Informationspflichten im E-Commerce
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<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Florian S.Jörg *<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
1. Funktion der <strong>Informationspflichten</strong> .......................... 16<br />
2. Dogmatik der <strong>Informationspflichten</strong> ......................... 17<br />
2.1 Vorvertragliche und vertragliche <strong>Informationspflichten</strong> ......... 17<br />
2.1.1 Vorvertragliche <strong>Informationspflichten</strong> ........................ 18<br />
2.1.2 Vertragliche <strong>Informationspflichten</strong> ........................... 19<br />
2.1.3 Fazit ..................................................... 19<br />
2.2 Klassifizierung der <strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong> ...... 20<br />
2.2.1 Arten von <strong>Informationspflichten</strong> ............................. 20<br />
2.2.2 <strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong> als Aufklärungspflichten . 21<br />
2.3 Vertragliche Aufklärungspflichten als Haupt-, Neben- oder<br />
Verhaltenspflichten ........................................ 22<br />
2.3.1 Entstehung der Lehre vom einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnis<br />
................................................... 22<br />
2.3.2 Übernahme der Theorie vom gesetzlichen Schuldverhältnis in der<br />
Schweiz .................................................. 24<br />
2.3.3 Pflichten des gesetzlichen Schuldverhältnisses ................. 26<br />
2.3.3.1 Hauptpflichten ............................................ 26<br />
2.3.3.2 Nebenleistungs- und Nebenpflichten ......................... 27<br />
2.3.3.3 Verhaltenspflichten ........................................ 28<br />
2.3.4 Auswirkungen der Lehre vom gesetzlichen Schuldverhältnis auf<br />
die Aufklärungspflichten ................................... 29<br />
2.3.4.1 Differenzierung nach dem Inhalt der Aufklärungspflichten: Systematisierung<br />
............................................... 29<br />
2.3.4.2 Differenzierung nach den einzelnen Stadien der rechtsgeschäftlichen<br />
Beziehung ........................................... 31<br />
2.3.4.3 Differenzierung nach Entstehungsgrund ...................... 32<br />
2.4 Rechtsfolgen bei Verletzung der Aufklärungspflichten .......... 33<br />
2.4.1 Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten ................. 33<br />
2.4.2 Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten .............. 34<br />
2.4.3 Verletzung nachvertraglicher Aufklärungspflichten ............. 37<br />
2.4.4 Normierte Verletzungsfolgen ................................ 38<br />
2.5 Fazit ..................................................... 38<br />
3. <strong>Informationspflichten</strong> der E-<strong>Commerce</strong>- und der Fernabsatz-<br />
Richtlinie ................................................ 38<br />
3.1 Übersicht ................................................ 38<br />
3.2 <strong>Informationspflichten</strong> nach der RLEC ........................ 40<br />
* Der Autor dankt seinen Assistenten Kurt Berger und Miriana Emanuelefür ihre<br />
Hilfe sowie den RA Oliver Arter, Evelyn Grob, Dr. Maja Jösler und Michael Noth<br />
für die kritische Durchsicht.<br />
15
Florian S. Jörg<br />
3.2.1 Art.5: Allgemeine <strong>Informationspflichten</strong> ...................... 40<br />
3.2.2 Kommerzielle Kommunikation: Art. 6 und 7 .................. 42<br />
3.2.3 Art.8: Reglementierte Berufe ............................... 43<br />
3.2.4 Art.10: <strong>Informationspflichten</strong> bei Abschluss von Verträgen über<br />
das Internet ............................................... 43<br />
3.2.5 Rechtsfolgen bei Verletzung der <strong>Informationspflichten</strong> der<br />
RLEC ................................................... 44<br />
3.3 Informations- und Bestätigungspflichten der RLFA ............ 44<br />
3.3.1 Art.4: Vorvertragliche <strong>Informationspflichten</strong> .................. 45<br />
3.3.1.1 Inhalt .................................................... 45<br />
3.3.1.2 Einzelfragen .............................................. 46<br />
3.3.2 Art.5: (Nach-)Vertragliche Bestätigungspflicht ................. 47<br />
3.3.3 Sprache insbesondere ...................................... 48<br />
3.3.4 Rechtsfolgen bei Verletzung der <strong>Informationspflichten</strong> der<br />
RLFA ................................................... 49<br />
3.4 Bewertung der <strong>Informationspflichten</strong> der EU .................. 50<br />
4. Aufklärungspflichten für Fernabsatzgeschäfte in der Schweiz .... 51<br />
4.1 Überblick ................................................ 51<br />
4.2 Aufklärungspflichten de lege lata ............................ 52<br />
4.3 Vertragliche Aufklärungspflichten des OR de lege ferenda ...... 54<br />
4.3.1 Inhalt der Aufklärungspflichten ............................. 54<br />
4.3.2 Folgen bei Verletzung der vertraglichen Aufklärungspflichten . . . 55<br />
4.4 Vorvertragliche Aufklärungspflichten gemäss Revision des<br />
UWG .................................................... 56<br />
4.4.1 Im allgemeinen Fernabsatz ................................. 57<br />
4.4.2 Im elektronischen Geschäftsverkehr ......................... 58<br />
4.4.3 Rechtsfolgen bei Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten<br />
...................................................... 59<br />
4.5 Modalitäten der Aufklärungspflichten ........................ 60<br />
4.5.1 Rechtzeitigkeit der Information ............................. 60<br />
4.5.2 Örtliche Platzierung der Information ......................... 61<br />
5. Fazit ..................................................... 62<br />
6. Anhang: Checkliste Aufklärungspflichten ..................... 63<br />
Literaturverzeichnis .................................................... 67<br />
1. Funktion der <strong>Informationspflichten</strong><br />
Es ist grundsätzlich Sache jeder Vertragspartei, die für die Beurteilung eines<br />
anstehenden Geschäfts notwendigen Informationen 1 selber zu beschaffen.<br />
Dieser Grundsatz der Privatautonomie wird unter anderem 2 auch durch das<br />
1 Grundlegend zu «Information» siehe Druey, Information, 3 ff.<br />
2 Neben z.B. Art.19f. OR, 226aff. OR etc.<br />
16
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Konsumentenrecht durchbrochen, indem es dem Anbieter <strong>Informationspflichten</strong><br />
3 auferlegt 4 . Dadurch soll die Transparenz erhöht und der Wissensvorsprung<br />
des Anbieters sowie die daraus resultierende Ungleichgewichtslage<br />
zwischen den Parteien ausgeglichen werden 5 . Insofern bewirken <strong>Informationspflichten</strong><br />
eine Verringerung des Risikos des Konsumenten, aufgrund<br />
eines Wissensdefizites Schaden zu erleiden 6 . Das diesen <strong>Informationspflichten</strong><br />
zugrunde liegende Transparenzgebot treibt seine Blüten in<br />
den Richtlinien der EU und neuerdings auch in zunehmendem Masse in der<br />
Schweiz 7 .<br />
2. Dogmatik der <strong>Informationspflichten</strong><br />
Bevor auf die einzelnen konkreten <strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
eingegangen wird, stellen sich dogmatische Fragen betreffend Einordnung<br />
und Rechtsfolgen bei Verletzung der verschiedenen Pflichten, wobei auf die<br />
Theorie vom gesetzlichen Schuldverhältnis abgestellt wird. Dies ist insbesondere<br />
deshalb von Bedeutung, weil für die de lege ferenda vorgesehenen<br />
vertraglichen und vorvertraglichen <strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong> 8<br />
nur teilweise Verletzungsfolgen normiert worden sind.<br />
2.1 Vorvertragliche und vertragliche<br />
<strong>Informationspflichten</strong><br />
<strong>Informationspflichten</strong> werden in «vorvertragliche», «vertragliche» und<br />
«nachvertragliche» 9 unterteilt 10 . Die Unterscheidung betont das zeitliche<br />
3 Zum Begriff der Pflicht z.B. Hartmann, N2f.<br />
4 Koller-Tumler, E-Banking, 154. Beispiele: Konsumenteninformationsgesetz und<br />
Konsumkreditgesetz (hinten Fn 239 und 241). Zu den Begriffen 2.1.<br />
5 Arter/Jörg/Gnos, 291f., mit weiteren Hinweisen; Koller-Tumler, E-Banking, 154f.;<br />
Hartmann, N 18. Zu den rechtlichen Funktionen von Information auch Druey, Information,<br />
115, 161 und 232.<br />
6 Abegglen, 47.<br />
7 Vgl. dazu unten 4.<br />
8 Siehe unten 4.<br />
9 Beispiele sind Informationen über nachträglich festgestellte schädigende Auswirkungen<br />
von vertriebenen Produkten (Warnpflichten), Verfügbarkeit von Updates etc.<br />
Nachvertragliche <strong>Informationspflichten</strong> sind <strong>im</strong> Bereich des E-<strong>Commerce</strong> weniger von<br />
Bedeutung.<br />
10 Gegen die Unterteilung in vorvertragliche und vertragliche Aufklärungspflichten votiert<br />
Abegglen, 131ff., mit dem Einwand, die Differenzierung sei «fragwürdig». Dem<br />
17
Florian S. Jörg<br />
Element: Vorvertragliche <strong>Informationspflichten</strong> müssen <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />
den vertraglichen <strong>Informationspflichten</strong> vor Abschluss eines Vertrages erbracht<br />
werden 11 .<br />
2.1.1 Vorvertragliche <strong>Informationspflichten</strong><br />
Die Aufnahme von Vertragsverhandlungen führt zwischen den Parteien zur<br />
Annahme einer rechtlichen Sonderbeziehung mit verschiedener Intensität<br />
12 . Diese begründet ein erhöhtes Vertrauensverhältnis und verpflichtet<br />
die Beteiligten gemäss Art.2 ZGB vor Abschluss eines Vertrages zu einem<br />
Verhalten nach Treu und Glauben 13 . Zudem auferlegt dieses Vertrauensverhältnis<br />
den Beteiligten gewisse <strong>Informationspflichten</strong> 14 , welche als «vorvertraglich»<br />
bezeichnet werden 15 . Vorvertragliche <strong>Informationspflichten</strong> können<br />
sich auch aus einer ausdrücklichen Gesetzesvorschrift ergeben 16 . Auch<br />
ist entgegenzuhalten, dass die Rechtsfolgen bei Verletzung von Verhaltenspflichten<br />
(vorvertragliche Aufklärungspflichten) und Nebenpflichten (meist vertragliche Aufklärungspflichten)<br />
unterschiedlich ausfallen, weil das vorvertragliche Verhältnis eine<br />
geringere Intensität aufweist als das vertragliche. Weiter sind die vorvertraglichen Aufklärungspflichten<br />
<strong>im</strong> Unterschied zu den vertraglichen vom Parteiwillen unabhängig.<br />
Schliesslich nehmen auch diverse Gesetze die Unterteilung ebenfalls vor und knüpfen<br />
unterschiedliche Rechtsfolgen daran (z.B. Art.4 des Bundesgesetzes über Pauschalreisen<br />
vom 18.Juni 1993, PauRG, SR 944.3 oder der Entwurf zum Bundesgesetz über den<br />
elektronischen Geschäftsverkehr).<br />
11 Hartmann, N 8ff. Die Bezeichnung leitet sich nicht vom «Vorvertrag», sondern von<br />
der Zeitspanne vor dem Vertrag ab: Hartmann, N 12. «Vertraglich» bezeichnet deshalb<br />
nicht Aufklärungspflichten, die aus einem Vertrag herrühren, sondern solche, die<br />
zeitlich mit oder nach Vertragsschluss entstehen. Siehe auch hinten 2.3.4.3.<br />
12 Zur Frage der Intensität der gegenseitigen Beziehungen als Kriterium für Aufklärungspflichten<br />
Breidenbach, 52ff.<br />
13 Vgl. Guhl/Koller, § 2 N 25; vgl. auch Baumann, Kommentar, N 165ff. zu Art. 2;<br />
Druey, Information, 232ff. und 313ff.; Hartmann, N 51 ff.<br />
14 Nach Gasser, M-<strong>Commerce</strong>, 23, führt die Sonderverbindung zu allgemeinen Verhaltenspflichten<br />
in Form von u.a. auch Aufklärungspflichten.<br />
15 Gauch/Schluep/Schmid, N 957ff.; Weber, E-<strong>Commerce</strong>, 332; Weber/Jöhri, 51 f.;<br />
Rollinger, 31ff. Vgl. auch Frick, 42ff. Eine eigene Katalogisierung der vorvertraglichen<br />
Aufklärungspflichten schlägt Hartmann, N 29ff., vor. Siehe zu den vorvertraglichen<br />
Aufklärungspflichten auch Wahrenberger, 1ff.<br />
16 Z. B. Hartmann, N 50. Siehe die ausführliche und teilweise abweichende Übersicht<br />
über die Entstehungsgründe und Rechtsgrundlagen der Aufklärungspflichten bei<br />
Abegglen, 50ff.; zur culpa in contrahendo als Rechtsgrundlage insbesondere 71 ff. Beispiele<br />
für vorvertragliche Aufklärungspflichten gemäss ausdrücklicher gesetzlicher<br />
Vorschrift sind die Waren- und Dienstleistungsdeklaration gemäss Art. 2 KIG<br />
(Fn 239), die Deklarationspflichten der Preisbekanntgabeverordnung (Fn 235) und die<br />
Information des Konsumenten «vor Vertragsschluss» in Art. 4 PauRG (Fn 10).<br />
18
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
das Bundesgericht anerkennt in gewissen Fällen eine vorvertragliche Informationspflicht<br />
17 .<br />
2.1.2 Vertragliche <strong>Informationspflichten</strong><br />
«Vertraglich» bezeichnet nicht den Entstehungsgrund, sondern den Entstehungszeitpunkt<br />
18 der Informationspflicht kurz vor oder nach dem Vertragsschluss.<br />
Vertragliche <strong>Informationspflichten</strong> müssen sich demnach nicht<br />
zwingend aus einem Vertrag ergeben. Sie werden teilweise vom Gesetz 19<br />
oder in Parteivereinbarungen 20 ausdrücklich vorgesehen, ergeben sich aber<br />
auch häufig nur ungeschrieben und unausgesprochen aus dem Grundsatz<br />
von Treu und Glauben und der Vertragsergänzung aus Art.2 ZGB 21 . Auch<br />
das Bundesgericht leitet sie aus der allgemeinen Treuepflicht ab 22 . Ausdrückliche<br />
(kaufrechtliche) vertragliche <strong>Informationspflichten</strong> bestehen in<br />
der Schweiz de lege lata nur in Spezialgesetzen 23 .<br />
2.1.3 Fazit<br />
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> Fernabsatz können je nach Zeitpunkt, an dem sie<br />
erbracht werden müssen, vertraglich, vor- oder nachvertraglich ausgestaltet<br />
sein, wobei Letztere von geringerer Bedeutung sind. Im Folgenden wird untersucht,<br />
um welche Unterart der <strong>Informationspflichten</strong> es sich bei denjenigen<br />
des E-<strong>Commerce</strong> handelt.<br />
17 BGE 108 II 313: Das Bundesgericht hielt in diesem Entscheid fest, dass die sich aus<br />
Art.2 ZGB ergebende Aufklärungspflicht sachlich nicht unbegrenzt ist und bis anhin<br />
nur <strong>im</strong> Verhältnis späterer Vertragspartner untereinander bejaht wurde. Zudem verwies<br />
das Bundesgericht auf BGE 105 II 79f. E. 2a und 102 II 84.<br />
18 Im Unterschied zu «vorvertraglichen» Aufklärungspflichten, welche vor dem Vertragsschluss<br />
entstehen.<br />
19 Z.B. Preisbekanntgabeverordnung (Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen<br />
vom 11.Dezember 1978, SR 942.211); Art. 11 BEHG. Siehe auch Abegglen, 80.<br />
20 Abegglen, 76f.<br />
21 Vgl. Guhl/Koller, § 2 N 25; vgl. zum Ganzen auch Baumann, Kommentar, N 165ff.<br />
zu Art.2; Druey, Information, 232ff. und 313ff. Vgl. zu den vertraglichen Aufklärungspflichten<br />
nach traditioneller Sicht auch Abegglen, 75 und zu Art. 2 ZGB insbesondere<br />
78ff.<br />
22 BGE 115 II 65; Wiegand, E-Mail, 251ff.<br />
23 Siehe 4.2. Vgl. auch Eidg. Kommission für Konsumentenfragen (EKK), Empfehlung,<br />
4.<br />
19
Florian S. Jörg<br />
2.2 Klassifizierung der <strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong><br />
E-<strong>Commerce</strong><br />
2.2.1 Arten von <strong>Informationspflichten</strong><br />
Die Terminologie und Systematik der <strong>Informationspflichten</strong> als Neben(leistungs)pflichten<br />
sind in der schweizerischen Lehre uneinheitlich 24 . «Informations-<br />
und Mitteilungspflichten» werden vorliegend als Überbegriffe verwendet<br />
25 . Nach der hier vertretenen Auffassung umfassen sie Aufklärungs-,<br />
Auskunfts-, Beratungs- und Warnpflichten. Davon abzugrenzen sind die Erkundigungsobliegenheiten<br />
26 .<br />
Aufklärung ist die ohne besonderes Verlangen des Vertragspartners erfolgende<br />
Mitteilung von entscheidungserheblichen Umständen 27 . Die Aufklärungspflicht<br />
beschränkt sich auf die Mitteilung von Tatsachen 28 und allenfalls<br />
Rechtsfolgen. Es ist für die Qualifizierung als Aufklärungspflichten<br />
nicht von Bedeutung, ob später ein Vertrag geschlossen wird 29 , da generell<br />
bezweckt wird, das Ungleichgewicht an Informationen und Marktmacht<br />
zwischen den Kontrahenten auszugleichen 30 . Allerdings ist nicht geklärt,<br />
24 So auch Wiegand/Berger, Euro, 1292. Siehe auch Arter/Jörg, <strong>Informationspflichten</strong>,<br />
57f.; Abegglen, 3f.; Guhl/Koller, § 2 N 25ff.; Baumann, Kommentar, N 165ff. zu<br />
Art.2; Merz, Kommentar, N 270 zu Art.2; Moser/Berger, 548ff.; Breidenbach, 4.<br />
25 Informationspflicht als Oberbegriff auch bei Gasser, M-<strong>Commerce</strong>, 24. Anders wie erwähnt<br />
Wiegand/Berger, Euro, 1292, welche den Begriff anstelle der Bezeichnung der<br />
Aufklärungspflichten verwendet. Siehe auch Jörg/Arter, Bundesgesetz, 176f. Gegen<br />
die Verwendung des Begriffs der Mitteilungspflicht Abegglen, 3.<br />
26 Erkundigungsobliegenheiten verlangen vom Anbieter, sich vom Kunden ein Bild zu<br />
machen und Informationen, welche für die zu erbringende Leistung des Anbieters von<br />
Bedeutung sind, in Erfahrung zu bringen. Entsprechend beinhalten sie eine eigentliche<br />
Fragepflicht: Vgl. Wiegand/Berger, Euro, 1292, welche von Erkundigungspflichten<br />
ausgehen. Siehe Arter/Jörg, <strong>Informationspflichten</strong>, 59. Hartmann, N 7, will in diesem<br />
Zusammenhang auf die Unterscheidung zwischen Pflichten und Obliegenheiten verzichten.<br />
27 Abegglen, 3; Frick, 46, dagegen verwendet den Begriff der Aufklärungspflicht als<br />
Oberbegriff für Abschlussförderungspflichten <strong>im</strong> Hinblick auf einen erwartungsgerechten<br />
Vertrag. Hartmann, N 4, bezeichnet diese Pflichtengruppe als <strong>Informationspflichten</strong>.<br />
