Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong><br />
Sonderausgabe<br />
21.589 Wien, Samstag den 9. Juni Preis: 2,50 Euro 2018<br />
GRENZENLOS<br />
JETZT<br />
WUNDER<br />
IRRITATION<br />
FREI<br />
CRASH<br />
WELTMÄCHTE<br />
METROPOLE<br />
UMSTURZ<br />
Von<br />
Suttner MARX de Gaulle Wiesenthal<br />
Loos Kreisler Freud SCHNITZLER Zweig<br />
JELINEK Röntgen Streeruwitz Liessmann<br />
Auktionstage<br />
Klassische Moderne<br />
19.Juni 2018, 18 Uhr<br />
Onlinekatalog www.imkinsky.com<br />
Alfons Walde, Häuser im Gebirge,um1930<br />
€150.000–300.000<br />
25 <strong>Jahre</strong><br />
Auktionshaus<br />
ım Kinsky<br />
Erfolg mit<br />
Qualität<br />
PREIS: Italien €3,90. „DIE PRESSE“, ) (01) 514 14DW342 (Wortanzeigen), DW 535 (Anzeigen) Fax: DW 400 (Redaktion). ABO: ) (01) 514 14DW70, Fax: DW 71. Retouren an PF 100, 1350 Wien. Österreichische Post AG, TZ 02Z032748T, Die Presse, Hainburger Str. 33, 1030 Wien.
anrufen.<br />
gratulieren.<br />
SMS schicken.<br />
mailen.<br />
Grüße ausrichten.<br />
Dich freuen.<br />
vorbeischauen.<br />
Du kannst Glückwünsche senden.<br />
Freude teilen.<br />
Kerzen ausblasen.<br />
Kuchen essen.<br />
Fotos machen.<br />
posten.<br />
Dich bedanken.<br />
glücklich sein.<br />
Du kannst alles.<br />
Mit den bestenGlückwünschen<br />
vonA1anDie Presse für<br />
<strong>170</strong> erfolgreiche <strong>Jahre</strong>.<br />
#ConnectLife
www.volkswagen.at<br />
<strong>170</strong><strong>Jahre</strong> Die Presse.<br />
Wir gratulieren und feiern mit.<br />
Der Golf.40<strong>Jahre</strong> Nummer 1inÖsterreich.<br />
Wir gratulieren zu <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>nDie Presse und feiern mit.Denn seit40<strong>Jahre</strong>n in Folge istder Golf<br />
das beliebtesteAuto derÖsterreicherinnenund Österreicher.Aus diesem Grund habenwir mit<br />
dem Golf Rabbit 40 ein eigenes Sondermodell aufgelegt. Beliebte Extras wie z.B. ActiveInfoDisplay,<br />
Infotainment-Paket, Licht- und Sicht-Paketoderauch die automatischeDistanzregelung ACC<br />
zählen ebenso bereits zu seinemSerienumfang, wie seintop Preis-Leistungs-Verhältnis.<br />
Jetzt beiIhrem Volkswagen Partner.<br />
Verbrauch: 3,9 –5,1 l/100 km. CO 2 -Emission: 102 –129 g/km. Symbolfoto. Stand 05/2018.
ALLESGUTEZUM <strong>170</strong>.GEBURTSTAG.<br />
Wünscht derWatchdogder Wirtschaft<br />
demWatchdogder Demokratie.<br />
Mehr Informationen unter www.ksv.at.
