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Verteidigungsministerium, Moskau<br />
12. Juli 1962<br />
Hauptmann Wassili Archipow saß allein an einem leeren Tisch<br />
in der Ecke der Cafeteria des Verteidigungsministeriums. Seine<br />
Aktentasche lag flach vor ihm neben einer Tasse mit kubanischem<br />
Kaffee, die allmählich kalt wurde. Seine Hände ruhten<br />
auf der Tasche. Sie zitterten kaum. Er atmete tief durch.<br />
Am anderen Ende des Raums erblickte er den alten Kameraden,<br />
auf den er gewartet hatte. Wie Archipow trug er die Uniform<br />
eines Marinekapitäns Ersten Ranges. Aber im Gegensatz<br />
zu Archipows Sonnenbrand hatte Timofei Swiagin leichenblasse<br />
Züge, und sowohl sein Kopf als auch sein Gesicht waren<br />
vollkommen unbehaart. Archipow stand auf. Die beiden Männer<br />
umarmten sich innig.<br />
»Bruder! Wie zum Teufel geht’s dir, Tima?«<br />
»Ging schon mal besser.«<br />
»Was sagen die Ärzte?«<br />
Swiagin zuckte mit den Schultern und sah seinem Freund<br />
einen ausgedehnten Moment lang in die Augen. »In Remission,<br />
verspricht man mir. Sicherheitshalber pumpt man mich trotzdem<br />
weiter mit Gift voll.«<br />
In seinen Träumen sah Archipow seinen Freund jede Nacht.<br />
Timofei an seiner Station außerhalb des siedend heißen Dampfs<br />
aus dem schmelzenden Reaktorraum von K-19, sein Overall<br />
fettverschmiert, das Gesicht von der roten Notbeleuchtung<br />
schaurig erhellt. Der Gestank, eine Mischung von Schweißarbeiten<br />
und dem erstickenden Mief von ausgetretener Reaktorkühlflüssigkeit.<br />
Swiagins Stimme, zum Befehlston erhoben, um<br />
das panische Geplapper der Männer zum Schweigen zu brin-<br />
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