28 Arter/Jörg, <strong>Informationspflichten</strong>, 57 m.H. Siehe auch Moser/Berger, 551.<br />
29 Wiegand/Berger, Euro, 1293, für <strong>Informationspflichten</strong>. Vgl. Abegglen, 119.<br />
30 Siehe Wiegand, E-Mail, 252; Wiegand/Berger, Euro, 1293; siehe auch Druey, Information,<br />
232ff.; Wiegand, Aufklärungspflicht, 119ff. Zur Entstehung der Aufklärungspflicht<br />
<strong>im</strong> Arztrecht aus dem Treueverhältnis: Wiegand, Aufklärungspflicht, 126 und<br />
zu den verschiedenen Aufklärungsarten a.a.O., 127ff.; siehe auch Payllier, Pascal:<br />
Rechtsprobleme der ärztlichen Aufklärung, unter besonderer Berücksichtigung der<br />
spitalärztlichen Aufklärung, Zürich 1999; vgl. Abegglen, 35 ff.; Rollinger, 8; Rost,<br />
35ff.<br />
20
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
welche Konsequenzen eintreten, wenn Aufklärungspflichten nicht erbracht<br />
werden und kein Vertrag geschlossen wird 31 .<br />
Eine Auskunftspflicht ist eine einklagbare, durchsetzbare und auf Tatsachen<br />
beschränkte 32 Nebenpflicht. Sie ist vereinbart oder gesetzlich vorgesehen<br />
33 und beinhaltet Mitteilungen, Belehrungen oder Unterrichtungen 34 .<br />
Beratungspflichten sind umfassender als Aufklärungspflichten und beinhalten<br />
neben der Weitergabe tatsachenbezogener Informationen zusätzlich<br />
die Gewichtung und Bewertung dieser Tatsachen und die Abgabe von Empfehlungen<br />
35 .SieentstehenauseinervertraglichenBeziehungheraus,einblosses<br />
Vertrauensverhältnis wie bei den Aufklärungspflichten vermag nach der<br />
hier vertretenen Auffassung keine Verpflichtung zur Beratung auszulösen 36 .<br />
Warnpflichten beziehen sich in erster Linie auf die Erhaltung des Vermögens<br />
und die Abwehr des Eintritts von Schäden be<strong>im</strong> Vertragspartner. Sie<br />
beinhalten spontane <strong>Informationspflichten</strong> betreffend konkrete Gefahren,<br />
umfassen jedoch auch eine Bewertung derselben 37 .<br />
2.2.2 <strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong> als<br />
Aufklärungspflichten<br />
Vorliegend wird der Blick auf die kaufrechtlichen <strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong><br />
Fernabsatz 38 fokussiert, welche vom Anbieter erbracht werden müssen. Da-<br />
31 Dazu hinten 2.4.<br />
32 Arter/Jörg, <strong>Informationspflichten</strong>, 59, m. H.<br />
33 Siehe dazu 2.3.3.<br />
34 Vgl. Hartmann, N5.<br />
35 Hartmann, N6.<br />
36 Vgl. Wiegand/Berger, Euro, 1293, die jedoch davon ausgehen, dass Aufklärungspflichten<br />
nur durch das spezielle Vertrauensverhältnis bei der Aufnahme rechtsgeschäftlicher<br />
Beziehungen begründet werden. Nach der hier vertretenen Auffassung<br />
können jedoch auch Aufklärungspflichten <strong>im</strong> Rahmen eines Vertragsverhältnisses<br />
auftreten. Zudem sind Wiegand/Berger der Ansicht, dass sich Beratungspflichten<br />
auch aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis herleiten lassen, sofern der Kunde erkennbar<br />
Beratung verlangt. Nach der hier vertretenen Auffassung liegt bei einer expliziten<br />
oder konkludenten Nachfrage nach Beratung eine selbständige Nebenpflicht oder gar<br />
eine Hauptpflicht vor.<br />
37 Arter/Jörg, <strong>Informationspflichten</strong>, 58, m. H. Den Bezug auf eine best<strong>im</strong>mte Gefahr<br />
betonen auch Wiegand/Berger, Euro, 1292. Dem Sachverhalt des Bundesgerichtsentscheids<br />
4C.410/1997 vom 23.Juni 1998, abgedruckt bei Moser/Berger, 542ff., in dem es<br />
um «Aufklärungspflichten» der Bank gegenüber den Kreditnehmern ging, liegt nach<br />
der hier vertretenen Auffassung eine Warn- und keine Aufklärungspflicht zugrunde.<br />
Vgl. Moser/Berger, 550. Anders offenbar Bales, 463. Zu den Warnpflichten Breidenbach,<br />
3f.; Rost, 53ff.<br />
38 Darunter fallen verschiedene bestehende (z.B. Preisangabe etc.) und zukünftige (z. B.<br />
Name, Adresse etc., siehe 4.) Aufklärungspflichten.<br />
21
Florian S. Jörg<br />
bei handelt es sich nicht um Auskunftspflichten, weil der Anbieter diese<br />
auch ohne Anfrage des (potentiellen) Kunden zu erbringen hat. Da keine<br />
Bewertung der Information erfolgt, kann auch keine Beratungspflicht vorliegen.<br />
Ebenso entfällt in der Regel die Qualifizierung als Warnpflicht, weil<br />
keine Abwehr von Schäden <strong>im</strong> Interesse der Vermögenserhaltung bezweckt<br />
wird. Entsprechend fallen die hier interessierenden <strong>Informationspflichten</strong><br />
<strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong> unter die Gruppe der Aufklärungspflichten, da sie spontan<br />
ohne Verlangen des Abnehmers erbracht werden müssen und Mitteilungen<br />
betreffend entscheidungserhebliche Umstände beinhalten 39 .<br />
2.3 Vertragliche Aufklärungspflichten als Haupt-, Nebenoder<br />
Verhaltenspflichten<br />
Als nächster Schritt ist zu untersuchen, ob es sich bei den Aufklärungspflichten<br />
um Haupt-, Neben- oder Verhaltenspflichten handelt. Zu diesem Zweck<br />
vermittelt das folgende Kapitel zuerst einen allgemeinen Überblick über die<br />
Lehre vom gesetzlichen Schuldverhältnis, ihre Entstehung sowie die Frage,<br />
ob diese Theorie überhaupt in die schweizerische Rechtsordnung aufgenommen<br />
wurde. Anschliessend werden die sich daraus ergebenden Auswirkungen<br />
auf die Aufklärungspflichten untersucht.<br />
2.3.1 Entstehung der Lehre vom einheitlichen gesetzlichen<br />
Schuldverhältnis<br />
Vor allem in Deutschland 40 , aber auch vereinzelt in der Schweiz 41 wird vertreten,<br />
dass die Obligation als Beziehung zwischen den Parteien durch die<br />
Lehre vom gesetzlichen Schuldverhältnis abzulösen sei. Diese findet ihren<br />
Ausgangspunkt bei den Fällen, in denen zwar ein vertragliches Verhältnis<br />
nicht zustande kommt oder dahingefallen ist, zwischen den Parteien jedoch<br />
trotzdem Verbindlichkeiten entstehen und nun nicht klar ist, ob vertragliche<br />
oder deliktische Prinzipien zur Anwendung gelangen 42 . Beispiele 43 :<br />
39 Jörg/Arter, Bundesgesetz, 176.<br />
40 Vgl. 2. Buch des BGB (gemäss Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, § 241ff.): Buch 2:<br />
Recht der Schuldverhältnisse; Abschnitt 1: Inhalt der Schuldverhältnisse; § 241: Pflichten<br />
aus dem Schuldverhältnis (siehe auch Fn 51).<br />
41 Siehe dazu Berger, 55ff., mit weiteren Hinweisen und hinten 2.3.2.<br />
42 Vgl. Canaris, Ansprüche, 476f.<br />
43 Beispiele nach Canaris, Ansprüche, 475f.; zur Entstehung der Theorie in Deutschland<br />
auch Wiegand, Schuldverhältnis, 87ff. Vgl. auch die Beispiele bei Walter, Vertrag,<br />
273f.<br />
22
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Der Käufer will nach Vertragsschluss eine bestellte Sache, welche zwischenzeitlich<br />
jedoch zufälligerweise untergegangen ist, abholen und wird<br />
<strong>im</strong> Geschäft des Verkäufers durch eine Unachtsamkeit eines Angestellten<br />
verletzt. Der Vertrag ist in diesem Fall vor der Schädigung dahingefallen.<br />
Ohne bestehenden Vertrag hätte der Geschädigte keinen vertraglichen<br />
Anspruch mehr gegen den Verkäufer, was jedoch als stossend<br />
empfunden wird.<br />
Der Käufer ficht einen Kaufvertrag über ein Bild an, das sich als Fälschung<br />
herausgestellt hat. Kann er bei Erfolg auch die vertragliche Haftung<br />
aufgrund des Schadens, den die Angestellten des Käufers be<strong>im</strong> Abholen<br />
des Bildes be<strong>im</strong> Verkäufer angerichtet haben, abwehren?<br />
In solchen Fällen scheint es unbillig, dem Geschädigten die vorteilhaftere<br />
vertragliche Haftung aufgrund des Dahinfallens des Vertrages gänzlich zu<br />
versagen 44 . Zudem entsteht nach herkömmlicher Sichtweise mit Aufnahme<br />
von rechtsgeschäftlichen Kontakten zwischen den Parteien eine rechtliche<br />
Sonderbeziehung, welche bei vorvertraglichen Verhältnissen zu einer Haftung<br />
aus culpa in contrahendo führen kann 45 . Ein entsprechendes Institut<br />
für den Zeitraum zwischen Dahinfallen oder Erfüllung des geschlossenen<br />
Vertrages und dem Ende des rechtsgeschäftlichen Kontaktes, eine Art «culpa<br />
post contractum», existiert dagegen nicht 46 . Wird jedoch bereits für das<br />
vorvertragliche Stadium von einem Verhältnis gesetzlicher Natur ausgegangen,<br />
so muss dies noch viel mehr für das Verhältnis nach Vertragsschluss gelten,<br />
wenn sich die gegenseitigen Beziehungen und damit das Vertrauensverhältnis<br />
noch verstärkt haben 47 .<br />
Die neuere Lehre geht deshalb davon aus, dass mit der erwähnten Sonderbeziehung<br />
ein gesetzliches Schuldverhältnis 48 zwischen den Parteien entsteht.<br />
Dieses lässt sich mit einem Organismus bestehend aus einem Gefüge<br />
wechselseitiger Verpflichtungen unterschiedlicher Intensität und mit ver-<br />
44 Canaris, Ansprüche, 476; Walter, Vertrag, 275; beide mit weiteren Fällen.<br />
45 Vgl. z.B. Schwenzer, AT, 47.01ff.<br />
46 Soweit Schutzpflichten verletzt werden, liegt der Unterschied zwischen der culpa in<br />
contrahendo und der positiven Vertragsverletzung nur darin, dass die culpa in contrahendo<br />
zeitlich vor und während dem Vertragsschluss, die positive Vertragsverletzung<br />
nach dem Vertragsschluss liegt: Frick, 57, m. w. H. Beispiele für nachvertragliche Nebenleistungspflichten<br />
sind die Gehe<strong>im</strong>haltungspflicht, welche oft über die Erfüllung<br />
des Vertrages hinaus vereinbart wird, und das Konkurrenzverbot.<br />
47 Canaris, Ansprüche, 476f.; Kramer, Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR,<br />
N 142.<br />
48 Ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne pr<strong>im</strong>äre Leistungspflicht: Loser, 90.<br />
23
Florian S. Jörg<br />
schiedenen Schichten vergleichen 49 . Das Schuldverhältnis begründet ein<br />
qualifiziertes Vertrauensverhältnis und statuiert bei Verletzung eine Haftung<br />
aus culpa in contrahendo 50 , sieht jedoch auch eine Haftung nach Vertragserfüllung<br />
vor.<br />
Eine derartige Betrachtungsweise hat somit den Vorteil einer einheitlichen<br />
Doktrin für sämtliche quasivertraglichen Sachverhalte wie culpa in<br />
contrahendo und Rechtsbeziehungen bei nachträglich dahingefallenem Vertrag,<br />
indem diese auf einem so genannten gesetzlichen Schuldverhältnis basieren<br />
51 . Entsprechend wird dieses Schuldverhältnis von der späteren Nichtigkeit<br />
oder Anfechtbarkeit des Vertrages nicht betroffen, während die Wirkungen<br />
vor Vertragsschluss schon bis anhin durch die culpa in contrahendo<br />
erfasst wurden 52 .<br />
2.3.2 Übernahme der Theorie vom gesetzlichen Schuldverhältnis<br />
in der Schweiz<br />
Es stellt sich nun die Frage, ob die dargelegte Theorie vom gesetzlichen<br />
Schuldverhältnis überhaupt Eingang in das schweizerische Recht gefunden<br />
hat. Dies ist für einen Teil der Lehre 53 und die Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />
zu bejahen: Das Bundesgericht hat <strong>im</strong> Swissair-Entscheid 54 festgehalten,<br />
die Haftung aus culpa in contrahendo sei als Erscheinungsform einer<br />
allgemeinen Rechtsfigur aufzufassen, wobei das gesetzliche Schuldverhältnis<br />
nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Das Vertrauen 55 in die Kreditwürdigkeit<br />
<strong>im</strong> Konzern wurde mit demjenigen von Partnern in Vertragsverhandlungen<br />
verglichen. Damit schuf das Bundesgericht den Tatbestand der Vertrauenshaftung,<br />
welcher die Begründung einer Obligation gestützt auf Ver-<br />
49 Wiegand, Haftung, 136f., mit weiteren Hinweisen.<br />
50 Vgl. auch den Entwurf zum neuen deutschen Schuldrecht. Das Gesetz zur Modernisierung<br />
des Schuldrechts wurde am 29.November 2001 <strong>im</strong> Bundesgesetzblatt veröffentlicht<br />
und ist am 1.Januar 2002 in Kraft getreten: Siehe Horn, Verbraucherschutz, 209;<br />
Hassemer, 635ff. Ausführlich zur culpa in contrahendo statt vieler: Kramer, Allgemeine<br />
Einführung in das schweizerische OR, N 133ff. und zur Grundlage des gesetzlichen<br />
Schuldverhältnisses a.a.O., N 142; Berger, 18ff.<br />
51 Vgl. auch § 241 BGB (gemäss Schuldrechtsmodernisierungsgesetz): «Das Schuldverhältnis<br />
kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter<br />
und Interessen des anderen Teils verpflichten».<br />
52 Canaris, Ansprüche, 482.<br />
53 Neben den angeführten Zitaten z.B. Frick, 57f.<br />
54 BGE 120 II 331ff.<br />
55 Vgl. zum Tatbestand der Vertrauenshaftung § 311 Abs. 3 BGB des neuen deutschen<br />
Schuldrechts; Bartsch, 649.<br />
24
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
trauen in Sonderverbindungen bezeichnet 56 . Zudem stellt das Bundesgericht<br />
mit dieser Argumentation die Haftung aus culpa in contrahendo in einen<br />
grösseren vertraglichen Zusammenhang, wobei die Hinweise auf die angegebene<br />
Literatur erkennen lassen, dass das Bundesgericht die Theorie<br />
vom einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnis <strong>im</strong> Auge hatte 57 . In «Weiterführung<br />
des Gedankens» 58 einer allgemeinen Rechtsfigur hat das Bundesgericht<br />
schliesslich die culpa in contrahendo als Anwendungsfall einer<br />
umfassenden Vertrauenshaftung betrachtet 59 . Allerdings ist die Vertrauenshaftung<br />
selber in der Doktrin 60 umstritten 61 .<br />
56 Loser, 74. Zur Vertrauenshaftung schon Kramer, Allgemeine Einführung in das<br />
schweizerische OR, N 150f.<br />
57 Bzw. die Theorie vom einheitlichen gesetzlichen Schutzverhältnis. Die Hinweise betreffen<br />
Kramer, Kommentar, Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR,<br />
N 142ff. Schnyder, Patronatserklärungen, 57ff., mit Bemerkungen zur Haftungssituation<br />
<strong>im</strong> Konzern: 58ff.<br />
58 Walter, Vertrauenshaftung, 85.<br />
59 BGE 121 III 350, 355. Vgl. auch Hausheer/Jaun, 404f. Dagegen jedoch Widmer, 120,<br />
welche darauf hinweist, dass es sich bei den Fällen der culpa in contrahendo <strong>im</strong>mer um<br />
Pflichten hinsichtlich eines abzuschliessenden oder verhandelten Vertrages geht, von<br />
der Vertrauenshaftung jedoch verschiedene Konstellationen erfasst werden.<br />
60 Positiv zur Vertrauenshaftung in der Schweiz: BGE 123 III 220, 231; 124 III 297, 303ff.<br />
(Haftung in casu verneint); Loser, 73ff., der den Anwendungsbereich noch auf das<br />
Vertrauensprinzip be<strong>im</strong> Vertragsschluss, den Verschuldensbegriff und den Gutglaubensschutz<br />
ausdehnen will; Wiegand, Formungültigkeit, 226; Hausheer/Jaun, ZBJV<br />
1999, 401, 404ff. (für eine in ihrem Anwendungsbereich beschränkte Vertrauenshaftung);<br />
Walter, Vertrauenshaftung, 79ff., insbesondere auch zur Entwicklung der<br />
Rechtsprechung des Bundesgerichts; Berger, 55 ff. Kritisch zur Vertrauenshaftung:<br />
Schwenzer, AT, 52.01ff.; Honsell, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 3. Aufl., Zürich<br />
2000, § 4 N 22; Amstutz/Watter, 502ff.; Wick, AJP 1995, 1270ff., der die Gefahr einer<br />
Büchse der Pandora sieht, welcher sich beliebig Billigkeitshaftungen entnehmen lassen:<br />
a.a.O., 1280; Roberto, Vito: Deliktsrechtlicher Schutz des Vermögens, AJP 1999,<br />
511, 517f., wo er gegen die Einbettung der Vertrauenshaftung in die vertragsrechtliche<br />
Haftung plädiert. Vgl. Keller, 403f.<br />
61 Teilweise wird auch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts, der zufolge bei<br />
Auflösung des Vertrages ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis entsteht (BGE<br />
114 II 152ff.; Umwandlungstheorie. Wiegand, Schuldverhältnis, 85; Berger, 22;<br />
Gauch, Peter: Wirkung des Rücktritts und Verjährung des Rückforderungsanspruchs<br />
bei Schuldnerverzug, recht 1989, 122ff.; vgl. Abegglen, 152f.), als Ausfluss des gesetzlichen<br />
Schuldverhältnisses bezeichnet und damit als Anzeichen für die Übernahme<br />
dieser Theorie gewertet. Nach der hier vertretenen Auffassung müsste es sich dann<br />
aber um ein gesetzliches und nicht ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis handeln,<br />
weshalb diese Rechtsprechung nicht als Nachweis zur Einführung des gesetzlichen<br />
Schuldverhältnisses in die schweizerische Rechtsprechung dienen kann.<br />
25
Florian S. Jörg<br />
2.3.3 Pflichten des gesetzlichen Schuldverhältnisses<br />
Die Terminologie der Haupt- und Nebenpflichten ist uneinheitlich 62 . Bei<br />
den vertraglichen Pflichten wird nach herkömmlicher Lehre zwischen<br />
Haupt- und selbständigen wie unselbständigen Nebenpflichten differenziert<br />
63 . Die selbständigen Nebenpflichten werden auch als Nebenleistungspflichten<br />
64 bezeichnet. Gemäss der Lehre vom gesetzlichen Schuldverhältnis<br />
treten zudem noch die Verhaltenspflichten hinzu. Aus dieser Einteilung<br />
ergeben sich folgende Einzelheiten:<br />
2.3.3.1 Hauptpflichten<br />
Die oberste Schicht der «Pflichtenpyramide» bilden die Haupt(leistungs)pflichten<br />
65 . Sie entstehen erst mit dem Vertragsabschluss und gehen<br />
mit Erfüllung des Vertrages unter 66 . Demnach haben sie ihren Entstehungsgrund<br />
<strong>im</strong> Vertragsverhältnis. In der Regel typisieren sie den Vertrag und bilden<br />
den Grund für den rechtsgeschäftlichen Kontakt zwischen den Parteien<br />
67 . Sie bezwecken meist die Herbeiführung einer Veränderung in der<br />
62 Berger, 49ff. und 64f.<br />
63 Kramer unterscheidet zwischen Leistungs- und Nebenpflichten. Die Leistungspflichten<br />
wiederum unterteilen sich in Haupt- und Nebenleistungspflichten, welche sich von<br />
den Nebenpflichten dadurch unterscheiden, dass sie selbständig verfolgt werden können.<br />
Die Nichtbeachtung von Nebenpflichten führt dagegen bloss zu Schadenersatzansprüchen.<br />
Der Unterschied besteht somit in der Klagbarkeit: Kramer, Kommentar,<br />
Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, N 89ff. Siehe auch Wiegand, Haftung,<br />