14 NACHRICHTEN SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
„Der ORF kriegt sein Geld, egal, was er macht“<br />
Medienenquete. In Wien<br />
wurde über die Zukunft der<br />
Medien diskutiert. Vertreter<br />
der Privatsender forderten<br />
dabei mehr Geld und<br />
weniger ORF-Werbung.<br />
VON ISABELLAWALLNÖFER<br />
Wien. Wie kann es mit den heimischen Medien,allen<br />
voran mit dem ORF,inZeiten zunehmender<br />
Konkurrenz durch internationale<br />
Medienriesen wie Facebook, Amazon<br />
oder Google weitergehen? Wasbrauchen die<br />
Medien, um zu überleben –und wo sollen<br />
die Mittel für etwaige Förderungen herkommen?<br />
Das stand am Donnerstag und Freitag<br />
bei der vom Bundeskanzleramt veranstalteten<br />
Medienenquete in Wien zurDiskussion.<br />
Einmal mehr richteten sich die Begehrlichkeiten<br />
der privaten Medien dabei an den<br />
ORF: „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand<br />
Markus Breitenecker<br />
(ProSiebenSat1Puls4),<br />
Rainer Nowak<br />
(„Presse“),Linda Heimgartner<br />
(SRG),Armin<br />
Thurnher („Falter“) und<br />
Alexander Wrabetz<br />
(ORF)diskutiertenbei<br />
der Medienenquete. [APA ]<br />
plädierte dafür, die ORF-Werbezeiten zu halbieren.<br />
Oe24-Chef Niki Fellner hätte gern Zugriff<br />
auf das ORF-Archiv. ProSieben-<br />
Sat1Puls4-Chef Markus Breitenecker kritisierte,<br />
dass die Privaten jedes einzelne Programm<br />
extra einreichen müssen, um eine<br />
Förderung zuerhalten: „Der ORF hingegen<br />
kriegt sein Geld, egal, was ermacht, auch<br />
wenn ein Mensch in einem Windkanal steht<br />
und Geldscheine fängt.“ Auch er hat die<br />
ORF-Werbeerlöse (2017 waren das 232,6 Millionen<br />
Euro) im Visier –sie sollten umgeschichtet<br />
werden, der Öffentlich-Rechtliche<br />
dafür jenen Teil der GIS-Gebühr refundiert<br />
bekommen, der an Länder und Bund fließt.<br />
Die Privaten forderten von der Medienpolitik<br />
außerdem Förderungen für ihre Public-Value-Inhalte.<br />
Rainer Nowak („Presse“)<br />
kritisierte, dass fast ausschließlich übers<br />
Fernsehen diskutiert wurde: „Was Public<br />
Value sicher nicht ist: nurBewegtbild.“Markus<br />
Mair, Vorstand der Styria Media Group<br />
forderte die Erhöhung der Presseförderung:<br />
„Dabraucht es mehr Geld.“<br />
Der ORF bot den Privaten Zusammenarbeit<br />
an –etwa eine gemeinsame Videoplattform<br />
(„Österreich-Player“). Auch wenn niemand<br />
die Existenz des ORF oder dessen öffentliche<br />
Finanzierung infrage stellte – es<br />
war der übliche Hickhack zwischen ORF<br />
und Privaten. Noel Curran von der European<br />
BroadcastingUnion warnte: „Wir streiten<br />
hier um die Krümel, aber irgendwann<br />
läuft uns jemand mit dem Kuchen davon.“<br />
Wrabetz: US-Serien „passen nicht mehr“<br />
Am Freitagwurde u. a. überPublicValue diskutiert.ORF-Generaldirektor<br />
Alexander Wrabetz<br />
verteidigte den öffentlich-rechtlichen<br />
Mehrwertdes Sendersund ließ mit einerAnkündigung<br />
aufhorchen: „ORF eins wird umgebaut.“<br />
Der hohe Anteil anUS-Filmen und<br />
US-Serien passe „programmlichnicht zu den<br />
Anforderungen derJetztzeit“.<br />
Medienminister Gernot Blümel (ÖVP)<br />
lieh den Klagen und Forderungen der Branche<br />
sein Ohr. Was davon tatsächlich umgesetzt<br />
wird, sollte sich in den kommenden<br />
Monaten zeigen. Eine Novelle des ORF-Gesetzeswirdfür<br />
Anfang2019 erwartet.<br />
StadtWien und ÖFB:<br />
Mietpoker um<br />
