

ähnlichen Aufgabe widmen und nicht e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen“,<br />

liess diesen Antrag jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung fallen und schloss sich diesbezüglich<br />

dem Antrag <strong>der</strong> Kommission an, weil se<strong>in</strong>er Ansicht nach <strong>in</strong><br />

diesem Punkt <strong>in</strong>haltlich ke<strong>in</strong> Unterschied zwischen <strong>der</strong> von ihm gewählten<br />

Formulierung und <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> Kommission bestand. Zu Art.<br />

61 Abs. 2 EZGB (Art. 52 ZGB, Erlangen <strong>der</strong> Persönlichkeit) beantragte<br />

die Kommission den Wortlaut „ke<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>tragung bedürfen [...] <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

die nicht e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Betrieb nach kaufmännischer Art führen“.<br />

Zum Antrag <strong>der</strong> Kommission betreffend Art. 70 EZGB (Art. 60<br />

ZGB, Gründung) führte EUGEN HUBER, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> den Nationalrat<br />

hatte wählen lassen und Berichterstatter <strong>der</strong> Kommission war, unter an<strong>der</strong>em<br />

aus, die Kommission habe es als richtiger erachtet, die Abgrenzung<br />

zu den „wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, wie namentlich Handelsgesellschaften<br />

und Genossenschaften“ mittels dem wirtschaftlichen Betrieb<br />

nach kaufmännischer Art vorzunehmen, anstatt wie <strong>der</strong> Bundesrat auf<br />

den mittelbar o<strong>der</strong> unmittelbar wirtschaftlichen Zweck abzustellen. Der<br />

welsche Kommissionssprecher Nationalrat GOBAT verdeutlichte: „On<br />

recherchera toujours si la nature purement idéelle est réelle, car il peut<br />

arriver facilement qu’une société, sous un manteau d’apparence idéale,<br />

61 Amtliches stenographisches Büllet<strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen Bundesversammlung, 1905,<br />

Beratungen des Nationalrats, S. 478.<br />

62 A.a.O., Beratungen des Nationalrats, S. 473.<br />

63 Der entsprechende Artikel wurde <strong>in</strong> den Räten nicht behandelt, vgl. a.a.O., Beratungen<br />

des Nationalrats, S. 473 ff. und Beratungen des Stän<strong>der</strong>ates, S. 926 ff.<br />

26


ait cependant une certa<strong>in</strong>e exploitation commerciale et économique.“ 64<br />

Die Anträge <strong>der</strong> Kommission wurden stillschweigend angenommen, bezüglich<br />

Art. 61 Abs. 2 EZGB (Art. 52 ZGB, Erlangen <strong>der</strong> Persönlichkeit)<br />

ohne dass die Kommission den Vorschlag näher erläutert hätte. 65<br />

Der Stän<strong>der</strong>at folgte h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Zuerkennung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit<br />

dem Nationalrat. Die Verwendungsmöglichkeiten des Vere<strong>in</strong>s<br />

wurden h<strong>in</strong>gegen erweitert: <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche zur Erreichung ihres idealen<br />

Zweckes e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Betrieb nach kaufmännischer Art führen,<br />

sollten die Rechtspersönlichkeit als Vere<strong>in</strong> doch erlangen können.<br />

Bei <strong>der</strong> Beratung <strong>der</strong> Beschlüsse des Nationalrates im Stän<strong>der</strong>at beantragte<br />

die Kommission des Stän<strong>der</strong>ates h<strong>in</strong>sichtlich Art. 70 EZGB (Art.<br />

60 ZGB, Gründung) den Wortlaut „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die sich e<strong>in</strong>er politischen,<br />

religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen“. 66 Bei Art. 61 Abs. 2<br />

EZGB (Art. 52 ZGB, Erlangen <strong>der</strong> Persönlichkeit) kehrte die Kommission<br />

des Stän<strong>der</strong>ates zum Wortlaut des Bundesrates zurück („<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die<br />

nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen“). 67<br />

64<br />

Amtliches stenographisches Büllet<strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen Bundesversammlung, 1905,<br />

Beratungen des Nationalrats, S. 482.<br />

65<br />

A.a.O., S. 473 ff.<br />

66<br />

A.a.O., Beratungen des Stän<strong>der</strong>ates, S. 939.<br />

67<br />

Stän<strong>der</strong>at RICHARD führte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung von Art. 61 EZGB (Art. 52 ZGB, Erlangen<br />

<strong>der</strong> Persönlichkeit) aus, das Abstellen des Nationalrats auf den nach kaufmännischer Art<br />

geführten wirtschaftlichen Betrieb überzeuge ihn mehr als die vorgeschlagene Formulierung<br />

<strong>der</strong> Kommission des Stän<strong>der</strong>ates. Denn das Vorliegen e<strong>in</strong>es nach kaufmännischer<br />

Art geführten wirtschaftlichen Betriebes sei viel e<strong>in</strong>facher festzustellen, als <strong>der</strong> wirtschaftliche<br />

Zweck. Auch sei aus <strong>der</strong> Formulierung des Stän<strong>der</strong>ates nicht ersichtlich, aus welchen<br />

Gründen bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n auf den Registere<strong>in</strong>trag verzichtet werde. Die Formulierung des<br />

Nationalrates sei konkreter, klarer beschränkt und präziser (a.a.O., Beratungen des Stän<strong>der</strong>ates,<br />

S. 931). Dem entgegnete <strong>der</strong> Berichterstatter <strong>der</strong> stän<strong>der</strong>ätlichen Kommission,<br />

Stän<strong>der</strong>at HOFFMANN, bei <strong>der</strong> nationalrätlichen Fassung, die auf den nach kaufmännischer<br />

Art geführten wirtschaftlichen Betrieb abstelle, liege e<strong>in</strong> Missverständnis vor. Es<br />

werde das Kriterium, welches zur Erlangung <strong>der</strong> juristischen Persönlichkeit erfor<strong>der</strong>lich<br />

sei, verwechselt mit demjenigen, welches nach Massgabe des aOR (Art. 865 Abs. 4 aOR:<br />

„Wer e<strong>in</strong> Handels-, Fabrikations- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>es nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe<br />

betreibt, ist verpflichtet, sich am Orte se<strong>in</strong>er Hauptnie<strong>der</strong>lassung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>tragen zu lassen[...]“) die E<strong>in</strong>tragungspflicht begründe. Die E<strong>in</strong>tragungspflicht<br />

könne nicht davon abhängen, ob e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Betrieb nach kaufmännischer Art<br />

vorliege. Voraussetzung für die E<strong>in</strong>tragungspflicht sei nur, dass e<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />

Zweck verfolgt werde. Wie dieser Zweck verfolgt werde, ob auf kaufmännische Art o<strong>der</strong><br />

nicht, ob Bücher geführt werden o<strong>der</strong> nicht, und wie hoch <strong>der</strong> Betrag des Umsatzes sei,<br />

sei für die Frage <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht gleichgültig (a.a.O., Beratungen des Stän<strong>der</strong>ates,<br />

S. 931).<br />

27


Im Differenzbere<strong>in</strong>igungsverfahren des Nationalrates beantragte die<br />

Kommission des Nationalrates, bei allen hier relevanten Artikeln den<br />

Beschlüssen des Stän<strong>der</strong>ates zuzustimmen. Der Nationalrat nahm die<br />

Anträge <strong>der</strong> Kommission stillschweigend an.<br />

4. Bestimmungen <strong>in</strong> Spezialgesetzen<br />

Abgesehen von den Bestimmungen des ZGB wurde e<strong>in</strong>e Anzahl von<br />

Bestimmungen <strong>in</strong> Spezial- o<strong>der</strong> Ausführungsgesetzen betreffend <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

mit wirtschaftlichem Zweck erlassen.<br />

Im Kartellgesetz von 1962 68 war von Kartellen <strong>in</strong> Verbandsform die<br />

Rede. Der Gesetzestext bezieht sich zwar nicht ausdrücklich auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

i.S.d. ZGB, aus den Materialien ergibt sich jedoch, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

davon ausg<strong>in</strong>g, die Gründung von Kartellen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform sei zulässig.<br />

69<br />

Gemäss gelten<strong>der</strong> Gesetzgebung können sich Krankenkassen ausdrücklich<br />

als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB konstituieren (Art. 12 Abs. 1 lit. a<br />

KVV). Auch wenn sich aus Art. 12 Abs. 1 KVG ergibt, dass Krankenkassen<br />

ke<strong>in</strong>e Erwerbszwecke verfolgen dürfen, und Art. 12 Abs. 1 lit. a<br />

KVV impliziert, Krankenkassen hätten ke<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck 70 ,<br />

so wird doch als ausdrücklich zulässig erachtet, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ihren Mitglie<strong>der</strong>n<br />

unmittelbar materielle Werte verschaffen. 71<br />

68<br />

In Kraft vom 15.02.1964 bis zum 30.06.1986.<br />

69<br />

PAUL PIOTET, La loi sur les cartels et sa notion de l’association, JdT 111 I (1963),<br />

S. 226 ff.<br />

70<br />

Krankenkassen können sich gemäss dieser Bestimmung auch als Aktiengesellschaft<br />

„mit an<strong>der</strong>en als wirtschaftlichen Zwecken“ organisieren. – Demgegenüber wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Reihe von Entscheiden des Bundesgerichts ausdrücklich festgehalten, dass Krankenkassen<br />

wirtschaftliche Zwecke verfolgen (vgl. die H<strong>in</strong>weise bei HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar<br />

zu Art. 60 ZGB N 52, Bern 1990).<br />

71<br />

Bereits Art. 5 <strong>der</strong> Verordnung I zum KUVG von 1913 hatte den anerkannten Krankenkassen<br />

erlaubt, sich als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zu konstituieren (vgl. dazu RENÉ VON GRAFFENRIED,<br />

<strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss.<br />

Bern 1948, S. 120 ff.). EUGEN HUBER erklärte diese Regelung damit, dass Krankenkassen<br />

e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen Zweck hätten. Neben dem wirtschaftlichen Zweck, den sie<br />

verfolgen, seien sie auch im H<strong>in</strong>blick auf das öffentliche Wohl tätig. Dieser sozialpolitische<br />

Aspekt gebe dem Zweck e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen Charakter, welcher dem politischen<br />

Zweck i.S.v. Art. 60 ZGB gleichzusetzen sei (EUGEN HUBER, Gutachten vom 31.<br />

Januar 1914 an den Vorsteher des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes betreffend<br />

die Zulassung <strong>der</strong> anerkannten Krankenkassen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform, erwähnt und auszugsweise<br />

zitiert bei CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 78 f.). Dem hält<br />

GRAFFENRIED (<strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht,<br />

Diss. Bern 1948, S. 123) entgegen, dass diese Argumentation den Erläute-<br />

28


Art. 47 HRV 72 bezog sich ausdrücklich auf „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht ausschliesslich<br />

nichtwirtschaftliche Ziele verfolgen“. 73<br />

5. Problematik <strong>der</strong> gesetzlichen Regelung<br />

a) Unklarheiten bei den Gesetzgebungsarbeiten<br />

Beim Betrachten <strong>der</strong> Entstehungsgeschichte des ZGB wird klar, dass<br />

<strong>der</strong> heutige Wortlaut des ZGB eher das Ergebnis von Zufällen als dasjenige<br />

fundierter systematischer Überlegungen ist. Im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten<br />

<strong>in</strong> den Räten s<strong>in</strong>d die Kriterien „wirtschaftlicher<br />

Zweck“ und „kaufmännisches Gewerbe“ immer wie<strong>der</strong> durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

gebracht worden. Ausserdem war unklar, wie die theoretische Abgrenzung<br />

zwischen dem wirtschaftlichen Zweck und dem Betreiben e<strong>in</strong>es<br />

kaufmännischen Gewerbes erfolgen sollte. Auch die Frage nach dem<br />

s<strong>in</strong>nvollen Abgrenzungskriterium zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n des ZGB und Genossenschaften,<br />

die den Bestimmungen des OR unterstehen (wirtschaftlicher<br />

Zweck o<strong>der</strong> kaufmännisches Gewerbe), war umstritten.<br />

Der heutige Wortlaut des ZGB sche<strong>in</strong>t zum<strong>in</strong>dest auf den ersten Blick<br />

nicht wi<strong>der</strong>spruchsfrei. Unklar ist namentlich die Bedeutung von Art. 52<br />

Abs. 2 ZGB: Aus <strong>der</strong> Formulierung dieser Bestimmung könnte geschlossen<br />

werden, dass im schweizerischen Recht zwei Kategorien von<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n bestehen, nämlich solche mit wirtschaftlichem und solche mit<br />

nichtwirtschaftlichem Zweck. 74 Auch <strong>der</strong> Wortlaut von Art. 59 Abs. 2<br />

rungen EUGEN HUBERS (EUGEN HUBER, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen<br />

zum Vorentwurf, Erstes Heft: E<strong>in</strong>leitung, Personen- und Familienrecht, Bern 1901,<br />

S. 85 f.; vgl. dazu auch S. 24) wi<strong>der</strong>spreche, wonach die unmittelbare Verfolgung<br />

wirtschaftlicher Zwecke stets unter die Vorschriften des OR gehöre, auch wenn e<strong>in</strong><br />

Betrieb Ziele <strong>der</strong> Wohltätigkeit im Auge habe. In BGE 80 II 71 ff., 75 (<strong>Schweiz</strong>.<br />

Krankenkasse Helvetia, 1954) wird jedenfalls ausgeführt, bei den Krankenkassen sei die<br />

Mitgliedschaft völlig identisch mit Versicherungs<strong>in</strong>teresse und dieses sei e<strong>in</strong> re<strong>in</strong><br />

vermögensrechtliches.<br />

72 In Kraft bis zum 31.12.1997.<br />

73 Weitere H<strong>in</strong>weise f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> BGE 90 II 333, 343 ff. (Association suisse des fabricants de<br />

cigarettes, 1964) und bei HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 52,<br />

Bern 1990.<br />

74 Vgl. etwa ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 62. – Die<br />

Ungenauigkeit dieser Bestimmung dürfte daher rühren, dass <strong>der</strong> Begriff „Vere<strong>in</strong>“ <strong>in</strong><br />

Art. 52 ZGB <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em untechnischen S<strong>in</strong>ne als Oberbegriff für Personenverb<strong>in</strong>dungen<br />

mit juristischer Persönlichkeit und körperschaftlicher Organisation verwendet wird. Der<br />

Begriff „Vere<strong>in</strong>“ wurde vermutlich bereits im aOR als Sammelbegriff für den Vere<strong>in</strong> im<br />

S<strong>in</strong>ne des heutigen ZGB und die Genossenschaft verwendet. Gleicher Ansicht auch<br />

PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968), S. 179<br />

29


ZGB gibt zu Interpretationsfragen Anlass, 75 und das Verhältnis zwischen<br />

dem wirtschaftlichen Zweck und dem Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Gewerbes wird aus dem Gesetzestext nicht klar 76 .<br />

Obwohl die Bestimmungen des ZGB e<strong>in</strong>er wi<strong>der</strong>spruchsfreien Interpretation<br />

zugänglich s<strong>in</strong>d, 77 ergibt sich aus dieser Erklärungsbedarf h<strong>in</strong>-<br />

und<br />

RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />

Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 13.<br />

75 Art. 59 Abs. 2 ZGB stellt gemäss RIEMER lediglich e<strong>in</strong>e Art Programm- o<strong>der</strong> Grundsatzbestimmung<br />

dar, welche ke<strong>in</strong>e effektive normative Bedeutung hat (HANS MICHAEL<br />

RIEMER, Kommentar zu Art. 52-59, ST N 80 f., Bern 1993, im Gegensatz zu<br />

BGE 112 II 1 ff., 4). Das Bundesgericht leitete h<strong>in</strong>gegen aus Art. 59 Abs. 2 ZGB ab, dass<br />

jede Vere<strong>in</strong>igung, welche zum Teil e<strong>in</strong>en idealen, zum Teil e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck<br />

verfolgt, ohne weiteres die Rechtsform des Vere<strong>in</strong>s wählen kann mit <strong>der</strong> Folge, dass für<br />

die wirtschaftliche Tätigkeit e<strong>in</strong>fach die Bestimmungen des OR zur Anwendung kommen<br />

(BGE 48 II 167, Polnische Handelskammer, vgl. dazu S. 36). Dieser Interpretation stellt sich<br />

SUTER entgegen. Art. 59 Abs. 2 ZGB hat nach SUTER lediglich den Zweck, wirtschaftlichen<br />

Verbänden die Rechtsform des Vere<strong>in</strong>s zu verbieten und sie jenen Vorschriften zu<br />

unterstellen, welche wirtschaftlichen Gebilden angepasst s<strong>in</strong>d. Somit soll e<strong>in</strong>e klare und<br />

e<strong>in</strong>deutige Trennung zwischen den Rechtsformen ermöglicht werden (PAUL SUTER, Freiheit<br />

und Zwang bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsform, Diss. Basel 1946, S. 114 ff.).<br />

76 Nach MENGIARDI soll vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n des<br />

heutigen Art. 60 ZGB se<strong>in</strong>, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit idealem Zweck, welche zu dessen Verfolgung<br />

e<strong>in</strong>en Geschäftsbetrieb führen, als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong>e Rechtspersönlichkeit erlangen<br />

können. Ebensowenig <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die wirtschaftliche Zwecke verfolgen, auch wenn sie zu<br />

diesem Zweck ke<strong>in</strong>en Betrieb nach kaufmännischer Art führen. Dies obwohl <strong>der</strong> Wortlaut<br />

des Art. 61 Abs. 2 ZGB dazu im Wi<strong>der</strong>spruch steht. MENGIARDI erklärt diesen Wi<strong>der</strong>spruch<br />

damit, dass bei <strong>der</strong> Formulierung dieses Artikels offenbar vergessen wurde, dass<br />

<strong>der</strong> Text des Art. 60 ZGB geän<strong>der</strong>t worden war (PEIDER MENGIARDI, Strukturproble-<br />

me des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II [1968], S. 186 f.). SPECKER <strong>in</strong>terpretierte<br />

Art. 61 Abs. 2 ZGB so, dass sich aus dem Wortlaut für se<strong>in</strong>en Zweck ergebe, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />

i.S.d. ZGB nur dann e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben darf, wenn dieses als<br />

notwendig und untergeordnet zum idealen Zweck ersche<strong>in</strong>t. Nach Ansicht SPECKERS<br />

macht die Bestimmung von Art. 61 Abs. 2 ZGB nur so e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, da dar<strong>in</strong> ansonsten<br />

lediglich die E<strong>in</strong>tragungspflicht wie<strong>der</strong>holt wird, welche bereits nach Art. 934 OR besteht.<br />

SPECKER stellt sich damit gegen das Bundesgericht, welches <strong>in</strong> BGE 56 I 123 (Diakonieverband<br />

„Wartburg“) die Worte „für se<strong>in</strong>en Zweck“ als irreführend und überflüssig bezeichnet<br />

hat (CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />

Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 64 f.).<br />

77 Die massgeblichen Bestimmungen des ZGB s<strong>in</strong>d trotz des irreführenden Wortlauts<br />

e<strong>in</strong>er wi<strong>der</strong>spruchsfreien Auslegung zugänglich: Art. 52 ZGB bezieht sich – wie bereits<br />

aus <strong>der</strong> Marg<strong>in</strong>alie ersichtlich ist – auf die Frage, wann zur Erlangung <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />

e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister (mit konstitutiver Wirkung) erfor<strong>der</strong>lich ist. Nach<br />

Art. 52 Abs. 2 ZGB ist dies für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nach ZGB nicht <strong>der</strong> Fall, diese entstehen also<br />

ohne E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister. Art. 59 Abs. 2 ZGB enthält den H<strong>in</strong>weis, dass für<br />

Personenverb<strong>in</strong>dungen, welche e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen, die Gesellschaftsformen<br />

des OR zur Verfügung stehen (Nach GRAFFENRIED gibt Art. 59 Abs. 2 OR auch<br />

30


sichtlich <strong>der</strong> dargestellten Bestimmungen <strong>in</strong> den Spezialgesetzen. In diesem<br />

Zusammenhang wird im allgeme<strong>in</strong>en ausgeführt, e<strong>in</strong>e Überprüfung<br />

des Zweckes e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s unter den Gesichtspunkten von Art. 60 Abs.<br />

1 ZGB erübrige sich, soweit e<strong>in</strong>e Spezialbestimmung die Rechtsform des<br />

Vere<strong>in</strong>s zur Verfolgung bestimmter Zwecke generell vorsieht o<strong>der</strong> zulässt.<br />

Massgebend sei <strong>in</strong> solchen Fällen ausschliesslich die Spezialbestimmung.<br />

78 Der Wortlaut von Art. 47 HRV wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als<br />

missverständlich bezeichnet: Der ideale Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n sei dadurch<br />

nicht <strong>der</strong>ogiert worden. 79 Selbst wenn diese Erklärung als s<strong>in</strong>nvoll<br />

angesehen wird, so ist dennoch erwiesen, dass die Unklarheiten, welche<br />

bei <strong>der</strong> Legiferierung des ZGB bestanden hatten, auch bei späteren Gesetzgebungsarbeiten<br />

nicht überwunden waren.<br />

b) Relevanz des Abgrenzungskriteriums „wirtschaftlicher Zweck“ und<br />

fehlende gesetzliche Def<strong>in</strong>ition<br />

Die Abgrenzung zwischen wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem<br />

Zweck ist im schweizerischen Gesellschaftsrecht lediglich für zwei Sachverhalte<br />

relevant: Abgesehen von <strong>der</strong> <strong>in</strong> Frage stehenden Zulässigkeit<br />

von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n steht nach geltendem Recht die Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung nur für wirtschaftliche Zwecke zur Verfügung (Art.<br />

772 Abs. 3 OR). 80 Für die übrigen juristischen Personen und Gesellschaften<br />

ist die Frage nach dem wirtschaftlichen o<strong>der</strong> nichtwirtschaftli-<br />

den Grundgedanken wie<strong>der</strong>, auf welchem die Son<strong>der</strong>behandlung <strong>der</strong> körperschaftlichen<br />

Personenverb<strong>in</strong>dungen mit wirtschaftlichen Zwecken des OR fusst. Vgl. RENÉ VON<br />

GRAFFENRIED, a.a.O., S. 26 f.). Art. 60 Abs. 1 ZGB enthält e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition,<br />

welchen Aufgaben sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB widmen dürfen, an<strong>der</strong>erseits wird dargestellt,<br />

wie e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> gegründet werden kann. Auf die Frage <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister<br />

wird nicht mehr Bezug genommen, da diese bereits <strong>in</strong> Art. 52 ZGB geregelt ist. H<strong>in</strong>gegen<br />

werden die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Vere<strong>in</strong>sstatuten normiert. Art. 61 ZGB bestimmt<br />

schliesslich, dass sich auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen können, wobei<br />

bei Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens die E<strong>in</strong>tragung zw<strong>in</strong>gend zu erfolgen<br />

hat. Dieser E<strong>in</strong>tragung kommt jedoch – aufgrund <strong>der</strong> Bestimmung von Art. 52 ZGB –<br />

ke<strong>in</strong>e konstitutive Wirkung zu, sie ist lediglich deklaratorischer Natur.<br />

78 Vgl. etwa HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 51, Bern 1990 und<br />

bereits RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im<br />

privaten Körperschaftsrecht, S. 123 f.<br />

79 Vgl. etwa ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 64.<br />

80 Diese Bestimmung soll allerd<strong>in</strong>gs an diejenige betreffend die Aktiengesellschaft angepasst<br />

werden: BÖCKLI / FORSTMOSER / RAPP, Reform des GmbH-Rechts, Expertenentwurf<br />

vom 29. November 1996 für e<strong>in</strong>e Reform des Rechts <strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung, Zürich 1997, S. 19 und 73.<br />

31


chen Zweck ohne Bedeutung 81 , ausser dass mit <strong>der</strong> Genossenschaft „<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Hauptsache“ die För<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Sicherung bestimmter wirtschaftlicher<br />

Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bezweckt werden soll (Art. 828 OR). 82<br />

Art. 92 Abs. 2 HRegV erklärt jedoch die E<strong>in</strong>tragung von Genossenschaften<br />

mit ausschliesslich geme<strong>in</strong>nützigem Zweck als zulässig.<br />

In den Gesetzen wird auch ausserhalb des Vere<strong>in</strong>srechts nirgendwo<br />

def<strong>in</strong>iert, was unter e<strong>in</strong>em wirtschaftlichen o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlichen<br />

Zweck zu verstehen ist. Aus dem Wortlaut von Art. 620 OR, <strong>in</strong> welchem<br />

„wirtschaftliche Zwecke“ erwähnt werden, lassen sich ke<strong>in</strong>e Rückschlüsse<br />

auf die Def<strong>in</strong>ition des wirtschaftlichen Zwecks ziehen. Art. 772<br />

Abs. 3 OR bestimmt für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, dass<br />

diese „zum Betrieb e<strong>in</strong>es Handels-, e<strong>in</strong>es Fabrikations- o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>n<br />

nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes o<strong>der</strong> zu an<strong>der</strong>n wirtschaftlichen<br />

Zwecken“ gegründet werden kann. Aufgrund <strong>der</strong> Formulierung<br />

dieser Bestimmung drängt sich <strong>der</strong> Rückschluss auf, dass <strong>der</strong><br />

Gesetzgeber den Betrieb e<strong>in</strong>es kaufmännischen Gewerbes als e<strong>in</strong>en von<br />

mehreren möglichen wirtschaftlichen Zwecken aufgefasst hat. 83 Auch im<br />

Genossenschaftsrecht wird nicht def<strong>in</strong>iert, was unter den wirtschaftlichen<br />

Interessen zu verstehen ist, welche die Genossenschaft för<strong>der</strong>n<br />

soll. Immerh<strong>in</strong> kann aus Art. 828 Abs. 1 OR abgeleitet werden, dass <strong>der</strong><br />

Zweck wohl am Ergebnis anknüpft, welches den Mitglie<strong>der</strong>n aus <strong>der</strong><br />

Körperschaftstätigkeit zukommen soll. 84 Aus Art. 18 Ziff. 13 MWSTG<br />

ergibt sich überdies, dass es nach Ansicht des Gesetzgebers nichtgew<strong>in</strong>nstrebige<br />

E<strong>in</strong>richtungen mit wirtschaftlicher Zielsetzung geben<br />

85 86<br />

kann.<br />

81<br />

Vgl. Art. 552 Abs. 1 OR für die Kollektivgesellschaft; Art. 594 Abs. 1 OR für die<br />

Kommanditgesellschaft; Art. 620 Abs. 3 OR für die Aktiengesellschaft; Art. 764 Abs. 3<br />

OR für die Kommanditaktiengesellschaft, mit Verweis auf die Bestimmungen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft.<br />

82<br />

Vgl. dazu BGE 80 II 71 ff., 75.<br />

83<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne auch RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />

Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 43 f. – Dies steht<br />

allerd<strong>in</strong>gs im Wi<strong>der</strong>spruch zu den Überlegungen, welche im Zusammenhang mit<br />

Art. 61 Abs. 2 ZGB angestellt werden, nach welchen <strong>der</strong> Betrieb e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Gewerbes als Mittel zur Zweckverfolgung verstanden wird.<br />

84<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch RENÉ VON GRAFFENRIED, a.a.O., S. 45.<br />

85<br />

Vgl. dazu unten S. 203.<br />

86<br />

E<strong>in</strong> weiterer Begriff, welcher im Zusammenhang mit dem Zweck von Unternehmen<br />

ersche<strong>in</strong>t, ist <strong>der</strong> „Gegenstand des Unternehmens“. Dieser Begriff ist heute noch <strong>in</strong> Art.<br />

776 Ziff. 2 OR betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung enthalten (vgl. dazu<br />

ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 35 ff.). Vor <strong>der</strong><br />

Revision des Aktienrechts vom 1. Juli 1992 bestimmte ausserdem Art. 626 Ziff. 2 OR,<br />

32


c) Schlussfolgerung<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Regelung des<br />

ZGB aus heutiger Sicht problematisch ist, weil die Abgrenzung zwischen<br />

zulässigem und unzulässigem Zweck sowie zulässigen und unzulässigen<br />

Mitteln bereits im Rahmen <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten nicht klar war<br />

und <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck <strong>in</strong> den Gesetzen nirgendwo def<strong>in</strong>iert<br />

wird. Die nachfolgenden Ausführungen werden aufzeigen, wie die<br />

Rechtsprechung 87 und die Lehre 88 damit umgegangen s<strong>in</strong>d.<br />

dass die Statuten e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft Angaben über „Gegenstand und Zweck des<br />

Unternehmens“ enthalten mussten. Die revidierte Fassung von Art. 626 Ziff. 2 OR hält<br />

nur noch fest, dass die Statuen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft Bestimmungen über den „Zweck<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft“ enthalten müssen. Daraus kann gefolgert werden, dass <strong>der</strong> Begriff „Gegenstand<br />

des Unternehmens“ i.S.d. OR gleichzusetzen ist mit dem Begriff des Zwecks (zu<br />

e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Ergebnis kommt ERNST PESTALOZZI, a.a.O., S. 35 ff., mit weiteren H<strong>in</strong>weisen).<br />

– Allerd<strong>in</strong>gs wird im Gesetz auch nicht näher def<strong>in</strong>iert, was unter dem „Gegenstand<br />

des Unternehmens“ zu verstehen ist.<br />

87<br />

S. 34 ff.<br />

88<br />

S. 69 ff.<br />

33


IV. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Rechtsprechung<br />

1. Vorbemerkungen und Übersicht<br />

Im folgenden wird dargestellt, wie die Gerichte mit <strong>der</strong> Frage nach<br />

<strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Ausrichtung und <strong>der</strong><br />

gemäss Gesetz unklaren Abgrenzung zwischen Zweck und Mitteln umgegangen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Frage, <strong>in</strong> welcher Form<br />

sich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> wirtschaftlich ausrichten darf, befasst sich hauptsächlich<br />

mit Berufs-, Standes- und Branchenverbänden sowie Kartellen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform.<br />

Meist geht es darum, ob e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung rechts- und damit<br />

parteifähig ist. 89 Die Frage <strong>der</strong> Parteifähigkeit ist von jedem Gericht von<br />

Amtes wegen zu überprüfen. 90 Aus <strong>der</strong> Vorschrift von Art. 62 ZGB –<br />

wie sie die Doktr<strong>in</strong> versteht – ergibt sich damit <strong>in</strong>direkt, dass jedes Gericht<br />

von Amtes wegen nachprüfen müsste, ob <strong>der</strong> Zweck des Vere<strong>in</strong>s<br />

mit den Regeln des ZGB vere<strong>in</strong>bar ist. 91 Allerd<strong>in</strong>gs wird bei e<strong>in</strong>em im<br />

Handelsregister e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong> gestützt auf Art. 9 ZGB die Parteifähigkeit<br />

ohne weiteres vermutet, solange diese von ke<strong>in</strong>er Partei bestritten<br />

wird. 92<br />

Die Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist <strong>in</strong> vier<br />

Abschnitte geglie<strong>der</strong>t, welche sich an <strong>der</strong> Haltung des Bundesgerichts<br />

zur hier <strong>in</strong>teressierenden Frage orientieren. Die Rechtsprechung zum<br />

aOR wird nicht dargestellt. 93 Anschliessend folgt e<strong>in</strong>e Darstellung <strong>der</strong><br />

89<br />

Vgl. auch RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck<br />

im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 29 f.<br />

90<br />

HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 93, Bern 1990. Vgl. etwa<br />

BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de cigarettes).<br />

91<br />

Vgl. dazu bereits ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich<br />

1952, S. 50.<br />

92<br />

CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />

Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 5.<br />

93<br />

Das Bundesgericht befasste sich <strong>in</strong> folgenden Entscheiden mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss aOR:<br />

BGE 21 1069 (Sennereigenossenschaft H<strong>in</strong>terfeld-Meilen); BGE 24 II 561 (Sparkasse Zug);<br />

BGE 27 II 174 (Krankenvere<strong>in</strong> Helvetia, 1901); BGE 32 II 116 (<strong>Schweiz</strong>er Verband <strong>der</strong> Versicherungsvertreter<br />

und –Beamten, 1906); BGE 34 II 246 (Fachvere<strong>in</strong> <strong>der</strong> Glaser von Zürich und Umgebung,<br />

1908) und BGE 35 II 595 (Genossenschaft <strong>der</strong> schweizerischen Schre<strong>in</strong>ermeister und Möbelfabrikanten).<br />

– Unter dem aOR befasste sich <strong>der</strong> Bundesrat als Aufsichtsbehörde über das<br />

eidgenössische Handelsregisteramt häufig mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Abgrenzung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

und wirtschaftlichen Personenverb<strong>in</strong>dungen: Vgl. etwa BBl 1888 IV 1123 (Sociétés<br />

34


publizierten Schiedsgerichtsurteile und <strong>der</strong> publizierten kantonalen Entscheide.<br />

Die Übersicht erhebt ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist<br />

dennoch vergleichsweise umfangreich. Dies rechtfertigt sich, weil <strong>in</strong> den<br />

meisten e<strong>in</strong>schlägigen Publikationen lediglich vier Entscheide des Bundesgerichts<br />

erwähnt werden, ohne dass auf die grosse Zahl von Entscheiden<br />

betreffend wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> h<strong>in</strong>gewiesen wird. 94<br />

2. Rechtsprechung des Bundesgerichts seit Inkrafttreten des<br />

ZGB (1907) bis 1934: Entscheidend ist alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweck<br />

a) BGE 44 II 77 (Union rurale, 1918)<br />

BGE 44 II 77 ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Entscheid seit Inkrafttreten des ZGB, <strong>in</strong><br />

welchem e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung die Rechtsfähigkeit<br />

abgesprochen worden ist. Ausschlaggebend war die Personalvorsorgetätigkeit<br />

zugunsten <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. Die Union rurale war e<strong>in</strong>e Personenverb<strong>in</strong>dung<br />

mit dem Zweck „de rapprocher et de réunir par un lien<br />

amical les catholiques-roma<strong>in</strong>s des paroisses du canton de Genève et de<br />

contribuer au bien-être de ses membres en leur assurant secours et consolation<br />

en cas de malheur“. Nebst Hilfe im Krankheitsfall leistete die<br />

Union rurale Beiträge an die Bestattungskosten ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Die Personenverb<strong>in</strong>dung<br />

stand unter dem Patronat e<strong>in</strong>es Heiligen, dessen Fest<br />

alljährlich <strong>in</strong> den Sektionen begangen wurde. BGE 44 II 77 qualifizierte<br />

die Union rurale als Genossenschaft, nicht als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB. „Le critère<br />

de la dist<strong>in</strong>ction est fourni par le but que poursuit la Société...“.<br />

Obwohl die Union rurale „une tendance confessionelle très marquée“<br />

habe, sei sie <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> Zusammenschluss zur gegenseitigen Hilfe und<br />

bezwecke, an das „bien-être matériel“ <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> beizutragen. Es handle<br />

sich also nicht e<strong>in</strong>fach um e<strong>in</strong>en religiöse Personenverb<strong>in</strong>dung, son<strong>der</strong>n<br />

um e<strong>in</strong>en Zusammenschluss von Personen zur Erreichung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>-<br />

d’assurance mutuelle au décès); BBl 1894 I 33 (<strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung gegen schädliches Kreditgeben);<br />

BBl 1896 II 857 (Allgeme<strong>in</strong>e Krankenkasse <strong>der</strong> Stadt Biel); BBl 1905 IV 965 (Vere<strong>in</strong>igung<br />

<strong>der</strong> zürcherischen Kontrollbuch<strong>in</strong>haber); BBl 1906 IV 175 (Alkoholfreie Wirtschaft <strong>in</strong> Küsnacht).<br />

Aussagekräftige Zusammenfassungen dieser Entscheide f<strong>in</strong>den sich bei CHRISTIAN<br />

SPECKER, a.a.O., S. 20 ff.<br />

94 Vgl. etwa HAUSHEER / AEBI, Das Personenrecht des <strong>Schweiz</strong>erischen Zivilgesetzbuches,<br />

Bern 1999, RZ 18.08 ff. o<strong>der</strong> MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />

8. Auflage Bern 1998, § 4 N 25 ff., die lediglich auf BGE 44 II 77 (Union<br />

rurale), BGE 62 II 34 (<strong>Schweiz</strong>. Tabakverband), BGE 88 II 209 (Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera) und<br />

BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de cigarettes) e<strong>in</strong>gehen.<br />

35


samen wirtschaftlichen o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Zweckes i.S.v. Art. 678 aOR,<br />

wobei das religiöse Element lediglich e<strong>in</strong>en Nebenzweck darstelle.<br />

b) BGE 48 II 145 (Arbeiterunion Zürich, 1922)<br />

In BGE 48 II 145 bestritten die Organe <strong>der</strong> Arbeiterunion Zürich und<br />

diese selbst als Schadenersatz-Beklagte erfolglos die Parteifähigkeit <strong>der</strong><br />

gewerkschaftlich ausgerichteten Arbeiterunion als Vere<strong>in</strong>. Die Arbeiterunion<br />

Zürich bestand aus dem Gewerkschaftskartell von Zürich und Umgebung<br />

und <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei <strong>der</strong> Stadt Zürich, wobei laut Bundesgericht<br />

nicht diese beiden Vere<strong>in</strong>igungen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arbeiterunion<br />

Zürich waren, son<strong>der</strong>n direkt <strong>der</strong>en jeweiligen Mitglie<strong>der</strong>. Die Arbeiterunion<br />

Zürich bezweckte gemäss Statuten die „Wahrung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong><br />

Arbeiterschaft <strong>in</strong> allen Angelegenheiten, die nicht ausschliesslich politischer<br />

o<strong>der</strong> gewerkschaftlicher Natur s<strong>in</strong>d“. Als Mittel zur Erreichung<br />

dieses Zweckes diente unter an<strong>der</strong>em die Organisation von Demonstrationen.<br />

Das Bundesgericht musste die Frage entscheiden, ob die Organe<br />

<strong>der</strong> Arbeiterunion Zürich gegenüber <strong>der</strong> Stadtgeme<strong>in</strong>de Zürich als Eigentümer<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>es Gebäudes für Schäden hafteten, welche bei Ausschreitungen<br />

anlässlich e<strong>in</strong>er Demonstration verursacht worden waren. Offenbar<br />

war die Arbeiterunion Zürich nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen. Die<br />

Persönlichkeit <strong>der</strong> Arbeiterunion Zürich konnte somit nur bejaht werden,<br />

wenn es sich um e<strong>in</strong>e Personenverb<strong>in</strong>dung mit ideellem Zweck handelte.<br />

Gemäss Bundesgericht konnte „e<strong>in</strong>em Zweifel nicht unterliegen“, dass<br />

die Arbeiterunion e<strong>in</strong>en Zweck i.S.v. Art. 60 Abs. 1 ZGB verfolgte.<br />

Gemäss Doktr<strong>in</strong> und Praxis fielen unter den Begriff <strong>der</strong> politischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

i.S.v. Art. 60 Abs. 1 ZGB „nicht nur Verbände mit re<strong>in</strong> politischem<br />

Zweck, son<strong>der</strong>n auch solche, die, ohne für sich selber wirtschaftliche Vorteile<br />

zu erstreben, sich allgeme<strong>in</strong> die Hebung e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Klasse zum Ziele setzen“.<br />

Mit dieser Argumentation konnte das Bundesgericht die Haftung<br />

<strong>der</strong> Organe <strong>der</strong> Arbeiterunion Zürich gegenüber <strong>der</strong> Stadtgeme<strong>in</strong>de Zürich<br />

bejahen.<br />

c) BGE 51 II 522 (<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverband, Sektion<br />

Biel, 1925)<br />

In BGE 51 II 522 bestritt die Sektion Biel des gewerkschaftlich ausgerichteten<br />

<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverbandes als Schadenersatz-Beklagte<br />

im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em Boykott erfolglos, e<strong>in</strong> parteifähiger<br />

Vere<strong>in</strong> zu se<strong>in</strong>. Das Bundesgericht entschied, dass die Sektion Biel des<br />

<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverbandes e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> mit idealem Zweck<br />

36


sei. Zweck des Vere<strong>in</strong>s war „die geistigen und materiellen Interessen <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> zu wahren und zu för<strong>der</strong>n und <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem <strong>in</strong>ternationalen<br />

Proletariat die Übernahme <strong>der</strong> Produktion durch die Arbeiterschaft<br />

vorzubereiten und die Klassenherrschaft zu beseitigen“. Der<br />

Entscheid befasste sich mit e<strong>in</strong>er Klage auf Schadenersatz gegen die<br />

Sektion Biel wegen e<strong>in</strong>es Verdrängungsboykotts. Die Sektion Biel des<br />

<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverbandes bestritt ihre Passivlegitimation<br />

mit dem Argument, sie sei – im Gegensatz zum Zentralverband,<br />

<strong>der</strong> als idealer Vere<strong>in</strong> im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen sei – nicht e<strong>in</strong>getragen<br />

und daher lediglich e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> organisatorisches Untergebilde ohne<br />

Selbständigkeit und ohne juristische Existenz. Das Bundesgericht führte<br />

aus, gemäss Art. 60 und 61 ZGB bestünden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit idealem Zweck<br />

auch ohne Handelsregistere<strong>in</strong>trag, solange sie ke<strong>in</strong> kaufmännisch geführtes<br />

Gewerbe betrieben. Der Sektion Biel des <strong>Schweiz</strong>er Metall- und<br />

Uhrenarbeiterverbandes wurde demnach e<strong>in</strong> idealer Zweck attestiert, die<br />

Klage konnte somit gutgeheissen werden.<br />

d) BGE 56 I 123 (Diakonieverband „Wartburg“, 1930)<br />

Der Diakonieverband „Wartburg“, e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> gemäss Art. 60 ff. ZGB<br />

und als solcher im Handelsregister des Kantons Thurgau e<strong>in</strong>getragen,<br />

führte im Kanton Bern e<strong>in</strong> evangelisches Erholungsheim. In BGE 56 I<br />

123 g<strong>in</strong>g es um die Frage, ob dieses Erholungsheim als Zweignie<strong>der</strong>lassung<br />

des Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden müsse. Das<br />

Bundesgericht führte unter an<strong>der</strong>em aus, das Gesetz kenne „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die<br />

nach ihrer Zweckbestimmung ke<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>nabsichten haben und die deshalb<br />

nicht wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d, die aber e<strong>in</strong> nach kaufmännischer Art geführtes<br />

Gewerbe betreiben und aus diesem Grund e<strong>in</strong>tragungspflichtig<br />

s<strong>in</strong>d, ohne die ideale Zweckbestimmung zu verlieren“. „Bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht dieser <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ist also unerheblich, <strong>in</strong> welchem<br />

Verhältnis das Gewerbe zum Vere<strong>in</strong>szweck steht, sofern dieser<br />

nur e<strong>in</strong> idealer bleibt, und die Worte ‚für se<strong>in</strong>en Zweck‘ <strong>in</strong> ZGB Art. 61 Abs.<br />

2 s<strong>in</strong>d überflüssig und irreführend; denn die Tatsache, dass e<strong>in</strong> solcher Gewerbebetrieb<br />

vorhanden ist, genügt für die E<strong>in</strong>tragungspflicht.“<br />

e) BGE 59 I 32 (Institution de Baldegg, 1933)<br />

Die Révérendes Soeurs de Baldegg bildeten e<strong>in</strong>e religiöse Geme<strong>in</strong>schaft,<br />

welche zum Orden des Franz von Assisi gehörte. Die Révérendes Soeurs de<br />

Baldegg widmeten sich dem Unterrichten <strong>der</strong> Jugend und <strong>der</strong> Hilfe für<br />

Arme und Kranke. Im Jahr 1890 liessen sie sich unter <strong>der</strong> Bezeichnung<br />

37


„Institut Baldegg“ im Handelsregister e<strong>in</strong>tragen. Zur Erreichung <strong>der</strong> genannten<br />

Zwecke betrieb das Institut Baldegg drei Töchter<strong>in</strong>stitute und e<strong>in</strong><br />

Sanatorium. Diese waren als solche nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen.<br />

Das Bundesgericht hatte auf Klage e<strong>in</strong>iger Handwerker zu beurteilen,<br />

ob e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Töchter<strong>in</strong>stitute e<strong>in</strong>e Filiale des Instituts Baldegg darstelle.<br />

In diesem Zusammenhang anerkannte das Bundesgericht den<br />

idealen Zweck des Instituts Baldegg und entschied, dass dieses, obwohl<br />

es offenbar e<strong>in</strong>en Umsatz von mehr als CHF 10'000.– erzielte, ke<strong>in</strong><br />

„métier“ i.S.v. Art. 61 ZGB und ke<strong>in</strong>e „<strong>in</strong>dustrie“ i.S.v. Art. 13 Abs. 3<br />

HRV betreibe. Die Tatsache, dass das Institut Baldegg den Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Kranken Unterkunft und Nahrung zur Verfügung stellte, war nach<br />

Bundesgericht von untergeordneter Bedeutung und bewirkte nicht, dass<br />

das Institut Baldegg zu e<strong>in</strong>em Industrie- o<strong>der</strong> Handelsunternehmen geworden<br />

war. Das Institut Baldegg stelle vielmehr e<strong>in</strong>en religiösen Vere<strong>in</strong><br />

dar, auf welchen Art. 61 Abs. 2 ZGB nicht anwendbar sei.<br />

3. Rechtsprechung des Bundesgerichts von 1934 bis 1962:<br />

Zulässigkeit von Wirtschaftsverbänden <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform,<br />

solange sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben<br />

a) Entscheid des Bundesgerichts vom 5./6. Dezember 1934 (Fédération<br />

suisse des associations de fabricants d’horlogerie, Union des branches<br />

annexes de l‘horlogerie, JdT 1935 I, S. 66 ff.)<br />

In diesem Entscheid aus dem Jahre 1934 setzten sich die Fédération<br />

suisse des associations de fabricants d’horlogerie und die Union des branches annexes<br />

de l’horlogerie, zwei Branchenverbände mit Kartellcharakter, als parteifähige<br />

Kläger<strong>in</strong>nen gegen e<strong>in</strong>en Abtrünnigen durch. Die beiden Branchenorganisationen<br />

bezeichneten sich gemäss ihren Statuten als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

und waren nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen. Die Beklagte bestritt<br />

die Parteifähigkeit <strong>der</strong> Kläger<strong>in</strong>nen mit dem Argument, diese seien <strong>in</strong><br />

Wahrheit ke<strong>in</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss ZGB, son<strong>der</strong>n Genossenschaften i.S.d.<br />

OR und daher käme ihnen ohne Handelsregistere<strong>in</strong>trag ke<strong>in</strong>e Rechtspersönlichkeit<br />

zu. Das Bundesgericht anerkannte jedoch die Rechtspersönlichkeit<br />

bei<strong>der</strong> Verbände als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB. Zunächst wies das<br />

Bundesgericht auf die Bestimmung von Art. 62 ZGB h<strong>in</strong>, wonach <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

welche die Persönlichkeit noch nicht erlangt haben, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache<br />

Gesellschaft darstellen. Diese Lösung ist nach Ansicht des Bundesgerichts<br />

für Branchenverbände unzweckmässig, weil diese <strong>in</strong> ihren Aktivitäten<br />

völlig gelähmt würden, wenn sie als e<strong>in</strong>fache Gesellschaften behandelt<br />

würden. Ausserdem wären nach Ansicht des Bundesgericht<br />

38


sämtliche Handlungen, welche von den Verbänden seit <strong>der</strong>en Gründung<br />

als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB vorgenommen worden waren, als unheilbar nichtig<br />

zu qualifizieren gewesen, wenn ihnen die Rechtspersönlichkeit als Vere<strong>in</strong><br />

aberkannt worden wäre. Daher kam es für das Bundesgericht nicht <strong>in</strong><br />

Frage, die beiden Branchenverbände als Vere<strong>in</strong>igungen zu behandeln,<br />

welche die Rechtspersönlichkeit noch nicht erlangt hatten.<br />

Entsprechend qualifizierte das Bundesgericht den Zweck <strong>der</strong> beiden<br />

Verbände als nicht wirtschaftlich: Die Fédération horlogère war e<strong>in</strong>e Sektion<br />

<strong>der</strong> Chambre suisse de l’horlogerie und bezweckte gemäss Statuten die<br />

Wahrung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Interessen <strong>der</strong> Uhrenfabrikanten. Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Fédération horlogère waren nicht die e<strong>in</strong>zelnen Uhrenfabrikanten, son<strong>der</strong>n<br />

lokale Vere<strong>in</strong>igungen, die als Sektionen bezeichnet wurden. Das<br />

Bundesgericht unterstrich, dass die Fédération horlogère lediglich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

generellen Weise die Interessen <strong>der</strong> Uhrenfabrikanten vertrete. Sie wolle<br />

sich nicht selber e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Tätigkeit widmen und ke<strong>in</strong>e Geschäfte betreiben,<br />

sie wolle nichts produzieren und ke<strong>in</strong>en Handel betreiben. Die Mitglie<strong>der</strong><br />

hätten sich nicht zusammengeschlossen, um zusammen e<strong>in</strong> Unternehmen<br />

zu betreiben und die Fédération horlogère äufne ihre Mittel nicht aus<br />

ihren eigenen Aktivitäten, son<strong>der</strong>n aus den Mitteln ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Das<br />

Bundesgericht anerkannte zwar, dass die Fédération horlogère als Endzweck<br />

e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgte, nämlich die Besserstellung und das<br />

Wohlergehen <strong>der</strong> Uhren<strong>in</strong>dustrie. Dennoch komme <strong>der</strong> Fédération horlogère<br />

aber aufgrund ihrer Aktivitäten und ihrer Organisation selber ke<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />

Charakter zu. Nach Ansicht des Bundesgerichts wäre es absurd<br />

gewesen, jede Vere<strong>in</strong>igung, welche als Endzweck ihren Mitglie<strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>en Vorteil zu verschaffen versucht, als Vere<strong>in</strong>igung mit wirtschaftlichem<br />

Zweck zu bezeichnen. Für die Qualifikation des Zweckes e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>igung<br />

komme es e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> darauf an, ob die Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>e wirtschaftliche<br />

Tätigkeit entfalte. Auch das deutsche Recht unterscheide zwischen wirtschaftlichen<br />

und nichtwirtschaftlichen Vere<strong>in</strong>igungen. Das Abgrenzungskriterium<br />

gemäss BGB sei <strong>der</strong> wirtschaftliche o<strong>der</strong> nichtwirtschaftliche<br />

Charakter des Geschäftsbetriebes: Die §§ 22 und 23 BGB<br />

unterscheiden zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>der</strong>en Zweck nicht auf e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb, und solchen, <strong>der</strong>en Zweck auf e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Auch nach schweizerischem<br />

Recht seien nur Vere<strong>in</strong>igungen, die ihren Zweck durch e<strong>in</strong>e wirtschaftliche<br />

Tätigkeit zu erreichen versuchen, wirtschaftliche Vere<strong>in</strong>igungen, die<br />

zur Erlangung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit als Genossenschaften <strong>in</strong>s Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>getragen werden müssen. Nur wenn die Vere<strong>in</strong>igung am<br />

Geschäftsleben teilnimmt und durch Ausübung e<strong>in</strong>es Gewerbes o<strong>der</strong><br />

39


Handels e<strong>in</strong>e aktive Rolle auf dem Markt <strong>der</strong> jeweiligen Branche spielt,<br />

könne überhaupt <strong>in</strong> Betracht gezogen werden, dass sie unter Umständen<br />

ke<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB se<strong>in</strong> kann. Es blieb jedoch nach Bundesgericht<br />

zu beachten, dass unter Umständen selbst bei Vorliegen e<strong>in</strong>es Handels<br />

o<strong>der</strong> Gewerbes e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB bejaht werden kann. Das Bundesgericht<br />

führte allerd<strong>in</strong>gs nicht aus, wie diese Umstände aussehen müssen,<br />

und liess damit das Verhältnis zwischen dem Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Gewerbes und dem wirtschaftlichen Zweck offen.<br />

Mit <strong>der</strong>selben Begründung bejahte das Bundesgericht auch die<br />

Rechtspersönlichkeit <strong>der</strong> Union des branches annexes de l’horlogerie als Vere<strong>in</strong><br />

i.S.d. ZGB. Diese Vere<strong>in</strong>igung bezweckte die Vertretung und die Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Interessen <strong>der</strong> Berufsangehörigen.<br />

b) BGE 62 II 32 (<strong>Schweiz</strong>. Tabakverband, 1936)<br />

In BGE 62 II 32 95 setzte sich e<strong>in</strong> Branchenverband mit Kartellcharakter<br />

als parteifähiger Kläger gegen e<strong>in</strong>en Kartellverletzer durch. Das<br />

Bundesgericht musste die Klage des <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverbandes gegen<br />

e<strong>in</strong>en Tabakwarenhändler beurteilen, <strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>igen Zigarettenfabriken<br />

e<strong>in</strong> Abkommen getroffen hatte, nach welchem er gewisse M<strong>in</strong>destverkaufspreise<br />

e<strong>in</strong>halten werde. Diese Zigarettenfabriken hatten ihre Ansprüche<br />

aus dem Vertrag auf Konventionalstrafe im Falle <strong>der</strong> Zuwi<strong>der</strong>handlung<br />

an den <strong>in</strong>zwischen gegründeten <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverband<br />

abgetreten. Der Tabakwarenhändler bestritt auf e<strong>in</strong>e Klage des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Tabakverbandes h<strong>in</strong> dessen Parteifähigkeit, weil es sich beim <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Tabakverband um e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung mit wirtschaftlichem Zweck<br />

handle, dieser jedoch nicht als Genossenschaft im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen<br />

sei. Statutarischer Zweck des <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverbandes war<br />

die Sicherung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Existenz <strong>der</strong> Tabakwarenhändler im<br />

allgeme<strong>in</strong>en. Das Bundesgericht verne<strong>in</strong>te jedoch das Vorliegen e<strong>in</strong>er<br />

wirtschaftlichen Aufgabe des Verbandes i.S.v. Art. 59 Abs. 2 ZGB. Von<br />

<strong>der</strong> Verfolgung e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Aufgabe im S<strong>in</strong>ne dieser Bestimmung<br />

könne erst dann gesprochen werden, „wenn <strong>der</strong> Verband selber <strong>in</strong> dem<br />

<strong>in</strong> Frage stehenden Wirtschaftssektor durch den Betrieb e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dustriellen, gewerblichen<br />

o<strong>der</strong> Handelsunternehmens e<strong>in</strong>e aktive geschäftliche Tätigkeit entfaltet“. Dabei<br />

stützte sich das Bundesgericht auf die Entstehungsgeschichte von<br />

Art. 59 ZGB ab. Weil <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erische Tabakverband we<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Handelsgeschäft<br />

<strong>in</strong> Rohtabak o<strong>der</strong> Tabakwaren noch e<strong>in</strong> Fabrikationsgeschäft<br />

betrieb, son<strong>der</strong>n weil sich se<strong>in</strong>e Tätigkeit auf die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> wirt-<br />

95 Vor<strong>in</strong>stanz: ZR 35, 1936, S. 175.<br />

40


schaftlichen Interessen des gesamten Standes <strong>der</strong> Tabakwarenhändler<br />

beschränkte (egal, ob diese Mitglie<strong>der</strong> des Verbandes seien o<strong>der</strong> nicht)<br />

handelte es sich gemäss Bundesgericht um e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> zu nicht wirtschaftlichen<br />

Zwecken i.S.d. ZGB.<br />

c) BGE 69 I 127 (<strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung zur Wahrung <strong>der</strong><br />

Gebirgs<strong>in</strong>teressen, 1943)<br />

In BGE 69 I 127 befasste sich das Bundesgericht mit <strong>der</strong> Namensbildung<br />

e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Vere<strong>in</strong>s i.S.v. Art. 47 HRV. Das Bundesgericht<br />

hatte die Frage zu beantworten, ob die <strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung zur<br />

Wahrung <strong>der</strong> Gebirgs<strong>in</strong>teressen unter dieser Bezeichnung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>getragen werden könne. Diese hatte sich als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB<br />

konstituiert und bezweckte gemäss Statuten „die Wahrung und För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> sozialen, wirtschaftlichen und geistigen Interessen <strong>der</strong> schweizerischen<br />

Gebirgsbevölkerung“. Ihre Tätigkeit erstreckte sich unter an<strong>der</strong>em<br />

auf „die Beschaffung und Zuwendung f<strong>in</strong>anzieller Beiträge aus<br />

dem Gebirgshilfe-Fonds unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung <strong>der</strong> Selbsthilfe“.<br />

Der „Gebirgshilfe-Fonds“ war e<strong>in</strong>e Stiftung, dessen Stiftungsrat<br />

<strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Vere<strong>in</strong>igung zur Wahrung <strong>der</strong> Gebirgs<strong>in</strong>teressen<br />

war.<br />

Das Bundesgericht kam zum Ergebnis, die Vere<strong>in</strong>igung sei e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>,<br />

<strong>der</strong> nicht ausschliesslich nichtwirtschaftliche Ziele i.S.v. Art. 47 HRV<br />

verfolge und daher die territoriale Bezeichnung „schweizerisch“ gemäss<br />

Art. 45 und 46 HRV nur unter Ausnahmenbed<strong>in</strong>gungen verwenden<br />

dürfe. Das wirtschaftliche Zweckelement sah das Bundesgericht <strong>in</strong> den<br />

wirtschaftlichen Solidaritätsbestrebungen, <strong>der</strong> Verwaltung <strong>der</strong> Stiftung und <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebensführung <strong>der</strong> Gebirgsbevölkerung. 96<br />

d) BGE 71 I 119 (Kaufmännische Corporation <strong>in</strong> St. Gallen, 1945)<br />

Erfolglos versuchte <strong>in</strong> diesem Verfahren die Kaufmännischen Corporation<br />

<strong>in</strong> St. Gallen, e<strong>in</strong> Verband zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> regionalen Wirtschaft, sich<br />

als geme<strong>in</strong>nützige und damit steuerbefreite Institution darzustellen. Das<br />

Bundesgericht hat offenbar ohne weiteres die Rechtsform <strong>der</strong> Kaufmännischen<br />

Corporation als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB anerkannt. Die Kaufmännische Corporation<br />

<strong>in</strong> St. Gallen hatte als Zweck, die Interessen des Handels und <strong>der</strong><br />

Industrie zu wahren und zu för<strong>der</strong>n, geme<strong>in</strong>nützige Unternehmungen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Stadt St. Gallen zu unterstützen und zur Hebung von Gewerbe,<br />

96 Vgl. dazu die Kritik von ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es<br />

kaufmännischen Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 6.<br />

41


Kunst und Wissenschaft beizutragen. Als Mitglie<strong>der</strong> wurden Firmen<strong>in</strong>haber,<br />

vollverantwortliche geschäftsführende Teilhaber, Delegierte des<br />

Verwaltungsrates und Direktoren von Unternehmungen des Grosshandels<br />

und <strong>der</strong> Gross<strong>in</strong>dustrie e<strong>in</strong>schliesslich Banken, Versicherungen und<br />

Grossgewerbe aufgenommen. Offenbar wurden unter <strong>der</strong> Initiative <strong>der</strong><br />

Kaufmännischen Corporation und mit <strong>der</strong>en f<strong>in</strong>anziellen Hilfe neue Schulen<br />

e<strong>in</strong>gerichtet, e<strong>in</strong> grosses Lagerhaus <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem neuen Güterbahnhof<br />

<strong>in</strong> St. Gallen gebaut, e<strong>in</strong>e Ersparnisanstalt übernommen und<br />

saniert und die St. Gallische Hypothekarkasse gegründet. Die Kaufmännische<br />

Corporation schien auch „namhafte Beträge“ an Eisenbahnprojekte<br />

und für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schiffahrt auf dem Bodensee und dem Walensee<br />

geleistet zu haben. Die Mittel für alle diese Tätigkeiten waren aus<br />

den Erträgnissen e<strong>in</strong>es Fonds geleistet worden, <strong>der</strong> <strong>in</strong> den Statuten als<br />

unantastbares Stammkapital bezeichnet worden war.<br />

e) BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative vaudoise d’allocations familiales,<br />

1946)<br />

In BGE 72 I 319, ebenfalls e<strong>in</strong>em steuerrechtlichen Entscheid, erreichte<br />

e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> zur Leistung kantonal-vorsorgerechtlicher Ausgleichszahlungen<br />

erfolgreich die Anerkennung als steuerbefreite juristische Person.<br />

Zu beurteilen war die Caisse <strong>in</strong>tercorporative vaudoise d’allocations<br />

familiales, die gemäss Statuten zum Zweck hatte, „d’assurer entre les<br />

membres employeurs la répartition équitable des charges imposées par<br />

les allocations familiales (loi vaudoise du 26 mai 1943)“. Die Statuten<br />

bezeichneten die Caisse als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB und sagten ausdrücklich,<br />

„la Caisse ne poursuit aucun but lucratif“. Offenbar übte die<br />

Caisse hauptsächlich e<strong>in</strong>e Art Umverteilfunktion h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Ausgleichszahlungen<br />

aus. Weil nach dem e<strong>in</strong>schlägigen Gesetz „rechtsfähige<br />

Ausgleichskassen“ steuerbefreit waren, hatte das Bundesgericht sehr<br />

ausführlich geprüft, ob <strong>der</strong> Caisse vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> zivilrechtlichen<br />

Bestimmungen Rechtsfähigkeit zukäme. Das Bundesgericht fasste<br />

die Rechtsprechung dah<strong>in</strong>gehend zusammen, dass Berufsverbände als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

mit nichtwirtschaftlichem Zweck anerkannt werden, solange sie generelle Standes<strong>in</strong>teressen<br />

verfolgen. Ob sie gewissermassen als <strong>in</strong>direkten Zweck die<br />

Verbesserung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er Klasse o<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />

verfolgen, sei gleichgültig. Auch dürfe e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> mit nichtwirtschaftlichem<br />

Zweck als Nebenzweck wirtschaftliche Vorteile für<br />

se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> anstreben. Seit dem Entscheid Fédération suisse des associations<br />

de fabricants d’horlogerie stelle das Bundesgericht darauf ab, ob e<strong>in</strong>e<br />

Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>e aktive Rolle auf dem Markt <strong>der</strong> Branche spiele, <strong>in</strong>dem<br />

42


sie e<strong>in</strong> Gewerbe o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Handel ausübt. Daraus zog das Bundesgericht<br />

den Schluss, dass e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB bestehen<br />

kann, solange sie nicht <strong>in</strong> Transaktionen mit Kundschaft <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt<br />

o<strong>der</strong> selbst <strong>in</strong> eigenem Interesse Geschäfte abschliesst, so dass <strong>der</strong> wirtschaftliche<br />

Betrieb als Selbstzweck ersche<strong>in</strong>t. Dies stehe auch mit <strong>der</strong> ratio legis im<br />

E<strong>in</strong>klang, denn <strong>der</strong> Gesetzgeber habe lediglich dort auf e<strong>in</strong>em Handelsregistere<strong>in</strong>trag<br />

bestehen wollen, wo dies im Interesse <strong>der</strong> Geschäftssicherheit<br />

erfor<strong>der</strong>lich ersche<strong>in</strong>e. Weil die Caisse nicht aktiv auf dem Markt<br />

tätig werde, ke<strong>in</strong>e Transaktionen mit Kundschaft tätige und ke<strong>in</strong>e Geschäfte<br />

im eigenen Interesse abschliesse, handle es sich nicht um e<strong>in</strong>e<br />

Vere<strong>in</strong>igung mit wirtschaftlichem Betrieb als Selbstzweck, son<strong>der</strong>n um<br />

Hilfsorganisationen, die re<strong>in</strong> adm<strong>in</strong>istrative Aufgaben mit bloss <strong>in</strong>ternen<br />

Auswirkungen erfüllen. Somit könne die Caisse als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB<br />

ohne Handelsregistere<strong>in</strong>trag bestehen. Zum selben Ergebnis kam das<br />

Bundesgericht auch vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Beurteilung des blossen<br />

Zwecks <strong>der</strong> Caisse: Dieser sei re<strong>in</strong> sozial, denn bei Ausgleichskassen gehe<br />

es um den Schutz <strong>der</strong> Familie. Solange Berufsverbände, die Standes<strong>in</strong>teressen<br />

vertreten, als nichtwirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> anerkannt würden, müsse<br />

erst recht e<strong>in</strong>e Organisation als nichtwirtschaftlich anerkannt werden,<br />

<strong>der</strong>en Zweck nicht auf die wirtschaftlichen Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gerichtet sei.<br />

Hier könne nicht mehr gesagt werden, man bef<strong>in</strong>de sich <strong>in</strong>nerhalb des<br />

Gebietes <strong>der</strong> Wirtschaft.<br />

f) BGE 73 I 316 (Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich, 1947)<br />

In diesem steuerrechtlichen Entscheid versuchte <strong>der</strong> Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich<br />

erfolglos, sich als geme<strong>in</strong>nützige und damit steuerbefreite Institution<br />

darzustellen. Das Bundesgericht hatte jedoch ke<strong>in</strong>e Probleme damit,<br />

dass <strong>der</strong> Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich als Vere<strong>in</strong> konstituiert war. Der Verkehrsvere<strong>in</strong><br />

Zürich war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB konstituiert und bezweckte<br />

gemäss Statuten „die Wahrung und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verkehrs<strong>in</strong>teressen<br />

von Zürich und Umgebung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch Unterhalt e<strong>in</strong>er<br />

als Offizielles Verkehrsbureau Zürich bestehenden Organisation. E<strong>in</strong><br />

Hauptbestreben soll dar<strong>in</strong> liegen, Fremde nach Zürich zu ziehen und ihnen<br />

den Aufenthalt hier angenehm und nützlich zu machen, namentlich<br />

auch gut situierte Familien zu längerem o<strong>der</strong> dauerndem Aufenthalt zu<br />

veranlassen.“ Das Bundesgericht bezeichnete den Zweck des Verkehrsvere<strong>in</strong>s<br />

Zürich als „ohne Zweifel wirtschaftlicher Art“, denn e<strong>in</strong>e solche Tätigkeit<br />

diene vornehmlich den materiellen Interessen <strong>der</strong> Berufszweige, denen<br />

<strong>der</strong> Fremdenverkehr zugute kommt. Dem wirtschaftlichen Ziel des Verkehrsvere<strong>in</strong>s<br />

seien alle se<strong>in</strong>e Bestrebungen, wie etwa die Kulturpflege,<br />

43


als re<strong>in</strong>es Mittel zum Zweck untergeordnet. Entsprechend verne<strong>in</strong>te das<br />

Bundesgericht die steuerrechtliche Geme<strong>in</strong>nützigkeit des Verkehrsvere<strong>in</strong>s<br />

Zürich, schien sich jedoch nicht daran zu stossen, dass <strong>der</strong> Verkehrsvere<strong>in</strong><br />

Zürich als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB konstituiert war.<br />

g) BGE 76 II 281(<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche,<br />

1950)<br />

In BGE 76 II 281 wurde <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären<br />

Branche als parteifähiger Schadenersatz-Beklagter im Zusammenhang mit<br />

e<strong>in</strong>em Boykott anerkannt, den er gegen e<strong>in</strong> Unternehmen verhängt hatte.<br />

Nach se<strong>in</strong>en Statuten war <strong>der</strong> Verband e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB<br />

und bezweckte die Wahrung <strong>der</strong> Berufs- und Standes<strong>in</strong>teressen se<strong>in</strong>er<br />

Mitglie<strong>der</strong> und die Bekämpfung ungesun<strong>der</strong> Konkurrenzauswüchse. Als<br />

Mittel zur Erreichung dieses Zwecks dienten dem <strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband<br />

<strong>der</strong> sanitären Branche gemäss den Statuten <strong>der</strong> Abschluss von Verträgen<br />

aller Art mit Produzenten und Konsumenten, die Aufstellung<br />

e<strong>in</strong>heitlicher Kaufpreise, Lieferungs- und Zahlungsbed<strong>in</strong>gungen, geme<strong>in</strong>sames<br />

Vorgehen gegen Konkurrenten und Dritte, welche die Kreise<br />

des Verbandes stören, sowie Sperrmassnahmen und Ähnliches. Der<br />

<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche hatte se<strong>in</strong>e Rechtsfähigkeit<br />

nicht bestritten und das Bundesgericht hat sich mit dieser Frage<br />

auch nicht grundsätzlich ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt. Lediglich im Zusammenhang<br />

mit dem Rechtsbegehren des boykottierten Unternehmens auf Beseitigung<br />

des Boykotts erwähnte es anlässlich von Überlegungen dazu,<br />

ob <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche dazu verurteilt<br />

werden könnte, das boykottierte Unternehmen als Mitglied aufzunehmen,<br />

dass für e<strong>in</strong>en Wirtschaftsverband an sich die Genossenschaftsform<br />

sachlich richtiger wäre als die Vere<strong>in</strong>sform. Aber das Bundesgericht<br />

akzeptierte dennoch die Vere<strong>in</strong>sform.<br />

h) Entscheid des Bundesgerichts vom 26. März 1953 (Association des maîtres<br />

ferblantiers et appareilleurs, SemJud 1954, S. 85 ff. und 466 f.)<br />

In diesem Entscheid wurde e<strong>in</strong> Branchenverband als parteifähiger<br />

Kläger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Prozess gegen e<strong>in</strong>en unlauter agierenden Unternehmer<br />

anerkannt. Die Association des maîtres ferblantiers et appareilleurs du canton de<br />

Genève war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB konstituiert worden. Sie bezweckte<br />

(but) die Organisation <strong>der</strong> Eisenwarenhändler und Installateure<br />

des Kantons Genf, um unter diesen kollegiale Beziehungen zu för<strong>der</strong>n<br />

und ihre Standes<strong>in</strong>teressen zu verteidigen. Als Aufgabe gemäss Statuten<br />

44


(tâche) 97 hatte die Association „de fixer, en les unifiant, les conditions du<br />

travail dans tous les ateliers de ces professions existant dans le canton;<br />

d’établir des prix rationnels pour tous les traveaux de la profession et de<br />

s’employer à en obtenir l’application uniforme; de renseigner ses membres<br />

sur le personnel, sur les fournisseurs et sur la solvabilité et la bonne<br />

foi des clients; d’organiser éventuellement, dans l’<strong>in</strong>térêt exclusif et personnel<br />

de ses membres, l’achat en commun de matières premières ou<br />

d’articles manufacturés utilisés dans la profession; de défendre le bon<br />

renom de la corporation en s’opposant par tous les moyens à sa disposition<br />

à l’execution de travaux défectueux et en luttant contre les procédés<br />

immoraux; de favoriser le développement de la formation professionnelle<br />

du patron, de l’ouvrier et de l’apprenti“. Das Bundesgericht hatte<br />

e<strong>in</strong>e Klage <strong>der</strong> Association gegen e<strong>in</strong>en Installateur und Elektriker zu beurteilen.<br />

Mit dieser Klage sollte festgestellt und publik gemacht werden,<br />

dass <strong>der</strong> Beklagte mit se<strong>in</strong>er Werbung für e<strong>in</strong>e Küche unlauteren Wettbewerb<br />

betrieben habe. Er hatte unter an<strong>der</strong>em die Rechts- und Prozessfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Association bestritten. Das Bundesgericht berief sich auf<br />

se<strong>in</strong>e frühere Rechtsprechung 98 und wies darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung<br />

mit wirtschaftlichem Zweck nicht bereits dann vorliege, wenn die<br />

Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>em wirtschaftlichen Bereich im Gegensatz zum religiösen,<br />

künstlerischen und ähnlichen Bereich zuzurechnen sei. Vielmehr<br />

müsse sich die Vere<strong>in</strong>igung selbst mit Gew<strong>in</strong>nabsicht <strong>der</strong> Vornahme von Geschäften<br />

widmen. Somit könne e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung, welche zur Wahrung von<br />

Standes<strong>in</strong>teressen gegründet worden war, ohne sich selbst jedoch wirtschaftlich<br />

zu betätigen, um Gew<strong>in</strong>ne zu erzielen, die Persönlichkeit als Vere<strong>in</strong> i.S.d.<br />

ZGB erlangen. Namentlich BGE 76 II 281 99 habe an dieser Rechtslage<br />

nichts geän<strong>der</strong>t.<br />

Im vorliegenden Fall betreibe die Association des maîtres ferblantiers et appareilleurs<br />

ke<strong>in</strong>erlei wirtschaftliche Tätigkeit <strong>in</strong> ihrem eigenen Interesse.<br />

Dies nicht e<strong>in</strong>mal dann, wenn sie gemäss Statuten Grosse<strong>in</strong>käufe organisiere,<br />

denn sie tue dies ausdrücklich und ausschliesslich im persönlichen<br />

Interesse ihrer Mitglie<strong>der</strong>, ohne eigene Gew<strong>in</strong>nabsichten. Das Ausüben<br />

e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>artigen Tätigkeit habe lediglich zur Folge, dass sich die Association<br />

gemäss Art. 61 Abs. 2 ZGB im Handelsregister e<strong>in</strong>zutragen habe,<br />

ohne dass dem E<strong>in</strong>trag konstitutiven Charakter zukomme.<br />

97 Der Begriff „tâche“ wird im französischen Text des ZGB nicht verwendet.<br />

98 BGE 48 II 145, Arbeiterunion Zürich, (vgl. S. 36) und Entscheid des Bundesgerichts<br />

vom 5./6. Dezember 1934, Fédération suisse des associations de fabricants d’horlogerie, Union des<br />

branches annexes de l’horlogerie , vgl. oben S. 38.<br />

99 <strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche, vgl. oben S. 44.<br />

45


i) BGE 81 II 117 (<strong>Schweiz</strong>erischer Tabakverband, 1955)<br />

In BGE 81 II 117 musste das Bundesgericht die Zulässigkeit e<strong>in</strong>es<br />

Boykotts und damit zusammenhängend e<strong>in</strong>e Schadenersatzfor<strong>der</strong>ung<br />

beurteilen. Der Boykott war vom <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverband verhängt<br />

worden, <strong>der</strong> als parteifähiger Beklagter zugelassen wurde. Der <strong>Schweiz</strong>erische<br />

Tabakverband war im Jahre 1932 als Vere<strong>in</strong> gemäss Art. 60 ff. ZGB<br />

gegründet worden. Bereits im Jahre 1936 war er Partei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verfahren<br />

vor Bundesgericht 100 , <strong>in</strong> welchem se<strong>in</strong>e Existenz als Vere<strong>in</strong> i.S.d.<br />

ZGB bejaht worden war. Im Jahr 1939 hatte <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erische Tabakverband<br />

offenbar se<strong>in</strong>e Statuten geän<strong>der</strong>t. Nach diesen neuen Statuten bezweckte<br />

er „<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Sanierung <strong>der</strong> Preis- und Rabattverhältnisse<br />

und <strong>der</strong> damit <strong>in</strong> Zusammenhang stehenden Missbräuche<br />

(Prämiensysteme und Zugabewesen) beim Verkauf von Tabakwaren an<br />

die Konsumenten und ebenso die Wahrung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en lebenswichtigen<br />

Interessen <strong>der</strong> schweizerischen Tabakbranche“. Mitglie<strong>der</strong> des<br />

<strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverbandes konnten Handelsorganisationen und E<strong>in</strong>zelfirmen<br />

<strong>der</strong> Tabakbranche werden. Zwischen den Verbandsmitglie<strong>der</strong>n<br />

bestand e<strong>in</strong>e Kartellordnung. In BGE 81 II 117 setzte sich das Bundesgericht<br />

nicht mit <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform i.S.d. ZGB ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

und anerkannte somit den <strong>Schweiz</strong>erischen Tabakverband auch mit se<strong>in</strong>en<br />

neuen Statuten ohne weiteres als Vere<strong>in</strong>.<br />

j) BGE 82 II 292 (Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956)<br />

In BGE 82 II 292 wurde e<strong>in</strong>e Branchenorganisation <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform<br />

als parteifähige Beklagte gegenüber e<strong>in</strong>em Kläger anerkannt, <strong>der</strong> als Mitglied<br />

<strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong> aufgenommen werden wollte. Das Groupement des<br />

Fournisseurs d’Horlogerie war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB gegründet<br />

worden und bezweckte die kollektive Wahrung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Berufs<strong>in</strong>teressen<br />

se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> sowie die För<strong>der</strong>ung des Verkaufs von<br />

<strong>Schweiz</strong>er Uhren hoher Qualität durch möglichst weitgehende Vere<strong>in</strong>heitlichung<br />

von Verkaufs- und Zahlungsbed<strong>in</strong>gungen. Mitglie<strong>der</strong> des<br />

Groupement waren Uhrenfabriken und Unternehmen des Uhrengrosshandels.<br />

Das Groupement hatte mit dem Zentralverband <strong>Schweiz</strong>erischer Uhrenmacher<br />

e<strong>in</strong>en Vertrag abgeschlossen. Nach diesem Vertrag verpflichteten<br />

sich die Mitglie<strong>der</strong> des Groupement im Gebiet <strong>der</strong> Konvention, Uhren nur<br />

an die Mitglie<strong>der</strong> des Zentralverbandes <strong>Schweiz</strong>erischer Uhrenmacher zu liefern,<br />

während sich diese ihrerseits dazu verpflichteten, Uhren aus-<br />

100 Vgl. BGE 62 II 32, oben S. 40.<br />

46


schliesslich bei den Mitglie<strong>der</strong>n des Groupement zu beziehen. In BGE 82<br />

II 292 musste e<strong>in</strong>e Klage e<strong>in</strong>er Firma beurteilt werden, die als Mitglied<br />

<strong>in</strong> das Groupement aufgenommen werden wollte, das Groupement e<strong>in</strong>es<br />

Verdrängungsboykotts bezichtigte und entsprechend Schadenersatzfor<strong>der</strong>ungen<br />

stellte.<br />

Das Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie wandte gegen das Aufnahmebegehren<br />

<strong>der</strong> Firma e<strong>in</strong>, als Vere<strong>in</strong> sei es befugt, e<strong>in</strong>em Bewerber die<br />

Aufnahme als Mitglied auch ohne Angabe von Gründen zu verweigern.<br />

Das Bundesgericht liess diesen E<strong>in</strong>wand jedoch nicht gelten und führte<br />

folgendes aus: „Der Beklagte ist zwar äusserlich <strong>in</strong> die Rechtsform e<strong>in</strong>es<br />

Vere<strong>in</strong>s zu nicht wirtschaftlichen Zwecken im S<strong>in</strong>ne von Art. 60 ff.<br />

ZGB gekleidet. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei ihm um e<strong>in</strong>en<br />

Zusammenschluss von Gewerbetreibenden zur Verfolgung ausgesprochen<br />

wirtschaftlicher Ziele, wie die Zweckumschreibung <strong>in</strong> Art. 2 se<strong>in</strong>er<br />

Statuten klar erkennen lässt. Die dort genannten Ziele, nämlich die kollektive<br />

Verteidigung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Interessen <strong>der</strong> ihm angehörenden Fabrikanten<br />

und Grossisten – also nicht <strong>der</strong> Uhren<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit –, die<br />

För<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Schutz des Uhrenhandels, die Vere<strong>in</strong>heitlichung <strong>der</strong><br />

Verkaufs- und Zahlungsbed<strong>in</strong>gungen, beziehen sich nicht auf irgendwelche<br />

idealen Zwecke, son<strong>der</strong>n sie s<strong>in</strong>d darauf gerichtet, den Verbandsmitglie<strong>der</strong>n<br />

auf dem Wege <strong>der</strong> Marktregulierung e<strong>in</strong>e Erhöhung des Umsatzes und des<br />

Gew<strong>in</strong>nes zu verschaffen. Es wäre daher sachlich richtiger und den Umständen<br />

angemessener gewesen, statt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform diejenige <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

zu wählen, bei <strong>der</strong> nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift [...]<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>tritt neuer Mitglie<strong>der</strong> nicht übermässig erschwert (und noch weniger<br />

überhaupt verunmöglicht) werden darf. Es ist daher geboten, bei<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n von <strong>der</strong> Art des Beklagten die genannte Bestimmung des Genossenschaftsrechts<br />

analog zur Anwendung zu br<strong>in</strong>gen, wie dies bereits<br />

im Falle des BGE 76 II 294 101 angedeutet worden ist.“ 102<br />

4. BGE 88 II 209 (Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera, 1962): Obiter<br />

dictum des Bundesgerichts – entscheidend sollte alle<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Zweck se<strong>in</strong><br />

Am 25. Juli 1930 hatten zehn Firmen des Eisengrosshandels e<strong>in</strong>e Urkunde<br />

mit dem Titel „Konvention zwischen den Firmen...“ unterzeichnet.<br />

Diese Urkunde war bis <strong>in</strong>s Jahr 1931 durch „Protokollbeschlüsse“<br />

101<br />

<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche, vgl. dazu oben S. 44.<br />

102<br />

Vgl. zur Kritik von MEIER-HAYOZ /FORSTMOSER S. 105. Siehe auch PETER<br />

FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre<br />

registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 145.<br />

47


ergänzt und abgeän<strong>der</strong>t worden. Paragraph 1 <strong>der</strong> Konvention bestimmte:<br />

„Die Kontrahenten bilden zusammen den ‚Eisen-Verband‘.“<br />

Dieser bezweckte gemäss § 2 <strong>der</strong> Konvention „die Wahrung <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Interessen <strong>in</strong> Bezug auf den Verkauf von Stabeisen [...] durch<br />

Festsetzung von Preisen und Lieferbed<strong>in</strong>gungen und Festlegung von<br />

Sanktionen für Zuwi<strong>der</strong>handlungen“. In § 3 wurde das „Konventionsgebiet“<br />

umschrieben. Paragraph 4 besagte, dass die geltenden Preise und<br />

Lieferbed<strong>in</strong>gungen „als <strong>in</strong>tegrierende Bestandteile zu diesem Vertrag“<br />

bei <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Treuhand Aktiengesellschaft <strong>in</strong> Basel h<strong>in</strong>terlegt<br />

würden. Bei dieser sollten gemäss § 9 auch „e<strong>in</strong>e von allen Kontrahenten<br />

unterzeichnete Ausfertigung des Vertrages“ h<strong>in</strong>terlegt werden. Gemäss §<br />

6 sollte „jede Zuwi<strong>der</strong>handlung gegen diesen Vertrag“ gebüsst werden,<br />

wobei die Busse gemäss § 7 unter Umständen von <strong>der</strong> „Gesamtheit <strong>der</strong><br />

Kontrahenten“ verhängt werden sollte. Paragraph 11 besagte<br />

schliesslich: „Wenn e<strong>in</strong> Kontrahent se<strong>in</strong> Unternehmen verkauft o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Rechtsform umwandelt, so hat er dafür besorgt zu se<strong>in</strong>, dass<br />

se<strong>in</strong> Rechtsnachfolger die Rechte und Pflichten dieser Vere<strong>in</strong>barung<br />

übernimmt. Er bleibt aus diesem Vertrag für sich und se<strong>in</strong>en Rechtsnachfolger<br />

so lange haftbar, bis dies geschehen ist.“ Gemäss § 12 sollte<br />

„dieser Vertrag [...] bis 31. März 1932“ gelten. Nach Ablauf dieser Zeit<br />

sollte „<strong>der</strong> Vertrag [...] je<strong>der</strong>zeit [...] gekündigt werden“ können. Dem<br />

Eisen-Verband hatten sich vertraglich vier regionale Organisationen unterworfen,<br />

welchen Eisenhändler aus <strong>der</strong> ganzen <strong>Schweiz</strong> angehörten.<br />

Die vier regionalen Organisationen waren untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um vertraglich<br />

gebunden.<br />

E<strong>in</strong>e dieser Organisationen nannte sich „Eisenhändlerkonvention Basel-<br />

Zentralschweiz-Bern“, e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e „Eisenhändler-Konvention Zürich-<br />

Ostschweiz“. Die Eisenhändler-Konvention Zürich-Ostschweiz bestand aus 37<br />

Firmen, von welchen e<strong>in</strong> Teil als „Sektion Zürich“ untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> durch<br />

die „Zürcher Eisenhändler-Konvention“ gebunden waren und e<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>er Teil als „Sektion Ostschweiz“ dem „Verband<br />

Ostschweizerischer Eisenhändler“ angehörte.<br />

We<strong>der</strong> <strong>der</strong> Eisen-Verband noch die Eisenhändler-Konvention Zürich-Ostschweiz<br />

waren im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen.<br />

Mit <strong>der</strong> Klage, welche das Bundesgericht zu beurteilen hatte, warfen<br />

e<strong>in</strong>e Eisengrosshändler<strong>in</strong> sowie e<strong>in</strong>ige Eisenhändler drei Firmen, welche<br />

die Konvention des Eisen-Verbandes unterzeichnet hatten, vor, diese<br />

boykottierten sie, um sie aus dem Eisenhandel zu verdrängen. Die Klage<br />

richtete sich gegen die drei Firmen als Beklagte. In den Rechtsbegehren<br />

wurde unter an<strong>der</strong>em verlangt, „die Beklagten“ hätten jeglichen Boykott<br />

48


zu unterlassen und „die Beklagten“ hätten „für sich und den Eisenverband,<br />

eventuell für sich, sämtlichen ihnen bezw. dem Eisenverband angeschlossenen“<br />

Firmen anzuzeigen, diese hätten die Kläger<strong>in</strong>nen mit bestimmten<br />

Produkten zu beliefern und „die Beklagten und <strong>der</strong><br />

Eisenverband, eventuell die Beklagten“ hätten nichts gegen die Belieferung<br />

e<strong>in</strong>zuwenden. Ausserdem wurde die solidarische Verurteilung „<strong>der</strong><br />

Beklagten“ zur Zahlung von Schadenersatz verlangt, „unter Anrechnung<br />

allfälliger Schadenersatzleistungen solidarisch mithaften<strong>der</strong> Dritter“.<br />

Neun Firmen traten den Beklagten als Neben<strong>in</strong>tervenient<strong>in</strong>nen bei,<br />

<strong>in</strong>dem sie sich auf ihre Zugehörigkeit zur Eisenhändler-Konvention Zürich-<br />

Ostschweiz o<strong>der</strong> zur Eisenhändlerkonvention Basel-Zentralschweiz-Bern beriefen.<br />

Das Zürcher Handelsgericht wies die Klage ab mit <strong>der</strong> Begründung,<br />

<strong>der</strong> Eisen-Verband und die Eisenhändler-Konvention Zürich-Ostschweiz seien<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, daher seien die Beklagten nicht passivlegitimiert. Zu diesem<br />

Ergebnis gelangte das Handelsgericht <strong>in</strong>dem es ausführte, <strong>der</strong> Eisen-Verband<br />

weise e<strong>in</strong>ige Züge auf, die für e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> und an<strong>der</strong>e, die für e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>fache Gesellschaft charakteristisch seien. Dabei überwögen jedoch<br />

die vere<strong>in</strong>srechtlichen Elemente. Ausserdem verne<strong>in</strong>te es die Zulässigkeit<br />

e<strong>in</strong>es Teils <strong>der</strong> Rechtsbegehren und stellte unter an<strong>der</strong>em fest, die<br />

Beklagten könnten nicht verpflichtet werden, Erklärungen namens des<br />

Eisen-Verbandes abzugeben, selbst wenn sie passivlegitimiert wären.<br />

Das Bundesgericht verne<strong>in</strong>te h<strong>in</strong>gegen die Existenz von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n und<br />

bejahte die Passivlegitimation <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen beklagten Firmen als Mitglie<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft. Entscheidend war dabei, dass e<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong> formellen Gründungsvoraussetzungen des Vere<strong>in</strong>srechts nicht erfüllt<br />

war: Aus den „Statuten ergab sich ke<strong>in</strong> Wille, als Vere<strong>in</strong> o<strong>der</strong> als sonstige<br />

Körperschaft bestehen zu wollen.<br />

Zusätzlich hielt das Bundesgericht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em obiter dictum fest, dass<br />

nicht nur dann e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck vorliegt, <strong>der</strong> die Erlangung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit<br />

als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB ausschliesst, wenn die Personenverb<strong>in</strong>dung selbst<br />

e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreibt. Das Bundesgericht führte aus, dass die<br />

Art. 52 Abs. 2 ZGB, 59 Abs. 2 ZGB und 60 Abs. 1 ZGB auf den Zweck<br />

abstellen, welchen die Personenverb<strong>in</strong>dung verfolgt, nicht jedoch auf die<br />

Art und Weise, wie sie diesen Zweck anstrebt. Auch aus Art. 61 Abs. 2<br />

ZGB ergebe sich, dass <strong>der</strong> Betrieb e<strong>in</strong>es kaufmännischen Gewerbes<br />

nicht relevant sei. Die Bestimmungen des ZGB stellten nicht darauf ab,<br />

wem die allenfalls erstrebten Vorteile zukommen sollen, ob <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung<br />

o<strong>der</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong>n. Der Zweck könne auch<br />

dann wirtschaftlich se<strong>in</strong>, wenn se<strong>in</strong>e Verfolgung nur den Mitglie<strong>der</strong>n zu-<br />

49


gute kommt, nicht aber <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung als solcher. Der konstitutive<br />

Handelsregistere<strong>in</strong>trag bezwecke, dass sich die Personenverb<strong>in</strong>dung<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit vorstellt, bevor ihr die Persönlichkeit zukommt.<br />

Daran hätten alle e<strong>in</strong> Interesse, die mit <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> geschäftliche<br />

Beziehungen treten o<strong>der</strong> von ihr durch unerlaubte Handlungen<br />

verletzt werden können. Den <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n i.S.d. ZGB werde h<strong>in</strong>gegen<br />

<strong>der</strong> Handelsregistere<strong>in</strong>trag erlassen, weil sie wegen ihres nichtwirtschaftlichen<br />

Zweckes den geschäftlichen Verkehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht erheblich<br />

bee<strong>in</strong>flussten. Wo dies nicht zutreffe, weil <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />

Gewerbe betreibt, greife Art. 61 Abs. 2 ZGB. Die Bestimmungen<br />

über die juristischen Personen g<strong>in</strong>gen als Regel davon aus, dass e<strong>in</strong>e juristische<br />

Person die Persönlichkeit nur durch E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister<br />

erlangen könne (Art. 52 Abs. 1 ZGB). Der Erlass <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht<br />

für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit nichtwirtschaftlichem Zweck bilde die Ausnahme<br />