136f. Ausführlich zum Ganzen Wiegand, Schuldverhältnis, 85 ff., insbesondere<br />
91ff.; zum einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnis Kramer, Einleitung in das<br />
schweizerische Obligationenrecht, N 142ff. Loser, 90f.; Moser/Berger, 545; Abegglen,<br />
96ff., der jedoch zum Schluss kommt, die Unterscheidung zwischen Leistungsund<br />
Verhaltenspflichten (<strong>im</strong> Sinne von Nebenpflichten und nicht in der hier verwendeten<br />
Bedeutung) sei irrelevant: a.a.O., 102. Vgl. auch Schwenzer, AT, 4.20ff., mit weiteren<br />
Hinweisen.<br />
64 Als Nebenleistungspflicht begründen sie einen selbständig klagbaren Erfüllungsanspruch<br />
(vgl. Guhl/Koller, § 2 N 26ff., für die Aufklärungspflicht des Arztes; anders<br />
aber noch Merz, Kommentar, N 270 zu Art.2). Bei Verletzungen von Nebenpflichten<br />
dagegen bestehen nur Schadenersatzansprüche nach Art. 97 ff. OR. Vgl. auch die Einteilung<br />
bei Kramer, Kommentar, Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR,<br />
N 89ff.; Wiegand, Haftung, 137.<br />
65 Je nach Autor Leistungspflichten, Hauptpflichten: Kramer, Kommentar, Allgemeine<br />
Einleitung in das schweizerische OR, N 89ff.; Wiegand, Schuldverhältnis, 91; Berger,<br />
65.<br />
66 Beispiele sind die Kaufpreiszahlung des Käufers oder die Errichtung des Werkes durch<br />
den Werkunternehmer etc.<br />
67 Berger, 65; Wiegand, Schuldverhältnis, 91.<br />
26
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Güterlage der Parteien 68 . Der Einfachheit halber werden sie in der Folge als<br />
Hauptpflichten bezeichnet.<br />
2.3.3.2 Nebenleistungs- und Nebenpflichten<br />
Die zweite Schicht bilden die leistungsbegleitenden oder leistungsorientierten<br />
Nebenpflichten und Nebenleistungspflichten 69 . Sie entstehen erst mit<br />
oder nach dem Vertragsschluss, entfalten aber u.U. Wirkung über den Zeitpunkt<br />
der Erfüllung hinaus. Entsprechend sind diese Pflichten entweder<br />
vertraglich vereinbart oder ergeben sich aus der Auslegung des Vertrages,<br />
insbesondere nach dem Prinzip von Treu und Glauben 70 .<br />
Bei selbständig einklagbaren Pflichten, welche sich nicht als Hauptpflichten<br />
qualifizieren, spricht die Lehre von Nebenleistungspflichten 71 . Fehlt die<br />
Erzwingbarkeit einer Pflicht, beruht sie aber dennoch auf dem Vertragsschluss,<br />
liegen unselbständige Nebenpflichten vor, die Ähnlichkeiten mit<br />
den Verhaltenspflichten aufweisen 72 . Sie haben als Zielrichtung <strong>im</strong>mer den<br />
Vertrag und dessen Erfüllung 73 . Bei ihrer Verletzung kann nur auf Schadenersatz<br />
geklagt werden 74 .<br />
Nach ihrem Inhalt werden die Neben(leistungs)pflichten unterteilt in<br />
Obhuts- und Schutzpflichten 75 , Mitteilungs- oder <strong>Informationspflichten</strong>,<br />
Verschaffungspflichten und Mitwirkungspflichten 76 .<br />
68 Moser/Berger, 544.<br />
69 Wiegand, Schuldverhältnis, 91; Berger, 65; OR-Wiegand, N 33 zu Art. 97.<br />
70 Wiegand, Schuldverhältnis, 91; Moser/Berger, 544f. Art. 2 ZGB bildet jedoch nur den<br />
Auslegungsmassstab; der Rechtsgrund liegt wie erwähnt <strong>im</strong> Vertragsschluss der Parteien:<br />
Wiegand, Schuldverhältnis, 91; Berger, 65 f.<br />
71 Berger, 65; Kramer, Allgemeine Einführung in das schweizerische OR, N 88 ff.; Wiegand,<br />
Schuldverhältnis, 91. Beispiele sind das Mitliefern einer Gebrauchs- oder Montageanweisung<br />
oder die ordentliche Verpackung, allenfalls die Aufklärung über Gefahren,<br />
wichtige Produkteinformationen etc.: vgl. Berger, 65. Charakteristisch ist für<br />
die Nebenleistungspflichten, dass sie nicht <strong>im</strong>mer leicht von den Hauptpflichten unterschieden<br />
werden können: vgl. Wiegand, Schuldverhältnis, 91.<br />
72 Wiegand, Schuldverhältnis, 91f.; Berger, 66.<br />
73 Wiegand, Schuldverhältnis, 92. Diese unselbständigen Nebenpflichten wurden von<br />
Wiegand 1990 noch mit den Verhaltenspflichten gleichgesetzt: Wiegand, Haftung, 137<br />
Fn 13. Darunter fällt z.B. auch die allgemeinste Nebenpflicht zur Förderung des Vertragszweckes.<br />
74 Art.97ff. OR.<br />
75 Zum Begriff ausführlich z.B. Kramer, Allgemeine Einleitung in das schweizerische<br />
OR, N 97ff.<br />
76 Guhl/Koller, § 2 N 26ff. Arter/Jörg, <strong>Informationspflichten</strong>, 57. Vgl. auch Kramer,<br />
Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, N 96 ff., dem zufolge Mitteilungspflichten<br />
als unselbständige Nebenpflichten qualifiziert werden können; Schwenzer,<br />
AT, 4.23.<br />
27
Florian S. Jörg<br />
Auch bei den vorliegend zu untersuchenden vertraglichen Aufklärungspflichten<br />
des E-<strong>Commerce</strong> handelt es sich in aller Regel um Neben- oder<br />
Nebenleistungspflichten sowie Verhaltenspflichten; Verträge über die Erbringung<br />
von Informationsleistungen sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung.<br />
2.3.3.3 Verhaltenspflichten<br />
Die dritte und unterste Ebene der Pyramide mit den Pflichten der Parteien<br />
schliesslich bilden die Verhaltenspflichten (Loyalitäts- oder Schutzpflichten),<br />
die sich aus der Konkretisierung des Loyalitätsgebotes ergeben 77 . Sie<br />
zielen darauf ab, die Rechts- und Vermögenssphäre der Parteien zu erhalten<br />
78 und die Gegenpartei während der gesamten Dauer des rechtsgeschäftlichen<br />
Kontaktes zu schützen 79 . Verhaltenspflichten basieren auf der rechtlichen<br />
Sonderverbindung 80 zwischen den Parteien und leiten sich unmittelbar<br />
aus dem Prinzip von Treu und Glauben ab. Sie konkretisieren dieses in Einklang<br />
mit der traditionellen Lehre als Informations-/Mitteilungs-, Obhuts-,<br />
Schutz- oder andere Pflichten 81 . Dieses gesetzliche Schuldverhältnis entsteht<br />
bereits mit der Aufnahme von rechtsgeschäftlichen Beziehungen unabhängig<br />
vom Parteiwillen 82 und entfaltet vor Abschluss eines Vertrages<br />
Wirkungen, indem es den Parteien Verhaltenspflichten auferlegt.<br />
Entsprechend unterscheiden sich die Verhaltenspflichten von den Nebenpflichten<br />
dadurch, dass sie nicht auf dem Parteiwillen basieren und ihr<br />
Zweck nicht in der Förderung des Vertrages, sondern <strong>im</strong> Schutz der Gegenpartei<br />
vor Schädigungen aus der entstandenen Sonderverbindung besteht 83 .<br />
Der Parteiwille kann demnach auch nicht für die Auslegung der Verhaltenspflichten<br />
herangezogen werden 84 . Zudem entstehen die Verhaltenspflichten<br />
vor Vertragsschluss und dauern über den Zeitpunkt der Erfüllung des Vertrages<br />
bis zum Ende der rechtsgeschäftlichen Kontakte an 85 .<br />
77 Wiegand, Schuldverhältnis, 92.<br />
78 Moser/Berger, 544.<br />
79 Berger, 66.<br />
80 Moser/Berger, 545.<br />
81 Berger, 67; Moser/Berger, 544f.<br />
82 Canaris, Ansprüche, 482; vgl. Loser, 90.<br />
83 Berger, 66f.; Wiegand, Schuldverhältnis, 92. Zur Unterscheidung auch ausführlicher<br />
Berger, 68f., der eine Verhaltenspflicht dann ann<strong>im</strong>mt, wenn sie nach richterlicher<br />
Wertung zwar geschuldet, dem Parteiwillen aber nicht zugerechnet werden kann.<br />
84 Berger, 67.<br />
85 Wiegand, Schuldverhältnis, 92.<br />
28
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Als graphische Darstellung resultiert daraus folgendes Schema nach<br />
Wiegand 86 :<br />
2.3.4 Auswirkungen der Lehre vom gesetzlichen Schuldverhältnis<br />
auf die Aufklärungspflichten<br />
2.3.4.1 Differenzierung nach dem Inhalt der Aufklärungspflichten:<br />
Systematisierung<br />
Da die Theorie vom gesetzlichen Schuldverhältnis vom Bundesgericht wie<br />
gezeigt auch für die schweizerische Rechtsprechung eingeführt wurde, stellt<br />
sich die Frage nach ihren Auswirkungen auf die Aufklärungspflichten. Zu<br />
deren Beantwortung werden zuerst die Einflüsse auf ihre Systematisierung<br />
untersucht. Daraus ergeben sich die Grundlagen für die wesentliche Frage<br />
der Rechtsfolgen von Verletzungen der Aufklärungspflichten.<br />
86 Wiegand, Schuldverhältnis, 92.<br />
29
Florian S. Jörg<br />
Vertragliche Aufklärungspflichten können nur in Ausnahmefällen selbständig<br />
eingeklagt und zur vertragsbest<strong>im</strong>menden Leistung eines Austauschverhältnisses<br />
werden 87 , weshalb sie in der Regel nicht als Hauptpflichten<br />
oder selbständige Nebenleistungspflichten zu qualifizieren sind. Die generelle<br />
Einteilung bei den Verhaltenspflichten entfällt, da die vertraglichen<br />
Aufklärungspflichten definitionsgemäss erst mit oder nach dem Vertragsschluss<br />
erbracht werden müssen, während die Verhaltenspflichten wie gezeigt<br />
bereits be<strong>im</strong> ersten rechtsgeschäftlichen Kontakt entstehen können 88 .<br />
Zudem unterliegen die vertraglichen Aufklärungspflichten mehr oder weniger<br />
stark dem Parteiwillen 89 , was auf die Verhaltenspflichten nicht zutrifft.<br />
Demzufolge handelt es sich bei den vertraglichen Aufklärungspflichten in<br />
der Regel um unselbständige Nebenpflichten oder, seltener, um vertragliche<br />
Verhaltenspflichten. Sie ergeben sich entweder aus dem Vertrag oder aber<br />
direkt und ausdrücklich aus dem Gesetz, falls ein entsprechendes Vertragsverhältnis<br />
vorliegt.<br />
Im dargelegten System können die vorvertraglichen Aufklärungspflichten<br />
deshalb nur noch Verhaltenspflichten sein. Hauptpflichten setzen das<br />
Vorhandensein eines Vertrages voraus, während selbständige Nebenleistungspflichten<br />
und unselbständige Nebenpflichten nach ihrer Definition einer<br />
Hauptpflicht bedürfen. Beides ist <strong>im</strong> vorvertraglichen Rechtsverhältnis<br />
<strong>im</strong> Regelfall nicht vorhanden. Dies ist auch durchaus folgerichtig, stellen die<br />
Verhaltenspflichten doch wie gezeigt ihrer Entwicklung nach eine Konkretisierung<br />
des Grundsatzes von Treu und Glauben nach Art.2 ZGB dar 90 . Als<br />
vorvertragliche Pflichten haben sie ihren Rechtsgrund nie <strong>im</strong> Vertrag und<br />
sind somit unabhängig vom Parteiwillen. Zudem entfalten sie ihre Wirkung<br />
vor Vertragsschluss, dauern aber während der vertraglichen Beziehung an,<br />
ohne dass sie zu vertraglichen Aufklärungspflichten werden, und können sogar<br />
nach dem Zeitpunkt der Erfüllung noch Wirkung entfalten.<br />
87 Denkbar sind allenfalls Verträge auf Erbringung einer best<strong>im</strong>mten Informationsleistung.<br />
88 Allerdings ist denkbar, dass einzelne Verhaltenspflichten erst mit Abschluss des Vertrages<br />
entstehen und somit als vertragliche Aufklärungspflichten qualifiziert werden<br />
müssen. Ein Umkehrschluss, dass vertragliche Aufklärungspflichten deshalb als Verhaltenspflichten<br />
anzusehen sind, ist dagegen nicht möglich.<br />
89 Die vertraglichen Aufklärungspflichten können direkt vereinbart werden oder aber<br />
sich aus dem vereinbarten Vertragsverhältnis (aus Gesetz) und damit aus einem indirekten<br />
Übereinkommen ergeben. Bsp.: Im Rahmen eines Auftrages schuldet der Auftragnehmer<br />
dem Auftraggeber kraft Auftragsrecht Rechenschaft nach Art. 400 OR,<br />
auch wenn dies nicht direkt von den Parteien so vereinbart wurde.<br />
90 Vgl. Wahrenberger, 17ff.<br />
30
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Nachvertragliche Aufklärungspflichten können aus den bekannten<br />
Gründen nicht als Haupt- oder Nebenleistungspflichten ausgestaltet sein.<br />
Entsprechend sind sie als Verhaltens- oder seltener als Nebenpflichten zu<br />
qualifizieren. Somit ergibt sich in Abwandlung des Schemas von Wiegand 91<br />
folgende Darstellung:<br />
2.3.4.2 Differenzierung nach den einzelnen Stadien der<br />
rechtsgeschäftlichen Beziehung<br />
Im vorvertraglichen Stadium existieren mangels Vertragsschlusses nur die<br />
Verhaltenspflichten. Ihr Umfang wurde von der traditionellen Lehre <strong>im</strong><br />
Rahmen der Untersuchungen zur culpa in contrahendo eingehend dargelegt<br />
92 . Im vertraglichen Stadium treten die Haupt-, die Nebenleistungs- und<br />
91 Wiegand, Schuldverhältnis, 92.<br />
92 Wiegand, Schuldverhältnis, 93; Moser/Berger, 548, mit weiteren Hinweisen. Zum<br />
Umfang der Informationspflicht je nach konkretem Fall auch Wiegand, E-Mail, 252;<br />
Wiegand, Geschäftsverbindung, 103; Moser/Berger, 548ff.; Abegglen, 163ff.<br />
31
Florian S. Jörg<br />
die Nebenpflichten zu den Verhaltenspflichten hinzu. Sie werden zu einem<br />
einheitlichen Schuldverhältnis zusammengefasst 93 . Nach Erfüllung des Vertrages<br />
schliesslich existieren die Hauptpflichten nicht mehr, so dass sich allfällige<br />
Aufklärungspflichten nur noch aus den weitergeltenden Neben- oder<br />
Nebenleistungspflichten 94 oder den Verhaltenspflichten 95 aus dem gesetzlichen<br />
Schuldverhältnis ergeben 96 .<br />
2.3.4.3 Differenzierung nach Entstehungsgrund<br />
Neben der zeitlichen Entstehung sind die Aufklärungspflichten zusätzlich<br />
nach ihrem Entstehungsgrund zu differenzieren. Vertragliche Aufklärungspflichten<br />
sind selten als Hauptpflichten, Nebenleistungspflichten oder Verhaltenspflichten,<br />
oft aber als Nebenpflichten des Vertrages konzipiert. Letztere<br />
werden entweder ausdrücklich vereinbart («vereinbarte vertragliche<br />
Aufklärungspflichten») oder ergeben sich aus dem Gesetz, da die Parteien<br />
einen Vertrag geschlossen haben, auf den best<strong>im</strong>mte gesetzliche Vorschriften<br />
zur Anwendung gelangen. Im Rahmen eines Auftrages beispielsweise<br />
ergeben sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung 97 besondere Aufklärungspflichten<br />
aus Art.398ff. OR, obwohl die Parteien diese nicht explizit<br />
vereinbart haben. Ohne Vertragsschluss kämen die Aufklärungspflichten<br />
demnach nicht zur Anwendung – insofern hängen sie direkt vom Abschluss<br />
eines Vertrages, aber nur indirekt vom Parteiwillen ab. Sie sind demnach<br />
zwar nicht vom natürlichen Konsens der Parteien, jedoch vom normativen<br />
gedeckt und werden deshalb hier als normative Aufklärungspflichten bezeichnet.<br />
Die vorvertraglichen Aufklärungspflichten sind Verhaltenspflichten 98<br />
des gesetzlichen Schuldverhältnisses, basieren dagegen nie auf dem Parteiwillen<br />
und ergeben sich <strong>im</strong>mer explizit oder unter Anwendung der allgemeinen<br />
Grundsätze wie Art.2 ZGB aus dem Gesetz.<br />
Entsprechend sieht das bereits vorgestellte Schema der Schichten der<br />
Aufklärungspflichten letztlich wie folgt aus:<br />
93 Frick, 57.<br />
94 Z. B. Gehe<strong>im</strong>haltungspflichten.<br />
95 Z. B. Schutzpflichten.<br />
96 Darunter fallen auch die «nachvertraglichen» Pflichten, welche erst nach Abschluss<br />
des Vertrages entstehen. Beispiele hierfür sind die Pflicht zur Aufklärung oder gar<br />
Warnung über nachträglich bekannt gewordene Mängel eines verkauften Produkts,<br />
die nachvertragliche Gehe<strong>im</strong>haltungspflicht etc.<br />
97 BGE 115 II 65.<br />
98 Dies st<strong>im</strong>mt mit der Qualifizierung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten als<br />
Schutzpflichten überein: Breidenbach, 1f.<br />
32
2.4 Rechtsfolgen bei Verletzung der<br />
Aufklärungspflichten<br />
2.4.1 Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten<br />
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Die Verletzung einer vertraglichen Aufklärungspflicht 99 als Neben- oder<br />
Nebenleistungspflicht führt in tatsächlicher Hinsicht zuerst, wenn überhaupt,<br />
zu einem falschen Entscheid der Gegenpartei 100 . Entsteht daraus ein<br />
Schaden, liegt eine positive Vertragsverletzung, d.h. ein Fall der Nichterfüllung<br />
nach Art.97ff. OR, vor, wobei die Prinzipien der vertraglichen Haftung<br />
99 Als Verletzung kommt das Unterlassen von Information, die Falschinformation, die<br />
ungenügende Information und die Überinformation (zuviel Information, so dass Wesentliches<br />
nicht mehr erkannt werden kann) in Frage: Hartmann, N 179ff.<br />
100 Abegglen, 83f.<br />
33
Florian S. Jörg<br />
zur Anwendung gelangen 101 . Bei Vorliegen von Schaden, Pflichtverletzung,<br />
Kausalität und Verschulden 102 führt die Verletzung zu einer Schadenersatzpflicht<br />
103 . Handelt es sich um eine Verletzung einer vertraglichen Verhaltenspflicht,<br />
gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Verletzung von vertraglichen<br />
Nebenpflichten. Die Verjährung richtet sich nach Art.127 ff.<br />
OR 104 . Je nach Verletzung können Widerrechtlichkeit (Art.20 OR) 105 oder<br />
auch Willensmängel (Art.23ff. OR) 106 geltend gemacht werden. Theoretisch<br />
ist bei Verletzung von Aufklärungspflichten als Nebenleistungspflichten<br />
auch eine Klage auf Realerfüllung denkbar, doch dürfte praktisch das<br />
Rechtsschutzinteresse auf Erteilung der Information in aller Regel nach Ablauf<br />
eines Prozesses nicht mehr gegeben sein. Zudem handelt es sich bei den<br />
hier zu untersuchenden vertraglichen Aufklärungspflichten ungeachtet ihrer<br />
gesetzlichen Normierung oder ihrer Entstehung aus Vertrag in der Regel<br />
um unselbständige Nebenpflichten, da gerade keine selbständige Durchsetzung<br />
vorgesehen ist.<br />
2.4.2 Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten<br />
Bei Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten liegt wie erwähnt<br />
ein Verstoss gegen die sich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ergebenden<br />
Verhaltenspflichten vor 107 . Welche Rechtsfolgen dies mit sich bringt, ist<br />
umstritten:<br />
Kramer plädiert dafür, dass bei den Fällen, in denen eine Schutzpflicht<br />
verletzt wurde, die nicht gegenüber jedermann, sondern speziell gegenüber<br />
dem Geschädigten bestand, von vertraglicher Haftung ausgegangen werden<br />
kann 108 . Andererseits sollen die Regeln der deliktischen Haftung dort grei-<br />
101 Vgl. Wiegand, Haftung, 137; BGE 124 III 155, 163 (Verletzung der Risikoaufklärungsund<br />