das Happel-Stadion<br />
Ist der Test gegen Brasilien der vorerst<br />
letzte Auftritt des ÖFB-Teams im Prater?<br />
Wien. Istdas Fußballländerspiel gegen Brasilien<br />
am Sonntag das letzte ÖFB-Heimspiel im<br />
Happel-Stadion? Aber nicht,weil danachder<br />
seit <strong>Jahre</strong>n kolportierte Neubau erfolgt, sondern<br />
weil die neue Stadtregierung und der<br />
Fußballbund um Mietkonditionen pokern.<br />
Die Sportstättenbetriebs-GmbH will mehr<br />
Geld, der ÖFB seine günstigen Konditionen<br />
(kolportierte 50.000 Euro) nicht verlieren.<br />
Der jetzt für Sport zuständige Stadtrat,<br />
Peter Hacker (SPÖ), und ÖFB-Präsident Leo<br />
Windtner hatten bereits zwei Treffen. Eine<br />
Einigung werde es vor nächster Woche aber<br />
nicht geben, bestätigt ÖFB-Generalsekretär<br />
Thomas Hollerer der „Presse“. Eine Entscheidung<br />
ist dann jedoch unerlässlich, am<br />
15. Juni läuft die 120-Tage-Nennfrist bei Europas<br />
Fußballunion Uefa für die am 12. Oktober<br />
startende „Nations League“ ab. Dann<br />
müssen Stadt und Stadion fixiertsein.<br />
Das Happel-Oval sei „die erste Option<br />
für uns“, sagt Hollerer. Wobei die Frage<br />
Neubau/Modernisierung eine Rolle spielt.<br />
Da fehlt aber die Übereinkunft zwischen<br />
Bund und Land über Kosten sowie Denkmalschutz<br />
(per Verordnung aufzuheben).<br />
Diese Gespräche finden erst im Herbststatt.<br />
Was sind die Alternativen, wenn es keinen<br />
neuen Mietvertrag gibt? Zuletzt spielte<br />
der ÖFB in Innsbruck und Klagenfurt, der<br />
Test gegen Schweden findet am 6. September<br />
im neuen Austria-Stadion in Favoriten<br />
statt. In Hütteldorf sollen Länderspiele, der<br />
Anrainerwegen, unmöglich sein. (fin)<br />
Wiener Grünen droht<br />
Chaos am heutigen<br />
Reformparteitag<br />
Die Basis könnte die geplanten<br />
Änderungen zu Fall bringen.<br />
Kapsch Group<br />
So alt wird nur,<br />
wer immer jung bleibt.<br />
Als österreichischer Technologieführer in den Bereichen Kommunikation,<br />
Digitalisierung und Mobilität gratuliert die Kapsch Group der„Presse“ zum<br />
Jubiläum. Und sagt Danke für <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> vorausschauenden und<br />
innovationsfördernden Journalismus im Dienste des<br />
Wirtschaftsstandortes Österreich.<br />
www.kapsch.net<br />
Wien. Nur Stunden vor dem Parteitag heute,<br />
Samstag, mit dem die Wiener Grünen ihre<br />
schwer gebeutelte Partei wieder auf Kurs<br />
bringen wollen, stand plötzlich die Frage im<br />
Raum: Wird der monatelang mühsam geplante<br />
Neustartüberhaupt stattfinden?<br />
Bei der grünen Basis gabesimmer mehr<br />
Widerstand gegen den Antrag, wonachKandidaten<br />
sich künftig nur dann der parteiinternen<br />
Wahl zu(r) Spitzenkandidat(in) stellen<br />
dürfen, wenn sie mindestens 100 grüne<br />
Unterstützungserklärungen vorweisen können;<br />
was die grüne Basisdemokratie deutlich<br />
beschränkt. Das hat enormen Widerstand<br />
erzeugt, weshalb nun unsicher ist, ob<br />
der Reformantrag zur Abstimmung überhaupt<br />
zugelassen wird –benötigt erdafür<br />
doch eine Zwei-Drittel-Mehrheit bei den<br />
Delegierten der grünen Basis. (stu)
WÜNSCHT DAS SIGNA TEAM
Weltmächte<br />
Im Juni 1961 war Wien als Hauptstadt des kleinen,<br />
neutralen Österreich ins Zentrum der Weltpolitik<br />
gerückt. AmHöhepunkt des Kalten Kriegs traf der<br />
unerfahrene,erst kürzlich ins Amt gekommene US-<br />