(Art. 52 Abs. 2 ZGB).<br />

5. Rechtsprechung des Bundesgerichts von 1964 bis heute:<br />

Nichtbeachtung des obiter dictum <strong>in</strong> BGE 88 II 209 und<br />

Fortführung <strong>der</strong> langjährigen Rechtsprechung<br />

a) BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de cigarettes, 1964) 103<br />

In BGE 90 II 333 war die Association suisse des fabricants de cigarettes zu<br />

beurteilen, die als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB gegründet worden war.<br />

Dabei handelte es sich um e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung von Zigarettenfabrikanten.<br />

Art. 2 <strong>der</strong> Statuten bestimmte: „L’association a pour but de sauvegar<strong>der</strong><br />

et de favoriser dans tous les doma<strong>in</strong>es les <strong>in</strong>térêts communs de ses<br />

membres, notamment: (a) de prendre toutes mesures utiles quant à<br />

l’imposition du tabac et des produits manufacturés du tabac, a<strong>in</strong>si que de<br />

traiter toutes négociations avec les autorités [...]; (b) de régler les conditions<br />

de vente des cigarettes en Suisse, en particulier de fixer des prix de<br />

vente au détail obligatoires; (c) d’agir en lieu et place des membres dans<br />

les luttes économiques et de les protéger contre leurs effets.“ Die Association<br />

suisse des fabricants de cigarettes hatte im Jahr 1958 e<strong>in</strong>e neue<br />

Marktordnung erlassen, welche die Kundschaft unter den Fabrikanten<br />

und Grossisten aufteilte und die Margen def<strong>in</strong>ierte. Ausserdem wurde<br />

e<strong>in</strong>e umsatzabhängige Ausgleichskasse unter den Grossisten geschaffen.<br />

Auf Klage e<strong>in</strong>er Engros-Tabakfirma, welche sich dieser Marktordnung<br />

nicht angeschlossen hatte und daher diskrim<strong>in</strong>ierenden Massnahmen<br />

103 Vgl. die deutsche Übersetzung <strong>in</strong> Pra 54 (1965), Nr. 35.<br />

50


ausgesetzt worden war, hatte das Bundesgericht über das Vorliegen e<strong>in</strong>es<br />

Boykotts zu bestimmen und e<strong>in</strong>e Schadenersatzfor<strong>der</strong>ung zu beurteilen.<br />

Die Association suisse des fabricants de cigarettes hatte ihre Rechtsfähigkeit<br />

nicht bestritten, das Bundesgericht prüfte diese jedoch von Amtes wegen.<br />

Es nahm Bezug auf die gesetzliche Zweiteilung <strong>der</strong> Körperschaften:<br />

E<strong>in</strong>erseits die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss ZGB, welche ke<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />

Zweck verfolgen, an<strong>der</strong>erseits die Körperschaften mit wirtschaftlichem<br />

Zweck, die den Bestimmungen des OR unterstehen. Das Bundesgericht<br />

unterstrich jedoch, <strong>der</strong> Gesetzgeber habe offenbar nicht vorausgesehen,<br />

welche Bedeutung den „associations économiques“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit<br />

zukommen werde. Diese „associations économiques“ charakterisierte<br />

das Bundesgericht wie folgt: „... sans participer directement à l’activité<br />

économique, elles ont pour but de servir médiatement les <strong>in</strong>térêts économiques de leurs<br />

membres“. Nach Ansicht des Bundesgerichts haben diese wirtschaftlichen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Gesetz nicht den Platz erhalten, <strong>der</strong> ihnen zusteht. Dies sei<br />

von <strong>der</strong> Rechtsprechung korrigiert worden: „Elle n’<strong>in</strong>terdisait le choix<br />

de ce type de personne morale qu’aux organisations corporatives exerçant<br />

elles-mêmes une <strong>in</strong>dustrie en la forme commerciale. Sous le couvert<br />

d’une <strong>in</strong>terprétation restrictive du but économique, elle substituait a<strong>in</strong>si<br />

au critère légal du but celui des moyens utilisés pour l’atte<strong>in</strong>dre. Néanmo<strong>in</strong>s,<br />

la solution choisie présentait un triple avantage. Conforme à<br />

l’esprit libéral du code civil, elle permettait aux associations économiques,<br />

si variées dans leur composition et leur importance, de choisir la<br />

forme la plus appropriée à leurs beso<strong>in</strong>s. Elle était facile à appliquer: on<br />

vérifie aisément si une personne, physique ou morale, exerce une <strong>in</strong>dustrie<br />

en la forme commerciale. Le critère était apparent, à la différence du<br />

processus psychique de la volonté qui fixe un but, dont les tiers ne perçoivent<br />

que les manifestations externes.“ Das Bundesgericht gestand<br />

dem Entscheid Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera 104 zu, den Gesetzestext ganz<br />

genau auszulegen. Die praktischen Auswirkungen dieses Entscheides<br />

seien jedoch nicht haltbar. Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> tatsächlichen<br />

wirtschaftlichen Gegebenheiten könne – namentlich auch im Interesse<br />

Dritter und unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> gegenseitigen Abhängigkeit<br />

von Zivil- und Handelsrecht – nicht an dieser Rechtsprechung<br />

festgehalten werden. Diese würde dem Umstand nicht Rechnung tragen,<br />

dass <strong>der</strong>selbe Zweck gleichzeitig wirtschaftlich o<strong>der</strong> ideell se<strong>in</strong> kann, je<br />

nach dem, ob e<strong>in</strong> allfälliger Vorteil Dritten o<strong>der</strong> den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Personenverb<strong>in</strong>dung zugute kommen soll. Ausserdem ergäben sich<br />

104 Vgl. oben S. 47.<br />

51


Schwierigkeiten bei Personenverb<strong>in</strong>dungen, die mehrere Zwecke verfolgen.<br />

Schliesslich gäbe es auch gemischte Zwecke, halb ideal, halb wirtschaftlich.<br />

Wenn <strong>in</strong> solchen Fällen auf den vorherrschenden (ideellen)<br />

Zweck abgestellt würde, so liesse man implizit zu, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> i.S.d.<br />

ZGB auch wirtschaftliche Zwecke verfolgt; ausserdem wäre auch nicht<br />

ausgeschlossen, dass sich das Verhältnis zwischen den verschiedenen<br />

Zwecken im Laufe <strong>der</strong> Zeit verän<strong>der</strong>t.<br />

Mit H<strong>in</strong>weis auf die be<strong>in</strong>ahe dreissigjährige Rechtsprechung wandte<br />

das Bundesgericht daher aus Gründen <strong>der</strong> Rechtssicherheit weiterh<strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>e frühere Praxis an, wonach e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung auch bei Verfolgung<br />

e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zwecks als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB existieren kann, solange<br />

sie selbst ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreibt. Das obiter dictum<br />

aus BGE 88 II 209 kam nicht zur Anwendung. Dies nicht zuletzt<br />

auch deswegen, weil e<strong>in</strong>erseits für Berufsverbände ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e adäquate<br />

Rechtsform zur Verfügung stehe, an<strong>der</strong>erseits aber auch <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

verschiedentlich zum Ausdruck br<strong>in</strong>ge, dass er <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />

Zweck toleriere. Das Bundesgericht verwies <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

auf Art. 322 OR, Spezialgesetze im Sozialver-<br />

sicherungsrecht, das KG und Art. 47 HRV. 105<br />

b) Entscheid des Bundesgerichts vom 22. Dezember 1965<br />

(Interessengeme<strong>in</strong>schaft für pharmazeutische und kosmetische<br />

Produkte, ZBl 67 [1966], S. 303 ff.)<br />

In diesem Entscheid des Bundesgerichts, <strong>in</strong> welchem die Zulässigkeit<br />

e<strong>in</strong>er zürcherischen Verordnung über den Verkehr mit Heilmitteln zu<br />

beurteilen war, wurde <strong>der</strong> Interessengeme<strong>in</strong>schaft für pharmazeutische und kosmetische<br />

Produkte, die als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff. ZGB konstituiert war,<br />

ohne weiteres ausdrücklich die Rechtspersönlichkeit zuerkannt. Sie bezweckte<br />

nach ihren Statuten unter an<strong>der</strong>em die Wahrung <strong>der</strong> gewerblichen,<br />

fachlichen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglie<strong>der</strong>, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auch die För<strong>der</strong>ung von Produktion und Absatz guter<br />

Heilmittel im Rahmen e<strong>in</strong>er zweckmässigen Gesetzgebung, die Stellungnahme<br />

zur Gesetzgebung und die geme<strong>in</strong>same Abwehr untragbarer und<br />

schädigen<strong>der</strong> Belastungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>.<br />

105 Vgl. dazu oben S. 28.<br />

52


c) BGE 98 II 211 (Union des camionneurs de Renens, 1972)<br />

In BGE 98 II 211 spielte die Union des camionneurs de Renens e<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Diese war als Vere<strong>in</strong> konstituiert. Der Präsident <strong>der</strong> Union hatte <strong>in</strong> <strong>der</strong>en<br />

Namen <strong>in</strong> den Jahren 1967 und 1968 bei e<strong>in</strong>er Firma Brennstoff bestellt,<br />

welcher für se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> bestimmt war. Der Präsident handelte<br />

ausdrücklich im Namen des Vere<strong>in</strong>s, die Rechnungen wurden an diesen<br />

gerichtet und auch von diesem bezahlt. Der Vere<strong>in</strong> verkaufte dann offenbar<br />

den Brennstoff an se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> weiter. Im konkreten Fall<br />

hatte das Bundesgericht sich nicht explizit mit <strong>der</strong> Rechtsfähigkeit des<br />

Vere<strong>in</strong>s ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu setzen, die Union des camionneurs de Renens wurde<br />

aber ohne weiteres als Kläger<strong>in</strong> zugelassen.<br />

d) BGE 100 III 19 (Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung, 1974)<br />

In BGE 100 III 19 wurde die Bejahung <strong>der</strong> Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s,<br />

<strong>der</strong> Ziele e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>kaufsgenossenschaft hatte, als nicht offensichtlich<br />

gesetzwidrig bezeichnet. Die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung<br />

wurde im Jahr 1972 als Vere<strong>in</strong> i.S.v. Art. 60 ZGB gegründet. Art. 2 <strong>der</strong><br />

Statuten umschrieb den Zweck unter dem Titel „Vere<strong>in</strong>szweck“ wie<br />

folgt: „Die ‚Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung‘ bezweckt die<br />

Aufklärung ihrer Mitglie<strong>der</strong> über die wirtschaftlichen Vorteile <strong>der</strong> Gefrierkonservierung.<br />

Ganz beson<strong>der</strong>s soll darauf geachtet werden, dass<br />

möglichst breite Bevölkerungskreise auch schnellver<strong>der</strong>bliche Nahrungsmittel<br />

wie Frischfleisch, Gemüse, Früchte und Fertigmahlzeiten als<br />

Notvorrat anlegen. Die ‚Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung‘ wird<br />

ihre Mitglie<strong>der</strong> ständig über die neuesten Erkenntnisse <strong>der</strong> Gefrierkonservierung<br />

auf dem Laufenden halten. Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> ‚Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung<br />

Bern und Umgebung‘ werden auch über die Haltung <strong>der</strong> geeigneten<br />

Kühlgeräte durch neutrale Fachleute beraten. Es soll <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auch m<strong>in</strong><strong>der</strong>bemittelten Mitglie<strong>der</strong>n ermöglicht werden, eigene Tiefkühlgeräte<br />

zu halten.“ Unter dem Titel „Mittel“ wurde <strong>in</strong> Art. 3 ausgeführt:<br />

„Vere<strong>in</strong>szweck: Um die <strong>in</strong> Art. 2 umschriebenen Vere<strong>in</strong>szwecke<br />

besser erfüllen zu können, wird die ‚Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung‘<br />

Lebensmittel, die sich nach Sorte und Qualität beson<strong>der</strong>s gut<br />

für die Gefrierkonservierung eignen, <strong>in</strong> grösseren Mengen e<strong>in</strong>kaufen und<br />

diese preisgünstig an se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> abgeben.“ Die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung<br />

Bern und Umgebung betrieb e<strong>in</strong>en bedeutenden Handel mit Fleisch,<br />

Fleischprodukten und Tiefkühlgeräten. Sie eröffnete vier Metzgereifilialen;<br />

<strong>der</strong> monatliche Umsatz betrug CHF 80'000.– bis CHF 100'000.–.<br />

Statutengemäss sollte <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden.<br />

53


Das zuständige Handelsregisteramt lehnte es jedoch ab, die E<strong>in</strong>tragung<br />

vorzunehmen. Ende 1972 hatte die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung etwa 700 Mitglie<strong>der</strong>.<br />

Im Jahre 1973 meldete die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung den Konkurs an mit <strong>der</strong><br />

Begründung, es bestehe e<strong>in</strong>e Unterbilanz von etwa CHF 110'000.–. E<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong> Gläubiger<strong>in</strong>nen machte das Konkursgericht darauf aufmerksam, dass<br />

die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung ausschliesslich kommerzielle Zwecke verfolge und<br />

daher als e<strong>in</strong>fache Gesellschaft zu betrachten sei. Demzufolge könne e<strong>in</strong><br />

Konkurs über sie nicht eröffnet werden. In <strong>der</strong> Folge wurde dennoch<br />

<strong>der</strong> Konkurs eröffnet. Das Bundesgericht hatte die Zulässigkeit des<br />

Konkurserkenntnisses zu überprüfen und führte dabei Folgendes aus:<br />

„E<strong>in</strong>e Überprüfungsbefugnis <strong>der</strong> Konkursbehörden dürfte jedenfalls –<br />

wenn überhaupt – höchstens dann <strong>in</strong> Frage kommen, wenn das Konkurserkenntnis<br />

offensichtlich gesetzeswidrig wäre. Dies trifft im vorliegenden<br />

Fall nicht zu. Die Annahme des Konkursrichters, die Rekurrent<strong>in</strong><br />

sei e<strong>in</strong> rechtsfähiger Vere<strong>in</strong>, mag unrichtig se<strong>in</strong>; schlechth<strong>in</strong><br />

unhaltbar ist sie nicht. Immerh<strong>in</strong> ist die Rekurrent<strong>in</strong> während e<strong>in</strong>es ganzen<br />

Jahres im Rechtsleben als Vere<strong>in</strong> aufgetreten. Aus ihren Statuten alle<strong>in</strong><br />

ergibt sich sodann nicht ohne weiteres, dass sie e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />

Zweck verfolgt. Schliesslich lässt sich auch daraus nichts ableiten,<br />

dass sie nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist.“<br />

Das Bundesgericht musste die Frage nach <strong>der</strong> Rechtsfähigkeit <strong>der</strong><br />

Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung nicht entscheiden; es konnte sich<br />

mit <strong>der</strong> Feststellung begnügen, <strong>der</strong> Zweck sei nicht offensichtlich gesetzeswidrig.<br />

Die Gläubiger vertröstete es damit, sie seien durch die Eröffnung<br />

des Konkurses über die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung nicht ihrer Möglichkeit<br />

beraubt worden, gegen die e<strong>in</strong>zelnen Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> vorzugehen. Das<br />

angerufene Zivilgericht werde die Frage nach <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit<br />

beurteilen.<br />

e) Urteil des Bundesgerichts vom 18. Februar 1980 (Multihôtels-Club,<br />

SemJud 1981, S. 46 ff.)<br />

In diesem Urteil g<strong>in</strong>g es um den Konkurs des Multihôtels-Club, e<strong>in</strong>es<br />

Ferienvermittlungsunternehmens <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform. Der Sitz des Vere<strong>in</strong>s<br />

war <strong>in</strong> Genf, wo er im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen war. Zweck des Vere<strong>in</strong>s<br />

war, „de garantir à ses membres des vacances de grand stand<strong>in</strong>g“.<br />

Das Bundesgericht setzte sich nicht weiter mit dem Zweck des Multihôtels-Club<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und schien sich jedenfalls nicht an <strong>der</strong> genannten<br />

Zweckverfolgung zu stören.<br />

54


f) BGE 108 II 6 (Swiss Commodity Industry Association, 1982)<br />

In BGE 108 II 6 wurde die Parteifähigkeit e<strong>in</strong>es Branchenverbandes<br />

bejaht. Zu beurteilen war e<strong>in</strong>e Klage gegen die Swiss Commodity Industry<br />

Association, wobei die Nichtaufnahme e<strong>in</strong>es Mitgliedes unter kartellrechtlichen<br />

Gesichtspunkten zur Debatte stand. Die Swiss Commodity Industry<br />

Association sollte zum Zweck <strong>der</strong> Selbstregulierung <strong>der</strong> Rohstoffterm<strong>in</strong>handelsbranche<br />

als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB gegründet werden. Im Entscheid<br />

des Bundesgerichts g<strong>in</strong>g es hauptsächlich um Fragen <strong>der</strong> Gründung, da<br />

diese durch e<strong>in</strong> ungewöhnliches und wi<strong>der</strong>sprüchliches Verfahren erfolgt<br />

se<strong>in</strong> sollte. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Gründung am vorgesehenen<br />

Gründungstag nicht zustande gekommen war. Allerd<strong>in</strong>gs kam<br />

es zu folgendem Schluss: „Heute, nachdem er zwei Jahre lang e<strong>in</strong>e statutengemässe<br />

Tätigkeit ausgeübt hat, kann se<strong>in</strong>e Existenz auf jeden Fall<br />

wohl kaum mehr <strong>in</strong> Frage gestellt werden.“ Im Zusammenhang mit dem<br />

Zweck des Vere<strong>in</strong>s sah das Bundesgericht jedenfalls ke<strong>in</strong>erlei Probleme.<br />

g) BGE 108 II 15 (Fussballclub Zürich, Nationalliga des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Fussballverbandes, 1982)<br />

BGE 108 II 15 befasst sich mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Abgrenzung von Spielregeln<br />

zu Mitgliedschaftspflichten <strong>in</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. Im Entscheid werden<br />

ohne weiteres sowohl die Nationalliga des <strong>Schweiz</strong>erischen Fussballverbandes,<br />

als auch <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erische Fussballverband und <strong>der</strong> Fussballclub Zürich als<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB akzeptiert.<br />

h) BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH,<br />

1997)<br />

BGE 123 III 193 ist <strong>der</strong> jüngste Entscheid des Bundesgerichts, <strong>in</strong><br />

dem e<strong>in</strong> Wirtschaftsverband <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform anerkannt wurde. Der Verband<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH ist als Vere<strong>in</strong> i.S.d. Art. 60 ff.<br />

ZGB konstituiert. Es handelt sich um e<strong>in</strong>e Branchenorganisation, die<br />

gemäss Statuten die repräsentative Organisation <strong>der</strong> gesamten schweizerischen<br />

Uhren<strong>in</strong>dustrie darstellt. In BGE 123 III 193 hatte das Bundesgericht<br />

e<strong>in</strong>e Klage e<strong>in</strong>es ausgeschlossenen Mitgliedes zu beurteilen. Es<br />

stellte Überlegungen an zur Ausschlussautonomie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. Dabei<br />

kam es zum Schluss, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit und etwa<br />

gegenüber Behörden o<strong>der</strong> potentiellen Kunden se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> als<br />

massgebende Organisation des entsprechenden Berufsstandes o<strong>der</strong><br />

Wirtschaftszweiges auftreten, sich nicht une<strong>in</strong>geschränkt auf die Ausschlussautonomie<br />

gemäss Art. 72 Abs. 2 ZGB berufen können. Viel-<br />

55


mehr sei das Persönlichkeitsrecht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> auf wirtschaftliche Entfaltung<br />

zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang hielt das<br />

Bundesgericht nebenbei fest: „Beim Beklagten handelt es sich offensichtlich<br />

um e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> im vorgenannten S<strong>in</strong>n; dabei erweist sich allerd<strong>in</strong>gs<br />

die Umschreibung mit ‚wirtschaftlicher Zweck‘ als ungenau, da<br />

es sich <strong>in</strong> Wirklichkeit um e<strong>in</strong>en ‚wirtschaftspolitischen Zweck‘ handelt.“<br />

6. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> publizierten<br />

Schiedsgerichtsurteilen: Urteil e<strong>in</strong>es ad-hoc Schiedsgerichts<br />

mit Sitz <strong>in</strong> New York vom 27. Mai 1991 106<br />

Aus <strong>der</strong> Schiedsgerichtspraxis ist lediglich e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger relevanter Entscheid<br />

veröffentlicht. Im betreffenden Schiedsgerichtsverfahren g<strong>in</strong>g es<br />

um e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>, dessen Mitglie<strong>der</strong> Dienstleistungsunternehmen aus<br />

über fünfzig Län<strong>der</strong>n waren. Der Vere<strong>in</strong> diente als Dachorganisation,<br />

um den Verbund unter den Unternehmen zu überwachen und zu regeln.<br />

E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> wollte aus dem Vere<strong>in</strong> austreten und sich e<strong>in</strong>er<br />

Konkurrenzorganisation anschliessen (ebenfalls e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> nach schweizerischem<br />

Recht). Das austretende Mitglied erhoffte sich durch den<br />

Wechsel bessere Geschäftschancen. Vor dem Schiedsgericht war die<br />

Frage strittig, ob das austretende Mitglied Austrittsgel<strong>der</strong> bezahlen<br />

müsse. 107 Dem Schiedsgericht gehörten die Herren PROF. ALBERT JAN<br />

VAN DER BERG (Präsident), PROF. ANDREAS F. LOWENFELD und DR.<br />

CLAUS SCHELLENBERG an. Die Parteien hatten je e<strong>in</strong> Parteigutachten<br />

von PROF. FRANK VISCHER und PROF. PETER FORSTMOSER e<strong>in</strong>gereicht.<br />

Das Schiedsgericht setzte sich e<strong>in</strong>gehend mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem<br />

Zweck ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Es kam dabei zum Schluss, dass trotz <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Konzeption des Vere<strong>in</strong>srechts <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />

von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n existiert, welche m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong> zwei Punkten vom Bild<br />

abweichen, welches dem ZGB zugrunde liegt: Der Zweck liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung von wirtschaftlichen o<strong>der</strong> kommerziellen Interessen, auch<br />

wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> selbst ke<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>ne erzielt, und die Mitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d<br />

selbst Unternehmen. Namentlich aufgrund <strong>der</strong> Rechtsprechung des<br />

Bundesgerichts im Fall BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de<br />

cigarettes, 1964) kam die Mehrheit <strong>der</strong> Schiedsrichter zum Schluss, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

mit wirtschaftlichem Zweck dürften nicht als unzulässig erachtet<br />

106 Auszugsweise veröffentlicht <strong>in</strong> Yearbook Comm. Arb’n XVII (1992), S. 11 ff; e<strong>in</strong>e<br />

Zusammenfassung des Entscheids f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> SZW 1992, S. 228 ff.<br />

107 Vgl. dazu ausführlich unten S. 174.<br />

56


werden. Vielmehr seien im H<strong>in</strong>blick auf die Beson<strong>der</strong>heiten solcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

angemessene Lösungen zu suchen.<br />

Das Schiedsgericht setzte sich unter an<strong>der</strong>em auch mit <strong>der</strong> Typenlehre<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> 108 , auf welche <strong>der</strong> schweizerische Schiedsrichter DR. CLAUS<br />

SCHELLENBERG grosses Gewicht gelegt hatte. Die Mehrheit des<br />

Schiedsgerichts sah <strong>in</strong> <strong>der</strong> Typenlehre ke<strong>in</strong>en Grund für die Unzulässigkeit<br />

des zu beurteilenden Vere<strong>in</strong>s, unter an<strong>der</strong>em weil dieser nicht <strong>in</strong><br />

Rechtsumgehungsabsicht gegründet worden war. Die Mehrheit schloss<br />

sich vielmehr <strong>der</strong> Expertenme<strong>in</strong>ung von PROF. FRANK VISCHER an und<br />

suchte nach e<strong>in</strong>er Lösung, welche für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />

Zweck angemessen erschien.<br />

7. Wirtschaftlich ausgerichtete <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> kantonalen<br />

Gerichtspraxis<br />

a) Vorbemerkung<br />

Im folgenden wird e<strong>in</strong>e Auswahl kantonaler Entscheide wie<strong>der</strong>gegeben,<br />

die sich mit e<strong>in</strong>schlägigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n befassen. Die Darstellung erhebt<br />

ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Vollständigkeit.<br />

b) Urteil des bernischen Appellationshofes vom 21. Januar 1914 (Vere<strong>in</strong><br />

schweizerischer Lokomotivführer, ZBJV 50, S. 318 ff. und SJZ 10, S.<br />

374)<br />

In diesem Entscheid war die Persönlichkeit des Vere<strong>in</strong>s schweizerischer<br />

Lokomotivführer zu beurteilen, weil dieser sie als Beklagter bestritten<br />

hatte. Der Vere<strong>in</strong> war am 1. Januar 1888 gegründet worden. Die Statuten<br />

enthielten offenbar ke<strong>in</strong>e ausdrückliche Zweckbestimmung. Der bernische<br />

Appellationshof leitete jedoch aus folgen<strong>der</strong> Bestimmung den<br />

Zweck des Vere<strong>in</strong>s ab: „Die Unterstützungskasse hat den Zweck, den<br />

Mitglie<strong>der</strong>n des Vere<strong>in</strong>s schweizerischer Lokomotivführer im Unglücks- o<strong>der</strong><br />

Todesfalle für sich selbst o<strong>der</strong> ihre H<strong>in</strong>terlassenen e<strong>in</strong>en Beitrag zu sichern.<br />

Der Beitritt ist für die Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s schweizerischer Lokomotivführer<br />

obligatorisch und auch nur solchen gestattet; er muss <strong>in</strong>nerhalb<br />

e<strong>in</strong>es Jahres nach def<strong>in</strong>itiver Anstellung als Führer und vor Ablauf<br />

des 40. Altersjahrs erfolgen.“ Der Appellationshof bezeichnete den Vere<strong>in</strong><br />

als „Berufsverband mit mehrfachen Zwecken“ und qualifizierte den<br />

Zweck des Vere<strong>in</strong>s gemäss den anwendbaren Bestimmungen des ZGB<br />

108 Vgl. dazu e<strong>in</strong>gehend unten S. 103 ff.<br />

57


als ideal: „... stellt sich <strong>der</strong> beklagte V.S.L.F. als e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> mit mehrfachem<br />

Zweck dar; diese entkleiden den Vere<strong>in</strong> se<strong>in</strong>es Charakters als<br />

idealer Vere<strong>in</strong> nicht, auch wenn e<strong>in</strong>zelne Zwecke wirtschaftlicher Natur<br />

s<strong>in</strong>d, solange die wirtschaftliche Tätigkeit nicht die Hauptsache bildet. Beim<br />

V.S.L.F. kann es sich fragen, ob <strong>in</strong> <strong>der</strong> Äufnung e<strong>in</strong>er Unterstützungskasse<br />

e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit liege; ist e<strong>in</strong>e solche anzunehmen, so<br />

handelt es sich doch nicht um e<strong>in</strong>en selbständigen, son<strong>der</strong>n um e<strong>in</strong>en<br />

zur Erreichung des idealen Hauptzweckes mitbestimmenden Zweck.<br />

Solange <strong>der</strong> Hauptzweck e<strong>in</strong> idealer ist, kann auch das Bestehen e<strong>in</strong>es<br />

selbständigen wirtschaftlichen Nebenbetriebes den Vere<strong>in</strong> nicht zu e<strong>in</strong>em<br />

wirtschaftlichen umgestalten, son<strong>der</strong>n es hat e<strong>in</strong>zig gemäss Art. 61,<br />

Al. 2 e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>tragung, nicht als privatrechtliche Voraussetzung für die<br />

Entstehung <strong>der</strong> Persönlichkeit, son<strong>der</strong>n bloss als öffentlichrechtliche<br />

Pflicht, stattzuf<strong>in</strong>den. Ist aber <strong>der</strong> V.S.L.F. e<strong>in</strong> idealer Vere<strong>in</strong>, so hat er<br />

Persönlichkeit, trotzdem er nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist.“<br />

c) Urteil des Cour de justice civile des Kantons Genf vom 5. Dezember 1930<br />

(Syndicat des détaillants en épicerie, laiterie, comestibles, primeurs et<br />

branches s’y rattachant, SemJud 1931, S. 225 ff.)<br />

Zu beurteilen war <strong>in</strong> diesem Entscheid e<strong>in</strong>e Klage des Syndicat des détaillants<br />

en épicerie, laiterie, comestibles, primeurs et branches s’y rattachant wegen<br />

unlauteren Wettbewerbs, begangen gegenüber se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n. Das<br />

Syndicat war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB konstituiert. Es hatte als statutarischen<br />

Zweck die Vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> entsprechenden Detailhändler des<br />

Kantons Genf zur Wahrung <strong>der</strong>er Interessen gegenüber Dritten sowie<br />

zur Wahrung allfälliger Ansprüche <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> vor den zuständigen<br />

Behörden und zur Unterstützung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Verfahren, welche<br />

gegen diese gerichtet waren. Das Gericht g<strong>in</strong>g ohne weiteres davon aus,<br />

das Syndicat sei als Berufsverband rechtsfähig.<br />

d) Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Tess<strong>in</strong> vom 27. September<br />

1943 (SJZ 40, S. 242)<br />

In diesem kantonalen Entscheid wurde die Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es Käseproduktionsunternehmens<br />

als Vere<strong>in</strong> verne<strong>in</strong>t. Das Appellationsgericht<br />

hatte offenbar e<strong>in</strong>e Klage gegen e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung von Viehbesitzern<br />

zu beurteilen, welche zum Zweck <strong>der</strong> Käseproduktion gegründet<br />

worden war. Die Statuten sahen die E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister vor;<br />

diese war jedoch nie vorgenommen worden. Das Gericht entschied, dass<br />

die Vere<strong>in</strong>igung mangels Handelsregistere<strong>in</strong>trages die Rechtspersönlich-<br />

58


keit als Genossenschaft nicht erlangt hatte, angesichts des wirtschaftlichen<br />

Charakters aber auch nicht als Vere<strong>in</strong> bestehen könne. Daher<br />

handle es sich lediglich um e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Gesellschaft.<br />

e) Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Neuenburg vom 4. Dezember 1933<br />

(SJZ 30, S. 347)<br />

Das Kantonsgericht Neuenburg entschied, dass e<strong>in</strong> Berufsverband,<br />

<strong>der</strong> die geschäftlichen Interessen se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>n bezweckt,<br />

als Vere<strong>in</strong> mit idealem Zweck anzusehen sei, solange er nicht selbst e<strong>in</strong><br />

Geschäft betreibt.<br />

f) Urteil des Tribunal cantonal neuchâtelois vom 4. Dezember 1933<br />

(Fédération suisse des associations de fabricants de boîtes de montres en or,<br />

SemJud 1934, S. 150 ff.)<br />

In diesem Entscheid wurde die Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es Berufsverbandes<br />

bejaht. Die Fédération suisse des associations de fabricants de boîtes de montres en<br />

or war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB konstituiert. Als Mitglie<strong>der</strong> gehörten ihr die<br />

Genossenschaft Société suisse des fabricants de boîtes de montres en or, die Association<br />

genevoise des fabricants de bijouterie, joaillerie et de boîtes de montres und<br />

das Syndicat des patrons décorateurs de boîtes de montres et bijoutiers an. Der<br />

Zweck des Vere<strong>in</strong>s war wie folgt def<strong>in</strong>iert: „(a) Introduction et application<br />

de toutes mesures et moyens susceptibles de ma<strong>in</strong>tenir et de développer<br />

l’<strong>in</strong>dustrie de la boîte de montre en Suisse. (b) Représentation des<br />

groupements affiliés auprès des associations horlogères pour<br />

l’élaboration et l’application des contrats collectifs. (c) Représentation<br />

des groupements affiliés auprès des autorités fédérales pour la sauvegarde<br />

de l’<strong>in</strong>dustrie de la boîte or (traités de commerce, tarifs douaniers,<br />

contigents, etc.). (d) Elaboration et application des conditions de vente<br />

et de leur contrôle. (e) Elaboration de conventions spéciales entre les<br />

groupements membres de la Fédération.“ Das Gericht bezeichnete die<br />

Fédération als Berufsverband und qualifizierte den Zweck gemäss lit. a als<br />

ideal. Obwohl die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes als Ergebnis<br />

den Mitglie<strong>der</strong>n wirtschaftliche Vorteile verschaffen, so machten sie<br />

nach Auffassung des Gerichts dennoch nicht den Betrieb e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Unternehmens nötig. Und selbst wenn die Fédération e<strong>in</strong><br />

kaufmännisches Unternehmen betreiben würde, so hätte dies lediglich<br />

zur Folge, dass sie sich mit deklaratorischer Wirkung <strong>in</strong>s Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>zutragen hätte. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundes-<br />

59


gerichts bestätigte das Tribunal cantonal die Rechtsfähigkeit <strong>der</strong> Fédération<br />

suisse des associations de fabricants de boîtes de montres en or.<br />

g) Urteil des Handelsgerichts Bern vom 12. Mai 1950 (Verband<br />

<strong>Schweiz</strong>erischer Schuh- und Bodenpflegemittel-Fabrikanten <strong>in</strong> Liqu.,<br />

ZBJV 87, S. 33 ff.)<br />

Das Handelsgericht hatte e<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ungsklage gegen den Verband<br />

<strong>Schweiz</strong>erischer Schuh- und Bodenpflegemittel-Fabrikanten <strong>in</strong> Liqu. zu beurteilen<br />

und anerkannte dabei dessen Rechtsfähigkeit als Vere<strong>in</strong>. Der Verband<br />

war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB gegründet worden und bezweckte gemäss<br />

Statuten die Wahrung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Preisfragen und<br />

Preisgestaltung, die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, die Wahrung<br />

<strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Verbandsmitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> allen wirtschaftlichen und<br />

rechtlichen Fragen sowie die Abgabe von Stellungnahmen zu sozialen<br />

und wirtschaftlichen Problemen. Während e<strong>in</strong>igen Jahren vermittelte <strong>der</strong><br />

Verband zwischen se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n und Lieferanten Käufe von Rohstoffen.<br />

Im Jahre 1947 begann <strong>der</strong> Verband jedoch damit, direkt als<br />

Käufer gegenüber den Lieferanten aufzutreten, um dann die Rohstoffe<br />

an se<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong> weiterzuverkaufen. Der Verband hatte alle<strong>in</strong> beim<br />

Kläger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitraum von sieben Monaten Rohstoffe für CHF<br />

65'101.75 e<strong>in</strong>gekauft. Der Verband verfügte neben <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />

und dem Vorstand über e<strong>in</strong> drittes Organ namens „Geschäftsstelle“.<br />

Das Gericht entschied die umstrittene Frage, ob die<br />

Kaufverträge, auf die sich <strong>der</strong> Kläger berief, direkt mit dem Verband zustande<br />

gekommen waren, positiv und hatte offenbar ke<strong>in</strong>e Probleme mit<br />

<strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit des Verbandes als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB. Aus<br />

stellvertretungsrechtlicher Sicht wurde dem Verband unter an<strong>der</strong>em die<br />

Tatsache zum Verhängnis, dass er über das Organ „Geschäftsstelle“ verfügte.<br />

Das Gericht entschied, dass damit nach aussen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck erweckt<br />

worden sei, <strong>der</strong> Verband beschränke sich nicht auf e<strong>in</strong>e Tätigkeit<br />

zugunsten se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n er wolle wirtschaftlich selbständig auftreten.<br />

Geschäftsstellen würden geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> nur dort e<strong>in</strong>gerichtet, wo die<br />

wirtschaftliche Tätigkeit e<strong>in</strong>es Verbandes e<strong>in</strong>e gewisse Bedeutung aufweise<br />

und verbandseigen sei.<br />

60


h) Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 18. März 1964 und Urteil des<br />

Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 19. Oktober 1965<br />

(Milchhändlerverband Basel und Umgebung, BJM 1966, S. 233 ff.)<br />

Diese Entscheide des Zivilgerichts Basel-Stadt und des Appellationsgerichts<br />

Basel-Stadt s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>zigen, welche vom obiter dictum des<br />

Bundesgerichts <strong>in</strong> BGE 88 II 209 (Eisenverband / M<strong>in</strong>iera) direkt bee<strong>in</strong>flusst<br />

worden s<strong>in</strong>d. Der Milchhändlerverband Basel und Umgebung war 1928<br />

als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB zur Wahrung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Interessen se<strong>in</strong>er<br />

Mitglie<strong>der</strong> gegründet worden. Am 30. März 1962 reichte er als Vere<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Klage wegen rechtswidriger Abgabe von Gratis-Pastmilch gegen<br />

e<strong>in</strong>e Genossenschaft e<strong>in</strong>, welche dem Migros-Genossenschafts-Bund angehörte.<br />

Am 11. September 1962, noch vor <strong>der</strong> Gerichtsverhandlung, erg<strong>in</strong>g<br />

das Bundesgerichtsurteil Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera 109 , <strong>in</strong> welchem das<br />

Bundesgericht sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em obiter dictum gegen se<strong>in</strong>e langjährige<br />

Rechtsprechung aussprach. Am 9. Oktober 1963, ebenfalls noch vor <strong>der</strong><br />

Gerichtsverhandlung, gründeten die Milchhändler, welche dem klägerischen<br />

Vere<strong>in</strong> angehörten, zum Zweck <strong>der</strong> „Erhaltung des privaten<br />

Milchhandels“ die Genossenschaft „Milchhändlerverband Basel und<br />

Umgebung“ und beantragten mittels Klagän<strong>der</strong>ungsgesuch vom 16.<br />

Oktober 1963 die Bewilligung dafür, dass anstelle des klägerischen Vere<strong>in</strong>s<br />

die neue Genossenschaft als Kläger<strong>in</strong> auftreten dürfe. Das Zivilgericht<br />

folgte dem obiter dictum des Bundesgerichts und stellte fest, dass<br />

<strong>der</strong> ursprüngliche Kläger als Vere<strong>in</strong> mit wirtschaftlichem Zweck ke<strong>in</strong>e<br />

Persönlichkeit erlangt hatte und daher den Prozess nicht hätte führen<br />

können. Aus Gründen <strong>der</strong> Prozessökonomie bewilligte es die Klagän<strong>der</strong>ung,<br />

um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass die „Mitglie<strong>der</strong>“ des klägerischen Vere<strong>in</strong>s<br />

als e<strong>in</strong>fache Gesellschafter e<strong>in</strong>en zweiten Prozess über dieselbe Frage<br />

führen mussten. Dabei wies es auf den Umstand h<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> ursprüngliche<br />

Kläger bei E<strong>in</strong>reichung <strong>der</strong> Klage nach <strong>der</strong> damals herrschenden<br />

Rechtsauffassung trotz se<strong>in</strong>em wirtschaftlichen Zweck als rechtsfähiger<br />

Vere<strong>in</strong> habe angesehen werden dürfen.<br />

Das Appellationsgericht bestätigte als zweite kantonale Instanz den<br />

Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Klagän<strong>der</strong>ung<br />

vollumfänglich. Es führte aus, dass sich <strong>der</strong> ehemalige Kläger, „dem als<br />

Vere<strong>in</strong> nachträglich durch den Bundesgerichtsentscheid vom September<br />

1962 <strong>der</strong> Boden unter den Füssen entzogen worden ist“, auf das Bestehen<br />

se<strong>in</strong>er Rechtspersönlichkeit nach <strong>der</strong> damaligen Auffassung und<br />

Praxis habe verlassen dürfen. Es bezeichnete die Praxisän<strong>der</strong>ung des<br />

109 BGE 88 II 209, vgl. oben S. 47.<br />

61


Bundesgerichts als „ausserordentliche Rechtslage, die nicht vorausgesehen<br />

werden konnte“ und erachtete die strengen Voraussetzungen <strong>der</strong><br />

Basler Prozessordnung für Klagän<strong>der</strong>ungen als „zweifellos gegeben“,<br />

wonach „triftige Gründe“ vorliegen müssen.<br />

i) Urteil des Obergerichts Zürich vom 7. November 1977<br />

(Eishockey-Club K., SJZ 75, S. 75 ff.)<br />

In diesem Entscheid wurde <strong>der</strong> Eishockey-Club K. als rechtsfähiger<br />

Vere<strong>in</strong> anerkannt. Er war von e<strong>in</strong>em Mitglied e<strong>in</strong>geklagt worden, das aus<br />

dem Club austreten wollte. Der Eishockey-Club K. war als Vere<strong>in</strong> i.S.d.<br />

ZGB gegründet worden und als solcher Mitglied des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Eishockeyverbandes, <strong>der</strong> ebenfalls als Vere<strong>in</strong> organisiert war und bezweckte,<br />

„den Eishockeysport <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> zu verbreiten, zu för<strong>der</strong>n<br />

und zu organisieren“. Das Zürcher Obergericht erwog, dass <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne<br />

Hochleistungssport <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> seit e<strong>in</strong>igen Jahren „nicht nur<br />

von ideellen, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> zunehmendem Masse auch von wirtschaftlichen<br />

Gesichtspunkten geprägt wird, sei es auf seiten <strong>der</strong> Sportler selbst, sei es<br />

auf seiten <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> o<strong>der</strong> geschäftstüchtiger Dritter“. Sportler sähen<br />

sich „<strong>in</strong> den allermeisten Fällen e<strong>in</strong>em nationalen Sportverband gegenüber[...],<br />

welcher e<strong>in</strong>e Monopolstellung e<strong>in</strong>nimmt und oftmals se<strong>in</strong>e eigenen<br />

Interessen denjenigen des Sportes voranstellt“. Das Gericht g<strong>in</strong>g<br />

dennoch ohne weiteres von <strong>der</strong> Persönlichkeit des beklagten Eishockey-<br />

Clubs als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB aus.<br />

j) Urteil des Appellationsgerichts Bern vom 27. Juni 1986 (<strong>Schweiz</strong>erischer<br />

Reit- und Fahrsportverband, ZBJV 124, S. 311 ff.)<br />

Auch das höchste Berner Gericht anerkannte die Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es<br />

Sportvere<strong>in</strong>s. Dabei berücksichtigte es bei <strong>der</strong> Rechtsanwendung die<br />

Beson<strong>der</strong>heiten dieses Vere<strong>in</strong>s. Das bernische Appellationsgericht hatte<br />

e<strong>in</strong>e Klage e<strong>in</strong>es Mitgliedes des <strong>Schweiz</strong>erischen Reit- und Fahrsportverbandes<br />

zu beurteilen, das sich gegen e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>sstrafe wehren wollte. Der<br />

<strong>Schweiz</strong>erische Reit- und Fahrsportverband war als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB gegründet<br />

worden. Das Appellationsgericht führte aus: „Es drängt sich [...] auf,<br />

die Ausschlussautonomie des Vere<strong>in</strong>s, welche vom historischen Gesetzgeber<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Annahme statuiert wurde, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> würden ausschliesslich<br />

idealen Zwecken dienen, zu beschränken, jedenfalls <strong>in</strong> denjenigen Fällen,<br />

<strong>in</strong> denen nicht nur ideale, son<strong>der</strong>n auch und sogar vor allem wirtschaftliche<br />

Interessen e<strong>in</strong>e massgebende Rolle spielen. Diese Beschränkungstendenz,<br />

welche ihren Nie<strong>der</strong>schlag bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kartellgesetzgebung<br />

62


gefunden hat, ist die logische Fortführung des Gedankens, die für ideale<br />

Zwecke vorgesehene Rechtsform des Vere<strong>in</strong>s auch wirtschaftlichen Institutionen<br />

(mit neuen Schutzbedürfnissen) zu öffnen (BGE 90 II<br />

333 110 ). Um die Allmacht e<strong>in</strong>es Verbandes – und damit auch se<strong>in</strong>e Ausschlussautonomie<br />

– zu begrenzen, muss es je nach <strong>der</strong> beherrschenden<br />

Stellung des Verbandes dem Mitglied möglich se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en Ausschluss anzufechten,<br />

allerd<strong>in</strong>gs nur unter gewissen, e<strong>in</strong>schränkenden Voraussetzungen,<br />

d.h. wenn <strong>der</strong> Ausschluss rechtsmissbräuchlich ist, gegen gesetzliche<br />

o<strong>der</strong> statutarische Vorschriften verstösst o<strong>der</strong> aber <strong>in</strong><br />

erheblichem Masse das Persönlichkeitsrecht des Mitgliedes verletzt.<br />

Diese Anfechtungsmöglichkeit, die im Endeffekt auf e<strong>in</strong>e Interessenabwägung<br />

Vere<strong>in</strong>sautonomie/Mitglied<strong>in</strong>teresse h<strong>in</strong>ausläuft, rechtfertigt<br />

sich im Zusammenhang mit Sportvere<strong>in</strong>en um so mehr, als heutzutage,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Spitzensport, die idealen Vorstellungen von Spiel und<br />

Sport zunehmend von wirtschaftlichen Überlegungen abgelöst werden.<br />

Namentlich e<strong>in</strong>en Profisportler trifft e<strong>in</strong> längerdauern<strong>der</strong> Ausschluss<br />

zutiefst, da mit dieser Massnahme se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>nahmen (Prämien, Gew<strong>in</strong>nbeteiligung,<br />

Sponsorene<strong>in</strong>nahmen) sowie auch se<strong>in</strong> Ruf und damit se<strong>in</strong><br />

Marktwert gefährdet werden.“<br />

k) Urteil des Richteramtes III Bern vom 22. Dezember 1987<br />

(<strong>Schweiz</strong>erischer Leichtathletikverband, SJZ 84, S. 85 ff.)<br />

In diesem Entscheid wurde die Rechtsfähigkeit des <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Leichtathletikverbandes als Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB ohne weiteres bejaht.<br />

8. Würdigung <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />

a) Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts kann <strong>in</strong> grober Weise folgen<strong>der</strong>massen<br />

zusammengefasst werden: Unter dem aOR und auch anfänglich<br />

unter dem ZGB stellte die zivilrechtliche Rechtsprechung überwiegend<br />

alle<strong>in</strong> auf den Zweck <strong>der</strong> zu beurteilenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ab. Abgesehen<br />

von e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Entscheid 111 bejahte das Bundesgericht jedoch stets<br />

die Rechtsfähigkeit <strong>der</strong> zur Debatte stehenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>in</strong>dem es den<br />

Zweck entsprechend als zulässig bezeichnete. Anfangs <strong>der</strong> dreissiger<br />

Jahre öffnete das Bundesgericht das wegen se<strong>in</strong>er Anonymität und Libe-<br />

110 Association suisse des fabricants de cigarettes, 1964, vgl. S. 50.<br />

111 BGE 44 II 77 (Union rurale, 1918).<br />

63


alität begehrte Vere<strong>in</strong>srecht explizit den <strong>in</strong>zwischen mächtig angewachsenen<br />

Wirtschaftsverbänden. Das Bundesgericht stellte <strong>in</strong> <strong>der</strong> zivilrechtlichen<br />

Rechtsprechung – zum<strong>in</strong>dest bei den zu beurteilenden Berufs-,<br />

Branchen- und Wirtschaftsverbänden – den unzulässigen Zweck dem<br />

Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Gewerbes o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er geschäftlichen<br />

Tätigkeit gleich. 112 Im Ergebnis wurden Wirtschaftsverbände für zulässig<br />

erklärt, die selbst ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betrieben. 113 Im Jahre<br />

1962 führte das Bundesgericht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em obiter dictum aus, dass e<strong>in</strong>e<br />

Personenverb<strong>in</strong>dung ausschliesslich dann dem Vere<strong>in</strong>srecht unterstehen<br />

könne, wenn sie e<strong>in</strong>en idealen Zweck verfolge. 114 Lediglich zwei Jahre<br />

später verwarf das Bundesgericht das genannte obiter dictum und<br />

wandte mit e<strong>in</strong>er neuen Begründung se<strong>in</strong>e langjährige Praxis weiter an:<br />

Es erklärte nur – aber immerh<strong>in</strong> – diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />

Zweck als unzulässig, welche gleichzeitig e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe<br />

betreiben. 115<br />

b) <strong>Wirtschaftliche</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als zulässig erachtet<br />

Die wie<strong>der</strong>gegebenen Entscheide zeigen, dass wirtschaftlich ausgerichtete<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen Rechtsprechung e<strong>in</strong>en wichtigeren<br />

Platz e<strong>in</strong>nehmen, als dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur allgeme<strong>in</strong> dargestellt wird.<br />

Mit Ausnahme e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zigen Falles im Jahre 1918 116 hat das Bundesgericht<br />

stets angenommen, die <strong>in</strong> Frage stehenden wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

seien zulässig. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> kantonalen Rechtsprechung ist lediglich e<strong>in</strong><br />

Entscheid aus dem Jahre 1943 bekannt 117 , <strong>in</strong> welchem e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> mit<br />

wirtschaftlicher Ausrichtung die Rechtsfähigkeit abgesprochen worden<br />

ist. Der e<strong>in</strong>zige publizierte Entscheid e<strong>in</strong>es Schiedsgerichts zeigt<br />

schliesslich, wie Fragen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

auf e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Art angegangen werden können, wenn man nicht<br />

112<br />

Die selbe Argumentation wandte das Bundesgericht <strong>in</strong> BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative<br />

vaudoise d’allocations familiales, 1946) auch auf e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> zur Ausrichtung kantonalvorsorgerechtlicher<br />

Ausgleichszahlungen an, vgl. dazu S. 42.<br />

113<br />

ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–<br />

1964, ZSR 83 I (1964), S. 440; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung<br />

e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 5. Vgl. S. 38 ff.<br />

114<br />

BGE 88 II 209 (Eisenverband / M<strong>in</strong>iera, 1962), vgl. S. 47 ff.<br />

115<br />

ARTHUR MEIER-HAYOZ, a.a.O., S. 5. Vgl. S. 50 ff.<br />

116<br />

BGE 44 II 77, Union rurale.<br />

117<br />

Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Tess<strong>in</strong> vom 27. September 1943 (SJZ 40,<br />

S. 242).<br />

64


aus grundsätzlichen Erwägungen die Augen vor <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit<br />

schliesst.<br />

c) BGE 88 II 209 (Eisenverband / M<strong>in</strong>iera)<br />

BGE 88 II 209 wurde und wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehre als spektakulärer Entscheid<br />

bezeichnet, <strong>in</strong> welchem das Bundesgericht nach Ansicht e<strong>in</strong>es<br />

Teils <strong>der</strong> Autoren zu e<strong>in</strong>er gesetzeskonformen Praxis zurückgefunden<br />

hatte. Von Gegnern <strong>der</strong> Zulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wird diesem<br />

Entscheid damit e<strong>in</strong> Stellenwert zuerkannt, <strong>der</strong> ihm bei zutreffen<strong>der</strong><br />

Betrachtung <strong>der</strong> Rechtsprechung nicht zukommt. Der sogenannte „Ausreisser-Entscheid“<br />

enthält lediglich e<strong>in</strong> obiter dictum im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Beurteilung e<strong>in</strong>facher Gesellschaften.<br />

Der Entscheid des Bundesgerichts ist vom Ergebnis her zutreffend.<br />

Die zur Debatte stehenden Personenverb<strong>in</strong>dungen stellten e<strong>in</strong>fache Gesellschaften<br />

dar 118 , denn aus den „Statuten“ <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dungen<br />

war gar ke<strong>in</strong> Wille ersichtlich, als Vere<strong>in</strong> o<strong>der</strong> sonstige Körperschaft bestehen<br />

zu wollen. Das Bundesgericht hält diesbezüglich zutreffend fest,<br />

dass es nicht angehen kann, wie die Vor<strong>in</strong>stanz abzuwägen, ob e<strong>in</strong>e Personenverb<strong>in</strong>dung<br />

eher den Charakter e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s aufweist, wenn die formellen Gründungsvoraussetzungen<br />

für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gar nicht erfüllt s<strong>in</strong>d.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund waren die umfangreichen Ausführungen des<br />

Bundesgerichts zur Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit des wirtschaftlichen Zweckes<br />

überflüssig, trotz <strong>der</strong> Ankündigung <strong>in</strong> den Regesten, es handle sich um<br />

e<strong>in</strong>e „Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rechtsprechung“. 119 Sie stellen – im Gegensatz zu<br />

den Erwägungen <strong>in</strong> früheren und späteren Entscheiden – von e<strong>in</strong>em<br />

konkreten Sachverhalt losgelöste Überlegungen dar, die als solche möglicherweise<br />

durchaus zu überzeugen vermögen, aber ke<strong>in</strong>erlei Bezug zur<br />

Rechtswirklichkeit nehmen. Bereits 1962 hatte sich die Rechtswirklichkeit<br />

massgeblich von <strong>der</strong> Situation entfernt, welche den Gesetzgebungsarbeiten<br />

zum ZGB zugrunde lag, und auf welche das obiter dictum <strong>in</strong><br />

BGE 88 II 209 <strong>in</strong> wesentlichen Punkten abgestützt ist.<br />

BRINER wies bereits im Jahr 1964 darauf h<strong>in</strong>, dass es sich beim obiter<br />

dictum um die erste, als solche ausdrücklich bezeichnete und damit unmittelbar<br />

Geltung beanspruchende Praxisän<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>er hy-<br />

118<br />

Gleicher Ansicht PAUL PIOTET, Retour à la jurisprudence traditionnelle sur le but non<br />

économique des associations, JdT 113 I (1965), S. 194.<br />

119<br />

Gleicher Ansicht ROBERT BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />

WuR 1964, S. 74.<br />

65


pothetischen Erwägung handle. Vom Standpunkt <strong>der</strong> Rechtssicherheit<br />

her sei e<strong>in</strong> solches Vorgehen nicht unbedenklich. Es sei denkbar, dass<br />

die „Praxisän<strong>der</strong>ung“ wie<strong>der</strong> zurückgenommen würde, ohne e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges<br />

Urteil des Bundesgerichts wirklich bestimmt zu haben. In diesem Fall<br />

läge e<strong>in</strong>e lehrende o<strong>der</strong> kommentierende Tätigkeit des Bundesgerichts<br />

vor, <strong>der</strong>en rechtliche Bedeutung nur schwer fassbar sei. 120<br />

Die Voraussage BRINERS trat lediglich zwei Jahre nach Veröffentlichung<br />

des obiter dictum <strong>in</strong> BGE 90 II 333 tatsächlich e<strong>in</strong>: Das Bundesgericht<br />

nahm unter Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> Argumentation e<strong>in</strong>es Gutachtens<br />

von PROF. FRANK VISCHER 121 die Ausführungen des Entscheids Eisen-<br />

Verband / M<strong>in</strong>iera zurück. Abgesehen von Verwirrungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen<br />

kantonalen Entscheid 122 hat das obiter dictum somit nie praktische<br />

Auswirkungen erlangt. Das Bundesgericht hat bei <strong>der</strong> konkreten Beurteilung<br />

von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Ausrichtung nach s<strong>in</strong>nvollen<br />

Lösungen gesucht, anstatt bloss <strong>der</strong>en Zulässigkeit zu verne<strong>in</strong>en.<br />

d) Fallbezogene Entscheidungen<br />

Die e<strong>in</strong>schlägigen Erwägungen des Bundesgerichts und <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem<br />

Ausmass diejenigen <strong>der</strong> kantonalen Gerichte waren stets sehr fallbezogen.<br />

123 Vor allem Entscheide aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

ersche<strong>in</strong>en oft als zum<strong>in</strong>dest unterschwellig politisch o<strong>der</strong> konfessionell<br />

gefärbt. 124 Der E<strong>in</strong>druck drängt sich auf, dass die Frage <strong>der</strong> Rechtsfähigkeit<br />

meist kasuistisch entschieden wurde. In den steuerrechtlichen Ent-<br />

120 ROBERT BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände, WuR<br />

1964, S. 74. – Vgl. zur rechtlichen Bedeutung von obiter dicta im angelsächsischen Recht<br />

CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, RZ 1141: Obiter dicta<br />

s<strong>in</strong>d unpräjudizielle Urteilsbestandteile. Weiterführend DENIS KEENAN, Smith &<br />

Keenan’s English Law, 12. Auflage London 1998, S. 139 f.: „The reason why obiter dicta<br />

are merely persuasive is because the prerogative of judges is not to make the law by formulat<strong>in</strong>g<br />

it and declar<strong>in</strong>g it (this is for the legislature) but to make the law by apply<strong>in</strong>g it<br />

to cases com<strong>in</strong>g before them.“<br />

121 Gutachten von PROF. FRANK VISCHER für die Basler Handelskammer, zitiert bei<br />

BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände, WuR 1964, S. 76.<br />

122 Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 18. März 1964 und Urteil des Appellationsgerichts<br />

Basel-Stadt vom 19. Oktober 1965 (Milchhändlerverband Basel und Umgebung, BJM<br />

1966, S. 233 ff.).<br />

123 Vgl. dazu auch die Bemerkung PIOTETS, JdT 111 I (1963), S. 99, zu BGE 88 II 209:<br />

„On ne peut se défendre de l’impression que, si notre haute cour avait eu affaire à l’une<br />

des grandes associations professionnelles qui collaborent avec les autorités en ma<strong>in</strong>tes<br />

occasions, elle aurait beaucoup hésité à la déclarer juridiquement <strong>in</strong>existante.“<br />

124 BGE 44 II 77 (Union rurale), BGE 48 II 145 (Arbeiterunion Zürich), BGE 51 II 522<br />

(<strong>Schweiz</strong>er Metall- und Uhrenarbeiterverband, Sektion Biel).<br />

66


scheiden 125 stört sich das Bundesgericht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht daran, dass<br />

auch Vere<strong>in</strong>igungen mit „ohne Zweifel wirtschaftlichem Zweck“ 126 als<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB konstituiert s<strong>in</strong>d. Denn wenn <strong>der</strong>en Existenz als juristische<br />

Person verne<strong>in</strong>t würde, so wäre ke<strong>in</strong> Steuersubjekt mehr vorhanden:<br />

Dem Staat würden E<strong>in</strong>nahmen entgehen.<br />

e) Ungeklärte Verhältnisse Zweck – Mittel und<br />

wirtschaftlich – nichtwirtschaftlich<br />

Aus den vorausgegangenen Beispielen lässt sich folgern, dass für die<br />

Gerichte das Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Zweck und kaufmännischem<br />

Gewerbe nicht immer klar war. Die Rechtsprechung hat<br />

ausserdem nie e<strong>in</strong> klares Abgrenzungskriterium zwischen wirtschaftlichem<br />

und nichtwirtschaftlichem Zweck herausgearbeitet. 127 Sie bleibt<br />

auch diesbezüglich kasuistisch. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sich das<br />

Bundesgericht vornehmlich im Zusammenhang mit Berufs-, Branchenund<br />

Wirtschaftsverbänden zur Zulässigkeit des Zweckes aussprechen<br />

musste und dabei e<strong>in</strong>en pragmatischen Weg gewählt hat. In <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Gerichtspraxis kommt dem kaufmännischen Gewerbe letztlich<br />

e<strong>in</strong> wichtigerer Stellenwert zu als dem wirtschaftlichen Zweck. In den<br />

Entscheiden, welche an<strong>der</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> betreffen, liess sich das Bundesgericht<br />

h<strong>in</strong>gegen nicht auf die Äste h<strong>in</strong>aus. Die diesbezüglichen Diskussionen<br />

wurden <strong>der</strong> Lehre überlassen. Im nachfolgenden Kapitel V wird<br />

untersucht, ob es <strong>der</strong> Lehre gelungen ist, e<strong>in</strong>deutige und praktikable Abgrenzungskriterien<br />

zu f<strong>in</strong>den.<br />

f) Schlussfolgerung<br />

Der Entscheidung des Bundesgerichts, wonach zum<strong>in</strong>dest Berufs-,<br />

Branchen- und Wirtschaftsverbände <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform als zulässig erachtet<br />

werden, ist im Ergebnis grundsätzlich zuzustimmen. Das Bundesgericht<br />

erkennt zutreffen<strong>der</strong>weise, dass es für die Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform<br />

nicht bloss auf den Zweck ankommen kann, son<strong>der</strong>n dass vielmehr die<br />

Tätigkeit <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Betreiben e<strong>in</strong>es<br />

kaufmännischen Unternehmens, relevant ist. Allerd<strong>in</strong>gs wird die vorliegende<br />

Arbeit zeigen, dass heute angesichts <strong>der</strong> neuesten<br />

125<br />

BGE 71 I 119 (Kaufmännische Corporation St. Gallen), BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative<br />

vaudoise d’allocations familiales), BGE 73 I 316 (Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich).<br />

126<br />

So ausdrücklich BGE 73 I 316 (Verkehrsvere<strong>in</strong> Zürich, 1947), S. 43.<br />

127<br />

Gleicher Ansicht MARGARETA BADDELEY, L’association sportive face au droit,<br />

Diss. Genf, Basel 1994, S. 31.<br />

67


Gesetzgebungstendenzen die Beschränkungen des Bundesgerichts<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Frage des kaufmännischen Unternehmens überwunden<br />

werden können. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts kann<br />

diesbezüglich s<strong>in</strong>nvoll weiterentwickelt werden. 128<br />

128 Vgl. <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e S. 99 ff.<br />

68


V. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

schweizerischen Literatur<br />

1. Vorbemerkung und Übersicht<br />

Der überwiegende Teil <strong>der</strong> Lehre erachtet – unter Berufung auf den<br />

Text des ZGB – <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck als unzulässig, weil<br />

die Regeln des ZGB etwa h<strong>in</strong>sichtlich des Gläubigerschutzes als ungenügend<br />

angesehen werden. 129 Personenvere<strong>in</strong>igungen, die e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />

Zweck verfolgen, sollen ausschliesslich <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />

Gesellschaften des OR gegründet werden können. H<strong>in</strong>gegen wird ebenfalls<br />

gestützt auf den Gesetzestext als zulässig erachtet, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

gemäss ZGB e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit entfalten, namentlich e<strong>in</strong><br />

kaufmännisches Unternehmen betreiben. 130 Die nachfolgende Darstellung<br />

<strong>der</strong> Lehrme<strong>in</strong>ungen zu <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Ausrichtung<br />

beschränkt sich daher auf den Aspekt des Zweckes.<br />

Die Frage, wie weitgehend e<strong>in</strong>zelne Autor<strong>in</strong>nen und Autoren <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

mit wirtschaftlichem Zweck als zulässig o<strong>der</strong> als unzulässig erklären,<br />

hängt wesentlich damit zusammen, wie sie den wirtschaftlichen Zweck<br />

def<strong>in</strong>ieren. Bei vielen ist erkennbar, dass sie – wie dies auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> bereits<br />

dargestellten Rechtsprechung geschieht – e<strong>in</strong>e bestimmte, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Realität existierende Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform als zulässig<br />

o<strong>der</strong> als unzulässig ansehen und – gestützt auf diese Wertung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

konkreten Fall – allgeme<strong>in</strong>e Regeln formulieren. Dabei ersche<strong>in</strong>t mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger zufällig, ob das angestrebte Resultat durch e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Def<strong>in</strong>ition des wirtschaftlichen Zweckes o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Frage nach<br />

<strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit e<strong>in</strong>em solchen realisiert wird. Im<br />

Rahmen <strong>der</strong> nachfolgenden Darstellung <strong>der</strong> Lehrme<strong>in</strong>ungen werden daher<br />

zunächst Fallgruppen zusammengestellt, die von den e<strong>in</strong>zelnen Autor<strong>in</strong>nen<br />

und Autoren als zulässig o<strong>der</strong> als unzulässig bezeichnet werden.<br />

131 Erst anschliessend werden die abstrakten Stellungnahmen zur<br />

Zulässigkeit des wirtschaftlichen Zweckes wie<strong>der</strong>gegeben. 132<br />

129<br />

Vgl. S. 4.<br />

130<br />

HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 54 f. ZGB N 54, Bern 1990; ERNST<br />

PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 56 f.; ARTHUR<br />

MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens,<br />

SAG 45 (1973), S. 2. – Vgl. dazu Kapitel VI.<br />

131<br />

Vgl. sogleich nachfolgend.<br />

132<br />

S. 74 ff.<br />

69


2. Fallgruppen<br />

a) Berufs-, Branchen- und Wirtschaftsverbände<br />

Berufs-, Branchen- und Wirtschaftsverbände, auf die sich auch die<br />

meisten Gerichtsentscheide beziehen, s<strong>in</strong>d traditionellerweise diejenigen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, anhand welcher die Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen<br />

Zweckes diskutiert wird. Unter diesem Oberbegriff werden etwa<br />

Verbände von Produzenten und des Handels, Konsumentenverbände,<br />

Arbeitgeber<strong>in</strong>nen- und Arbeitnehmerverbände, Handelskammern, Verkehrsvere<strong>in</strong>e<br />

und sonstige Verbände zur För<strong>der</strong>ung wirtschaftlicher Beziehungen<br />

sowie Berufs- und Standesorganisationen diskutiert. 133 Sie<br />

werden von den meisten Autoren als zulässig erachtet. Meist wird die<br />

Zulässigkeit <strong>der</strong>artiger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> damit begründet, diese Verbände verfolgten<br />

wirtschafts- und sozialpolitische, somit politische Zwecke. 134<br />

Teilweise wird die E<strong>in</strong>schränkung gemacht, Berufs- und Wirtschaftsverbände<br />

<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform seien nur dann zulässig, wenn die vom Verband<br />

erstrebten Vorteile <strong>der</strong> gesamten Berufs- o<strong>der</strong> Wirtschaftsgruppe zukommen<br />

sollen. Es müssen also auch Nichtmitglie<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Tätigkeit<br />

des Vere<strong>in</strong>s profitieren können. 135 RIEMER macht die weitere E<strong>in</strong>schrän-<br />

133 Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 60, Bern 1990.<br />

134 ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 75 ff. und<br />

S. 86 f., will h<strong>in</strong>gegen lediglich Vere<strong>in</strong>igungen zur Berufsbildung o<strong>der</strong> -weiterbildung als<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftspolitischem Zweck zulassen, nicht jedoch Berufsverbände und<br />

Gewerkschaften. Auch RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />

Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 112 ff., bezeichnet die<br />

Argumentation, <strong>der</strong> Zweck von Berufsverbänden sei sozialpolitisch und damit nichtwirtschaftlich,<br />

als unzutreffend. Se<strong>in</strong>er Ansicht nach ergibt sich aus dem Umstand, dass die<br />

meisten Berufsverbände die Mehrheit o<strong>der</strong> gar die Gesamtheit <strong>der</strong> Angehörigen e<strong>in</strong>es Berufsstandes<br />

umfassen, die Tatsache, dass für die „För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Interessen<br />

e<strong>in</strong>es ganzen Berufsstandes“ neben dem eigentlichen Zweck des Verbandes kaum noch<br />

Platz sei. GRAFFENRIED ist <strong>der</strong> Ansicht, dass die mittelbare För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Stellung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> letzten Endes immer das Hauptmotiv sei, selbst wenn man<br />

mit dem Bundesgericht davon ausgehe, Berufsverbände bezweckten auch die Schaffung<br />

e<strong>in</strong>es Berufsethos, Erfahrungsaustausch, Geselligkeit, berufliche Bildung und an<strong>der</strong>e ähnliche<br />

Ziele. GRAFFENRIED bejaht dennoch die Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform, weil se<strong>in</strong>er<br />

Ansicht nach die Mitglie<strong>der</strong> von Wirtschafts- und Berufsverbänden immer nur mittelbar<br />

wirtschaftliche Vorteile erlangen und ke<strong>in</strong>e wirtschaftlichen Güter vom Vere<strong>in</strong> auf die<br />

Mitglie<strong>der</strong> übergehen. Vgl. dazu unten S. 74 ff.<br />

135 HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 10, Basel 1996, mit H<strong>in</strong>weis auf<br />

BGE 48 II 146 ff., 153 (Arbeiterunion Zürich, 1922); ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

Basel 1967, S. 527; A. EGGER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 10 f., Zürich 1930.<br />

70


kung, dass die Verbände ke<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n an die Mitglie<strong>der</strong> verteilen dürfen.<br />

136<br />

b) Kartelle<br />

H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Zulässigkeit von Kartellen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform ist die<br />

Lehre zurückhalten<strong>der</strong>. Vor allem ältere Autoren lehnen Kartelle <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform<br />

ab 137 . Auch nach Ansicht RIEMERS verfolgen Kartelle – im Gegensatz<br />

zu Berufs- und Wirtschaftsverbänden – e<strong>in</strong>deutig e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />

und nicht bloss e<strong>in</strong>en wirtschaftspolitischen Zweck.<br />

RIEMER lehnt an sich die Zulässigkeit von Kartellen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform ab,<br />

sche<strong>in</strong>t aber die Praxis des Bundesgerichts aus Gründen <strong>der</strong> Rechtssicherheit<br />

anzuerkennen. 138<br />

c) Sportvere<strong>in</strong>e<br />

Sportvere<strong>in</strong>e werden traditionellerweise als Musterbeispiel für gesellige<br />

und an<strong>der</strong>e nichtwirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> angeführt, die <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er<br />

Weise wirtschaftliche Zwecke verfolgen. 139 In neuerer Zeit wird jedoch<br />

vere<strong>in</strong>zelt die vergleichsweise ketzerische Frage gestellt, ob dies tatsächlich<br />

noch zutreffe, und es werden gelegentlich Zweifel daran geäussert,<br />

ob zum<strong>in</strong>dest <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> des Berufssports noch ideale Zwecke verfolgen. 140<br />

136 HANS MICHAEL RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 610; DERS., Kommentar<br />

zu Art. 60 ZGB N 61, Bern 1990. RIEMER schliesst sich ausserdem <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichts an, wonach Wirtschafts- und Berufsverbände ke<strong>in</strong> kaufmännisches<br />

Gewerbe betreiben dürfen.<br />

137 A. EGGER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 4 ff., Zürich 1930; ERNST PESTALOZZI, Der<br />

Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 86 f.<br />

138 HANS MICHAEL RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 611; DERS., Kommentar<br />

zu Art. 60 ZGB N 70, Bern 1990, mit H<strong>in</strong>weisen auf weitere Literatur <strong>in</strong> N 69.<br />

139 Für A. EGGER, a.a.O. N 7, dienen Sportvere<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Gesundheitspflege.<br />

140 Vgl. die H<strong>in</strong>weise bei HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 33 lit. l,<br />

Bern 1990. – Gemäss SCHERRER-BIRCHER ist h<strong>in</strong>gegen evident, dass auch Sportvere<strong>in</strong>e,<br />

die Professionalsport betreiben, e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen Zweck verfolgen. Solche<br />

Sportvere<strong>in</strong>e verfolgen ihrer Ansicht nach nicht primär die För<strong>der</strong>ung geldwerter Interessen<br />

ihrer Mitglie<strong>der</strong>, da die Berufssportler oft nicht Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s seien. Der<br />

Zweck sei vielmehr die Verfolgung sportlicher Ziele bzw. die Erhaltung und För<strong>der</strong>ung<br />

des Fussballsportes auf höchster Ebene. Die e<strong>in</strong>genommenen f<strong>in</strong>anziellen Mittel (auch<br />

solche aus Spielerhandel) würden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zur Erreichung dieses Vere<strong>in</strong>szweckes e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Vgl. DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e,<br />

Diss. Zürich 1994, S. 27 f. Für URS SCHERRER, Rechtsfragen des organisierten Sportlebens<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich 1982, S. 67, steht fest, dass sich Grosssportvere<strong>in</strong>e und<br />

–verbände (trotz grundsätzlich nichtwirtschaftlichem Zweck) als Aktiengesellschaften<br />

konstituieren sollten.<br />

71


Die meisten Autor<strong>in</strong>nen und Autoren stellen sich jedoch auf den Standpunkt,<br />

dass die kommerzielle Komponente bei Sportvere<strong>in</strong>en, die sich<br />

etwa <strong>in</strong> regelmässigen Umsätzen durch die Erhebung von E<strong>in</strong>trittsgel<strong>der</strong>n,<br />

durch E<strong>in</strong>- und Verkäufe von Spielern 141 o<strong>der</strong> im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Vermarktung von Sportübertragungsrechten 142 manifestiert, eher<br />

die Frage des Vorliegens e<strong>in</strong>es (zulässigen) kaufmännischen Unternehmens<br />

betreffe, als die Frage nach dem Zweck. 143 Tatsache ist jedoch,<br />

dass sich die Sportvere<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Sparten zu eigentlichen Wirtschaftsunternehmen<br />

mit teilweise Millionenumsätzen entwickelt haben.<br />

144 Im deutschen Kartellrecht werden Sportler als „Unternehmer“<br />

qualifiziert. 145<br />

141 Vgl. zur Grössenordnung solcher Verkäufe URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld<br />

von Spiel und Wirtschaft, SJZ 94 (1998), S. 291: Anlässlich des Übertritts des Brasilianers<br />

Ronaldo vom FC Barcelona zu Inter Mailand bezahlte Inter Mailand e<strong>in</strong>en Kaufpreis<br />

von rund CHF 40 Mio. zuzüglich e<strong>in</strong>er Transferentschädigung von CHF 2.5 Mio.<br />

142 Zahlen im Zusammenhang mit Übertragungsrechten f<strong>in</strong>den sich bei URS SCHERRER,<br />

a.a.O., S. 292: Für die Übertragungsrechte <strong>der</strong> Fussballweltmeisterschaften 2002 und 2006<br />

wurden CHF 2.8 Milliarden bezahlt, die Champions-Leage <strong>der</strong> Europäischen Fussballunion<br />

UEFA (Vere<strong>in</strong> nach schweizerischem Recht mit Sitz <strong>in</strong> Nyon) br<strong>in</strong>gt jährliche Bruttoe<strong>in</strong>nahmen<br />

von CHF 300 Mio.<br />

143 HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 13 f., Basel 1996; HANS MICHAEL<br />

RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 612; DOROTHE SCHERRER-BIRCHER,<br />

<strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 29; MARGARETA BAD-<br />

DELEY, L’association sportive face au droit, Diss. Genf, Basel 1994, S. 40 und 53; ANTON<br />

HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 21; URS SCHERRER, Rechtsfragen<br />

des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich 1982, S. 47 f. und S. 50 ff. Vgl.<br />

auch CHRISTOPH FUCHS, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich 1999, S. 86, <strong>der</strong><br />

immerh<strong>in</strong> zugesteht, dass denkbar sei, dass <strong>in</strong> gewissen „Sportverei-<br />

nen“ e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Zweckverfolgung im Vor<strong>der</strong>grund steht. – Po<strong>in</strong>tiert dagegen<br />

BGE 97 I 488: „Die Nationalliga ist ke<strong>in</strong> Wirtschafts-, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Sportverband...“.<br />

144 DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, a.a.O., S. 2: Die 36 <strong>Schweiz</strong>er Fussball-Nationalvere<strong>in</strong>e<br />

haben im Zeitraum 1990/92 jährlich etwa CHF 70 bis 80 Mio. umgesetzt. Für den<br />

Fussballclub Grasshopper Zürich wurde für das Jahr 1990 mit e<strong>in</strong>em Budget von<br />

CHF 8 Mio. gerechnet, für den Fussballclub Zürich mit e<strong>in</strong>em solchen von CHF 4 Mio.<br />

Handballvere<strong>in</strong>e weisen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Budgets von CHF 1 bis 1.5 Mio. auf (CHRISTIAN<br />

MODL, Wie Sportklubs wirtschaftlich leistungsfähig zu erhalten s<strong>in</strong>d, NZZ vom<br />

27.07.2000, S. 45). Weitere Zahlen f<strong>in</strong>den sich bei MARGARETA BADDELEY, a.a.O., S. 43<br />

FN 110 und S. 44 FN 114. – Interessant ist, dass zum Beispiel <strong>der</strong> FC Zürich im Jahr<br />

1971 e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft zur Ausglie<strong>der</strong>ung se<strong>in</strong>es Geschäftsbereichs gegründet hat.<br />

Die Betriebsgesellschaft FCZ AG bezweckt unter an<strong>der</strong>em die Organisation und Durchführung<br />

von Fussballveranstaltungen und die Bereitstellung von Spielerkont<strong>in</strong>genten. Hierzu<br />

führt SCHERRER-BIRCHER aus, es sei rechtswidrig, wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> durch e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft<br />

als Organgesellschaft wirtschaftliche Zwecke verfolge, die dem Vere<strong>in</strong> selber<br />

verwehrt s<strong>in</strong>d. Die Verb<strong>in</strong>dung zwischen dem FC Zürich und <strong>der</strong> Betriebsgesellschaft FCZ<br />

AG sei jedoch rechtmässig, weil sich aus dem Inhalt des Zusammenarbeitsvertrages<br />

72


d) Automobilclub <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (ACS), Tour<strong>in</strong>g Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> (TCS)<br />

GUTZWILLER ist <strong>der</strong> Ansicht, sogenannte „Mammutvere<strong>in</strong>e“ wie <strong>der</strong><br />

Automobilclub <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Tour<strong>in</strong>g Club <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> verfolgten<br />

„zweifellos ideale“ Zwecke, wenn sie unter an<strong>der</strong>em die För<strong>der</strong>ung des<br />

Automobilwesens, die Wahrung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Interessen im Zusammenhang<br />

mit dem Automobilismus, die Verschaffung von Vorteilen<br />

<strong>in</strong> Bezug auf Versicherungen o<strong>der</strong> die Entwicklung und För<strong>der</strong>ung des<br />

Tourismus bezwecken. 146<br />

ergebe, dass sich die Aktiengesellschaft <strong>in</strong> den Dienst des Vere<strong>in</strong>s stelle und diesen bei<br />

se<strong>in</strong>er idealen Zweckverfolgung unterstützen wolle. Vgl. dazu a.a.O. S. 68 ff. Als weiteres<br />

Beispiel sei auf die Grasshopper Fussball AG, die Grasshopper Fussball Betriebs AG und die<br />

Grasshopper Fussball Services AG verwiesen. Die Mehrheit <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er Fussballnationalliga-<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wehrt sich jedoch seit Jahren gegen e<strong>in</strong>e Regelung, dass <strong>der</strong> Nationalliga<br />

nur noch Aktiengesellschaften angehören dürfen (URS SCHERRER, Abwendung des<br />

„worst case“ im Fussball, NZZ vom 27.07.2000, S. 45). Demgegenüber wurde die Eishockey-Nationalliga<br />

grundlegend neu organisiert: Ab <strong>der</strong> Saison 2000/2001 ist für die<br />

Clubs <strong>der</strong> Nationalliga zw<strong>in</strong>gend die Rechtsform <strong>der</strong> Aktiengesellschaft vorgeschrieben.<br />

Die Nationalliga selbst ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert (FRANZ<br />

A. ZÖLCH, Verstärkte Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong> Klubs, NZZ vom 27.07.2000, S. 45). –<br />

URS SCHERRER äusserte sich im Jahr 1988 wie folgt: „Von Jahr zu Jahr nimmt <strong>der</strong> Sport<br />

gigantischere Formen an. Die totale Verkommerzialisierung sche<strong>in</strong>t nicht mehr aufhaltbar<br />

zu se<strong>in</strong>. Der mo<strong>der</strong>ne Sport bietet nicht nur Spitzensportlern e<strong>in</strong>e Existenzgrundlage.<br />

Sponsoren und Mäzene tragen überdies dazu bei, dass Sport und Wirtschaft immer enger<br />

verknüpft werden.“ Im Jahr 1998 nahm er auf diese Ausführungen Bezug: „Wie sich <strong>der</strong><br />

Sport im letzten Jahrzehnt entwickelt hat, übertraf allerd<strong>in</strong>gs sämtliche Vorstellungen.“<br />

(URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld von Spiel und Wirtschaft, SJZ 94 [1998],<br />

S. 289). SCHERRER scheut sich auch nicht, von „Sportbus<strong>in</strong>ess“ zu sprechen und vergleicht<br />

dieses mit dem „übrigen Wirtschaftsleben“ (URS SCHERRER, Beson<strong>der</strong>heit Sportbus<strong>in</strong>ess,<br />

NZZ vom 27.07.2000, S. 45). Zum E<strong>in</strong>fluss des Wirtschaftslebens auf Sportvere<strong>in</strong>e<br />

vgl. auch DERS., Rechtsfragen des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss.<br />

Zürich 1982, S. 43 ff. – Selbstverständlich gibt es daneben auch noch kle<strong>in</strong>e Sportvere<strong>in</strong>e,<br />

die sich dem Amateursport widmen, und den Vorstellungen des Gesetzgebers des ZGB<br />

noch entsprechen. Auf solche Sportvere<strong>in</strong>e wird etwa <strong>in</strong> Art. 25 Abs. 1 MWSTG Bezug<br />

genommen.<br />

145<br />

Vgl. den diesbezüglichen H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>en Entscheid des Oberlandesgerichts Frankfurt<br />

bei URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld von Spiel und Wirtschaft,<br />

SJZ 94 (1998), S. 290, FN 11.<br />

146<br />

MAX GUTZWILLER, Zum Problem bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsperson, ZSR 84 I (1965),<br />

S. 234 ff.<br />

73


3. Bestimmung des massgeblichen Zwecks und E<strong>in</strong>ordnung<br />

als wirtschaftlich o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlich<br />

a) E<strong>in</strong>leitung<br />

Die theoretische Abgrenzung zwischen wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem<br />

Zweck von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wird nach Ansicht RIEMERS weitgehend<br />

e<strong>in</strong>heitlich vorgenommen. 147 Die nachfolgende Darstellung wird<br />

zeigen, ob dies tatsächlich zutrifft. Im Zusammenhang mit den Ausführungen<br />

zur Rechtsprechung betreffend <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung<br />

wurde aufgezeigt, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung nie e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />

Def<strong>in</strong>ition des wirtschaftlichen Zwecks herausgearbeitet worden<br />

ist. 148 Daher ist von Interesse, ob es <strong>der</strong> Lehre gelungen ist, den massgeblichen<br />

Zweck klar zu bestimmen und diesen namentlich von den<br />

Mitteln abzugrenzen. 149 Ebenfalls von Interesse ist, wie die Lehre mit<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n umgeht, die e<strong>in</strong>e Mehrzahl von Zwecken verfolgen. 150 Wie <strong>der</strong><br />

Begriff „wirtschaftlich“ im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Zweckverfolgung<br />

def<strong>in</strong>iert wird, wird auf S. 76 ff. behandelt.<br />

b) Mehrdeutigkeit des Ausdrucks „Zweck“<br />

Der Begriff „Zweck“ wird im Gesetz nicht def<strong>in</strong>iert. Die Lehre erkennt<br />

dem Ausdruck verschiedene Bedeutungen zu, um die Bestimmungen<br />

des ZGB auslegen zu können. 151 In <strong>der</strong> heutigen schweizerischen<br />

Lehre dürfte die Unterscheidung RIEMERS – zum<strong>in</strong>dest vom Ergebnis<br />

her – für das Vere<strong>in</strong>srecht allgeme<strong>in</strong> anerkannt se<strong>in</strong>. Danach können<br />

drei verschiedene Bedeutungen des Ausdrucks „Zweck“ unterschieden<br />

werden:<br />

(i) „Zweck“ als unmittelbare Tätigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s (teilweise als<br />

„Mittel“ bezeichnet);<br />

147<br />

Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 47, Bern 1990, mit H<strong>in</strong>weisen.<br />

148<br />

Vgl. S. 63.<br />

149<br />

Sogleich nachfolgend.<br />

150<br />

S. 83.<br />

151<br />

Vgl. zum Begriff des Zwecks ausführlich FELIX KLAUS, Der Schutz des Vere<strong>in</strong>szwecks,<br />

Diss. Freiburg, Zürich 1977, S. 106 ff.; ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen<br />

Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 33 ff. – Vgl. auch WALTER BEYELER, Der Korporationszweck,<br />

Diss. Basel 1942, S. 21 ff. und ANDREAS KELLER, Die Ausschliessung aus dem<br />

Vere<strong>in</strong>, Diss. Freiburg, Zürich 1979, S. 93 ff.<br />

74


(ii) „Zweck“ als mittelbare Aufgabe und mittelbares „höheres“ Ziel<br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s und<br />

(iii) „Zweck“ als Endziel e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s vom wirtschaftlichen Standpunkt<br />

aus betrachtet. 152<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER 153 kommen zum selben Ergebnis, <strong>in</strong>dem<br />

sie unterscheiden zwischen dem Endzweck e<strong>in</strong>es Verbandes (im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Bedeutung iii, verstanden als die Auswirkungen zugunsten <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong>) und dem unmittelbaren Zweck (im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Bedeutung<br />

i, verstanden als <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>same Zweck, welcher von den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

verfolgt wird). 154<br />

Unter „Zweck“ i.S.v. Art. 59 Abs. 2 ZGB wird allgeme<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweck<br />

i.S.d. Bedeutung iii, <strong>der</strong> Endzweck, verstanden. Dieser soll massgebend<br />

dafür se<strong>in</strong>, ob e<strong>in</strong> Verband als Vere<strong>in</strong> gemäss ZGB konstituiert werden<br />

kann, o<strong>der</strong> ob er unter die Bestimmungen des OR fallen muss. 155 Entsprechend<br />

wird unter „Aufgabe“ i.S.v. Art. 60 Abs. 1 ZGB ebenfalls <strong>der</strong><br />

Zweck i.S.d. Bedeutung iii verstanden. 156 Die Aufzählung von Art. 60<br />

Abs. 1 ZGB soll Beispiele für nichtwirtschaftliche Zwecke geben, wobei<br />

die Aufzählung aus Zweckumschreibungen i.S.d. Bedeutung ii zusammengestellt<br />

ist. 157 Schliesslich verstehen HEINI und HEINI / SCHERRER<br />

152 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 37, Bern 1990, mit weiteren<br />

H<strong>in</strong>weisen. Vgl. zur Illustration die Beispiele <strong>in</strong> FN 154.<br />

153 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 4 N 7. Gleicher Ansicht bereits ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947, S. 37 ff. und ERNST PESTALOZZI, Der<br />

Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 56.<br />

154 Als Beispiel für den Zweck i.S.d. Bedeutung i nach RIEMER wird angeführt, dass e<strong>in</strong><br />

Vere<strong>in</strong> Kurse und Vorträge organisiert, welche als Zweck i.S.d. Bedeutung ii <strong>der</strong> beruflichen<br />

und wissenschaftlichen Weiterbildung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> dienen sollen, damit <strong>der</strong> Zweck<br />

i.S.d. Bedeutung iii erreicht werden kann, nämlich die Erzielung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen<br />

o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlichen Vorteils zugunsten <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Dritter (HANS MICHAEL<br />

RIEMER, a.a.O. N 37). Als geme<strong>in</strong>samer Zweck nach MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER kann<br />

etwa die Herstellung e<strong>in</strong>es bestimmten Produktes vere<strong>in</strong>bart se<strong>in</strong>. Durch die Herstellung<br />

dieses Produktes wird <strong>der</strong> Endzweck angestrebt, welcher zum Beispiel <strong>in</strong> materiellen<br />

Vorteilen für die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> besteht (MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O.,<br />

§ 4 N 7).<br />

155 Vgl. etwa HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 38, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />

156 Vgl. bereits GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />

Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 153: Massgeblich ist nur das Ergebnis, welches<br />

die Mitglie<strong>der</strong> für sich aus <strong>der</strong> Körperschaftstätigkeit erwarten. Was vor diesem Ergebnis<br />

liegt, ist Mittel und kann auch beim Vere<strong>in</strong> wirtschaftlicher Natur se<strong>in</strong>.<br />

157 HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 38. – RIEMER erklärt so den Umstand, dass bei<br />

Zwecken, wie sie <strong>in</strong> Art. 60 Abs. 1 ZGB aufgezählt werden, regelmässig, aber nicht notwendigerweise<br />

e<strong>in</strong> nichtwirtschaftliches Endziel verfolgt wird.<br />

75


unter dem „Zweck“ gemäss Art. 60 Abs. 2 ZGB die <strong>in</strong>haltliche Konkretisierung<br />

des Zwecks im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> „Aufgabe“ gemäss Abs. 1, also den<br />

Gegenstand o<strong>der</strong> das Sachgebiet, auf welchem <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> tätig ist. 158<br />

SPECKER und PESTALOZZI führen e<strong>in</strong>en weiteren Begriff e<strong>in</strong>: das<br />

„Motiv“. Darunter verstehen sie den Beweggrund, aus welchem die Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Personenvere<strong>in</strong>igung beitreten und ihr angehören. Das Motiv<br />

sei e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> subjektives Moment, welches ke<strong>in</strong>en Ausdruck <strong>in</strong> den Statuten<br />

f<strong>in</strong>det und von Mitglied zu Mitglied verschieden se<strong>in</strong> kann. 159 NIGG<br />

sche<strong>in</strong>t für die Bestimmung des Zweckes eher auf diese Motive abzustellen.<br />

Für ihn ist <strong>der</strong> Zweck des Vere<strong>in</strong>s das Interesse, welches die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Mitglie<strong>der</strong> verb<strong>in</strong>det, und auf welches die Vere<strong>in</strong>stätigkeit ausgerichtet<br />

ist. 160<br />

c) Def<strong>in</strong>itionen für den wirtschaftlichen Zweck<br />

Zur Frage, wann <strong>der</strong> massgebliche Zweck e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlich<br />

ist, f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehre e<strong>in</strong>e Vielzahl von Def<strong>in</strong>itionen.<br />

Für GRAFFENRIED setzt <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck Transaktionen<br />

zwischen dem Vere<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n voraus. E<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />

Zweck liege dann vor, wenn unter bestimmten Voraussetzungen<br />

wirtschaftliche Güter vom Verband auf das Mitglied übertragen werden,<br />

wenn die Mitglie<strong>der</strong> unmittelbar vom Verband materielle Werte erhalten.<br />

Dabei soll nicht entscheidend se<strong>in</strong>, ob mit den materiellen Werten auch<br />

e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Vorteil für das Mitglied verbunden ist. Der objektive<br />

Übergang e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Gutes von <strong>der</strong> Körperschaft auf das Mitglied soll<br />

für den wirtschaftlichen Zweck genügen. Beim wirtschaftlichen Gut<br />

kann es sich dabei nach GRAFFENRIED sowohl um Gew<strong>in</strong>ne als auch<br />

um genossenschaftliche Werte handeln. Die wirtschaftlichen Güter können<br />

nach GRAFFENRIED die Form von Geld o<strong>der</strong> irgendwelchen an<strong>der</strong>en<br />

wirtschaftlichen Leistungen haben. 161 Dabei sei unerheblich, ob das<br />

158 ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 523; HEINI / SCHERRER, Kommentar<br />

zu Art. 60 ZGB N 1 ff., Basel 1996.<br />

159 CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />

Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 44; ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des<br />

idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 33 ff.<br />

160 THOMAS NIGG, Liechtenste<strong>in</strong>isches und schweizerisches Vere<strong>in</strong>srecht im Vergleich,<br />

