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PHILOSOPHIE - Association internationale des professeurs de ...

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AIPPh Documentation Leus<strong>de</strong>n 2009<br />

Falls <strong>de</strong>r Mensch ein Wesen ist, durch das das Leben <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> fließt, falls <strong>de</strong>r Mund<br />

wirklich nur <strong>de</strong>r Ort sind, an <strong>de</strong>m die Er<strong>de</strong> aufblüht, dann ist die Hand <strong>de</strong>r Ort, an <strong>de</strong>m<br />

die Er<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n Wesenheiten in Interaktion tritt, die im Sinne <strong>de</strong>r „Vorhan<strong>de</strong>nheit“ (vor<br />

<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n) und im Sinne <strong>de</strong>r „Zuhan<strong>de</strong>nheit“ (zu Han<strong>de</strong>n, also zur Nutzung) vor uns<br />

sind. Worte sind versammeln<strong>de</strong> Weisungen, die auf diese Wesenheiten hinzeigen und<br />

hinter <strong>de</strong>n Horizont, zum Sein selbst, zeigen. Zu „zeigen“ und durch das Zeigen zu<br />

"verbin<strong>de</strong>n“, das ist <strong>de</strong>r Sinn von Wörtern. Wörter sind nicht nur Zeichen für die<br />

systematische Nutzung <strong>de</strong>r menschlichen Kraft für die Arbeit und das Leben. Wörter sind<br />

Weisungen zur Verbindung mit <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>r Welt, mit <strong>de</strong>m Sein selbst. Und eben dieser<br />

zeigen<strong>de</strong> Impetus (Vorwärtsdrängen, Anm. d. Übers.) wur<strong>de</strong> durch die heutige Existenz<br />

zu einer bloßen Zeichenhaftigkeit reduziert, zu Elementen in einem im Voraus<br />

erforschten System von Beziehungen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Semiologie.<br />

Sagen kann man ohne Worte, sprechen nur mit Worten. Tote sagen vieles. Sie sagen es<br />

uns durch die Stille. „Sagen“ heißt „zeigen“, und die Toten zeigen uns auf jenes hin, was<br />

wir während ihres Lebens nicht wahrhaben wollten. Sie wecken in uns unsere alten<br />

Verschuldungen und wir wissen auf einmal, dass wir ein Gewissen haben. Alles zeigt sich<br />

auf <strong>de</strong>m Hintergrund <strong><strong>de</strong>s</strong> Nichts, auf <strong>de</strong>m Hintergrund <strong><strong>de</strong>s</strong> Seins. Das Sein ist so voll<br />

seiner Leere, es ist <strong>de</strong>r beste Hintergrund zum Zeigen überhaupt. Und dieser<br />

Hintergrund zeigt sich nur in <strong>de</strong>r Stille, darum gilt, dass die Stille klingt und manchmal<br />

auch schmerzhaft laut ist.<br />

Zum Sagen gehört Schmerz. Was ist Schmerz? Schmerz ist eine Fuge, eine Lücke, er ist<br />

„<strong>de</strong>r Unterschied selbst,“ 11 sagt Hei<strong>de</strong>gger. Schmerz ist das Hinzeigen auf etwas, das aus<br />

einem Ganzen, wohin es gehört, ausfallen möchte. Wenn uns irgen<strong>de</strong>in Körperteil<br />

schmerzt, dann möchte dieser Teil das Ganze <strong><strong>de</strong>s</strong> Körpers verlassen, er möchte die<br />

Ordnung <strong>de</strong>r Isonomie verlassen. Isonomie be<strong>de</strong>utet dasselbe Gesetz für alle<br />

Körperteile. Dieses einheitliche Gesetz herrscht immer, es han<strong>de</strong>lt sich darum, was<br />

immer herrscht. Und das ist <strong>de</strong>r Beginn, zu <strong>de</strong>m die alten Griechen „arché“ sagten.<br />

Arché herrscht allerdings, da es <strong>de</strong>r Anfang ist, und <strong>de</strong>r Anfang fängt immer wie<strong>de</strong>r an,<br />

er entsteht also wie<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r. Die Grundlage <strong>de</strong>r Gesundheit ist dieses arché, das<br />

nicht chemisch begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann. Uns wur<strong>de</strong> das gegeben, das unser Anfang ist.<br />

Oligarchie ist die Bezeichnung für die Herrschaft Neureicher, reicher Menschen in <strong>de</strong>r<br />

betreffen<strong>de</strong>n Polis. Die Arché in uns selbst ist etwas, was wir uns nicht selbst gegeben<br />

haben, im Gegenteil, wir haben es von unseren Vorfahren geerbt, vor Allem von <strong>de</strong>n<br />

Eltern. Der Anfang ist das Höchste – das lesen wir in alten Philosophien und auch in<br />

11 Hei<strong>de</strong>gger, M. Unterwegs zur Sprache. Tübingen: Verlag Günter Neske Pfullingen 1959, S. 27.<br />

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