Beratungspflichten). Siehe auch § 280 E-BGB des Entwurfs des neuen deutschen<br />
Schuldrechts über die positive Vertragsverletzung; Bartsch, 650. Zur Rechtsfolge der<br />
positiven Vertragsverletzung auch Frick, 59.<br />
102 Dazu ausführlich Abegglen, 84ff.<br />
103 Guhl/Koller, § 2 N 30f., die in Ausnahmefällen auch ein Rücktrittsrecht vorsehen;<br />
Wiegand/Berger, Euro, 1297f.; Walter, Vertrag, 280. Allgemein zu Sanktionen bei<br />
Verletzung von <strong>Informationspflichten</strong> Druey, Information, 177ff.<br />
104 Walter, Vertrag, 280.<br />
105 Vgl. Wiegand/Berger, Einordnung, 732. Ablehnend Hartmann, da Art. 20 OR den<br />
Inhalt des Vertrages und nicht das Verhalten der Parteien sanktioniere.<br />
106 Grundlagenirrtum, absichtliche Täuschung, Übervorteilung. Ausführlich Hartmann,<br />
N 208ff.<br />
107 Ein Überblick über die herkömmliche Zuordnung von Verhaltenspflichtverletzungen<br />
findet sich bei Berger, 70ff.<br />
108 Gegen eine vertragliche Haftung Berger, 71f.<br />
34
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
fen, wo Schutzpflichten verletzt wurden, die gegenüber jedermann in<br />
gleichem Umfang und Intensität bestehen 109 . Eine deliktische Haftung setzt<br />
nach der herrschenden objektiven Widerrechtlichkeitstheorie i. S. von<br />
Art. 41 Abs. 1 OR entweder die Verletzung eines absoluten Rechts (Erfolgsunrecht)<br />
oder einer Schutznorm (Verhaltensunrecht) voraus 110 . Da bei Verletzungen<br />
von Aufklärungspflichten <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong> in aller Regel nur mit<br />
Vermögensschäden gerechnet werden muss und damit kein absolutes Recht<br />
verletzt wird, erfordert eine deliktische Haftung demnach eine Schutznormverletzung.<br />
De lege ferenda ist dies unproblematisch, werden doch ein grosser<br />
Teil der Aufklärungspflichten der Richtlinien übernommen werden 111 .<br />
De lege lata müssten jedoch Art.2 ZGB und die darauf basierenden Aufklärungspflichten<br />
als Schutznorm anerkannt werden, ansonsten sich keine deliktische<br />
Haftung begründen liesse.<br />
Ein Teil der Lehre hat gefordert, bei Verletzungen von Verhaltenspflichten<br />
einen Anwendungsfall der Vertrauenshaftung 112 zu sehen 113 , allerdings<br />
mit dem Resultat, dass bestenfalls gleichwohl die Prinzipien der vertraglichen<br />
Haftung zur Anwendung gelangen 114 , oder aber die Rechtslage unklar<br />
bleibt 115 . Anerkennt man nämlich die Vertrauenshaftung als dritten Haftungspfeiler<br />
116 , wozu an dieser Stelle nicht weiter Position bezogen werden<br />
muss 117 , sind deren Konturen noch unklar: Kommen die vertrags- oder die<br />
109 Kramer, Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, N 148f. Beispiele für letztere<br />
Konstellationen sind Verletzungen durch Ausrutschen in Warenhäusern, umfallende<br />
Gegenstände etc. Gegen eine deliktische Haftung Berger, 72 f. Gegen den Vorschlag<br />
von Kramer votieren Hausheer/Jaun, 410. Vgl. zur Abgrenzung zwischen Verhaltenspflichten<br />
und deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflichten Berger, 69 f.<br />
110 BGE 115 II 18; 118 Ib 476. Statt vieler Keller, 107f.; Widmer, 102.<br />
111 Siehe dazu hinten 4.<br />
112 Vom Bundesgericht <strong>im</strong> Swissair-Entscheid, BGE 120 II 331, aus der Taufe gehoben.<br />
Siehe auch Fn 60.<br />
113 So z.B. Hartmann, N 257ff., allerdings ohne dann das Vorliegen eines besonderen<br />
Vertrauenstatbestandes als spezielle Haftungsvoraussetzung aufzuführen. Loser, 91,<br />
der die Vertrauenshaftung für schuldhafte Pflichtverletzungen anwenden will; Abegglen,<br />
141ff. Zur Vertrauenshaftung als Haftungsgrund für Aufklärungspflichten siehe<br />
Breidenbach, 47ff.<br />
114 Berger, 70ff., insbesondere 83ff.; Loser, 91; Moser/Berger, 546f.<br />
115 Hausheer/Jaun, 411, plädieren für die Ersetzung des «Vertrauensschadens».<br />
116 Hier sei die Frage erlaubt, ob eine Haftungsform, die keine eigenen Haftungsprinzipien<br />
kennt, wirklich als dritter Pfeiler bezeichnet werden kann. Treffender wäre vermutlich<br />
das Bild des Brückenbogens, welcher auf der vertraglichen und der deliktischen<br />
Haftung ruht.<br />
117 Immerhin sei festgehalten, dass bei Fehlen einer Haftungsgrundlage, wie dies <strong>im</strong> Swissair-Entscheid<br />
(BGE 120 II 331) der Fall war (wörtlich BGE 120 II 335 E. 5 a: Erwecktes<br />
Vertrauen könne «...auch bei Fehlen einer deliktischen oder vertraglichen Haftungsgrundlage<br />
haftungsbegründend sein...»), sozusagen <strong>im</strong> Sinne eines Billigkeitsent-<br />
35
Florian S. Jörg<br />
deliktsrechtlichen Prinzipien zur Anwendung oder gilt die gemischte Sichtweise<br />
des Bundesgerichts zur culpa in contrahendo 118 ? Ist das negative oder<br />
das positive Interesse zu ersetzen 119 ? Letztere Frage hat das Bundesgericht<br />
dahingehend entschieden, dass das positive Interesse gefordert werden<br />
kann 120 .<br />
Nach der hier vertretenen Auffassung sind demnach weder die rein deliktischen<br />
Prinzipien noch die Grundsätze des Vertragsrechts, sondern die zur<br />
culpa in contrahendo 121 entwickelten Regeln anzuwenden 122 . Dies ist insofern<br />
systemkongruent und konsequent, als dass die culpa in contrahendo,<br />
auch vorvertragliche Verantwortlichkeit genannt 123 , als Ausfluss des gesetzlichen<br />
Schuldverhältnisses betrachtet wird. Zudem hat das Bundesgericht<br />
schon seit längerer Zeit auch bei nachteiligem Vertragsschluss die Anwendbarkeit<br />
der culpa in contrahendo bejaht, wenn eine Partei die ihr obliegenden<br />
Aufklärungspflichten verletzt hatte 124 . Somit sind Schäden, die ihren<br />
Ursprung in der Nichterbringung vorvertraglicher oder nachvertraglicher<br />
Aufklärungspflichten haben, nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo<br />
zu behandeln. Anwendbar sind auch die ausservertraglichen Haftungsgrundsätze<br />
125 .<br />
Ob die Haftung aus culpa in contrahendo als Vertrauenshaftung ausgestaltet<br />
ist und ob sie die Anwendung deliktischer oder vertraglicher Haftungsbest<strong>im</strong>mungen<br />
nach sich zieht, ist in der schweizerischen Lehre um-<br />
scheides der Rückgriff auf die Vertrauenshaftung durchaus sinnvoll ist. Bestehende<br />
Haftungsgrundlagen sollten jedoch nicht ohne Not ersetzt werden, weil <strong>im</strong> Sinne des<br />
Bundesgerichts deliktische oder vertragliche Haftungsgrundlagen nicht fehlen.<br />
118 Schwenzer, AT 52.04, mit weiteren Hinweisen.<br />
119 Vgl. Schwenzer, AT, 52.04, mit weiteren Hinweisen auf die verschiedenen Meinun-<br />
gen.<br />
120 Nicht publizierter Entscheid des Bundesgerichts 4C.299/1998 vom 7. Januar 1999; siehe<br />
Wiegand, Formungültigkeit, 225ff.; Walter, Vertrauenshaftung, 85; Widmer, 113;<br />
Leuenberger, 173ff. Allerdings beisst sich hier das neu geschaffene System in den eigenen<br />
Schwanz: Die Haftung aus culpa in contrahendo verhilft nach anerkannter<br />
Rechtsprechung nur zum Ersatz des negativen Vertragsinteresses (z. B. eben BGE 105<br />
II 81). Nach neuerer Auffassung ist die culpa in contrahendo jedoch ein Ausfluss der<br />
Vertrauenshaftung. Für letztere hat das Bundesgericht aber <strong>im</strong> erwähnten Entscheid<br />
Schadenersatz in Höhe des positiven Vertragsinteresses zugesprochen.<br />
121 Siehe dazu BGE 108 II 313; Keller/Siehr, 20; Wick, 1272; Bülow/Artz, 2055. Vgl.<br />
Frick, 46ff.; Hartmann, N 249ff.<br />
122 Ebenso Wiegand, Geschäftsverbindung, 110.<br />
123 Keller, 497.<br />
124 BGE 102 II 81, 84; 92 II 328, 333; Schwenzer, AT, 47.09.<br />
125 So Wiegand/Berger, Euro, 1298, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Schadens,<br />
der Pflichtverletzung/Widerrechtlichkeit, der Kausalität und des Verschuldens.<br />
36
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
stritten 126 . In der Rechtsprechung hat das Bundesgericht die culpa in contrahendo<br />
in BGE 121 III 350 der Vertrauenshaftung zugeschlagen 127 . Wichtiger<br />
als die Qualifizierung ist jedoch die Frage der damit verbundenen Rechtsfolgen.<br />
In Anlehnung an Art.39 OR können auch Dritte, die anlässlich der Vertragsverhandlungen<br />
besonderes Vertrauen erweckt haben, haftpflichtig<br />
werden 128 . Im Rahmen der vorvertraglichen Haftung kommt betreffend<br />
Hilfspersonenhaftung Art.101 OR und nicht Art.55 OR zur Anwendung 129 .<br />
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung richtet sich die Verjährung nach<br />
Art. 60 Abs. 1 OR 130 , obwohl nach Ansicht der Lehre zumindest bei Vermögensschäden<br />
Art.127 OR heranzuziehen wäre 131 . Bei Haftung aus culpa in<br />
contrahendo ist zudem nach Meinung des Bundesgerichts nur das negative<br />
Interesse zu ersetzen 132 . Das positive Interesse könnte nur gestützt auf die<br />
Vertrauenshaftung zugesprochen werden 133 .<br />
Zusammenfassend drängt sich neben der grundsätzlichen Anwendbarkeit<br />
der Prinzipien der culpa in contrahendo die Erkenntnis auf, dass die<br />
Frage erneut falsch gestellt wurde 134 : Was nützt die neue Benennung einer<br />
Haftungsart, wenn ihre Folgen ohnehin nach deliktischen oder vertraglichen<br />
Prinzipien abgehandelt werden müssen? Mit der direkten Fragestellung<br />
nach den anwendbaren Rechtsfolgen und Normen liesse sich das gleiche Resultat<br />
ohne den dogmatischen Umweg der Vertrauenshaftung erreichen.<br />
2.4.3 Verletzung nachvertraglicher Aufklärungspflichten<br />
Die Verletzungsfolgen nachvertraglicher Pflichten sind nicht speziell geregelt.<br />
Nach der hier vertretenen Auffassung ist zu unterscheiden: Wird eine<br />
Neben(leistungs)pflicht missachtet, greifen vertragliche Haftungsgrundsät-<br />
126 Schwenzer, AT, 48.01, mit weiteren Hinweisen auf die Lehre; vgl. Keller, 498f.<br />
127 Vgl. auch Keller, 497ff.; Schwenzer, AT, 48.02.<br />
128 Schwenzer, AT, 47.04.<br />
129 BGE 108 II 419, 422; Keller, 498; Wiegand, Schuldverhältnis, 93; Schwenzer, AT,<br />
48.04.<br />
130 BGE 104 II 94, 95. Vgl. Keller, 498.<br />
131 Wiegand, Schuldverhältnis, 93; Schwenzer, AT, 48.05.<br />
132 BGE 105 II 81.<br />
133 Siehe auch Fn 120.<br />
134 Schon Jäggi, Peter: Zum Begriff der vertraglichen Schadenersatzforderung, in: Festgabe<br />
für Wilhelm Schönenberger zum 70. Geburtstag, Freiburg 1968, 181, 193 und<br />
Zürcher Kommentar Schönenberger, Wilhelm/Jäggi, Peter: Kommentar zu<br />
Art.1–17 OR, Zürich 1973, N 592 zu Art.1, vertrat zur Frage der Rechtsnatur der culpa<br />
in contrahendo die Auffassung, diese sei irrelevant, zu entscheiden sei dagegen, nach<br />
welchen Modalitäten die Ersatzpflicht abzuwickeln sei. Zust<strong>im</strong>mend zur Irrelevanz der<br />
Frage Kramer, Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, N 139.<br />
37
Florian S. Jörg<br />
ze, da die Wirkung der Vereinbarung über ihren Erlöschungszeitpunkt andauert.<br />
Bei Verletzung von nachvertraglichen Verhaltenspflichten dagegen<br />
sind die gleichen Grundsätze wie bei Missachtung vorvertraglicher Pflichten<br />
anzuwenden, was bei Vorliegen der Voraussetzungen zu einer Art Haftung<br />
aus «culpa post contractum» führt, welche den gleichen Grundsätzen unterliegt<br />
wie die Haftung aus culpa in contrahendo.<br />
2.4.4 Normierte Verletzungsfolgen<br />
Einige der Spezialgesetze sehen für den Fall der Verletzung ihrer Aufklärungspflichten<br />
eigene Rechtsfolgen vor. Beispielsweise führt gemäss Art.11<br />
Abs. 1 KKG ein Verstoss gegen die <strong>Informationspflichten</strong> zur Nichtigkeit<br />
des Konsumkreditvertrages 135 .<br />
2.5 Fazit<br />
Die Theorie vom gesetzlichen Schuldverhältnis führt zu einer einheitlichen<br />
Systematik der Aufklärungspflichten und zeigt die Parallelität zwischen vorund<br />
nachvertraglichen Pflichten. Zudem führt sie zur Anwendbarkeit der<br />
Grundsätze der culpa in contrahendo bei Verletzung der vor- und nachvertraglichen<br />
Aufklärungspflichten, sofern es sich bei letzteren um Verhaltenspflichten<br />
handelt. Auf welche konkrete Aufklärungspflichten diese Erkenntnisse<br />
zur Anwendung gelangen könnten, wird <strong>im</strong> Folgenden anhand<br />
der Vorschriften der EU und des Entwurfs des Bundesgesetzes über den<br />
elektronischen Geschäftsverkehr zu zeigen sein.<br />
3. <strong>Informationspflichten</strong> der E-<strong>Commerce</strong>und<br />
der Fernabsatz-Richtlinie<br />
3.1 Übersicht<br />
Der internationale Trend führt zu einer Verstärkung der Aufklärungspflichten<br />
136 . Auch die Richtlinien der EU, insbesondere die E-<strong>Commerce</strong>-Richt-<br />
135 Zum Ganzen auch Hartmann, N 340ff.<br />
136 Auch Art.14 des Entwurfs einer UNCITRAL-Vereinbarung über den elektronischen<br />
Vertragsschluss (Prel<strong>im</strong>inary draft convention on [international] contracts concluded<br />
or evidenced by data messages, abrufbar unter www.uncitral.org/english/workinggroups/wg_ec/wp-95e.pdf)<br />
sieht folgende <strong>Informationspflichten</strong> vor:<br />
38
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
linie (RLEC) 137 und die Fernabsatz-Richtlinie (RLFA) 138 , schreiben eine<br />
Vielzahl von Informationen vor. Der Nutzer oder Verbraucher soll nicht<br />
mehr als unmündiger Teilnehmer am Marktgeschehen, der jeglichen erdenkbaren<br />
Schutz braucht, gesehen werden. Er soll vielmehr nach richtiger<br />
und umfassender Aufklärung seine Entscheide ohne Täuschung in Selbstverantwortung<br />
fällen können. Dieser Ansatz steht <strong>im</strong> Gegensatz zum Aufbau<br />
eines Schutzwalles aus materiell-rechtlichen Normen zugunsten des als<br />
schwächer eingestuften Nutzers 139 .<br />
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geht ebenfalls seit<br />
geraumer Zeit vom Konzept des «informierten Konsumenten» aus 140 . Bei<br />
der Verwirklichung dieses Ansatzes, d.h. bei der Festsetzung des Umfanges<br />
der notwendigen Aufklärung, hat man nun in der EU etwas über die Stränge<br />
gehauen 141 . Aus der RLFA, der Finanzdienstleistungs-Richtlinie 142 und der<br />
RLEC ergeben sich zusammen über dreissig Angaben, die zum Bestandteil<br />
1. A party offering goods or services through an information system that is generally<br />
accessible to the public shall render the following information available to parties accessing<br />
such information system:<br />
a) Its name and, where the party is registered in a trade or s<strong>im</strong>ilar public register, the<br />
trade register in which the party is entered and its registration number, or equivalent<br />
means of identification in that register;<br />
b) The geographic location and address at which the party has its place of business;<br />
c) Details, including its electronic mail address, which allow the party to be contacted<br />
rapidly and communicated with in a direct and effective manner.<br />
2. A party offering goods or services through an information system that is generally<br />
accessible to the public shall ensure that the information required to be provided under<br />
paragraph 1 is easily, directly and permanently accessible to parties accessing the<br />
information system.<br />
137 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000<br />
über best<strong>im</strong>mte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere<br />
des elektronischen Geschäftsverkehrs, <strong>im</strong> Binnenmarkt; auch E-<strong>Commerce</strong>-<br />
Richtlinie genannt, (inoffizielle Abkürzung: RLEC).<br />
138 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über<br />
den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen <strong>im</strong> Fernabsatz (inoffizielle Abkürzung:<br />
RLEC).<br />
139 Zum Grundgedanken auch Spindler, ZUM 11/1999, 791. Siehe dazu auch Micklitz,<br />
Recht, A3 N 35f. Nach Mankowski, Fernabsatzrecht, 768, bezweckt § 2 Abs. 2 des<br />
deutschen Fernabsatzgesetzes (FernAbsG, Umsetzung der RLFA in Deutschland) die<br />
Sicherstellung einer informierten und rationalen Entscheidung des Verbrauchers über<br />
Vertragsschluss und Leistungsbezug und die Ausgleichung der bestehenden Informationsasymmetrie<br />
durch Inanspruchnahme des cheapest information provider.<br />
140 Truchet, Valérie: Le concept du «consommateur informé» en droit européen, Berne<br />
2000, 31ff.; Koller-Tumler, E-Banking, 155.<br />
141 Von einer drohenden Überregulierung spricht auch Hoeren, Yeti, 285.<br />
142 Auf deren <strong>Informationspflichten</strong> wird hier nicht eingegangen.<br />
39
Florian S. Jörg<br />
der Aufklärung für den Abnehmer <strong>im</strong> Fernabsatz 143 gemacht werden müssen<br />
144 . Dies kann zu Problemen führen, insbesondere <strong>im</strong> M-<strong>Commerce</strong>, da<br />
die dort verwendeten Bildschirme naturgemäss nur wenig Informationen<br />
anzeigen können 145 . Im Folgenden wird deshalb aufgezeigt, welche Aufklärungspflichten<br />
die RLEC und die RLFA vorsehen:<br />
3.2 <strong>Informationspflichten</strong> nach der RLEC<br />
3.2.1 Art. 5: Allgemeine <strong>Informationspflichten</strong><br />
Laut Art. 5 RLEC müssen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass unbeschadet<br />
der übrigen Informationsanforderungen nach dem Gemeinschaftsrecht<br />
(<strong>im</strong> Entwurf war nur ein Hinweis auf die Richtlinie 97/7/EG 146<br />
zu finden) die Dienstanbieter folgende Informationen ständig, unmittelbar<br />
und leicht zugänglich machen 147 :<br />
a) den Namen des Diensteanbieters;<br />
b) die geographische Anschrift, unter welcher der Diensteanbieter niedergelassen<br />
ist;<br />
c) Angaben, welche eine Kontaktaufnahme und effiziente Kommunikation<br />
ermöglichen, einschliesslich seiner E-Mail-Adresse 148 ;<br />
d) gegebenenfalls das Handelsregister, in das der Anbieter eingetragen ist,<br />