Diss. Zürich, Vaduz 1996, S. 104, mit H<strong>in</strong>weis auf STÖBER.<br />

161 Als Beispiele nennt GRAFFENRIED die Übertragung des Eigentums an e<strong>in</strong>er Geldsumme<br />

vom Verband auf das Mitglied, die Verpflichtung des Verbandes gegenüber e<strong>in</strong>em<br />

Gläubiger des Mitglieds für die Erfüllung von Schulden e<strong>in</strong>zustehen und die Übernahme<br />

und Tragung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Risikos im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Versicherung. Ke<strong>in</strong> materieller<br />

76


Recht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> auf materielle Werte von vornhere<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Statuten<br />

verankert ist, o<strong>der</strong> ob <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er tatsächlichen<br />

Übertragung materieller Werte von <strong>der</strong> Körperschaft auf die<br />

Mitglie<strong>der</strong> zum Ausdruck kommt. 162<br />

Für die übrigen Autoren sche<strong>in</strong>t nicht erfor<strong>der</strong>lich, dass Transaktionen<br />

zwischen dem Verband und se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n stattf<strong>in</strong>den. HEINI<br />

hält vielmehr ausdrücklich fest, die Verfolgung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen<br />

Zwecks sei nicht bloss dann anzunehmen, wenn zwischen Mitglied und<br />

Verband e<strong>in</strong> Leistungsaustausch stattf<strong>in</strong>det. Es komme auch nicht darauf<br />

an, ob <strong>der</strong> Verband den materiellen Vorteil dem Mitglied unmittelbar<br />

o<strong>der</strong> lediglich mittelbar verschafft. Sobald e<strong>in</strong>e Verbandsperson<br />

Zwecke verfolgt, welche die wirtschaftliche Stellung des Mitgliedes <strong>in</strong> bestimmter<br />

Weise tangieren 163 o<strong>der</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommens- bzw. Gew<strong>in</strong>nmaximierung<br />

dienen, liege e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck vor. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die ökonomische<br />

Stellung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> konkreter Weise sei etwa bei den<br />

<strong>in</strong> Geldwerte übersetzbaren Ansprüche von Aktionären o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung bzw. Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Genossenschaft gegeben. Die Frage nach <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Aufgabe ist nach HEINI für jeden Fall aufgrund e<strong>in</strong>er Interessenanalyse<br />

zu entscheiden: Wo immer die Mitglie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Tätigkeit<br />

<strong>der</strong> Verbandsperson e<strong>in</strong> konkretes ökonomisches Interesse haben,<br />

bedürfen sie <strong>der</strong> Schutzvorschriften des OR. 164<br />

SIEGWART spricht dann von e<strong>in</strong>em wirtschaftlichem Zweck, wenn e<strong>in</strong><br />

Vere<strong>in</strong> ökonomische Interessen se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> för<strong>der</strong>n will. 165<br />

MEIER-HAYOZ stellt allgeme<strong>in</strong> auf die Erzielung wirtschaftlicher Vorteile<br />

für die Mitglie<strong>der</strong> ab. 166 Für BEYELER ist entscheidend, dass <strong>der</strong> Zusammenschluss<br />

von Personen unmittelbar auf wirtschaftliche Tätigkeit und wirtschaftlichen<br />

Erfolg gerichtet ist. 167 NIGG stellt darauf ab, ob den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

Wert sei h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong> Anspruch des Mitglieds an e<strong>in</strong>em von ihm e<strong>in</strong>bezahlten Kapitalanteil.<br />

162<br />

RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />

Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 75.<br />

163<br />

In <strong>der</strong> Term<strong>in</strong>ologie HEINIS: „an se<strong>in</strong> Portemonnaie rühren“.<br />

164<br />

ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–<br />

1964, ZSR 83 I (1964), S. 442 ff.<br />

165<br />

ALFRED SIEGWART, Die Freiheit bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsform und bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />

ihres Inhaltes, Freiburg 1943, S. 188. Gleicher Ansicht URS SCHERRER, Rechtsfragen<br />

des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich 1982, S. 28 ff.<br />

166<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 4 N 1 f.<br />

167<br />

WALTER BEYELER, Der Korporationszweck, Diss. Basel 1942, S. 53.<br />

77


von Seiten des Vere<strong>in</strong>s e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Vorteil <strong>in</strong> Geld o<strong>der</strong> <strong>in</strong> natura<br />

(Güter, Dienstleistungen) zukommen soll. 168<br />

Für MEILE s<strong>in</strong>d die materiellen Bedürfnisse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> entscheidend.<br />

Wenn die Mitglie<strong>der</strong> bloss geistige o<strong>der</strong> altruistische Bedürfnisse<br />

durch den Vere<strong>in</strong> befriedigt haben wollen, so liegt e<strong>in</strong> idealer, nichtwirtschaftlicher<br />

Zweck vor. Wenn h<strong>in</strong>gegen materielle Bedürfnisse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

befriedigt werden sollen, so ist <strong>der</strong> Zweck wirtschaftlich. MEILE lehnt es<br />

ab, den Begriff „wirtschaftlich“ als „erwerbswirtschaftlich“ <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne<br />

zu verstehen, dass nur die Erwerbstätigkeit e<strong>in</strong>es Verbandes o<strong>der</strong> die<br />

re<strong>in</strong> ökonomische Unterstützung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> zur wirtschaftlichen<br />

Natur führen. 169 Nach Ansicht MEILES soll zur Unterscheidung auf die<br />

natürlichen Verhältnisse des Lebens und die Anfor<strong>der</strong>ungen des Verkehrs<br />

abgestellt werden: Organisationen, <strong>der</strong>en Interessen nach dem natürlichen<br />

menschlichen Empf<strong>in</strong>den dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft angehören,<br />

können sich nicht als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.d. ZGB konstituieren. 170<br />

PREISWERK def<strong>in</strong>iert Verbände mit wirtschaftlichen Zweck so, dass<br />

<strong>der</strong> Zweck auf den Erwerb gerichtet ist, o<strong>der</strong> dass den Mitglie<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Teil <strong>der</strong>selben direkte f<strong>in</strong>anzielle Vorteile verschafft werden. E<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />

Zweck liege namentlich dann vor, wenn e<strong>in</strong> Verband durch e<strong>in</strong>e<br />

Erwerbstätigkeit im Wirtschaftsleben e<strong>in</strong>e aktive Rolle spielt, Geschäfte<br />

betreibt, Verträge abschliesst, Risiken e<strong>in</strong>geht und Kredit beansprucht. 171<br />

Die Def<strong>in</strong>itionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> neueren Lehre von RIEMER, HEINI, HEINI /<br />

SCHERRER, WEBER, MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER und PEDRAZZINI /<br />

OBERHOLZER stellen darauf ab, dass e<strong>in</strong>e Gesellschaft e<strong>in</strong>en ökonomischen<br />

Vorteil, das heisst e<strong>in</strong>en geldwerten Nutzen zugunsten ihrer Mitglie<strong>der</strong><br />

erstrebt. <strong>Wirtschaftliche</strong> Personenverb<strong>in</strong>dungen dienen demnach <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Besserstellung, wobei <strong>der</strong> geldwerte Vorteil letztlich den<br />

Mitglie<strong>der</strong>n zukommt. 172<br />

168 THOMAS NIGG, Liechtenste<strong>in</strong>isches und schweizerisches Vere<strong>in</strong>srecht im Vergleich,<br />

Diss. Zürich, Vaduz 1996, S. 105, unter Berufung auf die gemäss RIEMER weitgehend e<strong>in</strong>heitliche<br />

und unbestrittene schweizerische Lehre.<br />

169 ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke,<br />

Diss. Bern 1947, S. 41 ff.<br />

170 ADRIAN MEILE, a.a.O., S. 46 ff., mit Verweis auf Hermogenian: „hom<strong>in</strong>um causa<br />

omne ius constitutum est“.<br />

171 W. PREISWERK, Zur gesellschaftsrechtlichen Organisation von Wirtschaftsverbänden,<br />

SAG 118 (1945/46), S. 64 f.<br />

172 HANS MICHAEL RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 607; DERS., Kommentar<br />

zu Art. 60 ZGB N 47, Bern 1990; DERS., Kommentar zu Art. 52-59, ST N 79,<br />

Bern 1993; ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 523; DERS., Das schweizerische<br />

Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 12 ff.; HEINI / SCHERRER, Kommentar zu<br />

78


Gemäss zwei älteren Lehrme<strong>in</strong>ungen ist nicht entscheidend, dass die<br />

Mitglie<strong>der</strong> wirtschaftliche Vorteile erhalten. E<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck<br />

soll bereits dann vorliegen, wenn dem Verband selbst o<strong>der</strong> Dritten wirtschaftliche<br />

Vorteile zugute kommen: Für SPECKER ist e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck<br />

das Streben nach f<strong>in</strong>anziellen, ökonomischen o<strong>der</strong> geldwerten Vorteilen.<br />

Auffälligste Form des wirtschaftlichen Zwecks sei die Gew<strong>in</strong>nverteilung.<br />

E<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck liege aber auch dann vor, wenn e<strong>in</strong> beabsichtigter<br />

Überschuss nicht den Mitglie<strong>der</strong>n son<strong>der</strong>n dem Verband selbst<br />

o<strong>der</strong> Dritten zufliessen soll, sofern <strong>in</strong> diesem Fall die Gew<strong>in</strong>nverteilung<br />

nicht e<strong>in</strong> Mittel zur Erreichung e<strong>in</strong>es idealen Zwecks ist. Auch die Absicht<br />

<strong>der</strong> unmittelbaren wirtschaftlichen För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> stellt<br />

e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck dar. Unter den wirtschaftlichen Zweck<br />

fällt nach SPECKER nicht nur die positive För<strong>der</strong>ung, das heisst e<strong>in</strong>e<br />

Vermögensvermehrung, son<strong>der</strong>n auch die bloss negative Sicherung, das<br />

heisst die Vermeidung von Vermögensverlust. 173 Nach MANTEL darf<br />

e<strong>in</strong>e durch e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Betätigung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s erzielte Vermehrung<br />

des Vere<strong>in</strong>svermögens nicht zum Zweck haben, dem Vere<strong>in</strong><br />

o<strong>der</strong> dessen Mitglie<strong>der</strong>n irgendwelche wirtschaftlichen Vorteile zu ver-<br />

schaffen.<br />

174 175<br />

Aus dem Kommentar von SCHMID zu Art. 46 SchKG ergibt sich<br />

schliesslich, dass dieser Autor den wirtschaftlichen Zweck e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s<br />

mit dem Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Gewerbes gleichsetzt. 176<br />

d) Def<strong>in</strong>itionen für den nichtwirtschaftlichen Zweck<br />

Der nichtwirtschaftliche Zweck wird meist negativ def<strong>in</strong>iert, als Gegensatz<br />

zur Umschreibung des wirtschaftlichen Zwecks. 177<br />

Art. 60 ZGB N 5, Basel 1996; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung<br />

e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 2; MEIER-HAYOZ /<br />

FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 4 N 5; ROLF H.<br />

WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 61. Gleicher Ansicht CLAIRE<br />

HUGUENIN JACOBS, Kommentar zu Art. 59 ZGB N 18, Basel 1996; PEDRAZZINI /<br />

OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Auflage Bern 1993, 9.1.2.<br />

173<br />

CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />

Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 46 ff.<br />

174<br />

HANS-JÜRG MANTEL, Die vere<strong>in</strong>srechtlichen Momente im neuen Genossenschaftsrecht,<br />

Diss. Bern 1948, S. 29.<br />

175<br />

Für weitere (ältere) Def<strong>in</strong>itionen vgl. RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und<br />

nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 77 ff.<br />

176<br />

ERNST F. SCHMID, Kommentar zu Art. 46 SchKG N 65, Basel 1998.<br />

177<br />

Oft werden nichtwirtschaftliche Zwecke <strong>in</strong> ideale Zielsetzungen und geme<strong>in</strong>nützige<br />

Zielsetzungen unterteilt (MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 4 N 6; CHRISTIAN<br />

79


Für GRAFFENRIED liegt e<strong>in</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck dann vor,<br />

wenn die Mitglie<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e unmittelbaren materiellen Werte von <strong>der</strong> Körperschaft<br />

erhalten; sie dürfen also bloss immaterielle Werte o<strong>der</strong> lediglich mittelbar<br />

materielle Vorteile erhalten. 178 Gemäss MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER<br />

darf e<strong>in</strong> Verband ke<strong>in</strong>en geldwerten Nutzen zugunsten se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong> anstreben.<br />

179 Für BEYELER muss e<strong>in</strong> Verband mit nichtwirtschaftlichem Zweck<br />

<strong>der</strong> Befriedigung egoistisch-geistiger o<strong>der</strong> altruistischer Bedürfnisse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

dienen. 180 NIGG stellt darauf ab, dass lediglich Nichtmitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />

Vorteil von Seiten des Verbandes zukommen o<strong>der</strong> dass<br />

durch den Verband überhaupt ke<strong>in</strong> wirtschaftlicher Vorteil erzielt werden<br />

soll. 181 Gemäss WEBER darf überhaupt ke<strong>in</strong> ökonomischer Vorteil o<strong>der</strong> lediglich<br />

e<strong>in</strong> Vorteil zugunsten von Nichtmitglie<strong>der</strong>n erzielt werden. 182 Nach<br />

PREISWERK darf <strong>der</strong> Zweck e<strong>in</strong>es Verbandes nicht auf Erwerb gerichtet<br />

se<strong>in</strong>, es dürfen den Mitglie<strong>der</strong>n ke<strong>in</strong>e direkten Vorteile verschafft werden. 183<br />

Nach SPECKER liegt e<strong>in</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck dann vor, wenn die<br />

SPECKER, a.a.O., S. 50 f.; ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit<br />

ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947, S. 48 ff.). Den idealen Zweck def<strong>in</strong>ieren etwa<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER als das Ziel <strong>der</strong> Befriedigung nichtwirtschaftlicher Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> (MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />

8. Auflage Bern 1998, § 4 N 6. – An<strong>der</strong>s RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und<br />

nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 85 ff.: Er<br />

spricht bewusst nicht von idealen Zwecken, weil er den Begriff „ideal“ als Gegensatz zu<br />

„real“ o<strong>der</strong> „materiell“ versteht. Zum nichtwirtschaftlichen Zweck gehören se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung<br />

nach verschiedene Zwecke, welche kaum idealen Charakter <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n haben,<br />

so etwa <strong>der</strong> Zweck von Kartellen. Auch die nichtwirtschaftlichen Zwecke seien <strong>in</strong>sofern<br />

egoistisch, als sie sich immer auf die Befriedigung von Mitglie<strong>der</strong>bedürfnissen beziehen.).<br />

Unter e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>nützigen Zweck wird allgeme<strong>in</strong> die Befriedigung materieller o<strong>der</strong><br />

idealer Bedürfnisse Dritter verstanden (MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 4 N 6.<br />

Gleich auch ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 61, 64; HANS<br />

MICHAEL RIEMER, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, N 607; HEINI / SCHERRER,<br />

Kommentar zu Art. 60 ZGB N 9, Basel 1996; ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel<br />

1967, S. 523; DERS., Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 13; PEDRAZZINI /<br />

OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Auflage Bern 1993, 9.1.2. Dies wurde<br />

gemäss HEINI und MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER <strong>in</strong> BGE 69 I 128 [<strong>Schweiz</strong>erische Vere<strong>in</strong>igung<br />

zur Wahrung <strong>der</strong> Gebirgs<strong>in</strong>teressen, 1943] verkannt. Ebenso <strong>in</strong> BGE 64 I 327 [Genossenschaft<br />

Zürcher Frauenvere<strong>in</strong> für alkoholfreie Wirtschaften].).<br />

178<br />

RENÉ VON GRAFFENRIED, a.a.O., S. 85 ff.<br />

179<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 4 N 6.<br />

180<br />

WALTER BEYELER, Der Korporationszweck, Diss. Basel 1942, S. 51.<br />

181<br />

THOMAS NIGG, Liechtenste<strong>in</strong>isches und schweizerisches Vere<strong>in</strong>srecht im Vergleich,<br />

Diss. Zürich, Vaduz 1996, S. 105 f., mit H<strong>in</strong>weisen.<br />

182<br />

ROLF H. WEBER, a.a.O., S. 61.<br />

183<br />

W. PREISWERK, Zur gesellschaftsrechtlichen Organisation von Wirtschaftsverbänden,<br />

SAG 118 (1945/46), S. 64 f.<br />

80


Verbandsmitglie<strong>der</strong> sich we<strong>der</strong> zusammenschliessen, um e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n<br />

zu erzielen, noch um ihre wirtschaftliche Stellung unmittelbar zu för<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> zu sichern. Wenn sich e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Unterstützung ausschliesslich<br />

auf die Mitglie<strong>der</strong> erstreckt, aber nicht alle Mitglie<strong>der</strong> unterstützt<br />

werden, son<strong>der</strong>n nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Kreis bedürftiger Mitglie<strong>der</strong>, so<br />

ist nach SPECKER zu untersuchen, ob diese Leistungen überwiegend<br />

wohltätiger o<strong>der</strong> überwiegend wirtschaftlicher Natur s<strong>in</strong>d. Nichtwirtschaftlich<br />

sei ausserdem e<strong>in</strong> Zweck, <strong>der</strong> im öffentlichen Interesse liegt. 184<br />

Interessant ist die Def<strong>in</strong>ition von PELLET: Se<strong>in</strong>er Ansicht nach ist e<strong>in</strong><br />

Zweck nichtwirtschaftlich i.S.d. Art. 59 Abs. 2 und 60 Abs. 1 ZGB,<br />

wenn <strong>der</strong> Zweck „n’est ni <strong>in</strong>dustriel ni commercial, c’est-à-dire [...]<br />

n’implique pas habituellement la conclusion de rapports juridiques de nature contractuelle<br />

avec les tiers“. 185<br />

E<strong>in</strong>e differenzierende Betrachtung f<strong>in</strong>det sich bei RIEMER: Ausnahmsweise<br />

kann auch die Erzielung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Vorteils zugunsten<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en idealen Zweck darstellen, wenn etwa die<br />

Mitglie<strong>der</strong> ihrerseits <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e juristische Personen mit idealem<br />

Zweck s<strong>in</strong>d. Entsprechendes gilt nach Ansicht RIEMERS auch für<br />

natürliche Personen als Mitglie<strong>der</strong>, wenn <strong>der</strong> wirtschaftliche Vorteil zwar<br />

ihnen zufliesst, jedoch zugunsten Dritter verwendet werden muss. 186<br />

An<strong>der</strong>erseits kann auch bei Erzielung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Vorteils zugunsten<br />

Dritter ausnahmsweise ke<strong>in</strong> idealer Zweck gegeben se<strong>in</strong>, wenn<br />

dieser Zufluss vollkommen voraussetzungslos, das heisst ohne beson<strong>der</strong>e<br />

Bedürfnissituation <strong>der</strong> Empfänger und alle<strong>in</strong> zur wirtschaftlichen<br />

Bereicherung <strong>der</strong> betreffenden Personen erfolgen soll. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige<br />

Konstellation sei namentlich dann denkbar, wenn diese Personen den<br />

Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n <strong>in</strong> irgend e<strong>in</strong>er Weise nahestehen. 187<br />

Als nichtwirtschaftliche Zwecke werden von verschiedenen Autoren<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Zulässigkeit von Berufsverbänden ausdrücklich die<br />

För<strong>der</strong>ung wirtschaftlicher Interessen e<strong>in</strong>er ganzen Berufs- o<strong>der</strong> Wirtschaftsgruppe,<br />

also auch von Nichtmitglie<strong>der</strong>n, o<strong>der</strong> die Verfolgung von<br />

184<br />

CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />

Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 50 f.<br />

185<br />

MARC-ANDRE PELLET, Le but non économique de l’association, Diss. Lausanne 1964,<br />

S. 246 und 236.<br />

186<br />

HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 49, Bern 1990.<br />

187<br />

HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. Gleicher Ansicht bereits CHRISTIAN SPECKER, a.a.O.,<br />

S. 50 f.<br />

81


im öffentlichen Interesse liegen<strong>der</strong> Ziele bezeichnet. 188 Solche Zwecke<br />

werden oft unter die Kategorie „wirtschaftspolitisch“, das heisst politisch<br />

i.S.v. Art. 60 Abs. 1 ZGB subsumiert. 189<br />

4. Stellungnahmen <strong>der</strong> Lehre zur Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

mit wirtschaftlichem Zweck<br />

a) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck abgelehnt werden<br />

Losgelöst von <strong>der</strong> Beurteilung konkreter Fälle haben sich als Reaktion<br />

auf die Entscheide des Bundesgerichts <strong>in</strong> Sachen Eisen-Verband / M<strong>in</strong>iera<br />

190 und Association suisse des fabricants de cigarettes 191 e<strong>in</strong>ige Autoren dezidiert<br />

gegen die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem<br />

Zweck“ ausgesprochen. Es s<strong>in</strong>d dies vor allem GUTZWILLER 192 , LIVER 193<br />

und F. VON STEIGER 194 . Auch FORSTMOSER bezeichnet die Praxis des<br />

Bundesgerichts als gesetzwidrig. 195<br />

188<br />

ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–<br />

1964, ZSR 83 I (1964), S. 445 f.; CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 52 f.; ADRIAN<br />

MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern<br />

1947, S. 48 ff., mit konkreten Beispielen und Auszügen aus Statuten.<br />

189<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits A. EGGER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 10 f., Zürich<br />

1930.<br />

190<br />

BGE 88 II 209, vgl. dazu S. 47.<br />

191<br />

BGE 90 II 333, vgl. dazu S. 50.<br />

192<br />

MAX GUTZWILLER, Nachwort des Herausgebers zu den Bemerkungen zur schweizerischen<br />

Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–1964, ZSR 83 I (1964), S. 453 ff.; DERS., SPR II,<br />

Verbandspersonen, Grundsätzliches, Basel., 1967, S. 461 ff.; DERS., Zum Problem bei <strong>der</strong><br />

Wahl <strong>der</strong> Verbandsperson, ZSR 84 I (1965), S. 223 ff.; DERS., Gedanken zur Typologie<br />

des Gesellschaftsrechts, SJZ 67 (1971), S. 137.<br />

193<br />

PETER LIVER, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1964,<br />

ZBJV 101 (1965), S. 365 ff. Se<strong>in</strong>er Ansicht nach ist <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em „Sammelschacht<br />

für die Abflüsse aus dem Gesellschaftsrecht“ geworden.<br />

194<br />

F. VON STEIGER, Ke<strong>in</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mehr zu wirtschaftlichen Zwecken, SAG 35<br />

(1962/63), S. 198 ff. und DERS., Wie<strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zu wirtschaftlichen Zwecken, SAG 37<br />

(1965), S. 244 ff. VON STEIGER br<strong>in</strong>gt immerh<strong>in</strong> Verständnis auf für die schwierigen Folgen<br />

<strong>der</strong> Rechtsprechungsän<strong>der</strong>ung.<br />

195<br />

PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 154 f.<br />

82


) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit gemischter Zielsetzung anerkannt werden<br />

Im Gesetz ist nicht ausdrücklich geregelt, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> neben e<strong>in</strong>em<br />

nichtwirtschaftlichen noch e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen<br />

darf. 196 E<strong>in</strong>ige Autoren lehnen daher zwar <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit re<strong>in</strong> wirtschaftlichem<br />

Zweck ab, anerkennen jedoch die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />

gemischter Zielsetzung, teils unter dem Vorbehalt, dass <strong>der</strong> „wirtschaftliche<br />

Zweck“ dem „nichtwirtschaftlichen“ untergeordnet bleibt. So wird<br />

versucht, das Problem anzugehen, dass die meisten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er<br />

H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Komponente aufweisen und diese oft<br />

nicht klar beim Zweck o<strong>der</strong> bei den Mitteln lokalisiert werden kann.<br />

Obwohl EGGER grundsätzlich Personenvere<strong>in</strong>igungen mit wirtschaftlichem<br />

Zweck <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform als unzulässig erachtet, ist er doch vergleichsweise<br />

offen: Wenn mehrere Zwecke auf gleicher Stufe angeführt<br />

werden, die teils wirtschaftlich, teils nichtwirtschaftlich s<strong>in</strong>d, so darf<br />

nach EGGER <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> als nichtwirtschaftlich betrachtet werden; die<br />

Vere<strong>in</strong>sform i.S.d. ZGB ist zulässig. 197<br />

HUG lässt zu, dass e<strong>in</strong> Berufsverband <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form des Vere<strong>in</strong>s neben<br />

e<strong>in</strong>em idealen Hauptzweck noch Kartellzwecke verfolgt o<strong>der</strong> Aufgaben<br />

e<strong>in</strong>er Zweckgeme<strong>in</strong>schaft übernimmt, wobei es gleichgültig sei, ob es<br />

sich um e<strong>in</strong>en Nebenzweck o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en zweiten Hauptzweck neben dem<br />

idealen Zweck handle. Diese Zweckverfolgung nehme dem Berufsverband<br />

den Charakter als idealer Vere<strong>in</strong> nicht. 198<br />

Die übrigen Autoren anerkennen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />

Teilzweck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur dann, wenn dieser gegenüber dem nichtwirtschaftlichen<br />

Zweck als untergeordnet ersche<strong>in</strong>t. In diesem S<strong>in</strong>ne äussern<br />

sich SIEGWART 199 , SPECKER 200 , PESTALOZZI 201 , HEINI 202 , MENGIARDI 203 ,<br />

196 Vgl. die Ausführungen S. 22 ff.<br />

197 A. EGGER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 8 f., Zürich 1930.<br />

198 WALTER HUG, Die rechtliche Organisation <strong>der</strong> Kartelle und Konzerne, SJZ 37 (1941),<br />

S. 324. HUG weist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e Reihe von Berufsverbänden nichts<br />

an<strong>der</strong>es als getarnte Kartelle seien.<br />

199 ALFRED SIEGWART, Die Freiheit bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verbandsform und bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />

ihres Inhaltes, Freiburg 1943, S. 187 ff.: Wenn e<strong>in</strong> ökonomischer Zweck als Mittel<br />

zur Erreichung des idealen Endzwecks vorgesehen ist, so kann se<strong>in</strong>er Ansicht nach e<strong>in</strong><br />

Vere<strong>in</strong> gegründet werden. Wenn idealer o<strong>der</strong> wirtschaftlicher Zweck h<strong>in</strong>gegen gleichgeordnet<br />

nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> stehen (also nicht im Verhältnis Zweck – Mittel), so ist entscheidend,<br />

welcher Zweck überwiegt.<br />

200 CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />

Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 53.<br />

83


PEDRAZZINI / OBERHOLZER 204 , NIGG 205 , RIEMER 206 und HEINI /<br />

SCHERRER 207 .<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER verlangen zusätzlich, dass die wirtschaftliche<br />

Zielsetzung mit <strong>der</strong> Erreichung des nichtwirtschaftlichen<br />

Hauptzweckes s<strong>in</strong>nvoll verbunden ersche<strong>in</strong>en muss. 208<br />

Zum Teil wird im übrigen darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass <strong>in</strong> Fällen, <strong>in</strong> welchen<br />

e<strong>in</strong>e Personenvere<strong>in</strong>igung lediglich zum Sche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen<br />

Zweck verfolgt, die Vere<strong>in</strong>sform ausgeschlossen sei. 209<br />

201 ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 69 und<br />

S. 75 ff. PESTALOZZI anerkennt allerd<strong>in</strong>gs als zulässige wirtschaftliche Nebenzwecke nur<br />

solche mit wirtschaftspolitischem Charakter, vgl. dazu bereits FN 134.<br />

202 ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 529. HEINI hat früher verschiedentlich<br />

die Ansicht geäussert, dass das Vere<strong>in</strong>srecht dem Mitglied ke<strong>in</strong>en genügenden<br />

Schutz mehr bieten kann, wenn auch nur e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> angestrebten Zwecke e<strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />

ist. Deshalb lehnte er de lege lata Personenvere<strong>in</strong>igungen mit gemischter Zielsetzung<br />

<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform grundsätzlich ab. Er akzeptierte jedoch die Annahme e<strong>in</strong>er Gesetzeslücke<br />

für Fälle, <strong>in</strong> welchen <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck im Verhältnis zu den nichtwirtschaftlichen<br />

Zielen als untergeordnet ersche<strong>in</strong>t. Dabei dachte HEINI namentlich an Berufs- und Wirtschaftsverbände.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs wies er mit Nachdruck auf das Erfor<strong>der</strong>nis e<strong>in</strong>er Gesetzesrevision<br />

auch für solche Fälle h<strong>in</strong> (ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung<br />

<strong>der</strong> Jahre 1962–1964, ZSR 83 I [1964], S. 446 ff. und DERS., SPR II, Die<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 525 ff.).<br />

203 PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />

S. 189 f.<br />

204 PEDRAZZINI / OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Auflage Bern 1993,<br />

9.1.2.<br />

205 THOMAS NIGG, Liechtenste<strong>in</strong>isches und schweizerisches Vere<strong>in</strong>srecht im Vergleich,<br />

Diss. Zürich, Vaduz 1996, S. 106, mit H<strong>in</strong>weisen. Se<strong>in</strong>er Ansicht nach kann e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />

mit e<strong>in</strong>em wirtschaftlicher Nebenzweck offenbar auch e<strong>in</strong>en Gewerbebetrieb führen.<br />

206 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 73 ff., Bern 1990.<br />

207 HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 11 f., Basel 1996, wo die Ansicht<br />

ANTON HEINIS, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 20 als „wohl etwas zu<br />

streng“ bezeichnet wird.<br />

208 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 4 N 30; vgl. bereits ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es<br />

kaufmännischen Unternehmens, SAG 45 (1973), S. 5. Ähnlich bereits ADRIAN MEILE,<br />

Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947,<br />

S. 59 ff. und RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck<br />

im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 141 f.: Der wirtschaftliche Nebenzweck<br />

muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sachlichen Zusammenhang mit dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck<br />

stehen, sofern er gegenüber diesem nicht völlig untergeordnet ersche<strong>in</strong>t.<br />

209 W. BEYLI, Zur Abgrenzung zwischen Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft, SJZ 13 (1916),<br />

S. 194 ff.; A. EGGER, Kommentar zu Art. 59 ZGB N 26, Zürich 1930; ADRIAN MEI-<br />

LE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern 1947,<br />

S. 75 f.<br />

84


Zwei ältere Autoren, die sich vergleichsweise ausführlich mit <strong>der</strong><br />

Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit mehreren Zwecken ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen,<br />

führen aus, wie die Abgrenzung mehrerer Zwecke zur Beantwortung<br />

<strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Zulässigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s erfolgen soll. 210<br />

GRAFFENRIED unterscheidet drei Fälle von Zweckverb<strong>in</strong>dungen: E<strong>in</strong><br />

nichtwirtschaftlicher Hauptzweck verbunden mit e<strong>in</strong>em wirtschaftlichen<br />

Nebenzweck, e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Hauptzweck verbunden mit e<strong>in</strong>em<br />

nichtwirtschaftlichen Nebenzweck sowie e<strong>in</strong> wirtschaftlicher neben e<strong>in</strong>em<br />

gleichwertigen o<strong>der</strong> gleichgeordneten nichtwirtschaftlichen<br />

Zweck. 211 Zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenzweck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />

gibt GRAFFENRIED H<strong>in</strong>weise auf die Methode und auf e<strong>in</strong>ige Beurteilungsfaktoren.<br />

Nach GRAFFENRIED ist zunächst zu prüfen, ob die Mitglie<strong>der</strong><br />

nach den Statuten unmittelbar von den Körperschaftsorganen<br />

materielle Werte erhalten sollen, und ob somit die ratio legis des Art. 59<br />

Abs. 2 ZGB die zw<strong>in</strong>gende Anwendung e<strong>in</strong>er Körperschaftsform des<br />

OR verlangt. Falls dies nicht zutrifft, handle es sich um e<strong>in</strong>en re<strong>in</strong><br />

nichtwirtschaftlichen Zweck. Beziehen jedoch die Mitglie<strong>der</strong> unmittelbare<br />

materielle Werte, so liege e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Zweck vor und es<br />

müsse untersucht werden, ob er alle<strong>in</strong>iger Haupt-, Neben- o<strong>der</strong> gleichgeordneter<br />

Zweck sei. Wenn noch e<strong>in</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck vorliegt,<br />

so seien die beiden Zwecke gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abzuwägen. E<strong>in</strong> Überordnungsverhältnis<br />

muss dabei nach GRAFFENRIED offensichtlich und<br />

e<strong>in</strong>deutig se<strong>in</strong>, im Zweifel sei eher Gleichordnung anzunehmen. Die<br />

Natur <strong>der</strong> Zweckverb<strong>in</strong>dung könne sich nur aus <strong>der</strong> Berücksichtigung<br />

aller erheblichen Umstände und aus dem Gesamtcharakter <strong>der</strong> Personenverb<strong>in</strong>dung<br />

ergeben. Als Anhaltspunkte nennt GRAFFENRIED etwa<br />

das Bestehen des e<strong>in</strong>en Zwecks von Anfang an, während <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e erst<br />

später h<strong>in</strong>zukam, o<strong>der</strong> den Umstand, dass für e<strong>in</strong>en Zweck <strong>der</strong> grössere<br />

Aufwand betrieben wird. E<strong>in</strong> Nebenzweck liege etwa dann vor, wenn<br />

anzunehmen ist, dass die Mitglie<strong>der</strong> bei se<strong>in</strong>em alle<strong>in</strong>igen Vorhandense<strong>in</strong><br />

nicht mitmachen würden o<strong>der</strong> wenn se<strong>in</strong> Wegfall die Beteiligung nicht<br />

bee<strong>in</strong>flussen würde. 212 Immer seien jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt die<br />

210 ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke,<br />

Diss. Bern 1947, S. 63 ff.; RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />

Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 146.<br />

211 RENÉ VON GRAFFENRIED, a.a.O., S. 135.<br />

212 DERS., S. 136. Als Beispiele von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Nebenzweck<br />

haben, führt GRAFFENRIED, a.a.O. S. 142 f., Sport-, Automobil-, Kunstvere<strong>in</strong>e und Alpenclubs<br />

an, die zahlreiche wirtschaftliche Vorteile <strong>in</strong> Form von Veranstaltungen, Reisen,<br />

Unterkunftsgelegenheiten und den dabei gewährten Vergünstigungen bieten. Hier sei für<br />

den Zweck des Gesamtvere<strong>in</strong>s nicht von Bedeutung, wenn für e<strong>in</strong>zelne Mitglie<strong>der</strong> nur die<br />

85


Mittel scharf vom Zweck i.S.v. Art. 59 Abs. 2 ZGB zu trennen. 213 Während<br />

GRAFFENRIED bei Berufsverbänden wirtschaftliche Nebenzwecke<br />

ohne weiteres zulässt, möchte er bei an<strong>der</strong>en <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n schärfere Massstäbe<br />

anlegen: Die materiellen Werte müssen se<strong>in</strong>er Ansicht nach <strong>in</strong> diesen<br />

Fällen von ausgesprochen untergeordneter Bedeutung se<strong>in</strong>. Nach<br />

GRAFFENRIED ist es undenkbar, dass e<strong>in</strong> geselliger Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />

Gewerbe betreibt, um den daraus erzielten Gew<strong>in</strong>n <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er<br />

Form se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n zuzuführen, sei es durch unmittelbare Zuwendungen<br />

o<strong>der</strong> auch nur durch Anschaffungen für den Vere<strong>in</strong> o<strong>der</strong><br />

F<strong>in</strong>anzierung von Reisen. An<strong>der</strong>s zu beurteilen sei <strong>der</strong> Fall, bei dem die<br />

materiellen Werte auf Zuwendungen von Nichtmitglie<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Leistungen<br />

von e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong>n beruhen. 214<br />

Auch MEILE unterscheidet verschiedene Konstellationen: Mittelbarer<br />

Zweck neben unmittelbarem Zweck, Hauptzweck neben Nebenzweck<br />

sowie gleichgeordnete Zwecke und vorgetäuschter Zweck neben wirklichem<br />

Zweck, wobei jeweils e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> beiden Zwecke wirtschaftlich, <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e nichtwirtschaftlich ist. 215 Welche <strong>der</strong> genannten Konstellationen<br />

im konkreten Fall vorliegt, sei nicht immer auf den ersten Blick feststellbar.<br />

Häufig sei es e<strong>in</strong>e Frage <strong>der</strong> Statutenauslegung, wobei e<strong>in</strong>e allzu<br />

enge, grammatikalische Interpretation zu Unbilligkeiten führen könne.<br />

Bisweilen müssten auch Reglemente, Konventionen, Protokolle, Vere<strong>in</strong>susanzen<br />

und Ähnliches zur Entscheidung über die Natur des Zweckes<br />

herangezogen werden. Letztlich massgebend sei „<strong>der</strong> an die Öffentlichkeit<br />

tretende Gesamtcharakter“ e<strong>in</strong>es Verbandes. 216 MEILE verwendet<br />

zusätzlich den Begriff <strong>der</strong> „neutralen Zweckbestimmung“. E<strong>in</strong>e solche<br />

soll dann vorliegen, wenn die Statuten e<strong>in</strong>e generelle Umschreibung enthalten,<br />

die we<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen noch auf e<strong>in</strong>en idealen<br />

materiellen Werte und Vorteile das Hauptmotiv zum Beitritt darstellen. Ebenfalls zulässig<br />

s<strong>in</strong>d nach GRAFFENRIED Obstbauvere<strong>in</strong>e, welche ihren Mitglie<strong>der</strong>n junge Bäume zu günstigen<br />

Preisen abgeben, Fischerei-, Bienen- o<strong>der</strong> Pferdezuchtvere<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> gesellige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

die Verlosungen durchführen. Zulässig sei ausserdem die Verz<strong>in</strong>sung allfälliger Mitglie<strong>der</strong>anteile<br />

am Vere<strong>in</strong>svermögen, solange <strong>der</strong> landesübliche Z<strong>in</strong>sfuss für entsprechende<br />

langfristige Darlehen nicht überschritten wird.<br />

213<br />

RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />

Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 137.<br />

214<br />

DERS., a.a.O., S. 143 f.<br />

215<br />

ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke,<br />

Diss. Bern 1947, S. 52 f.<br />

216<br />

DERS., a.a.O., S. 53.<br />

86


Zweck h<strong>in</strong>weist. 217 Nach MEILE muss bei Vorliegen e<strong>in</strong>es Gewerbes entschieden<br />

werden, ob <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen dem idealen Zweck<br />

und dem Gewerbe direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt ist. Ist <strong>der</strong> Zusammenhang direkt,<br />

so ist das Gewerbe als Mittel zu betrachten. Ist <strong>der</strong> Zusammenhang<br />

<strong>in</strong>direkt, so stellt das Gewerbe ke<strong>in</strong> eigentliches Mittel mehr dar, son<strong>der</strong>n<br />

es ist als untergeordneter Zweck, als Nebenzweck zu betrachten. 218<br />

Auf die Bezeichnung <strong>in</strong> den Statuten als „Zweck“ o<strong>der</strong> „Mittel“ dürfe<br />

nicht abgestellt werden. 219<br />

c) Literatur, <strong>in</strong> welcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck mehr o<strong>der</strong><br />

weniger weitgehend anerkannt werden<br />

In <strong>der</strong> verfügbaren Literatur f<strong>in</strong>det sich <strong>der</strong>zeit nur e<strong>in</strong> Autor, <strong>der</strong> sich<br />

gegenüber <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck positiv äussert:<br />

VISCHER bejaht bereits de lege lata die Zurverfügungstellung des Vere<strong>in</strong>srechts<br />

für Vere<strong>in</strong>igungen mit nicht re<strong>in</strong> nichtwirtschaftlichen<br />

Zwecken, wobei er den wichtigen Vorbehalt anbr<strong>in</strong>gt, dass bei <strong>der</strong><br />

Auslegung <strong>der</strong> Bestimmungen des Vere<strong>in</strong>srechts <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Natur <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung Rechnung getragen werden muss. 220<br />

Immerh<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t auch WEBER <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Zielsetzung<br />

nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber zu stehen. Die Beschränkung<br />

<strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> auf nichtwirtschaftliche Zwecke lässt sich gemäss<br />

WEBER damit begründen, dass die Charakteristika des schweizerischen<br />

Vere<strong>in</strong>s mit den Interessen von Gläubigern und an<strong>der</strong>en Drittbeteiligten<br />

kollidieren können und das Vere<strong>in</strong>srecht entsprechend se<strong>in</strong>er freiheitlichen<br />

Ausgestaltung diese Interessen weniger ausgeprägt berücksichtigt<br />

als dies bei den Körperschaften des OR <strong>der</strong> Fall ist. Die Rechtfertigung<br />

für den Verzicht auf Schutznormen im Vere<strong>in</strong>srecht beruhe auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung,<br />

dass Gläubiger<strong>in</strong>teressen bei den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftsordnung<br />

217 ADRIAN MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke,<br />

Diss. Bern 1947, S. 51. Als Beispiel für e<strong>in</strong>e neutrale Zweckbestimmung nennt MEILE die<br />

„För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>“.<br />

218 DERS., a.a.O., S. 55. Als Beispiel für den direkten Zusammenhang führt MEILE e<strong>in</strong>en<br />

Vere<strong>in</strong> zur Bekämpfung <strong>der</strong> Trunksucht an, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> alkoholfreies Restaurant führt. Als<br />

Beispiel für den <strong>in</strong>direkten Zusammenhang nennt er die Missionsgesellschaft, die e<strong>in</strong> Kaffeeimportgeschäft<br />

betreibt.<br />

219 DERS., a.a.O., S. 55 ff., mit Beispielen von Statuten.<br />

220 FRANK VISCHER, Besprechung von He<strong>in</strong>i, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991,<br />

S. 365. Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch die Expertenme<strong>in</strong>ung VISCHERS im Schiedsgerichtsfall,<br />

<strong>der</strong> zum Urteil vom 27.05.1991 geführt hat (Yearbook Comm. Arb'n XVII [1992], S. 11<br />

ff.).<br />

87


aktiv tätigen Gesellschaften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel höher zu bewerten s<strong>in</strong>d als bei<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die re<strong>in</strong> ideale Zwecke verfolgen. WEBER deutet an, dass diese<br />

Auffassung diskutabel ist. Denn namentlich bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />

Gewerbe betreiben, können ebenfalls wichtige Gläubiger<strong>in</strong>teressen<br />

auf dem Spiel stehen, selbst wenn diese <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>en ausschliesslich<br />

ideellen Zweck verfolgen. 221<br />

Ausserdem schliessen sich TUOR / SCHNYDER / SCHMID <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichts an, gemäss welcher e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> nur dann<br />

e<strong>in</strong>en unzulässigen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, wenn er e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />

Gewerbe betreibt. Sie tun dies – im Gegensatz zu den übrigen<br />

Autoren – mit e<strong>in</strong>er gewissen Überzeugung und nicht bloss im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er Resignation vor <strong>der</strong> Rechtsprechung, die sie im Grunde ablehnen.<br />

Solange e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreibt, darf er gemäss<br />

diesen Autoren somit <strong>in</strong> beliebiger Weise versuchen, das Wirtschaftsleben<br />

zu bee<strong>in</strong>flussen. 222<br />

Schliesslich sei an dieser Stelle auf die Me<strong>in</strong>ung BRÜCKNERS h<strong>in</strong>gewiesen:<br />

Er möchte für die Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform nicht an den<br />

statutarischen Zweck anknüpfen, son<strong>der</strong>n im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „Nutzwertanalyse“<br />

die Gesamtheit <strong>der</strong> Tätigkeiten e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Betracht<br />

ziehen. BRÜCKNER stellt die Frage: „Wem nützt die Vere<strong>in</strong>stätigkeit?“<br />

Kommt die Vere<strong>in</strong>stätigkeit ausschliesslich o<strong>der</strong> vorwiegend den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

zugute, <strong>in</strong>dem ihnen frei verfügbare Gew<strong>in</strong>nausschüttungen zufliessen,<br />

so ist nach Ansicht BRÜCKNERS die Existenz e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s zu<br />

verne<strong>in</strong>en. Zulässig soll h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>snutzen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Form von mitgliedschaftsbezogenen Dienstleistungen se<strong>in</strong>; ebenso Nutzen<br />

<strong>in</strong> beliebiger Form für Dritte. BRÜCKNER möchte so von <strong>der</strong> Relevanz<br />

<strong>der</strong> subjektiven, allenfalls sogar unrichtig deklarierten Absichten<br />

<strong>der</strong> historischen Vere<strong>in</strong>sgrün<strong>der</strong> wegkommen, die sich im statutarischen<br />

Zweck manifestieren sollen. 223<br />

5. Unklare Folgen <strong>der</strong> Nichtanerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />

wirtschaftlichem Zweck<br />

Es herrscht grundsätzlich E<strong>in</strong>igkeit darüber, dass unzulässige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

mit wirtschaftlichem Zweck e<strong>in</strong>fache Gesellschaften darstellen. Diese<br />

221<br />

ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 62 f.<br />

222<br />

TUOR / SCHNYDER / SCHMID, Das <strong>Schweiz</strong>erische Zivilgesetzbuch, Zürich 1995, S.<br />

136 f.<br />

223<br />

CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, RZ 1145.<br />

88


Rechtsfolge ergibt sich aus Art. 62 ZGB. 224 Allerd<strong>in</strong>gs besteht ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igkeit<br />

darüber, wie Personenvere<strong>in</strong>igungen zu behandeln s<strong>in</strong>d, die<br />

gleichzeitig nichtwirtschaftliche und wirtschaftliche Zwecke verfolgen. 225<br />

PIOTET diskutiert für solche Fälle vier Lösungsmöglichkeiten, falls die<br />

Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> als nicht zulässig erachtet<br />

würde: (i) Die Personenvere<strong>in</strong>igung wird entwe<strong>der</strong> ganz den Regeln<br />

des Vere<strong>in</strong>s o<strong>der</strong> jenen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft unterstellt, je<br />

nachdem welcher Zweck überwiegt; (ii) die Personenverb<strong>in</strong>dung untersteht<br />

als „corporation mixte“ zum Teil den Regeln des Vere<strong>in</strong>s, zum Teil<br />

jenen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft; (iii) es kommen nur die Regeln <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />

Gesellschaft zur Anwendung o<strong>der</strong> (iv) es wird angenommen, es<br />

bestünden zwei verschiedene, mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbundene Gebilde, e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />

mit nichtwirtschaftlichen Zwecken und e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Gesellschaft<br />

mit wirtschaftlichem Ziel. 226 Die erste Möglichkeit bezeichnet PIOTET<br />

als unbefriedigend. E<strong>in</strong>erseits sei nicht e<strong>in</strong>zusehen, weshalb für die Verfolgung<br />

e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zwecks nicht die Regeln <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />

Gesellschaft zur Anwendung kommen sollten, bzw. weshalb für die Verfolgung<br />

e<strong>in</strong>es nichtwirtschaftlichen Zweckes diejenigen des Vere<strong>in</strong>s<br />

nicht zur Verfügung stehen sollten. An<strong>der</strong>erseits könnte sich das Verhältnis<br />

zwischen den Zwecken im Laufe <strong>der</strong> Zeit auch än<strong>der</strong>n. PIOTET<br />

bevorzugt die Lösung <strong>der</strong> corporation mixte, erklärt sie jedoch für nicht<br />

durchführbar wegen des Pr<strong>in</strong>zips des numerus clausus <strong>der</strong> Gesellschaftsformen<br />

227 , gegen welches sie verstosse. Daher plädiert PIOTET <strong>in</strong> Anlehnung<br />

an die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Familienstiftungen<br />

für die analoge Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 2 OR. Demnach<br />

sollen die Statuten e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s h<strong>in</strong>sichtlich des wirtschaftlichen<br />

Zwecks nichtig se<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> Folge, dass gemäss Art. 62 ZGB die Regeln<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft zur Anwendung kommen. Ob sich die Nichtigkeit<br />

auch auf den nichtwirtschaftlichen Zweck erstreckt, bestimmt<br />

sich nach dem hypothetischen Parteiwillen. Es ist zu vermuten, dass die<br />

224<br />

Vgl. etwa BGE 90 II 333, 341 f. Auf solche Fälle nicht anwendbar s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen die<br />

Art. 78 ZGB, 52 Abs. 3 ZGB und 57 Abs. 3 ZGB, welche für den Fall wi<strong>der</strong>rechtlicher<br />

Zwecke die Auflösung bzw. Nichtentstehung des Vere<strong>in</strong>s vorsehen. Diese Bestimmungen<br />

regeln Fälle, <strong>in</strong> welchen <strong>der</strong> angestrebte Zweck für sämtliche Gesellschaftsformen verboten<br />

ist und beziehen sich nicht auf e<strong>in</strong>en allenfalls für den Vere<strong>in</strong> verbotenen wirtschaftlichen<br />

Zweck (HANS MICHAEL RIEMER, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wi<strong>der</strong>rechtlichem Zweck, ZSR 97 I<br />

[1978], S. 83).<br />

225<br />

Vgl. dazu auch die Ausführungen <strong>in</strong> BGE 90 II 333, 336 ff.<br />

226<br />

PAUL PIOTET, La nouvelle jurisprudence du Tribunal fédéral sur le but des associations,<br />

JdT 111 I (1963), S. 100.<br />

227<br />

Vgl. dazu unten S. 103 ff.<br />

89


Gründungsmitglie<strong>der</strong> den Vere<strong>in</strong> auch ohne den wirtschaftlichen Zweck<br />

gegründet hätten. Daher kommen h<strong>in</strong>sichtlich des nichtwirtschaftlichen<br />

Zwecks so lange die Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts zur Anwendung, als nicht<br />

bewiesen wird, dass die Gründungsmitglie<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> son<strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Gesellschaft gegründet hätten, wenn sie gewusst hätten,<br />

dass <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck unzulässig ist. Nur wenn dieser Beweis<br />

erbracht werden kann, kommen auf das ganze Gebilde die Regeln <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft zur Anwendung. Ansonsten liegen zwei verschiedene,<br />

wenn auch mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbundene Personenverb<strong>in</strong>dungen vor:<br />

e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Gesellschaft. Insoweit das Recht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />

Gesellschaft zur Anwendung kommt, so sollen nach PIOTET zudem<br />

nur die zw<strong>in</strong>genden Regeln <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft gelten. Anstelle<br />

<strong>der</strong> dispositiven Regeln soll <strong>der</strong> hypothetische Parteiwille<br />

entscheidend se<strong>in</strong>. 228<br />

6. Untauglichkeit des Abgrenzungskriteriums wirtschaftlicher<br />

o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher Zweck für die Frage <strong>der</strong><br />

Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

a) Ambivalente Haltung <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong><br />

Die Haltung <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> gegenüber <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem<br />

Zweck“ ersche<strong>in</strong>t ambivalent. Eigentlich ist die Mehrzahl <strong>der</strong> Autor<strong>in</strong>nen<br />

und Autoren gegen die Zulässigkeit solcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> – e<strong>in</strong>zelne Fallgruppen<br />

werden aber doch anerkannt. 229 Viele lehnen die Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichts aus grundsätzlichen Erwägungen ab –<br />

resignieren dann aber doch und f<strong>in</strong>den sich mit dem geltenden Zustand<br />

ab.<br />

b) Unpraktikabilität <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Lehre entwickelten Kriterien<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Formulierung des ZGB und <strong>der</strong> fehlenden gesetzlichen<br />

Def<strong>in</strong>ition des Begriffs „Zweck“ ist bereits die theoretische Bestimmung<br />

des massgeblichen Zwecks nicht von vornhere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutig. In <strong>der</strong> Praxis<br />

ergeben sich zusätzliche Probleme 230 : Bei vielen Verbänden lässt sich<br />

228<br />

PAUL PIOTET, La nouvelle jurisprudence du Tribunal fédéral sur le but des associations,<br />

JdT 111 I (1963), S. 101 ff.<br />

229<br />

So etwa wenn <strong>der</strong> Zweck von Berufs- und Wirtschaftsverbänden als (wirtschafts-)<br />

politisch bezeichnet wird, vgl. dazu S. 81.<br />

230<br />

Vgl. auch MARC-ANDRE PELLET, Le but non économique de l’association, Diss. Lausanne<br />

1964, S. 214.<br />

90


e<strong>in</strong>e Mehrzahl von Verbandszwecken nachweisen, die zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um<br />

im Verhältnis von Mittel und Zweck stehen. 231 Oft hilft <strong>der</strong><br />

Wortlaut <strong>der</strong> Statuten nicht weiter, weil nicht immer sauber unterschieden<br />

wird zwischen Zweck und Mitteln. 232 Namentlich bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />

mehreren „Zwecken“ können Dritte nicht abschliessend darüber urteilen,<br />

wie das Verhältnis zwischen Zweck und Mittel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em konkreten<br />

Fall tatsächlich ist. 233 Dieser Umstand spiegelt sich bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diskussion<br />

<strong>der</strong> Lehre wie<strong>der</strong>, wie <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit gemischter Zielsetzung zu behandeln<br />

s<strong>in</strong>d. In <strong>der</strong> Praxis ersche<strong>in</strong>en die Probleme noch viel grösser.<br />

Dies gilt vor allem dann, wenn man– wie etwa HEINI dies tut – die<br />

Frage, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen<br />

Zweck verfolgt, nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aufgrund <strong>der</strong> Formulierung<br />

<strong>der</strong> Statuten beantworten will, son<strong>der</strong>n aufgrund <strong>der</strong> tatsächlichen Bedeutung,<br />

welche den Statuten durch die Mitglie<strong>der</strong> beigemessen wird. 234<br />

Genau diese müsste für die Bestimmung des Zwecks massgebend se<strong>in</strong>;<br />

die Eruierung dieses psychologischen Elements ist jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />

nicht handhabbar. 235 Ebenfalls völlig unpraktikabel ist <strong>der</strong> Vorschlag,<br />

dass auch überprüft werden muss, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> den deklarierten Zweck<br />

lediglich zum Sche<strong>in</strong> verfolgt. Die Bestimmung des gemäss herrschen<strong>der</strong><br />

Lehre massgebenden Zweckes be<strong>in</strong>haltet daher letztlich oft e<strong>in</strong>e Wertung.<br />

236<br />

Gel<strong>in</strong>gt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis, den massgeblichen Zweck zu bestimmen, so<br />

stellt sich die Frage, ob dieser wirtschaftlich (und damit unzulässig) o<strong>der</strong><br />

nichtwirtschaftlich (und damit zulässig) ist. Die Darstellung <strong>der</strong> diesbezüglichen<br />

Lehrme<strong>in</strong>ungen hat gezeigt, dass zur Def<strong>in</strong>ition verschiedene<br />

231<br />

Vgl. dazu das Beispiel bei CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 44 f.: E<strong>in</strong> Personenverband<br />

betreibt e<strong>in</strong> Lebensmittelgeschäft, um mit dem Gew<strong>in</strong>n Bedürftige zu unterstützen.<br />

E<strong>in</strong> solcher Verband hat zunächst den Zweck, das notwendige Betriebskapital zu beschaffen,<br />

dann e<strong>in</strong> geeignetes Lokal zu mieten, das erfor<strong>der</strong>liche Personal anzustellen, die notwendigen<br />

E<strong>in</strong>- und Verkäufe vorzunehmen, durch Ansetzung e<strong>in</strong>er entsprechenden Gew<strong>in</strong>nmarge<br />

e<strong>in</strong>en Überschuss zu erzielen und diesen unter die Bedürftigen zu verteilen. So<br />

gesehen ist ke<strong>in</strong> Zweck Selbstzweck, son<strong>der</strong>n er ist se<strong>in</strong>erseits Mittel zur Erreichung e<strong>in</strong>es<br />

an<strong>der</strong>en ihm übergeordneten Zwecks.<br />

232<br />

Vgl. zur Auslegung des Statutenwortlauts MARC-ANDRE PELLET, Le but non économique<br />

de l’association, Diss. Lausanne 1964, S. 220.<br />

233<br />

Vgl. zur theoretischen Erfassung mehrerer Zwecke S. 83.<br />

234<br />

ANTON HEINI, SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 529.<br />

235<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich<br />

2000, RZ 1145.<br />

236<br />

CHRISTIAN SPECKER, a.a.O., S. 44 ff.<br />

91


– teils erheblich divergierende – Begriffe und Umschreibungen verwendet<br />

werden. Bereits SCHERRER hielt im Jahr 1982 fest: „Bis heute ist es<br />

m.E. ke<strong>in</strong>em Interpreten gelungen, den Begriff des ‚wirtschaftlichen<br />

Zweckes‘ unmissverständlich klar zu def<strong>in</strong>ieren.“ 237 Die Diskussion<br />

sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zwischenzeit nicht weiter geführt zu haben.<br />

c) Weitreichende Folgen <strong>der</strong> Unterscheidung wirtschaftlicher –<br />

nichtwirtschaftlicher Zweck<br />

Obwohl nicht e<strong>in</strong>deutig ist, wann genau e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />

Zweck verfolgt, so soll die Frage nach dem Zweck gemäss Doktr<strong>in</strong><br />

doch weitreichende Rechtsfolgen nach sich ziehen.<br />

Auch wenn die Personenvere<strong>in</strong>igung nicht aufgelöst, son<strong>der</strong>n als e<strong>in</strong>fache<br />

Gesellschaft behandelt wird, so liegt die praktische Folge <strong>der</strong> Anwendbarkeit<br />

<strong>der</strong> Vorschriften über die e<strong>in</strong>fache Gesellschaft dar<strong>in</strong>, dass<br />

die Personenverb<strong>in</strong>dung we<strong>der</strong> aktiv noch passiv parteifähig ist, und<br />

dass die Gesellschafter persönlich, unbeschränkt und solidarisch haften.<br />

238 Dies hat konkret zur Folge, dass etwa Gläubiger e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung,<br />

die sich als „Vere<strong>in</strong>“ bezeichnet und <strong>in</strong> dieser Eigenschaft<br />

möglicherweise gar im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist, Gefahr laufen,<br />

dass sie mit entsprechendem Kostenrisiko die falsche Partei e<strong>in</strong>klagen,<br />

weil sie nicht genügend abschätzen können, ob <strong>der</strong> „Vere<strong>in</strong>“ e<strong>in</strong>en zulässigen<br />

Zweck verfolgt o<strong>der</strong> nicht. 239 Noch komplizierter wird die Lage<br />

für die Gläubiger, weil ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igkeit über die Behandlung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

mit mehreren Zwecken 240 besteht. Es verwun<strong>der</strong>t nicht weiter, dass<br />

etwa HEINI die von PIOTET entwickelte Theorie <strong>der</strong> Teilnichtigkeit bei<br />

e<strong>in</strong>er Mehrzahl von Zwecken ausdrücklich wegen ihrer praktischen Anwendung<br />

ablehnt, da se<strong>in</strong>er Ansicht nach die Rechtssicherheit durch<br />

diese Theorie gefährdet würde. 241 Diese Gefahr, namentlich für Gläubiger,<br />

ist jedoch nicht nur im Zusammenhang mit <strong>der</strong> von PIOTET favorisierten<br />

Lösung e<strong>in</strong> Problem. Angesichts <strong>der</strong> Unsicherheiten bei <strong>der</strong> Be-<br />

237<br />

URS SCHERRER, Rechtsfragen des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich<br />

1982, S. 29.<br />

238<br />

ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 50.<br />

239<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits DIETER ZOBL, Die Behandlung <strong>der</strong> fehlerhaften Personengesellschaft<br />

im schweizerischen Recht, Lausanne 1989, S. 473.<br />

240<br />

Vgl. dazu S. 88.<br />

241<br />

ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962–<br />

1964, ZSR 83 I (1964), S. 448 f. HEINI stellt anhand des Ausschlusses e<strong>in</strong>es Mitgliedes aus<br />

e<strong>in</strong>er Doppelvere<strong>in</strong>igung dar, dass die Theorie praktisch nicht handhabbar ist.<br />

92


stimmung des Zwecks e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s bestehen bei allen Lösungsvarianten<br />

zu grosse Ungewissheiten gerade auch für die Gläubiger.<br />

Die Nichtanerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck hat<br />

aber nicht nur für die Gläubiger kaum zumutbare Folgen. Werden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

mit wirtschaftlicher Ausrichtung nicht anerkannt, so fehlt auch für<br />

e<strong>in</strong>e Reihe von legitimen Bedürfnissen des Wirtschaftslebens die passende<br />

Rechtsform. 242 Solche Personenzusammenschlüsse, die sich als<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> konstituiert haben, stünden nicht nur plötzlich als e<strong>in</strong>fache Gesellschaften<br />

da, es wäre ihnen und neuen Gebilden auch verwehrt, sich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rechtsform zu konstituieren, <strong>in</strong> welcher ihre legitimen Bedürfnissen<br />

berücksichtigt werden können.<br />

d) Fehlende Notwendigkeit <strong>der</strong> Unterscheidung nach dem wirtschaftlichen<br />

Zweck<br />

Der Umstand, dass das Kriterium wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher<br />

Zweck für die übrigen Gesellschaftsformen (abgesehen von<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wo die entsprechende Bestimmung<br />

jedoch geän<strong>der</strong>t und an das Recht <strong>der</strong> Aktiengesellschaft angeglichen<br />

werden soll 243 ) nicht relevant ist, zeigt, dass <strong>der</strong> Unterscheidung<br />

nach dem Zweck im schweizerischen Gesellschaftsrecht sonst<br />

ke<strong>in</strong>e Bedeutung zukommt.<br />

Bereits e<strong>in</strong> oberflächlicher Blick über die Grenzen zeigt ausserdem,<br />

dass die Abgrenzung zwischen wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem<br />

Zweck <strong>in</strong> den verschiedenen Rechtsordnungen, <strong>in</strong> welchen diese<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielt, unterschiedlich vorgenommen wird. 244 In Frankreich<br />

242 FRANK VISCHER, Besprechung von HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991,<br />

S. 365; VISCHER, Gutachten zu Handen <strong>der</strong> Basler Handelskammer, zitiert bei BRINER,<br />

Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände, WuR 1994, S. 76 und die<br />

H<strong>in</strong>weise von ROBERT BRINER, a.a.O. S. 81 ff.; vgl. auch BGE 90 II 333, 339 ff. und bereits<br />

Entscheid des Bundesgerichts vom 5./6. Dezember 1934 (Fédération suisse des associations<br />

de fabricants d’horlogerie, Union des branches annexes), JdT 1935 I, S. 66 ff.<br />

243 BÖCKLI / FORSTMOSER / RAPP, Reform des GmbH-Rechts, Expertenentwurf vom<br />

29. November 1996 für e<strong>in</strong>e Reform des Rechts <strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter Haftung,<br />

Zürich 1997, S. 19 und 73.<br />

244 Im Rahmen dieser Arbeit wird auf e<strong>in</strong>e rechtsvergleichende Untersuchung verzichtet.<br />

Rechtsvergleichende Betrachtungen im Gesellschaftsrecht können nicht darauf beschränkt<br />

werden, lediglich e<strong>in</strong>e bestimmte Gesellschaftsform <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Rechtsordnungen zu betrachten und zu vergleichen. In e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nvollen Untersuchung<br />

muss das gesamte System <strong>der</strong> jeweiligen Ordnung des Gesellschaftsrechts analysiert werden.<br />

Nur so kann ermittelt werden, ob und wie sämtliche Bedürfnisse abgedeckt werden,<br />

die sich im Rechtsleben ergeben. Es ist durchaus möglich, dass e<strong>in</strong>e Rechtsordnung e<strong>in</strong>e<br />

Gesellschaftsform kennt, die im wesentlichen dem schweizerischen Vere<strong>in</strong> entspricht.<br />

93


wird beispielsweise auf die Absicht abgestellt, e<strong>in</strong>en erzielten Gew<strong>in</strong>n zu verteilen.<br />

In Italien ist entscheidend die Ausübung e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Tätigkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Absicht, Gew<strong>in</strong>n zu verteilen. In Österreich ist entscheidend, ob die<br />

Personenverb<strong>in</strong>dung „auf Gew<strong>in</strong>n berechnet ist“, während <strong>in</strong> Deutschland<br />

auf das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes abgestellt<br />

wird. Dieser Umstand und auch die Tatsache, dass sich die schweizerische<br />

Lehre nicht auf e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiges Abgrenzungskriterium e<strong>in</strong>igen kann,<br />

deuten darauf h<strong>in</strong>, dass ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Realfaktoren des Rechts vorgegebene<br />

Notwendigkeit besteht, die Verwendungsmöglichkeiten von Verbandsformen<br />

nach dem Kriterium des wirtschaftlichen o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlichen<br />

Zweckes zu beschränken. 245<br />

e) Schlussfolgerungen<br />

Das letztlich subjektive Kriterium wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher<br />

Zweck ist zur Beantwortung <strong>der</strong> mit weitreichenden Konsequenzen<br />

verbundenen Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unpraktikabel<br />

und daher untauglich. Entgegen <strong>der</strong> Intentionen hilft es nicht,<br />

berechtigte Interessen Dritter zu schützen, son<strong>der</strong>n legt diesen vielmehr<br />

zusätzliche Ste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Weg.<br />

Massgebend muss vielmehr e<strong>in</strong> klar fass- und für Dritte erkennbares<br />

Kriterium se<strong>in</strong>. Im folgenden wird untersucht, ob das Betreiben e<strong>in</strong>es<br />

kaufmännischen Unternehmens e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvolleres Abgrenzungskriterium<br />

darstellen würde, um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass sich Gesellschaften des Vere<strong>in</strong>srechts<br />

bedienen, für welche die freiheitliche Ordnung nicht passt. In<br />

diesem Zusammenhang sei daran er<strong>in</strong>nert, dass im Verlauf <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten<br />

wirtschaftlicher Zweck und kaufmännisches Gewerbe<br />

immer wie<strong>der</strong> durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gebracht worden s<strong>in</strong>d. 246<br />

Wenn diese Rechtsordnung für die entsprechende Gesellschaftsform vorsieht, dass ke<strong>in</strong>e<br />

„wirtschaftlichen Zwecke“ verfolgt werden dürfen, so kann es se<strong>in</strong>, dass diese Ordnung<br />

als s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t, wenn daneben an<strong>der</strong>e Gesellschaftsformen zur Verfügung stehen,<br />

die sämtliche Bedürfnisse <strong>der</strong> Wirtschaft abdecken. E<strong>in</strong>e solch umfassende Analyse ausländischer<br />

Gesellschaftrechtssysteme würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher<br />

sei an dieser Stelle lediglich auf die Ausführungen bei HANS MICHAEL RIEMER, ST vor<br />

Art. 60-79 ZGB N 569 ff., Bern 1990, und PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des<br />

Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968), S. 170 ff. und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e S. 102 verwiesen. Vgl.<br />

auch die H<strong>in</strong>weise bei MAX GUTZWILLER, Gedanken zur Typologie des Gesellschaftsrechts,<br />

SJZ 67 (1971), S. 136.<br />

245<br />

So bereits PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 176 f.<br />

246<br />

Vgl. S. 24 ff.<br />

94


VI. Das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Unternehmens<br />

1. Vorbemerkung<br />

Nach <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d für die Frage nach <strong>der</strong> Qualifizierung des<br />

Zwecks e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s als wirtschaftlich o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlich und<br />

damit nach <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform die Mittel, welche zur Erreichung<br />

dieses Zwecks e<strong>in</strong>gesetzt werden, grundsätzlich nicht entscheidend.<br />

247 Relevant soll alle<strong>in</strong> das subjektive und nur schwer fassbare Kriterium<br />

„Zweck“ se<strong>in</strong>. Demgegenüber erkennt das Bundesgericht zu<br />

Recht, dass zwischen Zweck und Mittel e<strong>in</strong> enger Zusammenhang besteht.<br />

248<br />

Als hier hauptsächlich <strong>in</strong>teressierendes Mittel e<strong>in</strong>es Verbandes kommt<br />

das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens <strong>in</strong> Frage. Abgesehen<br />

davon s<strong>in</strong>d auch weitere wirtschaftliche Mittel denkbar. E<strong>in</strong> solches liegt<br />

etwa bei e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen Gewerbe- o<strong>der</strong> Geschäftsbetrieb vor, <strong>der</strong> nicht<br />

den Anfor<strong>der</strong>ungen von Art. 52 Abs. 3 HRegV und Art. 53 HRegV entspricht.<br />

Ausserdem kann e<strong>in</strong> wirtschaftliches Mittel auch dann gegeben<br />

se<strong>in</strong>, wenn die Haupttätigkeit e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung im geme<strong>in</strong>samen<br />

Besitz und <strong>in</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Nutzung e<strong>in</strong>er Sache besteht. <strong>Wirtschaftliche</strong>s<br />

Mittel kann auch die Ausgabe von Wertpapieren, Anteilsche<strong>in</strong>en<br />

und Beteiligungssche<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>, sofern diese Handlungen<br />

entgeltlicher Natur s<strong>in</strong>d und auf e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen f<strong>in</strong>anziellen Willen<br />

beruhen. 249 Aus Art. 61 Abs. 2 ZGB kann a majore m<strong>in</strong>us geschlossen<br />

werden, dass für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss Gesetz jede Betätigung wirtschaftlicher<br />

247 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 54 f. ZGB N 54, Bern 1990; ERNST<br />

PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 56 f.; ARTHUR<br />

MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens,<br />

SAG 45 (1973), S. 2. Undeutlich ist die Bestimmung von Art. 772 Abs. 3 OR: Der Betrieb<br />

e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens wird gemäss Wortlaut <strong>der</strong> Bestimmung ausdrücklich<br />

mit <strong>der</strong> Verfolgung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zweckes gleichgesetzt.<br />

248 Gemäss Bundesgericht sollen zum<strong>in</strong>dest Berufs-, Branchen- und Wirtschaftsverbände<br />

so lange e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Zweck verfolgen dürfen, als sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe<br />

betreiben. – Wohl e<strong>in</strong>schränken<strong>der</strong> HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu<br />

Art. 60 ZGB N 65, Bern 1990: An<strong>der</strong>e Verbände mit wirtschaftlichem Zweck s<strong>in</strong>d selbst<br />

dann unzulässig, wenn sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben. – Vgl. dazu auch S.<br />

38 ff. und S. 50 ff.<br />

249 CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson,<br />

Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 56 ff.<br />

95


Art zulässig ist, auch wenn sie nicht die Gestalt e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Gewerbes i.S.d. OR annimmt. 250<br />

2. Der Begriff des kaufmännischen Unternehmens<br />

Die Handelsregisterverordnung enthält Präzisierungen dafür, was unter<br />

kaufmännischen Unternehmen 251 zu verstehen ist. Art. 52 Abs. 3<br />

HRegV def<strong>in</strong>iert, was e<strong>in</strong> Gewerbe ist. Art. 53 HRegV enthält e<strong>in</strong>e Liste<br />

<strong>der</strong> Tätigkeiten, die zum Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens<br />

führen. Art. 54 HRegV verlangt schliesslich e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destsumme von<br />

jährlichen Rohe<strong>in</strong>nahmen für bestimmte gewerbliche Tätigkeiten.<br />

In Art. 52 Abs. 3 HRegV wird <strong>der</strong> Begriff „Gewerbe“ def<strong>in</strong>iert als<br />

e<strong>in</strong>e „selbständige, auf dauernden Erwerb gerichtete Tätigkeit“. Das<br />

Erfor<strong>der</strong>nis des dauernden Erwerbs ist nach <strong>der</strong> Rechtsprechung des<br />

Bundesgerichts rasch erfüllt. Bereits e<strong>in</strong> Zeitraum von drei Monaten<br />

genügt, weil die Dauer nach Ansicht des Bundesgerichts ke<strong>in</strong><br />

selbständiges Element darstellt, son<strong>der</strong>n im Wesen <strong>der</strong> Gewerbetätigkeit<br />

notwendigerweise mitenthalten ist. Nach Bundesgericht besteht e<strong>in</strong><br />

Gewerbe aus e<strong>in</strong>er organisierten Tätigkeit, die auf e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>holung<br />

von gleichartigen, auf Erwerb abzielenden Geschäften gerichtet ist.<br />

Ausserdem muss <strong>der</strong> Gewerbebetrieb selbständig ausgeübt werden. Die<br />

wirtschaftliche Erwerbstätigkeit muss nicht mit Gew<strong>in</strong>nabsicht erfolgen.<br />

Es genügt, dass e<strong>in</strong> gewisser Umsatz erzielt wird. 252 Nicht je<strong>der</strong><br />

Gewerbebetrieb muss <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden,<br />

son<strong>der</strong>n nur Handels-, Fabrikations- und an<strong>der</strong>e nach kaufmännischer<br />

Art geführte Gewerbe. Handelsgewerbe werden beispielhaft und nicht<br />

abschliessend <strong>in</strong> Art. 53 lit. A HRegV aufgezählt. In <strong>der</strong> Regel wird e<strong>in</strong><br />

Erwerb angestrebt durch den Austausch von Gütern o<strong>der</strong> die Leistung<br />

von Diensten, ohne dass dabei an <strong>der</strong> Handelsware wesentliche<br />

Verän<strong>der</strong>ungen vorgenommen werden. Beim Fabrikationsgewerbe steht<br />

250<br />

RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />

Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 34.<br />

251<br />

Im schweizerischen Obligationenrecht und im Zivilgesetzbuch wird <strong>der</strong> Begriff<br />

„kaufmännisches Unternehmen“ nicht verwendet; es wird vielmehr von „nach kaufmännischer<br />

Art geführten Gewerben“ gesprochen (Art. 934 Abs. 1 OR). Unter dem Begriff<br />

„kaufmännisches Unternehmen“ wird im heutigen schweizerischen Recht e<strong>in</strong> „Handels-,<br />

Fabrikations- o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe“ gemäss<br />

Art. 934 Abs. 1 OR verstanden (ROBERT PATRY, SPR VIII/1, Grundlagen des Handelsrechts,<br />

Basel 1976, S. 70 ff.; MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />

8. Auflage Bern 1998, § 4 N 35).<br />

252<br />

ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens,<br />

SAG 45 (1973), S. 6 f.<br />

96


h<strong>in</strong>gegen die Bearbeitung von Rohstoffen und an<strong>der</strong>en Waren mit Hilfe<br />

von Masch<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en technischen Hilfsmitteln zum Zwecke <strong>der</strong><br />

Herstellung o<strong>der</strong> Veredelung von Erzeugnissen im Vor<strong>der</strong>grund. Die<br />

an<strong>der</strong>en nach kaufmännischer Art geführten Gewerbe erfor<strong>der</strong>n nach<br />

Art und Umfang des Unternehmens e<strong>in</strong>en kaufmännischen Betrieb und<br />

e<strong>in</strong>e geordnete Buchführung. Gewisse Handelsgewerbe gelten <strong>in</strong> jedem<br />

Fall als kaufmännische Unternehmen. Die übrigen Handelsgewerbe, alle<br />

Fabrikationsbetriebe und die übrigen nach kaufmännischer Art<br />

geführten Gewerbe s<strong>in</strong>d dagegen von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht befreit,<br />

solange ihre jährlichen Rohe<strong>in</strong>nahmen, das heisst ihr Umsatz 253 , den<br />

Betrag von CHF 100'000.– nicht übersteigen (Art. 54 HRegV). 254<br />

3. Relevanz des kaufmännischen Unternehmens im<br />

schweizerischen Gesellschaftsrecht<br />

Gemäss Art. 934 Abs. 1 OR ist das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Unternehmens das Kriterium für die Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister.<br />

Diese allgeme<strong>in</strong>e Regel wird für alle Gesellschaften <strong>in</strong> Spezialbestimmungen<br />

wie<strong>der</strong>holt. 255 Das Handelsregister dient <strong>der</strong> Rechtssicherheit<br />

im Geschäftsverkehr. Hauptzweck des Handelsregisters ist, dem<br />

Publikum und den Gläubigern <strong>in</strong> klarer Weise die rechtserheblichen Tatsachen,<br />

namentlich die Haftungs- und Vertretungsverhältnisse und die<br />

Verantwortlichkeitsordnung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>getragenen Geschäftsbetriebe zur<br />

Kenntnis zu br<strong>in</strong>gen. 256 An die E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister knüpft<br />

das Gesetz aber auch spezifische Rechtsfolgen. Abgesehen von <strong>der</strong><br />

Verleihung <strong>der</strong> Rechtspersönlichkeit für e<strong>in</strong>zelne Gesellschaftsformen,<br />

verschafft <strong>der</strong> Handelsregistere<strong>in</strong>trag das Firmenrecht mit dem Firmenschutz.<br />

Die E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister hat auch die Unterwerfung<br />

unter die Konkurs- und Wechselbetreibung zur Folge. Ausserdem besteht<br />

die Pflicht zur kaufmännischen Buchführung gemäss den Art. 957<br />

ff. OR, welche allerd<strong>in</strong>gs bereits und ausschliesslich an die E<strong>in</strong>tragungs-<br />

253<br />

Unter Rohe<strong>in</strong>nahmen s<strong>in</strong>d die gesamten Geschäftse<strong>in</strong>nahmen ohne Abzug <strong>der</strong> Aufwendungen<br />

zu verstehen (Entscheid des Bundesgerichts vom 19.02.1996, <strong>in</strong>: Jahrbuch des<br />

Handelsregisters 1996, S. 82 f.).<br />

254<br />

ARTHUR MEIER-HAYOZ, Gesellschaftszweck und Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens,<br />

SAG 45 (1973), S. 7 f.<br />

255<br />

Vgl. Art. 552 f. OR für die Kollektivgesellschaft, Art. 594 f. OR für die Kommanditgesellschaft,<br />

Art. 643 OR für die Aktiengesellschaft und kraft Verweis von Art. 764 OR für<br />

die Kommanditaktiengesellschaft, Art. 780 OR für die Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung, Art. 838 OR für die Genossenschaft und Art. 61 ZGB für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />

256<br />

MARTIN ECKERT, Kommentar zu Art. 927 OR N 7, Basel 1994; ROBERT PATRY,<br />

SPR VIII/1, Grundlagen des Handelsrechts, Basel 1976, S. 123.<br />

97


pflicht anknüpft, nicht an e<strong>in</strong>e tatsächliche, gegebenenfalls lediglich gestützt<br />

auf die E<strong>in</strong>tragungsberechtigung erfolgte E<strong>in</strong>tragung. 257 Die Buchführung<br />

dient ihrerseits <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Information aussenstehen<strong>der</strong><br />

Gläubiger und <strong>der</strong> am Unternehmen beteiligten Personen. Sie erfüllt<br />

entsprechende Schutzfunktionen. 258<br />

Der Umstand, dass das kaufmännische Unternehmen das Anknüpfungskriterium<br />

für die E<strong>in</strong>tragung im Handelsregister darstellt, welche<br />

wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>e wesentliche Grundlage für den Schutz <strong>der</strong> Gläubiger<strong>in</strong>teressen<br />

ist, zeigt, dass nach <strong>der</strong> Wertung des Gesetzgebers im<br />

Gesellschaftsrecht dann e<strong>in</strong> Bedürfnis für e<strong>in</strong>en verstärkten Gläubigerschutz<br />

besteht, wenn e<strong>in</strong>e Personenvere<strong>in</strong>igung durch Betreiben e<strong>in</strong>es<br />

„Handels-, Fabrikations- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en nach kaufmännischer Art geführten<br />

Gewerbes“ <strong>in</strong> Kontakt mit dem Publikum tritt.<br />

4. Folgen des Betreibens e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Unternehmens für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

Wie die übrigen Gesellschaften muss auch e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> gemäss Art. 61<br />

Abs. 2 ZGB <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden, wenn er e<strong>in</strong><br />

kaufmännisches Unternehmen betreibt. H<strong>in</strong>sichtlich des Erwerbs <strong>der</strong><br />

Rechtsfähigkeit hat <strong>der</strong> E<strong>in</strong>trag lediglich deklaratorische Wirkung.<br />

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu wirtschaftlich ausgerichteten<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n verleiht dem kaufmännischen Unternehmen e<strong>in</strong>e weitere<br />

Funktion. Nach Ansicht des Bundesgerichts ist das Vorliegen e<strong>in</strong>es<br />

kaufmännischen Unternehmens entscheidend dafür, ob sich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em wirtschaftlichen Zweck widmen darf. 259<br />

257 MARTIN ECKERT, Kommentar zu Art. 927 OR N 9, Basel 1994.<br />

258 MARKUS NEUHAUS, Kommentar zu Art. 957 OR N 1 ff., Basel 1994.<br />

259 Vgl. dazu etwa BGE 90 II 333 (Association suisse des fabricants de cigarettes), S. 50. Im<br />

Urteil vom 5./6. Dezember 1934 (Fédération suisse des associations des fabricants d’horlogerie,<br />

Union des branches annexes de l’horlogerie, JdT 1935 I, S. 66 ff.) hatte das Bundesgericht<br />

allerd<strong>in</strong>gs noch ausgeführt, für die Qualifikation des Zwecks e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>igung komme es<br />

e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> darauf an, ob die Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit entfalte.<br />

Auch <strong>in</strong> BGE 62 II 32 (<strong>Schweiz</strong>. Tabakverband, 1936) hatte das Bundesgericht noch den<br />

wirtschaftlichen Zweck mit dem Führen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens<br />

gleichgesetzt: Von <strong>der</strong> Verfolgung e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Aufgabe könne erst dann<br />

gesprochen werden, „wenn <strong>der</strong> Verband selber <strong>in</strong> dem <strong>in</strong> Frage stehenden Wirtschaftssektor<br />

durch den Betrieb e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dustriellen, gewerblichen o<strong>der</strong> Handelsunternehmens<br />

e<strong>in</strong>e aktive geschäftliche Tätigkeit entfaltet“.<br />

98


5. Das kaufmännische Unternehmen als s<strong>in</strong>nvolles<br />

Abgrenzungskriterium<br />

a) E<strong>in</strong>fach handhabbares und allgeme<strong>in</strong> relevantes Kriterium<br />

Das Bundesgericht erkennt dem Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Unternehmens zu Recht e<strong>in</strong>e wesentliche Funktion im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform zu. 260 Das kaufmännische Unternehmen<br />

stellt im Gegensatz zum „wirtschaftlichen Zweck“ e<strong>in</strong> klar bestimm-<br />

und e<strong>in</strong>fach handhabbares Kriterium dar. Entscheidend für das<br />

Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens s<strong>in</strong>d nicht subjektive<br />

Momente (wie sie für die Bestimmung des Zwecks massgebend s<strong>in</strong>d),<br />

son<strong>der</strong>n die Aussenwirkungen, welche für Gläubiger und Dritte erkennbar<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Das kaufmännische Unternehmen ist daher im Gesellschaftsrecht allgeme<strong>in</strong><br />

relevant. Nach <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>gültigen Wertung des Gesetzgebers<br />

ist das Vorliegen e<strong>in</strong>es solchen entscheidend dafür, ob bestimmte Gläubigerschutzbestimmungen<br />

greifen sollen. Es wäre daher s<strong>in</strong>nvoller gewesen,<br />

die Verwendungsmöglichkeiten des freiheitlichen Vere<strong>in</strong>srechts, das<br />

für Gläubiger nicht denselben Schutz bietet wie die Gesellschaftsformen<br />

des OR, anhand des Kriteriums kaufmännisches Unternehmen zu beschränken.<br />

261<br />

Dieser Ansicht s<strong>in</strong>d auch mehrere Autoren: Bereits BRINER weist darauf<br />

h<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber e<strong>in</strong>deutig e<strong>in</strong> viel grösseres Wagnis auf<br />

sich nahm, als er den „sogenannten idealen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n“ erlaubte, e<strong>in</strong> Geschäft<br />

nach kaufmännischer Art zu betreiben, als es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zulassung <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>sform für Wirtschaftsverbände durch das Bundesgericht lag. 262<br />

Auch HEINI hat bereits 1964 darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass es für das Publizitätsbedürfnis<br />

des Rechtsverkehrs nicht darauf ankommt, ob das E<strong>in</strong>greifen<br />

e<strong>in</strong>er Verbandsperson <strong>in</strong> das wirtschaftliche Geschehen das Ziel<br />

<strong>der</strong> Körperschaft darstellt, son<strong>der</strong>n dass entscheidend se<strong>in</strong> muss, ob und<br />

260<br />

Vgl. S. 35 ff.<br />

261<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits die Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Kommission des Nationalrates, wie<strong>der</strong>gegeben<br />

S. 26.<br />

262<br />

ROBERT BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />

WuR 1964, S. 75.<br />

99


<strong>in</strong> welchem Umfang die Teilnahme am geschäftlichen Verkehr Tatsache<br />

ist. 263<br />

Auch FORSTMOSER stellt sich auf den Standpunkt, dass die gesetzliche<br />

Konzeption <strong>in</strong>konsequent ist. FORSTMOSER hat die Ansicht vertreten,<br />

dass im H<strong>in</strong>blick auf die Interessen Dritter und <strong>der</strong> Beteiligten e<strong>in</strong><br />

verstärktes organisatorisches und f<strong>in</strong>anzielles Substrat weniger bei <strong>der</strong><br />

Verfolgung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zwecks als vielmehr bei <strong>der</strong> Führung<br />

e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens erfor<strong>der</strong>lich ist. Auch nach Ansicht<br />

FORSTMOSERS wäre es daher konsequent, wenn das kaufmännische<br />

Unternehmen relevant wäre, anstatt <strong>der</strong> wirtschaftliche Zweck. 264 In<br />

neuester Zeit schliesst sich WEBER dieser Me<strong>in</strong>ung an. 265<br />

b) Ausdrückliche Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit kaufmännischem<br />

Unternehmen<br />

Gemäss geltendem Gesetzestext ist jedoch ausdrücklich zulässig, dass<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben. Die Doktr<strong>in</strong><br />

schliesst sich <strong>der</strong> Zulässigkeit des kaufmännischen Unternehmens an,<br />

obwohl die Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens gezeigt hat, dass<br />

im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten die Abgrenzung wirtschaftlicher<br />

Zweck – kaufmännisches Unternehmen nicht immer klar war. 266 . Es wird<br />

allgeme<strong>in</strong> akzeptiert, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die entsprechend hohe Umsätze erzielen,<br />

bloss den liberalen Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts unterstehen, obwohl<br />

mehrere Autoren die Problematik erkennen.<br />

c) Ke<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>behandlung von „nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n“ mit<br />

kaufmännischem Unternehmen<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf den Gläubigerschutz dürfen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die zur Verfolgung<br />

e<strong>in</strong>es nichtwirtschaftlichen Zweckes e<strong>in</strong> kaufmännisches Unter-<br />

263<br />

ANTON HEINI, Bemerkungen zur schweizerischen Rechtsprechung <strong>der</strong> Jahre 1962-<br />

1964, ZSR 83 I (1964), S. 441 f.; bestätigend DERS., SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967,<br />

S. 525 f.<br />

264<br />

PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 155.<br />

265<br />

ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen, Basel 1998, S. 62 f. Auch CHRISTOPH<br />

HONEGGER, Probleme des Gläubigerschutzes im Vere<strong>in</strong>srecht, unveröffentlichte Diss.<br />

Basel 2000, erkennt das Problem. Er schlägt zur Lösung allerd<strong>in</strong>gs vor, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die<br />

e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben, verpflichtet werden, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gesellschaft<br />

des OR umzuwandeln o<strong>der</strong> das Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e solche auszuglie<strong>der</strong>n.<br />

266<br />

Zu den Unstimmigkeiten, die sich im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten ergeben haben,<br />

vgl. S. 24 ff.<br />

100


nehmen betreiben, nicht an<strong>der</strong>s behandelt werden, als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>en<br />

„wirtschaftlichen Zweck“ verfolgen. Obwohl e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en wirtschaftlich<br />

ausgerichteten Zweck verfolgt, im allgeme<strong>in</strong>en grössere Umsätze<br />

zu erzielen versucht, als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die zur Erreichung e<strong>in</strong>es ideellen<br />

o<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Zweckes e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben,<br />

so gibt es doch e<strong>in</strong>e Reihe von Beispielen, die das Gegenteil belegen.<br />

267 Im Rahmen <strong>der</strong> gesetzlichen Konzeption darf dieser Umstand jedenfalls<br />

ke<strong>in</strong>e Rolle spielen: Bei allen übrigen Gesellschaftsformen ist<br />

alle<strong>in</strong> das Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens entscheidend<br />

für die Ausgestaltung des Gläubigerschutzes. 268 Im Gegensatz zum Kriterium<br />

des kaufmännischen Unternehmens wird namentlich im Recht<br />

<strong>der</strong> Personengesellschaften – abgesehen vom Vere<strong>in</strong>srecht – nirgends an<br />

den wirtschaftlichen o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlichen Zweck angeknüpft. 269<br />

d) Weiterentwicklung <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt e<strong>in</strong>en Schritt <strong>in</strong> die<br />

richtige Richtung dar, weil sie die Tätigkeit <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> berücksichtigt.<br />

Dennoch vermag sie die Problematik „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />

Zweck“ 270 nicht befriedigend zu lösen. Indem das Bundesgericht die<br />

Relevanz des kaufmännischen Unternehmens mit dem „wirtschaftlichen<br />

Zweck“ verknüpft, werden die aufgezeigten Probleme im Zusammenhang<br />

mit diesem nicht beseitigt. Es stellt sich daher die Frage, ob <strong>der</strong><br />

Ansatz, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Ausdruck<br />

267<br />

Als Beispiel mag die Gesellschaft für das Gute und Geme<strong>in</strong>nützige Basel (GGG) dienen, e<strong>in</strong><br />

Vere<strong>in</strong> mit zweifellos geme<strong>in</strong>nützigem Charakter: Im Betriebsjahr 1999 betrugen die E<strong>in</strong>nahmen<br />

CHF 15.758 Mio., die Ausgaben CHF 11.322 Mio. Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalaufwand<br />

belief sich auf CHF 6 Mio. (vgl. Jahresbericht 1999/2000). – Zu den massiven Umsätzen,<br />

welche Sportvere<strong>in</strong>e (die allgeme<strong>in</strong> als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit nichtwirtschaftlichem Zweck angesehen<br />

werden) generieren, vgl. FN 144. – Auch ROLF H. WEBER, SPR II/4, Juristische Personen,<br />