Präsident, John F. Kennedy, als Führer der westlichen<br />
Welt Nikita Chruschtschow, den mit allen Wassern gewaschenen Führer der Sowjetunion und<br />
des Ostblocks. „Die Presse“ war bei dem historischen Gipfel unter anderem in Schloss Schönbrunn<br />
hautnah dabei.Die Glorie des Habsburgerreichswar noch nicht verblasst,die Macht des untergegangenenReichs<br />
indessen schon –ebensowie die des Osmanischen Reichs und desbritischen Empires.<br />
Das amerikanische Jahrhundert war voll imGang, und die Sowjetunion war Gegenpol der USA. Allmählichbegann<br />
ChinasAufstieg. Als Player istnun auch Russland wieder zurück aufder Weltbühne.<br />
INTERVIEW<br />
Die Gefahr des<br />
Kriegsin<br />
instabilen Zeiten<br />
Ein Gesprächmit dem<br />
Politologen Herfried<br />
Münkler über den<br />
Niedergang der Weltmächteund<br />
die neue<br />
Rolle Chinas. S. 18<br />
ORIGINALTEXT<br />
Charles de<br />
Gaulles Blick<br />
aufdie Welt<br />
In den posthum erschienenen<br />
Memoiren<br />
räsonierteFrankreichs<br />
Präsident über Europa<br />
zwischen den Weltmacht-Kolossen.<br />
S. 22<br />
DIPLOMATIE<br />
Wien als<br />
Bühne der<br />
Weltpolitik<br />
Als Standort der UNO-<br />
Cityund Stätte für<br />
Krisendiplomatie positioniertsich<br />
Österreich<br />
in der Funktion des<br />
„Brückenbauers“. S. 24<br />
s gibt Grund<br />
zum Feiern.<br />
Wir gratulieren zum <strong>170</strong>-jährigen Jubiläum.<br />
@simmoag
Umsturz<br />
Der Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 warder ersteSchrittzum<br />
Untergang der über 600-jährigen Herrschaft der Habsburger in<br />
Österreich. 1918 war esdann vorbei. War das eine Revolution?<br />
Oder nurein Zusammenbruch? Dasist heute noch umstritten.<br />
Klischeehaft stellt man sich unter einem Revolutionär heute<br />
einen rauschebärtigen Mann in Uniform in einem Dritte-Welt-Land vor. Dass Revolutionäre automatisch<br />
links sind, dieses Bild hat sich irgendwann verfestigt. Und es ist jaauch nicht falsch. Aber<br />
eben nurdie halbe Wahrheit. Denn vieleRevolutionen hatten bürgerlicheUrsprünge –jene von 1848<br />
bekam sogar den Beinamen „bürgerliche Revolution“. Auch die Französische in ihren Anfängen war<br />
eine solche. Understrecht jene von1989. Die liberalen Heldenvon damals sind zum Teil heute noch<br />
politisch aktiv,gelten nunaberals Nationalisten oder Populisten –wie Viktor Orbán.<br />
ORIGINALTEXT<br />
Das Amt<br />
und<br />
die Pflicht<br />
Zwischen Schuld<br />
und Unschuld: Simon<br />
Wiesenthals Rückblick<br />
auf die Affäreum<br />
Bundespräsident Kurt<br />
Waldheim. S. 28<br />
VIKTORORBÁN<br />
Die illiberale<br />
Wende eines<br />
Liberalen<br />
1989träumteer<br />
vomWesten.<br />
Doch als Ungarns<br />
Premier hat er sich<br />
gewandelt.Was ist<br />
da passiert? S. 30<br />
POP UND POLITIK<br />
Plato und Mick<br />
Jagger:Wenn<br />
Mauern wanken<br />
Wieso1968 ein Zitat<br />
aus der „Politeia“ in der<br />
Luft lag: Über „Revolution“<br />
und „StreetFighting<br />
Man“, die Umbrüche<br />
in der Musik. S. 32<br />
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>innovation<br />
Wirgratulieren<br />
unserem<br />
medienpartner<br />
zu <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
Journalismus!<br />
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> Instinct<br />
for Growth<br />
Wir gratulieren herzlich zu<br />
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n Erfolg<br />
und bedanken uns für die<br />
langjährige Zusammenarbeit.<br />