und die Handelsregisternummer 149 ;<br />
e) falls eine Zulassung erforderlich ist, die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde;<br />
143 Die <strong>Informationspflichten</strong> obliegen allen Berufssparten. Für die Dienstleistungen der<br />
Rechtsanwälte vgl. Horst, 1296ff.<br />
144 Hoeren, Yeti, 283f. Zu den <strong>Informationspflichten</strong> beispielsweise nach spanischem<br />
Recht siehe Micklitz/Rott, 493ff.; zu den <strong>Informationspflichten</strong> nach dem neuen<br />
deutschen Recht: Micklitz/Reich, 2094 und zu den <strong>Informationspflichten</strong> nach dem<br />
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Micklitz, Fernabsatz, 140ff.; Ulmer, 209ff. Allgemein<br />
zu den <strong>Informationspflichten</strong> siehe auch Weber, E-<strong>Commerce</strong>, 334; Jörg, 22 f.<br />
145 Dazu ausführlicher Gasser, M-<strong>Commerce</strong>, 23ff.<br />
146 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über<br />
den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen <strong>im</strong> Fernabsatz: Abl. L 144 vom 4. Juni<br />
1997.<br />
147 Zu den einzelnen <strong>Informationspflichten</strong> auch Hoeren, Yeti, 283f.; zu den allgemeinen<br />
<strong>Informationspflichten</strong> Marino/Fontana, 46; Härting, CR 10/2000, 692ff.<br />
148 Analog auch einschliesslich der Telefax-Nummer: Marly, A4 Art. 5 N 13.<br />
149 Nach Marly, A4 Art.5 N 14, gilt dies auch für Eintragungen z. B. <strong>im</strong> Vereins-, Partnerschafts-<br />
und Genossenschaftsregister.<br />
40
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
f) bei reglementierten Berufen gegebenenfalls den Berufsverband oder die<br />
Kammer, welcher der Anbieter angehört, die verliehene Berufsbezeichnung<br />
und die <strong>im</strong> Mitgliedstaat anwendbaren Berufsregeln;<br />
g) die Mehrwertsteuernummer.<br />
Falls Preise und sonstige Bedingungen angegeben werden, muss dies auf zutreffende<br />
und unzweideutige Weise geschehen und unter Berücksichtigung<br />
der Nebenkosten.<br />
Art. 5 RLEC dient der Transparenz in der Informationsgesellschaft 150<br />
und enthält nach der hier verwendeten Terminologie vorvertragliche Aufklärungspflichten.<br />
Entsprechend müssen die statuierten <strong>Informationspflichten</strong><br />
von allen Diensteanbietern erfüllt werden 151 . Diese allgemeinen <strong>Informationspflichten</strong><br />
sind in jedem Fall zu erbringen und sind nicht an eine allfällige<br />
Konsumenteneigenschaft der anderen Vertragspartei geknüpft 152 . Weitere<br />
Pflichten in anderen Erlassen bleiben ausdrücklich vorbehalten 153 .<br />
Zu Art. 5 RLEC sind folgende Bemerkungen anzubringen: Der Name<br />
dient der Identifizierung der Partei, allenfalls auch für ein späteres Gerichtsverfahren<br />
zur Best<strong>im</strong>mung der Passivlegit<strong>im</strong>ation. Bei juristischen Personen<br />
muss auch deren gesetzlicher Vertreter namentlich genannt werden 154 .<br />
Eine Unterteilung in Post- und Lokaladresse wäre denkbar gewesen 155 .<br />
Zweck ist letztlich die Sicherstellung der Möglichkeit, den Anbieter gerichtlich<br />
vorzuladen. Die Angabe eines Postfaches reicht nicht aus 156 . Dass bei<br />
«Reglementierten Berufen» 157 der Berufsverband angegeben werden muss,<br />
kann noch angehen, doch dass die Berufsregeln ständig, unmittelbar und<br />
leicht zugänglich sein müssen, sprengt doch den Rahmen 158 . Es ist auch nicht<br />
ersichtlich, welche Vorteile der Nutzer erlangt, wenn er die Mehrwert- oder<br />
150 Marly, A4 Art.5 N 7.<br />
151 Marly, A4 Art.5 N 7.<br />
152 Hoeren, Yeti, 283.<br />
153 Marly, A4 Art.5 N 8.<br />
154 Marly, A4 Art.5 N 11. Zur Anbieternennung auch Bock, Auftreten, 324ff.<br />
155 Hoeren, MMR 4/1999, 196.<br />
156 Marly, A4 Art.5 N 12.<br />
157 «Reglementierte Berufe» werden in Art.2 lit.g RLEC unter Hinweis auf verschiedene<br />
andere Richtlinien definiert, nachdem die Unklarheit des Begriffs <strong>im</strong> Entwurf kritisiert<br />
worden war. Zudem war in Art.2 lit.e E-RLEC von «freien Berufen» gesprochen worden,<br />
was jedoch in der Endfassung in Art.2 lit. g RLEC korrigiert wurde: Hoeren,<br />
MMR 4/1999, 197. Siehe auch 3.2.3.<br />
158 Vgl. zu den reglementierten Berufen auch die Regelung in Art. 8 RLEC, der zufolge<br />
kommerzielle Kommunikation durch Angehörige eines reglementierten Berufs gestattet<br />
werden muss, soweit die Berufsregeln beachtet werden. Dazu ausführlicher Marly,<br />
A4 Art.8.<br />
41
Florian S. Jörg<br />
Umsatzsteuernummer des Diensteanbieters kennt 159 . Zu beachten ist<br />
schliesslich, dass keine Vorschrift zur Angabe von Preisen normiert wurde,<br />
sondern lediglich, dass, wenn schon Angaben gemacht werden, diese unzweideutig<br />
und zutreffend sind 160 . Bei Verbrauchergeschäften wird diese<br />
Norm keine eigenständige Bedeutung erlangen, da ohnehin Preisbekanntgabevorschriften<br />
bestehen und diese weiterhin erhalten bleiben 161 .<br />
3.2.2 Kommerzielle Kommunikation: Art.6 und 7<br />
Laut Art. 6 RLEC müssen die Mitgliedstaaten in ihren Rechtsvorschriften<br />
vorsehen, dass die kommerzielle Kommunikation, welche gemäss Art.2 lit.e<br />
RLEC alle gewerblichen Informationen in Bezug auf ein konkretes Unternehmen<br />
beinhaltet, folgende Voraussetzungen erfüllt:<br />
a) Sie muss klar als solche zu erkennen sein 162 ;<br />
b) die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag die Kommunikation<br />
erfolgt, muss klar identifizierbar sein;<br />
c) soweit Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe etc. durch<br />
den Niederlassungsstaat des Diensteanbieters erlaubt sind, müssen sie<br />
klar als solche erkennbar sein und die Bedingungen zur Inanspruchnahme<br />
müssen leicht zugänglich sowie zutreffend und unzweideutig angegeben<br />
sein;<br />
d) soweit Preisausschreiben und Gewinnspiele <strong>im</strong> Niederlassungsstaat erlaubt<br />
sind, müssen sie klar als solche erkennbar sein und die Teilnahmebedingungen<br />
müssen leicht zugänglich sowie zutreffend und unzweideutig<br />
angegeben werden.<br />
Ziel der Regelung ist es, Webseiten, die äusserlich wie Fachtexte aussehen,<br />
jedoch vollständig als Werbung konzipiert und finanziert sind, als solche<br />
zu kennzeichnen 163 . Auffallend ist, dass die heiklen Bereiche der Verkaufszugaben,<br />
Gewinnspiele und Geschenke nicht vereinheitlicht, sondern<br />
lediglich transparent gestaltet werden 164 . Zudem wird das Informationsprin-<br />
159 Marly, A4 Art.5 N 19. Dagegen wendet Spindler, ZUM 11/1999, 793 Fn 163, ein, dass<br />
sich in einigen Ländern nur so der Diensteanbieter verlässlich identifizieren liesse. Kritisch<br />
auch Hoeren, Yeti, 285, der ebenfalls anerkennt, dass z. B. in Spanien der Umsatzsteuernummer<br />
eine zentrale Identifizierungsfunktion zukommt, aber nicht einsehen<br />
will, warum das spanische System hier zum Durchbruch kommen soll.<br />
160 Maennel, MMR 4/1999, 189. Vergleiche aber die Vorschrift der RLFA, unten 3.3.<br />
161 Ausführlicher Marly, A4 Art. 5 N 20f.<br />
162 Dazu Marly, A4 Art.6 N 4.<br />
163 Trennungsgebot; vgl. Kilches, medien und recht 1/1999, 4.<br />
164 Hoeren, MMR 4/1999, 196.<br />
42
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
zip auch hier konsequent weiterverfolgt, indem der Nutzer auf die Besonderheiten<br />
klar hinzuweisen ist.<br />
Der Vorschrift der Identifizierung ist Genüge getan, wenn der Name der<br />
auftraggebenden natürlichen oder juristischen Person auf einem Banner auf<br />
der Site erscheint. Anstelle des Banners kann auch eine Hyperlinkverknüpfung<br />
treten, welche zu den entsprechenden Informationen auf einer anderen<br />
Seite führt 165 . Diesfalls muss jedoch deutlich gekennzeichnet sein, zu welchen<br />
Informationen der Link führt 166 .<br />
Unerbetene kommerzielle Kommunikation, also unaufgeforderte E-<br />
Mail-Werbung, muss gemäss Art.7 Abs.1 RLEC als solche gekennzeichnet<br />
sein. Zudem verpflichtet Art.7 Abs.2 RLEC die Anbieter, regelmässig so<br />
genannte «Robinson-Listen» zu konsultieren und zu beachten, in welche<br />
sich Personen eintragen lassen können, die keine E-Mail-Werbung mehr<br />
wünschen.<br />
3.2.3 Art.8: Reglementierte Berufe<br />
Für reglementierte Berufe 167 gelten die besonderen Vorschriften des Art.8<br />
RLEC, welche grundsätzlich 168 vorsehen, dass kommerzielle Kommunikation<br />
möglich bleiben muss, solange die berufsrechtlichen Regeln, insbesondere<br />
zur Wahrung von Unabhängigkeit, Würde und Ehre des Berufs, des Berufsgehe<strong>im</strong>nisses<br />
und eines lauteren Verhaltens gegenüber Kunden und Berufskollegen<br />
eingehalten werden 169 .<br />
3.2.4 Art.10: <strong>Informationspflichten</strong> bei Abschluss von Verträgen<br />
über das Internet<br />
Art. 10 RLEC verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie – mit Ausnahme für<br />
gewerbliche Parteien, die eine abweichende Vereinbarung getroffen haben –<br />
Rechtsvorschriften vorsehen, welche die Diensteanbieter verpflichten, das<br />
Verfahren für das Zustandekommen eines elektronischen Vertrages vor Abschluss<br />
des Vertrages klar und unzweideutig zu erläutern. Zu informieren ist<br />
insbesondere über (a) die einzelnen technischen Schritte, welche zum Ver-<br />
165 Brisch, CR 4/1999, 239.<br />
166 Marly, A4 Art.6 N 6.<br />
167 Siehe zur Definition Fn 157.<br />
168 Ausnahmen siehe Art.8 Abs.2 und 3 RLEC.<br />
169 Zur kommerziellen Kommunikation auch Pilette, 38.<br />
43
Florian S. Jörg<br />
tragsabschluss führen 170 , (b) den Umstand, ob der Vertragstext nach dem<br />
Vertragsabschluss gespeichert wird oder nicht und ob er zugänglich sein<br />
wird 171 , (c) Mittel zur Korrektur von Eingabefehlern und (d) die für den Vertragsabschluss<br />
zur Verfügung stehenden Sprachen 172 . Zudem müssen Diensteanbieter<br />
alle Verhaltenskodizes angeben, denen sie sich unterworfen haben,<br />
einschliesslich der Information, wie diese Kodizes elektronisch zugänglich<br />
sind 173 .<br />
3.2.5 Rechtsfolgen bei Verletzung der <strong>Informationspflichten</strong> der<br />
RLEC<br />
Die Rechtsfolgen einer Verletzung der <strong>Informationspflichten</strong> der RLEC<br />
sind nicht geregelt und damit unklar. Dadurch bleibt den Mitgliedstaaten der<br />
beachtliche Rechtsspielraum, welche Konsequenzen sie vorsehen wollen 174 .<br />
Nach Härting ist in Deutschland beispielsweise die Unterlassungsklage<br />
durch Verbraucherschutzverbände die einzige wirkliche Sanktion, welche<br />
fehlbare Unternehmer zu befürchten haben 175 .<br />
3.3 Informations- und Bestätigungspflichten der RLFA<br />
Die Fernabsatz-Richtlinie hat ein zweistufiges Regulierungsverfahren für<br />
Verbraucherverträge 176 eingeführt 177 : Zuerst ist der Konsument vor dem<br />
Vertragsschluss über die wesentlichen Vertragselemente sowie über weitere,<br />
für seine Willensbildung relevante Umstände zu unterrichten (vorvertragli-<br />
170 Siehe z.B. Marly, A4 Art.10 N 9.<br />
171 Dadurch kann der Nutzer entscheiden, ob er den Vertrag und die AGB selber speichern<br />
möchte oder aber später be<strong>im</strong> Anbieter abrufen kann: Marly, A4 Art. 10 N 10.<br />
172 Härting, CR 10/2000, 693, vertritt die Auffassung, eine Belehrung in englischer Sprache<br />
reiche aus, falls die Internet-Seiten nicht ausschliesslich an deutschsprachige Verbraucher<br />
gerichtet sind. Vgl. auch Marly, A4 Art.10 N 12.<br />
173 Art.10 Abs.3 RLEC; Glatt, 391.<br />
174 Spindler, MMR 7/2000, 12.<br />
175 Härting, CR 10/2000, 695. Zur Unterlassungsklage auch Tonner, 1414 und zur Verbandsklage<br />
Tonner, 1419.<br />
176 Im Gegensatz zur RLEC, welche allgemein gilt, ist die Fernabsatz-Richtlinie nur auf<br />
Konsumenten anwendbar: Straub, 361.<br />
177 Micklitz, Fernabsatz, 138. Ursprünglich war sogar ein dreistufiges Verfahren vorgesehen<br />
gewesen: Micklitz, Recht, A3 N 36. Für ein dreistufiges Verfahren be<strong>im</strong> deutschen<br />
Fernabsatzgesetz Ende/Klein, 151, die auch die Aufklärungspflichten be<strong>im</strong> gewerblichen<br />
Einsatz von Fernkommunikationsmitteln dazu zählen.<br />
44
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
che <strong>Informationspflichten</strong>) 178 . In einer zweiten Stufe, nach Abschluss des<br />
Vertrages, sind ein Teil dieser Informationen zu bestätigen und weitere, für<br />
die Erfüllung des Vertrages notwendige Informationen zusätzlich zu erbringen<br />
(vertragliche <strong>Informationspflichten</strong>) 179 .<br />
3.3.1 Art.4: Vorvertragliche <strong>Informationspflichten</strong><br />
3.3.1.1 Inhalt<br />
Nach Art. 4 Abs.1 RLFA muss der Verbraucher rechtzeitig vor dem Abschluss<br />
eines Vertrages <strong>im</strong> Fernabsatz über folgende Informationen verfügen:<br />
a) Identität und allenfalls Adresse des Lieferanten 180 ,<br />
b) die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung,<br />
c) den Preis einschliesslich aller Steuern,<br />
d) gegebenenfalls Lieferkosten 181 ,<br />
e) Einzelheiten der Zahlung und der Erfüllung durch den Anbieter,<br />
f) Angaben zum allenfalls bestehenden Widerrufsrecht 182 ,<br />
g) Kosten für den Einsatz der Fernkommunikationstechnik 183 ,<br />
h) Gültigkeitsdauer des Angebotes und des Preises,<br />
i) Mindestlaufzeit des Vertrages bei wiederkehrender Leistung.<br />
Sicherheitshalber legt Abs.2 des Art.4 RLFA fest, dass der kommerzielle<br />
Zweck klar erkennbar sein und die Angaben klar und verständlich sein müssen,<br />
wobei die Grundsätze der Lauterkeit einzuhalten sind 184 .<br />
178 Art.4 RLFA.<br />
179 Art.5 RLFA.<br />
180 Die Angabe der Adresse ist nur erforderlich bei Verträgen, bei denen eine Vorauszahlung<br />
erforderlich ist. Vgl. Frei, 189. Das ehemalige deutsche Fernabsatzgesetz und das<br />
österreichische Konsumentenschutzgesetz (KSchG) sehen die Bekanntgabe der Identität<br />
in jedem Fall vor: Frei, 189; vgl. Dilger, 75. Siehe zur Identität auch Micklitz,<br />
Recht, A3 N 44. Zu Recht bemängelt jedoch Micklitz, a. a. O., dass die Regelung der<br />
Richtlinie geradezu dysfunktional sei, da die fehlende Anschrift den Verbraucher von<br />
der Vertragserfüllung abhalten könne. Der Lieferer sei deshalb gut beraten, über das<br />
Niveau der Richtlinie hinauszugehen.<br />
Das FernAbsG verlangte dagegen in § 2 Abs.1 die Angabe des geschäftlichen Zweckes<br />
und der Identität, um getarnte Werbung zu verhindern: Aigner/Hofmann, 32.<br />
181 Die Frage der Berechtigung von Lieferkosten wird vom einzelstaatlichen Recht geregelt:<br />
Micklitz, Recht, A3 N 47.<br />
182 Nach Micklitz, Recht, A3 N 49, handelt es sich um eine Aufklärungspflicht.<br />
183 Sofern nicht nach dem Grundtarif abgerechnet wird: Micklitz, Recht, A3 N 50.<br />
184 Vgl. Dilger, 77. In Deutschland wurde zudem die «Verordnung über <strong>Informationspflichten</strong>»<br />
geschaffen, welche die <strong>Informationspflichten</strong> der Anbieter bei Fernabsatz-,<br />
45
Florian S. Jörg<br />
3.3.1.2 Einzelfragen<br />
Der Katalog enthält jedoch einige Ungere<strong>im</strong>theiten: Wie die Wesentlichkeit<br />
der Eigenschaften in Art.4 Abs.1 lit. b RLFA best<strong>im</strong>mt wird, ist offen. Nach<br />
Hoeren 185 bleibt nichts anderes übrig, als sich auf die objektive Wesentlichkeit<br />
abzustützen, auch wenn diese nur schwer zu ermitteln ist und durch spätere<br />
Vereinbarungen modifiziert werden kann. Micklitzfordert eine gemeinschaftsrechtliche<br />
Konkretisierung vor dem Hintergrund der Funktion,<br />
welche die fehlende Produktebeschreibung hätte erfüllen sollen 186 . Dasselbe<br />
gilt für die Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung sowie der Lieferung<br />
oder Erfüllung (Art.4 Abs.1 lit.e RLFA), zumal der Umfang der verlangten<br />
Angaben nicht klar ist 187 .<br />
Problematisch erweist sich auch die Pflicht, den Preis inklusive Steuern<br />
188 anzugeben, da die diversen Mitgliedländer unterschiedliche Mehrwertsteuersätze<br />
anwenden. Zudem dürften die ebenfalls anzugebenden Lieferkosten<br />
(Art. 4 Abs.1 lit.d RLFA) je nach Entfernung zum Abnehmer unterschiedlich<br />
ausfallen. Demnach müsste der Anbieter für jedes Land oder<br />
gar für jede Region die entsprechenden Preise separat angeben. Bei der verlangten<br />
Angabe über die Geltungsdauer des Angebotes und des Preises<br />
(Art. 4 Abs. 1 lit. h RLFA) ist wohl übersehen worden, dass in den meisten<br />
Mitgliedstaaten das Angebot vom Abnehmer ausgeht und nicht vom Anbieter<br />
auf seiner Homepage unterbreitet wird. Wenn es jedoch auf den Websites<br />
kein Angebot gibt, braucht auch nicht über dessen Dauer informiert zu werden<br />
189 .<br />
Über die «geltenden Garantiebest<strong>im</strong>mungen» und «die Kündigungsbest<strong>im</strong>mungen<br />
bei unbest<strong>im</strong>mter Vertragsdauer bzw. einer mehr als einjährigen<br />
Vertragsdauer» muss erst mittels der schriftlichen Bestätigung bei Vertragserfüllung<br />
gemäss Art.5 Abs.1 RLFA, nicht aber vorgängig, informiert<br />
werden 190 . Naheliegender wäre gewesen, dem Verbraucher diese Informa-<br />
Teilzeitwohnrechte- und E-<strong>Commerce</strong>-Verträgen sowie Kreditinstitute und Reiseveranstalter<br />
treffen: Straub, 361. Zu den vorvertraglichen Aufklärungspflichten nach<br />
deutschem FernAbsG auch Ende/Klein, 155; Vehslage, Entwurf, 640. Siehe auch<br />
Art.6 RLEC.<br />
185 Hoeren, Yeti, 286.<br />
186 Micklitz, Recht, A3 N 45.<br />
187 Frei, 190. Zur Kritik auch Waldenberger, Verbraucherschutz, N 120.<br />
188 Art.4 Abs.1 lit.c RLFA.<br />
189 Zum Ganzen: Hoeren, Yeti, 283.<br />
190 Dazu auch Kilches, medien und recht 5/1997, 279. Vgl. auch Weber, E-<strong>Commerce</strong>,<br />