Basel 1998, S. 62 f., deutet an, dass die Auffassung diskutabel ist, wonach Gläubiger<strong>in</strong>teressen<br />

bei den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftsordnung aktiv tätigen Gesellschaften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

höher zu bewerten s<strong>in</strong>d als bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die re<strong>in</strong> ideale Zwecke verfolgen.<br />

268<br />

Vgl. Art. 553 OR und Art. 595 OR.<br />

269<br />

Indem das Gesetz als Abgrenzungskriterium bei den Personengesellschaften das<br />

kaufmännische Gewerbe statuiert, kommt zum Ausdruck, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber bei diesen<br />

ke<strong>in</strong> grosses Gewicht auf das Innenverhältnis gelegt hat. Entscheidend sollen die Interessen<br />

aussenstehen<strong>der</strong> Drittpersonen se<strong>in</strong>. Entsprechend ist das Aussenverhältnis ausführlich<br />

und zw<strong>in</strong>gend geregelt, während die Innenbeziehungen weitgehend dispositiv s<strong>in</strong>d<br />

(RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten<br />

Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 59 f.).<br />

270<br />

Zur Problematik, was genau unter „wirtschaftlichem Zweck“ zu verstehen ist, vgl.<br />

S. 76 ff.<br />

101


kommt, angesichts <strong>der</strong> neuesten Gesetzgebungspläne – namentlich <strong>der</strong><br />

rechtsformunabhängigen Gläubigerschutzbestimmungen des geplanten<br />

Rechnungslegungsgesetzes 271 – nicht weiter entwickelt werden kann: Das<br />

Bundesgericht lässt bereits heute zu, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />

Zweck verfolgen, solange sie ke<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben.<br />

Wenn es gel<strong>in</strong>gt, für wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>nvolle Regeln zu<br />

f<strong>in</strong>den, welche das geschriebene Vere<strong>in</strong>srecht ergänzen und dessen Unzulänglichkeiten<br />

im H<strong>in</strong>blick auf den Gläubigerschutz beseitigen, so<br />

spricht nichts dagegen, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck unabhängig<br />

vom Vorliegen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens anzuerkennen. Gel<strong>in</strong>gt<br />

es, solche Regeln aufzustellen, so müssen diese s<strong>in</strong>nvollerweise<br />

auch für die allgeme<strong>in</strong> als zulässig angesehenen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten, die –<br />

ohne e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“ zu verfolgen – e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />

Unternehmen führen. Denn für sie s<strong>in</strong>d die geltenden Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts<br />

ebenso unzulänglich, wie für die neu anzuerkennenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />

Der Grund, weshalb dieser Schritt nicht bereits früher gemacht worden<br />

ist, dürfte nicht zuletzt dar<strong>in</strong> liegen, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> die sogenannte<br />

Typenlehre und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> numerus clausus <strong>der</strong> Verbandsformen<br />

bis anh<strong>in</strong> als H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis dafür angesehen worden s<strong>in</strong>d. Die<br />

Ausführungen im folgenden Kapitel werden zeigen, ob dieses H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis<br />

tatsächlich besteht.<br />

271 Vgl. dazu ausführlich S. 182 ff.<br />

102


VII. Das typologische Argument<br />

1. Vorbemerkung<br />

Die Typologie (Typenlehre) des schweizerischen Gesellschaftsrechts –<br />

e<strong>in</strong>e vergleichsweise neue Betrachtungsweise 272 – wird als wichtiges Argument<br />

gegen die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck<br />

<strong>in</strong>s Feld geführt. 273 Gemäss <strong>der</strong> Typenlehre stehen im eidgenössischen<br />

Gesellschaftsrecht acht Rechtsfiguren zur Verfügung. Es ist verboten,<br />

e<strong>in</strong>e dem schweizerischen Recht unbekannte Gesellschaftsform zu wählen.<br />

274 Im folgenden wird untersucht, ob die Typenlehre e<strong>in</strong>er Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts h<strong>in</strong> zur weitgehenden<br />

Anerkennung <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem<br />

Zweck tatsächlich entgegensteht.<br />

2. Numerus clausus <strong>der</strong> Verbandstypen<br />

a) Numerus clausus und verwandte Pr<strong>in</strong>zipien<br />

Nach herkömmlicher Ansicht ist das schweizerische Recht <strong>der</strong> Verbandspersonen<br />

stark geprägt vom Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> beschränkten Typenzahl<br />

(numerus clausus <strong>der</strong> Verbandstypen). Im Vertragsrecht steht das Pr<strong>in</strong>zip<br />

<strong>der</strong> Privatautonomie im Vor<strong>der</strong>grund; entsprechend können die<br />

Parteien beliebige Verträge abschliessen, auch völlig frei gestaltete Innom<strong>in</strong>atverträge.<br />

Zur Gründung e<strong>in</strong>er Verbandsperson soll h<strong>in</strong>gegen nur<br />

e<strong>in</strong>e beschränkte Zahl von Formen zur Verfügung stehen. Wer e<strong>in</strong> Gesellschaftsverhältnis<br />

e<strong>in</strong>gehen möchte, muss aufgrund <strong>der</strong> Typenlehre<br />

e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> im Gesetz abschliessend aufgezählten Rechtsformen wählen. Es<br />

soll verboten se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e dem schweizerischen Recht unbekannte Verbandsform<br />

zu wählen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e die zw<strong>in</strong>genden Schranken <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

272<br />

WERNER VON STEIGER, SPR VIII/1, Gesellschaftsrecht, Basel 1976, S. 302: In <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> wurde die Diskussion durch die Studie von PETER JÄGGI (1958) ausgelöst.<br />

273<br />

Vgl. etwa die Ausführungen im Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New<br />

York vom 27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 24 f. und namentlich die<br />

Dissent<strong>in</strong>g Op<strong>in</strong>ion von DR. CLAUS SCHELLENBERG, S. 27 ff.; PETER FORSTMOSER, Atypische<br />

und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung,<br />

SAG 1983, S. 153 f.<br />

274<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 11 N 3 f.<br />

103


gesetzlich vorgesehenen Formen überschreitende Mischung von verschiedenen<br />

Verbandsformen vorzunehmen. 275<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus <strong>der</strong> Verbandstypen wird ergänzt<br />

durch das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Typenfixierung. 276 Wenn das Gesetz bloss e<strong>in</strong>e beschränkte<br />

Anzahl von Typen zur Verfügung stellt, so muss mittels zw<strong>in</strong>gen<strong>der</strong><br />

Gesetzesbestimmungen dafür gesorgt werden, dass die e<strong>in</strong>zelnen<br />

gesetzlichen Typen nicht nach Belieben verän<strong>der</strong>t werden können. Die<br />

Durchführung des Grundsatzes <strong>der</strong> beschränkten Typenzahl ist vom<br />

Grad <strong>der</strong> Fixierung <strong>der</strong> gesetzlichen Typen abhängig. 277<br />

Ausserdem spielt <strong>der</strong> sogenannte Grundsatz <strong>der</strong> gesetzlichen Typenb<strong>in</strong>dung<br />

e<strong>in</strong>e Rolle. Dieser beschlägt die Frage nach den Verwendungsmöglichkeiten<br />

<strong>der</strong> gesetzlichen Typen. Bei strenger gesetzlicher Typenb<strong>in</strong>dung<br />

ist die Wahl <strong>der</strong> gesetzlich vorgesehenen Verbandsformen<br />

zusätzlich e<strong>in</strong>geschränkt, <strong>in</strong>dem etwa e<strong>in</strong>e bestimmte Verbandsperson<br />

lediglich für bestimmte Zwecke e<strong>in</strong>gesetzt werden darf. 278<br />

b) Begründung für das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus<br />

Die schweizerische Privatrechtsordnung baut auf dem Grundsatz <strong>der</strong><br />

Privatautonomie auf. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund bedarf das Pr<strong>in</strong>zip des<br />

numerus clausus <strong>der</strong> Verbandspersonen e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Rechtfertigung.<br />

279 Für die Beschränkung <strong>der</strong> Privatautonomie werden verschiedene<br />

Gründe angeführt: Das Bedürfnis nach Schutz von Drittpersonen, die<br />

mit e<strong>in</strong>er Gesellschaft <strong>in</strong> Rechtsbeziehungen treten, und ganz allgeme<strong>in</strong><br />

das Bedürfnis nach Verkehrssicherheit. Wer am Rechtsverkehr teilnimmt,<br />

soll sich darauf verlassen können, dass e<strong>in</strong>e Verbandsperson bestimmte<br />

Eigenschaften aufweist, welche durch die gewählte Rechtsform<br />

vorgegeben s<strong>in</strong>d und nicht durch <strong>in</strong>terne Abmachungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

275 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 11 N 2 und 4; ROBERT BRINER, Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />

WuR 1964, S. 80; PEDRAZZINI / OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts,<br />

4. Auflage Bern 1993, 9.1.2.3; MEIER-HAYOZ / SCHLUEP / OTT, Zur Typologie im<br />

schweizerischen Gesellschaftsrecht, ZSR 90 I (1971), S. 317 f.; ARNOLD KOLLER, Grundfragen<br />

e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg 1967, S. 96 ff.; ANTON HEINI,<br />

SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 527.<br />

276 HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 52-59 ZGB N 14, Bern 1993.<br />

277 PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />

S. 105 ff. und S. 116 f.; MEIER-HAYOZ / SCHLUEP / OTT, a.a.O., S. 318.<br />

278 Vgl. PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 112 f.; PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche<br />

Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG<br />

1983, S. 143 f.<br />

279 PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 119 ff.<br />

104


wegbedungen werden können. Auch <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> letzteren wird als<br />

Begründung angeführt. Vor allem bei Verbänden mit e<strong>in</strong>er grossen Zahl<br />

von Mitglie<strong>der</strong>n, die untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> nicht persönlich verbunden s<strong>in</strong>d,<br />

müsse das e<strong>in</strong>zelne Mitglied vor willkürlicher Behandlung durch die<br />

Mehrheit geschützt werden, <strong>in</strong>dem für die <strong>in</strong>terne Organisation e<strong>in</strong><br />

Rahmen abgesteckt wird. Das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus soll auch<br />

dem Schutz <strong>der</strong> Arbeitnehmenden und <strong>der</strong>jeniger Personen dienen, welche<br />

Verbandspersonen zur Geldanlage verwenden. 280<br />

c) Auswirkungen auf die Rechtsanwendung<br />

E<strong>in</strong>zelne Autoren schliessen aus dem Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus <strong>der</strong><br />

Verbandspersonen und <strong>der</strong> daraus abgeleiteten Unzulässigkeit von<br />

Mischformen, dass konsequenterweise auch bei <strong>der</strong> Rechtsanwendung<br />

ausschliesslich vom Recht e<strong>in</strong>er Verbandsform auszugehen sei. Es sollen<br />

ausschliesslich die gesetzlichen Regeln <strong>der</strong> von den Mitglie<strong>der</strong>n gewählten<br />

Form zur Anwendung kommen. Namentlich soll die analoge Rechtsanwendung<br />

verboten se<strong>in</strong>. 281<br />

An<strong>der</strong>e Autoren h<strong>in</strong>gegen schliessen trotz des Verbots von Mischformen<br />

nicht aus, dass bei Lücken im Recht e<strong>in</strong>er Verbandsperson gewisse<br />

Normen des Rechts e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Verbandsperson beigezogen<br />

werden. Die Anwendung erfolgt jedoch nie unmittelbar, son<strong>der</strong>n nur<br />

mittelbar, das heisst analog o<strong>der</strong> als Mittel zur Auslegung. 282<br />

280 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 11 N 5 f.; ARNOLD KOLLER, Grundfragen e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht,<br />

Freiburg 1967, S. 98. – Rechtsgeschichtlich hat die Beschränkung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Gesellschaftstypen<br />

allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Grund: Abgesehen von <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft,<br />

die bereits im römischen Recht bekannt war (societas), mussten sich die Personengesellschaften<br />

und juristischen Personen im Verlauf des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts gegenüber e<strong>in</strong>em verbandsfe<strong>in</strong>dlichen<br />

Staat durchsetzen. Das hatte zur Folge, dass nur diejenigen Verbände<br />

Rechtsschutz fanden, welche e<strong>in</strong>em praktischen Bedürfnis entsprachen. Vgl. dazu PEIDER<br />

MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968), S. 122 f. und<br />

ARNOLD KOLLER, a.a.O., S. 61 ff.<br />

281 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 11 N 4. BGE 82 II 292 (Groupement des Fournisseurs<br />

d’Horlogerie) bezeichnen sie <strong>in</strong> diesem Zusammenhang als Entgleisung. Dieselbe<br />

Me<strong>in</strong>ung hat PROF. FORSTMOSER bereits <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Parteigutachten im Verfahren vor e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong>ternationalen Schiedsgericht <strong>in</strong> New York geäussert. Die Mehrheit des Schiedsgerichts<br />

hat diese Haltung verworfen, die im Urteil prägnant mit „a law is a law“ zusammengefasst<br />

wird (vgl. Urteil vom 27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n XVII [1992],<br />

S. 11 ff.).<br />

282 Vgl. mit ausdrücklichem Bezug auf den Vere<strong>in</strong> RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r<br />

und nichtwirtschaftlicher Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948,<br />

105


3. Gesetzliche Positionierung des Vere<strong>in</strong>s im schweizerischen<br />

Gesellschaftsrecht<br />

Das schweizerische Gesellschaftsrecht kennt Personengesellschaften<br />

und Kapitalgesellschaften. Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft stehen sich als<br />

Personengesellschaften sehr nahe. Beide haben e<strong>in</strong>e stark personalistische<br />

Prägung, beiden ist e<strong>in</strong> starkes demokratisches Element <strong>in</strong>härent.<br />

Im Gegensatz dazu ist bei den Kapitalgesellschaften die Mitgliedschaft<br />

streng versachlicht. 283 Schlagwortartig kann die Unterscheidung folgen<strong>der</strong>massen<br />

dargestellt werden: Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n s<strong>in</strong>d die Tätigkeit und <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>kreis stark aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogen. Demgegenüber s<strong>in</strong>d Aktiengesellschaften<br />

„Cash-Masch<strong>in</strong>en“, die auf e<strong>in</strong>e anonyme Gew<strong>in</strong>nerzielung<br />

für austauschbare Beteiligungs<strong>in</strong>haber ausgerichtet s<strong>in</strong>d. Die Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d dagegen nicht austauschbar, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d<br />

nicht börsengängig.<br />

Von den Personengesellschaften <strong>der</strong> Art. 530 bis 619 OR unterscheiden<br />

sich Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft dadurch, dass sie als juristische<br />

Personen mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet s<strong>in</strong>d. 284<br />

Die herkömmliche Unterscheidung zwischen Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft<br />

liegt dar<strong>in</strong>, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> grundsätzlich zur Verfolgung von nichtwirtschaftlichen<br />

Zwecken dienen sollen, Genossenschaften h<strong>in</strong>gegen für<br />

die Verfolgung e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zweckes vorgesehen s<strong>in</strong>d. 285<br />

Ausserdem wird bei <strong>der</strong> Genossenschaft die geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe als<br />

Mittel zur Zweckverfolgung stark gewichtet. 286<br />

4. Ablehnung des typologischen Arguments<br />

a) Rechtswirklichkeit<br />

Die dargestellten Pr<strong>in</strong>zipien, welche aus <strong>der</strong> Typologie des Personenund<br />

Gesellschaftsrechts abgeleitet werden, vermögen als Argumente ge-<br />

S. 148. Vgl. auch HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 74 ff., Bern 1990,<br />

mit Ausführungen zur Frage, wann e<strong>in</strong>e Lücke im Gesetz vorliegt.<br />

283<br />

ANTON HEINI, Vorbemerkungen zu Art. 60-79 ZGB N 1, Basel 1996; MEIER-HAYOZ<br />

/ FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 3 N 13.<br />

284<br />

ANTON HEINI, a.a.O. N 2.<br />

285<br />

Vgl. dazu und zu den Folgen <strong>der</strong> gesetzlichen Ausgestaltung ausführlich ADRIAN<br />

MEILE, Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verschiedenheit ihrer Zwecke, Diss. Bern<br />

1947, S. 32 ff.<br />

286<br />

REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel 1998, S. 12.<br />

Vgl. dazu ausführlicher S. 149 ff.<br />

106


gen die Zulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nur dann zu überzeugen,<br />

wenn durch sie tatsächlich berechtigte Interessen geschützt werden können.<br />

Die Rechtswirklichkeit gibt jedenfalls e<strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>es Bild, als es<br />

aufgrund <strong>der</strong> dargestellten Pr<strong>in</strong>zipien erwartet werden müsste. Die im<br />

Gesetz geregelten Verbandspersonen werden oft nicht gemäss den Vorstellungen<br />

und Erwartungen des Gesetzgebers verwendet. Die gesetzlichen<br />

Regelungen werden zum Beispiel durch Parteiabreden stark verän<strong>der</strong>t.<br />

Bereits das Gesetz belässt für alle Verbandspersonen e<strong>in</strong>en erheblichen<br />

Spielraum für <strong>in</strong>dividuelle Ausgestaltungen; für viele Problemkreise<br />

bestehen ke<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>genden gesetzlichen Bestimmungen. 287 Auch völlig<br />

atypische Verbände können demnach selbst unter den Gesichtspunkten<br />

e<strong>in</strong>er strengen Typologie rechtmässig se<strong>in</strong>, soweit ke<strong>in</strong> zw<strong>in</strong>gendes<br />

Recht besteht. 288 Durch Ausschöpfung <strong>der</strong> entsprechenden Verwendungs-<br />

und Gestaltungsmöglichkeiten und unter Beizug von aussergesellschaftsrechtlichen<br />

Mitteln wie Stimmb<strong>in</strong>dungsverträgen, fiduziarischen<br />

Verträgen o<strong>der</strong> Bürgschaften ist es möglich, unter <strong>der</strong> Etikette<br />

e<strong>in</strong>er bestimmten Verbandsform e<strong>in</strong> Rechtsverhältnis zu schaffen, das <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>en Auswirkungen <strong>der</strong> gesetzlichen Ordnung e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Verbandsform<br />

entspricht. Durch die Komb<strong>in</strong>ation verschiedener Verbände<br />

als Konzern o<strong>der</strong> als rechtlich getrennte Organisationen, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>kreise<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger identisch s<strong>in</strong>d, können ausserdem Resultate<br />

erzielt werden, welche den Intentionen <strong>der</strong> gesetzlichen Ordnung<br />

diametral entgegen stehen. 289 Es gibt Autoren, welche vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

<strong>der</strong> grossen Gestaltungsfreiheit im schweizerischen Personen- und<br />

Gesellschaftsrecht die Frage aufwerfen, ob <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> beschränkten<br />

Typenzahl überhaupt gilt. 290<br />

287<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 11 N 4.<br />

288<br />

PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 143, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen, und<br />

S. 145.<br />

289<br />

PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />

S. 29 ff.; ARNOLD KOLLER, Grundfragen e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg<br />

1967, S. 116 f.; RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />

Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 150.<br />

290<br />

Vgl. etwa PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 116 ff.; KURT NAEF, Kennt das schweizerische<br />

Recht die stille Gesellschaft?, ZBJV 96 (1960), S. 268.<br />

107


) Berücksichtigung schützenswerter Interessen<br />

Angesichts <strong>der</strong> neuesten Gesetzgebung, gemäss welcher selbst rechtsformübergreifende<br />

Fusionen zugelassen werden sollen 291 , sche<strong>in</strong>t fraglich,<br />

ob am genannten Grundsatz festgehalten werden soll. 292 Die Interessen,<br />

welche zur Rechtfertigung des E<strong>in</strong>griffs <strong>in</strong> die Privatautonomie<br />

angeführt werden, s<strong>in</strong>d durchaus berechtigt und schützenswert. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

ersche<strong>in</strong>t das Mittel des numerus clausus <strong>der</strong> Typenzahl <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Praxis als nicht tauglich. Selbst wenn die e<strong>in</strong>zelnen gesetzlichen Typen<br />

mittels zw<strong>in</strong>gendem Recht stärker fixiert würden, so wären früher o<strong>der</strong><br />

später zusätzliche gesetzliche Typen zu schaffen, 293 da sonst e<strong>in</strong>e ganze<br />

Reihe von berechtigten und neu entstehenden Bedürfnissen des Rechtslebens<br />

nicht mehr abgedeckt werden könnten. 294 Zusätzliche gesetzliche<br />

Typen könnten ihrerseits jedoch nie sämtliche Bedürfnisse des Rechtslebens<br />

abdecken; es käme zwangsläufig zu neuen und wohl auch erfolgrei-<br />

291 Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />

Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4337 ff.<br />

292 Kritisch offenbar auch FRANK VISCHER, Besprechung von HEINI, Das schweizerische<br />

Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991, S. 365: „Ich würde eher den Mut des Bundesgerichts zur Erweiterung<br />

des numerus clausus <strong>der</strong> Verbandspersonen hervorheben.“<br />

293 Vgl. als Beispiel die Vorschläge <strong>der</strong> GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“<br />

zu e<strong>in</strong>er neuen Personengesellschaft mit beschränkter Haftung, Schlussbericht vom<br />

24.09.1993, S. 53.<br />

294 PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />

S. 118 f. Vgl. auch das Gutachten von PROF. FRANK VISCHER zu Handen <strong>der</strong> Basler Handelskammer,<br />

zitiert bei BRINER, Zur Rechtsform <strong>der</strong> schweizerischen Wirtschaftsverbände,<br />

WuR 1964, S. 76, und die H<strong>in</strong>weise von ROBERT BRINER, a.a.O. S. 81 ff. Bereits<br />

ERNST PESTALOZZI, Der Begriff des idealen Vere<strong>in</strong>s, Diss. Zürich 1952, S. 6 f., wies im<br />

Jahr 1952 darauf h<strong>in</strong>, dass das schweizerische Recht ke<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Rechtsform für körperschaftliche<br />

Zusammenschlüsse des Wirtschaftslebens ohne Erwerbszweck zur Verfügung<br />

stellt; für körperschaftliche Zusammenschlüsse des wirtschaftlichen Lebens also, die<br />

ohne eigenen Erwerbszweck die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

zum Ziel haben. PESTALOZZI hält ausdrücklich fest, dass das Genossenschaftsrecht den<br />

Bedürfnissen des Wirtschaftslebens nicht zu genügen vermag. Daher muss die Lücke, die<br />

sich aus den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens ergibt, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie mittels <strong>der</strong> Regeln<br />

über den idealen Vere<strong>in</strong> i.S.d. ZGB geschlossen werden.<br />

108


chen Versuchen 295 , die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit an Verbände<br />

abzudecken. 296<br />

Erfolgversprechen<strong>der</strong> wirkt dagegen <strong>der</strong> Ausbau von gesetzlichen Bestimmungen,<br />

welche die genannten Interessen unabhängig von e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Verbandsform berücksichtigen. Als Beispiel seien etwa die<br />

e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen h<strong>in</strong>sichtlich Arbeitnehmer- und Anlegerschutz<br />

genannt. Diese stehen bereits heute überwiegend losgelöst von<br />

e<strong>in</strong>zelnen Verbandsformen. Mittels Son<strong>der</strong>normen können auch die übrigen<br />

schützenswerten Interessen sehr viel besser berücksichtigt werden,<br />

<strong>in</strong>dem sie – unabhängig von <strong>der</strong> Rechtsform – gezielt etwa für grosse<br />

o<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>e Unternehmen, Banken o<strong>der</strong> sonstige bestimmte Konstellationen<br />

gelten. 297 Der jüngste Gesetzesentwurf, <strong>der</strong> genau dieses Ziel verfolgt,<br />

ist <strong>der</strong> Vorentwurf zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />

und Revision (VERRG). In diesem Gesetz werden<br />

rechtsformunabhängig Bestimmungen zur Rechnungslegung und allgeme<strong>in</strong><br />

zum Gläubigerschutz aufgestellt. 298<br />

c) Fehlende Typenb<strong>in</strong>dung betreffend wirtschaftlichen Zweck<br />

Für die Bejahung <strong>der</strong> Zulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> braucht jedoch<br />

das Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus nicht unbed<strong>in</strong>gt über Bord geworfen<br />

o<strong>der</strong> erweitert zu werden. Die Zulässigkeit wirtschaftlicher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

kann auch am Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung anknüpfen, da <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche<br />

e<strong>in</strong>e kaufmännisches Unternehmen betreiben, gemäss geltendem Gesetz<br />

295<br />

Vgl. dazu die Ausführungen <strong>der</strong> GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“,<br />

Schlussbericht vom 24.09.1993, S. 59 f.: „Die vom Gesetzgeber beabsichtigte starke Typenb<strong>in</strong>dung<br />

des Genossenschaftsrechts hat [...] nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis atypische<br />

Genossenschaften auch unter dem revidierten Recht erhalten blieben o<strong>der</strong> sich gar<br />

erst unter diesem entwickelten.“<br />

296<br />

In diesem Zusammenhang sei auch auf die jüngsten For<strong>der</strong>ungen nach e<strong>in</strong>em Son<strong>der</strong>recht<br />

für KMU h<strong>in</strong>gewiesen (z.B. Postulat Baumberger vom 2.10.1975 betreffend Revision<br />

des Aktienrechts, Postulat <strong>der</strong> Kommission für Rechtsfragen des Stän<strong>der</strong>ates vom<br />

15.04.1992 betreffend Gesellschaftsform für Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe und Antrag zu e<strong>in</strong>er<br />

Motion von Nationalrat Flüh vom 10.12.1992 betreffend Gesellschaftsform für Kle<strong>in</strong>und<br />

Mittelbetriebe – vgl. dazu GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“, a.a.O.,<br />

S. 21 ff.), welches ansatzweise etwa im VERRG verwirklicht wird.<br />

297<br />

PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />

S. 126 ff.<br />

298<br />

EXPERTENKOMMISSION „RECHNUNGSLEGUNGSRECHT“, Revision des Rechnungslegungsrechtes,<br />

Vorentwürfe und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />

und Revision (RRG) und zu e<strong>in</strong>er Verordnung über die Zulassung von Abschlussprüfern<br />

(VZA) vom 28. Juni 1998 zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und<br />

Polizeidepartementes. – Vgl. dazu unten S. 183 ff.<br />

109


ausdrücklich zulässig s<strong>in</strong>d. Konkret geht es um die Frage nach <strong>der</strong> Berechtigung<br />

<strong>der</strong> Beschränkung gewisser gesetzlicher Typen auf die Verfolgung<br />

wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher Zwecke. E<strong>in</strong>e solche<br />

Beschränkung lässt sich nur rechtfertigen, wenn wichtige Gründe dafür<br />

bestehen, die Art und Weise <strong>der</strong> Verfolgung wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher<br />

Zwecke zw<strong>in</strong>gend vorzuschreiben. 299 Wie bereits im Zusammenhang<br />

mit dem Führen e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens ausgeführt<br />

wurde, s<strong>in</strong>d solche Gründe nicht ersichtlich. Entsprechend<br />

stehen die meisten Verbandsformen des schweizerischen Rechts bereits<br />

heute für die Verfolgung sowohl wirtschaftlicher als auch nichtwirtschaftlicher<br />

Zwecke offen. 300 Nach Ansicht MENGIARDIS kennt die<br />

schweizerische Rechtsordnung daher den Grundsatz <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung<br />

gar nicht, wenn es um die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke geht. 301<br />

Auch die meisten unserer Nachbarrechtsordnungen s<strong>in</strong>d entsprechend<br />

konzipiert. 302 Es ist daher nicht e<strong>in</strong>zusehen, weshalb ausgerechnet <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong> – als e<strong>in</strong>zige Gesellschaftsform – Beschränkungen unterstehen<br />

soll, welche an e<strong>in</strong> Kriterium anknüpfen, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis nicht s<strong>in</strong>nvoll<br />

ersche<strong>in</strong>t. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass das Abgrenzungskriterium,<br />

welches für allfällige Beschränkungen handhabbar wäre, das<br />

Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens ist. Da das Gesetz <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

das Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens aber ausdrücklich<br />

erlaubt, sollte die Verwendungsmöglichkeit des Vere<strong>in</strong>s nicht<br />

unter Berufung auf das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung und gestützt auf e<strong>in</strong>en<br />

allfälligen wirtschaftlichen Zweck beschränkt werden. Dies bed<strong>in</strong>gt allerd<strong>in</strong>gs,<br />

dass für wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bestimmte Probleme an<strong>der</strong>s<br />

angegangen und gelöst werden müssen als für herkömmliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

welche beim Verfassen des Textes des ZGB im Vor<strong>der</strong>grund standen. 303<br />

d) Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung<br />

Die bereits dargestellte Me<strong>in</strong>ung, aus dem Pr<strong>in</strong>zip des numerus clausus<br />

<strong>der</strong> Gesellschaftstypen ergebe sich, dass die analoge Anwendung von<br />

299<br />

PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />

S. 196.<br />

300<br />

Vgl. dazu bereits S. 31.<br />

301<br />

PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 197 f. und S. 126 ff.<br />

302<br />

PEIDER MENGIARDI, a.a.O., S. 196 f.<br />

303<br />

Dieser Gedanke f<strong>in</strong>det sich auch im Urteil des Appellationsgerichts Bern vom<br />

27.06.1986 (<strong>Schweiz</strong>erischer Reit- und Fahrsportverband, ZBJV 124, S. 311 ff.) – Vgl. dazu ausführlich<br />

Teil C dieser Arbeit S. 127 ff.<br />

110


Normen e<strong>in</strong>er Gesellschaftsform auf e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e ausgeschlossen sei, 304<br />

ist abzulehnen. Die Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung im Gesellschaftsrecht<br />

ist namentlich dann zu bejahen, wenn feststeht, dass bei <strong>der</strong><br />

Formulierung von Gesetzesbestimmungen nicht von den heute bestehenden<br />

Realitäten ausgegangen worden ist. Im Handels- und Wirtschaftsrecht<br />

hatten die Rechtstatsachen seit jeher e<strong>in</strong>en wesentlichen<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die Rechtslage (normative Kraft des Faktischen). KRAMER<br />

führt im Rahmen se<strong>in</strong>er Ausführungen zum Vorrang <strong>der</strong> entstehungszeitlichen<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> geltungszeitlichen Interpretation aus: „Wird die<br />

Stellungnahme des historischen Gesetzgebers und die daraus ableitbare<br />

Interpretation heutigen Gegebenheiten nicht mehr gerecht, wi<strong>der</strong>sprechen<br />

sie vor allem auch Wertungen, die sich aus aktueller Gesetzgebung<br />

ableiten lassen, so muss sich <strong>der</strong> Interpret ke<strong>in</strong>eswegs zähneknirschend<br />

<strong>in</strong> das ihm historisch Vorgegebene fügen, son<strong>der</strong>n ist zu e<strong>in</strong>er gegenwartsbezogenen<br />

Interpretation befugt, ja sogar verpflichtet.“ 305 In diesem<br />

Zusammenhang bemerkenswert ist auch e<strong>in</strong> jüngerer Entscheid des<br />

Bundesgerichts zur Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit von Umwandlungen im Gesellschaftsrecht.<br />

Obwohl das Bundesgericht ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>gewiesen<br />

hat, dass im konkreten Fall erhebliche Gläubiger-, Aktionärs-<br />

und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<strong>in</strong>teressen auf dem Spiel standen, und die <strong>in</strong> Frage stehende<br />

Umwandlung e<strong>in</strong>er Gesellschaft mit beschränkter Haftung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Aktiengesellschaft auch als „de nature [...] à violer des dispositions<br />

impératives sur la structure de base des différentes formes juridiques en<br />

cause ou édictées dans l’<strong>in</strong>térêt public“ bezeichnete, liess es die Umwandlung<br />

dennoch zu. Das Bundesgericht wies als Begründung auf die<br />

Entwicklung des „contexte économique“ seit <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> Bestimmungen<br />

des OR h<strong>in</strong>, welche <strong>der</strong> Gesetzgeber offenbar nicht vorausgesehen<br />

hatte. Den gefährdeten Gläubiger-, Aktionärs- und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<strong>in</strong>teressen<br />

trug das Bundesgericht nicht dadurch Rechnung, dass es<br />

304 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 11 N 4; PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften<br />

und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 145. Vgl. S. 105.<br />

305 ERNST A. KRAMER, Juristische Methodenlehre, Bern 1998, S. 104, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />

Die von KRAMER an an<strong>der</strong>er Stelle geäusserte Me<strong>in</strong>ung (a.a.O., S. 169 f.), die Bejahung<br />

<strong>der</strong> Zulässigkeit von wirtschaftliche Zwecke verfolgenden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unter blosser<br />

Rücksicht auf die „réalité des faits économiques“ stelle e<strong>in</strong>e illegitime Entscheidung<br />

„contra rationem legis“ dar, vermag h<strong>in</strong>gegen nicht zu überzeugen. Dies <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

deshalb, weil die Darstellung <strong>der</strong> Entstehungsgeschichte <strong>der</strong> Bestimmungen des ZGB<br />

zeigt, dass die Zwecksetzung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen gesetzlichen Regelungen ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>deutig<br />

ist (was gemäss KRAMER e<strong>in</strong>e Voraussetzung für die Unzulässigkeit des Judizierens<br />

„contra rationem legis“ wäre).<br />

111


die geplante Umwandlung untersagte, son<strong>der</strong>n dadurch, dass es <strong>in</strong> Anwendung<br />

von Art. 1 Abs. 2 und 3 ZGB Regeln aufstellte, welche dem<br />

Schutz <strong>der</strong> gefährdeten Interessen dienen. 306<br />

Die Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung muss aber auch dann<br />

gelten, wenn das Gesetz für gewisse Fragen dispositive Bestimmungen<br />

enthält, die für e<strong>in</strong>en konkreten Sachverhalt nicht passen. So führt denn<br />

etwa KOLLER aus, dass selbst <strong>der</strong> numerus clausus <strong>der</strong> Gesellschaftsformen<br />

lediglich erfor<strong>der</strong>t, dass die zw<strong>in</strong>genden Bestimmungen <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Gesellschaftsform unmittelbar angewendet werden. H<strong>in</strong>gegen<br />

muss h<strong>in</strong>sichtlich aller Elemente, welche <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Gesellschaftsform<br />

lediglich durch dispositive gesetzliche Bestimmungen geregelt s<strong>in</strong>d,<br />

gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB e<strong>in</strong>e Normberichtigung vorgenommen werden,<br />

wenn die dispositiven Bestimmungen für den konkreten Sachverhalt<br />

nicht passen. 307 Dies geschieht s<strong>in</strong>nvollerweise mittels Analogien zu<br />

an<strong>der</strong>en Gesellschaftsformen. Die Beachtung von solchen Regeln ist<br />

aber nicht nur bei eigentlichen Gesetzeslücken zulässig. RIEMER führt<br />

diesbezüglich zutreffend aus, dass die Regeln an<strong>der</strong>er Gesellschaftsformen<br />

auch als Hilfsmittel zur Beantwortung von Auslegungs- und Anwendungsfragen<br />

betreffend geschriebenes Vere<strong>in</strong>srecht beigezogen werden<br />

können. 308<br />

Schliesslich s<strong>in</strong>d mit RIEMER auch im Zusammenhang mit an<strong>der</strong>en<br />

Gesellschaftsformen entwickelte und geschriebene Regeln zu an<strong>der</strong>en<br />

Gesellschaften auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> anzuwenden, sofern diesen allgeme<strong>in</strong>er o<strong>der</strong><br />

gar fundamentaler Charakter für das Gesellschaftsrecht zukommt. 309 Die<br />

folgenden Ausführungen 310 werden zeigen, dass bei <strong>der</strong> neueren Gesetzgebung<br />

die Tendenz besteht, gewisse Probleme – die sich im ganzen Gesellschaftsrecht<br />

rechtsformunabhängig stellen – mit e<strong>in</strong>heitlichen, von<br />

den e<strong>in</strong>zelnen Gesellschaftsformen losgelösten Regeln anzugehen. Angesichts<br />

dieser Entwicklung ersche<strong>in</strong>t es erst recht unbedenklich, <strong>in</strong> Bereichen,<br />

<strong>in</strong> welchen die Gesetzgebung <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne noch nicht sehr<br />

306 BGE 125 III 18.<br />

307 ARNOLD KOLLER, Grundfragen e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg<br />

1967, S. 168 ff. Im e<strong>in</strong>zelnen ist wie folgt vorzugehen: Zunächst ist zu ermitteln, welche<br />

Interessen auf dem Spiel stehen. Dann ist zu prüfen, wie das Gesetz ähnliche Interessenlagen<br />

bewertet und die anstehenden Probleme löst. Dies führt zum Schluss, dass bestimmte<br />

Gesetzesnormen wegen Gleichwertigkeit des <strong>in</strong> ihnen geregelten Tatbestandes<br />

mit dem <strong>in</strong> Frage stehenden analog anzuwenden s<strong>in</strong>d.<br />

308 HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 77, Bern 1990.<br />

309 DERS., a.a.O. N 100. In gleichem S<strong>in</strong>ne auch R. DALLAFIOR, Durchsetzung des gesetzlichen<br />

Anspruchs auf E<strong>in</strong>berufung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sversammlung, SJZ 85 (1989), S. 377.<br />

310 S. 117 und ausführlich S. 183 ff. betreffend das geplante Rechnungslegungsgesetz.<br />

112


fortgeschritten ist, sachlich s<strong>in</strong>nvolle Regeln analog anzuwenden, um berechtigte<br />

Interessen zu schützen.<br />

In <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts f<strong>in</strong>den sich verschiedentlich<br />

Beispiele analoger Rechtsanwendung im Gesellschaftsrecht. Aus<br />

dem Bereich des Vere<strong>in</strong>srechts sei an dieser Stelle lediglich auf BGE 76<br />

II 281 (<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche, 1950) 311 und BGE<br />

82 II 292 (Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956) 312 h<strong>in</strong>gewiesen. 313<br />

Auch im Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom<br />

27.05.1991 314 wird festgehalten: „It seems to the majority of the Tribunal<br />

unsound to say that the form of a Vere<strong>in</strong> is unsuitable for an association<br />

of commercial enterprises [...] and then when they do exist and are approved<br />

by the Fe<strong>der</strong>al (Supreme) Court to apply to such associations restrictions<br />

clearly designed for and directed to a quite different type of<br />

association.“ Die Mehrheit des Schiedsgerichts bejahte entsprechend die<br />

Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung und folgte dar<strong>in</strong> dem Parteigutachten<br />

von PROF. FRANK VISCHER. 315<br />

Zusammenfassend kann mit WERNER VON STEIGER festgehalten<br />

werden: Der „typologische Boden“ wird dort schwankend, „wo es um<br />

Auslegungsfragen geht – dies vor allem deshalb, weil es gerade <strong>in</strong> den<br />

wichtigsten Gebieten kaum (o<strong>der</strong> gar nicht) möglich ist, genügend feststehende<br />

gesetzliche Leitbil<strong>der</strong> zu f<strong>in</strong>den. Dies muss sich auch auf die<br />

Rechtsanwendung auswirken, wobei <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> Diskussion<br />

offensichtlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Tragweite allgeme<strong>in</strong>er (oberster)<br />

Pr<strong>in</strong>zipien – kodifizierter und ungeschriebener – und damit ihrer Anwendbarkeit<br />

auf die verschiedenen Gesellschafts-Formen und -Typen<br />

liegt. Hier die – unter Abwägung <strong>der</strong> Postulate <strong>der</strong> Rechtssicherheit und<br />

<strong>der</strong> Fallgerechtigkeit – richtige Lösung zu f<strong>in</strong>den, ist e<strong>in</strong>e Aufgabe, die<br />

nicht nach abstrakten Regeln, son<strong>der</strong>n nur nach richtigem Ermessen<br />

gelöst werden kann.“ 316<br />

311<br />

Vgl. dazu S. 44.<br />

312<br />

Vgl. dazu S. 46.<br />

313<br />

E<strong>in</strong>e umfassen<strong>der</strong>e Aufzählung f<strong>in</strong>det sich bei HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art.<br />

60-79 ZGB N 78 ff., Bern 1990.<br />

314<br />

Vgl. dazu S. 56.<br />

315<br />

Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 18 f.<br />

316<br />

WERNER VON STEIGER, SPR VIII/1, Gesellschaftsrecht, Basel 1976, S. 309 f.<br />

113


e) Schlussfolgerungen<br />

Das typologische Argument steht <strong>der</strong> Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />

wirtschaftlichem Zweck nicht entgegen. Zur Anerkennung solcher<br />

braucht <strong>der</strong> numerus clausus <strong>der</strong> Gesellschaftstypen nicht unbed<strong>in</strong>gt erweitert<br />

zu werden, wenn man sich vor Augen hält, dass das schweizerische<br />

Recht den Grundsatz <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung nicht kennt, wenn es um<br />

die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke geht, und dass gemäss ausdrücklicher<br />

gesetzlicher Anordnung wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zulässig<br />

s<strong>in</strong>d, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben.<br />

Durch die Anwendung neuer gesetzlicher Regeln, wie sie etwa das geplante<br />

Rechnungslegungsgesetz vorsieht, und durch Berücksichtigung<br />

allgeme<strong>in</strong>-gesellschaftsrechtlicher Pr<strong>in</strong>zipien sowie durch analoge Anwendung<br />

von passenden Bestimmungen zu an<strong>der</strong>en Gesellschaftsformen<br />

können Regeln gefunden werden, welche wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />

und ohne kaufmännischem Unternehmen gerecht werden.<br />

114


VIII. Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Argumente<br />

für die Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />

wirtschaftlichem Zweck als Teilkategorie<br />

von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />

1. Vorbemerkungen<br />

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass es gute Gründe dafür<br />

gibt, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck mit dem Bundesgericht<br />

und e<strong>in</strong>em Teil <strong>der</strong> Lehre als zulässig anzuerkennen. Angesichts <strong>der</strong><br />

neuesten Tendenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesetzgebung gilt dies gar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren<br />

Masse, als es das Bundesgericht bis anh<strong>in</strong> getan hat. Für entsprechende<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> müssen jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bereichen an<strong>der</strong>e Regeln gelten, als<br />

sie für herkömmliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> entwickelt worden s<strong>in</strong>d. Zugleich s<strong>in</strong>d<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck nicht isoliert zu betrachten, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> Zusammenhang zu stellen mit weiteren Ersche<strong>in</strong>ungsformen, die<br />

ebenfalls beson<strong>der</strong>er Regeln bedürfen: Nämlich mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters.<br />

Im folgenden werden die e<strong>in</strong>zelnen Argumente nochmals übersichtsartig<br />

wie<strong>der</strong>gegeben, bevor im H<strong>in</strong>blick auf die beson<strong>der</strong>en Regeln 317<br />

dargestellt wird, für welche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> diese Regeln Geltung beanspruchen.<br />

2. Status quo<br />

a) Diskrepanz zwischen Gesetz und Rechtswirklichkeit<br />

Die geltende Regelung des ZGB ist für kle<strong>in</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> konzipiert, die<br />

sich nicht am Wirtschaftsleben beteiligen. Entsprechend s<strong>in</strong>d die gesetzlichen<br />

Bestimmungen des ZGB weitgehend dispositiver Natur und enthalten<br />

– im Gegensatz zu jenen für die Gesellschaftsformen des OR –<br />

ke<strong>in</strong>e expliziten Bestimmungen über den Gläubigerschutz. Trotz dieser<br />

Konzeption haben sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit e<strong>in</strong>e Vielzahl von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

gebildet, welche den genannten Rahmen sprengen. 318 Diese Entwicklung<br />

wurde unter an<strong>der</strong>em durch die Tatsache begünstigt, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

gemäss geltendem Gesetz e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen führen<br />

317 Diese Regeln f<strong>in</strong>den sich im Abschnitt C, Beson<strong>der</strong>e Problemkreise, S. 127 ff.<br />

318 S. 7 ff. und S. 34 ff.<br />

115


dürfen. 319 An<strong>der</strong>erseits ist auch <strong>der</strong> Umstand massgebend, dass das Bundesgericht<br />

schon vergleichsweise früh <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlicher Ausrichtung<br />

und namentlich mit „wirtschaftlichem Zweck“ unter bestimmten<br />

Bed<strong>in</strong>gungen zugelassen hat.<br />

b) E<strong>in</strong>stellung von Judikatur und Doktr<strong>in</strong><br />

Während die Doktr<strong>in</strong> zwar e<strong>in</strong>zelne konkrete Fälle von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />

wirtschaftlicher Ausrichtung billigt, stellte sie sich bis anh<strong>in</strong> auf theoretischer<br />

Ebene überwiegend auf den Standpunkt, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit „wirtschaftlichem<br />

Zweck“ seien gemäss <strong>der</strong> Regelung des ZGB unzulässig. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

ist es <strong>der</strong> Lehre bis heute nicht gelungen, e<strong>in</strong>deutige Kriterien<br />

dafür festzulegen, wann e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en „wirtschaftlichen Zweck“ verfolgt.<br />

In diesem Zusammenhang beson<strong>der</strong>s heikel ist auch die Abgrenzung<br />

des Zwecks von den Mitteln, welche gemäss herrschen<strong>der</strong> Lehre<br />

wirtschaftlich se<strong>in</strong> dürfen. Die diesbezüglichen Kriterien, welche von<br />

<strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> angeboten werden, ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis unpraktikabel,<br />

namentlich wenn <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>e Mehrzahl von Zwecken verfolgen o<strong>der</strong><br />

wenn sie im Laufe <strong>der</strong> Zeit neue Zwecke anvisieren o<strong>der</strong> Schwerpunkte<br />

verlagern. 320<br />

Demgegenüber nahm das Bundesgericht schon sehr früh e<strong>in</strong>e wesentlich<br />

permissivere Haltung e<strong>in</strong>. Es erkannte zu Recht, dass sich die Kriterien<br />

„wirtschaftlicher Zweck“ und wirtschaftliche Tätigkeit (namentlich<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens) nicht e<strong>in</strong>deutig trennen<br />

lassen, und dass die wirtschaftliche Tätigkeit e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss<br />

auf die Ausgestaltung des Gläubigerschutzes haben muss. 321<br />

c) Ungenügende gesetzliche Regelung für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit kaufmännischem<br />

Unternehmen<br />

Die geltende Regelung des ZGB ersche<strong>in</strong>t für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ungenügend,<br />

welche e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben. Unabhängig davon,<br />

ob e<strong>in</strong>e Gesellschaft e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en nichtwirtschaftlichen<br />

Zweck verfolgt, besteht e<strong>in</strong> Bedarf nach verstärktem Gläubigerschutz,<br />

sobald die Gesellschaft im Rechtsverkehr – aufgrund von Verträgen<br />

über Sach- o<strong>der</strong> Dienstleistungen – erhebliche Vermögenswerte<br />

319 S. 95 ff.<br />

320 S. 69 ff.<br />

321 S. 34 ff.<br />

116


ewegt beziehungsweise umsetzt. Ausschlaggebend ist <strong>der</strong> damit verbundene<br />

Publikumskontakt. 322<br />

3. Neue Perspektiven<br />

Das <strong>in</strong> Vorbereitung bef<strong>in</strong>dliche Rechnungslegungsgesetz eröffnet für<br />

die Frage nach <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher Ausrichtung<br />

neue Perspektiven. Das geplante Gesetz soll gemäss Vorentwurf<br />

rechtsformunabhängige Bestimmungen betreffend den Gläubigerschutz<br />

bei Gesellschaften enthalten. Die entsprechenden Regeln dienen<br />

auch dem Schutz <strong>der</strong> Betriebsangehörigen und <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. 323 Sie entsprechen<br />

bereits heute geltenden, im OR enthaltenen Bestimmungen,<br />

welchen fundamentaler Charakter für das Gesellschaftsrecht zukommt;<br />

dies nicht zuletzt deshalb, weil die übernommenen Bestimmungen des<br />

geltenden Rechts aufgrund von Querverweisen bereits heute für die meisten<br />

Gesellschaftsformen gelten. 324 Wenn <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem<br />

Zweck, bei denen sich diesbezüglich Probleme ergeben, den Bestimmungen<br />

des geplanten Rechnungslegungsgesetzes unterstellt werden, so<br />

wird das Argument h<strong>in</strong>fällig, nur die Son<strong>der</strong>ordnung des OR werde <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

mit wirtschaftlichem Zweck gerecht. 325<br />

322 S. 95 ff.<br />

323 Vgl. MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage<br />

Bern 1998, § 8 N 5 ff.; Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über Rechnungslegung<br />

und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 63.<br />

324 Auf diesen Umstand wird ausführlich S. 182 ff. e<strong>in</strong>gegangen.<br />

325 In diesem S<strong>in</strong>ne etwa RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />

Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 60 und S. 153 f. – Im<br />

übrigen sei auf die Ausführungen PEIDER MENGIARDIS, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts,<br />

ZSR 87 II (1968), S. 133 und 202 f. verwiesen: Ke<strong>in</strong> gesetzlicher Typus<br />

kann den Gläubigern e<strong>in</strong>e Gewähr für die Kreditwürdigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft bieten. Wer<br />

sich mit e<strong>in</strong>er Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Geschäftsbeziehungen e<strong>in</strong>lässt, muss sich bewusst<br />

se<strong>in</strong>, dass unter Umständen ke<strong>in</strong> Haftungssubstrat vorhanden ist. Beim Vere<strong>in</strong> stellen sich<br />

<strong>in</strong> dieser Beziehung ke<strong>in</strong>e unbekannten Probleme. In Bezug auf die Publizität und die<br />

Buchführungspflicht gelten für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche e<strong>in</strong> nach kaufmännischer Art geführtes<br />

Gewerbe betreiben, bereits nach geltendem Recht die selben Vorschriften wie für die<br />

ausserordentlich verbreiteten E<strong>in</strong>zelunternehmungen (gemäss MEIER-HAYOZ /<br />

FORSTMOSER, a.a.O., § 25 N 19, waren Ende 1996 im Handelsregister 131'285 E<strong>in</strong>zelfirmen<br />

e<strong>in</strong>getragen), mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Den Publizitätsvorschriften<br />

darf im Zusammenhang mit den Interessen Dritter ke<strong>in</strong> allzu grosses Gewicht<br />

beigemessen werden. Wer mit e<strong>in</strong>er Personengesellschaft o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er juristischen Person<br />

geschäftliche Beziehungen aufnehmen möchte, begnügt sich selten mit den Angaben, die<br />

ihm das Handelsregister gibt, sofern dieses überhaupt konsultiert wird. In <strong>der</strong> Regel wird<br />

e<strong>in</strong> allfälliger Kredit von bestimmten Sicherheiten o<strong>der</strong> von den <strong>in</strong>ternen Verhältnissen<br />

abhängig gemacht, welche dem Handelsregister nicht zu entnehmen s<strong>in</strong>d.<br />

117


4. Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck<br />

a) Weiterentwicklung <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />

Angesichts <strong>der</strong> Rechtswirklichkeit, <strong>der</strong> permissiven Rechtsprechung<br />

und <strong>der</strong> neuesten Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesetzgebung kann heute die<br />

Rechtsprechung des Bundesgerichts s<strong>in</strong>nvoll weiterentwickelt werden:<br />

Indem für die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nicht mehr <strong>der</strong> von ihnen verfolgte<br />

Zweck entscheidend ist, kann e<strong>in</strong>e Vielzahl von – sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Theorie als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis ungelöster – Probleme überwunden werden.<br />

Ausserdem wird die Rechtswirklichkeit nicht wie bisher ignoriert. In<br />

diesem Zusammenhang sei auf Ausführungen <strong>der</strong> GROUPE DE<br />

RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“ betreffend atypische Genossenschaften<br />

verwiesen: „Nach Auffassung <strong>der</strong> GROUPE DE RÉFLEXION<br />

kann es nicht darum gehen, das Rad <strong>der</strong> Geschichte zurückzudrehen und<br />

den Organisationen, die sich als Genossenschaften gebildet haben, die<br />

Rechtsform künftig zu versagen. Auch bei atypischen Gesellschaften erfüllt<br />

die Rechtsform <strong>der</strong> Genossenschaft legitime Bedürfnisse, denen die<br />

übrigen Gesellschaftsformen nicht gerecht werden.“ 326 – Analoges muss<br />

auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten.<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d daher unabhängig von ihrem Zweck als zulässig zu betrachten.<br />

Sofern sie dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft zuzuordnen s<strong>in</strong>d, müssen<br />

sie jedoch Regeln unterstehen, welche die geschriebenen Regeln des<br />

ZGB ergänzen. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass namentlich<br />

<strong>der</strong> Gläubigerschutz für solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>nvoll gelöst werden<br />

kann. 327 Indem solche Regeln primär mittels Analogien zu an<strong>der</strong>en Gesellschaften<br />

geschaffen werden, kann auch dem Grundgedanken von<br />

Art. 59 Abs. 2 ZGB Nachachtung verschafft werden: <strong>Wirtschaftliche</strong><br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unterstehen <strong>in</strong> den relevanten Fragen den „Bestimmungen über<br />

die Gesellschaften und Genossenschaften“.<br />

Die Anerkennung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem Zweck“ wi<strong>der</strong>spricht<br />

wie gezeigt nicht den Grundsätzen <strong>der</strong> Typenlehre. 328 Es ersche<strong>in</strong>t<br />

zweifelhaft, ob das schweizerische Recht h<strong>in</strong>sichtlich des Kriteriums<br />

„wirtschaftlicher Zweck“ den Grundsatz <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung kennt.<br />

Da wirtschaftliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bereits im Gesetz angelegt s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>dem Ver-<br />

326<br />

Schlussbericht vom 24.09.1993, S. 60.<br />

327<br />

Abschnitt C, Beson<strong>der</strong>e Problemkreise, S. 127 ff.<br />

328<br />

S. 103 ff.<br />

118


e<strong>in</strong>e ausdrücklich zur Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens berechtigt<br />

s<strong>in</strong>d, wird <strong>der</strong> numerus clausus <strong>der</strong> Gesellschaftsformen nicht<br />

gesprengt. Auf dem Gebiet des Vere<strong>in</strong>srechts wird vielmehr e<strong>in</strong>er Realität<br />

Rechnung getragen, wie sie im Bereich <strong>der</strong> Unternehmensstiftungen<br />

329 und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaften, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe<br />

betreiben, 330 längst anerkannt ist.<br />

b) Abgrenzung zulässiger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> von Gebilden, für welche die Vere<strong>in</strong>sform<br />

nicht zur Verfügung steht<br />

Wenn die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem Zweck“<br />

postuliert wird, so bedeutet dies nach <strong>der</strong> hier vertretenen Auffassung<br />

unter an<strong>der</strong>em, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> auch Gew<strong>in</strong>ne an ihre Mitglie<strong>der</strong> ausschütten<br />

dürfen. 331 Die nachfolgend aufgestellten Regeln werden zeigen, dass<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden kann, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zur hemmungslosen Gew<strong>in</strong>nerzielung<br />

verwendet werden, ohne dass Dritte ausreichend geschützt werden.<br />

Dennoch ist an dieser Stelle ausdrücklich festzuhalten, wo die Grenze<br />

für die Möglichkeit <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform weiterh<strong>in</strong> verläuft:<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d wie gezeigt Personengesellschaften, im Gegensatz etwa zur<br />

Aktiengesellschaft, welche zu den Kapitalgesellschaften gehört. 332 Gebilde,<br />

welche eigentlich Kapitalgesellschaften s<strong>in</strong>d, dürfen sich nicht <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>sform bedienen. Wesentlich für die Zulässigkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform<br />

ist daher das personalistische Element: Tätigkeit und Mitglie<strong>der</strong>kreis<br />

müssen aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogen se<strong>in</strong>. Die zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Arbeit vorgestellten<br />

Beispiele von wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n und Grossvere<strong>in</strong>en<br />

weisen denn auch personenbezogene Strukturen auf: Sie s<strong>in</strong>d auf<br />

bestimmte persönliche Eigenschaften <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> angewiesen. Die<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> Deloitte Touche Tohmatsu, Deloitte Consult<strong>in</strong>g, Coopers & Lybrand,<br />

KPMG International und KLegal International Association wollen etwa nur<br />

Mitglie<strong>der</strong> aufnehmen, die bestimmte berufliche Qualifikationen<br />

erfüllen. Die Mitglie<strong>der</strong> des Comité International Olympique s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong>flussreiche Persönlichkeiten des Sportlebens. Den Grossvere<strong>in</strong>en<br />

329<br />

Grundlegend H. GRÜNINGER, Die Unternehmensstiftung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Basel<br />

1984; vgl. auch MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />

8. Auflage Bern 1998, § 22.<br />

330<br />

Vgl. dazu etwa MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 4 N 67.<br />

331<br />

Vgl. dazu S. 149.<br />

332<br />

S. 106.<br />

119


Tour<strong>in</strong>g Club <strong>Schweiz</strong> und Automobil Club <strong>Schweiz</strong> gehören Personen <strong>in</strong><br />

ihrer Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer an.<br />

Wenn h<strong>in</strong>gegen die Mitglie<strong>der</strong> auf anonyme, auf austauschbare Beteiligungs<strong>in</strong>haber<br />

ausgerichtete Gew<strong>in</strong>nerzielung aus s<strong>in</strong>d (wenn die Gesellschaft<br />

e<strong>in</strong>e blosse, womöglich börsengängige „Cash-Masch<strong>in</strong>e“ se<strong>in</strong><br />

soll), steht die Gesellschaftsform Vere<strong>in</strong> nicht zur Verfügung; <strong>in</strong> diesem<br />

Fall ist e<strong>in</strong>e Kapitalgesellschaft zu gründen. Die nachfolgend aufgestellten<br />

Regeln, welche namentlich vorsehen, dass die Mitglie<strong>der</strong> unter bestimmten<br />

Umständen persönlich haftbar werden 333 , machen die Vere<strong>in</strong>sform<br />

für solche Unternehmen denn auch unattraktiv.<br />

Die Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform wird so von <strong>der</strong><br />

Ebene des unfassbaren, subjektiv gefärbten „wirtschaftlichen Zweckes“<br />

auf die fundamentale Ebene <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>gültigen Unterscheidung Personengesellschaft<br />

– Kapitalgesellschaft verlagert.<br />

5. Beson<strong>der</strong>e Regeln für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

a) <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit zusätzlichem Regelungsbedarf<br />

Es wurde bereits mehrfach erwähnt, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit „wirtschaftlichem<br />

Zweck“ anerkannt werden können, wenn sie beson<strong>der</strong>en flankierenden<br />

Regeln unterstellt werden, wie sie teilweise bereits durch das<br />

Bundesgericht entwickelt worden s<strong>in</strong>d. Ebenfalls ausgeführt wurde, dass<br />

die gesetzliche Regelung des ZGB generell für diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ungenügend<br />

ersche<strong>in</strong>t, welche e<strong>in</strong> gemäss Gesetz ausdrücklich zulässiges<br />

kaufmännisches Unternehmen betreiben. Die nachfolgend zusammengestellten<br />

Regeln müssen folglich für diese beiden Arten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

gelten.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ist e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Ziele dieser Untersuchung, vom Kriterium des<br />

„wirtschaftlichen Zwecks“ wegzukommen, weil dieses <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />

nicht handhabbar ist. Die Umschreibung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche unter die<br />

nachfolgenden Regeln fallen, versucht daher, ohne Bezug auf den Zweck<br />

auszukommen. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass etwa<br />

für die Ausgestaltung des Gläubigerschutzes weniger entscheidend ist,<br />

welchen Zweck e<strong>in</strong>e Gesellschaft verfolgt, als vielmehr <strong>der</strong> Umstand,<br />

<strong>in</strong>wiefern sie mit Dritten <strong>in</strong> Kontakt tritt. Dieses äusserlich wahrnehmbare<br />

Kriterium muss demnach hier relevant se<strong>in</strong>, unabhängig vom subjektiv<br />

und psychologisch bestimmten verfolgten Zweck.<br />

333 S. 158 ff.<br />

120


Beim Erlass des ZGB standen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im Vor<strong>der</strong>grund, die <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />

Verhältnissen <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong> Geselligkeit dienen. Im Gegensatz zu diesen<br />

sollen diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unter die flankierenden Regeln fallen, welche<br />

dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft zuzurechnen s<strong>in</strong>d. 334 Abgesehen von<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche hohe Umsätze erzielen, s<strong>in</strong>d dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

auch solche zuzurechnen, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> selber Unternehmen<br />

s<strong>in</strong>d, und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die selbst als Unternehmen am Wirtschaftsleben teilnehmen.<br />

Für alle diese Vere<strong>in</strong>sarten, welche <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit<br />

als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters bezeichnet werden, müssen unabhängig<br />

vom verfolgten Zweck die nachfolgend entwickelten Regeln gelten,<br />

weil ihnen die im ZGB enthaltenen Regeln nicht gerecht werden.<br />

Die Regeln des ZGB ersche<strong>in</strong>en für e<strong>in</strong>e weitere Kategorie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

nicht ausreichend: Für Grossvere<strong>in</strong>e. Inwiefern auch Grossvere<strong>in</strong>e<br />

den flankierenden Regeln unterstellt werden sollen, wird sogleich zu<br />

untersuchen se<strong>in</strong>. 335<br />

b) Umschreibung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

E<strong>in</strong> wichtiger Umstand, <strong>der</strong> hilft, die ablehnende Haltung gegenüber<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „wirtschaftlichem Zweck“ aufzugeben, ist das geplante<br />

Rechnungslegungsgesetz. Die dar<strong>in</strong> enthaltenen rechtsformunabhängigen<br />

Gläubiger-, Anleger- und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutzbestimmungen müssen<br />

für alle <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters gelten. Daher ersche<strong>in</strong>t es<br />

s<strong>in</strong>nvoll, e<strong>in</strong>e genaue Umschreibung <strong>der</strong>jeniger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>er Son<strong>der</strong>behandlung bedürfen, auf<br />

den geplanten Anwendungsbereich des RRG abzustimmen.<br />

Das geplante RRG soll gemäss Art. 2 VERRG allgeme<strong>in</strong> für „juristische<br />

Personen, die im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> sich e<strong>in</strong>tragen<br />

lassen müssen“ gelten. Es soll ausserdem auch für „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> [...]<br />

auch ohne E<strong>in</strong>tragung und E<strong>in</strong>tragungspflicht [gelten], sofern ihre<br />

Grösse o<strong>der</strong> die Art ihrer Tätigkeit die Buchführung und Rechnungslegung<br />

erfor<strong>der</strong>lich machen“. Der VERRG geht mith<strong>in</strong> von drei Kategorien<br />

aus: <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister s<strong>in</strong>d<br />

jene, welche e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben (Art. 61 Abs. 2<br />

ZGB). <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d diejenigen,<br />

334 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits BGE 72 I 319 (Caisse <strong>in</strong>tercorporative vaudoise d’allocations<br />

familiales, 1946, S. 42), wo darauf abgestellt wurde, ob man sich <strong>in</strong>nerhalb des Gebiets <strong>der</strong><br />

Wirtschaft bef<strong>in</strong>de. Vgl. auch MEILE, für den wesentlich ist, ob die Interessen e<strong>in</strong>er Organisation<br />

nach dem natürlichen menschlichen Empf<strong>in</strong>den dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

angehören (bereits S. 78).<br />

335 Nachfolgend S. 123.<br />

121


welche sich freiwillig e<strong>in</strong>getragen haben, ohne e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe<br />

zu betreiben. Schliesslich wird von e<strong>in</strong>er dritten – neuen – Kategorie<br />

ausgegangen, nämlich den <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>der</strong>en Grösse o<strong>der</strong> Art <strong>der</strong><br />

Tätigkeit die Buchführung und Rechnungslegung erfor<strong>der</strong>lich machen.<br />

Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b VERRG soll <strong>der</strong> Bundesrat die Kriterien<br />

festsetzen, wann die Grösse und Art <strong>der</strong> Tätigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s dessen<br />

Unterstellung unter das RRG erfor<strong>der</strong>lich machen.<br />

Der allgeme<strong>in</strong>e Anwendungsbereich des RRG (juristische Personen,<br />

die im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> sich e<strong>in</strong>tragen lassen müssen)<br />

erfasst bereits diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen<br />

betreiben. Im H<strong>in</strong>blick auf die angestrebte Kongruenz zwischen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters und den <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche<br />

unter das RRG fallen, s<strong>in</strong>d die weiteren Arten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters daher <strong>in</strong> die dritte Kategorie gemäss RRG e<strong>in</strong>zuordnen:<br />

Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>der</strong>en „Grösse o<strong>der</strong> Art ihrer Tätigkeit die Buchführung<br />

und Rechnungslegung erfor<strong>der</strong>lich machen“.<br />

Für die Art <strong>der</strong> Tätigkeit entscheidend s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits das bereits erfasste<br />

Betreiben e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens 336 , an<strong>der</strong>erseits<br />

aber auch <strong>der</strong> Umstand, dass die Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s selbst Unternehmen<br />

s<strong>in</strong>d, o<strong>der</strong> dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> als solches am Wirtschaftsleben teilnimmt.<br />

Es ist davon auszugehen, dass sich Unternehmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

dann zu e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> zusammenschliessen, wenn sie sich daraus Vorteile<br />

für ihre wirtschaftliche Tätigkeit erhoffen. Die Zusammensetzung<br />

<strong>der</strong> Mitgliedschaft wirkt sich <strong>in</strong>sofern auf die Art <strong>der</strong> Tätigkeit des Vere<strong>in</strong>s<br />

aus. Weiter muss aber auch <strong>der</strong> Umstand entscheidend se<strong>in</strong>, dass<br />

sich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> selbst als Unternehmen am Wirtschaftsleben beteiligt.<br />

Auch <strong>in</strong> diesem Fall liegt – unabhängig von <strong>der</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong><br />

Mitgliedschaft – e<strong>in</strong>e Tätigkeit vor, welche von den bestehenden Regeln<br />

des Vere<strong>in</strong>srechts nicht <strong>in</strong> allen Punkten genügend erfasst wird.<br />

Für die massgebliche Grösse e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d zwei Umstände entscheidend:<br />

E<strong>in</strong>erseits die Anzahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>, an<strong>der</strong>erseits die Höhe<br />

des Brutto-Umsatzes. Die Höhe des Umsatzes lehnt sich s<strong>in</strong>nvollerweise<br />

an e<strong>in</strong>e bekannte, im Gesetz bereits enthaltene Grösse an: Gemäss Art.<br />

54 HRegV kommt <strong>der</strong> Brutto-Umsatzhöhe von CHF 100'000.– e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Rolle zu. 337 E<strong>in</strong>e Anlehnung an diese Grösse bietet sich für<br />

diejenigen Fälle an, <strong>in</strong> welchen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen<br />

im S<strong>in</strong>ne des Gesetzes betreiben, aber dennoch hohe Umsätze er-<br />

336 Dieses Kriterium ist bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition von Art. 2 Abs. 1 lit. a VERRG enthalten<br />

und deckt sich teilweise mit den hier als massgeblich erachteten Umsätzen.<br />

337 Vgl. dazu S. 96.<br />

122


zielen. 338 Allerd<strong>in</strong>gs ist zu beachten, dass <strong>der</strong> Betrag gemäss HRegV von<br />

CHF 100'000.– seit Dezember 1971 nicht mehr angepasst worden ist. 339<br />

Gemäss Berechnungen gestützt auf den Landes<strong>in</strong>dex <strong>der</strong> Konsumentenpreise<br />

betrug die Teuerung im Zeitraum Januar 1972 bis Juli 2000 148.9<br />

%. 340 Würde <strong>der</strong> gemäss Art. 54 HRegV massgebliche Betrag heute an<br />

die Teuerung angepasst, so wäre im Jahr 2000 e<strong>in</strong>e Umsatzhöhe von<br />

etwa CHF 250'000.– entscheidend. Dieser Betrag ersche<strong>in</strong>t sowohl für<br />

den Anwendungsbereich <strong>der</strong> HRegV als auch für die Umschreibung <strong>der</strong><br />

Kategorie <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters angemessener, als <strong>der</strong><br />

Betrag von CHF 100'000.–. Solange die HRegV nicht geän<strong>der</strong>t wird, ist<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Praktikabilität dennoch e<strong>in</strong>e zur HRegV parallele Umschreibung<br />

zu wählen. H<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d – <strong>in</strong> Abweichung zur HRegV, aber<br />

entsprechend den steuerlichen Regeln – die Mitglie<strong>der</strong>beiträge für die<br />

Berechnung des massgeblichen Umsatzes nicht entscheidend. So kann<br />

erreicht werden, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht erfasst werden, die – abgesehen von<br />

<strong>der</strong> Sammlung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen – ke<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anziellen Tätigkeiten<br />

<strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne entfalten, dass sie im Wirtschaftsleben <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung<br />

treten. 341 Obwohl die <strong>in</strong> Teil C dieser Arbeit entwickelten Regeln auch<br />

dem Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> dienen, s<strong>in</strong>d entsprechende <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht<br />

dem „Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft“ zuzuordnen, solange sie ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> übrigen<br />

relevanten Kriterien erfüllen.<br />

Ähnliche Überlegungen s<strong>in</strong>d auch im Zusammenhang mit Grossvere<strong>in</strong>en<br />

anzustellen. Alle<strong>in</strong> die grosse Mitglie<strong>der</strong>zahl führt noch nicht dazu,<br />

dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> dem „Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft“ zuzurechnen ist. Dennoch<br />

machen e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Regeln, welche <strong>in</strong> Teil C dieser Arbeit beschrieben<br />

338<br />

Als Alternative käme auch e<strong>in</strong>e Anlehnung an die Bestimmungen des MWSTG <strong>in</strong><br />

Frage: Dies hätte zur Folge, dass bereits e<strong>in</strong> Umsatz von CHF 75'000.– entscheidend<br />

wäre. Allerd<strong>in</strong>gs würde sich bei dieser Variante das Problem <strong>der</strong> Behandlung von den von<br />

<strong>der</strong> Steuer ausgenommenen Umsätzen (Art. 18 MWSTG) und von den von <strong>der</strong> Steuerpflicht<br />

ausgenommenen Unternehmen (Art. 25 MWSTG) stellen. – Die Anlehnung an die<br />

Bestimmungen <strong>der</strong> HRegV hat zudem den Vorteil, dass so allfällige Schwierigkeiten im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> Frage, ob e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen vorliegt, aus dem<br />

Weg geräumt werden können.<br />

339<br />

Vgl. Beschluss des Bundesrates vom 20.12.1971, AS 1971, S. 1839.<br />

340<br />

Auf <strong>der</strong> Basis September 1966 = 100 betrug <strong>der</strong> Index im Januar 1972 124.8, im<br />

Juli 2000 310.6.<br />

341<br />

Zu denken ist etwa an die Vielzahl sogenannter För<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>e, <strong>der</strong>en Tätigkeit sich<br />

darauf beschränkt, die Summe <strong>der</strong> erzielten Mitglie<strong>der</strong>beiträge z.B. an e<strong>in</strong>e Stiftung zu<br />

überweisen. In dieser Konstellation rechtfertigt sich etwa die Unterstellung unter die Regeln<br />

des RRG im Verhältnis zum Aufwand nicht. Entfaltet e<strong>in</strong> solcher Vere<strong>in</strong> h<strong>in</strong>gegen<br />

zusätzliche Aktivitäten, so führt <strong>der</strong> sich daraus ergebende Umsatz bei Erreichen <strong>der</strong> relevanten<br />

Höhe zur Anwendbarkeit <strong>der</strong> Regeln für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters.<br />

123


werden, auch für Grossvere<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>n. Es s<strong>in</strong>d dies namentlich Beson<strong>der</strong>heiten<br />

im Zusammenhang mit den Auskunftsrechten 342 und dem Persönlichkeitsschutz<br />

343 <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> sowie die Beson<strong>der</strong>heiten betreffend<br />

die Treuepflicht 344 und mögliche Auflösungsmodalitäten 345 . An sich bedürfen<br />

auch die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Grossvere<strong>in</strong>s des Schutzes, welchen die<br />

Regeln des geplanten RRG bieten. Dabei ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e an die Folgen<br />

aus <strong>der</strong> Pflicht zur Rechnungslegung 346 , zur Abschlussprüfung 347 und die<br />

Anzeigepflicht bei Überschuldung 348 zu denken. Der Zusatzaufwand,<br />

welcher sich aus den Regeln des RRG ergibt, ersche<strong>in</strong>t jedoch unverhältnismässig<br />

für diejenigen Grossvere<strong>in</strong>e, welche ke<strong>in</strong>en relevanten<br />

Umsatz erzielen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> übrigen massgeblichen Kriterien erfüllen.<br />

349 Im Rahmen <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> entsprechenden Regeln <strong>in</strong> Teil C<br />

wird daher jeweils auf Grossvere<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s h<strong>in</strong>gewiesen, ohne dass<br />

sie generell zu den <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters gezählt werden.<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf diese Regeln erfolgt auch die Festsetzung <strong>der</strong> für<br />

Grossvere<strong>in</strong>e massgeblichen Mitglie<strong>der</strong>zahl s<strong>in</strong>nvollerweise anhand bereits<br />

bestehen<strong>der</strong> Kriterien: Im Genossenschaftsrecht geht <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

davon aus, dass Genossenschaften mit mehr als 300 Mitglie<strong>der</strong>n<br />

als Grossgenossenschaften zu behandeln s<strong>in</strong>d. 350 Angesichts <strong>der</strong> Nähe<br />

von Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft – namentlich auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />

Stellung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> und des demokratischen Elements – ersche<strong>in</strong>t es<br />

342 S. 141.<br />

343 S. 148.<br />

344 S. 155.<br />

345 S. 209.<br />

346 S. 193.<br />

347 S. 195.<br />

348 S. 191 ff.<br />

349 Auch <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ist an die Vielzahl von För<strong>der</strong>- und Gönnervere<strong>in</strong>en<br />

zu denken, welche nicht <strong>der</strong> Wirtschaft zuzurechnen s<strong>in</strong>d. Solange solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht<br />

die massgebliche Umsatzgrenze erreichen, ist das Risiko für die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> betragsmässig<br />

vergleichsweise beschränkt, auch wenn im E<strong>in</strong>zelfall e<strong>in</strong>e grosse Differenz<br />

bestehen kann zwischen dem Mitglie<strong>der</strong>beitrag gemäss Statuten und dem Risiko, das sich<br />

aus <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>stätigkeit ergibt.<br />

350 Das Kriterium von mehr als 300 Mitglie<strong>der</strong>n f<strong>in</strong>det sich im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Urabstimmung (Art. 880 OR) und <strong>der</strong> Delegiertenversammlung (Art. 892 OR). In beiden<br />

Fällen g<strong>in</strong>g <strong>der</strong> Gesetzgeber davon aus, dass das Institut <strong>der</strong> Generalversammlung angesichts<br />

<strong>der</strong> grossen Mitglie<strong>der</strong>zahl se<strong>in</strong>em Zweck nicht mehr gerecht zu werden vermag,<br />

weil die ordnungsgemässe Durchführung <strong>der</strong> Generalversammlung mit so vielen Mitglie<strong>der</strong>n<br />

Schwierigkeiten bereiten kann (ANDREAS MOLL, Kommentar zu Art. 880 OR N 2<br />

und zu Art. 892 OR N 2, Basel 1994).<br />

124


s<strong>in</strong>nvoll, auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>zahl mehr als 300 beträgt, als<br />

Grossvere<strong>in</strong>e zu behandeln.<br />

c) Begriffliche Erfassung<br />

Aus dem Ausgeführten ergibt sich somit folgende begriffliche Erfassung<br />

<strong>der</strong>jeniger <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche als „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters“<br />

den Regeln unterstehen, die <strong>in</strong> Teil C dieser Arbeit aufgeführt werden:<br />

Als „<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters“ gelten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>es o<strong>der</strong> mehrere<br />

<strong>der</strong> nachfolgenden Kriterien erfüllen:<br />

- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die ohne Berücksichtigung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge e<strong>in</strong>en Brutto-<br />

Jahresumsatz erzielen, <strong>der</strong> den gemäss Art. 54 HRegV massgeblichen<br />

Betrag übersteigt;<br />

- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen i.S.v. Art. 934 OR führen;<br />

- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> im wesentlichen selber Unternehmen s<strong>in</strong>d;<br />

- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die selbst unternehmerisch tätig s<strong>in</strong>d und am Wirtschaftsleben<br />

teilnehmen.<br />

d) Vorschlag für Ausführungsbestimmungen zu Art. 2 Abs. 1 lit. b<br />

VERRG<br />

Die soeben genannte Aufzählung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

kann auch als Grundlage für e<strong>in</strong>en Vorschlag zur Umschreibung<br />

des Anwendungsbereichs des RRG verwendet werden:<br />

Als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> i.S.v. Art. 2 Abs. 1 lit. b RRG, <strong>der</strong>en Grösse o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Art <strong>der</strong><br />

Tätigkeit die Buchführung und Rechnungslegung erfor<strong>der</strong>lich machen, gelten<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>es o<strong>der</strong> mehrere <strong>der</strong> nachfolgenden Kriterien erfüllen:<br />

- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die ohne Berücksichtigung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge e<strong>in</strong>en Brutto-<br />

Jahresumsatz erzielen, <strong>der</strong> den gemäss Art. 54 HRegV massgeblichen<br />

Betrag übersteigt;<br />

- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> im wesentlichen selber Unternehmen s<strong>in</strong>d;<br />

- <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die selbst unternehmerisch tätig s<strong>in</strong>d und am Wirtschaftsleben<br />

teilnehmen.<br />

Neben diesen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unterstehen gestützt auf Art. 2 Abs. 1 lit. a<br />

VERRG wie bereits erwähnt auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> den Regeln des RRG, die e<strong>in</strong><br />

kaufmännisches Unternehmen führen, und solche, die sich freiwillig im<br />

Handelsregister haben e<strong>in</strong>tragen lassen.<br />

Die hier vertretene Me<strong>in</strong>ung h<strong>in</strong>sichtlich des Anwendungsbereichs des<br />

RRG deckt sich nicht mit <strong>der</strong>jenigen, welche die Expertenkommission<br />

„Rechnungslegungsrecht“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Satz andeutet. Die Expertenkommis-<br />

125


sion g<strong>in</strong>g von wesentlich höheren Zahlen aus: „Gedacht ist etwa an <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

die e<strong>in</strong>e Bilanzsumme von mehr als 4 Millionen CHF aufweisen<br />

o<strong>der</strong> mehr als 1 Million CHF jährliche Erträge erzielen.“ 351 Allerd<strong>in</strong>gs<br />

ersche<strong>in</strong>t für die Anwendung <strong>der</strong> Regeln des RRG weniger entscheidend,<br />

wie hoch die Bilanzsumme o<strong>der</strong> die Erträge s<strong>in</strong>d. Wesentlich ist die<br />

Höhe des Brutto-Umsatzes: Entscheidend muss se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> welchem Umfang<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> mit Dritten <strong>in</strong> Kontakt tritt. Dies ergibt sich bereits aus<br />

den Regeln zum kaufmännischen Unternehmen. Es ist zudem ke<strong>in</strong><br />

Grund ersichtlich, weshalb <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>e Tätigkeit entfalten, welche<br />

nicht unter die Def<strong>in</strong>ition des kaufmännischen Unternehmens fällt, aber<br />

dennoch zur Erzielung hoher Umsätze führt, an<strong>der</strong>s zu behandeln s<strong>in</strong>d.<br />

Dies gilt umso mehr, als die Mitglie<strong>der</strong>beiträge bei <strong>der</strong> Berechnung des<br />

massgeblichen Umsatzes nicht berücksichtigt werden.<br />

Im übrigen sei bereits an dieser Stelle <strong>der</strong> unvermeidliche E<strong>in</strong>wand<br />

entkräftet, die Unterstellung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unter das RRG, die e<strong>in</strong>en<br />

Jahresumsatz von CHF 100'000.– bzw. CHF 250'000.– erzielen, führe zu<br />

unverhältnismässig hohen Kosten: E<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die unter das<br />

hier aufgestellte Kriterium fallen, s<strong>in</strong>d aufgrund ihres Umsatzes auch<br />

mehrwertsteuerpflichtig. Für diese <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wird sich – abgesehen von<br />

<strong>der</strong> erstmaligen Umstellung <strong>der</strong> Buchführung und Rechnungslegung –<br />

ke<strong>in</strong> erheblicher Zusatzaufwand ergeben. Denn sie s<strong>in</strong>d bereits nach Art.<br />

58 MWSTG zu e<strong>in</strong>er ordnungsgemässen Buchführung verpflichtet. Für<br />

die übrigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gilt, dass sie bei je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gesellschaftsform<br />

ebenfalls zur E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Regeln des RRG verpflichtet wären. Das<br />

RRG löst die Kostenproblematik bei kle<strong>in</strong>en Verhältnissen dadurch,<br />

dass <strong>in</strong> verschiedenen Bestimmungen nach <strong>der</strong> Grösse <strong>der</strong> Organisation<br />

unterschieden wird. Es ersche<strong>in</strong>t nicht gerechtfertigt, bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit<br />

e<strong>in</strong>er bestimmten Grösse zusätzliche Ausnahmen vorzusehen.<br />

351 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 97.<br />

126


C. Beson<strong>der</strong>e Problemkreise<br />

IX. Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters<br />

1. Vorbemerkungen<br />

Werden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im S<strong>in</strong>ne dieser Arbeit<br />

anerkannt, so müssen bei <strong>der</strong> Rechtsanwendung e<strong>in</strong>ige Beson<strong>der</strong>heiten<br />

beachtet werden.<br />

Es stellt sich die Frage, ob die bestehenden Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts,<br />

etwa betreffend den Schutz e<strong>in</strong>zelner Mitglie<strong>der</strong>, von M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten o<strong>der</strong><br />

von Gläubigern, genügen. Zu denken ist zum Beispiel an Beson<strong>der</strong>heiten<br />

betreffend die Aufnahme und den Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> den<br />

Anspruch ausscheiden<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> auf das Vere<strong>in</strong>svermögen. Zu prüfen<br />

ist auch, welche Arten <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nverwendung als zulässig ersche<strong>in</strong>en<br />

und welche Verhaltensweisen von den beteiligten Personen im H<strong>in</strong>blick<br />

auf e<strong>in</strong>en wirksamen Gläubigerschutz gefor<strong>der</strong>t werden müssen.<br />

E<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>gehenden Prüfung bedarf zudem die Frage, welche Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an die Gründung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters zu<br />

stellen s<strong>in</strong>d. 352<br />

2. Analog anwendbare Regeln<br />

RIEMER postuliert für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit kaufmännischem Gewerbe ausdrücklich<br />

e<strong>in</strong>e Angleichung an das Recht <strong>der</strong> Körperschaften des OR. 353<br />

Im folgenden wird für die e<strong>in</strong>zelnen Problemkreise zu prüfen se<strong>in</strong>, welche<br />

bestehenden o<strong>der</strong> vom Gesetzgeber geplanten Regeln zur Ergänzung<br />

des Vere<strong>in</strong>srechts des ZGB für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

passen. Aufgrund <strong>der</strong> bereits dargestellten Ähnlichkeiten zwischen dem<br />

Vere<strong>in</strong> und <strong>der</strong> Genossenschaft ist primär die analoge Anwendung von<br />

Regeln des Genossenschaftsrechts <strong>in</strong> Betracht zu ziehen: Von den Gesellschaften<br />

mit herkömmlicherweise wirtschaftlichem Zweck steht die<br />

Genossenschaft dem Vere<strong>in</strong> bezüglich <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> am nächsten, weil bei <strong>der</strong> Genossenschaft die Mitglie<strong>der</strong><br />

352<br />

Vgl. bereits PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II<br />

(1968), S. 202 f.<br />

353<br />

HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 361, Bern 1990.<br />

127


nicht re<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielle, son<strong>der</strong>n ebenfalls persönliche Beiträge leisten<br />

müssen. Im Gegensatz etwa zur Aktiengesellschaft ist die Genossenschaft<br />

daher vergleichsweise stark auf die Persönlichkeit ihrer Mitglie<strong>der</strong><br />

ausgerichtet. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Genossenschaft s<strong>in</strong>d<br />

namentlich <strong>in</strong> den Fällen von Interesse, <strong>in</strong> welchen die Persönlichkeit<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s zu beachten ist. Es ist jedoch nicht auszuschliessen,<br />

dass auch Regeln zu an<strong>der</strong>en Gesellschaftsformen <strong>in</strong> Betracht<br />

zu ziehen s<strong>in</strong>d. Schliesslich s<strong>in</strong>d auch Regeln zu beachten, welchen <strong>der</strong><br />

Charakter von Grundpr<strong>in</strong>zipien des Gesellschaftsrechts zukommt.<br />

Die Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung im Gesellschaftsrecht ist<br />

wie bereits dargestellt nicht ganz unbestritten. 354 Weitgehende E<strong>in</strong>igkeit<br />

besteht darüber, dass im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>en wirksamen Gläubigerschutz<br />

eigentliche gemischte Körperschaften, die teilweise dem Recht e<strong>in</strong>er Gesellschaftsform,<br />

teilweise dem Recht e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Gesellschaftsform<br />

unterstehen, unzulässig s<strong>in</strong>d. 355 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER schliessen<br />

daraus offenbar, dass auch die Rechtsanwendung ausschliesslich<br />

vom Recht <strong>der</strong> gewählten Gesellschaftsform auszugehen habe. 356 So berechtigt<br />

die Ablehnung gemischter Körperschaftstypen se<strong>in</strong> mag, ist<br />

nach zutreffen<strong>der</strong> Ansicht die analoge Anwendung von Normen an<strong>der</strong>er<br />

Gesellschaftsformen auch im Gesellschaftsrecht zulässig. 357<br />

354 Ausführlich zur Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung HANS MICHAEL<br />

RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 73 ff., Bern 1990.<br />

355 Vgl. hierzu die Ausführungen S. 103 ff.<br />

356 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 11 N 4, vgl. dazu bereits S. 105; PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche<br />

Genossenschaften und <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983,<br />

S. 145.<br />

357 Vgl. dazu ausführlich S. 110 ff.<br />

128


X. Vere<strong>in</strong>sfreiheit<br />

1. Problematik<br />

Die Vere<strong>in</strong>sfreiheit ist e<strong>in</strong> wesentlicher Aspekt des schweizerischen<br />

Vere<strong>in</strong>srechts. Darunter wird e<strong>in</strong>erseits das verfassungsmässige Individualrecht<br />

auf freie Me<strong>in</strong>ungsäusserung <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform verstanden, an<strong>der</strong>erseits<br />

wird <strong>der</strong> Ausdruck auch im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Gestaltungsfreiheit im<br />

Vere<strong>in</strong>srecht verwendet. 358<br />

Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters stellen sich vor allem zwei<br />

Fragen: E<strong>in</strong>erseits ist zu überlegen, <strong>in</strong>wieweit sich solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> auf die<br />

privatrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne berufen können, als dass<br />

sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> rechtlichen Beziehungen weitestgehend frei<br />

s<strong>in</strong>d. An<strong>der</strong>erseits ist zu klären, <strong>in</strong>wieweit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit gemäss Art. 23 BV unterstehen, und <strong>in</strong>wieweit<br />

sie unter die Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV fallen.<br />

2. Privatrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit<br />

H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> privatrechtlichen Vere<strong>in</strong>sfreiheit gilt, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

welche nicht dem Bild des Vere<strong>in</strong>s entsprechen, das sich <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

bei <strong>der</strong> Ausarbeitung des Vere<strong>in</strong>srechts gemacht hat, sich nicht une<strong>in</strong>geschränkt<br />

auf die von Gesetzes wegen sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit<br />

berufen können. Vielmehr müssen sich solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

gefallen lassen, dass gewisse E<strong>in</strong>schränkungen gemacht werden, welche<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die betroffenen Interessen als notwendig ersche<strong>in</strong>en.<br />

Konkret hat dies zur Folge, dass bei jedem Problem, welches sich <strong>in</strong> dieser<br />

Form nur bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ergibt, die Frage<br />

gestellt werden muss, wie dieses unter Berücksichtigung sämtlicher<br />

Aspekte s<strong>in</strong>nvoll gelöst werden kann. Wann e<strong>in</strong>e Beschränkung <strong>der</strong> privatrechtlichen<br />

Vere<strong>in</strong>sfreiheit s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t, ergibt sich aus den<br />

nachstehenden Ausführungen.<br />

3. Verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit<br />

Die verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit (Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit) ist <strong>in</strong><br />

Art. 23 BV garantiert. Diese Bestimmung stimmt im wesentlichen mit<br />

Art. 11 EMRK übere<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>erseits gewährleistet die verfassungsrechtli-<br />

358<br />

PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />

S. 111 ff., FN 1.<br />

129


che Vere<strong>in</strong>sfreiheit gegenüber dem Staat das Recht, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> und an<strong>der</strong>e<br />

Vere<strong>in</strong>igungen des Privatrechts mit „ideellem Zweck“ zu bilden und<br />

aufzulösen, ihnen beizutreten o<strong>der</strong> anzugehören und sich an <strong>der</strong>en Tätigkeiten<br />

zu beteiligen; an<strong>der</strong>erseits schützt sie vor staatlichem Zwang<br />

zum Beitritt zu o<strong>der</strong> zum Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>. Ausserdem garantiert<br />

sie die freie Vere<strong>in</strong>stätigkeit, das heisst die Verfolgung beliebiger<br />

Zwecke und die Anwendung beliebiger Mittel, sofern diese nicht<br />

rechtswidrig o<strong>der</strong> staatsgefährdend s<strong>in</strong>d. 359 Nebst <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit ist<br />

<strong>in</strong> Art. 28 BV auch die Koalitionsfreiheit als beson<strong>der</strong>er Aspekt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit<br />

gewährleistet. 360 Die Koalitionsfreiheit ist ausserdem <strong>in</strong><br />

Art. 11 Ziff. 1 EMRK verankert.<br />

Nach <strong>der</strong> traditionellen Lehre soll die Vere<strong>in</strong>sfreiheit gemäss BV nur<br />

für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit „ideellen Zwecken“ gelten. 361 Die bundesgerichtliche<br />

