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Transkulturelle Kompetenz Umgang mit Differenz im Gesundheitswesen

Umgang mit Differenz im Gesundheitswesen - VPSK

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Tagung VPSK zum Thema<br />

<strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>Differenz</strong><br />

in einer diversifizierten Gesellschaft<br />

4. November 2011<br />

<strong>Transkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong>: <br />

<strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>Differenz</strong> <strong>im</strong> <br />

<strong>Gesundheitswesen</strong> <br />

Dr. Dagmar Domenig


IdenJtäten und Zugehörigkeiten <br />

Im normalen Leben begreifen wir uns als Mitglieder einer Vielzahl von <br />

Gruppen – ihnen allen gehören wir an. Eine Person kann gänzlich <br />

widerspruchsfrei amerikanische Bürgerin, von karibischer HerkunH, <strong>mit</strong> <br />

afrikanischen Vorfahren, ChrisJn, Liberale, Frau, Vegetarierin, <br />

Langstreckenläuferin, Historikerin, Lehrerin, Romanautorin, FeminisJn, <br />

Hetereosexuelle, Verfechterin der Rechte von Schwulen und Lesben, <br />

Theaterliebhaberin, Umweltschützerin, Tennisfan, Jazzmusikerin und der <br />

Jefen Überzeugung sein, dass es <strong>im</strong> All intelligente Wesen gibt, <strong>mit</strong> denen <br />

man sich ganz dringend verständigen muss (vorzugsweise auf englisch). <br />

Jede dieser Gruppen, denen allen diese Person gleichzeiJg angehört, <br />

vermiWelt ihr eine besJmmte IdenJtät. Keine von ihnen kann als die einzige <br />

IdenJtäts-­‐ oder Zugehörigkeits-­‐Kategorie dieser Person aufgefasst werden. <br />

Angesichts unserer unausweichlich pluralen IdenJtät müssen wir <strong>im</strong> jeweils <br />

gegebenen Kontext entscheiden, welche Bedeutung wir unseren einzelnen <br />

Bindungen und Zugehörigkeiten zumessen. <br />

(Amartya Sen, 2007, S. 8)


Difference SensiJvity (Björngren Cuadra/CaWacin, 2007) <br />

• Difference <br />

§ GesellschaH und LebenssJle haben sich in den letzten <br />

Jahrzehnten dramaJsch verändert <br />

§ <strong>Differenz</strong> ist heute normal und nicht mehr ungewöhnlich <br />

• SensiJvity <br />

§ Sensibilität für <strong>Differenz</strong> sollte zuerst auf der poliJschen <br />

Ebene eingeführt werden <br />

§ Gesundheitssysteme müssen Massnahmen <br />

<strong>im</strong>plemenJeren, um <strong>mit</strong> der <strong>Differenz</strong> effekJv und <br />

effizient umgehen zu können <br />

§ GesundheitsinsJtuJonen müssen darin ermuJgt und <br />

unterstützt werden, sich auf diese veränderten <br />

Realitäten und Bedürfnisse einzustellen


Verortung des Themas: drei Handlungsebenen <br />

GesundheitspoliJk <br />

Bund, Kantone, <br />

Gemeinden <br />

Betroffenenorga-­nisaJonen<br />

<br />

Gesundheitsorga-­nisaJonen<br />

<br />

Public Health <br />

SpezialistInnen <br />

WissenschaH und <br />

Forschung <br />

Gesundheitssystem <br />

Spitäler, Pflegehe<strong>im</strong>e <br />

Beratungsstellen <br />

HausärztInnen <br />

SpezialistInnen <br />

Spitexdienste <br />

medizinisch-­therapeuJsche<br />

<br />

Dienste <br />

InterakJon <br />

Gesundheits-­fachpersonen<br />

und <br />

Nutzniessende <br />

(PaJentInnen/<br />

KlientInnen/<br />

Familien/soziale <br />

Netzwerke)


<strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <br />

<strong>Differenz</strong> <strong>im</strong> <br />

Gesundheits-­wesen<br />

<br />

Grundprinzipien <br />

(WHO/WHA, <br />

2008) <br />

Massnahmen <br />

Rahmenkonzepte <br />

GesundheitspoliJk Gesundheitssystem InterakJon <br />

Ungleichheiten <br />

bezüglich des <br />

Gesundheitszustands <br />

sowie be<strong>im</strong> Zugang <br />

vermeiden <br />

Gesundheits-­‐<br />

Monitoring (Status <br />

und Zugang) und <br />

davon Strategien und <br />

Programme ableiten <br />

Difference SensiJvity <br />

in Bezug auf die <br />

heuJge GesellschaH <br />

Gesundheitsrechte <br />

für alle zu <br />

gewährleisten <br />

unabhängig von <br />

HerkunH und Status <br />

Gesundheitsdienste <br />

für diverse <br />

Zielgruppen <strong>mit</strong> <br />

konkreten <br />

Massnahmen <br />

öffnen bzw. <br />

anpassen <br />

Diversity <br />

Management <br />

höhere <br />

Mortalität und <br />

Morbidität <br />

reduzieren <br />

PaJentenorien-­‐<br />

Jerte Pflege und <br />

Behandlung für <br />

alle fördern <br />

Trans-­‐kulturelle <br />

<strong>Kompetenz</strong>


Gesundheits-Monitoring II (BASS, ZHAW, ISPM, 2011)<br />

• AuHraggeber Bund: NaJonales Programm MigraJon <br />

und Gesundheit (2008-­‐2013) <br />

• Fragestellungen: <br />

§ WichJgste Unterschiede (Gesundheitszustand, <br />

Gesundheitsverhalten, Gesundheitskompetenz, <br />

Zugang zum Gesundheitssystem)? <br />

§ Vulnerabelste Gruppen? <br />

§ WichJgste Determinanten der gesundheitlichen <br />

Unterschiede? <br />

• SJchprobe: Portugal, Türkei, Kosovo, Serbien für <br />

ständige Wohnbevölkerung sowie Sri Lanka <br />

(TamilInnen) und Somalia für Asylbereich <br />

• Referenzgruppe: SchweizerInnen aus der <br />

Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2007


Ergebnisse GMM II (ständige Wohnbevölkerung)<br />

• Bei gleichzeiJger BerücksichJgung von Alter und <br />

Geschlecht sind in den meisten Fällen die Werte der <br />

verschiedenen Indikatoren zum Gesundheitszustand bei <br />

den MigraJonsgruppen schlechter als diejenigen der <br />

SchweizerInnen. Je nach Indikator und MigraJonsgruppe <br />

sind die Unterschiede beträchtlich, ausser neu in die <br />

Schweiz einreisende MigrantInnen, die eher in besserer <br />

psychischer und physischer Verfassung sind als <br />

SchweizerInnen. (S. 82)