334.<br />
46
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
tionen schon bei Vertragsschluss als «vorherige Unterrichtung» zukommen<br />
zu lassen.<br />
3.3.2 Art.5: (Nach-)Vertragliche Bestätigungspflicht<br />
Die Bestätigung der wesentlichen Vertragspunkte muss schriftlich oder aber<br />
auf einem für den Konsumenten verfügbaren, dauerhaften Datenträger,<br />
rechtzeitig zur Erfüllung des Vertrages, jedoch spätestens mit der Lieferung,<br />
erfolgen 191 . Weiter sieht Art.5 Abs.1 RLFA vor, dass auf jeden Fall schriftlich<br />
über das Widerrufsrecht, die Adresse der Niederlassung, den Kundendienst<br />
und die Garantiebedingungen sowie die Kündigungsbest<strong>im</strong>mungen<br />
bei unbest<strong>im</strong>mter Vertragsdauer zu informieren ist 192 . Schriftlichkeit ist dem<br />
Wortlaut nach nur für die Auskunft über das Widerrufsrecht vorgesehen,<br />
doch dürfte es Absicht gewesen sein, für alle Informationen die Schriftform<br />
vorzusehen 193 .<br />
Ausnahmen gelten für Dienstleistungen, die unmittelbar mittels Fernkommunikationstechnik<br />
erbracht werden 194 . Fraglich bleibt somit, ob bei<br />
Standardsoftware, welche nach einem Teil der Lehre als Ware 195 und nicht<br />
als Dienstleistung gilt, die Bestätigung ebenfalls zu erfolgen hat, auch wenn<br />
die Ware online geliefert wird. Dies ist aufgrund der sofortigen Erfüllung<br />
m.E. zu verneinen.<br />
Die Interpretation des Erfordernisses des dauerhaften Datenträgers ist<br />
ebenfalls umstritten: Angaben auf der Homepage, welche die wesentlichen<br />
Punkte umfassen, also das blosse Zurverfügungstellen der Informationen<br />
für den Download, können nicht ausreichen, da ihnen naturgemäss der individuelle<br />
Bestätigungscharakter abgeht 196 . Zu Recht wird die Meinung ver-<br />
191 Art.5 Abs.1 RLFA.<br />
192 Nach Mankowski, Fernabsatzrecht, 769, ist der Katalog der verkörpert zu erteilenden<br />
Informationen bewusst begrenzt geblieben, um einen informational overkill nach<br />
Möglichkeit zu vermeiden. Waldenberger, Fernabsatz-Richtlinie, 104, kritisiert die<br />
verschiedenen <strong>Informationspflichten</strong>, deren Einhaltung einem «juristischen Puzzle»<br />
gleichkomme.<br />
193 Micklitz, Recht, A3 N 64. Vgl. Aigner/Hofmann, 33. Zudem reicht offenbar die Zurverfügungstellung<br />
auf einem dauerhaften Datenträger hier nicht aus, während der Begriff<br />
der Schriftlichkeit nicht klar definiert ist.<br />
194 Siehe Micklitz, Recht, A3 N 65.<br />
195 Für Werklieferungsvertrag Arter/Jörg/Gnos, 285f., mit weiteren Hinweisen.<br />
196 Im Resultat gleich Nestlé, 257; Deike, V. Das OLG München hat dagegen in einem am<br />
25.Januar 2001 verkündeten Urteil festgehalten, dass auch eine <strong>im</strong> Internet abrufbare<br />
Homepage als hinreichend dauerhafter Datenträger gewertet werden kann: Urteil 29<br />
U 4113/00; a.A. Mankowski, Fernabsatzrecht, 775, der eine Website nicht als dauerhaften<br />
Datenträger akzeptieren will.<br />
47
Florian S. Jörg<br />
treten, dass als dauerhafter Datenträger das Zustellen eines bestätigenden<br />
E-Mails genügt, welches sich vom Konsumenten auf seiner eigenen Anlage<br />
bei Bedarf ausdrucken lässt 197 . Jegliche andere Interpretation, insbesondere<br />
die Forderung nach einer Bestätigung per herkömmlicher Post auf Papier,<br />
geht an der Realität und am Zweck der Förderung des elektronischen Geschäftsverkehrs<br />
vorbei. Zudem macht es wenig Sinn, Angebot und Annahme<br />
generell formfrei zuzulassen, an die Bestätigung aber erhöhte Formanforderungen<br />
zu stellen 198 . Entsprechend ist auch die Umsetzung beispielsweise<br />
in Deutschland dieser Ansicht gefolgt, indem ein E-Mail, das auf dem<br />
Server des Access-Providers des Verbrauchers ankommt und auf das dieser<br />
zugreifen kann, den Anforderungen an den dauerhaften Datenträger genügt<br />
199 . Hoeren ist prinzipiell einverstanden, sieht jedoch Beweisprobleme,<br />
falls der Konsument den Erhalt der Mail bestreitet 200 . Diesfalls hat der Unternehmer<br />
wenig Chancen, die korrekte Unterrichtung nachzuweisen, weshalb<br />
er sicherheitshalber auf die Papierform zurückgreifen wird, womit über<br />
die Hintertür der Beweislastverteilung die Schriftform faktisch wieder eingeführt<br />
wird 201 . Micklitz/Reich dagegen sehen diese Beweislastverteilung<br />
als begrüssenswert 202 . Nach der hier vertretenen Auffassung muss die Bestätigung<br />
per E-Mail genügen, da das Erfordernis einer Bestätigung in Papierform<br />
dem Normzweck der Fernabsatzrichtlinie zuwiderlaufen und den Vorgang<br />
des Vertragsschlusses verlangsamen würde 203 .<br />
3.3.3 Sprache insbesondere<br />
Erwägungsgrund Nr.8 der RLFA hält fest, dass die Frage der für Vertragsabschlüsse<br />
<strong>im</strong> Fernabsatz zu verwendenden Sprache in die Zuständigkeit der<br />
Mitgliedstaaten fällt. Entsprechend enthält die RLFA keine Best<strong>im</strong>mungen<br />
197 Dickie, 96; Nestlé, 257; Feller, 23; Meents, Verbraucherschutz, 197; Waldenberger,<br />
Fernabsatzrichtlinie, 107. Nach Micklitz, Recht, A3 N 63, genügt die Möglichkeit,<br />
dass der Verbraucher die ihm übermittelten Daten auf der Festplatte oder einer Diskette<br />
speichern kann. Ausführlich zur Schriftlichkeit und zum dauerhaften Datenträger:<br />
Dilger, 81f.; Ende/Klein, 174ff.<br />
198 So aber offenbar Frei, 192; vgl. Hoeren, Yeti, 287f.<br />
199 Vgl. den neuen § 361a Abs.3 Satz 1 BGB; Meents, Probleme, 611f.; Kamanabrou,<br />
1418f.; Deike, V; Piepenbrock/Schmitz, 381f. Zum (alten) FernAbsG ausführlich<br />
Micklitz, Recht, Nach A3 N 1ff.<br />
200 Hoeren, Yeti, 288.<br />
201 Meents, Probleme, 612.<br />
202 Micklitz/Reich, 2094; ebenso Frei, 193. Zur Bestätigungspflicht nach deutschem<br />
Recht auch Piepenbrock/Schmitz, 381f.<br />
203 Diese Lösung sieht auch Art.40d Abs.3 E-OR explizit vor.<br />
48
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
über die zu verwendenden Sprachen. Nach dem Herkunftslandprinzip 204<br />
wären eigentlich alle Konsumenten in den anderen Ländern benachteiligt,<br />
weil eine Anpassung an ihre Sprache aufgrund der Normen zum Fernabsatz<br />
nicht erforderlich ist. Anderseits lässt sich argumentieren, dass der Markt<br />
unter Umständen die Diensteanbieter zwingen wird, sich auch sprachlich<br />
Nutzern aus anderen Ländern zu öffnen. Insbesondere ist denkbar, dass die<br />
Übernahme fremdsprachiger AGB durch Konsumenten von den jeweiligen<br />
Gerichten verneint werden wird. Spindler gibt jedoch zu bedenken, dass<br />
auch nach deutschem Recht der Kunde, der sich bewusst auf eine fremde<br />
Verhandlungs- oder Vertragssprache einlässt, keinen besonderen Schutz geniesst<br />
205 . Selbstverständlich müssen auch Nutzer, die der deutschen Sprache<br />
nicht mächtig sind, korrekt informiert werden. Ebenso klar ist jedoch, dass<br />
die Informationen nicht in sämtlichen Muttersprachen potentieller Kunden<br />
angeboten werden können. Die Tendenz geht deshalb dahin, dass neben der<br />
Sprache des Anbieters und den pr<strong>im</strong>är ausgewählten Märkten zumindest eine<br />
englische Version vorhanden ist 206 .<br />
Die Sprachfrage hat jedoch ihre Tücken. Einerseits sind Missverständnisse<br />
unvermeidbar, andererseits gibt es auch staatliche Vorschriften zu beachten.<br />
Frankreich sieht beispielsweise vor, dass Angebote über Waren und<br />
Dienstleistungen in Frankreich <strong>im</strong>mer auch auf französisch zu erfolgen haben<br />
207 . Das Gleiche gilt auch für das deutsche Recht, welches für deutsche<br />
Konsumenten Informationen auf deutsch für notwendig hält 208 . Anbieter<br />
aus EU-Staaten können sich auf das Herkunftslandprinzip berufen, Schweizer<br />
dagegen nicht 209 .<br />
3.3.4 Rechtsfolgen bei Verletzung der <strong>Informationspflichten</strong> der<br />
RLFA<br />
Die RLFA sieht bei Verletzung der vorvertraglichen <strong>Informationspflichten</strong><br />
aus Art. 4 RLFA keine Sanktionen vor 210 , während die Verletzung der vertraglichen<br />
<strong>Informationspflichten</strong> aus Art.5 RLFA zur Verlängerung der Wi-<br />
204 Dem Herkunftslandprinzip zufolge kann ein Anbieter, der die richtlinienkonformen<br />
Best<strong>im</strong>mungen seines Herkunftsstaates beachtet, nicht zur Umsetzung der strengeren<br />
Normen eines anderen Mitgliedstaates angehalten werden.<br />
205 Spindler, ZUM 11/1999, 790.<br />
206 So auch Meents, Verbraucherschutz, 192.<br />
207 Siehe Strömer, 130.<br />
208 Kamanabrou, 1422, mit Verweis auf die Begründung zum FernAbsG.<br />
209 Allgemein zur Sprache auch Micklitz, Recht, A3 N 60 ff.<br />
210 Weber/Jöhri, 52.<br />
49
Florian S. Jörg<br />
derrufsfrist um drei Monate führt 211 . Hier hat der nationale Gesetzgeber einen<br />
beträchtlichen Spielraum 212 . Die Abwesenheit von weiteren gesetzlich<br />
normierten Rechtsfolgen hat der Interpretation Tür und Tor geöffnet. Micklitz<br />
geht davon aus, dass die Rechtsfolge von der verletzten Informationspflicht<br />
abhängt. Nicht deklarierte Steuern oder Kosten kann der Anbieter<br />
nicht verlangen und bei anderen <strong>Informationspflichten</strong> kommt nur Schadenersatz<br />
in Frage 213 . Nach Dilger werden die Verbraucherinteressen nur<br />
durch das in Art. 11 Abs.2 RLFA vorgesehene Verbandsklagerecht geschützt,<br />
das auch gegen Verletzungen der <strong>Informationspflichten</strong> 214 gerichtet<br />
sei 215 . Reich zufolge wird der Vertrag erst verbindlich, nachdem der Vertragspartner<br />
die notwendigen Aufklärungen betreffend das anstehende Geschäft<br />
erhalten hat 216 . Frei tritt dagegen für eine einseitige, vom Konsumenten<br />
geltend zu machende Unverbindlichkeit des Vertrages ein, da eine zweiseitige<br />
Unverbindlichkeit nicht <strong>im</strong> Interesse des Abnehmers sei 217 . Nach der<br />
hier vertretenen Auffassung gelten auch für die Aufklärungspflichten der<br />
RLFA die zur vorgeschlagenen schweizerischen Regelung postulierten<br />
Grundsätze 218 .<br />
3.4 Bewertung der <strong>Informationspflichten</strong> der EU<br />
Dieser durch die Vielzahl von einzelnen <strong>Informationspflichten</strong> geschaffene<br />
Overkill ist gefährlich 219 . Ähnlich wie <strong>im</strong> amerikanischen Produktehaftpflichtrecht,<br />
welches eine Pflicht zur Warnung der Konsumenten kennt,<br />
könnte hier das Gegenteil erreicht werden. Weil bei amerikanischen Produkten<br />
die ganze Verpackung oder die Gebrauchsanleitung mit Warnungen<br />
übersät ist, werden die wichtigen Hinweise aufgrund der Überinformation<br />
211 Art.6 Abs.1 RLFA. Honsell/Pietruszak, 783f.<br />
212 Siehe dazu auch Meents, Verbraucherschutz, 195f. Zur Vorabunterrichtung sowie zur<br />
Anbieterkennzeichnung nach deutschem Recht: Piepenbrock/Schmitz, 380f. Zu den<br />
<strong>Informationspflichten</strong> auch Härting/Schirmbacher, 919ff.; Reich, 584.<br />
213 Micklitz, Recht, A3 N 39.<br />
214 Dilger, 78f.<br />
215 Für Verletzungen der umgesetzten Aufklärungspflichten in § 312e BGB sind nach Ulmer<br />
die möglichen Rechtsfolgen nicht die Nichtigkeit, doch je nach Umständen Nichtzustandekommen<br />
des Vertrages, Irrtumsanfechtung, Haftung des Anbieters, Erfüllungsanspruch<br />
des Nutzers und Unterlassungsklagen: Ulmer, 210f.<br />
216 Reich, EuZW, 584.<br />
217 Frei, 190f., für die RLFA.<br />
218 Siehe dazu 4.3.2 und 4.4.3.<br />
219 Zur Kritik z.B. Frei, 188, mit weiteren Hinweisen; Weber, E-<strong>Commerce</strong>, 336; Koller-<br />
Tumler, E-Banking, 155f.<br />
50
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
nicht mehr zur Kenntnis genommen (Konfusions-Effekt) oder bewusst ignoriert<br />
(Kassandra-Effekt) 220 . Insbesondere die Angaben unter Art.5 lit.e und<br />
f RLEC 221 sollten daher zulässigerweise mittels Hyperlinks auf die Sites der<br />
entsprechenden Behörden und Berufsverbände zu erfüllen sein 222 . Die Angabe<br />
der Mehrwertsteuernummer ist zwar überflüssig, braucht aber glücklicherweise<br />
nicht viel Platz und verwirrt die Nutzer weniger.<br />
Weiter lässt sich auch nicht nachvollziehen, wieso nur Onlineanbieter ihre<br />
Vertragsablage offen legen müssen und traditionelle Versandhäuser<br />
nicht 223 . Online abgeschlossene Verträge stellen nämlich, verglichen mit<br />
über andere Medien vereinbarten Verträgen, keine spezielle Vertragsart dar.<br />
Zudem ist moniert worden, man hätte durch materiell-rechtliche Pflichten<br />
sicherstellen sollen, dass der ganze Vertragstext erhältlich ist 224 . Dies scheint<br />
jedoch ein beträchtlicher und unnötiger Eingriff in die Privatautonomie zu<br />
sein, der allein durch die elektronische Abschlussart der Verträge nicht gerechtfertigt<br />
ist. Den Besonderheiten des Distanzgeschäfts wurde bereits in<br />
der Fernabsatz-Richtlinie Rechnung getragen.<br />
4. Aufklärungspflichten für Fernabsatzgeschäfte<br />
in der Schweiz<br />
4.1 Überblick<br />
De lege lata existieren vor allem Aufklärungspflichten aus diversen Spezialgesetzen.<br />
Dadurch ergibt sich eine «komplexe Pflichtenlage» 225 : Für schweizerische<br />
Anbieter <strong>im</strong> europäischen Markt sind die gemeinschaftsrechtlichen<br />
Best<strong>im</strong>mungen (die dargelegten Spezialvorschriften der RLEC und RLFA<br />
sowie allgemeine <strong>Informationspflichten</strong>), die einzelstaatlichen Vorschriften<br />
sowie das schweizerische Recht mit den allenfalls in Kraft tretenden Spezial-<br />
220 Auch Spindler, ZUM 1999, 790; Hoeren, MMR 4/1999, 197; Weber, E-<strong>Commerce</strong>,<br />
335.<br />
221 Angabe der Aufsichtsbehörde und des Berufsverbandes und seiner Regeln sowie weiterer<br />
Einzelheiten.<br />
222 So auch Hoeren, MMR 4/1999, 196.<br />
223 Anderer Meinung jedoch Spindler, ZUM 11/1999, 790, der davon ausgeht, dass be<strong>im</strong><br />
Versandhandel typischerweise schriftliche Unterlagen vorliegen. Dies trifft jedoch nur<br />
insofern zu, als dass ein Katalog vorliegt und eine Bestellkarte eingesandt wird. Sowohl<br />
bei dieser als auch be<strong>im</strong> Bestellformular einer Website hätte der Nutzer die Möglichkeit,<br />
davon eine Kopie bzw. einen Ausdruck anzufertigen. Der Austausch von Verträgen<br />
<strong>im</strong> klassischen Versandhandel dürfte die Ausnahme sein.<br />
224 Spindler, ZUM 11/1999, 790.<br />
225 Wiegand, Geschäftsverbindung, 106.<br />
51
Florian S. Jörg<br />
vorschriften und allgemeinen Best<strong>im</strong>mungen massgebend. Der Entwurf<br />
zum neuen Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr<br />
schreibt de lege ferenda in teilweisem Einklang mit der RLFA und der herrschenden<br />
Lehre eine Trennung zwischen Informationen zum Vertragsschluss<br />
und vorvertraglichen Aufklärungspflichten vor. Die vertragliche Information<br />
soll <strong>im</strong> Obligationenrecht verankert werden, die vorvertragliche<br />
dagegen <strong>im</strong> UWG 226 .<br />
4.2 Aufklärungspflichten de lege lata<br />
Eine allgemeine Auskunftspflicht wird auch vom Bundesgericht anerkannt<br />
227 . Für das Auftragsverhältnis führt das Bundesgericht aus: «Gegenstand<br />
der Informationspflicht bildet alles, was für den Auftraggeber von Bedeutung<br />
ist. Der Beauftragte hat als Fachmann dem Auftraggeber auch unaufgefordert<br />
über die Zweckmässigkeit des Auftrages und der Weisungen,<br />
die Kosten und Gefahren sowie Erfolgschancen Auskunft zu geben. 228 »<br />
Das geltende UWG statuiert in Art.3 UWG einige Aufklärungspflichten.<br />
Die Best<strong>im</strong>mung enthält insbesondere Täuschungs- und Irreführungsverbote<br />
229 . Auch die schweizerische Lauterkeitskommission hat in ihren<br />
Grundsätzen 230 Vorschriften zu den Aufklärungspflichten erlassen 231 . Diese<br />
sind zwar nicht bindend, dürften jedoch vom Richter als Orientierungshilfe<br />
bei der Auslegung herangezogen werden. Lauterkeitsrechtliche Aufklärungspflichten<br />
232 entstehen in der Regel ohne rechtsgeschäftliche Beziehung<br />
vor dem Vertragsschluss und sind somit als vorvertraglich (in zeitlicher<br />
Hinsicht) zu bezeichnen 233 . Sie können jedoch auch vertraglich ausgestaltet<br />
sein 234 .<br />
226 Art.40d E-OR und Art.3 lit.b bis, 6a und 23 (erster Satz) E-UWG. Siehe auch Jörg, 23.<br />
227 BGE 115 II 65, 108 II 313; Wiegand, E-Mail, 251ff.<br />
228 BGE 115 II 65.<br />
229 Zu Art.3 lit.i UWG als selbständige Aufklärungspflicht: Baudenbacher, N 43 ff. zu<br />
Art.2; Baudenbacher/Glöckner, N 59 zu Art.3 lit.b, N 30 zu Art. 3 lit. i.<br />
230 Die Grundsätze vom 1.Januar 1998 sind abrufbar unter www.lauterkeit.ch/grund-<br />
satz.htm.<br />
231 Zur Empfehlung der Lauterkeitskommission zur Umsetzung der RLFA: Brunner,<br />
Entwicklungen, 244.<br />
232 Beispiele sind die diversen Täuschungsverbote in Art. 3 UWG oder die Pflicht zur Angabe<br />
der Firma bei Abzahlungskäufen gemäss Art.3 lit. k UWG.<br />
233 Z. B. Grundsatz 4.22 der Lauterkeitskommission (siehe Fn 230).<br />
234 Z. B. Art.3 lit.m UWG betreffend die Verwendung von unvollständigen Formularen<br />
oder die Erbringung von unrichtigen Angaben bei Abschluss eines Abzahlungs-, eines<br />
Vorauszahlungs- oder eines Konsumentenkreditvertrages.<br />
52
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Die Preisbekanntgabeverordnung 235 bezweckt die Förderung der Vergleichbarkeit<br />
von Preisen und die Verhinderung irreführender Angaben. Ihr<br />
Anwendungsbereich erstreckt sich auf Warenkäufe, auf das Angebot von in<br />
Art. 10 PBV aufgeführten Dienstleistungen und auf die Werbung für sämtliche<br />
Waren und Dienstleistungen 236 . Sie ist auch auf Fernabsatzgeschäfte anwendbar<br />
und verlangt folgende Angaben 237 : 1) tatsächlich in Schweizer<br />