Rechtsprechung zu Art. 56 aBV befasste sich aber auch mit<br />

Vere<strong>in</strong>igungen mit wirtschaftlichem Zweck. 362 In <strong>der</strong><br />

verfassungsrechtlichen Literatur wird <strong>der</strong> Begriff des „ideellen Zweckes“<br />

allerd<strong>in</strong>gs an<strong>der</strong>s verwendet als im Zivilrecht. Geme<strong>in</strong>t ist namentlich<br />

die Verfolgung politischer, wissenschaftlicher, literarischer,<br />

künstlerischer o<strong>der</strong> wohltätiger Zwecke. Ausdrücklich ausgenommen<br />

wird (angesichts <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verfassung selbständig verankerten<br />

Glaubens- und Gewissensfreiheit) die Verfolgung religiöser<br />

Zielsetzungen. Interessant ist, dass – zum<strong>in</strong>dest im Anwendungsbereich<br />

<strong>der</strong> aBV – auch Vere<strong>in</strong>igungen, die geme<strong>in</strong>same wirtschaftliche<br />

Interessen verfolgen, unter den Schutz <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit fielen, solange<br />

359 BGE 87 I 275 ff., 286. Vgl. auch ANTON HEINI, Vorbemerkungen zu Art. 60-79 ZGB<br />

N 3, Basel 1996. – Inwiefern sich lediglich natürliche o<strong>der</strong> auch juristische Personen auf<br />

die verfassungsrechtliche Vere<strong>in</strong>sfreiheit berufen können, ist umstritten. Das Bundesgericht<br />

beschränkt die Vere<strong>in</strong>sfreiheit auf natürliche Personen, die herrschende Lehre dehnt<br />

sie auf juristische Personen aus. Im Rahmen <strong>der</strong> Revision <strong>der</strong> BV fand ke<strong>in</strong>e Klärung dieses<br />

Problems statt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Botschaft f<strong>in</strong>det sich lediglich e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf den Stand <strong>der</strong><br />

Me<strong>in</strong>ungen (Botschaft des Bundesrates über e<strong>in</strong>e neue Bundesverfassung vom 20. November<br />

1996, Separatdruck, S. 167).<br />

360 Vgl. dazu HÄFELIN / HALLER, <strong>Schweiz</strong>erisches Bundesstaatsrecht, Supplement zur<br />

4. Auflage „Die neue Bundesverfassung“, Zürich 2000, RZ 1352 ff.<br />

361 So etwa DIES., a.a.O. N 1336 f., wobei <strong>der</strong> ideelle Zweck ihrer Ansicht nach auch <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Wahrung wirtschaftlicher Interessen bestehen kann, während Vere<strong>in</strong>igungen<br />

zur Verfolgung von Erwerbszwecken nur dem Schutz <strong>der</strong> Wirtschaftsfreiheit gemäss<br />

Art. 27 BV unterstehen sollen.<br />

362 In BGE 42 I 10 wandte das Bundesgericht Art. 56 aBV grundsätzlich auf die Genossenschaft<br />

„<strong>Schweiz</strong>. Sparanstalt“ an, welche zum Zweck des geme<strong>in</strong>samen Erwerbs von<br />

Prämienwerten gegen Ratenzahlungen Wertpapiere an ihre Mitglie<strong>der</strong> veräussert hatte.<br />

130


sie nicht „erwerbsorientiert“ 363 o<strong>der</strong> „gew<strong>in</strong>nstrebig“ 364 waren. 365 Gemäss<br />

JÖRG PAUL MÜLLER ist das Kriterium <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit auch im<br />

Anwendungsbereich <strong>der</strong> neuen BV entscheidend. Es komme nicht<br />

darauf an, ob e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird; massgeblich<br />

sei, ob die Profitorientierung o<strong>der</strong> die ideelle Zielsetzung im<br />

Vor<strong>der</strong>grund steht. 366 Diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters,<br />

die nicht erwerbsorientiert o<strong>der</strong> gew<strong>in</strong>nstrebig s<strong>in</strong>d, fallen somit <strong>in</strong> den<br />

Anwendungsbereich <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit gemäss BV. H<strong>in</strong>gegen fallen neu<br />

Vere<strong>in</strong>igungen, <strong>in</strong> welchen Arbeitgeber<strong>in</strong>nen respektive Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen respektive Arbeitnehmer organisiert s<strong>in</strong>d, wohl ausschliesslich<br />

unter die Bestimmung <strong>der</strong> Koalitionsfreiheit (Art. 28 BV).<br />

363<br />

HÄFELIN / HALLER, <strong>Schweiz</strong>erisches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage Zürich 1998,<br />

N 1336 ff.<br />

364<br />

JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, 3. Auflage Bern 1999, S. 341 f.<br />

365<br />

Diese Auslegung erfolgte wohl im H<strong>in</strong>blick auf Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände<br />

und Berufsverbände, da die aBV die Koalitionsfreiheit nicht ausdrücklich erwähnte. Im<br />

Zusammenhang mit Vere<strong>in</strong>igungen, die wirtschaftliche Interessen verfolgen ohne erwerbsorientiert<br />

zu se<strong>in</strong>, werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur Genossenschaften erwähnt (HÄFELIN /<br />

HALLER, a.a.O. N 1336 ff.; G. MALINVERNI, Kommentar zu Art. 56 aBV N 2 ff., Loseblattsammlung,<br />

Basel, Zürich und Bern, Stand April 1986, je mit weiteren H<strong>in</strong>weisen. Vgl.<br />

auch BGE 97 I 116 [Vere<strong>in</strong> Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel, 1971], <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>em<br />

Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> die Eröffnung und Führung e<strong>in</strong>er privaten, von den bestehenden staatlichen<br />

Fakultäten unabhängige Hochschule zur Ausbildung evangelischer Pfarrer bezweckte,<br />

<strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Handels- und Gewerbefreiheit verweigert wurde, weil er<br />

„offensichtlich [...] e<strong>in</strong>en re<strong>in</strong> idealen Zweck“ und damit ke<strong>in</strong>en Erwerbszweck verfolgte.).<br />

In <strong>der</strong> neuen BV von 1999 wird die Koalitionsfreiheit ausdrücklich als Grundrecht <strong>in</strong><br />

Art. 28 BV genannt. Systematisch ist die Koalitionsfreiheit im auf die Wirtschaftsfreiheit<br />

folgenden Artikel angesiedelt. Der Schutz von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden<br />

und Berufsverbänden wurde damit weg von <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit <strong>in</strong> die Nähe <strong>der</strong> Wirtschaftsfreiheit<br />

gerückt. Der Botschaft zur revidierten BV lässt sich jedoch nicht entnehmen,<br />

ob dies bedeutet, dass die Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit von Art. 23 BV neu nicht mehr für<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck gilt (Botschaft des Bundesrates über e<strong>in</strong>e neue Bundesverfassung<br />

vom 20. November 1996, Separatdruck, S. 167 ff. und S. 177 ff.).<br />

366<br />

JÖRG PAUL MÜLLER, a.a.O., S. 341. Soweit e<strong>in</strong>e ideelle Vere<strong>in</strong>igung (z.B. e<strong>in</strong> Umweltverband)<br />

auf dem Markt auftrete, könne er sich bezüglich <strong>der</strong> kommerziellen Tätigkeit<br />

nicht auf die Vere<strong>in</strong>sfreiheit, son<strong>der</strong>n lediglich auf die Wirtschaftsfreiheit berufen. – Als<br />

ideell bezeichnet MÜLLER aber ausdrücklich „berufsspezifische Zwecke“.<br />

131


XI. Die Gründung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen<br />

Charakters<br />

1. Gründung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n gemäss ZGB<br />

Nach Art. 60 f. ZGB erfolgt die Gründung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s, <strong>in</strong>dem Personen,<br />

welche die Funktion von Gründungsmitglie<strong>der</strong>n haben, mit dem<br />

Willen zur Schaffung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s Statuten <strong>in</strong> schriftlicher Form errichten.<br />

Diese Statuten müssen über den Zweck des Vere<strong>in</strong>s, se<strong>in</strong>e Mittel<br />

und se<strong>in</strong>e Organisation Aufschluss geben und unterzeichnet werden. 367<br />

Nach Vornahme dieser Gründungshandlungen besteht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> mit<br />

Rechtspersönlichkeit. 368 Anschliessend an die Gründung und nach <strong>der</strong><br />

Wahl <strong>der</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong> können sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die ke<strong>in</strong> kaufmännisches<br />

Unternehmen betreiben, freiwillig <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen<br />

lassen, während sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben,<br />

<strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen müssen. Allerd<strong>in</strong>gs erlangen<br />

auch sie bereits vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung die Rechtspersönlichkeit; <strong>der</strong><br />

Handelsregistere<strong>in</strong>trag hat lediglich deklaratorische Wirkung. 369<br />

2. E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

Die E<strong>in</strong>tragung von Gesellschaften <strong>in</strong>s Handelsregister dient <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie dem Schutz Dritter. Dem Handelsregistere<strong>in</strong>trag kommt e<strong>in</strong>e negative<br />

und e<strong>in</strong>e positive Publizitätswirkung zu. Wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> Träger<br />

e<strong>in</strong>es kaufmännischen Unternehmens ist, so ist das Bedürfnis von<br />

kreditgebenden Personen, Lieferanten und Kundschaft an <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Bekanntgabe gewisser Daten beson<strong>der</strong>s gross, namentlich was die<br />

Offenlegung <strong>der</strong> Haftungsverhältnisse anbelangt. 370<br />

Der E<strong>in</strong>trag im Handelsregister hat verschiedene Wirkungen. Im<br />

Handelsregister e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unterliegen <strong>der</strong> Konkurs- und<br />

367<br />

Zur Wahl des Namens des Vere<strong>in</strong>s: Gemäss Weisung des Eidgenössischen Amtes für<br />

das Handelsregister vom 1.01.1998 an die kantonalen Handelsregisterbehörden, Ziff. 345,<br />

muss „<strong>der</strong> Name e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s [...] als solcher erkennbar se<strong>in</strong>“ und „erfor<strong>der</strong>lichenfalls<br />

mit <strong>der</strong> Angabe <strong>der</strong> Rechtsform“ versehen werden; <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis wird dieser Weisung jedoch<br />

nicht nachgelebt, so dass bei <strong>der</strong> Schaffung des Namens grosse Freiheiten bestehen.<br />

368<br />

Vgl. im e<strong>in</strong>zelnen HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB, Bern 1990.<br />

369<br />

URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 1, Basel 1996; HANS MICHAEL<br />

RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 50, Bern 1990.<br />

370<br />

HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 7, Basel 1996; HANS MICHAEL<br />

RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 18, Bern 1990.<br />

132


Wechselbetreibung. 371 Da <strong>der</strong> E<strong>in</strong>trag Angaben über den Vere<strong>in</strong>ssitz<br />

enthalten muss, ist für Dritte klar, wo <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> beklagt und betrieben<br />

werden kann. 372 In Kantonen mit Handelsgerichtsbarkeit ist grundsätzlich<br />

das Handelsgericht zuständig. 373 E<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> könne auch<br />

Zweignie<strong>der</strong>lassungen begründen. 374 E<strong>in</strong>tragungspflichtige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unterliegen<br />

ausserdem <strong>der</strong> Buchführungspflicht, selbst wenn die E<strong>in</strong>tragung<br />

noch nicht erfolgt ist. 375 Aus dem Handelsregister ist ersichtlich, ob<br />

gewisse Mitglie<strong>der</strong> persönlich haften o<strong>der</strong> zu Nachschüssen verpflichtet<br />

s<strong>in</strong>d. 376 Der Handelsregistere<strong>in</strong>trag verschafft dem Vere<strong>in</strong> die Möglichkeit,<br />

die aktive Vertretungsmacht zu beschränken, so dass <strong>der</strong> Beschränkung<br />

ohne weiteres Wirkung auch gegenüber gutgläubigen Dritten zukommt.<br />

377 Schliesslich s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> verpflichtet, alle<br />

Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>getragenen Tatsachen <strong>der</strong> Handelsregisterführung<br />

mitzuteilen, damit das Handelsregister die jeweiligen Verhältnisse wahrheitsgemäss<br />

wi<strong>der</strong>gibt. 378 Die hier geschil<strong>der</strong>ten Wirkungen gelten alle<br />

für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche sich nach Art. 61 Abs. 2 ZGB <strong>in</strong>s Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>tragen lassen müssen, weil sie e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben.<br />

Freiwillig e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen nicht buchführungspflichtig,<br />

sie unterstehen nicht e<strong>in</strong>er allfälligen Handelsgerichtsbarkeit<br />

und sie können ke<strong>in</strong>e Zweignie<strong>der</strong>lassungen begründen und<br />

e<strong>in</strong>tragen. 379<br />

Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters muss im Interesse des Gläubigerschutzes<br />

allgeme<strong>in</strong> die E<strong>in</strong>tragungspflicht gelten, selbst wenn sie<br />

ke<strong>in</strong> eigentliches kaufmännisches Unternehmen i.S.v. Art. 934 Abs. 1<br />

371<br />

URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 3, Basel 1996; HANS MICHAEL<br />

RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 54 f., Bern 1990. Vgl. dazu auch S. 210 ff.<br />

372<br />

HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 56 f.<br />

373<br />

DERS., a.a.O. N 62 ff.<br />

374<br />

DERS., a.a.O. N 69 f.<br />

375<br />

URS SCHERRER, a.a.O. N 4; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 58 ff. Das Bundesgericht<br />

leitet für Genossenschaften unter an<strong>der</strong>em aus Art. 958 OR die Pflicht ab, die Betriebsrechnung<br />

und die Bilanz jährlich abzunehmen (Entscheid des Bundesgerichts vom<br />

17. September 1941, Pra 30 [1941], S. 281 f.). Diese Pflicht sollte auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters gelten. So jedenfalls für e<strong>in</strong>tragungspflichtige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> HEINI,<br />

SPR II, Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, Basel 1967, S. 559 f., FN 18; DERS., Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht,<br />

Basel 1988, S. 78, FN 38; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 60.<br />

376<br />

Art. 99 HRV i.V.m. Art. 94 HRV und Art. 95 HRV; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O.<br />

N 71.<br />

377<br />

DERS., a.a.O. N 52 f.<br />

378<br />

DERS., a.a.O. N 66 ff.<br />

379<br />

DERS., a.a.O. N 73 ff.<br />

133


OR führen. 380 E<strong>in</strong> Handelsregistere<strong>in</strong>trag liegt durchaus im Interesse von<br />

wirtschaftlich ausgerichteten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. 381 Durch den Handelsregi-<br />

380 Bereits nach geltendem Recht ist es <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters möglich,<br />

sich freiwillig <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen zu lassen. Dies würde selbst dann gelten,<br />

wenn <strong>der</strong> Zweck e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s als unzulässig qualifiziert würde. Die Handelsregisterführung<br />

hat zwar immer dann, wenn e<strong>in</strong>e Personenverb<strong>in</strong>dung sich als Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>tragen will, vorfrageweise zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 60 ZGB<br />

erfüllt s<strong>in</strong>d. Diese Prüfungspflicht ist <strong>in</strong> den Art. 21 und 115 HRV ausdrücklich statuiert,<br />

unter an<strong>der</strong>em, weil den <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>getragenen Tatsachen gemäss<br />

Art. 9 ZGB e<strong>in</strong>e erhöhte Beweiskraft zukommt. Allerd<strong>in</strong>gs steht <strong>der</strong> Handelsregisterführung<br />

nach <strong>der</strong> bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur e<strong>in</strong> sehr beschränktes Überprüfungsrecht<br />

zu. Die E<strong>in</strong>tragung darf unter Berufung auf die fehlende Gesetzmässigkeit nur<br />

dann verweigert werden, wenn offensichtliche und unzweideutige Verstösse gegen e<strong>in</strong>deutig<br />

zw<strong>in</strong>gendes Recht vorliegen. Und selbst <strong>in</strong> diesem Bereich darf die Handelsregisterführung<br />

nur e<strong>in</strong>schreiten, wenn dieses zur Wahrung öffentlicher Interessen o<strong>der</strong> im<br />

Interesse Dritter statuiert worden ist, also nicht bloss die direkt beteiligten Personen betrifft<br />

(Zuletzt BGE 125 II 18, 21. – Vgl. CHRISTIAN SPECKER, Die Abgrenzung des Vere<strong>in</strong>s<br />

von <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verbandsperson, Diss. Freiburg, Zürich 1948, S. 3 f.;<br />

ARNOLD KOLLER, Grundfragen e<strong>in</strong>er Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg 1967,<br />

S. 100 ff.; PETER FORSTMOSER, Atypische und wi<strong>der</strong>rechtliche Genossenschaften und<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sowie ihre registerrechtliche Behandlung, SAG 1983, S. 146 ff., mit H<strong>in</strong>weisen<br />

auf die Bundesgerichtspraxis; MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />

8. Auflage Bern 1998, § 6 N 34 ff. – Zur Kritik an dieser Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichts vgl. die H<strong>in</strong>weise bei MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O.). E<strong>in</strong><br />

möglicherweise unzulässiger wirtschaftlicher Zweck darf angesichts <strong>der</strong> vielen Unsicherheiten<br />

zur Frage des wirtschaftlichen Zwecks nicht dazu führen, dass die E<strong>in</strong>tragung abgelehnt<br />

werden kann. Der Handelsregistere<strong>in</strong>trag begründet lediglich e<strong>in</strong>e wi<strong>der</strong>legbare<br />

Vermutung. Gerichte können daher die Rechtsfähigkeit e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>s selbständig<br />

überprüfen. Wie die vorliegende Arbeit zeigt, ist durchaus e<strong>in</strong>e plausible Auslegung<br />

des Gesetzestextes möglich, wonach <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wirtschaftlichem Zweck zulässig<br />

s<strong>in</strong>d. Dies führt gemäss Bundesgericht dazu, dass die E<strong>in</strong>tragung vorgenommen werden<br />

muss (BGE 125 III 18, 21).<br />

381 Bereits <strong>in</strong> den Erläuterungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes<br />

zum VEZGB wird ausgeführt, dass die Abgrenzung, ob sich e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>tragen lassen muss, eigentlich nach <strong>der</strong> Frage erfolgen sollte, ob die Personenverb<strong>in</strong>dung<br />

„dem Verkehr angehöre o<strong>der</strong> nicht“. Die getroffene Abgrenzung zwischen<br />

Vere<strong>in</strong> und Genossenschaft werde auch im wesentlichen darauf h<strong>in</strong>auslaufen. Wo sich die<br />

vom Gesetz getroffene Abgrenzung als nicht richtig erweisen sollte, dürfe darauf vertraut<br />

werden, dass die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> selber und aus eigenem Interesse die E<strong>in</strong>tragung erwirken würden,<br />

sobald sie im Verkehrsleben e<strong>in</strong>e Stellung e<strong>in</strong>nehmen, die es ihnen als ratsam ersche<strong>in</strong>en<br />

lässt, sich <strong>in</strong> das Handelsregister e<strong>in</strong>tragen zu lassen. Dies sei <strong>der</strong> Grund, weshalb<br />

die Grundentscheidung betreffend Notwendigkeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s<br />

Handelsregister nach dem Vere<strong>in</strong>szweck getroffen worden sei und nicht nach dem Interesse<br />

des Verkehrs (EUGEN HUBER, <strong>Schweiz</strong>erisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum<br />

Vorentwurf, Erstes Heft: E<strong>in</strong>leitung, Personen- und Familienrecht, Bern 1901, S. 82). Die<br />

Rechtswirklichkeit ist allerd<strong>in</strong>gs an<strong>der</strong>s: E<strong>in</strong>e Vielzahl von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche <strong>in</strong>sofern<br />

„dem Verkehr angehören“, als sie grosse Umsätze generieren, s<strong>in</strong>d nicht im Handelsregi-<br />

134


stere<strong>in</strong>trag werden klare Verhältnisse geschaffen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e kommt<br />

sämtlichen e<strong>in</strong>getragenen Tatsachen die erhöhte Beweiskraft gemäss Art.<br />

9 ZGB zu. Dritten fällt es daher schwerer, die Existenz e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>getragenen<br />

Vere<strong>in</strong>s zu bestreiten mit dem Ziel, die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> direkt<br />

als persönlich Haftende <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen.<br />

An sich wäre es konsequent, für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

die Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung mit konstitutiver Wirkung zu for<strong>der</strong>n. 382 Damit<br />

würden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters sachgerecht gleich behandelt<br />

wie Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung,<br />

Genossenschaften und Kommanditaktiengesellschaften. Obwohl<br />

dadurch lediglich <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>e Grundsatz <strong>der</strong> rechtsbegründenden<br />

Wirkung <strong>der</strong> Handelsregistere<strong>in</strong>tragung 383 auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters ausgedehnt würde, kann die konstitutive Wirkung angesichts<br />

von Art. 61 Abs. 2 ZGB allerd<strong>in</strong>gs nur auf dem Weg e<strong>in</strong>er Gesetzesän<strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>geführt werden.<br />

ster e<strong>in</strong>getragen. So etwa die meisten Sportvere<strong>in</strong>e (DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong><br />

Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 29).<br />

382 Gleicher Ansicht auch URS SCHERRER, Rechtsfragen des organisierten Sportlebens <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich 1982, S. 68.<br />

383 ROBERT PATRY, SPR VIII/1, Grundlagen des Handelsrechts, Basel 1976, S. 148.<br />

135


XII. Die Mitgliedschaftsrechte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters<br />

1. Die Mitgliedschaftsrechte gemäss ZGB<br />

Die Rechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s werden <strong>in</strong> drei Hauptgruppen<br />

unterteilt. Unterschieden werden Mitverwaltungs- o<strong>der</strong> Mitwirkungsrechte,<br />

Schutzrechte sowie Benutzungsrechte und weitere vermögenswerte<br />

Rechte. 384<br />

Bei den Mitverwaltungsrechten steht das Stimm- und Wahlrecht 385 im<br />

Vor<strong>der</strong>grund. Dem Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> 386 dienen vor allem die Bestimmungen<br />

über die Unverletzlichkeit des Zweckes 387 und die Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Anfechtung von Beschlüssen, welche das Gesetz o<strong>der</strong> die Statuten<br />

verletzen. 388 Ausserdem kann bei Verletzung e<strong>in</strong>es subjektiven<br />

Mitgliedschaftsrechts das Gericht angerufen werden. Durch die Benutzungsrechte<br />

wird den Mitglie<strong>der</strong>n die Teilnahme an den Tätigkeiten des<br />

Vere<strong>in</strong>s gewährleistet, die durch den Vere<strong>in</strong>szweck vorgegeben s<strong>in</strong>d. 389<br />

Herkömmlicherweise spielen eigentliche Vermögensrechte bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. 390<br />

Obwohl das geschriebene Vere<strong>in</strong>srecht ke<strong>in</strong>e Norm betreffend die<br />

allgeme<strong>in</strong>e Gleichbehandlung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> enthält, wird dieses<br />

Pr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> Rechtsprechung und Literatur wie für alle Gesellschaftsformen<br />

auch für den Vere<strong>in</strong> anerkannt. 391<br />

2. Allgeme<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Im folgenden werden die Beson<strong>der</strong>heiten, welche sich h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />

Mitgliedschaftsrechte bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ergeben,<br />

384<br />

ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 6, Basel 1996; DERS., Das schweizerische<br />

Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 50.<br />

385<br />

Vgl. dazu S. 141 ff.<br />

386<br />

Vgl. S. 143 ff.<br />

387<br />

Vgl. S. 146 ff.<br />

388<br />

Vgl. zur Anfechtung von Fusions- o<strong>der</strong> Umwandlungsbeschlüssen die spezielle Regelung<br />

<strong>in</strong> Art. 105 EFusG.<br />

389<br />

ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 7 ff., Basel 1996.<br />

390<br />

Vgl. dazu S. 148 ff.<br />

391<br />

Vgl. <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 149 ff.,<br />

Bern 1990, mit Nachweisen; BGE 108 II 15; EUGEN CURTI, Die Mitgliedschaftsrechte <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> nach dem <strong>Schweiz</strong>erischen Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1952, S. 87 ff.<br />

136


im e<strong>in</strong>zelnen dargestellt. Dabei wird sich immer wie<strong>der</strong> zeigen, dass die<br />

Stellung e<strong>in</strong>es Mitgliedes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nichtwirtschaftlichen Vere<strong>in</strong> sich<br />

grundsätzlich <strong>in</strong> stärkerem Masse an den Persönlichkeitsrechten <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> zu orientieren hat, als dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters <strong>der</strong> Fall ist (auf die Beson<strong>der</strong>heiten im Zusammenhang mit<br />

den Persönlichkeitsrechten von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen<br />

Charakters wird später e<strong>in</strong>gegangen 392 ). 393 An<strong>der</strong>erseits gibt es aber<br />

Bereiche, <strong>in</strong> welchen die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters<br />

e<strong>in</strong>en verstärkten Schutz benötigen im Vergleich zu denjenigen<br />

e<strong>in</strong>es herkömmlichen Vere<strong>in</strong>s. Zu denken ist etwa an den Bereich <strong>der</strong><br />

vermögenswerten Rechte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e an Fälle, <strong>in</strong> welchen Geldleistungen<br />

ausgerichtet werden. 394<br />

Im Gegensatz zum Vere<strong>in</strong>srecht f<strong>in</strong>det sich im Genossenschaftsrecht<br />

e<strong>in</strong>e explizite Bestimmung betreffend den Grundsatz <strong>der</strong> Gleichbehandlung<br />

aller Mitglie<strong>der</strong> (Art. 854 OR). Für gewisse Bereiche – etwa im<br />

Zusammenhang mit dem Stimmrecht – ist e<strong>in</strong>e absolute Gleichbehandlung<br />

<strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> vorgeschrieben (Art. 885 OR). Ansonsten<br />

ist für das Genossenschaftsrecht anerkannt, dass Art. 854 OR<br />

als Grundsatz <strong>der</strong> relativen Gleichbehandlung zu verstehen ist. 395 Massstab<br />

dafür ist <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> jeweiligen Genossenschaft. Jede Ungleichbehandlung<br />

hat dem Wesen <strong>der</strong> betreffenden Genossenschaft zu entsprechen<br />

und muss sachlich gerechtfertigt se<strong>in</strong>. 396 Trotz <strong>der</strong> Nähe von<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters zu Genossenschaften ist es nicht<br />

gerechtfertigt, die bei <strong>der</strong> Genossenschaft für bestimmte Bereiche vorgesehene<br />

absolute Gleichbehandlung auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zu übertragen. In gewissen<br />

Konstellationen ist es geradezu e<strong>in</strong> Vorteil, wenn etwa das<br />

Stimmrecht differenziert geregelt werden kann. Allgeme<strong>in</strong> gesehen führt<br />

die Befolgung des Pr<strong>in</strong>zips <strong>der</strong> relativen Gleichbehandlung zu e<strong>in</strong>er<br />

grösseren Gerechtigkeit im E<strong>in</strong>zelfall. H<strong>in</strong>gegen ist für die Konkretisierung<br />

des Massstabs <strong>der</strong> relativen Gleichbehandlung <strong>der</strong> wirtschaftliche<br />

Charakter des Vere<strong>in</strong>s zu berücksichtigen. Wie bei <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

hat sich die Lösung <strong>der</strong> Gleichbehandlungsfrage am Vere<strong>in</strong>scharakter zu<br />

orientieren. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ersche<strong>in</strong>t es gerecht,<br />

gewisse Rechte von den geldwerten Vorteilen, welche e<strong>in</strong> Mitglied<br />

392<br />

S. 144.<br />

393<br />

FRANK VISCHER, Besprechung von HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991,<br />

S. 365.<br />

394<br />

Vgl. dazu nachfolgend S. 148 ff.<br />

395<br />

Vgl. die Nachweise bei HANS NIGG, Kommentar zu Art. 854 OR N 6, Basel 1994.<br />

396<br />

DERS., a.a.O. N 7, mit weiteren Nachweisen.<br />

137


dem Vere<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gt, o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Kapitalstärke <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> abhängig<br />

zu machen.<br />

3. Die Auskunftsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

a) Auskunftsrechte gemäss ZGB<br />

Den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n steht im Rahmen <strong>der</strong> Mitgliedschaftsrechte<br />

und -pflichten e<strong>in</strong> Auskunftsrecht gegenüber dem Vere<strong>in</strong> bzw. dessen<br />

Organen zu, obwohl das Gesetz dieses nicht ausdrücklich statuiert. 397<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d die Auskunftsrechte <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s wichtig, weil das Gesetz im Gegensatz zur Genossenschaft<br />

(Art. 906 OR) und zu den Kapitalgesellschaften ke<strong>in</strong>e Kontrollstelle<br />

vorschreibt. 398<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> dürfen gemäss Gesetz nur mit ausdrücklicher<br />

Ermächtigung <strong>der</strong> Generalversammlung o<strong>der</strong> aufgrund e<strong>in</strong>es Beschlusses<br />

<strong>der</strong> Verwaltung <strong>in</strong> die Geschäftsbücher und Korrespondenzen<br />

<strong>der</strong> Genossenschaft E<strong>in</strong>sicht nehmen (Art. 857 Abs. 2 OR). E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige<br />

E<strong>in</strong>schränkung ist für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> – zum<strong>in</strong>dest für solche, die nicht<br />

statutarisch e<strong>in</strong>e Kontrollstelle vorsehen – nicht zweckmässig. In <strong>der</strong><br />

Genossenschaft können die Mitglie<strong>der</strong> nämlich von <strong>der</strong> Kontrollstelle<br />

die erfor<strong>der</strong>lichen Aufschlüsse verlangen, wenn sie ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sicht erhalten.<br />

399<br />

Analog zur Genossenschaft ist jedoch auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n darauf zu<br />

achten, dass das Geschäftsgeheimnis des Vere<strong>in</strong>s bei E<strong>in</strong>sichtnahmen<br />

397 ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 9, Basel 1996; ALEXANDER DE BEER,<br />

Zum Auskunftsrecht des Vere<strong>in</strong>smitglieds, ZSR 107 I (1988), S. 243.<br />

398 Dieser Gedanke liegt auch <strong>der</strong> Regelung von Art. 819 OR zugrunde: Die nichtgeschäftsführenden<br />

Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben weitgehende<br />

Kontrollrechte. Diese entfallen jedoch, wenn die Statuten e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Kontrollstelle<br />

vorsehen. In diesem Fall entsprechen die Kontrollrechte denjenigen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Aktiengesellschaft. – Zur Frage, <strong>in</strong>wieweit die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Kontrollstelle bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

wirtschaftlichen Charakters zu for<strong>der</strong>n ist, vgl. S. 195 ff.<br />

399 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch ALEXANDER DE BEER, a.a.O., S. 247 f., <strong>der</strong> darauf h<strong>in</strong>weist,<br />

dass bei <strong>der</strong> Konzeption des Vere<strong>in</strong>srechts (Fehlen e<strong>in</strong>er Kontrollstelle) davon ausgegangen<br />

wurde, die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s seien selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, die Kontrolle auszuüben.<br />

DE BEER bezeichnet das Auskunftsrecht als e<strong>in</strong> Auffangrecht, das den Vollzug von Macht<br />

<strong>in</strong> demokratisch legitimierter Weise zu gewährleisten hat, und damit als e<strong>in</strong>en Eckpfeiler<br />

<strong>in</strong>nerverbandlicher Demokratie.<br />

138


gewahrt wird (Art. 857 Abs. 2 OR; vgl. entsprechend für die Aktiengesellschaft<br />

Art. 697 Abs. 2 OR). Insofern hat <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall e<strong>in</strong>e Interessenabwägung<br />

stattzuf<strong>in</strong>den zwischen dem Interesse des Vere<strong>in</strong>smitglieds<br />

auf Auskunft und demjenigen des Vere<strong>in</strong>s auf Wahrung <strong>der</strong><br />

Geschäftsgeheimnisse. Zum selben Ergebnis kommt e<strong>in</strong>e Untersuchung<br />

DE BEERS, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Vergleich zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n und <strong>der</strong> Aktiengesellschaften<br />

angestellt wird. 400 Der Umfang des Auskunftsrechts <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

bestimmt sich wesentlich nach den Zielsetzungen des Vere<strong>in</strong>s,<br />

<strong>der</strong> Intensität und Natur <strong>der</strong> Beziehungen zwischen Mitglied und Vere<strong>in</strong><br />

und den damit zusammenhängenden Treuepflichten. 401 Die Beziehungen<br />

zwischen Mitglied und Vere<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> Unternehmen s<strong>in</strong>d,<br />

400<br />

ALEXANDER DE BEER, Zum Auskunftsrecht des Vere<strong>in</strong>smitglieds, ZSR 107 I [1988],<br />

S. 246 ff.<br />

401<br />

Da Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft ke<strong>in</strong>er Treue- und damit ke<strong>in</strong>er Geheimhaltungspflicht<br />

unterstehen (Vgl. zur Frage, ob Aktionäre e<strong>in</strong>er Treuepflicht unterstehen<br />

o<strong>der</strong> unterstellt werden können MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />

8. Auflage Bern 1998, § 3 N 23: Obwohl <strong>in</strong> neuerer Zeit verschiedentlich<br />

angeregt worden ist, für beson<strong>der</strong>e Arten von Aktiengesellschaften [v.a. kle<strong>in</strong>e, personenbezogene<br />

Aktiengesellschaften, Familienaktiengesellschaften] e<strong>in</strong>e Treuepflicht zu bejahen,<br />

hat das Bundesgericht dies konsequent abgelehnt [BGE 105 II 128, BGE 99 II 62].),<br />

bleibt zum<strong>in</strong>dest bei grossen Publikumsgesellschaften wenig Raum für das Auskunftsrecht.<br />

DE BEER beurteilt demgegenüber bei personenbezogeneren Kle<strong>in</strong>aktiengesellschaften<br />

die Gefahr als kle<strong>in</strong>er, dass Informationen an e<strong>in</strong>e grössere Öffentlichkeit gelangen<br />

könnten. Ausserdem sei das Auskunfts<strong>in</strong>teresse <strong>der</strong> Aktionäre gross, weil ihr f<strong>in</strong>anzielles<br />

Engagement meist auf Dauer angelegt und e<strong>in</strong>e Veräusserung <strong>der</strong> Aktien häufig<br />

mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei. Entsprechend kommt DE BEER für kle<strong>in</strong>e<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit nichtwirtschaftlichem Zweck zum Ergebnis: Angesichts <strong>der</strong> vergleichsweise<br />

starken Treuepflichten (vgl. zu den Treuepflichten im Vere<strong>in</strong>srecht S. 153 ff.) und <strong>der</strong><br />

nichtwirtschaftlichen Zielsetzung bestehe e<strong>in</strong>e umfassende Informationspflicht über alle<br />

Fragen, die mit dem Vere<strong>in</strong>szweck als solchem zusammenhängen. E<strong>in</strong>e Verweigerung von<br />

Auskünften unter H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong> Geheimhaltungs<strong>in</strong>teresse sei daher bei herkömmlichen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nur <strong>in</strong> sehr seltenen Fällen zulässig. Für sogenannte Grossvere<strong>in</strong>e (als Beispiele<br />

führt DE BEER Automobilverbände [z.B. TCS und ACS] an) verne<strong>in</strong>t DE BEER h<strong>in</strong>gegen<br />

e<strong>in</strong> umfassendes Auskunftsrecht. Er begründet dies damit, das Interesse <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

richte sich vorab auf die Leistungen, die ihnen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> erbr<strong>in</strong>gt. Sie hätten wenig Anteil<br />

an <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sgeschicke. Mitwirkungsrechte und -pflichten könnten<br />

e<strong>in</strong>er Delegiertenversammlung übertragen werden. Ausserdem würden <strong>in</strong> solchen Verhältnissen<br />

oft zusätzlich Kontrollorgane geschaffen, welchen e<strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränktes Auskunftsrecht<br />

zukomme. E<strong>in</strong> zusätzliches Auskunftsrecht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> könne <strong>in</strong><br />

solchen Grossvere<strong>in</strong>en aus praktischen Gründen nicht denselben Umfang annehmen wie<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kle<strong>in</strong>vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Mitwirkung und Mitbestimmung jedes e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedes<br />

abhängig ist. DE BEER ist jedoch <strong>der</strong> Ansicht, das volle Auskunftsrecht <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> müsse dann wie<strong>der</strong> aufleben, wenn die gewählten Vere<strong>in</strong>sorgane<br />

rechts- und statutenwidrig handeln und die Kontrollorgane versagen.<br />

139


<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel weniger persönlich als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

ist zu beachten, dass auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

unter Umständen auf sehr strenge Treuepflichten ihrer Mitglie<strong>der</strong> angewiesen<br />

s<strong>in</strong>d. Zu denken ist etwa an die zu Beg<strong>in</strong>n dieser Arbeit vorgestellten<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wie Deloitte Consult<strong>in</strong>g 402 , Deloitte Touche Tohmatsu 403 ,<br />

KPMG International 404 o<strong>der</strong> Coopers & Lybrand International 405 , die wohl<br />

unter an<strong>der</strong>em gerade wegen <strong>der</strong> Treuepflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />

diese Rechtsform gewählt haben. 406<br />

An<strong>der</strong>erseits ist auch <strong>der</strong> Ansicht DE BEERS Beachtung zu schenken,<br />

das Auskunftsrecht von Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n bestimme sich zusätzlich<br />

auch durch die Beitrags- und Rechenschaftspflicht: DE BEER schliesst<br />

aus <strong>der</strong> Beitragspflicht gemäss Art. 71 Abs. 1 ZGB, die Mitglie<strong>der</strong> hätten<br />

e<strong>in</strong> Stimm- und Auskunftsrecht über Höhe und Verwendung <strong>der</strong> geleisteten<br />

Beiträge. Daraus ergebe sich e<strong>in</strong> umfassen<strong>der</strong> Anspruch auf Auskunftserteilung<br />

betreffend die Verwaltung des Vere<strong>in</strong>svermögens durch<br />

den Vorstand. Nach DE BEER kann dieses auf die wirtschaftliche Tätigkeit<br />

des Vorstandes gerichtete Auskunftsrecht – im Gegensatz zum Aktienrecht<br />

– nicht mit dem H<strong>in</strong>weis auf Geheimhaltungsbedürfnisse des<br />

Vere<strong>in</strong>s beschränkt werden. 407 Sofern e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> statutarisch e<strong>in</strong>e Kontrollstelle<br />

vorsieht, ist es jedoch entgegen <strong>der</strong> Auffassung DE BEERS<br />

vertretbar, dass die E<strong>in</strong>sichtsrechte <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> betreffend das<br />

Vere<strong>in</strong>svermögen analog zum Genossenschaftsrecht beschränkt werden.<br />

408 Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund liegt es im Interesse von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters, e<strong>in</strong>e Kontrollstelle als Organ vorzusehen, weil<br />

dadurch unerwünschte Publizität vermieden werden kann. An<strong>der</strong>erseits<br />

muss trotz Vorhandense<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>er Kontrollstelle auch e<strong>in</strong> Recht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />

auf Bekanntgabe <strong>der</strong> Bilanz bestehen, wie dies Art. 856<br />

OR für die Genossenschaft vorsieht. 409<br />

402<br />

Siehe S. 14.<br />

403<br />

Siehe S. 13.<br />

404<br />

Siehe S. 14.<br />

405<br />

Siehe S. 16.<br />

406<br />

Auf die Treuepflichten wird S. 153 ff. weiter e<strong>in</strong>gegangen.<br />

407<br />

ALEXANDER DE BEER, Zum Auskunftsrecht des Vere<strong>in</strong>smitglieds, ZSR 107 I (1988),<br />

S. 250 ff., mit H<strong>in</strong>weisen zum deutschen Recht. – Auf die speziellen Ausführungen DE<br />

BEERS gestützt auf Gläubiger- und Schuldnerrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> (z.B. zweckgebundene<br />

Spenden) ist an dieser Stelle nicht näher e<strong>in</strong>zugehen.<br />

408<br />

Vgl. dazu auch Art. 819 OR (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und den H<strong>in</strong>weis<br />

<strong>in</strong> FN 398.<br />

409<br />

Vgl. dazu auch S. 195 ff.<br />

140


c) Grossvere<strong>in</strong>e<br />

Die soeben dargestellten Beson<strong>der</strong>heiten h<strong>in</strong>sichtlich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters gelten auch für Grossvere<strong>in</strong>e 410 .<br />

4. Stimm- und Wahlrecht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

a) Stimm- und Wahlrecht gemäss ZGB<br />

Die Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em herkömmlichen Vere<strong>in</strong> basiert auf <strong>der</strong><br />

Person des Mitglieds und nicht auf <strong>der</strong> Kapitalbeteiligung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em<br />

an<strong>der</strong>en wirtschaftlichen Aspekt. Gemäss Art. 67 Abs. 1 ZGB gilt daher<br />

grundsätzlich, dass alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sversammlung dasselbe<br />

Stimmrecht haben. Diese Bestimmung ist allerd<strong>in</strong>gs dispositiver Natur,<br />

wobei nach vorherrschen<strong>der</strong> Auffassung Abweichungen vom Pr<strong>in</strong>zip des<br />

Kopfstimmrechts nicht willkürlich se<strong>in</strong> dürfen: Sie müssen sachlich begründet<br />

se<strong>in</strong> und ihre Rechtfertigung im Vere<strong>in</strong>szweck f<strong>in</strong>den. 411<br />

Die Zulässigkeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>räumung des Stimm- und Wahlrechts an<br />

Nichtmitglie<strong>der</strong> wird mehrheitlich abgelehnt, weil das Vere<strong>in</strong>sleben im<br />

Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften massgeblich durch das persönliche<br />

Mitwirken <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> bestimmt sei. 412<br />

Sofern die Statuten nicht explizit die gewillkürte Stellvertretung bei<br />

<strong>der</strong> Ausübung des Stimmrechts zulassen, wird diese allgeme<strong>in</strong> als<br />

Fremdkörper im Vere<strong>in</strong>srecht und daher ebenfalls als unzulässig betrachtet.<br />

413 Und selbst bei statutarischer Festsetzung wird teilweise die<br />

Beschränkung auf konkrete Verhandlungsgegenstände wie die Abgabe<br />

<strong>der</strong> Stimme zu e<strong>in</strong>em bestimmten Traktandum o<strong>der</strong> die Wahl e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Person postuliert. 414<br />

Stimmrechtsvere<strong>in</strong>barungen bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n werden – sofern sie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Literatur überhaupt behandelt werden – als grundsätzlich zulässig ange-<br />

410 Vgl. dazu S. 123.<br />

411 HEINI / SCHERRER, Kommentar zu Art. 67 ZGB N 4 f., Basel 1996; HANS MICHAEL<br />

RIEMER, Kommentar zu Art. 67 ZGB N 9, Bern 1990.<br />

412 HEINI / SCHERRER, a.a.O. N 2; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 22 ff.; ANTON<br />

HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 50 f. An<strong>der</strong>er Ansicht A. EGGER,<br />

Kommentar zu Art. 66/67 ZGB N 10.<br />

413 Vgl. als Beispiel für e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> die Vertretung zulässt, Art. 10 <strong>der</strong> Statuten <strong>der</strong><br />

Tonhalle-Gesellschaft Zürich. Gemäss diesen Statuten darf ke<strong>in</strong> Mitglied mehr als vier<br />

an<strong>der</strong>e Mitglie<strong>der</strong> vertreten.<br />

414 ANTON HEINI, a.a.O., S. 51 f. Gegen e<strong>in</strong>e Beschränkung auf bestimmte Gegenstände<br />

HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 35. Teilweise wird auch die generelle Unzulässigkeit<br />

postuliert, selbst bei statutarischer Grundlage, vgl. dazu die H<strong>in</strong>weise bei RIEMER, a. a. O.<br />

141


sehen. Allerd<strong>in</strong>gs wird auf die Schranke des Persönlichkeitsschutzes<br />

verwiesen, <strong>der</strong>en Überschreitung zur Nichtigkeit des entsprechenden<br />

Vertrages führt (Art. 27 ZGB i.V.m. Art. 19 Abs. 2 OR). Diese Schranke<br />

dürfte bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n charakteristischerweise nicht selten<br />

aktuell werden, falls e<strong>in</strong>e Stimmrechtsvere<strong>in</strong>barung getroffen werden<br />

soll. 415<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />

E<strong>in</strong>e Differenzierung des Stimmrechts kann bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters etwa mit e<strong>in</strong>er unterschiedlichen Kapitalbeteiligung begründet<br />

werden. Sie kann sich aber auch nach <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />

richten, nach <strong>der</strong> Grösse und Bedeutung des Mitgliedes, wenn<br />

es sich um e<strong>in</strong>e juristische Person handelt, o<strong>der</strong> nach Massgabe <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Potenz des Mitgliedes (bestimmbar etwa anhand des Umsatzes).<br />

Alle genannten Kriterien s<strong>in</strong>d bei e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel sachlich gerechtfertigt. 416<br />

E<strong>in</strong> statutarisch e<strong>in</strong>geräumtes Stimmrecht für Nichtmitglie<strong>der</strong> ist auch<br />

bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters abzulehnen. Zu beachten ist,<br />

dass Dritten dennoch weitgehende Rechte e<strong>in</strong>geräumt werden können:<br />

Nach RIEMER können nämlich Nichtmitglie<strong>der</strong>n die „Nebenrechte“ zum<br />

Stimmrecht, das passive Wahlrecht für Organfunktionen sowie Ernennungs-<br />

und E<strong>in</strong>spracherechte zugestanden werden. 417<br />

E<strong>in</strong> Vergleich mit den Möglichkeiten <strong>der</strong> Stellvertretung bei Kapitalgesellschaften<br />

zeigt, dass etwa die aktienrechtliche Mitgliedschaft<br />

äusserst vertretungsfreundlich ausgestaltet ist (Art. 689 ff. OR). Bei <strong>der</strong><br />

Genossenschaft f<strong>in</strong>den sich mehr Beschränkungen, es ist aber immerh<strong>in</strong><br />

noch zulässig, dass sich Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> durch an<strong>der</strong>e Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

vertreten lassen, wobei allerd<strong>in</strong>gs bei Genossenschaften<br />

mit bis zu tausend Mitglie<strong>der</strong>n niemand mehr als e<strong>in</strong>e Person<br />

vertreten darf (Art. 886 OR). Die Statuten e<strong>in</strong>er Genossenschaft können<br />

ausserdem die Vertretung durch Familienangehörige für zulässig erklären.<br />

Die Stellvertretung bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters muss<br />

demgegenüber noch weiter e<strong>in</strong>geschränkt se<strong>in</strong> und darf nicht von den<br />

oben dargestellten Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts abweichen, da auch bei<br />

415 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 67 ZGB N 31 f., Bern 1990.<br />

416 Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 9, mit H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e Stimmrechtsdifferenzierung<br />

nach <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> vertretenen Partizipationssche<strong>in</strong>e bei e<strong>in</strong>er Zunft (Entscheid<br />

des Bundesgerichts vom 27.01.1926, ZR 27 [1928], S. 193).<br />

417 HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 23 ff.<br />

142


<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters die Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

sehr viel stärker im Vor<strong>der</strong>grund steht als bei Kapitalgesellschaften. Oft<br />

wurde auch die Vere<strong>in</strong>sform für den Personenzusammenschluss gewählt,<br />

weil die Aktivitäten e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s Dritten gegenüber weitgehend geheim<br />

gehalten werden können. Grundsätzlich ist daher auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

wirtschaftlichen Charakters die Stellvertretung bei <strong>der</strong> Ausübung des<br />

Stimmrechts nur dann zulässig, wenn die Statuten dies ausdrücklich vorsehen.<br />

Selbst e<strong>in</strong>e Beschränkung des Vertretungsrechts auf bestimmte<br />

Verhandlungsgegenstände ist nicht systemwidrig. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters kann unter Umständen für die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong><br />

sogar sehr viel mehr auf dem Spiel stehen, als dies bei herkömmlichen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n <strong>der</strong> Fall ist.<br />

Stimmrechtsvere<strong>in</strong>barungen bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />

s<strong>in</strong>d im allgeme<strong>in</strong>en weniger problematisch als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />

Die Gefahr e<strong>in</strong>er persönlichkeitsverletzenden B<strong>in</strong>dung ist ger<strong>in</strong>ger,<br />

was beson<strong>der</strong>s für Mitglie<strong>der</strong> gilt, die geschäftserfahren s<strong>in</strong>d.<br />

5. Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

a) Der Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im allgeme<strong>in</strong>en gemäss ZGB<br />

Dem Schutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im allgeme<strong>in</strong>en dienen die Rechte auf Unverletzlichkeit<br />

des Vere<strong>in</strong>szwecks (Art. 74 ZGB) 418 und auf Rechtmässigkeit<br />

des korporativen Lebens (Art. 75 ZGB), e<strong>in</strong>schliesslich des<br />

Rechts auf Nichtigerklärung von Vere<strong>in</strong>sbeschlüssen und auf Anfechtung<br />

und Nichtigerklärung von Beschlüssen an<strong>der</strong>er Organe. Eng verbunden<br />

mit diesen Rechten s<strong>in</strong>d die Schutzrechte im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Ausschliessung von Mitglie<strong>der</strong>n und das ungeschriebene Anhörungsrecht.<br />

419<br />

Als Schutzrechte im weiteren S<strong>in</strong>ne werden auch bezeichnet: Das<br />

Recht des Mitglieds auf Verantwortlichkeitsklagen (Art. 55 Abs. 2<br />

ZGB) 420 , das Recht auf E<strong>in</strong>berufung e<strong>in</strong>er Generalversammlung (Art. 64<br />

Abs. 3 ZGB), das Recht auf – unter Umständen sofortigen – Austritt<br />

(Art. 70 Abs. 2 ZGB) 421 , das Recht auf Auflösung des Vere<strong>in</strong>s (Art. 78<br />

ZGB) 422 und das Recht auf Gleichbehandlung 423 . 424<br />

418<br />

Dazu unten S. 146 ff.<br />

419<br />

Zum Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n vgl. S. 162 ff.<br />

420<br />

Vgl. dazu S. 197 ff.<br />

421<br />

Vgl. dazu S. 172 ff.<br />

422<br />

Zur Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit e<strong>in</strong>er Auflösungsklage vgl. S. 208.<br />

143


) Der Persönlichkeitsschutz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Schranke für Handlungen e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d die Persönlichkeitsrechte<br />

se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong>. Beschlüsse, welche gegen die Persönlichkeitsrechte<br />

von Mitglie<strong>der</strong>n verstossen, s<strong>in</strong>d als nichtig zu betrachten.<br />

425<br />

Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters erhalten die Persönlichkeitsrechte<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Gewicht als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />

E<strong>in</strong>erseits ist die Mitgliedschaft weniger auf die psychische, moralische<br />

und soziale Persönlichkeit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> 426 ausgerichtet.<br />

E<strong>in</strong>e Verletzung dieser Aspekte <strong>der</strong> Persönlichkeit wird daher seltener<br />

vorkommen. An<strong>der</strong>erseits s<strong>in</strong>d aber auch die wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechte<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im Auge zu behalten, namentlich das<br />

Recht auf wirtschaftliche Entfaltung.<br />

Das Bundesgericht hat sich im Zusammenhang mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n zum<br />

letzten Mal <strong>in</strong> BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie<br />

FH, 1997) mit dem Persönlichkeitsrecht auf wirtschaftliche Entfaltung<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt. 427 In diesem Entscheid war <strong>der</strong> Ausschluss e<strong>in</strong>es<br />

Mitglieds aus e<strong>in</strong>em Branchenverband zu beurteilen. 428 Das Persönlichkeitsrecht<br />

auf wirtschaftliche Entfaltung wird aus Art. 28 ZGB abgeleitet<br />

429 und steht auch juristischen Personen zu. 430 Es hat se<strong>in</strong>en Nie<strong>der</strong>schlag<br />

auch im Kartellrecht gefunden.<br />

Das Bundesgericht ist traditionellerweise – zum<strong>in</strong>dest im Zusammenhang<br />

mit Art. 27 ZGB – bei <strong>der</strong> Annahme e<strong>in</strong>er Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />

auf wirtschaftliche Entfaltung sehr zurückhaltend. E<strong>in</strong>e<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigung des Persönlichkeitsrechts auf wirtschaftliche Entfaltung<br />

i.S.v. Art. 27 ZGB wird erst dann angenommen, wenn die eigentli-<br />

423<br />

Vgl. dazu oben S. 137.<br />

424<br />

Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 176 f., Bern 1990. Vgl.<br />

auch ANTON HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 54 ff.<br />

425<br />

ANTON HEINI, a.a.O., S. 56 f. An<strong>der</strong>er Ansicht offenbar HANS MICHAEL RIEMER,<br />

Kommentar zu Art. 75 ZGB N 121, Bern 1990, <strong>der</strong> angesichts <strong>der</strong> grundsätzlichen Verzichtbarkeit<br />

auf Persönlichkeitsrechte <strong>in</strong> den Schranken von Art. 27 ZGB von <strong>der</strong> Anfechtbarkeit<br />

solcher Beschlüsse ausgeht.<br />

426<br />

Vgl. dazu PEDRAZZINI / OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Auflage<br />

Bern 1993, S. 132, mit H<strong>in</strong>weis auf die Botschaft des Bundesrates zur Revision <strong>der</strong><br />

Art. 28 ff., <strong>in</strong> Kraft seit 1. Juli 1985.<br />

427<br />

Vgl. zum Sachverhalt S. 55.<br />

428<br />

Zum Ausschluss vgl. ausführlich unten S. 162 ff.<br />

429<br />

ANDREAS MEIER, Kommentar zu Art. 28 ZGB N 31, Basel 1996.<br />

430<br />

Vgl. BGE 121 III 168 (Gewerkschaft Druck und Papier, 1995).<br />

144


chen Grundlagen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Existenz gefährdet s<strong>in</strong>d. 431 In<br />

BGE 123 III 193 sche<strong>in</strong>t das Bundesgericht diese Zurückhaltung bei <strong>der</strong><br />

Anwendung von Art. 28 ZGB gelockert zu haben. Das Bundesgericht<br />

g<strong>in</strong>g offenbar implizit davon aus, <strong>der</strong> Ausschluss aus e<strong>in</strong>er Branchen-,<br />

Berufs- o<strong>der</strong> Standesorganisation stelle per se e<strong>in</strong>e Verletzung <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />

i.S.v. Art. 28 ZGB dar. Erst im Rahmen <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit <strong>der</strong> Verletzung, also bei <strong>der</strong> Prüfung, ob Rechtfertigungsgründe<br />

gemäss Art. 28 Abs. 2 ZGB vorlagen, wurden auch die Interessen<br />

des Vere<strong>in</strong>s berücksichtigt. 432 Dieser Ansatz <strong>der</strong> bundesgerichtlichen<br />

Rechtsprechung darf nicht <strong>der</strong>art für sämtliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters verallgeme<strong>in</strong>ert werden, als dass jede auch<br />

noch so m<strong>in</strong>ime Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>der</strong> Möglichkeiten auf wirtschaftliche<br />

Entfaltung die Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e Persönlichkeitsverletzung i.S.v.<br />

Art. 28 ZGB erfüllt (die dann möglicherweise gerechtfertigt ist). Im Zusammenhang<br />

mit Bee<strong>in</strong>trächtigungen und Beschränkungen <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Entfaltungsmöglichkeiten, wie sie im Wirtschaftsleben üblich<br />

und akzeptiert s<strong>in</strong>d, sollte Art. 28 ZGB nur <strong>in</strong> Extremfällen e<strong>in</strong><br />

Thema se<strong>in</strong>. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung, die aufgrund <strong>der</strong><br />

Beson<strong>der</strong>heiten von Branchen-, Berufs- und Standesorganisationen mit<br />

e<strong>in</strong>er Monopol- o<strong>der</strong> sonstwie qualifizierten Stellung 433 durchaus zu begrüssen<br />

ist, darf nicht unbesehen auf sämtliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters übertragen werden. Immer dann, wenn es nicht um die<br />

Beschränkung <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Ausübung e<strong>in</strong>es bestimmten Berufes<br />

geht 434 , son<strong>der</strong>n um sonstige wirtschaftliche Interessen, ist bei <strong>der</strong> Annahme<br />

e<strong>in</strong>er Persönlichkeitsverletzung grösste Zurückhaltung geboten.<br />

431 Vgl. namentlich BGE 104 II 6 (Gesellschaft <strong>der</strong> Ärzte des Kantons Zürich, 1978).<br />

432 Die theoretische Erfassung des Problems ist aus dem publizierten Entscheid nicht klar<br />

ersichtlich. Die Bezugnahme des Bundesgerichts auf die Vor<strong>in</strong>stanz sche<strong>in</strong>t jedoch die<br />

hier beschriebene E<strong>in</strong>ordnung zu implizieren.<br />

433 E<strong>in</strong>e solche kann etwa dann vorliegen, wenn die Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Berufs- o<strong>der</strong><br />

Standesorganisation e<strong>in</strong>e eigentliche Voraussetzung für die Ausübung e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

beruflichen Tätigkeit darstellt, weil nur die Mitgliedschaft den Zugang zu bestimmten<br />

Formen <strong>der</strong> Berufsausübung ermöglicht.<br />

434 In diesem Zusammenhang ist auch die Rechtsprechung zur Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berufstätigkeit<br />

von Sportler<strong>in</strong>nen und Sportlern zu nennen: Urteil des Bernischen Appellationshofes<br />

vom 27. 06.1986 (<strong>Schweiz</strong>erischer Reit- und Fahrsportverband), ZBJV 124 (1988), S. 311 ff.;<br />

Urteil des Berner Richteramtes vom 22.12.1987 (<strong>Schweiz</strong>erischer Leichtathletikverband, Sperre<br />

von Sandra Gasser), SJZ 84 (1988). S. 85 ff.; Urteil des Obergerichts Zürich vom<br />

7.11.1977 (EHC K.), SJZ 75 (1979), S. 75 ff. – Namentlich im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Sperre von Sportler<strong>in</strong>nen und Sportlern kann auch die Verletzung <strong>der</strong> Ehre <strong>der</strong> Betroffenen<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />

145


Schliesslich ist darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Prüfung<br />

<strong>der</strong> Frage, ob e<strong>in</strong> wirtschaftliches Persönlichkeitsrecht e<strong>in</strong>es Mitgliedes<br />

<strong>in</strong> wi<strong>der</strong>rechtlicher Weise verletzt ist – auch die (wirtschaftlichen)<br />

Persönlichkeitsrechte des Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen s<strong>in</strong>d.<br />

Solche können e<strong>in</strong>en Rechtfertigungsgrund im S<strong>in</strong>ne des überwiegenden<br />

privaten Interesses gemäss Art. 28 Abs. 2 ZGB darstellen. 435<br />

Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, dass e<strong>in</strong>e Persönlichkeitsverletzung<br />

wegen E<strong>in</strong>willigung <strong>der</strong> verletzten Person gerechtfertigt<br />

ersche<strong>in</strong>t. Wenn sich e<strong>in</strong> Mitglied durch Beitritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> dessen<br />

Statuten o<strong>der</strong> den Beschlüssen <strong>der</strong> zuständigen Organe unterwirft, so<br />

kann dies als E<strong>in</strong>willigung <strong>in</strong> allfällige persönlichkeitsverletzende Bestimmungen<br />

und Beschlüsse aufgefasst werden. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige E<strong>in</strong>willigung<br />

unterliegt jedoch wie<strong>der</strong>um den Schranken von Art. 27 ZGB:<br />

Wenn die Statuten o<strong>der</strong> Beschlüsse <strong>in</strong> krasser Weise Persönlichkeitsrechte<br />

bee<strong>in</strong>trächtigen, so kann sich ke<strong>in</strong> Mitglied <strong>in</strong> b<strong>in</strong>den<strong>der</strong> Weise<br />

zur Befolgung <strong>der</strong>selben verpflichten (Art. 27 Abs. 2 ZGB). E<strong>in</strong>e Rechtfertigung<br />

durch E<strong>in</strong>willigung <strong>der</strong> verletzten Person kommt somit nicht<br />

<strong>in</strong> Frage. 436<br />

c) Der Schutz des Vere<strong>in</strong>szwecks<br />

Gemäss Art. 74 ZGB kann die Umwandlung des Vere<strong>in</strong>szwecks ke<strong>in</strong>em<br />

Mitglied „aufgenötigt“ werden. Diese Bestimmung hat zur Folge,<br />

dass für Zweckumwandlungen das E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zip gilt. 437 Grund<br />

für diese restriktive Regelung ist, dass bei re<strong>in</strong> personenbezogenen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

das Tätigkeitsgebiet den Grund für die Mitgliedschaft bildet, nicht<br />

etwa e<strong>in</strong>e Kapitalbeteiligung. Da sich Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> unter Umständen<br />

auch zur Erfüllung von nicht-kapitalbezogenen Mitgliedschaftspflichten<br />

verpflichten, soll ihnen nicht zugemutet werden, dass diese gegen<br />

ihren Willen grundlegend geän<strong>der</strong>t werden. 438<br />

435 Vgl. s<strong>in</strong>ngemäss BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH, 1997).<br />

436 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne BGE 104 II 6 (Gesellschaft <strong>der</strong> Ärzte des Kantons Zürich, 1978) betreffend<br />

Verbot <strong>der</strong> Selbstdispensation durch e<strong>in</strong>en Arzt und Urteil des Obergerichts Zürich<br />

vom 7.11.1977 (EHC K.), SJZ 75 (1979), S. 78, betreffend Transfer e<strong>in</strong>es Sportlers.<br />

437 Vgl. zur Berücksichtigung des E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zips betreffend Zweckän<strong>der</strong>ungen<br />

im Zusammenhang mit Fusionen Art. 18 Abs. 6 EFusG. Für Umwandlungen sieht <strong>der</strong><br />

EFusG h<strong>in</strong>gegen lediglich die Zustimmung von drei Vierteln <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Generalversammlung<br />

anwesenden Mitglie<strong>der</strong> vor. Offenbar wird davon ausgegangen, dass bei Umwandlungen<br />

nie e<strong>in</strong>e Zweckän<strong>der</strong>ung erfolgt.<br />

438 URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 74 ZGB N 2, Basel 1996.<br />

146


Gemäss <strong>der</strong> Rechtsprechung soll immerh<strong>in</strong> zulässig se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong><br />

Vere<strong>in</strong> durch Mehrheitsbeschluss se<strong>in</strong>en Zweck lediglich än<strong>der</strong>t, ohne<br />

ihn umzuwandeln. 439 E<strong>in</strong>e i.S.v. Art. 74 ZGB wesentliche Zweckumwandlung<br />

liegt dann vor, wenn <strong>der</strong> Zweck <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt geän<strong>der</strong>t wird,<br />

dem die Mitglie<strong>der</strong> bei ihrem Entschluss zum Beitritt und zur Erfüllung<br />

<strong>der</strong> Mitgliedschaftspflichten nach Treu und Glauben erhebliche Bedeutung<br />

beimessen durften. 440 Allgeme<strong>in</strong> wird angenommen, e<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Mittel zur gleichbleibenden Zweckerreichung werde von Art. 74<br />

ZGB nur dann erfasst, wenn die Mittel den Charakter des Vere<strong>in</strong>s als<br />

Grundlage <strong>der</strong> Mitgliedschaft wesentlich mitprägen. 441 Ob die Bestimmung<br />

von Art. 74 ZGB zw<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Natur ist, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur umstritten.<br />

Die neuere Lehre tendiert zur Annahme, es handle sich um dispositives<br />

Recht. 442<br />

Das E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zip ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche nicht dem<br />

herkömmlichen Bild des Gesetzgebers entsprechen, unter dem Gesichtspunkt<br />

<strong>der</strong> Praktikabilität kritisch. Dennoch sche<strong>in</strong>t nicht vertretbar,<br />

von den Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts abzuweichen und die generelle<br />

Zulässigkeit von Zweckän<strong>der</strong>ungen mit Mehrheitsbeschluss zu postulieren.<br />

Obwohl bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters das ideelle Interesse<br />

weniger im Vor<strong>der</strong>grund steht, als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />

unterstehen selbst bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft Zweckän<strong>der</strong>ungen qualifizierten<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen (Art. 704 Abs. 1 Ziff. 1 OR). 443 Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d im Gegensatz zur Aktiengesellschaft<br />

zusätzlich persönliche Verpflichtungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im Spiel. Diese<br />

rechtfertigen die Beibehaltung des E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zips. 444<br />

439<br />

Vgl. etwa Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 14.12.1990 (Basler Orchestergesellschaft),<br />

BJM 1992, S. 38 ff.<br />

440<br />

BGE 86 II 389.<br />

441<br />

URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 74 ZGB N 5, Basel 1996; HANS MICHAEL<br />

RIEMER, Kommentar zu Art. 74 ZGB N 12, Bern 1990.<br />

442<br />

Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 6, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen; ANTON HEINI, Das<br />

schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 54; URS SCHERRER, a.a.O. N 9.<br />

443<br />

In diesem Zusammenhang sei auf BGE 86 II 389 verwiesen. Das Bundesgericht führt<br />

<strong>in</strong> diesem Entscheid e<strong>in</strong>en Vergleich zwischen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft und dem Vere<strong>in</strong><br />

durch und betont, Beschlüsse über die Än<strong>der</strong>ung des Zwecks e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft berührten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>zig wirtschaftliche Interessen <strong>der</strong> Aktionäre. Ausserdem g<strong>in</strong>ge es<br />

meist nur darum, den Endzweck <strong>der</strong> Erzielung e<strong>in</strong>er Rendite auf e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Weg als<br />

bisher anzustreben. Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> hätten h<strong>in</strong>gegen an <strong>der</strong> Beibehaltung des Vere<strong>in</strong>szwecks<br />

oft e<strong>in</strong> ideelles Interesse.<br />

444<br />

E<strong>in</strong> gewisser Wi<strong>der</strong>spruch ergibt sich aufgrund dieser Auffassung im Vergleich zur<br />

Genossenschaft. Das Genossenschaftsrecht enthält ke<strong>in</strong>e speziellen Bestimmungen betreffend<br />

Beschlüsse über Zweckän<strong>der</strong>ungen. Gemäss <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Bestimmung von<br />

147


d) Grossvere<strong>in</strong>e<br />

Auch <strong>in</strong> Grossvere<strong>in</strong>en 445 steht die Persönlichkeit des e<strong>in</strong>zelnen Mitglieds<br />

nicht im Vor<strong>der</strong>grund. Persönlichkeitsverletzungen dürften daher<br />

seltener zu bejahen se<strong>in</strong>, als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />

Die Ausführungen bezüglich <strong>der</strong> schlechten Praktikabilität des E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zips<br />

für Zweckän<strong>der</strong>ungen gelten <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Masse<br />

auch für Grossvere<strong>in</strong>e. 446 Wie bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />

sche<strong>in</strong>t jedoch auch bei jenen e<strong>in</strong>e Abweichung von den geltenden Regeln<br />

nicht angezeigt.<br />

6. Vermögenswerte Rechte<br />

a) Benutzungsrechte<br />

H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Benutzungsrechte im engeren S<strong>in</strong>n ergeben sich bei<br />

e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters ke<strong>in</strong>e grundsätzlichen Beson<strong>der</strong>heiten.<br />

H<strong>in</strong>zuweisen ist lediglich auf den Umstand, dass die Gewährung<br />

und die Ausübung von Benutzungsrechten im E<strong>in</strong>zelfall so konzipiert<br />

se<strong>in</strong> können, dass e<strong>in</strong> (ganz o<strong>der</strong> teilweise vere<strong>in</strong>s<strong>in</strong>terner)<br />

Gewerbebetrieb i.S.v. Art. 61 Abs. 2 ZGB vorliegt. Nach <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichts hätte dies im Gegensatz zur hier vertretenen<br />

Ansicht bei e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> mit wirtschaftlichem Zweck zur Folge, dass<br />

dieser unzulässig wäre. 447<br />

b) Geldleistungen<br />

Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit „nichtwirtschaftlichem Zweck“ werden charakteristischerweise<br />

grundsätzlich ke<strong>in</strong>e Geldleistungen an die Mitglie<strong>der</strong> ausgerichtet.<br />

Dennoch ist vergleichsweise häufig <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sstatuten vorge-<br />

Art. 888 Abs. 2 OR bedürfen Statutenän<strong>der</strong>ungen somit lediglich e<strong>in</strong>er zw<strong>in</strong>genden M<strong>in</strong>destmehrheit<br />

von zwei Dritteln <strong>der</strong> abgegebenen Stimmen. Zweckän<strong>der</strong>ungen werden<br />

also im Gegensatz zur Aktiengesellschaft bei <strong>der</strong> Genossenschaft nicht an<strong>der</strong>s behandelt<br />

als sonstige Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Statuten. Ausserdem muss e<strong>in</strong>e Statutenän<strong>der</strong>ung bei <strong>der</strong><br />

Genossenschaft auch nicht öffentlich beurkundet werden. Die Regelung des Vere<strong>in</strong>srechts<br />

berücksichtigt jedoch das personalistische Element von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters besser als die Regeln zur Genossenschaft.<br />

445<br />

Vgl. dazu S. 123.<br />

446<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bereits FELIX KLAUS, Der Schutz des Vere<strong>in</strong>szwecks, Diss. Freiburg,<br />

Zürich 1977, S. 179 ff.<br />

447<br />

Vgl. dazu HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 61 ZGB N 28 f., Bern 1990,<br />

mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />

148


sehen, dass im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es untergeordneten Zwecks an bedürftige<br />

Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> Fürsorge- o<strong>der</strong> Unterstützungsleistungen geleistet<br />

werden. Auch führten viele <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit Versicherungs-<br />

o<strong>der</strong> Spare<strong>in</strong>richtungen. 448<br />

Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ist die Ausrichtung von<br />

Geldleistungen o<strong>der</strong> von geldwerten Vorteilen nach <strong>der</strong> hier vertretenen<br />

Ansicht zulässig. 449 Dabei s<strong>in</strong>d allgeme<strong>in</strong>e Grundsätze wie die Gleichbehandlung<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> 450 und <strong>der</strong> Gläubigerschutz 451 zu berücksichtigen.<br />

c) Gew<strong>in</strong>nverwendung<br />

Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Ausrichtung von Geldleistungen an die<br />

Mitglie<strong>der</strong> bedarf die Problematik <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nverwendung e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en<br />

Betrachtung. Handels- o<strong>der</strong> Erwerbsgesellschaften tätigen ihre<br />

Geschäfte mit <strong>der</strong> Absicht, e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n zu erzielen, welcher an die<br />

Mitglie<strong>der</strong> verteilt werden soll. Die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie an <strong>der</strong> Wertsteigerung ihrer E<strong>in</strong>lage und / o<strong>der</strong> an<br />

e<strong>in</strong>er hohen und regelmässigen Rendite ihrer Kapitalanlage <strong>in</strong>teressiert,<br />

ohne dass die effektive Tätigkeit <strong>der</strong> Aktiengesellschaft im Vor<strong>der</strong>grund<br />

steht. Die Genossenschaft bezweckt h<strong>in</strong>gegen, ihren Mitglie<strong>der</strong>n konkrete<br />

Sachvorteile zu verschaffen. Gemäss Art. 828 OR i.V.m. Art. 92<br />

Abs. 1 HRegV versuchen die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Genossenschaft, ihre wirtschaftlichen<br />

Interessen durch geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe zu för<strong>der</strong>n und<br />

zwar nicht nur durch Geldleistungen, son<strong>der</strong>n vor allem durch die Befriedigung<br />

bestimmter Sach<strong>in</strong>teressen. 452<br />

Auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d Personengesellschaften.<br />

453 Daher dürfen sie nicht ausschliesslich darauf ausgerichtet se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en<br />

f<strong>in</strong>anziellen Gew<strong>in</strong>n zu erzielen, <strong>der</strong> an die Mitglie<strong>der</strong> verteilt wird.<br />

Die alle<strong>in</strong>ige Ausrichtung auf das Verteilen von Dividenden (ohne jegliches<br />

personalistisches Element), welche dazu führt, dass Gesellschaften<br />

für Kapitalanlagen attraktiv werden, muss den Kapitalgesellschaften des<br />

448<br />

Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 171 f., Bern 1990.<br />

449<br />

Vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen zur Gew<strong>in</strong>nverwendung.<br />

450<br />

Vgl. dazu S. 137.<br />

451<br />

Vgl. dazu ausführlich S. 182.<br />

452<br />

Vgl. im Zusammenhang mit dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> genossenschaftlichen Selbsthilfe die<br />

Überlegungen <strong>der</strong> GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“, Schlussbericht vom<br />

24.09.1993, S. 61.<br />

453<br />

Vgl. weiterführend die Ausführungen S. 119.<br />

149


OR vorbehalten bleiben. In Kapitel VIII wurde dargestellt, welche Voraussetzungen<br />

erfüllt se<strong>in</strong> müssen, damit e<strong>in</strong> Personenzusammenschluss<br />

e<strong>in</strong>e Personengesellschaft darstellt und sich somit als Vere<strong>in</strong> konstituieren<br />

kann. S<strong>in</strong>d diese Voraussetzungen erfüllt, so ist als zulässig zu erachten,<br />

dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters Gew<strong>in</strong>nausschüttungen<br />

tätigen. 454 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> dürfen ihren Mitglie<strong>der</strong>n auch sonstige, direkte geldwerte<br />

Vorteile verschaffen. Der Unterschied zur Genossenschaft liegt<br />

dabei dar<strong>in</strong>, dass bei dieser die geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe als Mittel zur<br />

Zweckverfolgung stark gewichtet und als zw<strong>in</strong>gendes Element bezeichnet<br />

wird. 455 Das Genossenschaftsrecht baut auf dem Gedanken <strong>der</strong> Solidarität<br />

auf. Die Erreichung des Zwecks erfolgt durch persönliche Beitragsleistungen<br />

aller Mitglie<strong>der</strong>, die dazu zw<strong>in</strong>gend verpflichtet s<strong>in</strong>d. Es<br />

reicht nicht, dass die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Genossenschaft dauernd nur f<strong>in</strong>anzielle<br />

Beiträge leisten. Jedes Mitglied soll sich persönlich e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen,<br />

e<strong>in</strong> Stück <strong>der</strong> wirtschaftlichen Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> soll <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gesellschaft aufgehen. 456 Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n steht zwar die Persönlichkeit <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> ebenfalls im Vor<strong>der</strong>grund (<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d Personengesellschaften),<br />

<strong>der</strong> Gedanke <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Selbsthilfe und <strong>der</strong> Solidarität<br />

ist jedoch nicht so ausgeprägt wie bei <strong>der</strong> Genossenschaft und jedenfalls<br />

nicht zw<strong>in</strong>gendes Erfor<strong>der</strong>nis.<br />

Die Statuten haben zu regeln, wie die Gew<strong>in</strong>nverteilung erfolgen soll.<br />

Zu beachten ist <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Gleichbehandlung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>,<br />

wobei sachlich begründete Ungleichbehandlungen zulässig s<strong>in</strong>d. Solche<br />

können zum Beispiel an verschiedene Mitglie<strong>der</strong>kategorien anknüpfen,<br />

sofern diese wie<strong>der</strong>um sachlich begründet s<strong>in</strong>d. 457 Regeln die Statuten<br />

die Verteilung des Gew<strong>in</strong>nes nicht, so gilt auch ohne beson<strong>der</strong>e gesetzliche<br />

Grundlage dieselbe Regel, wie sie Art. 859 Abs. 1 OR für die Genossenschaft<br />

aufstellt: Der Re<strong>in</strong>ertrag fällt <strong>in</strong> das Vere<strong>in</strong>svermögen. Dies<br />

bedeutet, dass er zur Erreichung des statutarischen Zweckes e<strong>in</strong>gesetzt<br />

454<br />

Nach <strong>der</strong> hier vertretenen Ansicht impliziert <strong>der</strong> Wortlaut <strong>der</strong> Bestimmung von<br />

Art. 61 Abs. 2 ZGB („für se<strong>in</strong>en Zweck“) nicht e<strong>in</strong> Verbot <strong>der</strong> Auszahlung von<br />

Gew<strong>in</strong>nen an die Mitglie<strong>der</strong>. – Wird die unpraktikable Frage nach dem Zweck für die<br />

Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nicht gestellt, so kann <strong>der</strong> Wortlaut von Art. 61 Abs. 2 ZGB<br />

erst recht ke<strong>in</strong> Verbot <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nausschüttung zur Folge haben.<br />

455<br />

So REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel 1998,<br />

S. 12.<br />

456<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 19 N 8 ff.; CARL BAUDENBACHER, Kommentar zu Art. 828 OR N 22 ff., Basel<br />

1994.<br />

457<br />

Vgl. dazu S. 137.<br />

150


wird. Allerd<strong>in</strong>gs können die Mitglie<strong>der</strong> diesen Zweck 458 bzw. die Statuten<br />

durch Aufnahme e<strong>in</strong>er Bestimmung über die Gew<strong>in</strong>nverwendung je<strong>der</strong>zeit<br />

gemäss den statutarischen Regeln än<strong>der</strong>n, wenn durch diese Ertragszuweisung<br />

e<strong>in</strong> unverhältnismässig hohes Vere<strong>in</strong>svermögen geäufnet<br />

wird.<br />

Die Spezialbestimmung von Art. 859 Abs. 2 OR sollte dagegen auf<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht angewendet werden. Diese hat ihren Ursprung dar<strong>in</strong>, dass<br />

bei <strong>der</strong> Genossenschaft an sich ke<strong>in</strong> Re<strong>in</strong>ertrag erzielt werden darf, son<strong>der</strong>n<br />

dass die Mitglie<strong>der</strong> direkt durch günstige Leistungen <strong>der</strong> genossenschaftlichen<br />

E<strong>in</strong>richtungen begünstigt werden sollen. Die Genossenschaft<br />

soll den Mitglie<strong>der</strong>n bei <strong>der</strong>en eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit<br />

behilflich se<strong>in</strong>. 459 Da bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n die geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe ke<strong>in</strong> zw<strong>in</strong>gendes<br />

Element darstellt, braucht diese ausgesprochen genossenschaftliche<br />

Regel nicht beachtet zu werden.<br />

H<strong>in</strong>gegen bietet die Regelung von Art. 859 Abs. 3 OR e<strong>in</strong>e praktisch<br />

wirksame Abgrenzungsmöglichkeit zu den Kapitalgesellschaften. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

können gemäss geltendem Recht Anteilsche<strong>in</strong>e ausgeben; <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Praxis existiert e<strong>in</strong>e Anzahl <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die dies tun. 460 Die Regelung, dass<br />

die auf Anteilsche<strong>in</strong>e entfallende Quote des Re<strong>in</strong>ertrages den landesüblichen<br />

Z<strong>in</strong>sfuss für langfristige Darlehen ohne beson<strong>der</strong>e Sicherheitsleistungen<br />

nicht übersteigen darf, soll bezwecken, dass allfällige Anteilsche<strong>in</strong>e<br />

bei Genossenschaften für Kapitalanlagen unattraktiv s<strong>in</strong>d. 461<br />

Diese Bestimmung ist auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters analog<br />

458 Zur Problematik <strong>der</strong> Zweckän<strong>der</strong>ung vgl. S. 146 ff.<br />

459 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 19 N 52 f.; MARKUS NEUHAUS, Kommentar zu Art. 858 OR N 1 ff. und zu<br />

Art. 859 OR N 1 ff., Basel 1994; CARL BAUDENBACHER, Kommentar zu Art. 828 OR<br />

N 18, Basel 1994.<br />

460 Als Beispiel kann etwa die Tonhalle-Gesellschaft <strong>in</strong> Zürich dienen, die auch bei HANS<br />

MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 280, Bern 1990 erwähnt ist, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />

Pfadf<strong>in</strong><strong>der</strong>heim auf dem Hummel mit Sitz <strong>in</strong> Basel, <strong>der</strong> ähnlich organisiert ist, wie e<strong>in</strong>e Reihe<br />

weiterer Pfadf<strong>in</strong><strong>der</strong>heim-<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Vgl. ferner DERS., Kommentar zu Art. 60 ZGB N 43,<br />

und DERS., F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Sportvere<strong>in</strong>en,<br />

gemäss schweizerischem Recht, SpuRt 1999, S. 40 f. Zur Zulässigkeit <strong>der</strong> Ausgabe von<br />

Anteilsche<strong>in</strong>en bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n vgl. bereits WALTER BEYELER, Der Korporationszweck,<br />

Diss. Basel 1942, S. 45; RENÉ VON GRAFFENRIED, <strong>Wirtschaftliche</strong>r und nichtwirtschaftlicher<br />

Zweck im privaten Körperschaftsrecht, Diss. Bern 1948, S. 15, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />

461 MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 19 N 54.<br />

151


anzuwenden, um zu gewährleisten, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> hier dargestellten<br />

Weise e<strong>in</strong>gesetzt werden. 462<br />

Führt die Ausschüttung von Gew<strong>in</strong>nen dazu, dass dem Vere<strong>in</strong> das<br />

Vermögenssubstrat zur Ausübung se<strong>in</strong>er Tätigkeit fehlt, so ist dies gleich<br />

zu beurteilen, wie wenn ungenügende Mitglie<strong>der</strong>beiträge erhoben werden.<br />

Entsprechendes Verhalten kann zur Verantwortlichkeitshaftung <strong>der</strong><br />

Organe o<strong>der</strong> zur anteilsmässigen Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> führen. 463 Diese<br />

Folgen dürften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis e<strong>in</strong> wichtiges H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis dafür darstellen,<br />

dass die Vere<strong>in</strong>sform für Personenzusammenschlüsse missbraucht wird,<br />

welche eigentlich Kapitalgesellschaften darstellen.<br />

462 Vgl. zur Auszahlung von Dividenden an Mitglie<strong>der</strong> den Entscheid des Bundesgerichts<br />

vom 27.01.1926, ZR 27 [1928], S. 192 ff.<br />

463 Vgl. dazu im e<strong>in</strong>zelnen unten S. 158.<br />

152


XIII. Die Mitgliedschaftspflichten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters und <strong>der</strong>en<br />

Sanktionierung<br />

1. Mitgliedschaftspflichten gemäss ZGB<br />

Die e<strong>in</strong>zige explizit im Gesetz vorgesehene Mitgliedschaftspflicht ist<br />

die Beitragspflicht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> (Art. 71 ZGB). Auf diese wird<br />

unten 464 näher e<strong>in</strong>gegangen. Abgesehen davon ist allgeme<strong>in</strong> anerkannt,<br />

dass auch im Vere<strong>in</strong>srecht e<strong>in</strong>e gesetzliche, auf ungeschriebenem Recht<br />

beruhende allgeme<strong>in</strong>e Treuepflicht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> besteht. Diese be<strong>in</strong>haltet<br />

hauptsächlich die Pflicht, alles zu unterlassen, was den am Vere<strong>in</strong>szweck<br />

orientierten Verbands<strong>in</strong>teressen zuwi<strong>der</strong>laufen könnte. Sie<br />

kann aber auch Handlungspflichten umfassen. Die Tragweite <strong>der</strong> Treuepflicht<br />

ergibt sich aus <strong>der</strong> Ausgestaltung des Vere<strong>in</strong>s im E<strong>in</strong>zelfall. 465<br />

Als Ergänzung zu den gesetzlichen Pflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />

können die Statuten zusätzliche Mitgliedschaftspflichten vorsehen. Dabei<br />

genügt, dass die Statuten e<strong>in</strong>em Organ die Kompetenz zur Begründung<br />

von Mitgliedschaftspflichten e<strong>in</strong>räumen. 466 Zu denken ist an persönliche<br />

Leistungs-, Handlungs- o<strong>der</strong> Unterlassungspflichten. In <strong>der</strong><br />

Praxis werden solche Pflichten sehr häufig statuiert. 467<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />

a) Treuepflicht<br />

Die Tragweite <strong>der</strong> Treuepflicht richtet sich, wie oben erwähnt, nach<br />

dem E<strong>in</strong>zelfall. Entscheidend ist, wie eng die sonstigen Beziehungen<br />

zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n und dem Vere<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d. 468 Auch bei den Genossenschaften,<br />

für welche die Treuepflicht explizit im Gesetz statuiert ist<br />

464<br />

S. 155 ff.<br />

465<br />

BGE 74 II 165; MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />

8. Auflage Bern 1998, § 20 N 38; ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 14 ff.,<br />

Basel 1996; HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 189 ff., Bern 1990;<br />

URS SCHERRER, Rechtsfragen des organisierten Sportlebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, Diss. Zürich<br />

1982, S. 98 ff.<br />

466<br />

ANTON HEINI, a.a.O. N 14 ff.<br />

467<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, a.a.O., § 20 N 37; ANTON HEINI, a.a.O. N 15; HANS<br />

MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 186 ff.<br />

468<br />

HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 189.<br />

153


(Art. 866 OR), variiert die praktische Bedeutung dieser Pflicht von Gesellschaft<br />

zu Gesellschaft. Bei kle<strong>in</strong>en Genossenschaften mit engen persönlichen<br />

B<strong>in</strong>dungen unter den Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong>n lassen sich aus<br />

<strong>der</strong> gesetzlichen Treuepflicht konkrete Leistungs- und Unterlassungspflichten<br />

ableiten. Bei Grossgenossenschaften mit sehr vielen Mitglie<strong>der</strong>n<br />

ist sie dagegen weitgehend <strong>in</strong>haltslos. 469 Im übrigen beurteilt sich<br />

die konkrete Treuepflicht <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

nach dem angestrebten Zweck und den dafür vorgesehenen Mitteln. Der<br />

weitere Statuten<strong>in</strong>halt ist für die Bestimmung <strong>der</strong> Treuepflicht dann beachtlich,<br />

wenn sich daraus beson<strong>der</strong>e Pflichten ergeben, welche über die<br />

eigentliche Zweckbestimmung und die dafür vorgesehenen Mittel gehen.<br />

Die Statuten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>erseits Grundlage, an<strong>der</strong>erseits Schranke<br />

<strong>der</strong> Treuepflicht. Beschränkungen <strong>der</strong> Individualrechtssphäre <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

können nur <strong>in</strong>soweit als zulässig erachtet werden,<br />

als die Rechtssphäre <strong>der</strong> Genossenschaft reicht. Dies muss aus den<br />

Statuten erkennbar se<strong>in</strong>. 470<br />

Werden diese Gesichtspunkte auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> übertragen, so erhält die<br />

Treuepflicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />

Qualität, als dies bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n <strong>der</strong> Fall ist. E<strong>in</strong>erseits<br />

s<strong>in</strong>d die Beziehungen zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen<br />

Charakters <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel weniger persönlich, an<strong>der</strong>erseits ist<br />

aber auch zu beachten, dass gerade die Treuepflichten e<strong>in</strong> wichtiges Argument<br />

für die Wahl <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sform se<strong>in</strong> können.<br />

Treuepflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> dürfen nicht zu e<strong>in</strong>er wi<strong>der</strong>rechtlichen<br />

Verletzung <strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> führen,<br />

wobei bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters namentlich das Persönlichkeitsrecht<br />

auf wirtschaftliche Entfaltung 471 zu beachten ist. 472<br />

b) Weitere Pflichten<br />

Die Möglichkeit, neben <strong>der</strong> Beitragspflicht weitere Mitgliedschaftspflichten<br />

vorzusehen, ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gründe, welche den Vere<strong>in</strong> für bestimmte<br />

wirtschaftliche Zusammenschlüsse als Rechtsform attraktiv ma-<br />

469<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage<br />

Bern 1998, § 19 N 46.<br />

470<br />

BGE 101 II 125.<br />

471<br />

Vgl. dazu die Ausführungen S. 144.<br />

472<br />

Vgl. zur Treuepflicht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Arbeitgeber- o<strong>der</strong> Arbeitnehmerverbandes<br />

BGE 74 II 158.<br />

154


chen. 473 Auch jede konkrete Handlungs- o<strong>der</strong> Unterlassungspflicht hat<br />

die Persönlichkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> zu respektieren, wobei allerd<strong>in</strong>gs<br />

zu beachten ist, dass die Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> auf freiwilliger<br />

Basis erfolgt und Mitglie<strong>der</strong> auch aus dem Vere<strong>in</strong> wie<strong>der</strong> austreten<br />

können. Dennoch s<strong>in</strong>d Pflichten mit „existenzvernichtenden<br />

Konsequenzen“ nicht zulässig. 474<br />

c) Grossvere<strong>in</strong>e<br />

Auch bei Grossvere<strong>in</strong>en 475 gelten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Beson<strong>der</strong>heiten im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die Treuepflichten. In Grossvere<strong>in</strong>en ist die B<strong>in</strong>dung zwischen<br />

Mitglied und Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht sehr eng; die Treuepflicht<br />

wird daher weitgehend <strong>in</strong>haltslos.<br />

3. Beitragspflicht und Haftung<br />

a) Beitragspflicht und Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gemäss ZGB<br />

Normalerweise ist e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> zur Erfüllung se<strong>in</strong>es Zweckes auf f<strong>in</strong>anzielle<br />

Leistungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> an den Vere<strong>in</strong> angewiesen. Gemäss<br />

Art. 71 ZGB ist für die Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gegenüber dem Vere<strong>in</strong><br />

entscheidend, ob die Mitglie<strong>der</strong>beiträge durch den Vere<strong>in</strong> betragsmässig<br />

festgesetzt worden s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> nicht. Wenn die Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />

fixiert ist, so ist die Haftung des Vere<strong>in</strong>s auf die Summe <strong>der</strong> festgesetzten<br />

Mitglie<strong>der</strong>beiträge (zuzüglich allfälliges Vere<strong>in</strong>svermögen) beschränkt,<br />

die Mitglie<strong>der</strong> haften dem Vere<strong>in</strong> gegenüber lediglich für die<br />

Entrichtung dieser Beiträge. In diesem Umfang haftet das Mitglied mit<br />

se<strong>in</strong>em ganzen privaten Vermögen. Wenn die Beiträge nicht festgesetzt<br />

s<strong>in</strong>d, haften die Mitglie<strong>der</strong> dem Vere<strong>in</strong> gegenüber anteilsmässig und zu<br />

473 Bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft können neben <strong>der</strong> Beitragspflicht ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>en Mitgliedschaftspflichten<br />

statuiert werden. Vgl. betreffend Treuepflichten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aktiengesellschaft<br />

S. 139 FN 401.<br />

474 Vgl. dazu BGE 85 II 525 (<strong>Schweiz</strong>erischer Musikerverband SMV, 1959): Der SMV, <strong>der</strong><br />

nach den damaligen Statuten die geistigen und materiellen Interessen des Musikerstandes<br />

verfechten wollte und sich unter an<strong>der</strong>em bestrebte, die soziale Stellung des Standes<br />

durch Erwirkung günstiger Lohn- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen zu verbessern, hatte se<strong>in</strong>en<br />