Ergebnisse GMM II (ständige Wohnbevölkerung)<br />

• Innerhalb der MigraJonsbevölkerung zeigt sich sowohl <br />

ein starker Geschlechter-­‐ als auch ein starker <br />

Alterseffekt. (S. 91) Je länger die Aufenthaltsdauer, umso <br />

schlechter ist der Gesundheitszustand. (S. 121) <br />

• MigrantInnen gehen nicht öHers zum Arzt oder zur <br />

ÄrzJn, also keine Überbeanspruchung und auch keine <br />

klare Hinweise auf eine Unterversorgung von <br />

MigrantInnen. (S. 122) <br />

• PotenJelle Risiken bei Ernährung, Tabakkonsum, <br />

Bewegung und Körpergewicht, jedoch deutlich weniger <br />

Alkoholkonsum. (S. 122) <br />

www.bag.admin.ch/themen/gesundheitspoliJk/<br />

07685/07693/07832/10605/index.html?lang=de


<strong>Differenz</strong> <strong>im</strong> <br />

Gesundheits-­wesen<br />

<br />

GesundheitspoliJk Gesundheitssystem InterakJon <br />

Grundprinzipien <br />

(WHO/WHA, <br />

2008) <br />

Ungleichheiten <br />

bezüglich des <br />

Gesundheitszustands <br />

sowie be<strong>im</strong> Zugang <br />

vermeiden <br />

Gesundheitsrechte <br />

für alle zu <br />

gewährleisten <br />

unabhängig von <br />

HerkunH und Status <br />

höhere <br />

Mortalität und <br />

Morbidität <br />

reduzieren <br />

Massnahmen <br />

Gesundheits-­‐<br />

Monitoring (Status <br />

und Zugang) und <br />

davon Strategien und <br />

Programme ableiten <br />

Gesundheitsdienste <br />

für diverse <br />

Zielgruppen <strong>mit</strong> <br />

konkreten <br />

Massnahmen <br />

öffnen bzw. <br />

anpassen <br />

PaJentenorien-­‐<br />

Jerte Pflege und <br />

Behandlung für <br />

alle fördern <br />

Rahmenkonzepte <br />

Difference SensiJvity <br />

in Bezug auf die <br />

heuJge GesellschaH <br />

Diversity <br />

Management <br />

Trans-­‐kulturelle <br />

<strong>Kompetenz</strong>


Öffnen und Anpassen der Gesundheitsdienste <br />

• Teams <strong>mit</strong> unterschiedlichen Fähigkeiten und <br />

<strong>Kompetenz</strong>en für den <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>Differenz</strong> <br />

• Keine Akzeptanz von (rassisJschen) Diskr<strong>im</strong>inierungen <br />

• Organisatorische Anpassungen (Öffnungszeiten, <br />

personelle Besetzung, Besucherräume, Mahlzeiten, <br />

spirituelle Angebote....) <br />

• Abbau von sprachbedingten Barrieren <br />

(Übersetzungsdienste, InformaJonsmaterial in mehreren <br />

Sprachen, Piktogramme) <br />

• Weiterbildungen


<strong>Differenz</strong> <strong>im</strong> <br />

Gesundheits-­wesen<br />

<br />

GesundheitspoliJk Gesundheitssystem InterakJon <br />

Grundprinzipien <br />

(WHO/WHA, <br />

2008) <br />

Ungleichheiten <br />

bezüglich des <br />

Gesundheitszustands <br />

sowie be<strong>im</strong> Zugang <br />

vermeiden <br />

Gesundheitsrechte <br />

für alle zu <br />

gewährleisten <br />

unabhängig von <br />

HerkunH und Status <br />

höhere <br />

Mortalität und <br />

Morbidität <br />

reduzieren <br />

Massnahmen <br />

Gesundheits-­‐<br />

Monitoring (Status <br />

und Zugang) und <br />

davon Strategien und <br />

Programme ableiten <br />

Gesundheitsdienste <br />

für diverse <br />

Zielgruppen <strong>mit</strong> <br />

konkreten <br />

Massnahmen <br />

öffnen bzw. <br />

anpassen <br />

PaJentenorien-­‐<br />

Jerte Pflege und <br />

Behandlung für <br />

alle fördern <br />

Rahmenkonzepte <br />

Difference SensiJvity <br />

in Bezug auf die <br />

heuJge GesellschaH <br />

Diversity <br />

Management <br />

Trans-­‐kulturelle <br />

<strong>Kompetenz</strong>


PaJentenorienJerte Behandlung und Pflege <br />

• Einbezug nicht nur von der physischen, psychischen und <br />

sozialen, sondern ebenso von der kulturellen D<strong>im</strong>ension <strong>im</strong> <br />

<strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> Krankheit und Krise <br />