Franken zu bezahlender Preis, 2) überwälzte öffentliche Abgaben <strong>im</strong> Detailpreis,<br />
3) erst durch den Kauf realisierbare Vergünstigungen wie Rabatte. Die<br />
Bekanntgabepflichten betreffend Detail- und Grundpreis, Anbringungsort,<br />
Lesbarkeit etc. sind in der Verordnung genau festgelegt 238 .<br />
Das Konsumenteninformationsgesetz 239 bezweckt die objektive Information<br />
über Einzelheiten der Leistungen, welche durch Waren- und Dienstleistungsdeklaration<br />
sowie mittels Finanzhilfen an Konsumentenorganisationen<br />
sichergestellt werden soll. Nach Art.2 Abs.1 KIG sind die wesentlichen<br />
Eigenschaften der zum Kauf oder Gebrauch angebotenen Ware oder<br />
der wesentliche Inhalt bei ausgewählten Dienstleistungen in vergleichbarer<br />
Form zu deklarieren. Art.3 KIG überlässt es den betroffenen Organisationen<br />
der Wirtschaft und den Konsumentenverbänden zu vereinbaren, welche<br />
Waren in welcher Form zu deklarieren sind. Das Gesetz ist weitgehend ein<br />
zahnloser Papiertiger geblieben.<br />
Daneben existieren eine ganze Reihe weiterer Spezialgesetze oder -best<strong>im</strong>mungen<br />
240 mit einzelnen Aufklärungspflichten, deren Aufzählung den<br />
Rahmen des vorliegenden Beitrages sprengen würde. Beispielhaft sei auf<br />
das Konsumkreditgesetz 241 und das Pauschalreisegesetz 242 hingewiesen.<br />
235 Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen (Preisbekanntgabeverordnung, PBV)<br />
vom 11.Dezember 1978, SR 942.211. Sie ist am 1. Januar 1979 in Kraft getreten.<br />
236 Art.2 PBV.<br />
237 Art.3f. PBV.<br />
238 Art.5ff. PBV und Art.11f. für Dienstleistungen.<br />
239 Bundesgesetz über die Information der Konsumentinnen und Konsumenten (Konsumenteninformationsgesetz)<br />
vom 5.Oktober 1992, SR 944.0. In Kraft seit dem 1. Mai<br />
1992.<br />
240 Z.B. Art.5 Abs.3 OR betreffend Anzeige der verspätet eingetroffenen, aber rechtzeitig<br />
abgesandten Annahmeerklärung; die <strong>Informationspflichten</strong> bei der Ehe- und Partnerschaftsvermittlung<br />
nach Art.406aff. OR (in Kraft seit 1. Januar 2000); siehe dazu<br />
ausführlicher Hartmann, N 161ff.; Brunner, Entwicklungen, 247. Siehe auch<br />
Art.40d, 226a, 227a, 381 Abs.3 OR; <strong>im</strong> öff. Recht z. B. das Lebensmittelgesetz.<br />
241 Bundesgesetz über den Konsumkredit vom 8.Oktober 1993 (KKG), SR 221.214.1. Insbesondere<br />
Art.4 und 8–10 KKG. Vgl. Koller-Tumler, E-Banking, 154; Koller-Tumler,<br />
Kommentar; Hartmann, N 157ff.<br />
242 Vgl. Fn 16. Insbesondere Art.4ff. PauRG. Siehe ausführlicher zu den Aufklärungspflichten<br />
des PauRG: Hartmann, N 151ff.; Abegglen, 42 f.<br />
53
Florian S. Jörg<br />
4.3 Vertragliche Aufklärungspflichten des OR de lege<br />
ferenda<br />
4.3.1 Inhalt der Aufklärungspflichten<br />
Der neue Art. 40 d E-OR statuiert vertragliche Aufklärungspflichten 243 . Dabei<br />
handelt es sich nach dem bereits Gesagten um gesetzlich normierte, unselbständige<br />
Nebenpflichten. Der Katalog der einzelnen Punkte orientiert<br />
sich an den Elementen der Informationspflicht der RLFA, wobei diejenigen<br />
Punkte nicht übernommen wurden, welche entweder auf den Entscheid des<br />
Kunden nur beschränkten Einfluss haben oder aber wesentliche Elemente<br />
betreffen, ohne die der Vertrag ohnehin nicht zustande kommen würde 244 .<br />
Über Einzelheiten der Aufklärungspflichten ist an anderer Stelle bereits berichtet<br />
worden 245 .<br />
Die Angaben sind nach Art.40d Abs.3 E-OR dem Kunden auf Papier<br />
oder in elektronischer Form mitzuteilen. Damit regelt der Entwurf die<br />
Formfrage <strong>im</strong> Unterschied zur RLFA deutlich zugunsten einer Information<br />
per E-Mail oder auf der entsprechenden Website 246 . Die Beschränkung auf<br />
die beiden Datenträger «Papier» oder «elektronische Speichermöglichkeit»<br />
ist abzulehnen. Man hätte hier besser eine dauerhaft verfügbare Form verlangt,<br />
welche den Nachweis durch Text ermöglicht 247 und damit <strong>im</strong>plizit die<br />
elektronische Form wie vorgeschlagen auch zulässt. Die technisch offenere<br />
Formulierung könnte auch auf neue, heute noch nicht bekannte Speicherformen<br />
zur Anwendung gelangen. Ob die Informationen als zugesicherte<br />
243 Siehe dazu auch Jörg/Arter, Bundesgesetz, 178f. Art.40 d E-OR lautet wie folgt:<br />
« 1 Der Anbieter muss dem Kunden folgende Angaben liefern:<br />
a. seinen Namen und seine Adresse;<br />
b. den Preis der Ware oder Dienstleistung in Schweizer Franken;<br />
c. die Höhe der Gebühren und Kosten, die dem Kunden entstehen;<br />
d. die Lieferfrist.<br />
2 Er muss den Kunden zudem über das Widerrufsrecht sowie über Form und Frist des<br />
Widerrufs unterrichten.<br />
3 Diese Angaben sind dem Kunden auf Papier oder in elektronischer Form mitzuteilen.<br />
Sie müssen datiert sein und die Identifizierung des Vertrags ermöglichen.»<br />
244 Begleitbericht OR, 14. Zum geringeren Umfang der Aufklärungspflichten auch Gasser,<br />
Innovation, 389. Vgl. auch Honsell/Pietruszak, 784.<br />
245 Jörg/Arter, Bundesgesetz, 178.<br />
246 Vgl. Begleitbericht OR, 15; Frei, 219f.<br />
247 So auch Honsell/Pietruszak, 784.<br />
54
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Eigenschaften zu betrachten sind, ist umstritten 248 , m.E. jedoch zu bejahen<br />
249 .<br />
Die Beweislast für das Erbringen der Aufklärungspflichten obliegt dem<br />
Anbieter, da dieser nach Art.40e Abs.3 E-OR den Zeitpunkt nachweisen<br />
muss, an dem der Kunde die Angaben gemäss Art.40d E-OR zur Kenntnis<br />
genommen hat 250 .<br />
4.3.2 Folgen bei Verletzung der vertraglichen Aufklärungspflichten<br />
Fraglich sind die Rechtsfolgen bei Missachtung dieser vertraglichen Aufklärungspflichten:<br />
Nach Art.40e Abs.2 lit.b E-OR 251 beginnt die Widerrufsfrist<br />
nicht zu laufen, bevor der Kunde von den Aufklärungen gemäss<br />
Art. 40 d E-OR Kenntnis erhalten hat. Weitere Rechtsfolgen werden nicht<br />
statuiert. Kann nun der Vertrag «ewig» widerrufen werden, falls den Aufklärungspflichten<br />
nicht nachgelebt wurde? Handelt es sich dabei wirklich um<br />
ein Rücktrittsrecht mit Wirkung ex tunc? Wer trägt die Kosten der Rückabwicklung?<br />
Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei Verträgen ohne Widerrufsrecht,<br />
für die das Gesetz demnach bei Verletzung der vertraglichen Aufklärungspflichten<br />
gar keine Sanktionen explizit vorsieht? Dem Gesetzestext<br />
lässt sich nicht entnehmen, ob neben dem Nichtauslösen der Widerrufsfrist<br />
zusätzlich Leistungsklagen angehoben werden können.<br />
Nach Frei sehen Art.3 lit.b bis und Art.6a E-UWG vor, dass eine Verletzung<br />
der Aufklärungspflichten des Art.40d E-OR zugleich ein unlauteres<br />
Handeln darstellt und damit die zivilrechtlichen Sanktionen des Lauterkeitsrechts<br />
in Art.9 UWG auslöst 252 . Nach der hier vertretenen Auffassung<br />
trifft dies jedoch nur dann zu, wenn eine lauterkeitsrechtliche Aufklärungspflicht<br />
verletzt wurde, welche zugleich in Art.40d E-OR aufgeführt ist. Zudem<br />
möchte Frei die Lieferkosten dem Anbieter auferlegen, falls dieser es<br />
248 Vgl. Micklitz, Fernabsatz, 139, mit weiteren Hinweisen zur deutschen Lehre.<br />
249 Die Qualifizierung als zugesicherte Eigenschaften hat gewährleistungsrechtliche Folgen.<br />
Vgl. dazu insbesondere Art.197 Abs.3 E-OR, dem zufolge der Verkäufer auch für<br />
vom Hersteller oder dessen Vertreter zugesicherte Eigenschaften haftet, wenn er nicht<br />
beweisen kann, dass er die Zusicherungen nicht kannte, nicht kennen konnte oder korrigiert<br />
hatte.<br />
250 Frei, 221.<br />
251 Art.40e Abs.2 E-OR:<br />
«Die Widerrufsfrist beginnt zu laufen, sobald der Kunde:<br />
a. den Vertrag beantragt oder angenommen hat; und<br />
b. von den Angaben nach Art.40 d Kenntnis erhalten hat.»<br />
252 Frei, 219.<br />
55
Florian S. Jörg<br />
unterlässt, darauf hinzuweisen 253 . Diese Lösung erscheint zwar zweckmässig<br />
und steht <strong>im</strong> Einklang mit der Lehre zur RLFA 254 , ist dem Entwurf jedoch<br />
nicht zu entnehmen.<br />
Bei den gesetzlich vorgeschriebenen Aufklärungspflichten, die zum oder<br />
nach dem Vertragsschluss zu erbringen sind, handelt es sich m.E. um Nebenpflichten,<br />
die nicht selbständig klagbar sind, sich aber von den Verhaltenspflichten<br />
dadurch unterscheiden, dass sie nur deshalb entstehen, weil zwischen<br />
den Parteien ein Vertrag geschlossen wird. Die Verletzung von Nebenpflichten<br />
ist, wie ausgeführt 255 , als positive Vertragsverletzung zu qualifizieren,<br />
auf welche Art. 97ff. OR zur Anwendung gelangen 256 . Insofern als dass<br />
die Lieferkosten als Schaden betrachtet werden, liesse sich damit ein Anspruch<br />
<strong>im</strong> Sinne der Meinung von Frei 257 konstruieren, wenngleich aus prozessökonomischer<br />
Sicht die Durchsetzung sehr umständlich wäre.<br />
Ein ewiges Rücktrittsrecht ergibt sich aus der wörtlichen Auslegung des<br />
Entwurfes, da ohne Aufklärung die Frist zur Erklärung des Widerrufs gar<br />
nicht zu laufen beginnt. Es scheitert jedoch daran, dass eine Berufung auf<br />
das Widerrufsrecht nach längerem Zeitablauf als rechtsmissbräuchlich («venire<br />
contra factum proprium») zu qualifizieren ist. Eine gesetzliche Befristung<br />
wäre aus Gründen der Rechtssicherheit dennoch vorzuziehen.<br />
Der Konzeption nach handelt es sich um ein Widerrufsrecht mit Wirkung<br />
ex tunc. Die Kosten der Rücksendung der Ware sind ohne andere Anordnung<br />
nach den allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen vom Konsumenten<br />
zu tragen.<br />
4.4 Vorvertragliche Aufklärungspflichten gemäss<br />
Revision des UWG<br />
Im Sinne der Theorie vom gesetzlichen Schuldverhältnis handelt es sich bei<br />
den vorvertraglichen Aufklärungspflichten um eine Konkretisierung der<br />
Grundsätze von Art. 2 ZGB und um gesetzlich vorgeschriebene Verhaltenspflichten.<br />
253 Frei, 219.<br />
254 Siehe vorne 3.3.4.<br />
255 Siehe vorne 2.4.<br />
256 Vgl. generell auch Wiegand/Berger, Euro, 1297f.<br />
257 Siehe Fn 253.<br />
56
4.4.1 Im allgemeinen Fernabsatz<br />
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Art. 3 lit. b bis E-UWG statuiert neu gesetzliche Aufklärungspflichten, welche<br />
jeder Anbieter <strong>im</strong> Fernabsatz 258 unabhängig von möglichen späteren Vertragsschlüssen<br />
erfüllen muss («vorvertragliche Aufklärungspflichten») 259 .<br />
Aus dem Katalog in Art.4 RLFA fehlen zu Recht die Bedingung, dass die<br />
Preise inklusive Steuern anzugeben sind, der Hinweis auf das Widerrufsrecht<br />
(welcher als vertragliche Aufklärungspflicht vorgesehen ist), die Kosten<br />
für die Fernkommunikation, die Gültigkeitsdauer des Angebots und die<br />
Mindestlaufzeit des Vertrages. Dagegen wäre es vorteilhaft gewesen, die<br />
Angabe der Preise inklusive Steuern ebenfalls als vorvertragliche Aufklärungspflicht<br />
vorzuschreiben, da diese Information für den Konsumenten<br />
von grosser Bedeutung ist und seinen Entscheid zum Vertragsschluss betrifft.<br />
Die Gültigkeitsdauer des Angebotes und die Mindestlaufzeit des Vertrages<br />
müssen insofern nicht bekannt gegeben werden, als dass nach schweizerischer<br />
Auffassung Anbieter auf Websites in der Regel kein Angebot unterbreiten.<br />
Für Einzelheiten kann wiederum auf Ausführungen an anderer<br />
Stelle verwiesen werden 260 .<br />
Die Einführung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten ist aus Gründen<br />
des Konsumentenschutzes und der Europakompatibilität notwendig.<br />
Der Teufel liegt einmal mehr <strong>im</strong> Detail: Unklar ist, in welchem Verhältnis<br />
Art. 3 lit. b bis E-UWG zu den Aufklärungspflichten aus Art.40d E-OR steht.<br />
Dem Begleitbericht ist zu entnehmen, dass die zusätzliche Aufnahme in das<br />
UWG als Ergänzung gedacht ist 261 . Art.40d Abs.1 lit.a E-OR, der entweder<br />
die postalische oder die elektronische Adresse verlangt, ist bereits in der<br />
258 Allerdings wird der Begriff des «Fernabsatzes» weder für das UWG definiert, noch<br />
wird auf Art.40c E-OR verwiesen. Dem Begleitbericht ist zu entnehmen, dass nur einige<br />
«Kriterien dieser Definition ... aber auch für die lauterkeitsrechtlich bedeutsame vorvertragliche<br />
Angebotsphase des Fernabsatzes brauchbar» sind: Begleitbericht OR, 29.<br />
Da ein Fehlverhalten mit Busse bedroht wird, wäre eine Klarstellung nach dem Grundsatz<br />
«nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz)» angebracht.<br />
259 Siehe dazu auch Jörg/Arter, Bundesgesetz, 179f. Art. 3 lit. b bis E-OR lautet wie folgt:<br />
«Unlauter handelt insbesondere, wer:<br />
b bis . Waren, Werke oder Leistungen <strong>im</strong> Fernabsatz, einschliesslich des elektronischen<br />
Geschäftsverkehrs, anbietet und es dabei unterlässt, klare und vollständige Angaben<br />
über seine Identität, seinen Sitz oder Wohnsitz, seine Adresse, die wesentlichen<br />
Eigenschaften der angebotenen Produkte, deren Preise, sämtliche zu Lasten<br />
des Kunden gehende Kosten oder die Zahlungsbedingungen zu machen;»<br />
260 Jörg/Arter, Bundesgesetz, 179ff.<br />
261 Begleitbericht OR, 29.<br />
57
Florian S. Jörg<br />
Forderung nach Angabe von Identität, Sitz/Wohnsitz und Adresse 262 enthalten.<br />
Andererseits verlangt das UWG wiederum nicht die Angabe des Preises<br />
in Schweizer Franken, wohl aber beispielsweise die Angabe der Zahlungsbedingungen.<br />
Betreffend wesentliche Eigenschaften der angebotenen Produkte stellen<br />
sich weitere Probleme: «Produkte» dürfte nach der hier vertretenen Auffassung<br />
Waren und Dienstleistungen umfassen, da eine Einschränkung auf erstere<br />
nicht gerechtfertigt wäre und angesichts der Ausdehnung der Regelung<br />
von Art. 6 a OR auf Dienstleistungen auch nicht der generellen Intention des<br />
Entwurfes entsprechen dürfte. «Wesentlich» sind Eigenschaften dann, wenn<br />
sie ein realistisches Bild des Leistungsangebotes und eine Bewertung desselben<br />
ermöglichen. Um eine Überinformation zu vermeiden, sind nicht alle<br />
Eigenschaften anzugeben 263 . Der genaue Umfang ist jedoch nicht festgesetzt.<br />
Der Unklarheiten sind also viele.<br />
4.4.2 Im elektronischen Geschäftsverkehr<br />
Art. 6 a E-UWG enthält eine Spezialnorm für den E-<strong>Commerce</strong>: Ihr zufolge<br />
handelt insbesondere unlauter, wer Waren, Werke oder Leistungen <strong>im</strong> elektronischen<br />
Geschäftsverkehr anbietet und es dabei unterlässt, 1) klare und<br />
vollständige Angaben über eine Kontaktadresse einschliesslich der elektronischen<br />
Post zu machen, 2) auf die einzelnen technischen Schritte, die zu einem<br />
Vertragsschluss führen, hinzuweisen und 3) angemessene technische<br />
Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen der Kunde Eingabefehler erkennen<br />
und korrigieren kann.<br />
Eine Definition des elektronischen Geschäftsverkehrs bleibt der Entwurf<br />
dem Rechtsanwender schuldig. Man ist geneigt, mittels E-Mail geschlossene<br />
Verträge darunter zu subsumieren, nicht jedoch per Telefon getätigte<br />
Bestellungen mit Bezug auf Informationen auf einer Website oder einer<br />
zugestellten E-Mail. Eine Klarstellung wäre hier wünschenswert. Die<br />
Angabe der Adresse erfordert offenbar zusätzlich in jedem Fall die Bekanntgabe<br />
der E-Mail-Adresse 264 als Kontaktmöglichkeit. Die Übernahme<br />
der Best<strong>im</strong>mung, dass dem Konsumenten eine Korrekturmöglichkeit bei<br />
Eingabefehlern geboten werden muss, bringt diesem die Möglichkeit, vor<br />
262 Anders als <strong>im</strong> gleichen Gesetz in Art.40d E-OR heisst «Adresse» in Art. 3 lit. b bis E-<br />
UWG offenbar in Verbindung mit der Angabe des Sitzes nicht mehr E-Mail-Adresse:<br />
Begleitbericht OR, 28.<br />
263 Siehe Ende/Klein, 160f., für das deutsche Recht.<br />
264 Falls sich «einschliesslich» auf die Angabe der Adresse und nicht auf die Auswahl der<br />
möglichen Angaben bezieht.<br />
58
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Vertragsschluss seine Bestellung nochmals zu überprüfen. Bestellvorgänge<br />
sind deshalb so zu programmieren, dass der Kunde nach Eingabe sämtlicher<br />
Angaben seine Bestellung nochmals prüfen kann.<br />
4.4.3 Rechtsfolgen bei Verletzung vorvertraglicher<br />
Aufklärungspflichten<br />
Wer vorsätzlich unlauter <strong>im</strong> Sinne der erwähnten Best<strong>im</strong>mungen handelt,<br />
muss zusätzliche Straffolgen vergegenwärtigen: Neben den bisher schon bestehenden<br />
lauterkeitsrechtlichen Rechtsfolgen 265 kommt neu Art.23 Abs.1<br />
E-UWG hinzu: Die Strafandrohung für das Unterlassen der Angabe der<br />
Adresse, der wesentlichen Eigenschaften der Produkte, der zu Lasten des<br />
Kunden gehenden Kosten, des Hinweises auf die einzelnen Vertragsschritte<br />
etc. beträgt bei Vorliegen eines Antrages Gefängnis oder Busse bis zu CHF<br />
100 000.–. Berechtigt zum Stellen eines Strafantrages ist, wer nach Art.9 und<br />
10 UWG zur Zivilklage zugelassen ist 266 .<br />
Zivilrechtliche Folgen 267 bei Verletzung von Vorschriften des UWG sind<br />
nicht ausdrücklich festgehalten worden. Zwar können Verbände aus Lauterkeitsrecht<br />
klagen, doch steht dem einzelnen Konsumenten gewöhnlich kein<br />
Klagerecht zu 268 . Weder die Feststellungs- noch die Unterlassungs- oder Beseitigungsklage<br />
nach den Art.9 Abs.1 und 10 Abs.1 UWG führen zu einer<br />
Aufhebung des Vertrages 269 .<br />
Nach dem Wortlaut des Gesetzes führt eine Verletzung der Aufklärungspflichten<br />
des UWG nicht zur Ungültigkeit des Vertrages, sondern zu einer<br />
Strafe des Fehlbaren. Eine Bestrafung des Anbieters nützt dem Konsumenten,<br />
der nicht richtig informiert wurde, jedoch wenig, wenn der Vertrag<br />