Mitglie<strong>der</strong>n die Mitwirkung an „Televisionssendungen, die durch Relais auf die ausländischen<br />

Televisions-Stationen übertragen werden sollen“ verboten. Dass dieses Verbot mit<br />

„existenzvernichtenden Konsequenzen“ verbunden sei, wurde im konkreten Fall verne<strong>in</strong>t.<br />

– Zur Frage <strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte von Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n vgl. S. 144.<br />

475 Vgl. dazu S. 123.<br />

155


gleichen Teilen soweit, als dies zur Verfolgung des Vere<strong>in</strong>szweckes und<br />

zur Deckung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sschulden notwendig ist (Art. 71 Abs. 2 ZGB).<br />

In <strong>der</strong> Regel werden die Beiträge <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> objektiv<br />

bestimmbarer Weise <strong>in</strong> den Statuten festgesetzt (Art. 71 Abs. 1 ZGB).<br />

Häufig wird aber auch die Beitragspflicht lediglich dem Grundsatz nach<br />

<strong>in</strong> den Statuten geregelt, während die genaue Höhe <strong>der</strong> Beiträge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Reglement festgesetzt o<strong>der</strong> periodisch mittels e<strong>in</strong>es Beschlusses bestimmt<br />

wird. Dies wird allgeme<strong>in</strong> als genügend erachtet für die Beschränkung<br />

<strong>der</strong> Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. 476 Die Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

kann beim Vere<strong>in</strong> somit vergleichsweise e<strong>in</strong>fach beschränkt werden; die<br />

Beschränkung ist denn auch die Regel. 477<br />

Statutarisch kann neben o<strong>der</strong> anstatt <strong>der</strong> auf das Vere<strong>in</strong>svermögen beschränkten<br />

Haftung auch e<strong>in</strong>e persönliche Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gegenüber<br />

den Vere<strong>in</strong>sgläubigern vorgesehen werden. 478 In diesem Fall<br />

werden die entsprechenden Statutenbestimmungen gemäss Art. 99<br />

HRegV <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em allfälligen Handelsregistere<strong>in</strong>trag erwähnt 479 und das<br />

Handelsregisteramt führt e<strong>in</strong> Verzeichnis <strong>der</strong> persönlich haftenden Mitglie<strong>der</strong>.<br />

480<br />

Neben <strong>der</strong> persönlichen Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> kann auch e<strong>in</strong>e Nachschusspflicht<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> statuiert werden. Die Pflicht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

476 Vgl. etwa HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 11, Bern 1990. –<br />

Kritisch URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 5, Basel 1996. Ablehnend betreffend<br />

die Delegation <strong>der</strong> Festsetzung an e<strong>in</strong> Organ ohne Vorsehen e<strong>in</strong>es Reglements<br />

CHRISTIAN RUETZ-VENZIN, F<strong>in</strong>anzielle Beitragspflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, Diss. Zürich<br />

1985, S. 43, 67 und 103.<br />

477 Vgl. CHRISTIAN RUETZ-VENZIN, a.a.O., S. 8 f.<br />

478 An<strong>der</strong>s CHRISTIAN RUETZ-VENZIN, a.a.O., S. 47 f.: Aus <strong>der</strong> persönlichen Haftung berechtigt<br />

ist <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>, nicht die Gläubiger.<br />

479 Es ist grundsätzlich auch denkbar, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen<br />

ist, statutarisch e<strong>in</strong>e persönliche Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Nachschusspflicht<br />

vorsieht. Aus Art. 99 HRegV kann ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>tragungspflicht solcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> abgeleitet<br />

werden. Entsprechende Fälle dürften allerd<strong>in</strong>gs sehr selten se<strong>in</strong>. Ohne<br />

Handelsregistere<strong>in</strong>trag ist es alle<strong>in</strong> Sache des Vere<strong>in</strong>s, Verzeichnisse <strong>der</strong> nachschusspflichtigen<br />

Mitglie<strong>der</strong> zu führen. Gläubiger können sich <strong>in</strong> diesem Fall nicht darauf verlassen,<br />

dass Missbräuche ausgeschlossen s<strong>in</strong>d. Insofern s<strong>in</strong>d die praktischen Vorteile <strong>der</strong><br />

Nachschusspflicht ohne E<strong>in</strong>tragung des Vere<strong>in</strong>s im Handelsregister nicht sehr gross. Vgl.<br />

auch HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB N 627 und Kommentar<br />

zu Art. 71 N 14, Bern 1990.<br />

480 Zu den Ausgestaltungsmöglichkeiten <strong>der</strong> persönlichen Haftung (Beschränkung auf<br />

e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>, anteilsmässige o<strong>der</strong> solidarische Haftung etc.) und den formellen<br />

Voraussetzungen vgl. die überzeugenden Ausführungen von HANS MICHAEL RIEMER,<br />

a.a.O. N 16 f.<br />

156


gegenüber dem Vere<strong>in</strong> zur Deckung erlittener Verluste 481 ist beim Vere<strong>in</strong><br />

– im Gegensatz zur Genossenschaft (Art. 803 OR) und zur Gesellschaft<br />

mit beschränkter Haftung (Art. 871 OR) – nicht auf die „Deckung von<br />

Bilanzverlusten“ beschränkt. 482 In den Statuten können daher auch<br />

sonstwie begründete Nachschüsse vorgesehen werden. 483 Auch die<br />

Nachschusspflicht ist aus dem Handelsregistere<strong>in</strong>trag ersichtlich, wenn<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>getragen ist (Art. 99 HRegV). 484<br />

Wirtschaftlich betrachtet erfüllen Haftung und Nachschusspflicht den<br />

gleichen Zweck: Sie dienen <strong>der</strong> Besserstellung <strong>der</strong> Gläubiger, die Kreditwürdigkeit<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft kann erhöht werden. 485 Persönliche Haftung<br />

und Nachschusspflicht können beim Vere<strong>in</strong> alternativ o<strong>der</strong> kumulativ<br />

vorgesehen werden. 486<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Bei den Kapitalgesellschaften ist <strong>der</strong> Umfang des m<strong>in</strong>imalen Haftungssubstrates<br />

aus dem Handelsregister klar ersichtlich. Solange die<br />

Statuten e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s, welcher im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist, die<br />

Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> objektiv bestimmbarer Weise<br />

def<strong>in</strong>ieren, können Dritte, die mit dem Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> geschäftliche Beziehungen<br />

treten, beim Handelsregisteramt herausf<strong>in</strong>den, <strong>in</strong>wieweit die<br />

Mitglie<strong>der</strong> für die Beiträge haften. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />

nicht direkt aus dem Handelsregistere<strong>in</strong>trag ersichtlich; sie<br />

ergibt sich höchstens aus den Statuten (falls diese überhaupt e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Bestimmung enthalten), welche zusätzlich e<strong>in</strong>gesehen werden<br />

müssen. Auch ergibt sich aus dem Handelsregistere<strong>in</strong>trag nicht, wie-<br />

481 Zu unterscheiden von <strong>der</strong> Deckung von Schulden gemäss Art. 71 Abs. 2 ZGB, vgl.<br />

dazu HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 18, Bern 1990. Die Nachschusspflicht<br />

ist e<strong>in</strong>e Schuldverpflichtung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gegenüber dem Vere<strong>in</strong>. Sie hat<br />

e<strong>in</strong>e Sanierungs- und Sicherungsfunktion und somit re<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternen Charakter. Vgl. HANS<br />

NIGG, Kommentar zu Art. 869 OR N 11 f., Basel 1994.<br />

482 Vgl. allerd<strong>in</strong>gs zu den praktischen Auswirkungen HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 18.<br />

483 Zu den weiteren Ausgestaltungsmöglichkeiten und den formellen Voraussetzungen<br />

vgl. wie<strong>der</strong>um HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 16 f., dessen Ausführungen überzeugen.<br />

484 Die Nachschusspflicht kann wie die persönliche Haftung auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n vorgesehen<br />

werden, die nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d (HANS MICHAEL RIEMER, ST<br />

vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB N 627, Bern 1990).<br />

485 HANS NIGG, a.a.O. N 13. Vgl. auch die Überlegungen bei CHRISTIAN RUETZ-VENZIN,<br />

F<strong>in</strong>anzielle Beitragspflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, Diss. Zürich 1985, S. 47 f.<br />

486 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 18, Bern 1990. – Bei analoger<br />

Anwendung <strong>der</strong> Regeln <strong>der</strong> VGeK ist im Konkurs des Vere<strong>in</strong>s zunächst die Nachschusspflicht<br />

vor <strong>der</strong> persönlichen Haftung zu beanspruchen (Art. 10 VGeK), vgl. dazu S. 213.<br />

157


viele Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> angehören; somit kann die Höhe des<br />

Haftungssubstrates nicht bestimmt werden. 487 Dieser Umstand stellt<br />

etwa im Vergleich zu e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft e<strong>in</strong>en Nachteil dar, <strong>der</strong> die<br />

Kreditwürdigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n verr<strong>in</strong>gern kann. Allerd<strong>in</strong>gs sollte die<br />

praktische Bedeutung <strong>der</strong> fehlenden Erkennbarkeit des Haftungssubstrates<br />

von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nicht überbewertet werden. Vorsichtige Gläubiger<br />

werden sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zusätzliche Sicherheiten wie Bürgschaften, Garantien<br />

o<strong>der</strong> Pfän<strong>der</strong> geben lassen.<br />

Gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters kann die Versuchung<br />

bestehen, dass im Verhältnis zur Tätigkeit des Vere<strong>in</strong>s zu niedrige Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />

festgesetzt werden, o<strong>der</strong> dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er heiklen Situation<br />

auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen gegenüber sämtlichen o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>igen Mitglie<strong>der</strong>n verzichtet wird, um so den Gläubigern Haftungssubstrat<br />

zu entziehen. Das Bundesgericht hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entscheid <strong>in</strong> Betracht<br />

gezogen, e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen<br />

Mitglied, dieses könne entgegen den Statuten vorzeitig aus dem Vere<strong>in</strong><br />

austreten, für unverb<strong>in</strong>dlich zu erklären, weil e<strong>in</strong> solcher Austritt e<strong>in</strong>en<br />

Verzicht des Vere<strong>in</strong>s auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen darstellen<br />

könne. Das Bundesgericht zog dabei die Interessen Dritter <strong>in</strong> Betracht,<br />

die – im Vertrauen auf die noch für das ablaufende und das folgende<br />

Jahr <strong>in</strong> sicherer Aussicht stehenden Mitglie<strong>der</strong>beiträge – mit dem<br />

Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Geschäftsbeziehungen getreten waren. 488 In e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />

Entscheid musste das Bundesgericht e<strong>in</strong>en eigentlichen Verzicht e<strong>in</strong>es<br />

Vere<strong>in</strong>s auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen beurteilen: Der Vere<strong>in</strong><br />

hatte mit e<strong>in</strong>er Drittperson e<strong>in</strong>en Vertrag abgeschlossen und sich<br />

dabei zur Bezahlung e<strong>in</strong>er grösseren Summe verpflichtet. Die Mittel zur<br />

Erfüllung dieses Vertrages sollten durch die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen<br />

nach e<strong>in</strong>em bestimmten Verteilungsschlüssel aufgebracht werden.<br />

Nachdem die geschuldete Summe gerichtlich festgesetzt worden<br />

war, beschloss <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>, ke<strong>in</strong>e Mitglie<strong>der</strong>beiträge mehr zu erheben.<br />

Das Bundesgericht hielt fest, dieser Beschluss des Vere<strong>in</strong>s än<strong>der</strong>e nichts<br />

an <strong>der</strong> Schuld des Vere<strong>in</strong>s; e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> könne nicht durch Beschlussfassung<br />

die Rechte se<strong>in</strong>er Gläubiger schmälern. Der Beschluss sei gegenüber<br />

dem Gläubiger unwirksam; <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> bleibe trotzdem Schuldner.<br />

489 Diese Rechtsprechung ist verschiedentlich auf Kritik gestossen.<br />

RIEMER führt etwa aus, dass grundsätzlich ke<strong>in</strong> Vertrauensschutz Dritter<br />

487<br />

Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> besteht von Gesetzes wegen ke<strong>in</strong>e Pflicht zu e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destkapital, vgl.<br />

S. 185 ff.<br />

488<br />

BGE 55 II 283.<br />

489<br />

BGE 63 II 86.<br />

158


o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> bezüglich des E<strong>in</strong>gangs von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen<br />

bestehe. 490 H<strong>in</strong>gegen muss sich nach RIEMER ke<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sgläubiger<br />

gefallen lassen, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Haftungssubstrat absichtlich<br />

tief hält, entzieht o<strong>der</strong> verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t. 491 In e<strong>in</strong>em solchen Fall müssen<br />

sich Dritte nach RIEMER wehren können, etwa mittels e<strong>in</strong>er Schadenersatzklage<br />

gegen den Vere<strong>in</strong> (gestützt auf Art. 55 Abs. 2 ZGB) o<strong>der</strong> gegen<br />

die Organträger (Art. 55 Abs. 3 ZGB) 492 wegen sittenwidriger Schadenszufügung<br />

i.S.v. Art. 41 Abs. 2 OR. RIEMER hält auch für zulässig,<br />

dass e<strong>in</strong>e Drittperson gestützt auf Art. 2 Abs. 1 ZGB direkt gegen die<br />

Mitglie<strong>der</strong> vorgehen kann, o<strong>der</strong> dass das entsprechende Verhalten des<br />

Vere<strong>in</strong>s gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB als unbeachtlich angesehen wird<br />

und Gläubiger auf frühere Mitglie<strong>der</strong>beiträge zurückgreifen können. 493<br />

RIEMER ist dar<strong>in</strong> zuzustimmen, dass Organträger zur Verantwortung gezogen<br />

werden können, wenn sie den Gläubigern absichtlich Haftungssubstrat<br />

entziehen o<strong>der</strong> dieses verm<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Organträger müssen auch<br />

dann zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie sich <strong>in</strong> Fällen,<br />

<strong>in</strong> welchen die Mitglie<strong>der</strong>beiträge offensichtlich zu tief festgesetzt<br />

s<strong>in</strong>d für die Tätigkeit, die <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> ausübt, schuldhaft nicht um e<strong>in</strong>e<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge bemühen.<br />

Dies gilt allerd<strong>in</strong>gs nicht für diejenigen Fälle, <strong>in</strong> welchen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />

die benötigten Mittel an<strong>der</strong>weitig aufbr<strong>in</strong>gen kann, etwa durch Zuwendungen<br />

Dritter. Unter solchen Umständen ist es sogar zulässig, dass<br />

vollständig auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen verzichtet wird. In<br />

diesem Fall können die Organträger lediglich dann zur Verantwortung<br />

gezogen werden, wenn sie sich schuldhaft nicht um entsprechende Zuwendungen<br />

Dritter bemühen, o<strong>der</strong> wenn sie sich im Falle des dauernden<br />

Ausbleibens von Zuwendungen nicht für die E<strong>in</strong>führung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen<br />

e<strong>in</strong>setzen.<br />

490 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 20, Bern 1990. RIEMER weist<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit e<strong>in</strong>es vorzeitigen Ausscheidens<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es sofortigen Austritts von Mitglie<strong>der</strong>n aus wichtigem Grund h<strong>in</strong>.<br />

491 Zum Beispiel durch e<strong>in</strong>en Beschluss auf Festsetzung offensichtlich zu tiefer Mitglie<strong>der</strong>beiträge,<br />

auf gänzlichen Verzicht auf die Erhebung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen o<strong>der</strong> auf<br />

Rückzahlung bereits geleisteter Beiträge. Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 20.<br />

492 Vgl. dazu Urteil des Bernischen Appellationshofes vom 17.03.1981, ZBJV 119 (1983),<br />

S. 237 ff. betreffend e<strong>in</strong>en Durchgriff auf e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>spräsidenten für die Verb<strong>in</strong>dlichkeiten<br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s, dessen Statuten offensichtlich zu niedrige Mitglie<strong>der</strong>beiträge vorsahen.<br />

E<strong>in</strong>e ausführliche Kommentierung dieses Entscheides f<strong>in</strong>det sich bei CHRISTIAN<br />

RUETZ-VENZIN, F<strong>in</strong>anzielle Beitragspflichten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, Diss. Zürich 1985,<br />

S. 94 ff.<br />

493 HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 20.<br />

159


In Fällen, <strong>in</strong> welchen sich die Organträger für e<strong>in</strong>e Erhöhung o<strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>führung von Mitglie<strong>der</strong>beiträgen e<strong>in</strong>setzen, jedoch etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />

überstimmt werden, ist wie folgt zu entscheiden:<br />

Wenn <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters <strong>in</strong> ihren Statuten Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />

vorsehen, die für die Geschäfte, die <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> betreibt, offensichtlich<br />

ungenügend s<strong>in</strong>d, so ist gleich vorzugehen, wie wenn die Vere<strong>in</strong>sstatuten<br />

die Mitglie<strong>der</strong>beiträge gar nicht festsetzen. Nach Art. 71<br />

Abs. 2 ZGB haben die Mitglie<strong>der</strong> die zur Verfolgung des Vere<strong>in</strong>szwekkes<br />

und zur Deckung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sschulden notwendigen Beiträge zu gleichen<br />

Teilen zu leisten. 494 So können Missbrauchsfälle aufgefangen und<br />

die Nachteile, welche sich aus dem Fehlen e<strong>in</strong>es Grund- o<strong>der</strong> Stammkapitals<br />

ergeben 495 , kompensiert werden. Gleiches gilt auch, wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />

zu hohe Gew<strong>in</strong>ne ausschüttet und dadurch den Gläubigern die Vermögensbasis<br />

entzieht 496 . Zudem ergibt sich aus <strong>der</strong> Bestimmung von<br />

Art. 55 Abs. 3 ZGB, dass die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> als Angehörige des<br />

Organs Vere<strong>in</strong>sversammlung bei Verschulden persönlich haftbar werden<br />

können. 497<br />

Die Beitragsfor<strong>der</strong>ung und die Nachschussfor<strong>der</strong>ung des Vere<strong>in</strong>s gegenüber<br />

dem Mitglied s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>saktiva und gehören als solche zum<br />

pfändbaren Vermögen i.S.v. Art. 95 Abs. 1 SchKG und Art. 99 SchKG<br />

bzw. zur Konkursmasse des Vere<strong>in</strong>s. 498 Die Vere<strong>in</strong>sgläubiger können<br />

solche For<strong>der</strong>ungen also pfänden und verwerten lassen. Sie können die<br />

For<strong>der</strong>ungen auch gemäss Art. 131 Abs. 2 SchKG <strong>in</strong> eigenem Namen<br />

direkt geltend machen. Dies führt <strong>in</strong>direkt zu e<strong>in</strong>er subsidiären persönlichen<br />

Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gegenüber den Vere<strong>in</strong>sgläubigern für die<br />

Schulden des Vere<strong>in</strong>s bis zur Höhe des festgelegten Mitglie<strong>der</strong>beitrages<br />

bzw. unbeschränkt, wenn die Mitglie<strong>der</strong>beiträge nicht festgesetzt s<strong>in</strong>d. 499<br />

494<br />

Aus Art. 71 Abs. 2 ZGB ergibt sich ke<strong>in</strong>e solidarische Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>. Jedes<br />

Mitglied schuldet dem Vere<strong>in</strong> gegenüber lediglich se<strong>in</strong>en Anteil (HANS MICHAEL RIEMER,<br />

Kommentar zu Art. 71 ZGB N 24, Bern 1990).<br />

495<br />

Vgl. dazu h<strong>in</strong>ten S. 185 ff.<br />

496<br />

Vgl. dazu bereits S. 149 ff.<br />

497<br />

Gleicher Ansicht HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art 65 ZGB N 34 ff., Bern<br />

1990. Vgl. dazu weiterführend S. 197 ff.<br />

498<br />

Vgl. dazu ausführlicher S. 210 ff.<br />

499<br />

DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich<br />

1994, S. 179 ff.; HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 71 ZGB N 41, Bern<br />

1990.<br />

160


4. Verbandsstrafen<br />

a) Verbandsstrafen gemäss ZGB<br />

In den Statuten kann zur Sicherung <strong>der</strong> Erfüllung von Mitgliedschaftspflichten<br />

e<strong>in</strong>e Kompetenz des Vere<strong>in</strong>s zur Verhängung sogenannter<br />

Verbandsstrafen vorgesehen werden. Als mögliche Sanktionen<br />

kommen Geldleistungen, Suspendierung von <strong>der</strong> Ausübung <strong>der</strong> Mitgliedschaftsrechte<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n 500 <strong>in</strong> Frage. Bei<br />

allen diesen Sanktionen handelt es sich um privatrechtliche Behelfe, welche<br />

nicht als Ausübung von Strafgewalt verstanden werden dürfen. 501<br />

Verbandsstrafen wie Geldstrafen, Bussen und <strong>der</strong>gleichen s<strong>in</strong>d ihrer<br />

Natur nach Konventionalstrafen und unterliegen den entsprechenden<br />

gesetzlichen Bestimmungen, namentlich <strong>der</strong> Herabsetzung gemäss Art.<br />

163 OR. 502 Gänzlich unbeachtlich s<strong>in</strong>d Sanktionen, die gegen das Persönlichkeitsrecht<br />

des Mitglieds verstossen. 503<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Die Möglichkeit <strong>der</strong> richterlichen Herabsetzung von Konventionalstrafen<br />

stellt e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>bruch <strong>in</strong> die Vertragsfreiheit und die Pflicht zur<br />

Vertragstreue dar. Gemäss Bundesgericht ist sie deshalb nur mit Zurückhaltung<br />

anzuwenden. Nur krasse Missverhältnisse s<strong>in</strong>d zu korrigieren;<br />

grundsätzlich soll es darum gehen, wirtschaftlich schwächere Parteien<br />

zu schützen. 504 Es ist kaum möglich, allgeme<strong>in</strong>e Regeln für die<br />

massgeblichen Kriterien aufzustellen. Das Gericht muss die Angemessenheit<br />

e<strong>in</strong>er Konventionalstrafe nach freiem, aber pflichtgemässem<br />

Ermessen unter Würdigung des E<strong>in</strong>zelfalles beurteilen. 505 Im Zusammenhang<br />

mit <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

500<br />

Vgl. dazu nachfolgend S. 162 ff.<br />

501<br />

Umstritten ist die genaue Qualifikation von Verbandsstrafen. HEINI versteht Vere<strong>in</strong>sbussen<br />

entgegen <strong>der</strong> herrschenden Lehre und Rechtsprechung nicht als Konventionalstrafen<br />

i.e.S., son<strong>der</strong>n als konkretisierende Gestaltung des privaten Mitgliedschaftsverhältnisses<br />

durch e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sorgan. Er bejaht aber dennoch die analoge Anwendung von<br />

Art. 163 OR (Herabsetzung durch das Gericht bei übermässiger Höhe), vgl. ANTON<br />

HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 19, Basel 1996, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />

502<br />

Vgl. BGE 80 II 123.<br />

503<br />

ANTON HEINI, a.a.O. N 21.<br />

504<br />

BGE 103 II 129 ff., 135.<br />

505<br />

Zu den e<strong>in</strong>zelnen möglichen Beurteilungskriterien vgl. FELIX EHRAT, Kommentar zu<br />

Art. 163 OR N 16 f., 2. Auflage Basel 1996.<br />

161


die Geschäftserfahrenheit sowie die wirtschaftliche Abhängigkeit <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> vom Vere<strong>in</strong> zu berücksichtigen. Beson<strong>der</strong>e Regeln gelten für<br />

allfällige Konkurrenzverbote; <strong>in</strong> diesem Zusammenhang kann auch die<br />

Rechtsprechung zu Art. 340 ff. OR berücksichtigt werden.<br />

Im Zusammenhang mit Verbandsstrafen, welche Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihren<br />

Persönlichkeitsrechten tangieren, ist wie<strong>der</strong>um auf das Persönlichkeitsrecht<br />

auf wirtschaftliche Entfaltung h<strong>in</strong>zuweisen. 506 Dieses wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

dann aktuell, wenn e<strong>in</strong>e Verbandsstrafe faktisch zu e<strong>in</strong>em –<br />

wenn auch möglicherweise zeitlich begrenzten – Berufsausübungsverbot<br />

führt. 507<br />

5. Der Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n<br />

a) Der Ausschluss gemäss ZGB<br />

Der Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitglieds stellt die gravierendste Form e<strong>in</strong>er<br />

Verbandsstrafe dar. Das ZGB räumt <strong>der</strong> Ausschlussautonomie von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

als e<strong>in</strong>em Teilaspekt <strong>der</strong> privatrechtlichen Vere<strong>in</strong>sfreiheit e<strong>in</strong>en<br />

wichtigen Platz e<strong>in</strong>. 508 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n steht es frei, ob sie die Gründe für den<br />

Ausschluss von Mitglie<strong>der</strong>n <strong>in</strong> den Statuten angeben o<strong>der</strong> nicht. Nennen<br />

jedoch die Statuten ke<strong>in</strong>e Ausschlussgründe und ist auch die Möglichkeit<br />

des Ausschlusses ohne Grundangabe nicht explizit vorgesehen, so darf<br />

e<strong>in</strong> Mitglied nur aus wichtigen Gründen ausgeschlossen werden (Art. 72<br />

Abs. 3 ZGB).<br />

Wenn die Statuten die Ausschlussgründe explizit nennen o<strong>der</strong> die<br />

Möglichkeit des Ausschlusses ohne Grundangabe vorsehen, so kann das<br />

506 Vgl. dazu S. 144. In diesem S<strong>in</strong>ne auch HANS BODMER, Vere<strong>in</strong>sstrafe und Verbandsgerichtsbarkeit,<br />

Diss. St. Gallen, Bern 1989, S. 93 ff.<br />

507 Dies kann beson<strong>der</strong>s bei <strong>der</strong> Sperre von Sportlern <strong>der</strong> Fall se<strong>in</strong>. In e<strong>in</strong>em Urteil des<br />

Bernischen Appellationshofes vom 27.06.1986, ZBJV 124 (1988), S. 314, wird festgehalten,<br />

dass zum Beispiel e<strong>in</strong>e vorläufige Spielsperre dieselben e<strong>in</strong>schneidenden Wirkungen<br />

haben kann wie e<strong>in</strong> Ausschluss und diesem daher gleichzusetzen ist (vgl. dazu nachfolgend).<br />

Vgl. im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Sperre <strong>der</strong> Berner Leichtathlet<strong>in</strong> Sandra Gasser<br />

wegen Dop<strong>in</strong>gs URS SCHERRER, Sportrecht im Spannungsfeld von Spiel und Wirtschaft,<br />

SJZ 94, S. 293 f., mit weiteren H<strong>in</strong>weisen. Die Sperre von Sportlern kann aber auch unter<br />

Gesichtspunkten des Kartellrechts relevant se<strong>in</strong>, sofern Monopolsportverbände als Unternehmen<br />

i.S.v. Art. 2 Abs. 1 KG qualifiziert werden. URS SCHERRER, a.a.O., S. 294, bejaht<br />

dies. – Zur Abgrenzung von Spielstrafen von Verbandsstrafen vgl. Urteil des Bernischen<br />

Appellationshofes vom 27. 06.1986, ZBJV 124 (1988), S. 313.<br />

508 An<strong>der</strong>s die Regelung im KVG: Der Ausschluss aus e<strong>in</strong>er Krankenkasse ist gemäss<br />

Art. 4 Abs. 2 KVG und Art. 9 Abs. 4 KVV verboten (vgl. Botschaft über die Revision <strong>der</strong><br />

Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 144 I [1992], S. 142).<br />

162


ausgeschlossene Mitglied den Ausschluss nicht gestützt auf den Ausschlussgrund<br />

gerichtlich anfechten (Art. 72 Abs. 2 ZGB). Das Gericht<br />

soll nicht se<strong>in</strong>e eigene Beurteilung an die Stelle <strong>der</strong> vere<strong>in</strong>s<strong>in</strong>ternen<br />

Wertung setzen können. 509 Die Anfechtung etwa wegen Verfahrensmängeln<br />

o<strong>der</strong> Rechtsmissbrauchs 510 ist h<strong>in</strong>gegen möglich, ebenso wegen<br />

Verletzung des Persönlichkeitsrechts <strong>der</strong> betroffenen Person.<br />

Wenn die Statuten ke<strong>in</strong>e bestimmten Ausschlussgründe vorsehen und<br />

auch den Ausschluss ohne Angabe <strong>der</strong> Gründe nicht explizit gestatten,<br />

so kann je<strong>der</strong> Ausschluss gerichtlich angefochten werden. Das ausgeschlossene<br />

Mitglied muss dann darlegen, dass die Gründe für den Ausschluss<br />

ke<strong>in</strong>e „wichtigen“ i.S.v. Art. 72 Abs. 3 ZGB s<strong>in</strong>d.<br />

Von Gesetzes wegen gelten folgende Verfahrensregeln: Jedes Mitglied,<br />

welches ausgeschlossen werden soll, hat e<strong>in</strong> Recht auf Anhörung<br />

durch das Gremium, welches für den Ausschluss zuständig ist. Wenn die<br />

Statuten ke<strong>in</strong>en Ausschluss ohne Angabe von Gründen vorsehen, so<br />

s<strong>in</strong>d dem auszuschliessenden Mitglied die Gründe für den Ausschluss<br />

mitzuteilen. Ausserdem muss das Mitglied rechtzeitig über den Ausschluss<br />

<strong>in</strong>formiert werden.<br />

b) Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Beim Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitgliedes aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters ist wie<strong>der</strong>um die Persönlichkeit des Mitgliedes zu respektieren.<br />

511 Zu beachten ist namentlich das Recht auf wirtschaftliche Entfaltung<br />

512 , aber auch etwa die Ehre des ausgeschlossenen Mitglieds. E<strong>in</strong>e<br />

Verletzung dieser Aspekte des Persönlichkeitsrechts kann nach dem<br />

oben Ausgeführten bei je<strong>der</strong> Art <strong>der</strong> statutarischen Ausschlussregelung<br />

geltend gemacht werden. Es ist also durchaus möglich, dass e<strong>in</strong> Ausschluss<br />

gestützt auf e<strong>in</strong>en bestimmten, <strong>in</strong> den Statuten explizit genann-<br />

509<br />

ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 72 ZGB N 7, Basel 1996.<br />

510<br />

BGE 51 II 237; BGE 85 II 525; BGE 90 II 346.<br />

511<br />

Gleicher Ansicht MARGARETA BADDELEY, L’association sportive face au droit, Diss.<br />

Genf, Basel 1994, S. 95 ff.<br />

512<br />

An<strong>der</strong>er Ansicht BEAT BADERTSCHER, Der Ausschluss aus dem Vere<strong>in</strong> nach <strong>Schweiz</strong>erischem<br />

Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1980, S. 222: Aus Art. 28 ZGB kann ke<strong>in</strong>e Beschränkung<br />

<strong>der</strong> Ausschlussfreiheit abgeleitet werden. „Die vorliegende Arbeit dürfte<br />

vielmehr gezeigt haben, dass die Rechtsform des Vere<strong>in</strong>s im Grunde genommen gerade<br />

auch wegen des freien Ausschlussrechts nur für e<strong>in</strong>e ideale Zweckverfolgung geeignet<br />

ist.“ – Immerh<strong>in</strong> erkennt BADERTSCHER den Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Verfolgung<br />

e<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Zwecks und <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> Ausschlussfreiheit.<br />

163


ten Ausschlussgrund unzulässig ist, weil bereits <strong>der</strong> Ausschlussgrund als<br />

solcher die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> verletzt 513 . 514<br />

In BGE 123 III 193 (Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH,<br />

1997) hat das Bundesgericht das Verhältnis zwischen <strong>der</strong> Ausschlussautonomie<br />

von Berufs- und Standesorganisationen und dem Persönlichkeitsrecht<br />

auf wirtschaftliche Entfaltung beleuchtet. Bereits <strong>der</strong> Bernische<br />

Appellationshof hatte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entscheid vom 27.06.1986<br />

festgehalten, es dränge sich auf, bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />

die Ausschlussautonomie <strong>in</strong> gewissen Fällen zu beschränken. 515<br />

Das Bundesgericht ist traditionellerweise bei <strong>der</strong> Annahme e<strong>in</strong>er Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

des Persönlichkeitsrechts auf wirtschaftliche Entfaltung<br />

i.S.v. Art. 27 ZGB sehr zurückhaltend. Grundsätzlich wird verlangt, dass<br />

die Grundlagen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Existenz gefährdet se<strong>in</strong> müssen. 516<br />

In BGE 123 III 193 wird aber offenbar davon ausgegangen, dass je<strong>der</strong><br />

Ausschluss aus e<strong>in</strong>er Berufs- und Standesorganisation o<strong>der</strong> aus e<strong>in</strong>em<br />

Wirtschaftsverband e<strong>in</strong>e Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf wirtschaftliche<br />

Entfaltung darstelle. Entsprechend sei bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />

des Ausschlusses e<strong>in</strong>es Mitgliedes e<strong>in</strong>e Abwägung vorzunehmen zwischen<br />

den Interessen des Vere<strong>in</strong>s am Ausschluss des Mitgliedes e<strong>in</strong>erseits<br />

und dessen Interessen an <strong>der</strong> Mitgliedschaft (wirtschaftliche und<br />

berufliche Bedeutung) an<strong>der</strong>erseits. E<strong>in</strong> Ausschluss sei nur bei überwie-<br />

513 Der Umstand, dass sich das Mitglied freiwillig den Statuten unterstellt hat, welche diesen<br />

Ausschlussgrund enthalten, kann höchstens im Rahmen von Art. 27 Abs. 2 ZGB e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>willigung <strong>der</strong> verletzten Person darstellen, welche die Persönlichkeitsverletzung zu<br />

rechtfertigen vermöge.<br />

514 Etwas an<strong>der</strong>s beurteilt HEINI die Beson<strong>der</strong>heiten des Ausschlusses aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters: Se<strong>in</strong>er Ansicht nach muss Art. 72 ZGB e<strong>in</strong>schränkend ausgelegt<br />

werden (teleologische Reduktion), mit dem Ergebnis, dass die Ausschliessung aus<br />

e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> vom gesetzgeberischen Leitbild nicht mehr erfasst wird, <strong>der</strong> freien gerichtlichen<br />

Überprüfung unterliegt. Vgl. ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 72 ZGB<br />

N 14, Basel 1996; DERS., Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 65, je mit H<strong>in</strong>weisen<br />

auf MAX KUMMER, Spielregeln und Rechtsregeln, Bern 1973, S. 57 und Urteil des<br />

Bernischen Appellationsgerichtshofs vom 27.06.1996, ZBJV (124) 1988, S. 311 ff.;<br />

ANTON HEINI, Die gerichtliche Überprüfung von Vere<strong>in</strong>sstrafen, <strong>in</strong>: FORSTMOSER /<br />

SCHLUEP (Hrsg.), Festschrift zum 60. Geburtstag von Arthur Meier-Hayoz, Bern 1982,<br />

S. 223 ff., S. 230 ff.; PETER LOSER, Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft im Spannungsfeld von<br />

Ausschlussautonomie und Handels- und Gewerbefreiheit, recht 1998, S. 35. – Diese<br />

Auslegung von Art. 72 ZGB sche<strong>in</strong>t jedoch nicht notwendig, da die allgeme<strong>in</strong>en Regeln<br />

zum Persönlichkeitsschutz angewendet werden können.<br />

515 ZBJV 124 (1988), S. 313.<br />

516 Vgl. BGE 104 II 6 (Gesellschaft <strong>der</strong> Ärzte des Kantons Zürich, 1978) zur Frage, ob e<strong>in</strong> Mitglied<br />

durch e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>sbeschluss <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Persönlichkeit verletzt wird, dazu unten<br />

S. 144 ff.<br />

164


genden Interessen des Vere<strong>in</strong>s zulässig und daher im Ergebnis nur bei<br />

Vorliegen wichtiger Gründe. Das Bundesgericht ist somit im Resultat <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er neuesten Rechtsprechung im Zusammenhang mit Berufs- und<br />

Standesorganisationen vom Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Gefährdung <strong>der</strong> Grundlagen<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlichen Existenz abgewichen. Wenn das Bundesgericht nach<br />

wichtigen Gründen im Rahmen e<strong>in</strong>er Interessenabwägung sucht, so<br />

sucht es nach e<strong>in</strong>em Rechtfertigungsgrund, welcher die Persönlichkeitsverletzung<br />

als nicht wi<strong>der</strong>rechtlich i.S.v. Art. 28 ZGB ersche<strong>in</strong>en lässt.<br />

Die wichtigen Gründe, welche das Bundesgericht for<strong>der</strong>t, müssen also<br />

den Anfor<strong>der</strong>ungen an das überwiegende private Interesse gemäss Art.<br />

28 Abs. 2 ZGB genügen. Die Frage, wann e<strong>in</strong> überwiegendes Interesse<br />

vorliegt, kann nicht allgeme<strong>in</strong> beantwortet werden; sie ist sehr stark vom<br />

E<strong>in</strong>zelfall abhängig. Es wurde jedoch bereits früher ausgeführt, dass die<br />

Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Berufs- und Standesorganisationen<br />

nicht ohne weiteres auf sämtliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

übertragen werden kann. Wenn e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Monopolstellung<br />

zukommt, so ist e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> das Persönlichkeitsrecht <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Entfaltung nur mit grösster Zurückhaltung anzunehmen.<br />

517 Auch dort, wo das Kartellrecht greift, handelt es sich um beson<strong>der</strong>s<br />

qualifizierte Tatbestände. Der Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitglieds aus e<strong>in</strong>em<br />

Vere<strong>in</strong> kann lediglich dann unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten relevant<br />

werden, wenn es sich bei dem Vere<strong>in</strong> um e<strong>in</strong> marktbeherrschendes<br />

Unternehmen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 KG handelt (Art. 7 KG). 518<br />

Im übrigen gilt auch im Zusammenhang mit dem Ausschluss von<br />

Mitglie<strong>der</strong>n das Gebot <strong>der</strong> Gleichbehandlung. 519<br />

Zu den Beson<strong>der</strong>heiten betreffend e<strong>in</strong>en allfälligen Anspruch von<br />

ausgeschlossenen Mitglie<strong>der</strong>n auf das Vere<strong>in</strong>svermögen kann auf die im<br />

nächsten Kapitel folgenden Ausführungen im Zusammenhang mit dem<br />

Austritt verwiesen werden. 520 An dieser Stelle sei lediglich beigefügt, dass<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die wirtschaftliche Existenz des ausgeschlossenen Mitgliedes<br />

unter Umständen ger<strong>in</strong>ger ersche<strong>in</strong>t, wenn dieses e<strong>in</strong>en An-<br />

517 Vgl. dazu S. 144 ff.<br />

518 Zur Beachtung <strong>der</strong> Handels- und Gewerbefreiheit des Mitglieds und <strong>der</strong> (negativen)<br />

Vere<strong>in</strong>sfreiheit des Vere<strong>in</strong>s im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>direkten Drittwirkung vgl. PETER LOSER,<br />

Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft im Spannungsfeld von Ausschlussautonomie und Handels- und<br />

Gewerbefreiheit, recht 1998, S. 35 f.<br />

519 Gleicher Ansicht ANDREAS KELLER, Die Ausschliessung aus dem Vere<strong>in</strong>, Diss. Freiburg,<br />

Zürich 1979, S. 176. Vgl. zum Grundsatz <strong>der</strong> Gleichbehandlung S. 137.<br />

520 Vgl. dazu S. 180.<br />

165


spruch auf Vere<strong>in</strong>svermögen hat o<strong>der</strong> dem Mitglied sonstige Ansprüche<br />

auf Vermögenswerte zuerkannt werden.<br />

166


XIV. Der E<strong>in</strong>- und Austritt von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es<br />

Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters<br />

1. Der E<strong>in</strong>tritt gemäss ZGB<br />

Aus dem Vere<strong>in</strong>srecht des ZGB ergibt sich grundsätzlich ke<strong>in</strong> Anspruch<br />

auf Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>. Die vollkommen freie Entscheidung<br />

darüber, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> jemanden als Mitglied aufnehmen<br />

möchte, stellt e<strong>in</strong>en wichtigen Aspekt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit dar. 521 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

s<strong>in</strong>d grundsätzlich auch nicht zur Gleichbehandlung von aufnahmewilligen<br />

Personen und künftigen Mitglie<strong>der</strong>n verpflichtet. E<strong>in</strong>e Schranke für<br />

die Ablehnung e<strong>in</strong>er Person ergibt sich zwar aus <strong>der</strong>en Persönlichkeitsrecht<br />

gemäss Art. 28 ZGB. E<strong>in</strong>e Aufnahmeverweigerung stellt jedoch<br />

nur <strong>in</strong> ganz beson<strong>der</strong>s gelagerten Fällen e<strong>in</strong>e wi<strong>der</strong>rechtliche Verletzung<br />

<strong>der</strong> Persönlichkeit dar. 522 Noch strengere Anfor<strong>der</strong>ungen bestehen bei<br />

<strong>der</strong> grundsätzlich möglichen Berufung auf das Verbot des Rechtsmissbrauchs,<br />

wobei allerd<strong>in</strong>gs nicht geklärt ist, ob sich aus diesem Pr<strong>in</strong>zip<br />

tatsächlich e<strong>in</strong> Anspruch auf Aufnahme ableiten lässt. 523<br />

Die Vere<strong>in</strong>sstatuten können verschiedene Kriterien für die Aufnahme<br />

und eigentliche Aufnahmeerschwerungen vorsehen. Wenn die Ablehnung<br />

e<strong>in</strong>es Aufnahmegesuchs gegen vere<strong>in</strong>s<strong>in</strong>terne Regeln verstösst,<br />

ohne jedoch absolut geschützte Rechte zu tangieren, so haben lediglich<br />

die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> die Möglichkeit, den entsprechenden Beschluss<br />

anzufechten. Nichtmitglie<strong>der</strong>, also gerade auch die nicht aufgenommene<br />

Person, können sich h<strong>in</strong>gegen nicht wehren. E<strong>in</strong> allfälliger Anspruch auf<br />

Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> sich aus <strong>der</strong> Verletzung e<strong>in</strong>es absolut geschützten<br />

Rechts ergibt, kann von <strong>der</strong> abgewiesenen Person höchstens<br />

mittels e<strong>in</strong>er Gestaltungsklage auf Aufnahme <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong> durchgesetzt<br />

werden. 524<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Aus e<strong>in</strong>igen Spezialgesetzen ergab und ergibt sich e<strong>in</strong> Rechtsanspruch<br />

auf Mitgliedschaft <strong>in</strong> bestimmten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, bei welchen wirtschaftliche<br />

521<br />

HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 56 f., Bern 1990, mit weiteren<br />

H<strong>in</strong>weisen.<br />

522<br />

Vgl. die Beispiele bei HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 68.<br />

523<br />

Art. 2 Abs. 2 ZGB. Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 73.<br />

524<br />

Vgl. etwa BGE 108 II 6 (Swiss Commodity Industry Association, 1982), S. 55.<br />

167


Aspekte e<strong>in</strong>e Rolle spielen. 525 Art. 6 Abs. 2 KG 1962 526 und Art. 9 Abs. 1<br />

lit. b KG 1985 527 sahen e<strong>in</strong>en <strong>der</strong>artigen Rechtsanspruch im Zusammenhang<br />

mit Kartellen vor, wenn die Nichtaufnahme e<strong>in</strong>e unzulässige Wettbewerbsbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

darstellte. 528 Auch unter dem geltenden KG 1996<br />

kann sich aus Art. 12 Abs. 1 lit. a KG 1996 e<strong>in</strong> Rechtsanspruch auf Aufnahme<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> ergeben, wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> als marktbeherrschendes<br />

Unternehmen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 KG 1996 zu qualifizieren ist,<br />

an<strong>der</strong>e Unternehmen o<strong>der</strong> Personen i.S.v. Art. 7 KG 1996 durch Nichtaufnahme<br />

<strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufnahme o<strong>der</strong> Ausübung des Wettbewerbs<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. 529<br />

Entsprechende Vorschriften bestanden auch für anerkannte militärische<br />

Schiessvere<strong>in</strong>e, welche die obligatorischen und freiwilligen Bundesschiessübungen<br />

durchzuführen hatten. 530<br />

Art. 4 Abs. 2 KVG sieht ausserdem vor, dass Krankenpflegeversicherer<br />

<strong>in</strong> ihrem örtlichen Tätigkeitsgebiet jede versicherungspflichtige Person<br />

aufnehmen müssen, wobei sich anerkannte Krankenkassen gemäss<br />

Art. 12 Abs. 1 lit. a KVV ausdrücklich als <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> statuieren können. 531<br />

Auch aus Art. 8 BV kann sich e<strong>in</strong> Rechtsanspruch auf Aufnahme ergeben,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dann, wenn <strong>der</strong> Staat e<strong>in</strong>e öffentliche Aufgabe an e<strong>in</strong>en<br />

privatrechtlichen Vere<strong>in</strong> delegiert. 532<br />

525<br />

Vgl. dazu HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 65, Bern 1990;<br />

DERS., Entwicklungen im Gesellschaftsrecht, Allgeme<strong>in</strong>e Bestimmungen über juristische<br />

Personen, Vere<strong>in</strong>s- und Stiftungsrecht, SJZ 92 (1996), S. 392.<br />

526<br />

In Kraft vom 15.02.1964 bis zum 30.06.1986.<br />

527<br />

In Kraft vom 1.07.1986 bis zum 30.06.1996.<br />

528<br />

Vgl. dazu BGE 108 II 6 (Swiss Commodity Industry Association, 1982), S. 55.<br />

529<br />

Gleicher Ansicht HANS MICHAEL RIEMER, Entwicklungen im Gesellschaftsrecht, Allgeme<strong>in</strong>e<br />

Bestimmungen über juristische Personen, Vere<strong>in</strong>s- und Stiftungsrecht, SJZ 92<br />

(1996), S. 392. Vgl. zur Anwendung des Kartellrechts auf Sportvere<strong>in</strong>e CHRISTOPH FUCHS,<br />

Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich 1999, S. 92.<br />

530<br />

Art. 13 Abs. 2 lit. e und Art. 17 <strong>der</strong> Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst<br />

(Schiessordnung) vom 27. Februar 1991 (AS 1991, S. 662 ff.). Die heute geltende Fassung<br />

<strong>der</strong> Schiessordnung (SR 512.31, mit Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Art. 13 und 17 aus dem Jahr 1996)<br />

verpflichtet die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht mehr zur Aufnahme von Mitglie<strong>der</strong>n. Die <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> müssen<br />

lediglich noch Nichtmitglie<strong>der</strong> an den Schiessübungen kostenlos teilnehmen lassen. – Für<br />

die Rechtslage vor 1991 vgl. die Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst vom<br />

29. November 1935 (BS 5, S. 119 ff.).<br />

531<br />

Vgl. dazu Botschaft über die Revision <strong>der</strong> Krankenversicherung vom 6. November<br />

1991, BBl 144 I (1992), S. 142: „Die Versicherer s<strong>in</strong>d verpflichtet, alle Versicherungswilligen<br />

<strong>in</strong> ihrem örtlichen Tätigkeitsgebiet aufzunehmen.“<br />

532<br />

HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 66, Bern 1990.<br />

168


RIEMER ist <strong>der</strong> Ansicht, dass bei Berufs- und Standesorganisationen<br />

generell e<strong>in</strong> Rechtsanspruch auf Mitgliedschaft bestehen muss, sofern<br />

diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit und gegenüber potentiellen Auftraggebern<br />

und Behörden als massgebliche Organisationen des betreffenden Berufsstandes<br />

auftreten, o<strong>der</strong> wenn Berufs- und Wirtschaftsverbände ausdrücklich<br />

den Zweck <strong>der</strong> Selbstregulierung ihrer Branche verfolgen.<br />

Dies soll auch dann gelten, wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> an sich zulässige Aufnahmekriterien<br />

aufstellt, welche von <strong>der</strong> aufnahmewilligen Person erfüllt<br />

werden. RIEMER begründet se<strong>in</strong>e Ansicht damit, dass die Abweisung e<strong>in</strong>er<br />

aufnahmewilligen Person <strong>in</strong> solchen Fällen e<strong>in</strong>e wi<strong>der</strong>rechtliche o<strong>der</strong><br />

unsittliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf berufliches Ansehen<br />

und auf berufliche und wirtschaftliche Entfaltung darstellen würde (Art.<br />

28 ZGB). RIEMER schliesst auch e<strong>in</strong>e mögliche Drittwirkung von Art.<br />

27 BV nicht aus. 533 Abgesehen von Berufs- und Standesorganisationen<br />

beurteilt RIEMER auch die Verweigerung <strong>der</strong> Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Sportvere<strong>in</strong><br />

als persönlichkeitsverletzend, sofern diesem e<strong>in</strong>e Monopolstellung<br />

zukommt. 534<br />

Dieser Gedanke RIEMERS entspricht <strong>der</strong> vorherrschenden neueren<br />

Lehre im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n 535<br />

und f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts.<br />

In BGE 123 III 193 536 berief sich das Bundesgericht im Zusammenhang<br />

mit dem Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitgliedes auf dessen Persönlichkeitsrecht<br />

auf wirtschaftliche Entfaltung. Konsequenterweise müssen<br />

entsprechende Kriterien auch für die Frage <strong>der</strong> Aufnahme von Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters gelten, wenn die Nichtaufnahme<br />

die wirtschaftliche Entfaltung <strong>der</strong> aufnahmewilligen Person <strong>in</strong><br />

533<br />

HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 69 f., Bern 1990.<br />

534<br />

Gleicher Ansicht MARGARETA BADDELEY, L’association sportive face au droit, Diss.<br />

Genf, Basel 1994, S. 81 ff. Vgl. allgeme<strong>in</strong> zu <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit Monopolstellung auch ANTON<br />

HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 36, Basel 1996.<br />

535<br />

ANTON HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 65; DERS., Kommentar<br />

zu Art. 72 ZGB N 11 f., Basel 1996; ANDREAS KELLER, Die Ausschliessung aus dem Vere<strong>in</strong>,<br />

Diss. Freiburg 1979, S. 119 ff.; THOMAS BÜTLER, Der Persönlichkeitsschutz des Vere<strong>in</strong>smitglieds,<br />

Diss. Basel 1986, S. 72 ff.; HANS BODMER, Vere<strong>in</strong>sstrafe und Verbandsgerichtsbarkeit,<br />

Diss. St. Gallen, Bern 1989, S. 191 ff. An<strong>der</strong>er Ansicht h<strong>in</strong>gegen BEAT<br />

BADERTSCHER, Der Ausschluss aus dem Vere<strong>in</strong> nach schweizerischem Zivilgesetzbuch,<br />

Diss. Zürich 1980, S. 215 ff.<br />

536<br />

Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Uhren<strong>in</strong>dustrie FH, 1997; vgl. S. 55; vgl. betreffend den Ausschluss<br />

S. 162.<br />

169


echtswidrigem Mass tangiert. 537 Im Ergebnis muss demnach <strong>in</strong> solchen<br />

Fällen e<strong>in</strong>e Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Vere<strong>in</strong>s auf<br />

Nichtaufnahme e<strong>in</strong>er Person und den Interessen dieser aufnahmewilligen<br />

Person vorgenommen werden. Nur wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> überwiegende<br />

wichtige und sachliche Gründe hat, kann er die Aufnahme e<strong>in</strong>er Person<br />

verweigern, die durch die Nichtaufnahme <strong>in</strong> ihren wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechten<br />

verletzt wird. Allerd<strong>in</strong>gs dürften solche Fälle<br />

äusserst selten se<strong>in</strong>. Auch ist zu beachten, dass die Interessenabwägung<br />

(abgesehen von Berufs-, Standes- und Branchenorganisationen) strenger<br />

ausfallen muss, wenn es um die Aufnahme geht, als dies bei e<strong>in</strong>em Ausschluss<br />

<strong>der</strong> Fall wäre. Die Verweigerung <strong>der</strong> Aufnahme ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

weniger stossend als <strong>der</strong> Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitgliedes. 538 Vorbehalten<br />

bleiben die bereits erwähnten kartellrechtlich relevanten Fälle.<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>d somit an<strong>der</strong>s zu beurteilen<br />

als Genossenschaften. Für die Genossenschaft gilt von Gesetzes wegen<br />

das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> offenen Türe, das heisst e<strong>in</strong> Mitgliedschaftswechsel<br />

durch E<strong>in</strong>- und Austritt muss je<strong>der</strong>zeit möglich se<strong>in</strong>. Art. 839 Abs. 2 OR<br />

präzisiert diesen Grundsatz für den E<strong>in</strong>tritt. Der Beitritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Genossenschaft<br />

darf zwar statutarisch von <strong>der</strong> Erfüllung beson<strong>der</strong>er tatsächlicher<br />

o<strong>der</strong> rechtlicher Voraussetzungen abhängig gemacht werden, allerd<strong>in</strong>gs<br />

müssen diese sachlich begründet se<strong>in</strong>, das heisst, aus dem Zweck<br />

<strong>der</strong> Genossenschaft resultieren. 539 Aus <strong>der</strong> Beitrittsregelung darf sich<br />

ke<strong>in</strong> faktischer numerus clausus ergeben. Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> offenen Türe<br />

bei <strong>der</strong> Genossenschaft ist wirtschaftlich dadurch begründet, dass Genossenschaften<br />

<strong>in</strong> bestimmten Berufszweigen häufig e<strong>in</strong>e faktische Monopolstellung<br />

<strong>in</strong>nehaben. Rechtshistorisch ergibt sich <strong>der</strong> Grundsatz aus<br />

dem Solidargedanken, welcher <strong>der</strong> Genossenschaft zugrunde liegt. 540 Für<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gilt von Gesetzes wegen das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> offenen Türe nicht. Es<br />

darf auch nicht ohne gesetzliche Grundlage e<strong>in</strong>geführt werden, da es e<strong>in</strong>en<br />

starken E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Fundamente <strong>der</strong> Privatrechtsordnung darstellt.<br />

Die Fälle, <strong>in</strong> welchen e<strong>in</strong> berechtigtes Interesse daran besteht, dass<br />

gewisse Personen von <strong>der</strong> Mitgliedschaft <strong>in</strong> bestimmten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nicht<br />

ausgeschlossen werden dürfen, können <strong>in</strong> Anwendung <strong>der</strong> bundesge-<br />

537 In diesem S<strong>in</strong>ne auch CHRISTOPH FUCHS, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich<br />

1999, S. 106; PETER LOSER, Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft im Spannungsfeld von Ausschlussautonomie<br />

und Handels- und Gewerbefreiheit, recht 1998, S. 38. Vgl. auch ALFRED<br />

SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 839 OR N 10, Basel 1994, mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />

538 Gleicher Ansicht bereits PETER LOSER, a.a.O., S. 38.<br />

539 REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel 1998, S. 82.<br />

540 CARL BAUDENBACHER, Kommentar zu Art. 828 OR N 7, Basel 1994.<br />

170


ichtlichen Rechtsprechung zum Persönlichkeitsrecht auf wirtschaftliche<br />

Entfaltung und über das Wettbewerbs- und Kartellrecht gelöst werden.<br />

Ausserdem ist im Auge zu behalten, dass selbst bei <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

trotz des genossenschaftlichen Pr<strong>in</strong>zips <strong>der</strong> offenen Türe – alle<strong>in</strong><br />

gestützt auf diesen Grundsatz – ke<strong>in</strong> klagbarer Aufnahmeanspruch von<br />

beitrittswilligen Personen besteht, selbst wenn diese sämtliche E<strong>in</strong>trittsvoraussetzungen<br />

erfüllen. Die gegenteilige Auffassung wurde zwar <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

älteren, schwankenden, im Zusammenhang mit Boykotten vor Geltung<br />

des Kartellgesetzes von 1964 entwickelten Rechtsprechung 541 und Literatur<br />

teilweise vertreten. Sie ist heute jedoch durch die neuere Rechtsprechung<br />

542 überholt, <strong>der</strong> auch die herrschende Lehre folgt. 543<br />

Auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters könnte daher<br />

selbst <strong>in</strong> analoger Anwendung genossenschaftlicher Bestimmungen ke<strong>in</strong><br />

Anspruch auf Aufnahme bestehen. E<strong>in</strong> Anspruch muss vielmehr auf die<br />

seltenen Fälle eigentlicher wi<strong>der</strong>rechtlicher Persönlichkeitsverletzungen<br />

beschränkt bleiben. 544 Namentlich vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Rechtsprechung zum Genossenschaftsrecht kann BGE 82 II 292<br />

(Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956) nicht so verstanden werden,<br />

dass <strong>in</strong> analoger Anwendung <strong>der</strong> Bestimmungen zum Genossenschaftsrecht<br />

bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong> klageweise<br />

durchsetzbarer Anspruch auf Aufnahme besteht. Um so höhere Anfor-<br />

541<br />

BGE 76 II 281 (<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären Branche, 1950), vgl. S. 44; BGE<br />

81 II 117 (<strong>Schweiz</strong>erischer Tabakverband, 1955), mit Vorbehalt, vgl. S. 46; BGE 82 II 292<br />

(Groupement des Fournisseurs d’Horlogerie, 1956), vgl. S. 46.<br />

542<br />

BGE 118 II 437; BGE 98 II 221, mit ausführlicher Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> früheren<br />

Rechtsprechung und Literatur; CARL BAUDENBACHER, Kommentar zu Art. 828 OR N<br />

7, Basel 1994; ALFRED SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 839 OR N 3, Basel 1994; PETER<br />

FORSTMOSER, Kommentar zu Art. 839 OR N 9 ff., Bern 1974, je mit weiteren Nachweisen.<br />

– BGE 118 II 437 enthält ausserdem Ausführungen zur Frage, ob e<strong>in</strong>e beitrittswillige<br />

Person e<strong>in</strong>e Klage auf Feststellung führen kann, e<strong>in</strong>e entsprechende Statutenbestimmung<br />

sei ungültig, weil sie den genossenschaftlichen Grundsatz <strong>der</strong> offenen Türe verletze. Das<br />

Bundesgericht hielt <strong>in</strong> diesem Entscheid fest, für e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Klage bestehe ke<strong>in</strong> selbständiges<br />

Feststellungs<strong>in</strong>teresse; ausserdem wäre e<strong>in</strong> entsprechendes Urteil auch nicht<br />

durchsetzbar, weil eben ke<strong>in</strong> durchsetzbarer Anspruch auf Aufnahme bestehe. Daher bestehe<br />

ke<strong>in</strong>e Möglichkeit zu e<strong>in</strong>er solchen Feststellungsklage.<br />

543<br />

Vgl. etwa REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel<br />

1998, S. 80 f.<br />

544<br />

Es wurde bereits auf S. 144 darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass solche bei Berufs-, Branchenund<br />

Standesorganisationen eher zu bejahen s<strong>in</strong>d als bei an<strong>der</strong>en <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters.<br />

171


<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d daher an die Bejahung des überwiegenden Interesses e<strong>in</strong>er<br />

aufnahmewilligen Person zu stellen. 545<br />

3. Der Austritt gemäss ZGB<br />

Der Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> ist gemäss Art. 70 Abs. 2 OR von Gesetzes<br />

wegen zw<strong>in</strong>gend unter Beachtung e<strong>in</strong>er sechsmonatigen Austrittsfrist<br />

auf das Ende jeden Kalen<strong>der</strong>jahres o<strong>der</strong> je<strong>der</strong> Verwaltungsperiode<br />

zulässig. Ausserdem lässt die Gerichtspraxis e<strong>in</strong>en sofortigen Austritt<br />

aus wichtigem Grund zu. E<strong>in</strong> solcher liegt dann vor, wenn dem Mitglied<br />

das Verbleiben im Vere<strong>in</strong> nicht mehr zumutbar ist. 546 Allgeme<strong>in</strong> gilt,<br />

dass <strong>der</strong> Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> we<strong>der</strong> verunmöglicht noch erschwert<br />

werden darf. 547<br />

4. Beson<strong>der</strong>heiten<br />

a) Allgeme<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Bei re<strong>in</strong> nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n steht wie bereits mehrfach erwähnt<br />

die psychische, moralische und soziale Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

im Vor<strong>der</strong>grund. 548 Der Vere<strong>in</strong> lebt e<strong>in</strong>erseits von se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n,<br />

an<strong>der</strong>erseits gehören die Mitglie<strong>der</strong> nicht aus f<strong>in</strong>anziellen o<strong>der</strong><br />

sonstigen wirtschaftlichen Überlegungen dem Vere<strong>in</strong> an. So gehört etwa<br />

zu den fundamentalen Persönlichkeitsrechten, dass niemand gezwungen<br />

wird, e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>igung anzugehören, welche (nicht mehr) se<strong>in</strong>en politischen<br />

o<strong>der</strong> religiösen Überzeugungen entspricht. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters ist dies an<strong>der</strong>s. Hier steht nicht die psychische,<br />

545 Vgl. S. 46 mit H<strong>in</strong>weis auf BGE 76 II 281 (<strong>Schweiz</strong>. Grosshandelsverband <strong>der</strong> sanitären<br />

Branche), S. 44. – Im hier dargestellten S<strong>in</strong>ne auch BGE 98 II 221.<br />

546 BGE 71 II 194. – Der selbe Gedanke f<strong>in</strong>det sich im Zusammenhang mit Fusionen <strong>in</strong><br />

Art. 19 EFusG: Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>, die e<strong>in</strong>er Fusion nicht zustimmen, können <strong>in</strong>nerhalb<br />

von zwei Monaten nach dem Fusionsbeschluss frei austreten. Für Umwandlungen enthält<br />

<strong>der</strong> EFusG ke<strong>in</strong>e entsprechende Regelung. E<strong>in</strong>e Umwandlung dürfte jedoch je nach den<br />

konkreten Verhältnissen e<strong>in</strong>en Grund darstellen, welcher den Mitglie<strong>der</strong>n den sofortigen<br />

Austritt aus wichtigem Grund nach den allgeme<strong>in</strong>en Regeln ermöglicht.<br />

547 BGE 117 V 53. Vgl. auch ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 42 ff., Basel<br />

1996; DERS., Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 62 f.; HANS MICHAEL<br />

RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 270, Bern 1990.<br />

548 Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 270 ff.; A. EGGER, Kommentar zu<br />

Art. 70 ZGB N 10, Zürich 1930; ANTON HEINI, Das schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel<br />

1988, S. 63; BERYSZ ROSENBERG, Die zw<strong>in</strong>genden Schutzbestimmungen des Vere<strong>in</strong>srechtes,<br />

Diss. Basel 1985, S. 8 f.; BGE 71 II 194 ff., 197 (Verband <strong>Schweiz</strong>erischer Handsortierwerke,<br />

1945).<br />

172


moralische o<strong>der</strong> soziale Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im Zentrum. Sie<br />

gehören dem Vere<strong>in</strong> vielmehr aus irgendwie gearteten wirtschaftlichen<br />

Interessen an. Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters können<br />

unabhängige wirtschaftliche Zusammenschlüsse se<strong>in</strong>. Auf die Auswirkungen<br />

dieser Umstände auf die Frage, wann sich e<strong>in</strong> Mitglied auf<br />

wichtige Gründe berufen kann, die es zu e<strong>in</strong>em sofortigen Austritt berechtigen,<br />

wird nachfolgend im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Austrittsfrist<br />

e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Die Gewichtung <strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> hat auch<br />

Auswirkungen auf die Frage nach zulässigen Erschwerungen des Austritts<br />

aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters. Solche Erschwerungen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> weiterem Masse zulässig, als bei nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />

E<strong>in</strong> Vergleich mit <strong>der</strong> Genossenschaft zeigt, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

für den Austritt aus e<strong>in</strong>er Genossenschaft grössere Erschwernisse zulässt<br />

als bei den gesetzlichen Bestimmungen zum Vere<strong>in</strong>: Der Austritt<br />

aus e<strong>in</strong>er Genossenschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen an<br />

die Bezahlung von Austrittsgel<strong>der</strong>n geknüpft werden; <strong>der</strong> Austritt darf<br />

für fünf Jahre ausgeschlossen werden; nach dispositivem Recht beträgt<br />

die Kündigungsfrist e<strong>in</strong> Jahr.<br />

b) Austrittsfrist<br />

Die Bestimmung von Art. 70 Abs. 2 ZGB wird allgeme<strong>in</strong> als zw<strong>in</strong>gend<br />

erachtet. 549 E<strong>in</strong> Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> kann demnach nie für<br />

länger als e<strong>in</strong> halbes Jahr ausgeschlossen werden. Angesichts des zw<strong>in</strong>genden<br />

Charakters <strong>der</strong> Bestimmung und <strong>der</strong> Relativität <strong>der</strong> Beurteilung<br />

von Austrittsfristen ist ke<strong>in</strong> Grund ersichtlich, bei wirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

e<strong>in</strong>e abweichende Regelung zu postulieren. Auch <strong>der</strong> gesetzlich<br />

vorgesehene Austrittsterm<strong>in</strong> ist ohne weiteres anwendbar.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters an<strong>der</strong>e Kriterien<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Zulässigkeit e<strong>in</strong>es sofortigen Austritts aus wichtigem<br />

Grund anzuwenden. Je<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelfall bedarf <strong>der</strong> exakten Abklärung<br />

und <strong>der</strong> sorgfältigen Abwägung <strong>der</strong> auf dem Spiel stehenden Interessen.<br />

Gemäss Rechtsprechung liegen dann wichtige Gründe vor, wenn es e<strong>in</strong>em<br />

Mitglied unter Berücksichtigung se<strong>in</strong>er persönlichen Verhältnisse<br />

nicht mehr zumutbar ist, dem Vere<strong>in</strong> bis zum Ablauf <strong>der</strong> ordentlichen<br />

Austrittsfrist anzugehören. E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters kaum <strong>der</strong>artige Gründe denkbar, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> psychischen, moralischen<br />

o<strong>der</strong> sozialen Persönlichkeit des Mitglieds begründet s<strong>in</strong>d. An-<br />

549 Vgl. etwa ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 43, Basel 1996.<br />

173


<strong>der</strong>erseits anerkennt das Bundesgericht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang aber<br />

explizit auch, dass die wirtschaftliche Persönlichkeit des Mitgliedes berücksichtigt<br />

werden muss. 550<br />

Nur am Rand sei darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass die Rechtsprechung des<br />

Bundesgerichts zum sofortigen Austritt aus e<strong>in</strong>er Genossenschaft nicht<br />

für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters übernommen werden kann. Der<br />

Austritt aus e<strong>in</strong>er Genossenschaft kann statutarisch für e<strong>in</strong>e viel längere<br />

Zeit ausgeschlossen werden, als dies beim Vere<strong>in</strong> zulässig ist. Vor diesem<br />

H<strong>in</strong>tergrund ist e<strong>in</strong> Recht auf e<strong>in</strong>en sofortigen Austritt aus e<strong>in</strong>er<br />

Genossenschaft schneller zu bejahen als bei e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>. 551<br />

c) Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n<br />

Das Vere<strong>in</strong>srecht enthält ke<strong>in</strong>e Bestimmungen, die sich explizit mit<br />

<strong>der</strong> Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n befassen. Bei re<strong>in</strong> nichtwirtschaftlichen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n s<strong>in</strong>d Austrittsgel<strong>der</strong> nach herrschen<strong>der</strong> Ansicht verboten,<br />

weil sie e<strong>in</strong> zusätzliches Austrittserschwernis darstellen, das <strong>in</strong> Art.<br />

70 Abs. 2 ZGB nicht vorgesehen ist. 552 Dieser Artikel stellt nach herrschen<strong>der</strong><br />

Lehre e<strong>in</strong>e Konkretisierung von Art. 27 ZGB dar. Austrittsgel<strong>der</strong><br />

würden die Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es nichtwirtschaftlichen<br />

Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> unzulässiger Weise bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters ist es h<strong>in</strong>gegen zulässig –<br />

auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Interessen des Vere<strong>in</strong>s<br />

553 und <strong>der</strong> übrigen Mitglie<strong>der</strong> –, dass e<strong>in</strong> austretendes Mitglied sta-<br />

550 BGE 71 II 194. In diesem Entscheid war <strong>der</strong> sofortige Austritt e<strong>in</strong>es Mitgliedes zu<br />

beurteilen, welches die Anfechtung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>sbeschlusses versäumt hatte, gemäss welchem<br />

die Mitglie<strong>der</strong> zu zusätzlichen Geldleistungen an den Vere<strong>in</strong> verpflichtet worden<br />

waren. Das Bundesgericht betonte, es stünden ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>en als Geld<strong>in</strong>teressen auf dem<br />

Spiel und die fraglichen Summen seien für das Mitglied nicht von vitaler Bedeutung, so<br />

dass ke<strong>in</strong> sofortiger Austritt erfor<strong>der</strong>lich sei.<br />

551 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch BGE 71 II 194.<br />

552 Vgl. ANTON HEINI, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 45, Basel 1996; Siehe auch DERS.,<br />

SZW 1992, S. 228 ff.; MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, Grundriss des schweizerischen Gesellschaftsrechts,<br />

8. Auflage Bern 1998, § 20 N 54; BERYSZ ROSENBERG, Die zw<strong>in</strong>genden<br />

Schutzbestimmungen des Vere<strong>in</strong>srechtes, Diss. Basel 1985, S. 9 f. und S. 23. – HEINI geht<br />

immerh<strong>in</strong> davon aus, dass auch bei nichtwirtschaftlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n e<strong>in</strong>e „Gebühr“ vorgesehen<br />

werden könnte, mit welcher die Umtriebe abgedeckt werden können, welche dem<br />

Vere<strong>in</strong> durch den Austritt entstehen. Allerd<strong>in</strong>gs dürfte es sich bei <strong>der</strong>artigen Beträgen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel um vergleichsweise niedrige Summen handeln, welche nicht geeignet s<strong>in</strong>d, den<br />

Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> zu erschweren.<br />

553 Bereits EUGEN HUBER hat auf den Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Regelung des Austritts<br />

aus e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>igung mit <strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung selbst h<strong>in</strong>gewiesen.<br />

Vgl. EUGEN HUBER, E<strong>in</strong>tritt und Austritt von Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft, ZSR 40<br />

174


tutarisch zur Bezahlung von Austrittsgel<strong>der</strong>n verpflichtet wird. 554 Im<br />

e<strong>in</strong>zigen publizierten Entscheid zur Zulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n bei<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters 555 wurde die Frage angesprochen,<br />

ob Art. 70 Abs. 2 ZGB e<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>gende Bestimmung darstelle, welche<br />

auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>e Erschwerung des<br />

Austritts durch die Pflicht zur Bezahlung von Austrittsgel<strong>der</strong>n verbiete.<br />

556 Hierzu ist zu beachten, dass Art. 70 Abs. 2 ZGB sich lediglich<br />

zur Dauer <strong>der</strong> Austrittsfrist äussert. Die Formulierung „von Gesetzes<br />

wegen zulässig“ weist tatsächlich darauf h<strong>in</strong>, dass die Bestimmung diesbezüglich<br />

zw<strong>in</strong>gend ist. Es g<strong>in</strong>ge jedoch zu weit, <strong>in</strong> den Wortlaut von<br />

Art. 70 Abs. 2 ZGB h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu <strong>in</strong>terpretieren, es werde e<strong>in</strong> absolutes und<br />

zw<strong>in</strong>gendes Verbot von Austrittsgel<strong>der</strong>n statuiert. Aus <strong>der</strong> Bestimmung<br />

ist ersichtlich, dass das Recht auf Austritt aus e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en wichtigen<br />

Grundsatz darstellt; dieser Grundsatz muss jedoch vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

des e<strong>in</strong>zelnen Falles im H<strong>in</strong>blick auf die <strong>in</strong> Frage stehenden<br />

Persönlichkeitsrechte konkretisiert werden. 557<br />

Die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> haben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Gewicht. Dies gilt beson<strong>der</strong>s für den<br />

Fall, dass die Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s Unternehmen s<strong>in</strong>d. 558 Ausserdem<br />

(1921), S. 23. Vgl. auch das Gutachten von PROF. FRANK VISCHER zur Zulässigkeit von<br />

Austrittsgel<strong>der</strong>n beim Vere<strong>in</strong>, zitiert <strong>in</strong> <strong>der</strong> auszugsweisen Publikation e<strong>in</strong>es Entscheides<br />

e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, Yearbook Comm.<br />

Arb’n XVII (1992), S. 22.<br />

554 Im selben S<strong>in</strong>n Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom<br />

27.05.1991, auszugsweise publiziert a.a.O., S. 11 ff., und zusammengefasst <strong>in</strong> SZW 1992,<br />

S. 228 ff. Vgl. auch ANTON HEINI, SZW 1992, S. 228 ff.; DERS., Kommentar zu Art. 70<br />

ZGB N 45, Basel 1996; FRANK VISCHER, Besprechung von He<strong>in</strong>i, Das schweizerische<br />

Vere<strong>in</strong>srecht, SJZ 1991, S. 365. – Gegenteiliger Ansicht s<strong>in</strong>d MEIER-HAYOZ /<br />

FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 20 N 54, die<br />

das genannte Schiedsurteil kritisieren.<br />

555 Vgl. zum Sachverhalt S. 56 ff.<br />

556 Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, Yearbook<br />

Comm. Arb'n XVII (1992), S. 15 und SZW 1992, S. 228 ff.<br />

557 So wird denn auch im Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom<br />

27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 20 f. und SZW 1992, S. 228 ff., darauf<br />

h<strong>in</strong>gewiesen, dass e<strong>in</strong>e Statutenbestimmung, welche e<strong>in</strong>e zu bezahlende Entschädigung<br />

so hoch ansetzt, dass sie die Austrittsfreiheit praktisch illusorisch macht, auch bei<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters „clearly unenforceable“ wäre.<br />

558 Dieser Aspekt wurde auch im Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New<br />

York vom 27.05.1991 mehrfach betont, vgl. Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 14,<br />

18, 20 und 23. – Vgl. hierzu auch den Entscheid des Kantonsgerichts Graubünden vom<br />

17./18.06.1958, <strong>in</strong>: SJZ 1959, S. 226 ff. In diesem Entscheid wurde <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e hervorgehoben,<br />

dass – trotz e<strong>in</strong>es Austrittsverbotes für Verbände, welche als solche Mitglied<br />

175


s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong> Frage nach e<strong>in</strong>er Verletzung <strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um – wie bei <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Aufnahme von Mitglie<strong>der</strong>n<br />

– die Interessen des Vere<strong>in</strong>s zu beachten, so dass e<strong>in</strong> möglicher E<strong>in</strong>griff<br />

<strong>in</strong> die Persönlichkeit <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> durch e<strong>in</strong> überwiegendes Interesse<br />

des Vere<strong>in</strong>s gerechtfertigt se<strong>in</strong> kann (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Auch die Interessen<br />

<strong>der</strong> verbleibenden Mitglie<strong>der</strong> im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em<br />

möglichen wirtschaftlichen Verlust müssen <strong>in</strong> die Interessenabwägung<br />

mit e<strong>in</strong>bezogen werden. Dies um so mehr, als die austretenden Mitglie<strong>der</strong><br />

des Vere<strong>in</strong>s sich durch den Beitritt <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong> den entsprechenden<br />

statutarischen Bestimmungen freiwillig unterstellt haben. Austrittsgel<strong>der</strong><br />

s<strong>in</strong>d daher bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters <strong>in</strong> den<br />

meisten Fällen zulässig. 559 Zu diesem Ergebnis kam auch die Mehrheit<br />

des <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts, die e<strong>in</strong>em Parteigutachten von<br />

PROF. FRANK VISCHER folgte und die gegenteiligen Überlegungen von<br />

PROF. PETER FORSTMOSER verwarf.<br />

Im übrigen ist <strong>der</strong> Gedanke, dass e<strong>in</strong> austretendes Mitglied dem Vere<strong>in</strong><br />

gegenüber für bestimmte Leistungen haftbar bleibt, dem gesetzlich<br />

verankerten Vere<strong>in</strong>srecht ke<strong>in</strong>eswegs fremd: Art. 73 Abs. 2 ZGB sieht<br />

vor, dass die Mitglie<strong>der</strong> für ihre Beiträge nach Massgabe <strong>der</strong> Zeit ihrer<br />

Mitgliedschaft haften. Diese Bestimmung ist allerd<strong>in</strong>gs dispositiver Natur.<br />

Die Statuten können daher e<strong>in</strong>e über die Dauer <strong>der</strong> Mitgliedschaft<br />

h<strong>in</strong>ausgehende Mitglie<strong>der</strong>beitragspflicht vorsehen. 560 E<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Statuten<br />

vorgesehenes Austrittsgeld kann unter Umständen als Beitrag des Mitglieds<br />

an den Vere<strong>in</strong> i.S.v. Art. 71 ZGB verstanden werden. Dies liegt<br />

vor allem dann nahe, wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>en möglichst grossen Kreis<br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d – die jeweiligen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mitglieds-Verbände aus diesen austreten<br />

könnten, womit die beteiligten natürlichen Personen faktisch auch aus dem Vere<strong>in</strong> austreten<br />

könnten. Dies traf beim zu beurteilenden Sachverhalt zu, kann jedoch nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />

verallgeme<strong>in</strong>ert werden. – Beachte hierzu auch die e<strong>in</strong>leuchtende Kritik HEINIS zur<br />

Auffassung des Kantonsgerichts Graubündens, die Bestimmung von Art. 63 Abs. 2 ZGB<br />

sei nur zugunsten natürlicher Personen zw<strong>in</strong>gend (ANTON HEINI, Das schweizerische<br />

Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 63, FN 101).<br />

559 Im bereits zitierten Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom<br />

27.05.1991, SZW 1992, S. 228 ff. wird darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass sich wirtschaftlich tätige<br />

Parteien, welche nach langen Verhandlungen mit professioneller Hilfe Verpflichtungen<br />

e<strong>in</strong>gegangen s<strong>in</strong>d, sich nicht ohne weiteres auf die Rechts- o<strong>der</strong> Sittenwidrigkeit von Abmachungen<br />

o<strong>der</strong> die Umgehung von zw<strong>in</strong>genden Vorschriften berufen können. Die gilt<br />

namentlich auch dann, wenn Abmachungen zur Debatte stehen, welche sich auch <strong>in</strong><br />

zahlreichen an<strong>der</strong>en Branchen f<strong>in</strong>den, wenn auch im Zusammenhang mit an<strong>der</strong>en Gesellschaftsformen.<br />

Vgl. auch CHRISTOPH FUCHS, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich<br />

1999, S. 105 f.<br />

560 Vgl. etwa URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 73 ZGB N 4, Basel 1996.<br />

176


von qualifizierten Mitglie<strong>der</strong>n angewiesen ist, wenn das austretende Mitglied<br />

während <strong>der</strong> Dauer se<strong>in</strong>er Mitgliedschaft von <strong>der</strong> Zugehörigkeit<br />

zum Vere<strong>in</strong> wirtschaftlich profitiert hat und wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> durch den<br />

Austritt gewisse wirtschaftliche E<strong>in</strong>bussen erlebt.<br />

Auch die Bestimmung von Art. 842 Abs. 2 OR, wonach austretende<br />

Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> statutarisch zur Bezahlung e<strong>in</strong>er „angemessenen<br />

Auslösungssumme“ verpflichtet werden können, wenn im konkreten<br />

Fall <strong>der</strong> Genossenschaft durch den Austritt „e<strong>in</strong> erheblicher<br />

Schaden erwächst o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fortbestand <strong>der</strong> Genossenschaft gefährdet<br />

wird“, zeigt, dass dem Gesellschaftsrecht und namentlich dem Recht <strong>der</strong><br />

Personenvere<strong>in</strong>igungen Austrittsgel<strong>der</strong> nicht fremd s<strong>in</strong>d. Derart vorgesehene<br />

Zahlungen s<strong>in</strong>d gemäss Art. 843 Abs. 2 OR bei <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

sogar dann geschuldet, wenn e<strong>in</strong> Genossenschaftsmitglied aus<br />

wichtigem Grund austritt. 561<br />

Statutarisch vorgesehene Austrittsgel<strong>der</strong> können je nach <strong>der</strong> Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> statutarischen Regeln Konventionalstrafen darstellen. Solche<br />

können auch <strong>in</strong> Statuten vorgesehen werden. 562 Sie s<strong>in</strong>d herkömmlicherweise<br />

Verpflichtungen, für den Fall <strong>der</strong> Nicht- o<strong>der</strong><br />

Schlechterfüllung e<strong>in</strong>er bestimmten Schuld, e<strong>in</strong>e Leistung zu erbr<strong>in</strong>gen.<br />

563 Von <strong>der</strong> Konventionalstrafe zu unterscheiden ist die Vere<strong>in</strong>barung<br />

e<strong>in</strong>er Schadenspauschalisierung. Letztere setzt im Gegensatz zur<br />

Konventionalstrafe (Art. 160 Abs. 1 OR) e<strong>in</strong>en Schaden voraus, untersteht<br />

aber teilweise den selben Regeln wie die Konventionalstrafe. 564 Die<br />

oben erwähnte Bestimmung des Genossenschaftsrechts über Auslösungssummen<br />

betrifft Vere<strong>in</strong>barungen, welche <strong>der</strong> Schadenspauschalisierung<br />

dienen (Art. 842 Abs. 2 OR). 565 Schliesslich können Austrittsgel<strong>der</strong><br />

auch <strong>der</strong> Rückerstattung von bereits erlangten Leistungen o<strong>der</strong><br />

Vorteilen dienen. 566<br />

561<br />

Gemäss REYMOND / TRIGO TRINDADE, SPR VIII/5, Die Genossenschaft, Basel 1998,<br />

S. 89 ist die Auslösungssumme gar beim Ausscheiden e<strong>in</strong>es Mitglieds durch Tod geschuldet.<br />

562<br />

Vgl. BGE 80 II 123.<br />

563<br />

CHRISTOPH FUCHS, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sstrafe, Diss. Zürich 1999, S. 62; FELIX<br />

EHRAT, Kommentar zu Art. 160 OR N 1, 2. Auflage Basel 1996. Wenn ohne Leistungspflicht<br />

etwas versprochen wird für den Fall, dass e<strong>in</strong>e Leistung nicht freiwillig erfüllt wird,<br />

so handelt es sich um e<strong>in</strong>e sogenannte unechte Konventionalstrafe (FELIX EHRAT, a.a.O.<br />

N 3).<br />

564<br />

FELIX EHRAT, a.a.O. N 12.<br />

565<br />

ALFRED SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 842 OR N 15, Basel 1994.<br />

566<br />

Vgl. dazu CHRISTOPH FUCHS, a.a.O., S. 65.<br />

177


Bei Bedarf können Austrittsgel<strong>der</strong> auch anstatt <strong>in</strong> den Statuten des<br />

Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> separaten Verträgen zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n festgesetzt<br />

werden. 567 Es ist nicht ausgeschlossen, dass Mitglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft<br />

sich – neben ihrer Mitgliedschaft – noch vertraglich b<strong>in</strong>den. 568 Für solche<br />

Verträge muss das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Vertragsfreiheit gelten. Sie können<br />

somit <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>en Schranken von Art. 19 f. OR und sonstigem<br />

zw<strong>in</strong>genden Recht frei vere<strong>in</strong>bart werden. 569 Ausserdem unterstehen sie<br />

nur dem jeweiligen Vertragsrecht, nicht h<strong>in</strong>gegen dem Recht <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Gesellschaft. Verbandsrecht kommt nicht zur Anwendung;<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e gelten auch die statutarischen Bestimmungen nicht. 570<br />

Selbst wenn den oben dargestellten Überlegungen nicht gefolgt würde,<br />

so müsste daher e<strong>in</strong>e vertragliche Zusatzvere<strong>in</strong>barung über Austrittsgel<strong>der</strong><br />

als grundsätzlich zulässig erachtet werden. 571 Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d die<br />

Austrittsgel<strong>der</strong> <strong>in</strong> diesem Fall nicht dem Vere<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n direkt den verbleibenden<br />

Mitglie<strong>der</strong>n geschuldet, es sei denn, <strong>der</strong> Vertrag unter den<br />

Mitglie<strong>der</strong>n ist als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet. Im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die allgeme<strong>in</strong>en Schranken e<strong>in</strong>er vertraglichen Vere<strong>in</strong>barung s<strong>in</strong>d im<br />

übrigen ähnliche Überlegungen anzustellen, wie sie bereits zu den statutarischen<br />

Regelungen gemacht worden s<strong>in</strong>d. Das allgeme<strong>in</strong>e Pr<strong>in</strong>zip<br />

des Persönlichkeitsschutzes 572 ist auch h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es Vertrages im<br />

567<br />

Dies war im Sachverhalt <strong>der</strong> Fall, <strong>der</strong> dem Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts<br />

<strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 11 ff. und SZW<br />

1992, S. 228 ff., zugrunde lag. Allerd<strong>in</strong>gs stand die vertragliche Vere<strong>in</strong>barung (die vor allem<br />

den Berechnungsmodus enthielt) neben e<strong>in</strong>er statutarischen Bestimmung und die<br />

Mehrheit des Schiedsgerichts g<strong>in</strong>g auf die vertragliche Grundlage nicht weiter e<strong>in</strong>.<br />

568<br />

Vgl. nur etwa die Vielzahl von Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträgen, welche sowohl von <strong>der</strong><br />

Rechtsprechung als auch von <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong> ohne weiteres akzeptiert werden. Sie entspr<strong>in</strong>gen<br />

dem Bedürfnis nach e<strong>in</strong>er vertraglichen Ergänzung <strong>der</strong> aktienrechtlichen Ordnung<br />

vor allem <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, dass die an sich konsequent kapitalbezogene Mitgliedschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Aktiengesellschaft durch personenbezogene Obliegenheiten ergänzt werden. – Ausführlich<br />

zu den Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträgen etwa FORSTMOSER / MEIER-HAYOZ / NOBEL,<br />

<strong>Schweiz</strong>erisches Aktienrecht, Bern 1996, § 39 N 139 ff., mit weiteren H<strong>in</strong>weisen. Speziell<br />

zum Vere<strong>in</strong> vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 70 ZGB N 135, Bern 1990.<br />

569<br />

Vgl. für Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträge FORSTMOSER / MEIER-HAYOZ / NOBEL, a.a.O.,<br />

§ 39 N 149 und GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“, Schlussbericht vom<br />

24.09.1993, S. 30.<br />

570<br />

Vgl. wie<strong>der</strong>um für Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträge FORSTMOSER / MEIER-HAYOZ / NOBEL,<br />

a.a.O., § 39 N 167.<br />

571<br />

An<strong>der</strong>er Ansicht DR. CLAUS SCHELLENBERG <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dissent<strong>in</strong>g Op<strong>in</strong>ion im Urteil e<strong>in</strong>es<br />

<strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, Yearbook Comm. Arb'n<br />

XVII (1992), S. 40: Er leitet aus <strong>der</strong> Unzulässigkeit von Austrittsgel<strong>der</strong>n gemäss Vere<strong>in</strong>srecht<br />

die Nichtigkeit entsprechen<strong>der</strong> Verträge ab.<br />

572<br />

Vgl. dazu GROUPE DE RÉFLEXION „GESELLSCHAFTSRECHT“, a.a.O., S. 30.<br />

178


H<strong>in</strong>blick auf den wirtschaftlichen Charakter <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Vertragsparteien<br />

zu konkretisieren; zudem s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>en Interessen an <strong>der</strong><br />

Mitgliedschaft im Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Betracht zu ziehen und gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abzuwägen.<br />

Aus den im Urteil publizierten Erwägungen des Schiedsgerichts geht<br />

hervor, dass das Gericht darauf abstellte, dass durch die Austrittsleistung<br />

„e<strong>in</strong> fairer Ausgleich zwischen dem Schutz <strong>der</strong> juristischen Person auf<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en, demjenigen des austrittswilligen Mitglieds auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n<br />

Seite“ geschaffen wird. 573 Von e<strong>in</strong>em fairen Ausgleich könne nur dann<br />

gesprochen werden, wenn die Höhe <strong>der</strong> Ausgleichszahlung angemessen<br />

sei. Im konkreten Fall wurde die Austrittssumme mit den jährlichen<br />

E<strong>in</strong>künften des austretenden Mitgliedes verglichen; sie betrug etwa 1.3<br />

% davon und wurde als zulässig erachtet. 574 E<strong>in</strong>e statutarisch<br />

vorgesehene Austrittssumme ist generell dann angemessen, wenn <strong>der</strong><br />

Austritt für das austrittswillige Mitglied nicht wirtschaftlich<br />

verunmöglicht wird. Wird das Austrittsgeld ausschliesslich als<br />

Konventionalstrafe qualifiziert, so liegt hier<strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zige Schranke,<br />

welche bei <strong>der</strong> Anwendung von Art. 163 Abs. 3 OR zu berücksichtigen<br />

ist. E<strong>in</strong>e übermässig hohe Konventionalstrafe kann dabei im allgeme<strong>in</strong>en<br />

nur bei krassen Missverhältnissen angenommen werden. 575 Kommt<br />

e<strong>in</strong>em statutarisch vorgesehenen Austrittsgeld <strong>der</strong> Charakter e<strong>in</strong>er<br />

Schadenspauschalisierung zu, so stellt <strong>der</strong> effektive Schaden, <strong>der</strong> dem<br />

Vere<strong>in</strong> erwächst, die oberste Grenze für die Höhe des Austrittsgeldes<br />

dar. 576 An<strong>der</strong>erseits kommt aber auch Art. 161 Abs. 2 OR analog zur<br />

Anwendung: Übersteigt <strong>der</strong> erlittene Schaden den vere<strong>in</strong>barten Betrag,<br />

so kann auch dieser Mehrbetrag gefor<strong>der</strong>t werden, soweit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Verschulden des austretenden Mitgliedes beweisen kann. Dient das<br />

Austrittsgeld vorwiegend o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Rückerstattung von Leistungen<br />

o<strong>der</strong> Vorteilen, so gilt die soeben dargestellte Schranke für dessen Höhe<br />

nicht.<br />

Wenn Vere<strong>in</strong>sstatuten e<strong>in</strong>e sich im E<strong>in</strong>zelfall als unzulässig hoch erweisende<br />

Austrittssumme vorsehen, so stellt sich die Frage nach <strong>der</strong><br />

Sanktionierung: E<strong>in</strong>e Möglichkeit besteht dar<strong>in</strong>, die Bestimmung betref-<br />