• Fokus bei MigrantInnen jedoch nicht nur auf das Kulturelle, <br />

sondern darüber hinausgehend auch auf psychische und <br />

soziale Faktoren, eben trans-­‐kulturell <br />

• Einbezug von individuellen Krankheits-­‐Erklärungsmodellen, <br />

unter BerücksichJgung der pluralen IdenJtäten und den <br />

da<strong>mit</strong> verbundenen lebensweltlichen Faktoren


Krankheits-­‐Erklärungsmodelle (Kleinman 1980) <br />

• Erklärungsmodelle sind durch unterschiedliche <br />

Faktoren wie Alter, Gender, HerkunH, Lebenswelt, <br />

Biografie usw. beeinflusst und so<strong>mit</strong> <strong>im</strong>mer individuell. <br />

• Unterschiedliche Ursachen-­‐ und Erklärungsmodelle <br />

beziehen sich sich <strong>im</strong>mer auf eine konkrete Episode <strong>im</strong> <br />

Krankheitsgeschehen. <br />

• Erklärungsmodelle von PaJentInnen können sich <br />

erheblich von biomedizinischen Erklärungsmodellen <br />

unterscheiden. <br />

• PaJentenorienJerte Behandlung und Pflege bedeutet, <br />

Krankheits-­‐Erklärungsmodelle einzubeziehen und deren <br />

Bedeutung für die Pflege und Behandlung gemeinsam <br />

auszuhandeln.


Krankheits-­‐Ursachenkonzepte <br />

individuell (fehlende <br />

Sorgfalt, Schuldfrage) <br />

natürlich (Mikroorganismen, <br />

Kl<strong>im</strong>a, Naturkatastrophen, <br />

Mond, Heiss-­‐Kalt-­‐Konzepte) <br />

sozial (andere Personen, <br />

magische Konzepte, böser <br />

Blick, Stress) <br />

übernatürlich (Besessenheit, <br />

GoW/GöWer, Ahnen)


<strong>Transkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong> <br />

<strong>Transkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong> ist die Fähigkeit, individuelle <br />

Lebenswelten in der besonderen SituaJon und in <br />

unterschiedlichen Kontexten zu erfassen, zu verstehen und <br />

entsprechende, angepasste Handlungsweisen daraus <br />

abzuleiten. Transkulturell kompetente Fachpersonen <br />

reflekJeren eigene lebensweltliche Prägungen und Vorurteile, <br />

haben die Fähigkeit, die PerspekJve anderer zu erfassen und <br />

zu deuten und vermeiden Kulturalisierungen und <br />

Stereotypisierungen von besJmmten Zielgruppen. <br />

(Domenig, 2007: 174)


Respekt, Empathie und Anerkennung <br />

• Respektvolle Annäherung <br />

• NarraJve Empathie <br />

• Anerkennung der Person und ihrer Geschichte(n), sowie <br />

ihrer persönlichen Erklärungsmodelle <br />

aushandeln<br />

pflegen, behandeln<br />

Mitarbeitende, <br />

Teams????


Für weitere InformaJonen <br />

www.transkulturelle-kompetenz.ch<br />

SRK, 2011: Diversität fördern, <br />

rassisJscher Diskr<strong>im</strong>inierung <br />

vorbeugen. Wegleitung für <br />

Führungspersonen und <br />

Mitarbeitende in InsJtuJonen der <br />

Gesundheitsversorgung, SRK: Bern. <br />

Domenig, D.: <strong>Transkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong>, Lehrbuch für <br />

Pflege-­‐, Gesundheits-­‐ und Sozialberufe, 2. vollständig <br />

überarbeitete und erweiterte Auflage, Huber Verlag, <br />

Bern: 2007.


Photo: © Peter Dammann<br />

WichJg ist auch die Einsicht, dass menschliche IdenJtäten vielerlei Gestalt <br />

annehmen können und Menschen ihren Verstand gebrauchen müssen, um zu <br />

entscheiden, wie sie sich selbst sehen und welche Bedeutung sie dem Umstand <br />

be<strong>im</strong>essen sollten, als Mitglied einer besJmmten GemeinschaH geboren zu <br />

sein. <br />

(Amartya Sen, 2007: 129)

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