rechtsgültig zustande gekommen ist und ihm keine Möglichkeit zur Vertragsauflösung<br />
zusteht. Sachgerechter wäre es gewesen, dem Kunden ein<br />
Anfechtungs- oder Widerrufsrecht einzuräumen, wenn sich die Information<br />
265 Unterlassungs-, Beseitigungs- und Feststellungsklage <strong>im</strong> Sinne von Art. 9 Abs. 1 i. V. m.<br />
Art.10 Abs.1 UWG. Vgl. Hartmann, N 423ff. Klagen nach Art. 9 f. UWG führen zur<br />
Beseitigung, zum Verbot oder zur Feststellung der Widerrechtlichkeit einer Verletzung<br />
des Wettbewerbs. Vgl. Baudenbacher/Banke, N 7 ff. zu Art. 10.<br />
266 Begleitbericht OR, 30.<br />
267 Läuft die Widerrufsfrist, falls die wesentlichen Eigenschaften der angebotenen<br />
Produkte nicht angegeben wird? Ist der Vertrag zustande gekommen, wenn über seine<br />
wesentlichen Entstehungsschritte nicht informiert wurde oder wenn keine Korrekturmöglichkeit<br />
geboten wurde? Besteht ein Rücktrittsrecht?<br />
268 Zudem hat sich das Verbandsklagerecht bisher als stumpfe Waffe erwiesen: Wiegand,<br />
Geschäftsverbindung, 109.<br />
269 Hartmann, N 423ff.<br />
59
Florian S. Jörg<br />
des Anbieters als ungenügend erweisen sollte. Dies trifft insbesondere für<br />
Art. 6 a E-UWG zu: Hat sich der Konsument vertippt, findet er die E-Mail-<br />
Adresse des Anbieters nicht und kann deshalb nicht innert nützlicher Frist<br />
Kontakt aufnehmen oder war ihm der Vertragsschluss nicht bewusst, ist die<br />
sachgerechte Rechtsfolge, dass er den Vertrag widerrufen oder anfechten<br />
kann. Die Aufklärungspflichten des UWG können zwar mittels Rezeption<br />
auch zwischen den Parteien privatrechtliche Wirkung entfalten 270 , indem sie<br />
als Konkretisierung der sich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ergebenden<br />
Verhaltenspflichten aufgefasst werden 271 . Dieses Resultat wird jedoch<br />
nur über die Rezeption der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften in das Privatrecht<br />
272 und die Theorie des gesetzlichen Schuldverhältnisses erreicht. Zudem<br />
führt die Verletzung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten, wie<br />
vorne dargelegt wurde, zu einer Haftung aus culpa in contrahendo 273 . Bedeutend<br />
einfacher wäre die Lösung gewesen, die vorvertraglichen Aufklärungspflichten,<br />
wenn sie schon lauterkeitsrechtlich ausgestaltet werden,<br />
durch Wiederholung bei den vertraglichen Aufklärungspflichten ebenfalls<br />
als Instrumente des Vertragsrechts vorzusehen.<br />
4.5 Modalitäten der Aufklärungspflichten<br />
4.5.1 Rechtzeitigkeit der Information<br />
Die nachfolgenden Überlegungen zu den Aufklärungspflichten der RLFA<br />
haben auch für die vertraglichen Aufklärungsvorschriften des Art.40d E-<br />
OR Geltung. Rechtzeitig wird diese Information dann zur Verfügung gestellt,<br />
wenn sie auf der Homepage abrufbar ist und der Nutzer auf die entsprechende<br />
Website mit den Informationen auf dem Weg zum Vertragsabschluss<br />
deutlich hingewiesen wird und er diese herunterladen kann 274 . Jedenfalls<br />
hat die Unterrichtung rechtzeitig stattgefunden, wenn die Informationen<br />
ihrer Funktion noch gerecht werden, den Verbraucher über die wesentlichen<br />
Vertragsaspekte vor Abschluss des Vertrages zu unterrichten 275 .<br />
Nach Micklitz beschränkt sich das Kriterium der Rechtzeitigkeit vor allem<br />
darauf, dass nicht mittels unlauterer Werbemethoden auf den Vertragsab-<br />
270 Vgl. auch Wiegand/Berger, Einordnung, 736f.<br />
271 Ausführlicher Jörg/Arter, Bundesgesetz, 180.<br />
272 Sinngemäss auch Wiegand, Geschäftsverbindung, 109, demzufolge die <strong>Informationspflichten</strong><br />
des UWG zugleich auch vertragsrechtliche <strong>Informationspflichten</strong> sind.<br />
273 Siehe 2.4 und insbesondere 2.4.2.<br />
274 Vgl. Meents, Verbraucherschutz, 188.<br />
275 Dilger, 76.<br />
60
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
schluss hingewirkt wird 276 . Allerdings ist die Aufnahme der Informationen<br />
in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eher problematisch, da dann das<br />
entsprechende mitgliedstaatliche Recht zur Anwendung gelangt, welches<br />
u.U. vorschreibt, dass keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Verbrauchern<br />
nach Vertragsschluss vereinbart werden können 277 .<br />
Nach der hier vertretenen Auffassung können die Informationen nach<br />
Art. 40 d E-OR spätestens kurz vor dem Vertragsschluss erbracht werden, so<br />
dass der Kunde die notwendigen Schlüsse vor Vertragsperfektion ziehen<br />
kann. Die vorvertraglichen Aufklärungspflichten sind in der Regel unabhängig<br />
von einem allfälligen Vertragsschluss vorgängig und permanent zu<br />
erbringen.<br />
4.5.2 Örtliche Platzierung der Information<br />
Zu den Aufklärungspflichten nach der RLEC und der RLFA hat sich folgender<br />
Meinungsstand gebildet: Die Information gemäss RLEC muss unmittelbar<br />
und ständig verfügbar sein. Dies ist nach Meinung der Kommission dann<br />
erfüllt, wenn jede Internetseite ein Bildsymbol oder ein Logo mit einer Hypertextverknüpfung<br />
zu einer Seite mit den entsprechenden Informationen<br />
enthält.<br />
Werden die Informationen gemäss der RLFA auf einer Website bereit<br />
gehalten, müssen diese einfach auffindbar 278 und beliebig lange einsehbar 279<br />
sein. Eine Platzierung, welche erfordert, dass der Konsument «scrollt», um<br />
die Angaben überhaupt zu entdecken, ist nicht zulässig 280 . Dagegen muss<br />
ein graphisch herausgehobener Link in besonderer Schriftgrösse und Farbe,<br />
kombiniert mit einem üblichen Warnzeichen und mit einer ausdrücklichen<br />
Beschreibung des Inhalts der verlinkten Seite (z.B. «Achtung! Wichtige<br />
Hinweise über den Vertrag, die Preise, Ihre Rechte und weitere Einzelheiten»)<br />
genügen, da keine höheren Anforderungen an die Informationen als<br />
an die AGB gestellt werden sollten 281 . Die Anforderung der Klarheit und<br />
276 Micklitz, Recht, A3 N 57.<br />
277 Micklitz, Recht, A3 N 54. Zur Rechtzeitigkeit nach deutschem FernAbsG auch Ende/Klein,<br />
158ff.<br />
278 Die Widerrufsbelehrung nach § 2 Abs.3 FernAbsG beispielsweise kann nicht nur<br />
durch Präsentation auf einer Website erfüllt werden, vielmehr muss diese den Verbraucher<br />
mindestens per E-Mail erreichen oder aber ihm schriftlich zugestellt werden:<br />
Mankowski, Fernabsatzrecht, 772f.<br />
279 Eigner/Hofmann, 32.<br />
280 Mankowski, Fernabsatzrecht, 770.<br />
281 Mankowski, Fernabsatzrecht, 770f.; vgl. auch Aigner/Hofmann, 32 f.<br />
61
Florian S. Jörg<br />
Verständlichkeit ist als sprachliche Verstehbarkeit zu lesen 282 . Eine effektive<br />
Kenntnisnahme der Informationen ist nicht verlangt 283 . Entsprechend ist<br />
auch nicht notwendig, dass der Konsument zwingend auf die Seite mit den<br />
vorvertraglichen Informationen geführt wird 284 .<br />
Nach der hier vertretenen Meinung ist für die schweizerische Rechtslage<br />
zu fordern, dass sowohl betreffend die vorvertraglichen als auch die vertraglichen<br />
Aufklärungspflichten auf den wichtigsten Seiten (nicht auf jeder) ein<br />
deutlicher und graphisch hervorgehobener Hinweis auf die abrufbaren Informationen<br />
angebracht wird, so dass der Nutzer weiss, was sich hinter dem<br />
Hyperlink verbirgt (z.B. «wichtige Informationen»). Ein blosses Logo erfüllt<br />
diese Funktion nicht 285 . Der Kunde muss die Informationen ohne grosses<br />
Suchen sofort auffinden können, so dass auf der Hauptseite kein Scrollen<br />
notwendig sein darf.<br />
5. Fazit<br />
Der Vernehmlassungsvorschlag ist teilweise zu Recht kritisiert worden 286<br />
und befindet sich in gemächlicher Überarbeitung. Nach Auskunft des Bundesamtes<br />
für Justiz ist nicht vor dem Sommer 2003 mit einer Botschaft zu<br />
rechnen. Neben den bereits geäusserten Kritikpunkten 287 ist insbesondere<br />
die verwirrende Strukturierung der Aufklärungspflichten <strong>im</strong> OR und <strong>im</strong><br />
UWG und die mangelnde gegenseitige Abst<strong>im</strong>mung problematisch. Sollte<br />
die Vorlage zum Gesetz werden, entstünde noch eine weitere Gruppe von<br />
Aufklärungspflichten, die als zusätzliche Schicht zu den bestehenden hinzutritt<br />
288 . Die Aufteilung in vertragsrechtliche und lauterkeitsrechtliche<br />
Aufklärungspflichten ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht sinnvoll<br />
289 .<br />
282 Aigner/Hofmann, 32.<br />
283 Z. B. Aigner/Hofmann, 32; Mankowski, Fernabsatzrecht, 770.<br />
284 Mankowski, Fernabsatzrecht, 771f.; Aigner/Hofmann, 32.<br />
285 Siehe dazu Marly, A4 Art.5 N 9f.<br />
286 Z. B. Honsell/Pietruszak; Spindler, Bemerkungen.<br />
287 Insbesondere Honsell/Pietruszak, 771ff.; siehe auch Jörg/Arter, Bundesgesetz,<br />
165ff. und 186.<br />
288 Vgl. Wiegand, Geschäftsverbindung, 106f.<br />
289 Auch der Begleitbericht OR, 14, spricht, mit Bezug auf die zeitliche D<strong>im</strong>ension, bezeichnenderweise<br />
noch klar von «vorvertraglicher» Information und nicht etwa von<br />
«lauterkeitsrechtlicher» Information, wenngleich der Begriff «vorvertraglich» bei der<br />
Kommentierung der UWG-Revision auf S.28ff. tunlichst vermieden wird. Betreffend<br />
Aufklärungspflicht zum Widerrufsrecht geht Mankowski, Fernabsatzrecht, 767, von<br />
einem fernabsatzrechtlichen Kern in einem wettbewerbsrechtlichen Gewand aus. Für<br />
62
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
Zum inhaltlichen Vergleich zur Regelung der EU sind eine grosse Verbesserung<br />
und damit gleich ein gewichtiger Nachteil auszumachen. Eigentlich<br />
ist zu begrüssen, dass die Schweiz den Information-Overkill der Richtlinien<br />
nicht nachvollzogen hat, sondern einen vernünftigen Rahmen gesetzt<br />
hat. Die Folge davon ist jedoch problematisch: Sämtliche Sites, welche sich<br />
lediglich an die Regelung der Schweiz halten, genügen den Anforderungen<br />
der EU nicht und können sich auch nicht auf das Herkunftslandprinzip berufen.<br />
Insofern ist fraglich, ob die Schweizer Regelung überhaupt eigenständige<br />
Bedeutung erlangen wird oder ob sich inländische Anbieter nicht automatisch<br />
an den Standard der EU halten werden. Aufgrund des Herkunftslandprinzips<br />
reicht jedoch die Einhaltung des Standes der Richtlinien nicht,<br />
vielmehr müssen die jeweiligen einzelstaatlichen Vorschriften erfüllt werden.<br />
Privatrechtlich lassen sich zwar Rechtsfolgen aus der Verletzung der lauterkeitsrechtlichen<br />
Aufklärungspflichten ableiten, doch wäre die Ausgestaltung<br />
als Instrument des Vertragsrechts vorzuziehen 290 . Am besten wäre die<br />
Aufzählung der wettbewerbsrechtlich relevanten Aufklärungspflichten <strong>im</strong><br />
UWG und ihre gleichzeitige Aufnahme in das OR als vertragsrechtliche<br />
Aufklärungspflicht, soweit dies materiell sinnvoll erscheint. Dadurch wären<br />
sowohl die lauterkeits- als auch die vertragsrechtlichen Rechtsbehelfe gegeben<br />
291 . Zudem sind die bereits erwähnten Detailfragen nicht geklärt. Denkbar<br />
wäre auch, die Aufklärungspflichten gesamthaft bei den Normen zum<br />
Vertragsschluss zu Beginn des Obligationenrechts unterzubringen 292 .<br />
6. Anhang: Checkliste Aufklärungspflichten<br />
1. Aufklärungspflichten nach schweizerischem Recht<br />
1.1 Geltendes Recht:<br />
Allgemeine Aufklärungspflichten aus Art.2 ZGB;<br />
Preis (nach Preisbekanntgabeverordnung);<br />
Spezialbest<strong>im</strong>mungen (beispielsweise des Konsumkreditgesetzes,<br />
des Pauschalreisegesetzes etc.).<br />
die Kritik <strong>im</strong> Einzelnen an der Aufteilung in lauterkeitsrechtliche und vertragliche<br />
Aufklärungspflichten wird auf Jörg/Arter, Bundesgesetz, 179ff. verwiesen.<br />
290 Kritisch auch Wiegand, Geschäftsverbindung, 109ff. Sinnvollerweise wären die vorvertraglichen<br />
Aufklärungspflichten <strong>im</strong> Wortlaut und mit Statuierung von Verletzungsfolgen<br />
auch <strong>im</strong> E-OR vorzuschreiben.<br />
291 So schon Jörg/Arter, Bundesgesetz, 182.<br />
292 Dazu schon Jörg/Arter, Bundesgesetz, 182.<br />
63
Florian S. Jörg<br />
1.2 Vorschläge der Lauterkeitskommission (Grundsatz 4.22):<br />
Klarheit über kommerziellen Zweck der Informationen;<br />
Identität des Anbieters mit Namen, Firma und Adresse (ohne<br />
Postfach oder Deckadresse);<br />
wesentliche Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung;<br />
Preis;<br />
Gültigkeit des Angebots;<br />
Einzelheiten über Zahlung und Lieferung oder Erfüllung;<br />
Rückgabemöglichkeit oder Widerrufsrecht;<br />
Garantie und Kundendienst.<br />
1.3 Zukünftiges Recht:<br />
1.3.1 Vertragliche Aufklärungspflichten:<br />
Bei Haustürgeschäften oder <strong>im</strong> Fernabsatz sind folgende Angaben in<br />
Papier oder in elektronischer Form, unter Angabe des Datums und<br />
des betreffenden Vertrags, zu erbringen:<br />
Namen und seine Adresse (Art.40d E-OR);<br />
Preis der Ware oder der Dienstleistung (Art.40d E-OR);<br />
Höhe der Gebühren und Kosten (Art.40d E-OR);<br />
Lieferfrist (Art.40d E-OR);<br />
Bestand, Form und Frist des Widerrufsrechts (Art.40d E-OR).<br />
1.3.2 Vorvertragliche Aufklärungspflichten <strong>im</strong> Fernabsatz (Art.3 lit.b bis<br />
E-UWG):<br />
Identität;<br />
Sitz oder Wohnsitz;<br />
Adresse;<br />
wesentliche Eigenschaften der angebotenen Produkte;<br />
Preise und sämtliche zu Lasten des Kunden gehende Kosten, Zahlungsbedingungen.<br />
1.3.3 Vorvertragliche Aufklärungspflichten <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong> insbesondere<br />
(Art. 6 a E-UWG):<br />
klare und vollständige Angaben über eine Kontaktadresse einschliesslich<br />
der elektronischen Post;<br />
einzelne technische Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen;<br />
angemessene technische Mittel zur Erkennung und Korrektur von<br />
Eingabefehlern.<br />
64
<strong>Informationspflichten</strong> <strong>im</strong> E-<strong>Commerce</strong><br />
2. <strong>Informationspflichten</strong> nach dem Gemeinschaftsrecht der EU<br />
2.1 Allgemeine <strong>Informationspflichten</strong> der RLEC:<br />
der Name des Diensteanbieters (Art.5 RLEC);<br />
die geographische Anschrift, unter welcher der Diensteanbieter<br />
niedergelassen ist (Art.5 RLEC);<br />
Angaben, welche eine Kontaktaufnahme und effiziente Kommunikation<br />
ermöglichen, einschliesslich seiner E-Mail-Adresse<br />
(Art.5 RLEC);<br />
gegebenenfalls das Handelsregister, in das der Anbieter eingetragen<br />
ist, und die Handelsregisternummer (Art.5 RLEC);<br />
falls eine Zulassung erforderlich ist, die Angabe der zuständigen<br />
Aufsichtsbehörde (Art.5 RLEC);<br />
bei reglementierten Berufen gegebenenfalls der Berufsverband<br />
oder die Kammer, welcher der Anbieter angehört, die verliehene<br />
Berufsbezeichnung und die <strong>im</strong> Mitgliedstaat anwendbaren Berufsregeln<br />
(Art.5 RLEC);<br />
die Mehrwertsteuernummer (Art.5 RLEC).<br />
2.2 <strong>Informationspflichten</strong> zur kommerziellen Kommunikation:<br />
Sie muss klar als solche zu erkennen sein (Art.6 RLEC);<br />
die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag die Kommunikation<br />
erfolgt, muss klar identifizierbar sein (Art.6 RLEC);<br />
soweit Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe etc.<br />
durch den Niederlassungsstaat des Diensteanbieters erlaubt sind,<br />
müssen sie klar als solche erkennbar sein und die Bedingungen zur<br />
Inanspruchnahme müssen leicht zugänglich sowie zutreffend und<br />
unzweideutig angegeben sein (Art.6 RLEC);<br />
soweit Preisausschreiben und Gewinnspiele <strong>im</strong> Niederlassungsstaat<br />
erlaubt sind, müssen sie klar als solche erkennbar sein und die<br />
Teilnahmebedingungen müssen leicht zugänglich sowie zutreffend<br />
und unzweideutig angegeben werden (Art.6 RLEC).<br />
2.3 <strong>Informationspflichten</strong> betreffend das Zustandekommen von Verträgen:<br />
Einzelne technische Schritte, welche zum Vertragsabschluss führen<br />
(Art.10 RLEC);<br />
Umstand, ob der Vertragstext nach dem Vertragsabschluss gespeichert<br />
wird oder nicht und ob er zugänglich sein wird (Art.10<br />
RLEC);<br />
Mittel zur Korrektur von Eingabefehlern (Art.10 RLEC);<br />
65
Florian S. Jörg<br />
66<br />
für den Vertragsabschluss zur Verfügung stehende Sprachen<br />
(Art. 10 RLEC);<br />
Verhaltenskodizes, denen sich eine Partei unterworfen hat, einschliesslich<br />
der Information, wie diese Kodizes elektronisch zugänglich<br />
sind (Art.10 RLEC);<br />
Vertragsbest<strong>im</strong>mungen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
müssen dem Nutzer so zur Verfügung gestellt werden, dass er<br />
sie reproduzieren und allenfalls speichern kann (Art.10 RLEC).<br />
2.4 Informationen vor Abschluss eines Vertrages:<br />
Identität und allenfalls Adresse des Lieferanten (Art.4 Abs.1<br />
RLFA);<br />
wesentliche Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung (Art.4<br />
Abs. 1 RLFA);<br />
Preis einschliesslich aller Steuern (Art.4 Abs.1 RLFA);<br />
gegebenenfalls Lieferkosten (Art.4 Abs.1 RLFA);<br />
Einzelheiten der Zahlung und der Erfüllung durch den Anbieter<br />
(Art. 4 Abs.1 RLFA);<br />
Angaben zum allenfalls bestehenden Widerrufsrecht (Art.4 Abs.1<br />
RLFA);<br />
Kosten für den Einsatz der Fernkommunikationstechnik (Art.4<br />
Abs. 1 RLFA);<br />
Gültigkeitsdauer des Angebotes und des Preises (Art. 4 Abs.1<br />
RLFA);<br />
Mindestlaufzeit des Vertrages bei wiederkehrender Leistung<br />
(Art. 4 Abs.1 RLFA);<br />
klare Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks, Angaben klar<br />
und verständlich (Art.4 Abs.2 RLFA);<br />
Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks eines Telefongesprächs<br />
(Art. 4 Abs.3 RLFA).
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