573 Das Schiedsgericht folgte damit den Ausführungen im Parteigutachten von PROF.<br />

FRANK VISCHER, vgl. Yearbook Comm. Arb'n XVII (1992), S. 22.<br />

574 Urteil e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Schiedsgerichts <strong>in</strong> New York vom 27.05.1991, SZW 1992,<br />

S. 228 ff. – Nach Ansicht HEINIS wären die Voraussetzungen des Genossenschaftsrechts<br />

<strong>in</strong> casu nicht erfüllt gewesen, ANTON HEINI, SZW 1992, S. 228 ff.<br />

575 FELIX EHRAT, Kommentar zu Art. 163 OR N 10, 2. Auflage Basel 1996.<br />

576 ALFRED SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 842 OR N 17, Basel 1994.<br />

179


fend die Austrittssumme auf Antrag des betroffenen Mitgliedes durch<br />

e<strong>in</strong> Gericht als ganze für nichtig erklären zu lassen. Die an<strong>der</strong>e Möglichkeit<br />

ist die, die Höhe <strong>der</strong> Summe auf das zulässige Mass zu reduzieren.<br />

Bei <strong>der</strong> Genossenschaft ist offenbar umstritten, was gelten soll. 577 Der<br />

Herabsetzung auf das zulässige Mass ist beim Vere<strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorzug zu geben:<br />

Sie entspricht eher dem Willen <strong>der</strong> beteiligten Personen und es besteht<br />

gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters seltener das Bedürfnis,<br />

e<strong>in</strong>e schwächere Vertragspartei vor Missbrauch zu schützen. 578<br />

Für die Herabsetzung auf das zulässige Mass können die Regeln zur<br />

Konventionalstrafe analog beigezogen werden, auch wenn die Austrittssumme<br />

nicht als solche qualifiziert wird. Nach Art. 163 Abs. 3 OR erfolgt<br />

die Herabsetzung <strong>in</strong> Anwendung von freiem Ermessen des Gerichts<br />

unter Würdigung des E<strong>in</strong>zelfalles, 579 wobei die oben dargestellten<br />

Argumente zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d.<br />

d) Anspruch auf das Vere<strong>in</strong>svermögen<br />

Art. 73 Abs. 1 ZGB sieht vor, dass austretende o<strong>der</strong> ausgeschlossene<br />

Mitglie<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>en Anspruch auf das Vere<strong>in</strong>svermögen haben. SCHERRER<br />

beurteilt diese Regelung als sachlich folgerichtig, weil beim Vere<strong>in</strong> die<br />

ideal-personelle Komponente im Vor<strong>der</strong>grund stehe und das Vere<strong>in</strong>svermögen<br />

e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> dienende Funktion im Interesse <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />

erfülle. 580<br />

Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters kommt <strong>der</strong> Bedeutung des<br />

Vere<strong>in</strong>svermögens jedoch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Funktion zu. Es ist daher zulässig,<br />

dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters statutarisch e<strong>in</strong>en Anspruch<br />

<strong>der</strong> austretenden Mitglie<strong>der</strong> auf das Vere<strong>in</strong>svermögen vorsehen.<br />

577 Vgl. ALFRED SCHWARTZ, Kommentar zu Art. 842 OR N 20, Basel 1994: SCHWARTZ ist<br />

unter Berufung auf FORSTMOSER für die Herabsetzbarkeit auf das zulässige Mass.<br />

GUTZWILLER ist h<strong>in</strong>gegen für die Annahme e<strong>in</strong>er unheilbaren Nichtigkeit.<br />

578 An<strong>der</strong>s ist dies, wenn etwa Konsumentenbelange auf dem Spiel stehen: Bei <strong>der</strong> Frage<br />

nach <strong>der</strong> Behandlung von übermässigen Konsumkreditz<strong>in</strong>sen ist unter konsumentenschützerischen<br />

Gesichtspunkten wirksamer, wenn e<strong>in</strong> zu hoher Z<strong>in</strong>s als nichtig betrachtet<br />

wird.<br />

579 Vgl. FELIX EHRAT, Kommentar zu Art. 163 OR N 15, 2. Auflage Basel 1996.<br />

580 URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 73 ZGB N 3, Basel 1996; ANTON HEINI, Das<br />

schweizerische Vere<strong>in</strong>srecht, Basel 1988, S. 67.<br />

180


e) Grossvere<strong>in</strong>e<br />

Die Beson<strong>der</strong>heiten h<strong>in</strong>sichtlich zulässiger Austrittserschwerungen<br />

gelten entsprechend auch für Grossvere<strong>in</strong>e 581 , da die<br />

Persönlichkeitsrechte – wie bereits ausgeführt 582 – <strong>in</strong> diesen an<strong>der</strong>s zu<br />

gewichten s<strong>in</strong>d, als <strong>in</strong> herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />

581 Vgl. dazu S. 123.<br />

582 S. 148.<br />

181


XV. Gläubigerschutz<br />

1. Der Gläubigerschutz gemäss ZGB<br />

E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Hauptargumente <strong>der</strong> Lehre gegen die Zulassung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

mit wirtschaftlichem Zweck ist <strong>der</strong> – im Gegensatz zu den Gesellschaften<br />

des OR – fehlende o<strong>der</strong> nicht beson<strong>der</strong>s ausgestaltete Gläubigerschutz<br />

des Vere<strong>in</strong>srechts. 583 Dem Gläubigerschutz dienen zwar unter<br />

an<strong>der</strong>em die Vorschriften, welche sich aus <strong>der</strong> Führung e<strong>in</strong>es kaufmännischen<br />

Unternehmens ergeben: <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong> solches betreiben, müssen<br />

<strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>getragen werden; sie s<strong>in</strong>d entsprechend buchführungspflichtig<br />

und unterliegen <strong>der</strong> Konkurs- und Wechselbetreibung.<br />

H<strong>in</strong>gegen besteht nach dem Wortlaut des geltenden Gesetzes ke<strong>in</strong>e<br />

Pflicht für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, e<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital zu haben, Reserven<br />

zu bilden o<strong>der</strong> Anzeigepflichten bei Überschuldung wahrzunehmen.<br />

Auch bestehen ke<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>vorschriften über die Bilanzierung; zudem<br />

müssen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong>e Kontrollstelle haben. 584<br />

Der Gläubigerschutz ist bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die dem bei <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />

vorhandenen Idealbild nicht entsprechen, de lege lata tatsächlich e<strong>in</strong><br />

Problem. Es ist jedoch darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass das Gesetz ausdrücklich<br />

zulässt, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben. Bei solchen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n können beträchtliche Gläubiger<strong>in</strong>teressen auf dem Spiel<br />

stehen, auch wenn oft davon ausgegangen wird, eigentliches „big bus<strong>in</strong>ess“<br />

und beson<strong>der</strong>s risikoträchtige Geschäfte würden nicht über <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

abgewickelt. 585<br />

Mit RIEMER kann festgehalten werden, dass die Gesetzgebung im<br />

Vere<strong>in</strong>srecht h<strong>in</strong>sichtlich des Gläubigerschutzes auf halbem Weg stehengeblieben<br />

ist. 586 De lege ferenda br<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> Vorentwurf zu e<strong>in</strong>em<br />

Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision Abhilfe. 587 Ange-<br />

583<br />

Vgl. etwa DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e,<br />

Diss. Zürich 1994, S. 23 ff.<br />

584<br />

Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Art. 60-79 ZGB N 361, Bern 1990.<br />

585<br />

So etwa DERS., a.a.O. N 361. – Vgl. dazu S. 95 ff. – Als e<strong>in</strong> Beispiel für „big bus<strong>in</strong>ess“<br />

sei auf den jährlichen Umsatz des IOK h<strong>in</strong>gewiesen: Laut NZZ vom 1.10.1998 („Olympische<br />

Verzögerung“ im Stän<strong>der</strong>at) hätte die Befreiung des IOK von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer zu<br />

jährlichen M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen des Bundes von CHF 2 Mio. geführt.<br />

586<br />

HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 361, mit Verweis auf FORSTMOSER.<br />

587<br />

Vgl. EXPERTENKOMMISSION „RECHNUNGSLEGUNGSRECHT“, Revision des Rechnungslegungsrechtes,<br />

Vorentwürfe und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />

und Revision (RRG) und zu e<strong>in</strong>er Verordnung über die Zulassung von Ab-<br />

182


sichts <strong>der</strong> Tatsache, dass auch im Zusammenhang mit den von Gesetzes<br />

wegen ausdrücklich zulässigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit kaufmännischem Gewerbe<br />

e<strong>in</strong>e erhebliche Gefahr für die Gläubiger bestehen kann, ergibt sich jedoch<br />

die Notwendigkeit, bereits de lege lata s<strong>in</strong>nvolle Postulate betreffend<br />

Gläubigerschutz zu verwirklichen. Dabei stellt sich die Frage, an<br />

welchen Regeln sich <strong>der</strong> zu for<strong>der</strong>nde Gläubigerschutz beim Vere<strong>in</strong> orientieren<br />

soll. Vergleicht man die Regeln zum Gläubigerschutz bei den<br />

juristischen Personen des OR, so fällt auf, dass – abgesehen von gesellschaftsspezifischen<br />

Beson<strong>der</strong>heiten – für die meisten Fragen auf das<br />

Recht <strong>der</strong> Aktiengesellschaft verwiesen wird. Im Ergebnis besteht somit<br />

für die Gesellschaften des OR e<strong>in</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger e<strong>in</strong>heitlicher<br />

Gläubigerschutz, <strong>der</strong> durch typenspezifische Merkmale 588 modifiziert<br />

wird. Dies ist durchaus s<strong>in</strong>nvoll, da sich bei allen Gesellschaften im<br />

Grundsatz ähnliche Fragen des Gläubigerschutzes stellen. Abweichungen<br />

von den allgeme<strong>in</strong>en Pr<strong>in</strong>zipien rechtfertigen sich dann, wenn gewisse<br />

Massnahmen für e<strong>in</strong>e bestimmte Konstellation als nicht verhältnismässig<br />

ersche<strong>in</strong>en. Daher s<strong>in</strong>d Differenzierungen beim<br />

Gläubigerschutz s<strong>in</strong>nvoll, wenn sie sich nicht an <strong>der</strong> Gesellschaftsform<br />

orientieren, son<strong>der</strong>n an nicht-gesellschaftsformgebundenen Merkmalen<br />

wie Grösse des Unternehmens, Vorliegen e<strong>in</strong>es operativen Geschäfts<br />

o<strong>der</strong> an sonstigen Charakteristika. 589<br />

Genau dieser Gedanke liegt auch dem Vorentwurf zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz<br />

über die Rechnungslegung und Revision zugrunde. 590 Der<br />

VERRG geht davon aus, dass das RRG primär für E<strong>in</strong>zelfirmen, Personengesellschaften<br />

und juristische Personen gelten soll, die im Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragungspflicht unterstehen.<br />

Ausserdem soll es aber auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> und Stiftungen ohne E<strong>in</strong>tra-<br />

schlussprüfern (VZA) vom 28. Juni 1998 zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes.<br />

– Vgl. dazu unten S. 183.<br />

588 Z.B. persönliche Haftung, Ausgestaltung <strong>der</strong>selben etc.<br />

589 Dieser Gedanke wird immer wie<strong>der</strong> im Zusammenhang mit KMU geäussert, wenn e<strong>in</strong>e<br />

Art Son<strong>der</strong>recht für KMU gefor<strong>der</strong>t wird. Vgl. dazu bereits FN 296. Der EFusG enthält<br />

als Beispiel für e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Gesetz e<strong>in</strong>e Vielzahl von Son<strong>der</strong>bestimmungen für<br />

KMU. Art. 2 lit. e EFusG enthält gar e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition von KMU für den Geltungsbereich<br />

des FusG. – Vgl. zur Differenzierung nach Grösse bereits de lege lata<br />

Art. 663e Abs. 2 OR (Konzernrechnung) und Art. 727b Abs. 1 Ziff. 3 OR (beson<strong>der</strong>s befähigte<br />

Revisoren).<br />

590 Vgl. Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />

und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998. Die rechtsformübergreifende Konzeption des<br />

Entwurfes wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vernehmlassung positiv gewertet, vgl. dazu FORSTMOSER /<br />

UNTERSANDER, Entwicklungen im Gesellschaftsrecht – Handelsgesellschaften und Genossenschaften<br />

– und im Wertpapierrecht, SJZ 95 (1999), S. 477.<br />

183


gung und E<strong>in</strong>tragungspflicht gelten, „sofern ihre Grösse o<strong>der</strong> die Art<br />

ihrer Tätigkeit die Buchführung und Rechnungslegung erfor<strong>der</strong>lich machen“.<br />

591 Die Vorschriften des geplanten RRG sollen also unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Rechtsform gelten, jedoch abhängig von <strong>der</strong> konkreten Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Gesellschaften und Organisationsformen.<br />

E<strong>in</strong> immer wie<strong>der</strong>kehrendes Kriterium ist dabei die Grösse <strong>der</strong> Organisationen.<br />

592 Die Lösungen, welche <strong>der</strong> VERRG für alle betroffenen Organisationen<br />

vorschlägt, orientieren sich stark an den heutigen Regeln<br />

des Aktienrechts, weil nur dieses de lege lata detaillierte Vorschriften<br />

enthält. 593<br />

E<strong>in</strong>e Weiterentwicklung des Gläubigerschutzes bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n über den<br />

e<strong>in</strong>schlägigen Gesetzestext h<strong>in</strong>aus kann de lege lata an <strong>der</strong> Bestimmung<br />

von Art. 55 ZGB anknüpfen sowie allgeme<strong>in</strong> am Verhältnis zwischen<br />

dem Vere<strong>in</strong> und den Organpersonen. 594 Aus Art. 69 ZGB ergibt sich,<br />

dass <strong>der</strong> Vorstand den konkreten Statuten entsprechend „die Angelegenheiten<br />

des Vere<strong>in</strong>s zu besorgen“ hat. Subsidiär ist die Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />

zuständig; ihr obliegt ausserdem die Aufsicht über die Tätigkeit<br />

<strong>der</strong> übrigen Organe (Art. 65 ZGB). Die e<strong>in</strong>zelnen Pflichten <strong>der</strong><br />

Organe und Organpersonen von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />

müssen – mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung – unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> speziellen Merkmale des Vere<strong>in</strong>s und <strong>in</strong> analoger Anwendung<br />

geschriebener Gläubigerschutzbestimmungen bei an<strong>der</strong>en Gesellschaften<br />

erarbeitet werden.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Organe und Organträger<br />

595 ist es ausserordentlich empfehlenswert, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters <strong>in</strong> ihren Statuten bestimmte Gläubigerschutzbestimmungen<br />

aufstellen. Zu denken ist etwa an das Verhalten <strong>der</strong> Organe bei<br />

f<strong>in</strong>anziellen Schwierigkeiten des Vere<strong>in</strong>s, an Buchführungspflichten und<br />

an Verhaltenspflichten, welche das Entstehen f<strong>in</strong>anzieller Schwierigkeiten<br />

unwahrsche<strong>in</strong>licher machen. Es ist nicht auszuschliessen, dass e<strong>in</strong>e<br />

591<br />

Art. 2 VERRG. Vgl. zur Konkretisierung dieser Bestimmung S. 125.<br />

592<br />

Vgl. etwa Art. 4 Abs. 2 VERRG, Art. 18 Abs. 2 VERRG, Art. 20 Abs. 3 VERRG, Art.<br />

21 Abs. 3 VERRG, Art. 42 Abs. 3 VERRG und Art. 43 VERRG. Der Entwurf unterscheidet<br />

<strong>in</strong> Anlehnung an die entsprechenden EG-Richtl<strong>in</strong>ien zwischen kle<strong>in</strong>en, mittleren<br />

und grossen Organisationen. Aufgrund <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schränkungen <strong>in</strong> den genannten Bestimmungen<br />

ist das Grössenmerkmal jedoch nicht relevant für Kapitalgesellschaften. Zur Def<strong>in</strong>ition<br />

grosser Organisationen i.S.d. VERRG vgl. Art. 35 VERRG.<br />

593<br />

Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 69.<br />

594<br />

Vgl. dazu unten S. 197.<br />

595<br />

Zum Kreis <strong>der</strong> Verantwortlichen vgl. unten S. 197.<br />

184


unzweckmässige Organisation zur Haftung <strong>der</strong> für die Organisation zuständigen<br />

Organe o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> führt. 596<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />

a) Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital<br />

Von Gesetzes wegen s<strong>in</strong>d herkömmliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht verpflichtet,<br />

e<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital zu haben. E<strong>in</strong> solches e<strong>in</strong>zuführen, ist<br />

jedoch nicht unzulässig. 597<br />

Von den Gesellschaften des OR verfügen die Aktiengesellschaft, die<br />

Kommanditaktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung über e<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital. Freiwillig vorgesehen werden<br />

kann e<strong>in</strong> Grundkapital bei <strong>der</strong> Genossenschaft.<br />

Das Aktienkapital <strong>der</strong> Aktiengesellschaft hat wie dasjenige <strong>der</strong> Kommanditaktiengesellschaft<br />

und <strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

die Funktion e<strong>in</strong>er Sperrquote und e<strong>in</strong>es Sollbetrages 598 : E<strong>in</strong> Betrag <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Höhe des Aktienkapitals soll als Re<strong>in</strong>vermögen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft<br />

immer erhalten bleiben. Die Gesellschaft darf das Vermögen im<br />

entsprechenden Umfang nicht freiwillig verm<strong>in</strong><strong>der</strong>n. So ergibt sich e<strong>in</strong>e<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger sichere Haftungsbasis für die Gläubiger; die Kreditfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft wird verstärkt. Allerd<strong>in</strong>gs kann nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

werden, dass das Re<strong>in</strong>vermögen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft gegen den<br />

Willen <strong>der</strong> Beteiligten unter die Sperrquote s<strong>in</strong>kt. Praktisch hat demnach<br />

das Aktienkapital die Wirkung, dass bei E<strong>in</strong>tritt e<strong>in</strong>es Vermögenszerfalls<br />

vergleichsweise frühzeitig e<strong>in</strong> Mechanismus <strong>in</strong> Gang gesetzt wird, <strong>der</strong><br />

vom Gesetz genau bestimmt ist. Dieser kann zwar nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

dass im Extremfall e<strong>in</strong> Konkurs eröffnet werden muss, er sollte jedoch<br />

sicher stellen, dass bei <strong>der</strong> Konkurseröffnung noch gewisse Mittel vorhanden<br />

s<strong>in</strong>d. 599 Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n ist dies nicht <strong>der</strong> Fall, wenn sie nicht freiwillig<br />

e<strong>in</strong> unantastbares Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital e<strong>in</strong>führen. Bei Ver-<br />

596 Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne (betreffend die Festsetzung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge) bereits<br />

S. 158 f.<br />

597 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 60 ZGB N 43, Bern 1990, mit Beispielen<br />

aus <strong>der</strong> Rechtsprechung.<br />

598 Für alle drei Gesellschaften gelten aufgrund <strong>der</strong> Verweise im Gesetz im wesentlichen<br />

die Vorschriften des Aktienrechts.<br />

599 Vgl. dazu etwa MEIER-HAYOZ /FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht,<br />

8. Auflage Bern 1998, § 16 N 46 ff.<br />

185


e<strong>in</strong>en muss gemäss Art. 77 ZGB <strong>der</strong> Konkurs erst dann eröffnet werden,<br />

wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> zweifelsfrei und dauernd zahlungsunfähig ist. 600<br />

Auch für die Genossenschaft ist im Gegensatz zur Aktiengesellschaft<br />

nicht obligatorisch vorgesehen, dass sie e<strong>in</strong> Grundkapital haben muss.<br />

Bei Genossenschaften wird davon ausgegangen, dass die Qualifikation<br />

ihrer Mitglie<strong>der</strong>, welche aktiv mitwirken sollen und allenfalls auch persönlich<br />

haften, e<strong>in</strong> genügen<strong>der</strong> Ausweis für die Kreditwürdigkeit <strong>der</strong><br />

Genossenschaft sei. Im Genossenschaftsrecht f<strong>in</strong>den sich ke<strong>in</strong>e Vorschriften<br />

über die M<strong>in</strong>desthöhe des Grundkapitals, über den M<strong>in</strong>destnennwert<br />

<strong>der</strong> Anteile und über e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imale Liberierungsquote. Das<br />

Gesetz verbietet vielmehr aufgrund des Pr<strong>in</strong>zips <strong>der</strong> offenen Türe 601 , e<strong>in</strong><br />

Grundkapital <strong>in</strong> fester Höhe vorzusehen: Sofern e<strong>in</strong> solches besteht, hat<br />

jedes Mitglied e<strong>in</strong>en Anteilsche<strong>in</strong> zu übernehmen. Würde das Grundkapital<br />

fixiert, würde damit <strong>in</strong>direkt auch die Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> bestimmt.<br />

Von Gesetzes wegen wird also bei <strong>der</strong> Genossenschaft das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

offenen Türe höher bewertet als e<strong>in</strong> wirksamer Gläubigerschutz. 602<br />

Auch <strong>der</strong> VERRG sieht für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong> festes Grundkapital vor. Die<br />

Pflicht zur E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es solchen kann nicht ohne gesetzliche<br />

Grundlage gefor<strong>der</strong>t werden. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d die Nachteile für die Gläubiger,<br />

die sich aus dem Fehlen e<strong>in</strong>es festen Grundkapitals ergeben, nicht<br />

zu überschätzen. MENGIARDI hat bereits im Jahr 1968 festgehalten:<br />

Ke<strong>in</strong> gesetzlicher Typus kann den Gläubiger<strong>in</strong>nen und Gläubigern Gewähr<br />

für die Kreditwürdigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft bieten. Wer sich mit e<strong>in</strong>er<br />

Personenverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Geschäftsbeziehungen e<strong>in</strong>lässt, muss sich<br />

600<br />

Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt<br />

se<strong>in</strong>e fälligen Geldverb<strong>in</strong>dlichkeiten nicht mehr erfüllen kann, weil er nicht über genügend<br />

liquide Mittel verfügt und diese auch nicht kurzfristig bereitgestellt werden können.<br />

Zahlungsunfähigkeit i.S.v. Art. 77 ZGB ist zu unterscheiden von <strong>der</strong> Zahlungse<strong>in</strong>stellung<br />

und <strong>der</strong> Überschuldung. Die Zahlungse<strong>in</strong>stellung stellt für im Handelsregister e<strong>in</strong>getragene<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Konkursgrund gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG dar<br />

(Konkurseröffnung auf Antrag e<strong>in</strong>es Gläubigers ohne vorgängige Betreibung). Ausserdem<br />

kann je<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> die Konkurseröffnung selbst beantragen, <strong>in</strong>dem er sich gemäss Art. 191<br />

SchKG für zahlungsunfähig erklärt. H<strong>in</strong>gegen führt die blosse Überschuldung e<strong>in</strong>es <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>s<br />

als solche de lege lata nicht zur Auflösung des Vere<strong>in</strong>s von Gesetzes wegen, da sie<br />

nicht notwendigerweise Zahlungsunfähigkeit bedeutet. – Vgl. zur Frage <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit<br />

URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 77 ZGB N 3 ff., Basel 1996; HANS<br />

MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79 ZGB N 17 ff., Bern 1990, je mit weiteren<br />

Nachweisen. Vgl. ausserdem die Ausführungen betreffend den Konkurs von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

S. 210 ff.<br />

601<br />

Vgl. dazu S. 170.<br />

602<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern<br />

1998, § 19 N 27 ff.<br />

186


ewusst se<strong>in</strong>, dass unter Umständen ke<strong>in</strong> Haftungssubstrat vorhanden<br />

ist. 603 Auch bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft bestehen diesbezüglich Risiken,<br />

vor allem wenn das Aktienkapital vergleichsweise niedrig ist. Vorsichtige<br />

Gläubiger werden sich daher im E<strong>in</strong>zelfall zusätzliche Sicherheiten geben<br />

lassen, wenn sie ihre Position verbessern wollen. Dadurch können<br />

die Nachteile, die sich aus dem Fehlen e<strong>in</strong>es festen Grundkapitals ergeben,<br />

wirksam beseitigt werden. Die Stellung <strong>der</strong> Gläubiger ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

sogar besser, als wenn sie sich ausschliesslich auf e<strong>in</strong> Grundkapital<br />

verlassen. Schliesslich sei auf die Ausführungen im Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge verwiesen, wo e<strong>in</strong>e Lösung aufgezeigt<br />

wird, die das fehlende Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital zu kompensieren vermag.<br />

604<br />

Die Bestimmungen über das Grundkapital werden durch diejenigen<br />

über Sache<strong>in</strong>lage- und Sachübernahmegründungen flankiert. Das Gesetz<br />

enthält für die Aktiengesellschaft beson<strong>der</strong>e Schutzmassnahmen, welche<br />

gewährleisten sollen, dass die Bewertungen von Sachwerten vertretbar<br />

s<strong>in</strong>d. 605 Auch für die Genossenschaft bestehen diesbezüglich beson<strong>der</strong>e<br />

Vorschriften, die allerd<strong>in</strong>gs – namentlich seit <strong>der</strong> Revision des Aktienrechts<br />

– wesentlich e<strong>in</strong>facher zu erfüllen s<strong>in</strong>d als bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft.<br />

606 Es stellt sich die Frage, ob diese Regeln auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten<br />

sollten, die freiwillig e<strong>in</strong> festes Grundkapital e<strong>in</strong>führen. Auch<br />

betreffend Kapitalverän<strong>der</strong>ungen gibt es beson<strong>der</strong>e Vorschriften im Aktienrecht.<br />

E<strong>in</strong>e Herabsetzung <strong>der</strong> Aktienkapitalziffer ist nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

formellen Verfahren möglich, mit dem sichergestellt werden soll, dass<br />

die Gläubiger nicht zu Schaden kommen 607 .<br />

603<br />

PEIDER MENGIARDI, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 87 II (1968),<br />

S. 202 f.<br />

604<br />

Vgl. S. 158 ff.<br />

605<br />

Vgl. etwa MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage<br />

Bern 1998, § 16 N 427 ff.<br />

606<br />

DIES., a.a.O. § 19 N 27 ff.<br />

607<br />

Vgl. Art. 732 ff. OR. Hauptmerkmale des Verfahrens <strong>der</strong> konstitutiven Kapitalherabsetzung<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Revisionsbericht, <strong>in</strong> dem festgestellt wird, dass die For<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Gläubiger voll gedeckt bleiben, und e<strong>in</strong>e dreimalige Publikation im SHAB, verbunden<br />

mit <strong>der</strong> Information <strong>der</strong> Gläubiger, dass sie ihre For<strong>der</strong>ungen anmelden und<br />

Befriedigung o<strong>der</strong> Sicherstellung verlangen können. Vgl. etwa FORSTMOSER / MEIER-<br />

HAYOZ / NOBEL, <strong>Schweiz</strong>erisches Aktienrecht, Bern 1996, § 53 N 33 ff., <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e N<br />

83 ff. und N 136 ff. Bei <strong>der</strong> deklarativen Kapitalherabsetzung zur Beseitigung e<strong>in</strong>er Unterbilanz<br />

entfallen die genannten Gläubigerschutzbestimmungen, weil den Gläubigern<br />

ke<strong>in</strong> Haftungssubstrat entzogen wird (vgl. Art. 735 OR). E<strong>in</strong>e Schlechterstellung <strong>der</strong><br />

Gläubiger tritt aber immerh<strong>in</strong> <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>, als künftige Gew<strong>in</strong>ne als Dividende verteilt<br />

werden können, ohne dass zuerst die Kapitalverluste früherer Jahre ausgeglichen werden<br />

187


Auch <strong>in</strong> diesen Punkten können für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong>e entsprechenden<br />

Regeln ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage e<strong>in</strong>geführt werden.<br />

Wenn sich jedoch e<strong>in</strong> Gläubiger e<strong>in</strong>gehend über die Kreditwürdigkeit<br />

des Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong>formiert, so kann es hilfreich se<strong>in</strong>, wenn auch e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />

qualifizierte Prüfungsberichte vorlegen kann, die nach den Regeln des<br />

Aktienrechts erstellt worden s<strong>in</strong>d und über den Wert von Sache<strong>in</strong>lagen<br />

Auskunft geben. Legt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Bestätigung vor (was<br />

angesichts <strong>der</strong> Kosten solcher Berichte <strong>der</strong> Regelfall se<strong>in</strong> wird), und<br />

kann sich <strong>der</strong> Gläubiger nicht sonstwie über die Werthaltigkeit <strong>der</strong><br />

Sache<strong>in</strong>lagen <strong>in</strong>formieren, so wird er wie<strong>der</strong>um an<strong>der</strong>weitige Sicherheiten<br />

verlangen. Dadurch kann das Fehlen von Vorschriften betreffend<br />

Kapitalverän<strong>der</strong>ungen kompensiert werden.<br />

b) Reservebildung<br />

Gemäss geltendem Recht haben Aktiengesellschaften und Gesellschaften<br />

mit beschränkter Haftung obligatorische Reserven zum Schutz<br />

des Eigenkapitals <strong>der</strong> Gesellschaft zu bilden. Diese haben im Interesse<br />

<strong>der</strong> Fortführung <strong>der</strong> Unternehmung die Funktion e<strong>in</strong>er Ausschüttungssperre.<br />

608 Auch bei <strong>der</strong> Genossenschaft soll das Grundkapital als Haf-<br />

müssen. Diese Schlechterstellung wurde bewusst <strong>in</strong> Kauf genommen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Annahme, es<br />

liege auch im Interesse <strong>der</strong> Gläubiger, wenn e<strong>in</strong>e Gesellschaft wie<strong>der</strong> Dividenden ausschütten<br />

und e<strong>in</strong>en Verlustvortrag beseitigen kann, weil dadurch ihre Kreditwürdigkeit<br />

steigt. – Vgl. dazu FORSTMOSER / MEIER-HAYOZ / NOBEL, a.a.O., § 53 N 258 ff., <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

N 266. – Der Mechanismus zur Sicherung des Grundkapitals ist für die Genossenschaft<br />

ähnlich ausgestaltet wie für die Aktiengesellschaft. E<strong>in</strong>e freiwillige Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

ist – abgesehen von <strong>der</strong> Reduktion durch Austritte – nur unter E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> für<br />

die Reduktion des Aktienkapitals geltenden Vorschriften zulässig.<br />

608 Vgl. für die Aktiengesellschaft Art. 671 OR, für die Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung Art. 805 OR. In den Statuten e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft können überdies höhere<br />

Reserven vorgesehen werden (Art. 672 ff. OR) und die Generalversammlung kann die<br />

Bildung von Reserven beschliessen, die we<strong>der</strong> im Gesetz noch <strong>in</strong> den Statuten vorgesehen<br />

s<strong>in</strong>d, sofern dies mit Rücksicht auf das dauernde Gedeihen des Unternehmens o<strong>der</strong> auf<br />

die Ausrichtung e<strong>in</strong>er möglichst gleichmässigen Dividende und unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> Interessen aller Mitglie<strong>der</strong> gerechtfertigt ersche<strong>in</strong>t (Art. 674 Abs. 2 OR). – Von den<br />

obligatorischen Reserven s<strong>in</strong>d die sogenannten stillen Reserven zu unterscheiden. Diese<br />

werden vom Verwaltungsrat beschlossen und kommen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bilanz nicht als Reserven<br />

zum Ausdruck. Sie entstehen dadurch, dass die Vermögenslage <strong>der</strong> Gesellschaft schlechter<br />

ausgewiesen wird, als sie tatsächlich ist, vgl. MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches<br />

Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 16 N 132. Die Möglichkeit zur Bildung<br />

von stillen Reserven soll gemäss VERRG de lege ferenda <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>geschränkt werden,<br />

als die Bildung von sogenannten willkürlichen Reserven untersagt wird (Art. 24<br />

Abs. 3 VERRG). Willkürreserven entstehen aus <strong>der</strong> bewussten „stillen“ Unterbewertung<br />

von Aktiven o<strong>der</strong> Überbewertung von Passiven. Solche Reserven verfälschen den Er-<br />

188


tungsbasis durch Reserven ergänzt werden. Gemäss Gesetz gilt sogar <strong>der</strong><br />

Grundsatz, dass e<strong>in</strong> allfälliger Re<strong>in</strong>ertrag ohne gegenteilige statutarische<br />

Bestimmungen vollumfänglich im Genossenschaftsvermögen verbleiben<br />

soll. 609<br />

Die Expertenkommission „Rechnungslegungsrecht“ hat dieses Gedankengut<br />

mit e<strong>in</strong>igen Präzisierungen und Vere<strong>in</strong>fachungen <strong>in</strong> den<br />

VERRG übernommen. 610 Sie hat ausserdem erwogen, ob auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

e<strong>in</strong>e Ausschüttungssperre e<strong>in</strong>geführt werden soll. Gemäss Bericht<br />

zum Vorentwurf wurde jedoch „mit Rücksicht auf die beson<strong>der</strong>en<br />

Strukturen dieser Organisationen“ darauf verzichtet. 611<br />

Gemäss VERRG soll bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft und bei <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

mit beschränkter Haftung neu zwischen Kapitalreserven 612 und<br />

gesetzlichen Reserven 613 unterschieden werden. Kapitalreserven sollen<br />

folgsnachweis und entsprechen daher nicht dem vom VERRG neu vorgesehenen Grundsatz<br />

<strong>der</strong> fair presentation (getreue Darstellung). Vgl. dazu Vorentwurf und Begleitbericht<br />

zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom<br />

28. Juni 1998, S. 64 f., S. 120. – Auf die Bildung von stillen Reserven wird an dieser Stelle<br />

nicht e<strong>in</strong>gegangen, da es sich hierbei um e<strong>in</strong>e Frage <strong>der</strong> Bilanzierung und Rechnungslegung<br />

handelt. Vgl. dazu S. 193.<br />

609 Wenn <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>ertrag <strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Weise als zur Äufnung des Genossenschaftsvermögens<br />

verwendet wird, muss gemäss Art. 860 OR während m<strong>in</strong>destens zwanzig Jahren e<strong>in</strong><br />

Zwanzigstel des Re<strong>in</strong>gew<strong>in</strong>ns e<strong>in</strong>em Reservefonds zugewiesen werden (an<strong>der</strong>e Vorschriften<br />

gelten gemäss Art. 861 OR für Kreditgenossenschaften). Vgl. dazu etwa MEIER-<br />

HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998,<br />

§ 19 N 27 ff. und S. 149.<br />

610 Das neue RRG soll allerd<strong>in</strong>gs nur die buchhalterische Behandlung von Reserven regeln.<br />

Gemäss VERRG müssen die Reserven bei <strong>der</strong> Darstellung des Eigenkapitals <strong>in</strong> Aufwertungsreserven,<br />

Gew<strong>in</strong>nreserven, weitere obligatorische Reserven und Kapitalreserven<br />

geglie<strong>der</strong>t werden (Art. 16 VERRG), vgl. Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em<br />

Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 109.<br />

Die „materiellen“ Regeln betreffend Reservebildung wurden nicht <strong>in</strong> den VERRG aufgenommen.<br />

Der VERRG sieht lediglich vor, dass die entsprechenden Bestimmungen zu den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Gesellschaften im OR angepasst werden: Än<strong>der</strong>ungsvorschläge werden für die<br />

Art. 671 ff. OR (AG) und Art. 805 OR (GmbH) gemacht. Unverän<strong>der</strong>t bleiben soll<br />

Art. 860 OR (Genossenschaft). Vgl. dazu Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz<br />

über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 67,<br />

S. 158 ff.<br />

611 A.a.O., S. 67. Geme<strong>in</strong>t ist, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong> festes Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital haben<br />

müssen und es daher kaum S<strong>in</strong>n macht, e<strong>in</strong>e Ausschüttungssperre e<strong>in</strong>zuführen.<br />

612 Kapitalreserven s<strong>in</strong>d von den Eigenkapitalgebern e<strong>in</strong>bezahlte Reserven (Agio, Kaduzierungsgew<strong>in</strong>ne),<br />

vgl. a.a.O., S. 158.<br />

613 Der Begriff „gesetzliche Reserven“ wird im VERRG nicht mehr als Oberbegriff für<br />

alle obligatorischen Reserven verstanden. Gesetzliche Reserven s<strong>in</strong>d neu diejenigen, welche<br />

aus <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltungspflicht e<strong>in</strong>es Teils des Gew<strong>in</strong>ns entstehen: a.a.O., S. 109, S. 159.<br />

189


nur zur Beseitigung e<strong>in</strong>es Kapitalverlusts o<strong>der</strong> zur Umwandlung <strong>in</strong> Aktienkapital<br />

verwendet werden dürfen, gesetzliche Reserven nur zur Dekkung<br />

e<strong>in</strong>es Verlustes. 614 Für die Expertenkommission „Rechnungslegungsrecht“<br />

war offenbar nicht von vornhere<strong>in</strong> klar, ob für die<br />

Aktiengesellschaften die E<strong>in</strong>behaltungspflicht für e<strong>in</strong>en Teil des<br />

Gew<strong>in</strong>nes zur Bildung von gesetzlichen Reserven beibehalten werden<br />

solle. Im geltenden Aktienrecht wird davon ausgegangen, dass diese<br />

zusätzliche Ausschüttungssperre die Position <strong>der</strong> Fremdkapitalgeber<br />

verbessere. Nach Ansicht <strong>der</strong> Expertenkommission ist die praktische<br />

Bedeutung <strong>der</strong> gesetzlichen Reserven aber nicht sehr gross. 615<br />

Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters stellt sich die Frage, ob die<br />

Annahme o<strong>der</strong> statutarische E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Pflicht zur Bildung von<br />

Reserven s<strong>in</strong>nvoll ist. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, die ke<strong>in</strong> festes Grundkapital haben,<br />

ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Regelung betreffend die Bildung von Reserven aus dem<br />

Gew<strong>in</strong>n nicht notwendig, obschon das Genossenschaftsrecht die Pflicht<br />

zur Reservebildung auch bei Genossenschaften ohne Grundkapital vorsieht.<br />

616 Wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> h<strong>in</strong>gegen freiwillig e<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital<br />

e<strong>in</strong>führt, so ist es trotz <strong>der</strong> Zweifel h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> praktischen Bedeutung<br />

s<strong>in</strong>nvoll, wenn auch Vorschriften über die Reservebildung <strong>in</strong><br />

die Statuten aufgenommen werden: So kann die Kreditwürdigkeit erhöht<br />

werden, weil das Grundkapital zusätzlich abgesichert wird, und es wird<br />

unwahrsche<strong>in</strong>licher, dass e<strong>in</strong> Vorwurf betreffend mangelhafte Organisation<br />

erhoben werden kann. Ob sich statutarische Regeln betreffend die<br />

Reservebildung des Vere<strong>in</strong>s an denjenigen <strong>der</strong> Aktiengesellschaft bzw.<br />

Gesellschaft mit beschränkter Haftung o<strong>der</strong> an denjenigen <strong>der</strong> Genos-<br />

614 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 158 f.<br />

615 A.a.O., S. 159. – Die angloamerikanischen Regelungen kennen ke<strong>in</strong>e gesetzlichen Reserven<br />

und die e<strong>in</strong>schlägigen EU-Richtl<strong>in</strong>ien verlangen ebenfalls ke<strong>in</strong>e. H<strong>in</strong>gegen kennt<br />

zum Beispiel Deutschland e<strong>in</strong>e ähnliche Regelung wie die <strong>Schweiz</strong>.<br />

616 Die gesetzliche Konzeption, dass bei <strong>der</strong> Genossenschaft allfällige Gew<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gesellschaft verbleiben sollen (sei es als Verbot <strong>der</strong> Verteilung des Re<strong>in</strong>gew<strong>in</strong>ns, sei es als<br />

Pflicht zur Bildung von Reserven), beruht auf dem Grundgedanken, dass Genossenschaften<br />

die Verfolgung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><strong>in</strong>teressen <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Selbsthilfe bezwecken.<br />

An<strong>der</strong>s als die Kapitalgesellschaften sollten Genossenschaften eigentlich ke<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n<br />

erzielen. Würde dem Grundsatz <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Selbsthilfe konsequent nachgelebt,<br />

könnte aus <strong>der</strong> Gesellschaftstätigkeit gar ke<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n resultieren. Wenn dennoch – etwa<br />

im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er vorsichtigen Geschäftspolitik – gewisse Rückbehalte gemacht werden, aus<br />

welchen e<strong>in</strong> Re<strong>in</strong>ertrag entsteht, so soll dieser nicht primär verteilt werden, son<strong>der</strong>n im<br />

Gesellschaftsvermögen verbleiben. Vgl. dazu etwa MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER,<br />

<strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 19 N 52 f. – Beim Vere<strong>in</strong><br />

steht demgegenüber die geme<strong>in</strong>same Selbsthilfe nicht im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

190


senschaft orientieren sollen, spielt letztlich ke<strong>in</strong>e grosse Rolle. Bis zu<br />

welcher Höhe Reserven gebildet werden müssen, kann <strong>in</strong> den Statuten<br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s frei bestimmt werden.<br />

c) Anzeigepflicht bei Überschuldung<br />

Die Folgen von Kapitalverlust und Überschuldung s<strong>in</strong>d de lege lata<br />

nur für die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

und die Genossenschaft ausführlich geregelt. 617 De lege lata wird<br />

daher etwa von RIEMER die Pflicht zur Benachrichtigung des Gerichts<br />

bei Überschuldung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s verne<strong>in</strong>t. Gemäss <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung<br />

RIEMERS darf e<strong>in</strong>e entsprechende Pflicht auch nicht auf dem Weg <strong>der</strong><br />

Analogie e<strong>in</strong>geführt werden. 618 Es wird aber auch die gegenteilige Me<strong>in</strong>ung<br />

vertreten. So hält etwa EGGER fest, dass für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bei Überschuldung<br />

die Pflicht besteht, den Konkurs anzumelden. 619 RIEMER geht<br />

immerh<strong>in</strong> davon aus, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>svorstand bei erheblicher Überschuldung<br />

ohne ernsthafte Aussicht auf Besserung <strong>in</strong>nert nützlicher<br />

Frist aufgrund se<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Aufgaben verpflichtet ist, die Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />

e<strong>in</strong>zuberufen und sie von <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Lage des Vere<strong>in</strong>s<br />

<strong>in</strong> Kenntnis zu setzen. Nach Ansicht RIEMERS kann die E<strong>in</strong>gehung<br />

neuer f<strong>in</strong>anzieller Verpflichtungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

Verantwortlichkeit des Vorstandes begründen. 620<br />

Das Problem <strong>der</strong> Überschuldung besteht für alle buchführungs- und<br />

rechnungspflichtigen Organisationen. Aus diesem Grund enthält <strong>der</strong><br />

VERRG entsprechende Vorschriften, die grundsätzlich unabhängig von<br />

<strong>der</strong> Gesellschaftsform gelten. E<strong>in</strong>heitlich geregelt wird auch die Proble-<br />

617 Art. 77 ZGB nennt erst die Zahlungsunfähigkeit e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s als Auflösungsgrund.<br />

Vgl. zum Begriff <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit die Ausführungen <strong>in</strong> FN 600. Gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

mit e<strong>in</strong>em unqualifizierten Management besteht daher e<strong>in</strong>e gewisse Gefahr, dass<br />

wirtschaftliche Probleme zu spät erkannt werden und <strong>der</strong> Zeitpunkt verpasst wird, <strong>in</strong> welchem<br />

noch geeignete Schritte für e<strong>in</strong>e Sanierung e<strong>in</strong>geleitet werden können, vgl.<br />

DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich<br />

1994, S. 25.<br />

618 HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79 ZGB N 20, Bern 1990, mit H<strong>in</strong>weis<br />

auf BGE 100 III 19 (vgl. dazu S. 53. Gleicher Ansicht DOROTHE SCHERRER-<br />

BIRCHER, a.a.O., S. 155.<br />

619 A. EGGER, Kommentar zu Art. 77 ZGB N 1, Zürich 1930, mit H<strong>in</strong>weis auf<br />

BGE 30 II 319. Vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 18.02.1980 (Multihôtels-Club),<br />

SemJud 1981, S. 47 f.<br />

620 HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 20.<br />

191


matik <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit. 621 Bereits de lege lata muss für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters gelten, dass sie sich <strong>in</strong> kritischen Situationen<br />

ähnlich verhalten müssen, wie dies für die Kapitalgesellschaften des OR<br />

und die Genossenschaft vorgeschrieben ist. Vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung neuer<br />

Regeln durch das RRG haben sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zweckmässigerweise an den<br />

Regeln des Aktienrechts zu orientieren. Diese bilden auch die Grundlage<br />

für die e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen im VERRG. 622 Kommt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>svorstand<br />

den entsprechenden Pflichten nicht nach, so wird er verantwortlich.<br />

Zu diesen Pflichten gehört unter Umständen auch, dass er<br />

sich um die Erhöhung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge kümmert. 623<br />

Die Bestimmung des VERRG betreffend Kapitalverlust (Art. 62<br />

VERRG) gilt nicht für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Auch dies ist e<strong>in</strong>e Konsequenz davon,<br />

dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss VERRG ke<strong>in</strong> Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital haben<br />

müssen. Die Folgen von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit s<strong>in</strong>d<br />

jedoch rechtsformunabhängig geregelt (Art. 63 ff. VERRG): Wenn die<br />

Aktiven das Fremdkapital nicht mehr decken, müssen Sanierungsmassnahmen<br />

durchgeführt werden, damit die Gläubiger nicht zu Schaden<br />

kommen. Gemäss Art. 63 VERRG, <strong>der</strong> sich an Art. 725 Abs. 2 OR orientiert,<br />

muss das oberste Geschäftsführungsorgan bei begründeter Besorgnis<br />

zur Überschuldung o<strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit unverzüglich zwei<br />

Zwischenbilanzen erstellen: E<strong>in</strong>e zu Fortführungs- und e<strong>in</strong>e zu Liquidationswerten.<br />

Diese müssen vom Abschlussprüfer geprüft werden. 624<br />

Wenn e<strong>in</strong>e Organisation ke<strong>in</strong>en Abschlussprüfer hat, so muss das oberste<br />

Geschäftsführungsorgan e<strong>in</strong>e fachkundige Person ernennen. Gleichzeitig<br />

muss e<strong>in</strong>e Gesellschafterversammlung e<strong>in</strong>berufen werden, <strong>der</strong> Sanierungsmassnahmen<br />

beantragt werden. Art. 63 VERRG kommt<br />

ausdrücklich auch bei Zahlungsunfähigkeit zur Anwendung. Es ist also<br />

nicht erfor<strong>der</strong>lich, dass zuerst aufgrund des Begehrens e<strong>in</strong>es Gläubigers<br />

621 Art. 62 ff. VERRG; Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die<br />

Rechnungslegung und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 82.<br />

622 Bei Kapitalverlust und Überschuldung gelten bei <strong>der</strong> Genossenschaft dieselben Informationspflichten<br />

wie bei <strong>der</strong> Aktiengesellschaft. Vgl. MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER,<br />

<strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 19 N 27 ff.<br />

623 Vgl. bereits S. 158.<br />

624 Generell hat die Rechnungslegung gemäss VERRG auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Fortführung<br />

zu erfolgen: Die Fortführung muss für m<strong>in</strong>destens zwölf Monate sichergestellt se<strong>in</strong>.<br />

In dieser Zeit muss die Liquidität gewährleistet se<strong>in</strong> und voraussichtlich ke<strong>in</strong>e Überschuldung<br />

e<strong>in</strong>treten. Ausserdem darf die weitere Fortführung nach e<strong>in</strong>em Jahr nicht bereits im<br />

Zeitpunkt <strong>der</strong> Rechnungslegung als praktisch unmöglich ersche<strong>in</strong>en (Art. 9 VERRG;<br />

Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 102 f.).<br />

192


e<strong>in</strong> Betreibungsverfahren e<strong>in</strong>geleitet wird, <strong>in</strong> welchem unter Umständen<br />

wertvolle Zeit verloren geht. 625 Wenn sich aufgrund <strong>der</strong> Zwischenbilanzen<br />

ergibt, dass die Organisation überschuldet o<strong>der</strong> zahlungsunfähig ist,<br />

so muss das oberste Geschäftsführungsorgan das Gericht benachrichtigen.<br />

Dies kann vermieden werden, <strong>in</strong>dem die Gläubiger im Ausmass <strong>der</strong><br />

Unterdeckung zu Fortführungswerten Rangrücktrittserklärungen abgeben<br />

und ihre For<strong>der</strong>ungen stunden, o<strong>der</strong> wenn konkrete Aussicht auf<br />

e<strong>in</strong>e Sanierung <strong>in</strong>nerhalb von sechzig Tagen besteht. Bei Bestehen von<br />

Nachschusspflichten, s<strong>in</strong>d diese zuerst geltend zu machen. 626 Kommt<br />

das oberste Geschäftsführungsorgan se<strong>in</strong>en Pflichten nicht nach und ist<br />

dies offensichtlich, so muss <strong>der</strong> Abschlussprüfer o<strong>der</strong> die fachkundige<br />

Person das Gericht benachrichtigen (Art. 65 VERRG). Die Massnahmen,<br />

welche das Gericht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge gemäss Art. 66 VERRG e<strong>in</strong>leitet,<br />

entsprechen wörtlich denjenigen von Art. 725a OR (Aktiengesellschaft):<br />

Das Gericht eröffnet den Konkurs, kann diesen jedoch bei Aussicht auf<br />

Sanierung aufschieben. Zur Erhaltung des Vermögens kann e<strong>in</strong> Sachwalter<br />

bestellt werden.<br />

d) Rechnungslegung<br />

Der VERRG geht davon aus, dass sich <strong>der</strong> Adressatenkreis <strong>der</strong> Rechnungslegung<br />

je nach Grösse, Rechtsform und Art <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

aus den Anteilseignern, den Vertragspartnern (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Kreditgebern und übrigen Gläubigern), den F<strong>in</strong>anzanalysten, den potentiellen<br />

Investoren und den Behörden (Steuer- und Aufsichtsbehörden)<br />

zusammensetzt. Die Interessenlage <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Adressaten ist dabei<br />

unterschiedlich. 627 Nach dem Gesetzesentwurf s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die sich <strong>in</strong>s<br />

625 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 152.<br />

626 Diese Bestimmung ist aus dem Recht <strong>der</strong> Genossenschaft (Art. 903 Abs. 4 OR) und<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Art. 817 Abs. 2 OR) übernommen.<br />

627 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 63, S. 149 f. – Die Frage <strong>der</strong> Publizität – also die<br />

Frage, wie die Daten <strong>der</strong> Rechnungslegung veröffentlicht werden müssen, und wer legitimiert<br />

se<strong>in</strong> soll, <strong>in</strong> die Unterlagen <strong>der</strong> Rechnungslegung E<strong>in</strong>sicht zu nehmen – wird im<br />

VERRG an<strong>der</strong>s geregelt, als dies etwa <strong>in</strong> den entsprechenden EG-Richtl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> Fall ist.<br />

Diese gehen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Publizität sehr weit. Verlangt wird E<strong>in</strong>sicht für alle Personen<br />

wie Anteilseigner, Kreditgeber<strong>in</strong>nen, Lieferanten, Mitarbeiter<strong>in</strong>nen, F<strong>in</strong>anzanalysten, zukünftige<br />

Investierende und Behörden. Die <strong>in</strong> den nationalen Gesetzen vorgesehenen Publizitätspflichten<br />

werden aber längst nicht überall befolgt. In Deutschland sollen etwa<br />

über achtzig Prozent <strong>der</strong> KMU sich weigern, ihre Unterlagen den Handelsregisterämtern<br />

e<strong>in</strong>zureichen, was offenbar <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis toleriert wird. Die im VERRG vorgesehene Lö-<br />

193


Handelsregister e<strong>in</strong>tragen lassen müssen – wie bereits nach geltendem<br />

Recht –, buchführungs- und rechnungslegungspflichtig. Zusätzlich werden<br />

aber auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ohne Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong>s Handelsregister<br />

als buchführungs- und rechnungspflichtig erklärt, wenn sie entwe<strong>der</strong><br />

freiwillig e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, o<strong>der</strong> „sofern <strong>der</strong>en Grösse und die Art ihrer<br />

Tätigkeit es erfor<strong>der</strong>lich machen“. 628 Aufgrund <strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit vorgeschlagenen<br />

Def<strong>in</strong>ition des Anwendungsbereichs des RRG 629 s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters generell buchführungs- und rechnungslegungspflichtig.<br />

630 Die Rechnungslegung nach den Regeln des<br />

RRG liegt nicht zuletzt auch im Interesse <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> und <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

selbst. Das Kostenargument, welches <strong>in</strong> diesem Zusammenhang gerne<br />

<strong>in</strong>s Feld geführt wird, kann entkräftet werden: Bei e<strong>in</strong>fachen Verhältnissen<br />

fallen auch die Kosten für die Rechnungslegung nicht unverhältnismässig<br />

hoch aus. Bei komplizierteren Verhältnissen kann mit e<strong>in</strong>er<br />

Rechnungslegung, die gesetzlichen Regeln entspricht, allfälligen Vorwürfen<br />

betreffend mangelhafte Organisation entgegengewirkt werden. 631<br />

sung geht vor diesem H<strong>in</strong>tergrund davon aus, dass grosse Organisationen Jahresrechnung<br />

und Revisionsbericht im SHAB veröffentlichen und je<strong>der</strong> <strong>in</strong>teressierten Person <strong>in</strong>nert e<strong>in</strong>er<br />

bestimmten Frist zustellen müssen. Kle<strong>in</strong>e und mittlere Organisationen müssen h<strong>in</strong>gegen<br />

nur denjenigen Gläubigern E<strong>in</strong>sicht gewähren, die e<strong>in</strong> schutzwürdiges Interesse<br />

nachweisen können. Vgl. dazu a.a.O., S. 77 ff. und S. 150 f.<br />

628 Art. 2 VERRG; Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung<br />

und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 68 f.<br />

629 Vgl. dazu S. 125.<br />

630 Vergleiche auch die Anfor<strong>der</strong>ungen, welche an Fussballvere<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Nationalliga im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> Erteilung <strong>der</strong> Lizenz gestellt werden (die Lizenzerteilung ist abhängig<br />

davon, ob e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Nachweis „ausreichen<strong>der</strong> wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit“<br />

erbr<strong>in</strong>gen kann): DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und<br />

Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 103 f. und URS SCHERRER, Abwendung des „worst<br />

case“ im Fussball, NZZ vom 27.07.2000, S. 45. E<strong>in</strong>e solche Prüfung fehlt im Rahmen <strong>der</strong><br />

Handball-Nationalliga. Die führenden Clubs haben aber offenbar schon seit e<strong>in</strong>iger Zeit<br />

die Rechnungslegungs- und Bilanzierungsvorschriften aus dem Aktienrecht freiwillig e<strong>in</strong>geführt<br />

(CHRISTIAN MODL, Wie Sportklubs wirtschaftlich leistungsfähig zu erhalten s<strong>in</strong>d,<br />

NZZ vom 27.07.2000, S. 45). Die Fussballvere<strong>in</strong>e haben sogar e<strong>in</strong>en Revisionsbericht<br />

vorzulegen. Vgl. zu den Auflagen, welche bei <strong>der</strong> Lizenzerteilung gemacht werden können<br />

DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, a.a.O. S. 108.<br />

631 H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> materiellen Fragen enthält <strong>der</strong> VERRG – wie<strong>der</strong>um rechtsformunabhängig<br />

– wesentliche Neuerungen und Än<strong>der</strong>ungen, auf welche jedoch an dieser Stelle<br />

nicht näher e<strong>in</strong>gegangen wird. Vgl. dazu Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz<br />

über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

S. 89 ff.<br />

194


e) Abschlussprüfung (Kontrollstelle, Revision)<br />

Gemäss ZGB s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht verpflichtet, e<strong>in</strong> Kontrollorgan e<strong>in</strong>zuführen,<br />

können dies jedoch freiwillig tun. In <strong>der</strong> Literatur wird übere<strong>in</strong>stimmend<br />

angenommen, Aufgabe e<strong>in</strong>es Kontrollorgans bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

sei es, das gesamte Rechnungswesen des Vere<strong>in</strong>s formell und materiell<br />

auf se<strong>in</strong>e Richtigkeit h<strong>in</strong> zu überprüfen. 632 Allerd<strong>in</strong>gs können die Aufgaben<br />

e<strong>in</strong>es allfälligen Kontrollorgans – e<strong>in</strong>schränkend o<strong>der</strong> ausdehnend –<br />

<strong>in</strong> den Statuten geregelt werden. 633 Der VERRG enthält rechtsformunabhängige<br />

Bestimmungen betreffend die Revision, weil diese e<strong>in</strong>e<br />

Qualitätsgewähr für die Rechnungslegung darstellt. Für grosse und<br />

mittlere Unternehmen i.S.d. VERRG ist die Prüfung durch e<strong>in</strong>e Person<br />

vorgesehen, welche e<strong>in</strong>e formelle Zulassung mit entsprechend hohen<br />

Kriterien erlangt hat. Bezüglich kle<strong>in</strong>er Organisationen konnte sich die<br />

Expertenkommission nicht e<strong>in</strong>igen. Im Bericht zum VERRG wird festgehalten,<br />

für den E<strong>in</strong>bezug kle<strong>in</strong>er Unternehmen spreche vor allem <strong>der</strong><br />

Umstand, dass bei fehlen<strong>der</strong> Revision die Vorschriften zur Rechnungslegung<br />

zu e<strong>in</strong>em Teil lettre morte zu werden drohen. An<strong>der</strong>erseits bestehe<br />

bei kle<strong>in</strong>en Organisationen nicht dasselbe öffentliche Interesse an<br />

e<strong>in</strong>er geordneten Rechnungslegung. Bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad könne<br />

auf die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen und die Interessenwahrnehmung<br />

durch die <strong>in</strong>teressierten Personen (etwa kreditgebende Banken)<br />

vertraut werden. Der VERRG enthält zwei Varianten betreffend<br />

kle<strong>in</strong>e Unternehmen, wobei jedoch auch bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Prüfungspflicht<br />

diese auf Kapitalgesellschaften und Genossenschaften beschränkt<br />

würde. 634 Gemäss VERRG sollen also nur diejenigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

632<br />

Vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Vorbemerkungen zu Art. 64-69 ZGB N 32, Bern 1990,<br />

mit weiteren H<strong>in</strong>weisen.<br />

633<br />

DERS., a.a.O. N 33; DERS., Die Revision e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s, SpuRt 1998, S. 44, mit H<strong>in</strong>weis<br />

auf MADÖRIN.<br />

634<br />

Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 92 ff. Die Beschränkung auf Kapitalgesellschaften<br />

und Genossenschaften wird damit begründet, dass die Zuverlässigkeit <strong>der</strong> Rechnungslegung<br />

und die Revision bei diesen Körperschaften e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Grund <strong>in</strong> den Kapitalschutzbestimmungen<br />

haben (S. 94). – In <strong>der</strong> Vernehmlassung zum VERRG wurde von<br />

Seiten <strong>der</strong> KMU die Befreiung aller kle<strong>in</strong>eren Unternehmen von <strong>der</strong> Revisionspflicht gefor<strong>der</strong>t,<br />

vgl. dazu FORSTMOSER / UNTERSANDER, Entwicklungen im Gesellschaftsrecht –<br />

Handelsgesellschaften und Genossenschaften – und im Wertpapierrecht, SJZ 95 (1999),<br />

S. 477.<br />

195


<strong>der</strong> Revisionspflicht unterstehen, welche die Kriterien e<strong>in</strong>er grossen o<strong>der</strong><br />

mittleren Organisation i.S.d. VERRG erfüllen. 635<br />

Entgegen <strong>der</strong> Regelung im VERRG müssen jedoch auch diejenigen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> revisionspflichtig se<strong>in</strong>, welche nicht <strong>in</strong> die Kategorie grosse und<br />

mittlere Unternehmen i.S.d. VERRG fallen. 636 Gerade bei kle<strong>in</strong>eren <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />

<strong>der</strong>en Buchhaltung von Personen geführt wird, welche unter Umständen<br />

nicht über e<strong>in</strong>schlägige Kenntnisse verfügen, ist die Kontrolle<br />

notwendig. Die Angst, dies könnte zu nicht tragbaren Kosten führen, ist<br />

unbegründet. Die Kosten e<strong>in</strong>er Revision fallen bei unkomplizierten Verhältnissen<br />

entsprechend ger<strong>in</strong>ger aus. Aus haftungsrechtlicher Sicht ist<br />

es jedenfalls für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters unerlässlich, auch<br />

ohne gesetzliche Pflicht e<strong>in</strong> Kontrollorgan e<strong>in</strong>zuführen. Je nach den<br />

konkreten Verhältnissen kann e<strong>in</strong> von den Organen (<strong>in</strong>klusive Mitglie<strong>der</strong>versammlung)<br />

zu verantworten<strong>der</strong> Organisationsmangel vorliegen,<br />

wenn ke<strong>in</strong> Kontrollorgan vorgesehen wird. Dessen Aufgaben werden<br />

s<strong>in</strong>nvollerweise analog zu bestehenden gesetzlichen Bestimmungen <strong>in</strong><br />

den Statuten geregelt. Als Massstab dienen die Regeln des Aktienrechts<br />

bzw. nach dessen Inkrafttreten die Regeln des RRG. 637 Gemäss Art. 59<br />

VERRG ist sogar ausdrücklich vorgesehen, dass bei e<strong>in</strong>er freiwilligen<br />

Revision die Vorschriften des RRG Anwendung f<strong>in</strong>den müssen. 638<br />

635 Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 141 f. Die diesbezüglichen Kriterien f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong><br />

Art. 43 VERRG: Die Revisionspflicht besteht dann, wenn an zwei aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>folgenden<br />

Bilanzstichtagen zwei <strong>der</strong> genannten Kriterien erreicht wurden: Bilanzsumme von CHF<br />

4 Mio.; Umsatzerlöse von CHF 8 Mio.; Arbeitnehmer für 50 vollzeitige Stellen im Durchschnitt<br />

des Geschäftsjahres.<br />

636 Gleicher Ansicht auch CHRISTOPH HONEGGER, Probleme des Gläubigerschutzes im<br />

Vere<strong>in</strong>srecht, unveröffentlichte Diss. Basel 2000, S. 226f.<br />

637 Vgl. de lege lata HANS MICHAEL RIEMER, Vorbemerkungen zu Art. 64-69 ZGB<br />

N 32 ff., Bern 1990. Die im VERRG vorgeschlagenen Regelungen betreffend die Prüfung<br />

entsprechen im wesentlichen dem geltenden Aktienrecht. Vgl. Vorentwurf und Begleitbericht<br />

zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und Revision (RRG) vom<br />

28. Juni 1998, S. 148.<br />

638 Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass e<strong>in</strong>e Jahresrechnung nicht irreführend als „revidiert“<br />

o<strong>der</strong> „geprüft“ bezeichnet werden kann, ohne dass die Vorschriften des RRG erfüllt<br />

s<strong>in</strong>d. Vgl. a.a.O., S. 149.<br />

196


f) Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Organe und Organträger<br />

Gemäss Art. 55 ZGB s<strong>in</strong>d die Organe und faktischen Organe 639 nicht<br />

lediglich Vertreter <strong>der</strong> juristischen Person, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong>selben.<br />

Ihr Handeln und Verhalten verpflichtet grundsätzlich die juristische Person<br />

und zwar sowohl im rechtsgeschäftlichen als auch im ausserrechtsgeschäftlichen<br />

Bereich. Daneben müssen die Organpersonen aber auch<br />

für ihr Verschulden 640 persönlich e<strong>in</strong>stehen, sie s<strong>in</strong>d für ihr Tun und<br />

Lassen verantwortlich und zwar sowohl dem Vere<strong>in</strong> gegenüber als auch<br />

gegenüber Dritten. 641 Zu beachten ist, dass nicht nur <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>svorstand,<br />

e<strong>in</strong>e allfällige Geschäftsleitung und gegebenenfalls die Kontrollstelle<br />

Organcharakter i.S.v. Art. 55 ZGB haben. Auch die Vere<strong>in</strong>sversammlung<br />

ist e<strong>in</strong> Organ des Vere<strong>in</strong>s; auch sie kann den Vere<strong>in</strong> durch ihr<br />

Verhalten nach aussen verpflichten o<strong>der</strong> Beschlüsse fassen, welche die<br />

Grundlage für das Handeln <strong>der</strong> Exekutivorgane darstellen. Die Anwendung<br />

von Art. 55 Abs. 3 ZGB kann sogar dazu führen, dass die an e<strong>in</strong>em<br />

Vere<strong>in</strong>sbeschluss mitwirkenden Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> bei persönlichem<br />

Verschulden persönlich verantwortlich werden, und zwar sowohl dem<br />

Vere<strong>in</strong> als auch Drittpersonen gegenüber. 642 Namentlich bei geschäftserfahrenen<br />

Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters kann das<br />

persönliche Verschulden unter Umständen eher bejaht werden als bei<br />

Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es herkömmlichen Vere<strong>in</strong>s.<br />

Grundsätzlich bestehen im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Verantwortlichkeit<br />

von Organen und Organträgern ke<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

wirtschaftlichen Charakters. Allerd<strong>in</strong>gs ist Art. 55 ZGB lediglich e<strong>in</strong>e<br />

639 Vgl. dazu etwa BGE 117 II 571 mit weiteren H<strong>in</strong>weisen: Organ ist nicht nur, wer mit<br />

<strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> juristischen Person betraut, son<strong>der</strong>n auch, wer mit <strong>der</strong> Leitung befasst ist,<br />

o<strong>der</strong> wer nach aussen als Organ kundgegeben wird. Vgl. ausführlich HANS MICHAEL<br />

RIEMER, Kommentar zu Art. 54/55 ZGB N 28 ff., Bern 1993.<br />

640 Art. 55 Abs. 3 ZGB darf nicht so verstanden werden, dass e<strong>in</strong>e persönliche Haftung<br />

aus unerlaubter Handlung nur dann gegeben ist, wenn e<strong>in</strong>e Verschuldenshaftung <strong>in</strong> Frage<br />

steht. Wenn e<strong>in</strong>e Haftungsnorm des ausservertraglichen Haftpflichtrechts e<strong>in</strong> Verschulden<br />

nicht voraussetzt, so kann die Organperson bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen<br />

auch ohne Verschulden persönlich <strong>in</strong>s Recht gefasst werden. Vgl. <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne<br />

HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 64; DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession<br />

und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 279.<br />

641 CLAIRE HUGUENIN JACOBS, Kommentar zu Art. 54/55 ZGB N 6 ff., Basel 1996;<br />

DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, a.a.O., S. 275 f.<br />

642 Vgl. dazu die überzeugenden Ausführungen von HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar<br />

zu Art. 65 ZGB N 34 ff., Bern 1990, mit H<strong>in</strong>weisen auf die Rechtsprechung des BGer zur<br />

Genossenschaft und zum Vere<strong>in</strong> (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e BGE 92 II 1 ff., 4) und die Entstehungsgeschichte<br />

von Art. 65 ZGB. – An<strong>der</strong>er Ansicht offenbar MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER,<br />

<strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998, § 2 N 23.<br />

197


Zuweisungsnorm, <strong>in</strong> welcher bloss <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Zurechnung <strong>der</strong><br />

Handlungen <strong>der</strong> Organe statuiert wird. Art. 55 ZGB bedarf <strong>der</strong> Ergänzung<br />

durch Normen, die den materiellen Haftungstatbestand festsetzen.<br />

643 Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ergibt sich <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> aktiv- und passivlegitimierten<br />

Personen aus den allgeme<strong>in</strong>en Regeln von Art. 41 ff., Art. 97 ff. und<br />

gegebenenfalls den e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen des Arbeits- o<strong>der</strong> Auftragsrechts,<br />

welche diesbezüglich Art. 55 ZGB ergänzen. 644<br />

Mehrere Organträger, die e<strong>in</strong>en Schaden geme<strong>in</strong>sam verschuldet haben,<br />

haften solidarisch. RIEMER möchte die Regel <strong>der</strong> differenzierten<br />

Solidarität, welche <strong>in</strong> Art. 759 OR für die Aktiengesellschaft statuiert ist,<br />

auch auf die übrigen juristischen Personen anwenden. 645 Dies ist s<strong>in</strong>nvoll,<br />

soweit sich nicht dasselbe Resultat bereits aufgrund <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />

Regeln von Art. 43 f. OR erreichen lässt. Im Innenverhältnis kommt<br />

Art. 50 Abs. 2 OR zur Anwendung: Entscheidend muss auch hier das<br />

<strong>in</strong>dividuelle Verschulden se<strong>in</strong>. 646<br />

E<strong>in</strong>e weitere Ergänzung von Art. 55 ZGB ist erfor<strong>der</strong>lich im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die Tatbestände, welche e<strong>in</strong>e allfällige Haftung auslösen: Die Pflichten<br />

<strong>der</strong> Organpersonen müssen def<strong>in</strong>iert se<strong>in</strong>. Dies geschieht im objektiven<br />

Recht <strong>der</strong> jeweiligen Verbandspersonen. 647 Die Pflichten <strong>der</strong> Organe<br />

643<br />

CLAIRE HUGUENIN JACOBS, Kommentar zu Art. 54/55 ZGB N 10 f., Basel 1996. E<strong>in</strong>e<br />

solche Ergänzungsnorm bildet etwa Art. 754 OR für die Aktiengesellschaft. In dieser Bestimmung<br />

wird <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> aktiv- und passivlegitimierten Personen def<strong>in</strong>iert.<br />

644<br />

Die Geltendmachung des sogenannten mittelbaren Schadens vor Konkurs <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

wie sie <strong>in</strong> Art. 756 OR für die Aktiengesellschaft vorgesehen ist, ist bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

mangels spezieller gesetzlicher Regelung <strong>in</strong> dieser Form nicht möglich. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n hat<br />

entwe<strong>der</strong> die Vere<strong>in</strong>sversammlung den Beschluss zu fassen, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en allfälligen<br />

Schaden e<strong>in</strong>klagen solle (gegebenenfalls s<strong>in</strong>d die Organe abzusetzen, die sich weigern,<br />

e<strong>in</strong>e Klage e<strong>in</strong>zureichen) o<strong>der</strong> es besteht die Möglichkeit, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> – namentlich<br />

zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die geschäftsführenden Organe – e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en<br />

Bevollmächtigten bestellt (vgl. dazu PETER WIDMER, Kommentar zu<br />

Art. 756 OR N 3, Basel 1994) o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> analoger Anwendung von Art. 393<br />

Ziff. 4 ZGB bei <strong>der</strong> Vormundschaftsbehörde die Ernennung e<strong>in</strong>es Beistandes verlangt. –<br />

Die Geltendmachung des mittelbaren Schadens im Konkurs <strong>der</strong> Gesellschaft kann bei<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nur gemäss Art. 260 SchKG erfolgen.<br />

645<br />

HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 54/55 ZGB N 66, Bern 1993.<br />

646<br />

DERS., a.a.O. N 66.<br />

647<br />

Für analoge Anwendung <strong>der</strong> aktienrechtlichen Bestimmungen: DOROTHE SCHERRER-<br />

BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 280 f. ―<br />

Art. 55 ZGB befasst sich auch nicht mit dem <strong>in</strong>ternen Rechtsverhältnis zwischen Organperson<br />

und juristischer Person. Rechtsprechung und Lehre gehen allgeme<strong>in</strong> davon aus, es<br />

bestehe e<strong>in</strong> Vertragsverhältnis, welches den Regeln des Auftrags- o<strong>der</strong> des Arbeitsvertragsrechts<br />

untersteht. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich wie<strong>der</strong>um aus<br />

dem objektiven Recht <strong>der</strong> betreffenden Gesellschaftsform und <strong>der</strong> konkreten Ausgestal-<br />

198


und Organträger e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s wirtschaftlichen Charakters ergeben sich<br />

aus den Beson<strong>der</strong>heiten e<strong>in</strong>es solchen Vere<strong>in</strong>s. Die oben dargestellten<br />

Grundsätze betreffend Gläubigerschutz haben daher konkrete Auswirkungen<br />

auf die Pflichten und die daraus resultierende Verantwortlichkeit.<br />

648<br />

Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Haftung von Personen, die mit e<strong>in</strong>em im<br />

Fusionsgesetz geregelten Vorgang befasst s<strong>in</strong>d, enthält Art. 107 EFusG<br />

beson<strong>der</strong>e Bestimmungen. Art. 107 EFusG verweist ausdrücklich auf die<br />

geltenden Bestimmungen für Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften<br />

sowie Gesellschaften mit beschränkter Haftung und erklärt<br />

diese als für alle Gesellschaften anwendbar, also auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. 649<br />

tung <strong>der</strong> jeweiligen juristischen Person. Vgl. statt vieler HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar<br />

zu Art. 54/55 ZGB N 22, Bern 1993.<br />

648 Die Haftung <strong>der</strong> Abschlussprüfer wurde nicht <strong>in</strong> den VERRG aufgenommen. Die<br />

Kommission war diesbezüglich <strong>der</strong> Ansicht, diese sei im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Haftung<br />

<strong>der</strong> übrigen verantwortlichen Personen zu sehen und könne angesichts <strong>der</strong> diesbezüglichen<br />

Unterschiede bei den e<strong>in</strong>zelnen Rechtsformen nicht e<strong>in</strong>heitlich geregelt werden<br />

(Vorentwurf und Begleitbericht zu e<strong>in</strong>em Bundesgesetz über die Rechnungslegung und<br />

Revision (RRG) vom 28. Juni 1998, S. 84).<br />

649 Vgl. Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung,<br />

Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, S. 4566 f.<br />

199


XVI. Besteuerung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters<br />

1. Direkte Steuern im Bund und <strong>in</strong> den Kantonen im<br />

allgeme<strong>in</strong>en<br />

H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> direkten Bundessteuer s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> grundsätzlich <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> steuerpflichtig, wenn sich ihr Sitz o<strong>der</strong> ihre tatsächliche<br />

Verwaltung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> bef<strong>in</strong>det (Art. 50 DBG). Daneben können<br />

juristische Personen auch aufgrund <strong>der</strong> Regeln <strong>der</strong> wirtschaftlichen Zugehörigkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> steuerbar werden. 650 Gemäss Art. 20 StHG<br />

s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> demjenigen Kanton unbeschränkt steuerpflichtig, <strong>in</strong> welchem<br />

sich ihr Sitz o<strong>der</strong> ihre tatsächliche Verwaltung bef<strong>in</strong>det. Nach den<br />

Regeln des Bundesgerichts zur Doppelbesteuerung hat grundsätzlich <strong>der</strong><br />

Sitzkanton Vorrang, es sei denn, dem Ort des Sitzes komme bloss formelle<br />

Bedeutung zu. 651 E<strong>in</strong>e beschränkte Steuerpflicht aufgrund <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Zugehörigkeit ist <strong>in</strong> Art. 21 StHG vorgesehen.<br />

Gemäss Art. 56 lit. g DBG und Art. 23 Abs. 1 lit. f StHG s<strong>in</strong>d juristische<br />

Personen, die öffentliche o<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>nützige Zwecke verfolgen,<br />

für diejenigen Teile des Gew<strong>in</strong>ns und des Kapitals, die ausschliesslich<br />

und unwi<strong>der</strong>ruflich diesen Zwecken gewidmet s<strong>in</strong>d, sowohl im Bund als<br />

auch <strong>in</strong> den Kantonen 652 von <strong>der</strong> Steuerpflicht befreit. 653<br />

Die Frage, wann e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>nützigen Zweck verfolgt,<br />

wird für die direkte Bundessteuer im Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV<br />

präzisiert. Dort wird ausdrücklich festgehalten, dass die langjährige Praxis<br />

des Bundesgerichts zum BdBSt grundsätzlich auch Anwendung auf<br />

650 Vgl. dazu die Regelung von Art. 51 DBG. – <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unterliegen gemäss DBG e<strong>in</strong>er<br />

proportionalen Gew<strong>in</strong>nsteuer (Art. 71 DBG) und e<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>vermögenssteuer auf <strong>der</strong> Basis<br />

von Verkehrswerten (Art. 77 DBG). Zur Behandlung von Zuwendungen und Mitglie<strong>der</strong>beiträgen<br />

vgl. Art. 66 DBG.<br />

651 ATHANAS / WIDMER, Kommentar zu Art. 20 StHG N 37 ff., Basel 1997.<br />

652 Gemäss Art. 23 Abs. 4 StHG gilt dies jedoch nicht h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> kantonalen<br />

Grundstückgew<strong>in</strong>nsteuer. Die <strong>in</strong> lit. f genannten juristischen Personen unterliegen dieser<br />

<strong>in</strong> jedem Fall.<br />

653 Für die Steuerbefreiung im Zusammenhang mit <strong>der</strong> direkten Bundessteuer hat die juristische<br />

Person e<strong>in</strong> Gesuch zu stellen, <strong>in</strong> welchem die Voraussetzungen darzulegen s<strong>in</strong>d<br />

(Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 1). Im StHG ist das Steuerbefreiungsverfahren<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> kantonalen Steuern nicht geregelt. Die Kantone können<br />

die entsprechenden Vorschriften frei aufstellen (MARCO GRETER, Kommentar zu<br />

Art. 23 StHG N 2, Basel 1997).<br />

200


das DBG f<strong>in</strong>det. 654 Für die Steuerbefreiung müssen daher kumulativ folgende<br />

Voraussetzungen erfüllt se<strong>in</strong>: Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>nützigkeit<br />

ist grundlegend, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teressen verfolgt,<br />

wobei sich dieses Kriterium nach <strong>der</strong> jeweils massgeblichen<br />

Volksauffassung bestimmen soll. 655 Das Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse wird regelmässig<br />

dann angenommen, wenn <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> Personen, welchen e<strong>in</strong>e<br />

För<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Unterstützung durch den Vere<strong>in</strong> zukommt, grundsätzlich<br />

offen ist. 656 Zusätzlich ist erfor<strong>der</strong>lich, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> subjektiv uneigennützig<br />

tätig ist. Der Vere<strong>in</strong> muss altruistisch handeln, er muss für<br />

den im Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse liegenden Zweck unter H<strong>in</strong>tansetzung <strong>der</strong> eigenen<br />

Interessen Opfer erbr<strong>in</strong>gen. Die Aktivitäten des Vere<strong>in</strong>s müssen<br />

ausschliesslich auf das Wohl von Drittpersonen ausgerichtet se<strong>in</strong>. Die<br />

Zielsetzung des Vere<strong>in</strong>s darf nicht mit Erwerbszwecken o<strong>der</strong> sonstigen<br />

eigenen Interessen des Vere<strong>in</strong>s o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> (auch Selbsthilfezwecken)<br />

verknüpft se<strong>in</strong>. 657 E<strong>in</strong> Erwerbszweck wird dann angenommen,<br />

wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf o<strong>der</strong> <strong>in</strong> wirtschaftlicher<br />

Monopolstellung – mit dem Zweck <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nerzielung –<br />

Kapital und Arbeit e<strong>in</strong>setzt und dabei für se<strong>in</strong>e Leistungen e<strong>in</strong> Entgelt<br />

for<strong>der</strong>t, wie es im Wirtschaftsleben üblicherweise bezahlt wird. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

führt nicht jede Erwerbstätigkeit zu e<strong>in</strong>er Verweigerung <strong>der</strong> Steuerbefreiung.<br />

Solange die Erwerbstätigkeit bloss Mittel zum Zweck ist<br />

und nicht die e<strong>in</strong>zige wirtschaftliche Grundlage des Vere<strong>in</strong>s bildet, h<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

sie die Steuerbefreiung nicht. Entscheidend für alle genannten Kriterien<br />

ist die tatsächliche Tätigkeit des Vere<strong>in</strong>s, die <strong>der</strong> Verwirklichung<br />

des statutarischen Zweckes dienen muss. Als weitere Voraussetzung<br />

müssen die <strong>der</strong> steuerbefreiten Zwecksetzung gewidmeten Mittel unwi<strong>der</strong>ruflich<br />

– das heisst für immer – diesem Zweck verhaftet se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong><br />

Rückfall <strong>der</strong> Mittel an die Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s muss ausgeschlossen<br />

se<strong>in</strong>. Die Steuerbefreiung kommt daher nur <strong>in</strong> Frage, wenn für den Fall<br />

<strong>der</strong> Auflösung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unabän<strong>der</strong>lichen statutarischen Bestimmung vor-<br />

654 Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 1.<br />

655 Nach dem DBG ist das Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse nicht mehr auf e<strong>in</strong>e Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> begrenzt, son<strong>der</strong>n es können auch <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit Sitz <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> die Steuerbefreiung<br />

beantragen, wenn sie e<strong>in</strong>e weltweite Tätigkeit ausüben.<br />

656 Die Begrenzung <strong>der</strong> Begünstigten auf die Mitglie<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s o<strong>der</strong> auf die Angehörigen<br />

e<strong>in</strong>es bestimmten Berufes soll gemäss Kreisschreiben die Steuerbefreiung ausschliessen.<br />

Vgl. dazu unten S. 203.<br />

657 Verfolgt e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> neben ausschliesslich geme<strong>in</strong>nützigen Zwecken auch an<strong>der</strong>e<br />

Zwecke, so kann unter Umständen e<strong>in</strong>e teilweise Steuerbefreiung <strong>in</strong> Frage kommen, vgl.<br />

dazu Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 6.<br />

201


gesehen ist, dass das Vermögen des Vere<strong>in</strong>s an e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e steuerbefreite<br />

Organisation mit ähnlicher Zwecksetzung fällt. 658<br />

Inwieweit die für die direkte Bundessteuer entwickelten Grundsätze<br />

auch für die kantonalen Steuern gelten, ist unklar. Angesichts des übere<strong>in</strong>stimmenden<br />

Wortlautes des DBG und des StHG und des Zwecks des<br />

StHG liegt es nahe davon auszugehen, dass die Geme<strong>in</strong>nützigkeit für<br />

beide Gesetze gleich bestimmt wird. 659 Immerh<strong>in</strong> halten sowohl das<br />

DBG als auch das StHG ausdrücklich fest, dass unternehmerische<br />

Zwecke grundsätzlich nicht geme<strong>in</strong>nützig s<strong>in</strong>d. H<strong>in</strong>gegen gilt <strong>der</strong> Erwerb<br />

und die Verwaltung von wesentlichen Kapitalbeteiligungen an<br />

Unternehmen als geme<strong>in</strong>nützig, wenn das Interesse an <strong>der</strong> Unternehmenserhaltung<br />

dem geme<strong>in</strong>nützigen Zweck untergeordnet ist und ke<strong>in</strong>e<br />

geschäftsleitenden Tätigkeiten ausgeübt werden. 660<br />

Zuwendungen an steuerbefreite juristische Personen s<strong>in</strong>d beim Bund<br />

unter Umständen abzugsfähig. 661 Gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. i und Art. 59<br />

lit. c DBG gilt dies für freiwillige Geldleistungen, welche an e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong><br />

mit geme<strong>in</strong>nützigem Zweck geleistet werden. 662 Statutarisch vorgesehene<br />

Mitglie<strong>der</strong>beiträge o<strong>der</strong> sonstige Zahlungen, auf welche <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Anspruch hat, fallen nicht <strong>in</strong> diese Kategorie und können somit<br />

bei <strong>der</strong> zahlenden Person nicht <strong>in</strong> Abzug gebracht werden. Auch <strong>in</strong> den<br />

Kantonen s<strong>in</strong>d gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. i StHG freiwillige Zuwendungen<br />

an steuerbefreite juristische Personen von den steuerbaren E<strong>in</strong>künften<br />

abziehbar. Die Kantone können jedoch den Umfang <strong>der</strong> Abzugsfähigkeit<br />

frei regeln.<br />

658<br />

Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 1 ff. Ausserdem ist zu beachten,<br />

dass das Bundesrecht wesentlich von den kantonalen Praxen bee<strong>in</strong>flusst wird.<br />

659<br />

Vgl. zur Me<strong>in</strong>ung, die Umschreibung des Begriffs Geme<strong>in</strong>nützigkeit obliege den<br />

Kantonen, die Ausführungen von MARCO GRETER, Kommentar zu Art. 23 StHG N 25,<br />

Basel 1997. – Immerh<strong>in</strong> ist zu beachten, dass gemäss Art. 72 Abs. 2 StHG die<br />

Bestimmungen des StHG seit dem 1. Januar 2001 direkt zur Anwendung kommen, sofern<br />

das kantonale Recht dem StHG wi<strong>der</strong>spricht.<br />

660<br />

Gemäss Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV, S. 4, gilt dies auch, wenn die Beteiligung<br />

mehr als 50 % beträgt, aber dennoch ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>flussnahme auf die Unternehmensführung<br />

möglich ist. Zu denken sei an Fälle, wo die Stimmrechte bei e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Rechtsträger<br />

liegen. – Diese Bestimmungen s<strong>in</strong>d auf Unternehmensstiftungen ausgerichtet (vgl. <strong>in</strong> diesem<br />

S<strong>in</strong>ne MARCO GRETER, a.a.O. N 34), gelten jedoch auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />

661<br />

Zu beachten ist, dass Zuwendungen an Vere<strong>in</strong>igungen, die wegen <strong>der</strong> Verfolgung von<br />

Kultuszwecken steuerbefreit s<strong>in</strong>d, nicht abzugsfähig s<strong>in</strong>d. Nur wenn die Steuerbefreiung<br />

ihren Grund <strong>in</strong> <strong>der</strong> ausschliesslich geme<strong>in</strong>nützigen Zwecksetzung hat, s<strong>in</strong>d auch Zuwendungen<br />

steuerbefreit. Vgl. dazu Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV vom 8. Juli 1994, S. 7.<br />

662<br />

Zur betragsmässigen Beschränkung <strong>der</strong> Abzüge vgl. Kreisschreiben Nr. 12 <strong>der</strong> ESTV<br />

vom 8. Juli 1994, S. 7 f.<br />

202


2. Mehrwertsteuerpflicht im allgeme<strong>in</strong>en<br />

Gemäss Art. 21 MWSTG, das per 1. Januar 2001 <strong>in</strong> Kraft trat, s<strong>in</strong>d<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> dann mehrwertsteuerpflichtig, wenn sie selbständig e<strong>in</strong>e<br />

gewerbliche o<strong>der</strong> berufliche Tätigkeit ausüben, die mit <strong>der</strong> Erzielung<br />

von E<strong>in</strong>nahmen verbunden ist, sofern ihre Lieferungen o<strong>der</strong> Dienstleistungen<br />

sowie <strong>der</strong> Eigenverbrauch im Inland jährlich gesamthaft CHF<br />

75'000.– bzw. CHF 250'000.– (sofern die nach Abzug <strong>der</strong> Vorsteuer<br />

verbleibende Steuer regelmässig nicht mehr als CHF 4'000.– betragen<br />

würde, Art. 25 Abs. 1 lit. a MWSTG) übersteigen. Dies gilt auch dann,<br />

wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>nabsicht hat. 663 Von <strong>der</strong> Steuerpflicht<br />

ausgenommen s<strong>in</strong>d nach Art. 25 Abs. 1 MWSTG seit dem 1. Januar<br />

2001 nichtgew<strong>in</strong>nstrebige, ehrenamtlich geführte Sportvere<strong>in</strong>e und<br />

geme<strong>in</strong>nützige Institutionen, die e<strong>in</strong>en Jahresumsatz von bis zu CHF<br />

150‘000.– erreichen.<br />

Gemäss Art. 18 Ziff. 13 MWSTG s<strong>in</strong>d von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer diejenigen<br />

Umsätze ausgenommen, welche nichtgew<strong>in</strong>nstrebige E<strong>in</strong>richtungen<br />

mit politischer, gewerkschaftlicher, wirtschaftlicher, religiöser, patriotischer,<br />

weltanschaulicher, philanthropischer, kultureller o<strong>der</strong><br />

staatsbürgerlicher Zielsetzung ihren Mitglie<strong>der</strong>n gegen e<strong>in</strong>en statutarisch<br />

festgesetzten Betrag erbr<strong>in</strong>gen. 664 An<strong>der</strong>e Umsätze, welche etwa aus dem<br />

Betrieb e<strong>in</strong>es Restaurants erzielt werden, können jedoch die<br />

Steuerpflicht auslösen.<br />

3. Steuerpflicht von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />

Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters kommt e<strong>in</strong>e Steuerbefreiung<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> direkten Steuern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht <strong>in</strong> Betracht. Aufgrund<br />

des Erfor<strong>der</strong>nisses <strong>der</strong> Uneigennützigkeit ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e denjenigen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n die Steuerbefreiung verwehrt, die eigene o<strong>der</strong> persönliche<br />

Interessen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> verfolgen. 665 Dies dürfte auf die meisten<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im S<strong>in</strong>ne dieser Arbeit zutreffen,<br />

ausser auf gewisse <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>zig aufgrund ihrer Umsatzhöhe unter<br />

663<br />

Diese Regelung entspricht <strong>der</strong>jenigen von Art. 17 MWSTV, welche bis 31. Dezember<br />

2000 gilt.<br />

664<br />

Diese Regelung entspricht <strong>der</strong>jenigen von Art. 14 Ziff. 11 MWSTV (gültig bis 31. Dezember<br />

2000). Gemäss Auskunft <strong>der</strong> ESTV s<strong>in</strong>d statutarisch festgelegte Mitglie<strong>der</strong>beiträge<br />

grundsätzlich nur dann von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer ausgenommen, wenn sie für alle<br />

Mitglie<strong>der</strong> gleich hoch s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> nach e<strong>in</strong>em für alle Mitglie<strong>der</strong> gültigen Schema ermittelt<br />

werden. Unter Umständen wird akzeptiert, dass „e<strong>in</strong>ige wenige unterschiedliche Mitglie<strong>der</strong>kategorien“<br />

vorgesehen s<strong>in</strong>d.<br />

665<br />

MARCO GRETER, Kommentar zu Art. 23 StHG N 33, Basel 1997.<br />

203


die hier aufgestellten Regeln fallen. 666 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche<br />

Kapitalbeteiligungen an Unternehmen halten, können zwar grundsätzlich<br />

von den direkten Steuern befreit werden. Das Halten von Beteiligungen<br />

darf jedoch im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Steuerbefreiung nur Mittel zur<br />

Verfolgung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>nützigen Zweckes darstellen und muss e<strong>in</strong>e<br />

entsprechend untergeordnete Bedeutung haben. Selbst wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>nützigen Zweck im S<strong>in</strong>ne des<br />

Gesetzes verfolgt, darf also e<strong>in</strong> allfälliges Interesse an unternehmerischer<br />

E<strong>in</strong>flussnahme ke<strong>in</strong>esfalls gegenüber dem geme<strong>in</strong>nützigen Zweck<br />

überwiegen. Dies dürfte bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters kaum<br />

<strong>der</strong> Fall se<strong>in</strong>. 667<br />

Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters besteht grundsätzlich auch<br />

die Pflicht zur Entrichtung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer, wenn die allgeme<strong>in</strong>en<br />

Voraussetzungen, namentlich die Umsatzgrenze von CHF 75'000.– gegeben<br />

s<strong>in</strong>d. Die an sich mögliche Befreiung als geme<strong>in</strong>nützige Institution<br />

bis zu e<strong>in</strong>em Umsatz von CHF 150'000.– gemäss Art. 25 Abs. 1<br />

MWSTG dürfte wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> den meisten Fällen am Fehlen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>nützigkeit<br />

scheitern. 668<br />

Die Ausnahme von Umsätzen aus Leistungen, welche den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s gegen e<strong>in</strong>en statutarisch festgesetzten Beitrag erbracht<br />

werden, gilt gemäss ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

mit wirtschaftlicher Zielsetzung. 669 Allerd<strong>in</strong>gs darf <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> nicht<br />

gew<strong>in</strong>nstrebig se<strong>in</strong>. Der Begriff <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit f<strong>in</strong>det sich im übrigen<br />

Steuerrecht nirgendwo und wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mehrwertsteuergesetzgebung<br />

nicht def<strong>in</strong>iert. 670 Gemäss e<strong>in</strong>em Entscheid <strong>der</strong> Eidgenössischen<br />

666 Zur Rolle <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>beiträge im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Berechnung des<br />

massgeblichen Umsatzes vgl. bereits S. 123.<br />

667 DERS., a.a.O. N 34.<br />

668 Die <strong>in</strong> Art. 25 Abs. 1 MWSTG erwähnten Kategorien von Sportvere<strong>in</strong>en stellen kaum<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im S<strong>in</strong>ne dieser Arbeit dar. Vgl. dazu S. 71.<br />

669 Die ausdrückliche Erwähnung von nichtgew<strong>in</strong>nstrebigen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlicher<br />

Zielsetzung <strong>in</strong> dieser Bestimmung ist darauf zurückzuführen, dass im Vernehmlassungsverfahren<br />

zur MWSTV beanstandet worden war, Arbeitnehmerorganisationen fielen unter<br />

die Bestimmung, nicht jedoch ihre Sozialpartner (Arbeitgeber-, Wirtschafts-, Berufs- und<br />

Branchenverbände). Die entsprechende Formulierung bezieht sich demnach grundsätzlich<br />

auf solche Vere<strong>in</strong>igungen (vgl. dazu Kommentar des Eidgenössischen F<strong>in</strong>anzdepartementes<br />

zu Art. 14 MWSTV <strong>in</strong> PESTALOZZI GMÜR & PATRY, Die Eidgenössische Mehrwertsteuer,<br />

Loseblattsammlung Band 1, Basel, Stand Oktober 1994).<br />

670 Im Handelsrecht f<strong>in</strong>det sich <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit <strong>in</strong> Art. 706 Abs. 2<br />

Ziff. 4 OR: E<strong>in</strong> Generalversammlungsbeschluss e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft ist anfechtbar,<br />

wenn die Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Mitglie<strong>der</strong><br />

aufgehoben wird. Zum Begriff <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nstrebigkeit <strong>in</strong> diesem Zusammenhang vgl. etwa<br />

204


Steuerrekurskommission war e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung dann nichtgew<strong>in</strong>nstrebig<br />

(sans but lucratif) i.S.v. Art. 14 Ziff. 11 MWSTV, wenn sie „a été constitué<br />

sans volonté de réaliser un ga<strong>in</strong> de nature pécuniaire, c’est-à-dire<br />

qui n’a pas la volonté de réaliser des bénéfices“. Gemäss <strong>der</strong> Eidgenössischen<br />

Steuerrekurskommission müssen zwei Voraussetzungen erfüllt<br />

se<strong>in</strong>: Erstens „l’absence de recherche systématique d’excédents. Même<br />

de façon limitée, l’utilisation de démarches ayant pour objectif de réaliser<br />

des bénéfices remet en cause le caractère de non-lucrativité“ und<br />

zweitens „l’absence de profit matériel direct ou <strong>in</strong>direct pour les membres,<br />

fondateurs ou dirigeants de l’organisme: les éventuels bénéfices ne<br />

sont pas distribués mais ré<strong>in</strong>vestis dans l’organisme lui-même“. 671 Im<br />

konkreten Fall hatte die Eidgenössische Steuerrekurskommission zu beurteilen,<br />

ob e<strong>in</strong> Berufsdachverband <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sform e<strong>in</strong>e nichtgew<strong>in</strong>nstrebige<br />

Organisation darstellt. Die Eidgenössische Steuerrekurskommission<br />

bejahte dies. Entscheidend waren folgende Umstände: Die<br />

Statuten des Berufsdachverbandes bezeichnen den Vere<strong>in</strong> als „une association<br />

sans but lucratif“. Der Vere<strong>in</strong> entfaltet ke<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit,<br />

um neue Mitglie<strong>der</strong> anzuwerben; er verteilt lediglich <strong>in</strong>teressierten<br />

Drittpersonen Broschüren über se<strong>in</strong>e Aktivitäten. Die<br />

E<strong>in</strong>nahmeüberschüsse werden nicht verteilt, son<strong>der</strong>n rück<strong>in</strong>vestiert. Die<br />

Grün<strong>der</strong> und Leiter des Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d nicht am E<strong>in</strong>nahmeüberschuss<br />

<strong>in</strong>teressiert. Sie s<strong>in</strong>d im Gegenteil gehalten, alle Entschädigungen an den<br />

Vere<strong>in</strong> zurück zu übertragen. Die Vorstandsmitglie<strong>der</strong> erhalten ke<strong>in</strong>e<br />

Sitzungsgel<strong>der</strong>, auch die Mitglie<strong>der</strong> ziehen ke<strong>in</strong>erlei Vorteile aus dem<br />

E<strong>in</strong>nahmenüberschuss. Ausserdem bestimmen die Statuten für den Fall<br />

<strong>der</strong> Auflösung, dass e<strong>in</strong> allfälliger Nettoüberschuss an e<strong>in</strong>e Organisation<br />

mit ähnlicher Zielsetzung gehen soll.<br />

Gemäss den Ausführungen <strong>in</strong> dieser Arbeit betreffend die Gew<strong>in</strong>nverwendung<br />

bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters dürfen solche<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht ausschliesslich auf das Verteilen von Gew<strong>in</strong>nen ausgerichtet<br />

se<strong>in</strong>. 672 Allerd<strong>in</strong>gs ist gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />

nicht auszuschliessen, dass den Mitglie<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong>direkt e<strong>in</strong><br />

materieller Vorteil zukommt. Daher ist <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall zu prüfen, ob<br />

die vergleichsweise strengen Voraussetzungen erfüllt s<strong>in</strong>d, welche die<br />

MEIER-HAYOZ / FORSTMOSER, <strong>Schweiz</strong>erisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage Bern 1998,<br />

§ 16 N 29 ff.<br />

671 Entscheid <strong>der</strong> Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 14. April 1999, VPB 63<br />

(1999), S. 865 ff. In diesem Entscheid werden auch die übrigen Voraussetzungen von<br />

Art. 14 Ziff. 11 MWSTV aufgezählt, vgl. dazu <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e a.a.O. S. 872 f.<br />

672 Vgl. dazu S. 149.<br />

205


Eidgenössische Steuerrekurskommission im Zusammenhang mit Art. 14<br />

Ziff. 11 MWSTV aufgestellt hat.<br />

206


XVII. Auflösung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters<br />

1. Die Auflösung gemäss ZGB<br />

Das Gesetz sieht drei Auflösungsarten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n vor: Die Auflösung<br />

durch Vere<strong>in</strong>sbeschluss (Art. 76 ZGB), die Auflösung von Gesetzes<br />

wegen bei Zahlungsunfähigkeit des Vere<strong>in</strong>s 673 o<strong>der</strong> bei Unmöglichkeit<br />

<strong>der</strong> statutengemässen Bestellung des Vorstandes (Art. 77 ZGB)<br />

sowie die Auflösung durch richterliches Urteil bei wi<strong>der</strong>rechtlichem o<strong>der</strong><br />

unsittlichem Zweck (Art. 78 ZGB). Weiter kann statutarisch die Auflösung<br />

bei E<strong>in</strong>tritt bestimmter Umstände vorgesehen werden, ohne dass<br />

e<strong>in</strong> zusätzlicher Beschluss gefasst werden muss.<br />

Wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> aufgelöst wird, verliert er se<strong>in</strong>e Rechtspersönlichkeit<br />

nicht unmittelbar mit dem E<strong>in</strong>tritt des Auflösungsgrundes, son<strong>der</strong>n erst,<br />

wenn ke<strong>in</strong>e Aktiven und Verpflichtungen mehr vorhanden s<strong>in</strong>d. Der<br />

Vere<strong>in</strong> tritt zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Liquidationsphase, <strong>in</strong> welcher sich se<strong>in</strong>e<br />

Tätigkeit auf die Durchführung <strong>der</strong> Liquidation beschränkt. Dabei muss<br />

je<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Namen den Zusatz „<strong>in</strong> Liquidation“ beifügen, auch<br />

wenn er nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist (Art. 739 Abs. 1 OR<br />

i.V. m. Art. 58 ZGB und Art. 913 Abs. 1 OR). 674<br />

E<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>sbeschluss, <strong>in</strong> welchem die Zahlungsunfähigkeit des Vere<strong>in</strong>s<br />

festgestellt wird, hat dieselben Wirkungen wie die amtliche Feststellung<br />

<strong>der</strong>selben. Die privatrechtliche Liquidation, welche auf den<br />

Auflösungsbeschluss folgt, erfolgt nach den Regeln <strong>der</strong> Aktiengesellschaft.<br />

Gemäss Art. 743 Abs. 2 OR haben die Liquidatoren das Gericht<br />

zu benachrichtigen, sobald sie e<strong>in</strong>e Überschuldung feststellen. Dieses hat<br />

den Konkurs zu eröffnen. Im Ergebnis kann so auch über e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>,<br />

<strong>der</strong> nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist, <strong>der</strong> Konkurs eröffnet werden,<br />

wenn er <strong>in</strong>solvent ist. 675<br />

673 Vgl. zu diesem Begriff FN 600 und ausführlich URS SCHERRER, Kommentar zu<br />

Art. 77 ZGB N 3 ff., Basel 1996. In <strong>der</strong> Praxis s<strong>in</strong>d kaum Fälle bekannt, <strong>in</strong> welchen e<strong>in</strong><br />

Vere<strong>in</strong> wegen Zahlungsunfähigkeit aufgelöst worden ist (DERS., Auflösung und Liquidation<br />

e<strong>in</strong>es Sportvere<strong>in</strong>s, SpuRt 1998, S. 212, mit Besprechung e<strong>in</strong>es Entscheides des Gerichtspräsidenten<br />

5 des Gerichtskreises Biel-Nidau vom 18.05.1998 betreffend den Eishockey-Club<br />

Biel).<br />

674 DERS., Kommentar zu Art. 76 ZGB N 3 f., Basel 1996.<br />

675 Art. 58 ZGB verweist auf das Genossenschaftsrecht, welches wie<strong>der</strong>um auf das Recht<br />

<strong>der</strong> Aktiengesellschaft weiterverweist. Art. 743 Abs. 2 OR ist anwendbar, auch wenn die<br />

Zahlungsunfähigkeit i.S.v. Art. 77 ZGB nicht mit <strong>der</strong> Überschuldung i.S.d. aktienrechtli-<br />

207


Die Liquidation des Vermögens e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s erfolgt unabhängig von<br />

e<strong>in</strong>er allfälligen Handelsregistere<strong>in</strong>tragung nach den aktienrechtlichen<br />

Bestimmungen (Art. 739 ff. OR). Diese Regeln s<strong>in</strong>d grundsätzlich zw<strong>in</strong>gend,<br />

es sei denn, es ergeben sich aus <strong>der</strong> unterschiedlichen Ausgestaltung<br />

des Vere<strong>in</strong>s im Vergleich zur Aktiengesellschaft Beson<strong>der</strong>heiten.<br />

Abweichend geregelt ist für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> die Vermögensverwendung nach<br />

<strong>der</strong> Liquidation. Diesbezüglich gilt Art. 57 ZGB: Allfällig verbleibendes<br />

Vermögen geht an das Geme<strong>in</strong>wesen, sofern die Statuten o<strong>der</strong> die zuständigen<br />

Organe nichts an<strong>der</strong>es bestimmen. 676<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Die Bestimmung von Art. 78 ZGB, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit wi<strong>der</strong>rechtlichem<br />

677 o<strong>der</strong> unsittlichem Zweck auf Klage h<strong>in</strong> aufzulösen s<strong>in</strong>d, enthält<br />

e<strong>in</strong>en Grundsatz, <strong>der</strong> auch für die Körperschaften des OR gilt. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

wird postuliert, die Aufhebung solcher Körperschaften sei angesichts<br />

<strong>der</strong> im Handelsrecht wichtigen Bestandes- und Verkehrsschutz<strong>in</strong>teressen<br />

als ultima ratio anzusehen. 678 Der Grundsatz, dass die<br />

Auflösung als ultima ratio zu betrachten sei, gilt auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters.<br />

Im Gegensatz zum Aktienrecht und zum Recht <strong>der</strong> Gesellschaft mit<br />

beschränkter Haftung ist im Vere<strong>in</strong>srecht ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Klage auf<br />

Auflösung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s aus wichtigem Grund vorgesehen. Nach Ansicht<br />

<strong>der</strong> herrschenden Lehre kann e<strong>in</strong>e solche Klagemöglichkeit auch<br />

nicht <strong>in</strong> den Statuten vorgesehen werden. Die Mitglie<strong>der</strong> haben aus dem<br />

Vere<strong>in</strong> auszutreten, während dieser bestehen bleibt, o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />

Vere<strong>in</strong>sbeschluss herbeizuführen. 679 Die Auflösungsklage aus<br />

wichtigem Grund, wie sie im OR vorgesehen ist, dient dem Schutz von<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten vor schwerem Missbrauch durch die Mehrheit. Im Zuge<br />

chen Bestimmung übere<strong>in</strong>stimmt. Vgl. dazu DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong><br />

Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 171 ff.<br />

676<br />

DIES., a.a.O., S. 173 und mit ausführlicher Darstellung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Schritte <strong>der</strong> Liquidation<br />

S. 258 ff.<br />

677<br />

Selbst bei Ablehnung <strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit wirtschaftlichem Zweck ist<br />

e<strong>in</strong> solcher Zweck nicht wi<strong>der</strong>rechtlich i.S.v. Art. 78 ZGB: URS SCHERRER, Kommentar<br />

zu Art. 78 ZGB N 4, Basel 1996, mit H<strong>in</strong>weisen auf RIEMER und BGE 100 III 19.<br />

678<br />

CLAIRE HUGUENIN JACOBS, Kommentar zu Art. 57/58 ZGB N 8 f., Basel 1996. Vgl.<br />

etwa Art. 746 Ziff. 4 OR für die Aktiengesellschaft: Bei <strong>der</strong> Behandlung e<strong>in</strong>er Klage von<br />

Aktionären auf Auflösung <strong>der</strong> Gesellschaft kann das Gericht auch auf e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e sachgemässe<br />

und den Beteiligten zumutbare Lösung erkennen.<br />

679<br />

URS SCHERRER, a.a.O. N 6; HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79 ZGB<br />

N 29, Bern 1990, mit Verweisen.<br />

208


<strong>der</strong> Revision des Aktienrechts s<strong>in</strong>d die Anfor<strong>der</strong>ungen an die entsprechende<br />

Klage herabgesetzt worden, was zeigt, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

diese Klage als wichtig erachtet. 680 M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutz kann auch bei<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong> ebenso berechtigtes Anliegen<br />

se<strong>in</strong> wie bei Kapitalgesellschaften. Es muss daher zulässig se<strong>in</strong>, dass<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>e entsprechende Auflösungsklage<br />

<strong>in</strong> den Statuten vorsehen können. Wie im Aktienrecht muss dabei das<br />

Gericht die Möglichkeit haben, weniger e<strong>in</strong>greifende Massnahmen anzuordnen.<br />

In <strong>der</strong> Praxis wird es dann immer noch dem e<strong>in</strong>zelnen Mitglied<br />

überlassen se<strong>in</strong>, ob es nicht den weniger aufreibenden Weg des Austritts<br />

aus dem Vere<strong>in</strong> wählt.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass die privatrechtliche Liquidation e<strong>in</strong>es<br />

Vere<strong>in</strong>s bereits nach geltendem Recht nach den Bestimmungen des Aktienrechts<br />

zu erfolgen hat, ergeben sich für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters betreffend das Verfahren ke<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten. Es ist an<br />

dieser Stelle e<strong>in</strong>zig darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass gemäss Art. 740 Abs. 3 OR<br />

bei Zahlungsunfähigkeit des Vere<strong>in</strong>s auch die Gläubiger die Möglichkeit<br />

haben, die E<strong>in</strong>setzung von Liquidatoren zu verlangen, wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />

die Liquidation nicht vornimmt. 681 Zur konkursrechtlichen Liquidation<br />

sei auf die Ausführungen im nachfolgenden Kapitel verwiesen.<br />

3. Grossvere<strong>in</strong>e<br />

Auch <strong>in</strong> Grossvere<strong>in</strong>en 682 ist <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutz e<strong>in</strong> wichtiges<br />

Anliegen. Die Möglichkeit, statutarisch e<strong>in</strong>e Auflösungsklage aus wichtigem<br />

Grund vorzusehen, muss deshalb auch für solche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten.<br />

680 CHRISTOPH STÄUBLI, Kommentar zu Art. 736 OR N 17 ff., Basel 1994.<br />

681 Vgl. auch Entscheid des Gerichtspräsidenten 5 des Gerichtskreises Biel-Nidau vom<br />

18.05.1998 betreffend den Eishockey-Club Biel, <strong>in</strong>: SpuRt 1998, S. 212 f., mit Anmerkungen<br />

von URS SCHERRER.<br />

682 Vgl. dazu S. 123.<br />

209


XVIII. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters im<br />

Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren<br />

1. Betreibung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />

Obwohl es <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> sehr viele <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gibt, treten sie im Betreibungs-<br />

und Konkurswesen verhältnismässig wenig <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung. 683<br />

Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, auch für solche wirtschaftlichen Charakters, gelten grundsätzlich<br />

die allgeme<strong>in</strong>en Regeln des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes.<br />

Je<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen ist, sei es gestützt<br />

auf Art. 61 Abs. 2 ZGB o<strong>der</strong> freiwillig, unterliegt <strong>der</strong> Konkursund<br />

Wechselbetreibung (Art. 39 Abs. 1 Ziff. 11 SchKG). 684 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die<br />

nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, unterliegen grundsätzlich <strong>der</strong><br />

Betreibung auf Pfändung. Bei nicht e<strong>in</strong>getragenen e<strong>in</strong>tragungspflichtigen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n kann jedoch <strong>der</strong> Gläubiger bei <strong>der</strong> Handelsregisterführung die<br />

E<strong>in</strong>tragung des Vere<strong>in</strong>s verlangen, was zur Unterstellung des Vere<strong>in</strong>s<br />

unter die Konkursbetreibung führt, sobald die E<strong>in</strong>tragung erfolgt ist. 685<br />

Gemäss Art. 46 SchKG s<strong>in</strong>d <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen<br />

s<strong>in</strong>d, an ihrem Sitz, nicht e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> am Ort ihrer tatsächlichen<br />

Verwaltung zu betreiben. Dies ist <strong>der</strong> Ort, an welchem <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong><br />

mit dem Zentrum se<strong>in</strong>er laufenden Verwaltung Dritten gegenüber tatsächlich<br />

<strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt. 686<br />

683<br />

HANS MICHAEL RIEMER, Vere<strong>in</strong> und SchKG, BlSchKG 42 (1978), S. 130.<br />

684<br />

DERS., a.a.O., S. 132 f.<br />

685<br />

Bis zur erfolgten E<strong>in</strong>tragung ist jedoch nur e<strong>in</strong>e Betreibung auf Pfändung möglich,<br />

Art. 57 Abs. 2 HRV; BGE 61 III 43 f.; HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O., S. 133.<br />

686<br />

DERS., ST vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB N 615, Bern 1990. Nach RIEMER soll<br />

bei nicht e<strong>in</strong>getragenen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n <strong>der</strong> statutarische Sitz <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall für die Bestimmung<br />

des Betreibungsortes massgebend se<strong>in</strong>. Dies kann dazu führen, dass Betreibungsort und<br />

Gerichtsstand ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>fallen, was nicht sehr s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t. RIEMER beruft sich auf<br />

den zw<strong>in</strong>genden Charakter von Art. 46 SchKG und den Grundsatz <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit des Betreibungsortes.<br />

Die Statuten e<strong>in</strong>es nicht e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d nicht unbed<strong>in</strong>gt allen<br />

Gläubigern zugänglich, während für die Bestimmung des Ortes <strong>der</strong> Verwaltung alle<br />

Gläubiger dieselbe Ausgangslage haben. – Undurchsichtige Sitz- und Verwaltungsverhältnisse<br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s können laut <strong>der</strong> Rechtsprechung e<strong>in</strong>en Arrest gemäss Art. 271 Ziff. 1<br />

o<strong>der</strong> 4 SchKG rechtfertigen (a.a.O. N 628; Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom<br />

8.03.1976, bestätigt durch das Appellationsgericht Basel-Stadt am 18.06.1976, <strong>in</strong> BJM<br />

1976, S. 337 f.: Zu beurteilen war e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>en statutarischen Sitz sowie se<strong>in</strong><br />

Domizil <strong>in</strong> Basel hatte, ohne jedoch am Domizil über Mobiliar o<strong>der</strong> Akten zu verfügen.<br />

Sämtliche zeichnungsberechtigten Organe waren im Ausland wohnhaft, zum Teil aus <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> ausgewiesen worden. Das Gericht kam zum Schluss, bei dieser Sachlage bestehe<br />

210


Zum pfändbaren Vermögen bzw. zur Konkursmasse e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s<br />

gehören sämtliche Aktiven des Vere<strong>in</strong>s, e<strong>in</strong>e Ausscheidung von Kompetenzstücken<br />

ist ausgeschlossen. 687 Zu den Vere<strong>in</strong>saktiven gehören<br />

auch die Ansprüche des Vere<strong>in</strong>s gegenüber se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n, namentlich<br />

noch nicht geleistete Mitglie<strong>der</strong>beiträge. 688 Obwohl sich die Gläubiger<br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s primär an den Vere<strong>in</strong> halten müssen, kann es aufgrund<br />

von Art. 131 o<strong>der</strong> Art. 260 SchKG im Stadium <strong>der</strong> Verwertung <strong>der</strong> Aktiven<br />

des Vere<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>em direkten For<strong>der</strong>ungsrecht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sgläubiger<br />

gegen die Mitglie<strong>der</strong> kommen. Um das diesbezügliche Risiko für die<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Grenzen zu halten, s<strong>in</strong>d die Mitglie<strong>der</strong>beiträge i.S.v. Art. 71<br />

Abs. 1 ZGB statutarisch <strong>in</strong> genügen<strong>der</strong> Höhe festzusetzen. 689<br />

2. Konkursgründe und Konkursverfahren<br />

Ohne vorgängige Betreibung kann gegen jeden Vere<strong>in</strong> die Konkurseröffnung<br />

verlangt werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 190 Abs.<br />

1 Ziff. 1 SchKG erfüllt s<strong>in</strong>d. 690 Bei E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> Zahlungen kann<br />

ausserdem, wie<strong>der</strong>um ohne vorgängige Betreibung, gegen im Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG die<br />

Konkurseröffnung verlangt werden. Schliesslich können <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> selbst<br />

die Konkurseröffnung verlangen, wenn sie sich beim Gericht für zahlungsunfähig<br />

i.S.v. Art. 191 SchKG erklären. 691 Art. 192 SchKG be-<br />

ke<strong>in</strong>e Gewähr dafür, dass <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> für se<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dlichkeiten von se<strong>in</strong>en Gläubigern <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> belangt werden könne.). – Zur Zustellung <strong>der</strong> Betreibungsurkunden an im<br />

Handelsregister e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> vgl. Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG, für nicht e<strong>in</strong>getragene<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> Art. 65 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />

687<br />

BGE 63 III 17 (Fussballclub Solothurn, 1937): Der Fussballclub wollte sich auf e<strong>in</strong> öffentliches<br />

Interesse an se<strong>in</strong>em Fortbestand berufen und machte geltend, es könnten ihm<br />

ke<strong>in</strong>e für se<strong>in</strong>e Existenz unentbehrlichen Vermögensstücke gepfändet werden. Vgl. auch<br />

HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB N 624, Bern 1990.<br />

688<br />

Zum Konkurs e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s mit persönlicher Haftung o<strong>der</strong> Nachschusspflicht <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> vgl. unten S. 213.<br />

689<br />

HANS MICHAEL RIEMER, a.a.O. N 625. Vgl. dazu bereits die Ausführungen S. 155 ff. –<br />

H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> persönlichen Haftung und <strong>der</strong> Nachschusspflicht ist e<strong>in</strong>e Abtretung des<br />

Anspruches gestützt auf Art. 260 SchKG bei analoger Anwendung <strong>der</strong> VGeK ausgeschlossen<br />

(Art. 4 Abs. 4 VGeK), vgl. dazu unten S. 213.<br />

690<br />

DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich<br />

1994, S. 161 f., geht davon aus, dass diese Bestimmung für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> kaum praktische<br />

Bedeutung hat, es sei denn Organe nehmen <strong>in</strong> Ausübung ihres Amtes deliktische Handlungen<br />

zum Nachteil <strong>der</strong> Gläubiger vor o<strong>der</strong> verheimlichen Vermögensbestandteile bei<br />

e<strong>in</strong>er Pfändung.<br />

691<br />

Vgl. zur Zahlungsunfähigkeit URS SCHERRER, Kommentar zu Art. 77 ZGB N 7 f., Basel<br />

1996; DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e,<br />

211


stimmt ausserdem für Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, dass<br />

<strong>der</strong> Konkurs <strong>in</strong> denjenigen Fällen ohne vorgängige Betreibung eröffnet<br />

werden kann, <strong>in</strong> welchen das OR dies vorsieht. Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d diejenigen<br />

Fälle, <strong>in</strong> welchen die Gesellschaft bei Überschuldung verpflichtet ist,<br />

„die Bilanz zu deponieren“. Im Zusammenhang mit dem Gläubigerschutz<br />

wurde ausgeführt, dass die entsprechenden Regeln – im S<strong>in</strong>ne des<br />

VERRG – auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters gelten müssen.<br />

692 Entsprechend ist Art. 192 SchKG auch auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters auszudehnen. 693<br />

Der Konkursort für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters bef<strong>in</strong>det sich<br />

am Betreibungsort gemäss Art. 46 SchKG. 694<br />

Die konkursrechtliche Liquidation von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters ist grundsätzlich nicht beson<strong>der</strong>s auszugestalten; es rechtfertigen<br />

sich jedoch zwei Abweichungen vom Gesetzeswortlaut: Art. 213<br />

Abs. 4 SchKG schliesst entgegen <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Regel von Abs. 1 aus,<br />

dass e<strong>in</strong> Mitglied e<strong>in</strong>er konkursiten Kommanditgesellschaft, Aktiengesellschaft,<br />

Kommanditaktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung o<strong>der</strong> Genossenschaft se<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ungen gegen die Gesellschaft<br />

mit Beiträgen verrechnen darf, welche <strong>der</strong> Gesellschaft geschuldet s<strong>in</strong>d.<br />

Die Bestimmung dient dem Schutz des Haftungssubstrats <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

welches für die Gesellschaftsgläubiger von grosser Bedeutung<br />

ist. 695 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> werden <strong>in</strong> Art. 213 Abs. 4 SchKG nicht erwähnt. Aufgrund<br />

des Gesetzeswortlautes besteht daher die Möglichkeit, dass Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />

For<strong>der</strong>ungen gegen den konkursiten Vere<strong>in</strong> mit noch<br />

nicht e<strong>in</strong>bezahlten Mitglie<strong>der</strong>beiträgen und Nachschusspflichten 696 ver-<br />

Diss. Zürich 1994, S. 169; HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79 ZGB<br />

N 17 ff., Bern 1990.<br />

692 Vgl. dazu S. 191.<br />

693 Dies wurde vom Bundesgericht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entscheid vom 18.02.1980 i.S. Multihôtels-<br />

Club getan: Der Multihôtels-Club hatte als Zweck „de garantir à ses membres des vacances<br />

dans des résidences hôtelières de grand stand<strong>in</strong>g“ (SemJud 103 [1981], S. 46 ff.). – Nach<br />

Ansicht von DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und Sportvere<strong>in</strong>e,<br />

Diss. Zürich 1994, S. 52, 144 f., steht <strong>der</strong> Konkursaufschub, wie er für die Aktiengesellschaft,<br />

die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Genossenschaft im OR vorgesehen<br />

ist, für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> als Sanierungs<strong>in</strong>strument h<strong>in</strong>gegen nicht zur Verfügung. Gemäss<br />

Art. 66 VERRG soll diese Möglichkeit jedoch auch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>geführt werden. Bis<br />

zum Inkrafttreten des RRG ersche<strong>in</strong>t es s<strong>in</strong>nvoll, diese Regelung für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters analog <strong>der</strong> entsprechenden Bestimmung des Aktienrechts zuzulassen.<br />

694 ERNST F. SCHMID, Kommentar zu Art. 46 SchKG N 14, Basel 1998. Zu den Problemen<br />

im Zusammenhang mit dem Betreibungsort vgl. oben S. 210.<br />

695 STÄUBLI / DUBACHER, Kommentar zu Art. 213 SchKG N 5 und 27 ff., Basel 1998.<br />

696 Beachte zur Behandlung von Nachschüssen die nachfolgenden Ausführungen.<br />

212


echnen. Aufgrund <strong>der</strong> Bedeutung des Haftungssubstrats bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

wirtschaftlichen Charakters ist e<strong>in</strong>e Ausdehnung von Art. 213 Abs. 4<br />

SchKG auf solche s<strong>in</strong>nvoll. <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters sollten<br />

diesbezüglich nicht an<strong>der</strong>s behandelt werden als die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesetzesbestimmung<br />

ausdrücklich genannten Gesellschaften. 697<br />

Die zweite Abweichung betrifft <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die e<strong>in</strong>e persönliche Haftung<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Nachschusspflicht vorsehen. Art. 873 OR enthält<br />

beson<strong>der</strong>e Bestimmungen für den Konkurs entsprechen<strong>der</strong> Genossenschaften.<br />

Die Bestimmung wird konkretisiert durch die Verordnung<br />

des Bundesgerichts über den Genossenschaftskonkurs (VGeK): Die Gesellschaftsgläubiger<br />

nehmen nicht erst nach abgeschlossenem Konkursverfahren<br />

die e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuell <strong>in</strong> Anspruch, son<strong>der</strong>n die<br />

Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> wird bereits im Konkurs <strong>der</strong> Gesellschaft durch<br />

die Konkursverwaltung geltend gemacht. E<strong>in</strong>zelangriffe und Regresse<br />

gegen die Mitglie<strong>der</strong> werden dadurch zurückgedrängt. Die Gesellschaftsgläubiger<br />

werden im Konkurs <strong>der</strong> Gesellschaft besser gestellt, weil sie<br />

ohne grossen zusätzlichen Aufwand die haftenden Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehmen können. Für die haftenden Mitglie<strong>der</strong> ergibt sich <strong>in</strong>sofern<br />

ebenfalls e<strong>in</strong>e Besserstellung, als sie sich bei solidarischer Verpflichtung<br />

weniger um Regressansprüche für une<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gliche Beiträge<br />

kümmern müssen; die Verteilung <strong>der</strong> Ansprüche erfolgt bereits im Rahmen<br />

des gesetzlich geregelten Umlageverfahrens. Bei anteilsmässiger<br />

Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d diese E<strong>in</strong>zelangriffen höchstens nach<br />

durchgeführtem Gesellschaftskonkurs ausgesetzt. 698 Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bestehen<br />

ke<strong>in</strong>e entsprechenden Bestimmungen; es ist jedoch s<strong>in</strong>nvoll, diejenigen<br />

zur Genossenschaft unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten des<br />

Vere<strong>in</strong>srechts entsprechend anzuwenden, zumal sich daraus sowohl für<br />

die Gläubiger als auch für die Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> Vorteile ergeben. 699<br />

3. Belangbarkeit von Organen und Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n nach<br />

durchgeführtem Vere<strong>in</strong>skonkurs<br />

Grundsätzlich besteht – abgesehen von allfälligen Ansprüchen aus <strong>der</strong><br />

Verletzung von Handlungspflichten bei Liquidationsproblemen o<strong>der</strong><br />

sonstigen Verantwortlichkeitsansprüchen gegen die Organe – ke<strong>in</strong>e Ge-<br />

697 Zur Bedeutung von Art. 213 Abs. 4 SchKG für die Genossenschaft vgl. STÄUBLI /<br />

DUBACHER, Kommentar zu Art. 213 SchKG N 28, Basel 1998.<br />

698 HANS NIGG, Kommentar zu Art. 873 OR N 1, Basel 1994.<br />

699 In diesem S<strong>in</strong>ne auch HANS MICHAEL RIEMER, ST vor Kommentar zu Art. 60-79 ZGB<br />

N 626 f. und Kommentar zu Art. 71 ZGB N 16, Bern 1990.<br />

213


fahr, dass die Organe o<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> nach Abschluss des Konkurses<br />

über den Vere<strong>in</strong> noch persönlich belangt werden.<br />

An dieser Stelle muss jedoch darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, dass e<strong>in</strong><br />

durchgeführter und abgeschlossener Konkurs über e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n ke<strong>in</strong>e absolute Sicherheit<br />

bietet, solange die Zulässigkeit solcher <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> umstritten ist. In BGE<br />

100 III 19 (Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung, 1974) 700 hatte das Bundesgericht<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rekursverfahren zu beurteilen, ob <strong>der</strong> gegen die<br />

Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung durchgeführte Konkurs nichtig war.<br />

E<strong>in</strong>e Gläubiger<strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung hatte sich auf den Standpunkt<br />

gestellt, die Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung Bern und Umgebung verfolge e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen<br />

Zweck und sei daher als e<strong>in</strong>fache Gesellschaft zu betrachten,<br />

über die ke<strong>in</strong> Konkurs eröffnet werden kann. Das Bundesgericht<br />

kam unter an<strong>der</strong>em aus verfahrensrechtlichen Gründen zum Schluss, das<br />

Konkursverfahren sei rechtmässig und müsse zu Ende geführt werden.<br />

Es wies jedoch ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>, die Frage, ob <strong>der</strong> Tiefkühlvere<strong>in</strong>igung<br />

die Rechtspersönlichkeit zukomme, sei mit dem Rekursentscheid<br />

nicht rechtskräftig entschieden. Die Gläubiger könnten immer<br />

noch e<strong>in</strong>zelne Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong> belangen, worauf das Zivilgericht frei<br />

darüber bef<strong>in</strong>den könne, ob diese als e<strong>in</strong>fache Gesellschafter persönlich<br />

und solidarisch haftbar seien.<br />

4. Verwertung von Mitgliedschaftsrechten im Betreibungso<strong>der</strong><br />

Konkursverfahren gegen Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />

Wenn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>smitglied auf Pfändung betrieben o<strong>der</strong> wenn über e<strong>in</strong><br />

Vere<strong>in</strong>smitglied <strong>der</strong> Konkurs eröffnet wird, so fallen allfällige f<strong>in</strong>anzielle<br />

Ansprüche des Mitgliedes gegenüber dem Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> das pfändbare Vermögen<br />

bzw. <strong>in</strong> die Konkursmasse. Von beson<strong>der</strong>em Interesse s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

diesem Zusammenhang allfällige Ansprüche des Mitgliedes auf Vere<strong>in</strong>svermögen<br />

und die diesbezüglichen Auswirkungen auf den Vere<strong>in</strong>. 701<br />

Das Genossenschaftsrecht enthält für diesen Fall beson<strong>der</strong>e Bestimmungen<br />

702 : Falls die Statuten e<strong>in</strong>er Genossenschaft e<strong>in</strong>em ausscheiden-<br />

700 Vgl. dazu S. 53.<br />

701 Vgl. diesbezüglich Art. 104 SchKG und Art. 132 SchKG, die Regelungen betreffend<br />

die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gesellschaftsgut enthalten. Gemäss<br />

ANDRÉ E. LEBRECHT, Kommentar zu Art. 104 SchKG N 6, Basel 1998, gilt diese Bestimmung<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>.<br />

702 Beson<strong>der</strong>e Bestimmungen bestehen auch für die e<strong>in</strong>fache Gesellschaft (Art. 544 Abs. 2<br />

i.V.m. Art. 545 OR), die Kollektivgesellschaft (Art. 572 Abs. 2 i.V.m. Art. 575 OR), die<br />

214


den Mitglied e<strong>in</strong>en Anteil am Vermögen <strong>der</strong> Genossenschaft e<strong>in</strong>räumen,<br />

so kann das entsprechende Austrittsrecht vom Betreibungsamt bzw. von<br />

<strong>der</strong> Konkursverwaltung geltend gemacht werden (Art. 845 OR). Die<br />

Geltendmachung des Austrittsrechts dient <strong>der</strong> Verfügbarmachung des<br />

Vermögensanspruches des Mitgliedes für dessen Gläubiger. 703 Die Bestimmung<br />

kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Vermögensrechte<br />

<strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> nicht <strong>in</strong> Anteilsche<strong>in</strong>en verurkundet<br />

s<strong>in</strong>d. 704 Die Möglichkeit <strong>der</strong> Austrittserklärung durch das<br />

Betreibungsamt o<strong>der</strong> die Konkursverwaltung ist gemäss Bundesgericht<br />

zw<strong>in</strong>gend; sie kann nicht statutarisch ausgeschlossen werden. E<strong>in</strong>e Statutenbestimmung,<br />

welche Genossenschaftsanteile als unübertragbar und<br />

unverpfändbar erklärt, ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang nicht beachtlich. 705<br />

Das Vere<strong>in</strong>srecht enthält demgegenüber ke<strong>in</strong>e Bestimmung, die explizit<br />

die Möglichkeit <strong>der</strong> Austrittserklärung durch das Betreibungsamt bzw.<br />

die Konkursverwaltung vorsieht. Der Gesetzgeber ist wohl nicht davon<br />

ausgegangen, dass sich bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n unter Umständen lohnende Ansprüche<br />

für ausscheidende Mitglie<strong>der</strong> ergeben können. 706 Die Frage, ob<br />

die Bestimmungen des Genossenschaftsrechts auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> analog angewendet<br />

werden sollten, hängt jedoch nicht eng zusammen mit <strong>der</strong> Frage<br />

<strong>der</strong> Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

besteht ke<strong>in</strong> Zusammenhang mit <strong>der</strong> Problematik des Schutzes <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sgläubiger.<br />

Die entsprechenden Bestimmungen des Genossenschaftsrechts<br />

führen e<strong>in</strong>zig zu e<strong>in</strong>er Besserstellung <strong>der</strong> Gläubiger des Gesellschaftsmitgliedes,<br />

nicht jedoch <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sgläubiger. Daher g<strong>in</strong>ge es zu<br />

weit, ohne gesetzliche Grundlage die Möglichkeit <strong>der</strong> Geltendmachung<br />

des Austrittsrechts durch die Betreibungs- und Konkursbehörden zu<br />

for<strong>der</strong>n. Denn das Recht auf Entscheidung über Austritt o<strong>der</strong> Verbleib<br />

gehört gerade bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n zu den Persönlichkeitsrechten des Mitglieds<br />

und stellt e<strong>in</strong>en wesentlichen Aspekt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfreiheit dar.<br />

Anstatt <strong>der</strong> Erklärung des Austrittes besteht bei <strong>der</strong> Genossenschaft<br />

auch die Möglichkeit, dass das Anteilsrecht versteigert wird, was aller-<br />

Kommanditgesellschaft (Art. 613 Abs. 2 OR) und die Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung (Art. 793 OR).<br />

703<br />

E<strong>in</strong>e ähnliche Regelung enthalten Art. 793 ff. OR für die Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung. Für diese sieht das Gesetz jedoch zusätzlich die Möglichkeit <strong>der</strong> zwangsweisen<br />

Auflösung <strong>der</strong> Gesellschaft vor.<br />

704<br />

MAGDALENA RUTZ, Kommentar zu Art. 132 SchKG N 56, Basel 1998.<br />

705<br />

BGE 84 III 21.<br />

706<br />

Zur Frage, ob ausscheidende Mitglie<strong>der</strong> überhaupt e<strong>in</strong>en Anspruch auf Vere<strong>in</strong>svermögen<br />

haben können, vgl. die Ausführungen S. 180.<br />

215


d<strong>in</strong>gs bei statutarisch vorgesehener Unübertragbarkeit <strong>der</strong> Genossenschaftsanteile<br />

ausgeschlossen ist. Die Versteigerung des Anteilsrechts<br />

verleiht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Erwerb <strong>der</strong> Mitgliedschaft.<br />

Der Ersteigerer erwirbt lediglich die aus <strong>der</strong> Mitgliedschaft fliessenden<br />

geldwerten For<strong>der</strong>ungsrechte, also <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e den Anspruch auf allfällige<br />

Ausschüttungen gemäss Art. 859 Abs. 3 OR und auf e<strong>in</strong>en allfälligen<br />

Liquidationsanteil gemäss Art. 913 Abs. 2 und 3 OR. Für die Aufnahme<br />

als Mitglied s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>zig die statutarischen<br />

Bestimmungen massgebend, wobei gemäss Bundesgericht ke<strong>in</strong> klagbarer<br />

Anspruch auf Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Genossenschaft besteht, selbst wenn<br />

die aufnahmewillige Person sämtliche statutarischen Voraussetzungen<br />

erfüllt 707 . 708 Ob im übrigen die Bestimmungen <strong>der</strong> Verordnung des Bundesgerichts<br />

über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Geme<strong>in</strong>schaftsvermögen<br />

(VVAG) auf die Genossenschaft Anwendung f<strong>in</strong>den<br />

sollen, ist umstritten. 709 H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong><br />

Versteigerung vermögenswerter Rechte, welche sich aus <strong>der</strong> Mitgliedschaft<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> ergeben können, bestehen weniger grundsätzliche<br />

Bedenken als im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er allfälligen Austrittserklärung<br />

durch die Konkursverwaltung. Sie sollte daher auch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n möglich<br />

se<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs ist zu betonen, dass bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n nur unter ganz restriktiven<br />

Voraussetzungen e<strong>in</strong> Anspruch auf Aufnahme als Mitglied bestehen<br />

kann. 710 Die Ersteigerung e<strong>in</strong>es Anteils an e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> darf<br />

daher nicht zu e<strong>in</strong>em Anspruch auf Aufnahme führen.<br />

707 Vgl. dazu S. 171.<br />

708 MAGDALENA RUTZ, Kommentar zu Art. 132 SchKG N 57, Basel 1998.<br />

709 Gemäss Wortlaut von Art. 1 VVAG kommt die Verordnung auf Anteile am Vermögen<br />

von ungeteilten Erbschaften, Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>schaften, Kollektivgesellschaften, Kommanditgesellschaften<br />

o<strong>der</strong> ähnlichen Geme<strong>in</strong>schaften zur Anwendung. In <strong>der</strong> Literatur wird teilweise<br />

die Me<strong>in</strong>ung vertreten, die VVAG könne nicht auf juristische Personen angewendet<br />

werden. Zum Teil wird immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e analoge, im Ermessen <strong>der</strong> Behörden liegende Anwendung<br />

zum<strong>in</strong>dest für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung befürwortet; zum Teil<br />

wird dafür plädiert, unter die „ähnlichen Geme<strong>in</strong>schaften“ falle etwa die Gesellschaft mit<br />

beschränkter Haftung. Vgl. diesbezüglich die H<strong>in</strong>weise bei MAGDALENA RUTZ, a.a.O. N 2<br />

und 50.<br />

710 Vgl. diesbezüglich S. 167 ff.<br />

216


XIX. Fusion und Umwandlung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

wirtschaftlichen Charakters<br />

1. Die Fusion und Umwandlung im allgeme<strong>in</strong>en<br />

Im geltenden Recht s<strong>in</strong>d Fusionen und Umwandlungen von Gesellschaften<br />

nur sehr rudimentär geregelt. Spaltungen s<strong>in</strong>d gar unzulässig. 711<br />

Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> enthält das geltende Recht ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen.<br />

Das Bundesgericht hat dennoch bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n schon lange Fusionen<br />

zugelassen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis fanden auch diverse Umwandlungen statt. 712 In<br />

e<strong>in</strong>em jüngeren Grundsatzentscheid hat das Bundesgericht <strong>in</strong> Bestätigung<br />

<strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Handelsregisterbehörden generelle Regeln für die<br />

Zulässigkeit von Fusionen und Umwandlungen aufgestellt: Die beteiligten<br />

Rechtsformen müssen grundsätzlich kompatibel se<strong>in</strong>, die vermögensmässige<br />

und die mitgliedschaftliche Kont<strong>in</strong>uität müssen gewahrt<br />

werden und <strong>der</strong> beabsichtigte Vorgang darf die direkten o<strong>der</strong> potentiellen<br />

Interessen <strong>der</strong> Gläubigerschaft nicht bee<strong>in</strong>trächtigen. 713<br />

De lege ferenda werden im Fusionsgesetz die Fusion, Umwandlung,<br />

Spaltung und Vermögensübertragung umfassend für alle Gesellschaftsformen<br />

geregelt. Dabei werden die oben genannten Grundsätze betreffend<br />

die Zulässigkeitsvoraussetzungen übernommen. Der Entwurf zum<br />

Fusionsgesetz enthält ausdrückliche und abschliessende Bestimmungen,<br />

welche Arten von Umstrukturierungen für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> zulässig s<strong>in</strong>d.<br />

Gemäss Art. 4 EFusG können im Handelsregister e<strong>in</strong>getragene <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

als übertragende Gesellschaften mit Kapitalgesellschaften und Genossenschaften<br />

(Absorption) und als übernehmende Gesellschaften mit<br />

711 Vgl. die Übersicht <strong>in</strong> Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung,<br />

Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000,<br />

BBl 2000, S. 4340 und die H<strong>in</strong>weise bei LANZ /TRIEBOLD, Der Rechtskleidwechsel e<strong>in</strong>es<br />

Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft, SZW 2000, S. 58 f.<br />

712 Vgl. etwa BGE 53 II 1. Vgl. zur Praxis <strong>der</strong> Handelsregisterbehörden auch Stellungnahme<br />

des Eidgenössischen Amts für das Handelsregister vom 8. Februar 1999 zur Umwandlung<br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft, Reprax 1999, S. 47 ff. und Stellungnahme<br />

des Handelsregisteramts des Kantons Zürich vom 8. Februar 1999 zum konkreten<br />

Vorgehen bei <strong>der</strong> Umwandlung e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft, a.a.O., S. 51 f.<br />

Weitere Ausführungen f<strong>in</strong>den sich bei HANS MICHAEL RIEMER, Kommentar zu Art. 76-79<br />

ZGB N 71 ff., Bern 1990, DOROTHE SCHERRER-BIRCHER, <strong>Wirtschaftliche</strong> Rezession und<br />

Sportvere<strong>in</strong>e, Diss. Zürich 1994, S. 81 f. und LANZ /TRIEBOLD, a.a.O., S. 57 ff.<br />

713 BGE 125 III 18; vgl. auch Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion,<br />

Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000,<br />

a.a.O., S. 4341.<br />

217


Genossenschaften ohne Anteilsche<strong>in</strong>e fusionieren (Absorption). 714 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

die nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, können lediglich mit<br />

an<strong>der</strong>en <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n fusionieren (Absorption und Komb<strong>in</strong>ation).<br />

Die zulässigen Fusionen decken sich mit den zulässigen Umwandlungen,<br />

denn e<strong>in</strong>e rechtsformüberschreitende Fusion kann stets zerlegt<br />

werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Umwandlung <strong>der</strong> Rechtsform <strong>der</strong> übertragenden Gesellschaft<br />

und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e anschliessende Fusion zwischen Gesellschaften <strong>der</strong><br />

gleichen Rechtsform. 715 Entsprechend zulässig s<strong>in</strong>d gemäss Art. 54<br />

EFusG die Umwandlung e<strong>in</strong>es im Handelsregister e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>s<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kapitalgesellschaft o<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Genossenschaft und die Umwandlung<br />

e<strong>in</strong>er Genossenschaft ohne Anteilsche<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en im Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>.<br />

Gemäss Art. 30 EFusG soll die Spaltung nur für Kapitalgesellschaften<br />

und Genossenschaften zulässig se<strong>in</strong>, nicht jedoch für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Diesen<br />

steht lediglich das Rechts<strong>in</strong>stitut <strong>der</strong> Vermögensübertragung offen, mit<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlich gesehen e<strong>in</strong> ähnliches Resultat erzielt werden kann. 716<br />

Folgende Vermögensübertragungen s<strong>in</strong>d gemäss Art. 69 EFusG zulässig:<br />

Die Vermögensübertragung durch e<strong>in</strong>en im Handelsregister e<strong>in</strong>getragenen<br />

Vere<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>getragenen o<strong>der</strong> nicht e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong>,<br />

auf e<strong>in</strong>e Kapitalgesellschaft, Genossenschaft o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelfirma<br />

und die Übertragung durch e<strong>in</strong>e im Handelsregister e<strong>in</strong>getragene Gesellschaft<br />

o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelfirma auf e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>getragenen o<strong>der</strong> nicht e<strong>in</strong>getragenen<br />

Vere<strong>in</strong>.<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Der Entwurf zum Fusionsgesetz enthält diverse Bestimmungen für<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>. Obwohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Botschaft verschiedentlich darauf h<strong>in</strong>gewiesen<br />

wird, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> bestehen, welche nicht dem Idealbild<br />

des Gesetzgebers des ZGB entsprechen, wird <strong>in</strong> diesen Bestimmungen<br />

nicht auf die Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters<br />

e<strong>in</strong>gegangen.<br />

714 Die Übernahme e<strong>in</strong>er Kapitalgesellschaft durch e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> wurde entgegen vere<strong>in</strong>zelten<br />

For<strong>der</strong>ungen im Vernehmlassungsverfahren als nicht zulässig bestimmt, da e<strong>in</strong>e<br />

entsprechende Fusion zur Folge hätte, dass das Aktien- o<strong>der</strong> Stammkapital verschw<strong>in</strong>den<br />

würde (Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung<br />

und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4395).<br />

715 Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />

Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, a.a.O., S. 4394.<br />

716 A.a.O., S. 4433.<br />

218


Art. 13 Abs. 2 EFusG enthält Son<strong>der</strong>bestimmungen für Fusionen<br />

zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. Bei solchen Fusionen muss <strong>der</strong> Fusionsvertrag die<br />

Rechte nicht aufzählen, welche die übernehmende Gesellschaft den Inhabern<br />

von Son<strong>der</strong>rechten, von Anteilen ohne Stimmrecht o<strong>der</strong> von<br />

Genusssche<strong>in</strong>en gewährt. Der Fusionsvertrag muss auch ke<strong>in</strong>e Modalitäten<br />

betreffend den Umtausch allfälliger Anteile enthalten, muss sich<br />

nicht über die Abmachungen betreffend den Anspruch auf e<strong>in</strong>en allfälligen<br />

Anteil am Bilanzgew<strong>in</strong>n aussprechen und muss ke<strong>in</strong>e Angaben über<br />

e<strong>in</strong>e allfällige Abf<strong>in</strong>dung enthalten, welche den Mitglie<strong>der</strong>n anstelle von<br />

Anteils- o<strong>der</strong> Mitgliedschaftsrechten angeboten wird. In <strong>der</strong> Botschaft<br />

wird diesbezüglich lediglich festgehalten, bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n sei <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht<br />

ke<strong>in</strong>e Regelung erfor<strong>der</strong>lich. 717 Damit wird implizit davon ausgegangen,<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> sähen ke<strong>in</strong>e Anteilsche<strong>in</strong>e und ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Bilanzgew<strong>in</strong>ne<br />

vor. In <strong>der</strong> Praxis ersche<strong>in</strong>t diese Annahme namentlich für<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters als nicht gerechtfertigt. Für solche<br />

sollten ke<strong>in</strong>erlei E<strong>in</strong>schränkungen betreffend den Inhalt des Fusionsvertrags<br />

bestehen. Bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche ke<strong>in</strong>e Anteilsche<strong>in</strong>e und ke<strong>in</strong>en<br />

Anspruch auf den Bilanzgew<strong>in</strong>n vorsehen, ergibt sich von selbst, dass<br />

<strong>der</strong> Fusionsvertrag ke<strong>in</strong>e entsprechenden Bestimmungen enthält.<br />

Gemäss Art. 14 Abs. 5 EFusG muss bei <strong>der</strong> Fusion zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

ke<strong>in</strong> Fusionsbericht erstellt werden. Der Fusionsbericht, <strong>der</strong> für die<br />

übrigen Fusionen zw<strong>in</strong>gend vorgeschrieben ist, dient <strong>der</strong> Information<br />

<strong>der</strong> Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong> und namentlich dem Schutz von M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten,<br />

gibt aber auch Auskunft über die Folgen <strong>der</strong> Fusion für die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer. Er stellt e<strong>in</strong>e wesentliche Grundlage<br />

für die Willensbildung dar. In <strong>der</strong> Botschaft wird die Ausnahme für die<br />

Fusion zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit dem bestehenden Austrittsrecht <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />

begründet. 718 Dieses mag für herkömmliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ausreichen,<br />

für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters ersche<strong>in</strong>t die Regelung<br />

jedoch wenig sachgerecht. Die E<strong>in</strong>schränkung von Art. 14 Abs. 2<br />

EFusG für KMU vermag die Fälle von herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n abzudecken,<br />

bei welchen sich <strong>der</strong> Verzicht aus praktischen Überlegungen<br />

rechtfertigt.<br />

Gemäss Art. 20 Abs. 2 EFusG muss <strong>der</strong> Fusionsbeschluss bei <strong>der</strong> Fusion<br />

zwischen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n entgegen <strong>der</strong> sonstigen Regeln nicht öffentlich<br />

beurkundet werden. Der Botschaft lassen sich die Gründe für diesen<br />

717 Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />

Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4409 f.<br />

718 A.a.O., S. 4410.<br />

219


Verzicht nicht entnehmen. 719 Die Lösung für die übrigen Fusionen wird<br />

jedoch damit begründet, dass die öffentliche Beurkundung des Fusionsbeschlusses<br />

<strong>der</strong> Rechtssicherheit diene: Sie ermöglicht die zweifelsfreie<br />

Feststellung des Zeitpunkts und des Inhalts des Beschlusses. Das geltende<br />

Vere<strong>in</strong>srecht kennt im Gegensatz zum Recht <strong>der</strong> Kapitalgesellschaften<br />

ke<strong>in</strong>e Bestimmungen, dass Auflösungsbeschlüsse öffentlich beurkundet<br />

werden müssen. Allerd<strong>in</strong>gs ersche<strong>in</strong>t es gerade auch bei<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters s<strong>in</strong>nvoll, dass Zeitpunkt und Inhalt<br />

des Fusionsbeschlusses klar festgehalten werden. Dies gilt namentlich<br />

für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, die nicht im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d, da <strong>der</strong>en Fusion<br />

mit dem Vorliegen des Fusionsbeschlusses aller beteiligten <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wirksam wird. Es ist zu überlegen, ob nicht e<strong>in</strong>e Ausnahmeregelung<br />

sachgerechter wäre, welche auf das Kriterium KMU abgestützt wird.<br />

Der Botschaft lässt sich nicht entnehmen, weshalb Spaltungen für<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> nicht zulässig s<strong>in</strong>d. Der Gesetzgeber liess sich von <strong>der</strong> Überlegung<br />

leiten, dass bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong><br />

mit dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> mitgliedschaftlichen Kont<strong>in</strong>uität (den Gesellschafter<strong>in</strong>nen<br />

und Gesellschaftern <strong>der</strong> übertragenden Gesellschaft<br />

müssen zw<strong>in</strong>gend Anteils- o<strong>der</strong> Mitgliedschaftsrechte an <strong>der</strong> übernehmenden<br />

Gesellschaft zugewiesen werden) 720 kollidieren können. Dieses<br />

Problem stellt sich bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, ersche<strong>in</strong>t bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

wirtschaftlichen Charakters jedoch ke<strong>in</strong> Grund für die Unzulässigkeit<br />

<strong>der</strong> Spaltung, solange den Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n – analog zur Regelung <strong>der</strong><br />

Fusion (Art. 19 EFusG) – e<strong>in</strong> Austrittsrecht zugestanden wird. Die für<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters zulässigen Spaltungen sollten dabei<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Kompatibilität <strong>der</strong> Gesellschaftsformen analog den<br />

zulässigen Fusionsvorgängen geregelt werden (vgl. Art. 4 Abs. 4<br />

EFusG).<br />

719 Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und<br />

Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4419 f.<br />

720 A.a.O., S. 4433 f.<br />

220


XX. Anwendbares Recht im <strong>in</strong>ternationalen Verhältnis<br />

Auf <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> ist nach den Regeln des schweizerischen <strong>in</strong>ternationalen<br />

Privatrechts schweizerisches Recht anwendbar, sofern sie sich nach<br />

schweizerischem Recht organisiert haben (Art. 154 IPRG). 721 Die Kollisionsregeln<br />

des IPRG gehen von e<strong>in</strong>em bewusst weit gefassten Gesellschaftsbegriff<br />

aus. Erfasst werden alle organisierten Personenzusammenschlüsse,<br />

unabhängig von allfälligem Gew<strong>in</strong>nstreben o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Verfolgung wirtschaftlicher o<strong>der</strong> nichtwirtschaftlicher Ziele. 722 <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

die gemäss Gesetz zur E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister verpflichtet<br />

s<strong>in</strong>d, weil sie e<strong>in</strong> kaufmännisches Gewerbe betreiben, entstehen bereits<br />

vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung. Daher fallen sie bereits vor ihrer E<strong>in</strong>tragung unter<br />

Art. 154 Abs. 1 IPRG. 723 Selbst wenn e<strong>in</strong> Personenzusammenschluss<br />

wegen Unzulässigkeit <strong>der</strong> Zweck-Mittel-Verb<strong>in</strong>dung als e<strong>in</strong>fache Gesellschaft<br />

qualifiziert würde, so unterstünde er als solche wie<strong>der</strong>um den Re-<br />

721 Allerd<strong>in</strong>gs ist zu beachten, dass bei e<strong>in</strong>er Klage, die bei e<strong>in</strong>em nichtschweizerischen<br />

Gericht anhängig gemacht wird, das jeweilige Kollisionsrecht das anwendbare Recht bestimmt.<br />

– <strong>Schweiz</strong>erische Gerichte s<strong>in</strong>d nach schweizerischem Kollisionsrecht für Klagen<br />

betreffend alle Ansprüche gesellschaftsrechtlicher Natur dann zuständig, wenn sich <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

den Statuten bezeichnete Sitz <strong>der</strong> entsprechenden Gesellschaft am Ort des Gerichtes bef<strong>in</strong>det,<br />

bzw. bei Fehlen e<strong>in</strong>es solchen, wenn die Gesellschaft am Ort des Gerichtes verwaltet<br />

wird (Art. 151 IPRG i.V.m. Art. 21 Abs. 2 und Art. 154 IPRG); für Verantwortlichkeitsklagen<br />

besteht e<strong>in</strong> alternativer Gerichtsstand gemäss Art. 151 Abs. 2 IPRG am<br />

schweizerischen Wohnsitz bzw. am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes <strong>der</strong> beklagten<br />

Person (<strong>der</strong> diesbezüglichen E<strong>in</strong>schränkung auf ausländische Gesellschaften, die VON<br />

PLANTA im Kommentar zu Art. 151 IPRG N 7 macht, kann nicht gefolgt werden); für<br />

Klagen, welche die Gesellschaft nicht direkt betreffen, gelten die allgeme<strong>in</strong>en Regeln, so<br />

etwa für Klagen aus Mitglie<strong>der</strong>b<strong>in</strong>dungsverträgen, vgl. dazu ANDREAS VON PLANTA,<br />

Kommentar zu Art. 151 IPRG N 6, Basel 1996. – Das LugÜ sieht ebenfalls die Zuständigkeit<br />

des Gerichts am Gesellschaftssitz vor, geht jedoch von e<strong>in</strong>em engeren Begriff <strong>der</strong><br />

gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten aus. Für die <strong>in</strong> Art. 16 Ziff. 2 LugÜ def<strong>in</strong>ierten Klagen<br />

ist <strong>der</strong> Gerichtsstand am Gesellschaftssitz ausschliesslich, für an<strong>der</strong>e gesellschaftsrechtliche<br />

Ansprüche (z.B. Verantwortlichkeitsklagen) s<strong>in</strong>d die übrigen Konventionsgerichtsstände<br />

massgeblich (vgl. dazu FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 151 IPRG<br />

N 1 f., Zürich 1993). – Zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen vgl.<br />

Art. 165 IPRG.<br />

722 Vgl. FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 150 IPRG N 1 ff., Zürich 1993; ANDREAS<br />

VON PLANTA, Vorbemerkungen zu Art. 150-165 IPRG N 2 und Kommentar zu<br />

Art. 150 IPRG N 2, Basel 1996.<br />

723 FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 154 IPRG N 19, Zürich 1993. Wird für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong>e konstitutive Pflicht zur E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister<br />

gefor<strong>der</strong>t, so untersteht e<strong>in</strong> solcher Vere<strong>in</strong> vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung kraft Art. 154<br />

Abs. 2 IPRG ebenfalls dem schweizerischen Recht, falls er tatsächlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

verwaltet wird.<br />

221


geln von Art. 150 ff. IPRG. Die Kollisionsregeln des IPRG für das Gesellschaftsrecht<br />

gelten nämlich auch für e<strong>in</strong>fache Gesellschaften, sofern<br />

sie e<strong>in</strong>e Organisation aufweisen. Dies ist dann <strong>der</strong> Fall, wenn Aufgaben<br />

und Tätigkeiten <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Gesellschaft nach aussen sichtbar <strong>in</strong> den<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er zielgerichteten Ordnung gestellt s<strong>in</strong>d und die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

an bestimmte Verhaltensweisen gebunden ist. 724 E<strong>in</strong> Personenzusammenschluss,<br />

<strong>der</strong> im H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>e Existenz als Vere<strong>in</strong> die entsprechenden<br />

Statuten aufgestellt hat und nach aussen als solcher auftritt,<br />

erfüllt diese Voraussetzungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel. 725<br />

Da das Recht des Inkorporationsortes für das anwendbare Recht entscheidend<br />

ist, ist zu empfehlen, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

<strong>in</strong> ihren Statuten ausdrücklich festhalten, nach welchem Recht sie sich<br />

organisiert haben. Dies gilt beson<strong>der</strong>s für jene Fälle, <strong>in</strong> welchen die<br />

Verwaltung im Ausland erledigt wird o<strong>der</strong> <strong>in</strong> welchen gar <strong>in</strong> bestimmten<br />

Zeit<strong>in</strong>tervallen <strong>der</strong> Ort <strong>der</strong> Verwaltung wechselt. 726 Denn gemäss Art.<br />

154 Abs. 2 IPRG unterstehen Gesellschaften, die sich nicht erkennbar<br />

nach dem Recht e<strong>in</strong>es bestimmten Staates organisiert haben, dem Recht<br />

am Ort <strong>der</strong> tatsächlichen Verwaltung. Je nachdem, wo sich diese bef<strong>in</strong>det,<br />

kann es se<strong>in</strong>, dass dem Vere<strong>in</strong> gemäss anwendbarem Recht ke<strong>in</strong>e<br />

Rechtspersönlichkeit zukommt, wobei sich die Folgen <strong>der</strong> fehlenden<br />

Persönlichkeit wie<strong>der</strong>um nach dem jeweils anwendbaren Recht richten.<br />

727<br />

Das IPRG hat zum Ziel, dem Gesellschaftsstatut e<strong>in</strong>en möglichst umfassenden<br />

Geltungsbereich zu verschaffen. 728 Ist nach IPRG das schweizerische<br />

Recht das Gesellschaftsstatut, so bestimmen sich – gemäss <strong>der</strong><br />

beispielhaften Aufzählung von Art. 155 IPRG – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />

Rechtsnatur <strong>der</strong> Gesellschaft, <strong>der</strong>en Entstehung und Untergang, <strong>der</strong>en<br />

724<br />

FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 150 IPRG N 19 ff., Art. 154 IPRG N 18,<br />

Zürich 1993.<br />

725<br />

Vgl. zu den Anfor<strong>der</strong>ungen im e<strong>in</strong>zelnen DERS., Kommentar zu Art. 150 IPRG<br />

N 23 ff., Zürich 1993. Vgl. auch ANDREAS VON PLANTA, Kommentar zu Art. 150 IPRG<br />

N 18 f., Basel 1996. Kann die Personenverb<strong>in</strong>dung nicht als organisierter Personenzusammenschluss<br />

qualifiziert werden, so kommen gemäss Art. 150 Abs. 2 IPRG die Bestimmungen<br />

über das <strong>in</strong>ternationale Vertragsrecht (Art. 116 ff. IPRG) zur Anwendung.<br />

726<br />

Zu denken ist etwa an sogenannte <strong>in</strong>ternationale Float<strong>in</strong>g-<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, bei welchen z.B.<br />

jedes Jahr das Präsidium von e<strong>in</strong>er Person <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Land wahrgenommen wird<br />

o<strong>der</strong> die ihren Sitz von Zeit zu Zeit neu bestimmen (vgl. als Beispiel die Organisation <strong>in</strong>ternationale<br />

de normalisation [ISO], vorgestellt auf S. 17).<br />

727<br />

FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 154 IPRG N 20 ff., Zürich 1993.<br />

728<br />

Vgl. dazu FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 155 IPRG N 1 f., Zürich 1993.<br />

222


Rechts- und Handlungsfähigkeit, <strong>der</strong>en Name 729 , <strong>der</strong>en Organisation, die<br />

<strong>in</strong>ternen Beziehungen 730 , die Haftung aus Verletzung gesellschaftsrechtlicher<br />

Vorschriften, die Haftung für Schulden <strong>der</strong> Gesellschaft sowie die<br />

Vertretungsverhältnisse 731 nach schweizerischem Recht. 732 H<strong>in</strong>gegen<br />

können Verträge, welche als Ergänzung zu den Statuten etwa unter den<br />

Mitglie<strong>der</strong>n des Vere<strong>in</strong>s abgeschlossen werden 733 – sei es kraft Rechtswahl,<br />

sei es aufgrund <strong>der</strong> Regeln des IPRG – e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Recht als<br />

dem Gesellschaftsstatut unterstehen. 734<br />

Im Aussenverhältnis ist die Parteiautonomie h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Rechtswahlmöglichkeiten<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Schutzbedürfnisse Dritter e<strong>in</strong>geschränkt,<br />

unter Umständen sogar ausgeschlossen. Dabei stellt sich die<br />

Frage, wie streng dies für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters gilt. Für<br />

Kapitalgesellschaften und juristische Personen, die durch E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong><br />

das Handelsregister geschaffen werden, besteht ke<strong>in</strong>e echte Rechtswahlmöglichkeit.<br />

Es wird davon ausgegangen, dass bei solchen Gesellschaften<br />

e<strong>in</strong>e Trennung von Aussen- und Innenverhältnis ausgeschlossen<br />

sei. 735 Das anwendbare Recht wird ausschliesslich aufgrund des<br />

Inkorporationspr<strong>in</strong>zips bestimmt. Für die Kollektiv- und die Kommanditgesellschaft<br />

als flexiblere Rechtsgebilde s<strong>in</strong>d die Rechtswahlmöglichkeiten<br />

h<strong>in</strong>gegen weitergehend. Das Innenverhältnis ist e<strong>in</strong>er Rechtswahl<br />

729<br />

Die Bildung des Namens untersteht gemäss Art. 155 IPRG dem Gesellschaftsstatut.<br />

Der Namensschutz ist h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> Art. 157 IPRG geregelt: Ist <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> im Handelsregister<br />

e<strong>in</strong>getragen, so richtet sich <strong>der</strong> Schutz des Namens nach schweizerischem Recht. Ist<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> nicht e<strong>in</strong>getragen, so richtet sich <strong>der</strong> Schutz des Namens nach dem Recht, das<br />

für Persönlichkeitsverletzungen o<strong>der</strong> für unlauteren Wettbewerb gilt (vgl. FRANK VI-<br />

SCHER, Kommentar zu Art. 157 IPRG N 1 und 6 ff., Zürich 1993; JEGHER / SCHNYDER,<br />

Kommentar zu Art. 157 IPRG, Basel 1996).<br />

730<br />

Darunter fallen nicht Verträge unter den Mitglie<strong>der</strong>n h<strong>in</strong>sichtlich des Verhältnisses <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Das Gesellschaftsstatut ist nur massgebend im Verhältnis zum<br />

Vere<strong>in</strong>; <strong>der</strong> Vertrag als solcher untersteht se<strong>in</strong>em eigenen Statut, vgl. ANDREAS VON<br />

PLANTA, Kommentar zu Art. 155 IPRG N 15, Basel 1996.<br />

731<br />

In diesem Zusammenhang ist auch Art. 158 IPRG zu beachten, <strong>der</strong> die Geltung des<br />

Gesellschaftsstatuts für den Umfang <strong>der</strong> Vertretung im Interesse des Verkehrsschutzes<br />

e<strong>in</strong>schränkt (weiterführend FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 158 IPRG, Zürich 1993;<br />

ROLF WATTER, Kommentar zu Art. 158 IPRG, Basel 1996).<br />

732<br />

Vgl. dazu ausführlich FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 155 IPRG N 3 ff.,<br />

Zürich 1993; ANDREAS VON PLANTA, a.a.O. N 3 ff.<br />

733<br />

Vgl. <strong>in</strong> diesem Zusammenhang etwa die Ausführungen zur vertraglichen Vere<strong>in</strong>barung<br />

von Austrittsgel<strong>der</strong>n S. 178.<br />

734<br />

Vgl. h<strong>in</strong>sichtlich Aktionärb<strong>in</strong>dungsverträgen FRANK VISCHER, Kommentar zu<br />

Art. 150 IPRG N 31 ff., Zürich 1993.<br />

735<br />

So ANDREAS VON PLANTA, Kommentar zu Art. 151 IPRG N 22, Basel 1996.<br />

223


zugänglich, soweit e<strong>in</strong>e Gestaltungsfreiheit besteht, wobei strukturelle<br />

Eigenheiten, die das objektiv anwendbare Recht vorschreibt, vorbehalten<br />

werden müssen. 736 Im Kapitel über die Gründung wurde ausgeführt,<br />

dass für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters e<strong>in</strong> konstitutiver Handelsregistere<strong>in</strong>trag<br />

zu for<strong>der</strong>n ist. 737 Konsequenterweise ist für <strong>der</strong>artige <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

vom Ausschluss von Rechtswahlmöglichkeiten auszugehen.<br />

736 FRANK VISCHER, Kommentar zu Art. 150 IPRG N 31 f., Zürich 1993.<br />

737 S. 132 ff.<br />

224


XXI. Übersicht über die beson<strong>der</strong>en Regeln<br />

1. Methode<br />

Die Ausführungen <strong>in</strong> Teil C zeigen, dass sich de lege lata Regeln formulieren<br />

lassen, welche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters und<br />

Grossvere<strong>in</strong>en gerecht werden.<br />

Die beson<strong>der</strong>en Regeln können durch sachgerechte Auslegung o<strong>der</strong><br />

teleologische Reduktion <strong>der</strong> geschriebenen Regeln des Vere<strong>in</strong>srechts<br />

entwickelt werden, unter Berücksichtigung allgeme<strong>in</strong>gültiger Grundsätze<br />

des Gesellschaftsrechts sowie durch die analoge Anwendung von geschriebenen<br />

und ungeschriebenen Bestimmungen an<strong>der</strong>er Gesellschaftsformen.<br />

Die flankierenden Regeln bieten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch für diejenigen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>nvolle Lösungen, welche gemäss herrschen<strong>der</strong> Lehre aufgrund<br />

<strong>der</strong> Regelung des ZGB une<strong>in</strong>geschränkt zulässig s<strong>in</strong>d: Für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>,<br />

die e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben. Für diese ersche<strong>in</strong>en<br />

die Freiheiten, welche das ZGB im Vere<strong>in</strong>srecht belässt, namentlich<br />

im H<strong>in</strong>blick auf den Gläubigerschutz nicht gerechtfertigt. Aus diesem<br />

Umstand ergibt sich, dass das Erfor<strong>der</strong>nis e<strong>in</strong>er sachgerechten Auslegung<br />

<strong>der</strong> Regeln des ZGB bereits im Gesetz angelegt ist.<br />

De lege ferenda lässt sich zudem durch Unterstellung <strong>der</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters unter das geplante RRG e<strong>in</strong>e weitgehende<br />

Gleichbehandlung mit den Gesellschaften des OR erreichen.<br />

2. Beson<strong>der</strong>heiten für <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters<br />

Zusammenfassend ergeben sich folgende Beson<strong>der</strong>heiten und Ergänzungen<br />

<strong>der</strong> Regeln des ZGB: Im H<strong>in</strong>blick auf den Schutz <strong>der</strong> Gläubiger<strong>in</strong>nen<br />

und Gläubiger muss für sämtliche <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters die E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> das Handelsregister obligatorisch se<strong>in</strong>; de<br />

lege ferenda ist die konstitutive Wirkung des Handelsregistere<strong>in</strong>trages zu<br />

for<strong>der</strong>n. Zudem ist e<strong>in</strong>e Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung,<br />

zur Revision, zur Vornahme bestimmter Handlungen bei Zahlungsunfähigkeit<br />

und zur Anzeige bei Überschuldung analog zu den Regeln <strong>der</strong><br />

Aktiengesellschaft (beziehungsweise nach den Regeln des RRG) anzunehmen.<br />

Das fehlende Grund- o<strong>der</strong> Stammkapital von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wird<br />

durch e<strong>in</strong>e konsequente Anwendung <strong>der</strong> Regeln über die Haftung <strong>der</strong><br />

Organe und die Beitragspflicht kompensiert. Gleiches gilt auch für den<br />

Fall, dass e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> durch die exzessive Vornahme von Gew<strong>in</strong>naus-<br />

225


schüttungen (welche grundsätzlich zulässig s<strong>in</strong>d) se<strong>in</strong>en Gläubiger<strong>in</strong>nen<br />

und Gläubigern Haftungssubstrat entzieht o<strong>der</strong> diese durch die Festsetzung<br />

nicht angemessener Mitglie<strong>der</strong>beiträge benachteiligt. In diesen<br />

Fällen (und allgeme<strong>in</strong> bei e<strong>in</strong>em Verstoss gegen die allgeme<strong>in</strong>en und beson<strong>der</strong>en<br />

Pflichten) haften e<strong>in</strong>erseits die Organpersonen (darunter fallen<br />

unter Umständen auch die Mitglie<strong>der</strong>) bei Verschulden für den entstandenen<br />

Schaden, an<strong>der</strong>erseits haben die Mitglie<strong>der</strong> – im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Mitglie<strong>der</strong>beitrags<br />

– anteilsmässig für die Verb<strong>in</strong>dlichkeiten des Vere<strong>in</strong>s<br />

aufzukommen. 738 Sieht e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> Anteilsche<strong>in</strong>e vor, so muss die auf<br />

diese entfallende Quote beschränkt bleiben, um den Vere<strong>in</strong> für Kapitalanleger<strong>in</strong>nen<br />

und -anleger unattraktiv zu belassen. 739 Im Konkurs gilt<br />

schliesslich e<strong>in</strong> Verbot <strong>der</strong> Verrechnung von For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

gegen den Vere<strong>in</strong> mit geschuldeten Beiträgen und h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Geltendmachung<br />

<strong>der</strong> Haftung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> gelten die Regeln <strong>der</strong> VGeK<br />

analog. 740<br />

Die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> haben <strong>in</strong> <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Gewicht als <strong>in</strong> herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />

Im allgeme<strong>in</strong>en ist die psychische, moralische und soziale Persönlichkeit<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> weniger rasch tangiert; an<strong>der</strong>erseits s<strong>in</strong>d die<br />

wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechte (namentlich das Persönlichkeitsrecht<br />

auf wirtschaftliche Entfaltung) vermehrt zu berücksichtigen. 741<br />

Daraus ergibt sich e<strong>in</strong>e Reihe von Beson<strong>der</strong>heiten, etwa h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />

Aufnahme und des Ausschlusses von Mitglie<strong>der</strong>n. Kann e<strong>in</strong> abgewiesener<br />

Bewerber e<strong>in</strong>e wi<strong>der</strong>rechtliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />

auf wirtschaftliche Entfaltung geltend machen, so kann sich – unter sehr<br />

restriktiven Voraussetzungen – e<strong>in</strong> Anspruch auf Aufnahme <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong><br />

ergeben. Die Berufung auf e<strong>in</strong>e Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />

auf wirtschaftliche Entfaltung kann h<strong>in</strong>gegen im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em<br />

Ausschluss selbst dann erfolgen, wenn aufgrund <strong>der</strong> statutarischen<br />

Ausgestaltung <strong>der</strong> Ausschluss an sich nicht wegen des Grundes angefochten<br />

werden kann. 742 Allgeme<strong>in</strong> ist die Zulässigkeit von Verbandsstrafen<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Beson<strong>der</strong>heiten im Zusammenhang mit den<br />

Persönlichkeitsrechten zu beurteilen. Möchte e<strong>in</strong> Mitglied per sofort aus<br />

e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> wirtschaftlichen Charakters austreten, so kann die Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> Persönlichkeitsrechte bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Zulässigkeit<br />

738<br />

Vgl. dazu S. 182 ff.<br />

739<br />

S. 149 ff.<br />

740<br />

S. 210 ff.<br />

741<br />

S. 144 ff.<br />

742<br />

S. 162 ff.<br />

226


des Austritts zu e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Ergebnis führen, als dies bei herkömmlichen<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n <strong>der</strong> Fall wäre. 743 Die Erschwerung des Austritts durch die<br />

Pflicht zur Bezahlung von Austrittsgel<strong>der</strong>n ersche<strong>in</strong>t zulässig. 744 An<strong>der</strong>erseits<br />

kann <strong>in</strong> den Statuten auch e<strong>in</strong> Anspruch auf das Vere<strong>in</strong>svermögen<br />

vorgesehen werden. 745 Im Zusammenhang mit Stimmrechtsdifferenzierungen<br />

können die Höhe <strong>der</strong> Kapitalbeteiligung o<strong>der</strong> die Grösse o<strong>der</strong><br />

wirtschaftliche Potenz <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong> als sachliche und damit<br />

zulässige Gründe ersche<strong>in</strong>en. Stimmrechtsvere<strong>in</strong>barungen unter den<br />

Mitglie<strong>der</strong>n ersche<strong>in</strong>en eher zulässig als bei herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n. 746<br />

Auch <strong>der</strong> Treuepflicht <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> kommt e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Qualität zu.<br />

Dies hat Auswirkungen auf die Ausgestaltung <strong>der</strong> Auskunftsrechte <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>: Wenn <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> über e<strong>in</strong>e Kontrollstelle verfügt, können<br />

diese weitgehend e<strong>in</strong>geschränkt werden. 747<br />

Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Auflösung von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen<br />

Charakters ersche<strong>in</strong>t es zulässig, dass die Statuten e<strong>in</strong>e Auflösungsklage<br />

aus wichtigem Grund vorsehen. In diesem Fall, aber auch im Fall e<strong>in</strong>es<br />

wi<strong>der</strong>rechtlichen o<strong>der</strong> unsittlichen Zweckes, muss jedoch die Auflösung<br />

als ultima ratio vorbehalten werden. 748<br />

Schliesslich ersche<strong>in</strong>t es s<strong>in</strong>nvoll, auch im geplanten Fusionsgesetz die<br />

Beson<strong>der</strong>heiten von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters zu berücksichtigen.<br />

Diese wirken sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf den Inhalt des Fusionsvertrages,<br />

die Pflicht zur Erstellung e<strong>in</strong>es Fusionsberichts und die Form<br />

des Fusionsbeschlusses aus. Auch ersche<strong>in</strong>t es vertretbar, bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

wirtschaftlichen Charakters die Spaltung zuzulassen. 749<br />

3. Beson<strong>der</strong>heiten für Grossvere<strong>in</strong>e<br />

Für Grossvere<strong>in</strong>e, die ke<strong>in</strong>e <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters darstellen,<br />

ersche<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> formulierten Regeln als Ergänzung zu den<br />

Regeln des ZGB zweckmässig: H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Treuepflicht ergeben<br />

sich ähnliche Abweichungen wie bei <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n wirtschaftlichen Charakters.<br />

750 Entsprechend kann die Ausgestaltung <strong>der</strong> Auskunftsrechte beim<br />

743<br />

Vgl. S. 172 ff.<br />

744<br />

S. 174 ff.<br />

745<br />

S. 180 ff.<br />

746<br />

S. 141 ff.<br />

747<br />

Vgl. S. 153 ff. und S. 138 ff.<br />

748<br />

S. 207 ff.<br />

749<br />

S. 217 ff.<br />

750<br />

S. 155.<br />

227


Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kontrollstelle restriktiv erfolgen. 751 Austrittserschwerungen<br />

ersche<strong>in</strong>en unter Umständen zulässig; es sollte zudem<br />

möglich se<strong>in</strong>, statutarisch e<strong>in</strong>e Auflösungsklage bei Vorliegen wichtiger<br />

Gründe vorzusehen. 752<br />

751 S. 141.<br />

752 Vgl. S. 209.<br />

228


D. Schlussfolgerungen und<br />

Schlussbemerkungen<br />

Die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommenen Untersuchungen haben<br />

gezeigt, dass sich trotz – und sicher auch zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad<br />

gerade wegen – <strong>der</strong> freiheitlichen Ordnung des Vere<strong>in</strong>srechts des ZGB<br />

während <strong>der</strong> hun<strong>der</strong>t Jahre seit dessen Erlass e<strong>in</strong>e Reihe von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n<br />

gebildet haben, welche dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaft zuzuordnen s<strong>in</strong>d.<br />

Teilweise handelt es sich dabei um <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>, welche e<strong>in</strong> kaufmännisches<br />

Unternehmen betreiben o<strong>der</strong> sonstwie erhebliche Vermögenswerte bewegen<br />

beziehungsweise umsetzen.<br />

In <strong>der</strong> Lehre bestand seit jeher e<strong>in</strong>e gewisse Tendenz, diese Ersche<strong>in</strong>ungen<br />

zu ignorieren. Während e<strong>in</strong>zelne <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> im konkreten Fall als<br />

zulässig bezeichnet werden, so wird auf theoretischer Ebene mehrheitlich<br />

<strong>der</strong> Standpunkt vertreten, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> mit „wirtschaftlichem Zweck“<br />

seien unzulässig – im Gegensatz zu <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n, welche ihren „nichtwirtschaftlichen<br />

Zweck“ mit e<strong>in</strong>em „wirtschaftlichen Mittel“ verfolgen.<br />

Diese Ansicht wird damit begründet, e<strong>in</strong>zig die Regeln des OR würden<br />

den Interessen <strong>der</strong> Gläubiger<strong>in</strong>nen und Gläubiger gerecht, wenn e<strong>in</strong>e<br />

Gesellschaft „wirtschaftliche Zwecke“ verfolgt.<br />

Im Gegensatz zur Doktr<strong>in</strong> nimmt die Rechtsprechung schon seit langem<br />

e<strong>in</strong>e wesentlich permissivere und realitätsnähere Haltung e<strong>in</strong>. In e<strong>in</strong>er<br />

grossen Zahl von Entscheiden hat sich manifestiert, dass wirtschaftliche<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> von den Gerichten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als zulässig angesehen<br />

werden. In <strong>der</strong> theoretischen Begründung stellt das Bundesgericht weniger<br />

auf den verfolgten „Zweck“ ab; vielmehr kommt <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong><br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>e wesentliche Bedeutung zu.<br />

In <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesgerichts kommt zum Ausdruck,<br />

dass im H<strong>in</strong>blick auf die Gläubiger<strong>in</strong>teressen nicht das psychologische<br />

Kriterium „Zweck“ entscheidend se<strong>in</strong> muss, son<strong>der</strong>n die Intensität und<br />

<strong>der</strong> Umfang, <strong>in</strong> welchen e<strong>in</strong>e Gesellschaft mit Dritten <strong>in</strong> Kontakt tritt.<br />

Da im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Eruierung des Zwecks <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorie<br />

und namentlich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis grosse Probleme bestehen, ersche<strong>in</strong>t<br />

<strong>der</strong> Ansatzpunkt des Bundesgerichts überzeugen<strong>der</strong> als <strong>der</strong>jenige <strong>der</strong><br />

Doktr<strong>in</strong>. Dieser E<strong>in</strong>druck wird dadurch verstärkt, dass im Laufe <strong>der</strong> Gesetzgebungsarbeiten<br />

die Abgrenzung zwischen „Zweck“ und „Mitteln“<br />

des Vere<strong>in</strong>s und <strong>der</strong>en Def<strong>in</strong>itionen ke<strong>in</strong>eswegs klar waren. H<strong>in</strong>gegen ist<br />

im Gesellschaftsrecht allgeme<strong>in</strong> die Tendenz ersichtlich, die Ausgestal-<br />

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tung <strong>der</strong> Gläubigerschutzbestimmungen von den Aussenkontakten <strong>der</strong><br />

Gesellschaft abhängig zu machen.<br />

Alle diese Umstände führen dazu, dass es – angesichts <strong>der</strong> Regelung<br />

im ZGB, dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong> kaufmännisches Unternehmen betreiben dürfen,<br />

ohne dass beson<strong>der</strong>e Gläubigerschutzbestimmungen greifen – e<strong>in</strong>facher<br />

und sachgerechter ist, <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> unabhängig vom Vorliegen e<strong>in</strong>es<br />

„wirtschaftlichen“ o<strong>der</strong> „nichtwirtschaftlichen“ Zwecks als zulässig zu<br />

behandeln und spezifische Probleme und Beson<strong>der</strong>heiten dadurch zu<br />

berücksichtigen, dass als Ergänzung zu den Bestimmungen des ZGB<br />

flankierende Regeln angewendet werden. Solche flankierenden Regeln<br />

lassen sich durch Auslegung und teleologische Reduktion <strong>der</strong> Bestimmungen<br />

des ZGB f<strong>in</strong>den. Die Basis <strong>der</strong> ergänzenden Regeln kann <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Anwendung von allgeme<strong>in</strong>gültigen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> analogen Anwendung von geschriebenen und ungeschriebenen<br />

Regeln an<strong>der</strong>er Gesellschaftsformen liegen. Zudem führt die Möglichkeit,<br />

<strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> den Regeln des geplanten RRG zu unterstellen, dazu,<br />

dass <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> bestimmten Fragen gleich behandelt werden können, wie<br />

alle übrigen Gesellschaftsformen. Denn das geplante RRG ist so konzipiert,<br />

dass <strong>in</strong> Zukunft rechtsformunabhängige Bestimmungen betreffend<br />

Gläubigerschutz für alle Gesellschaftsformen gelten sollen.<br />

Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit zusammengestellten Regeln sollen<br />

nicht für alle <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> gelten, son<strong>der</strong>n lediglich für sogenannte <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong><br />

wirtschaftlichen Charakters. Darunter werden <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> verstanden, die sich<br />

von den herkömmlichen <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n ohne kaufmännisches Unternehmen<br />

(für welche die Regeln des ZGB une<strong>in</strong>geschränkt passen)<br />

schlagwortartig dadurch unterscheiden, dass sie am Wirtschaftsleben<br />

teilnehmen. Die diesbezüglich massgeblichen Kriterien s<strong>in</strong>d – im<br />

Gegensatz zum verfolgten Zweck – äusserlich wahrnehmbar.<br />

Indem alle <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters als zulässig anerkannt<br />

werden, können verschiedene Probleme überwunden werden, die sich im<br />

Zusammenhang mit dem Kriterium „wirtschaftlicher Zweck“ ergeben.<br />

Die Rechtssicherheit wird namentlich dadurch verbessert, als dass e<strong>in</strong>e<br />

Personenverb<strong>in</strong>dung, die als Vere<strong>in</strong> gegründet wurde, als Vere<strong>in</strong><br />

behandelt wird, auch wenn Probleme auftreten.<br />

Die Schranken <strong>der</strong> Verwendungsmöglichkeiten <strong>der</strong> Gesellschaftsform<br />

Vere<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d bei dieser Lösung im Bereich fundamentaler Pr<strong>in</strong>zipien angesiedelt:<br />

Da <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> Personengesellschaften darstellen, dürfen sie nicht<br />

als Rechtskleid für Gesellschaften verwendet werden, die dem Bereich<br />

<strong>der</strong> Kapitalgesellschaften zuzurechnen s<strong>in</strong>d. Innerhalb <strong>der</strong> Personengesellschaften<br />

unterscheiden sich <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen Charakters von<br />

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den Genossenschaften durch das fehlende Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Selbsthilfe.<br />

Durch die hier vorgeschlagene Lösung wird das Pr<strong>in</strong>zip des numerus<br />

clausus <strong>der</strong> Gesellschaftsformen nicht gesprengt, da <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong> wirtschaftlichen<br />

Charakters durch die Zulässigkeit von <strong>Vere<strong>in</strong>e</strong>n mit kaufmännischem<br />

Unternehmen bereits im Gesetz angelegt ist. Zudem haben die<br />

Untersuchungen gezeigt, dass auch das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Typenb<strong>in</strong>dung nicht<br />

tangiert wird, weil das schweizerische Gesellschaftsrecht diesen Grundsatz<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke nicht kennt.<br />

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