Audit |Tax |Advisory<br />
roboticsaward.at<br />
www.grantthornton.at
SAMSTAG, 9. JUNI 2018 UMSTURZ 27<br />
Dem Kaiser die Rechte abgetrotzt<br />
Freiheit. Der Kampf der Bürger um Grund- und Wahlrechte war ein zäher und blutiger. Auf<br />
Errungenschaften folgten Rückschritte. Je nachdem, wie sehr der Monarchdas Volk brauchte.<br />
VON PHILIPP AICHINGER<br />
Österreicher sein heißt, die Staatsgrundgesetze<br />
hochzuhalten“, sagt der Abgeordnete<br />
JosephKareis im Jahr 1897und<br />
kontert damit antisemitischen Angriffen.<br />
Der jüdische Mandatar nimmtBezug auf<br />
den Grundrechtekatalog von 1867. Seither<br />
war klar, dassalle Bürger –auchunabhängig<br />
von der Religion –gleich zu behandeln sind.<br />
Dass man sich versammeln kann und die<br />
Meinung frei äußern darf. Doch der Weg<br />
zum Grundrechtskatalog warein steiniger.<br />
Wien, im Winter 1847/48: Das Kaiserhaus<br />
hält die Zügel der Macht in der Hand.<br />
Doch der Zorn der Massen steigt. Die Ernte<br />
war schlecht, der Winter ist kalt. An vielen<br />
Orten Europas liegt die Revolution in der<br />
Luft. In der Lombardei kommt es Anfang<br />
1848 mit dem „Mailänder Zigarrenrummel“<br />
zu einem Raucherstreik, der die österreichische<br />
Staatskassetreffen soll. In Parisentzündet<br />
sich die Februarrevolution. In Ungarn<br />
werden Forderungen nach einer neuen Verfassung<br />
laut. Und schließlich startet auch in<br />
Wien immer ungenierter eine öffentliche<br />
Reformdebatte.<br />
Am 13. März bricht die Revolution aus.<br />
Das Landhaus in der Wiener Herrengasse<br />
wird gestürmt. Die Niederösterreichischen<br />
Stände sollen dazu gebracht werden, eine<br />
Petition an den Kaiser zu richten, mit der<br />
Grundrechte eingefordert werden. Ein Bataillon<br />
erhält den Schießbefehl, um in der<br />
Herrengasse für Ordnung zusorgen, Opfer<br />
sind zu beklagen.Als Reaktion darauf kommt<br />
die Revolution erst richtig ins Rollen. Fabrikenwerdenangezündet,Polizisten<br />
gelyncht.<br />
Das Kaiserhaus muss reagieren. Staatskanzler<br />
Fürst Metternich wird politisch geopfert.<br />
Kaiser Ferdinand I. verkündet am 15.<br />
März das Ende der Zensur, Zeitungen werden<br />
gegründet. Eine neue Verfassung soll<br />
kommen, Innenminister Franz von Pillersdorfdiese<br />
ausarbeiten. Doch die Pillersdorfsche<br />
Verfassung enttäuscht viele.<br />
Ein Zwei-Kammern-System ist vorgesehen.<br />
Im Senat sollen die Prinzendes Kaiserhauses<br />
und gewählte Vertreter der Großgrundbesitzer<br />
sitzen. Für die Abgeordnetenkammer<br />
ist nur eine indirekte Wahl der<br />
Mandatare geplant und weite Teile der Arbeiterschaft<br />
sollen davon ausgeschlossen<br />
bleiben. Auch das liberale Bürgertum und<br />
die Studentenschaft stehen dem Plan ablehnend<br />
gegenüber. Was soll dieser auch wert<br />
sein, wenn Gesetze nur gültig sind, wenn<br />
beide Kammern zustimmen –die Aristokratie<br />
also weiterhin alles blockieren kann?<br />
Revolutionär gesinnte Bürger erreichen<br />
mit einer Sturmpetitionam15. Mai, dassdie<br />
Verfassung zurückgenommen und dass allgemeine<br />
und gleiche Wahlrecht zugesagt<br />
wird. Der zu wählende Reichstag soll nun<br />
nurein konstituierender sein, also einer,der<br />
erst selbst eine Verfassung erarbeitet. Am<br />
22. Juli ist essoweit: Zum ersten Mal tagt in<br />
Österreich ein gewähltes Parlament, und<br />
zwar in der Hofburg. Es istder jüngste Abgeordnete,<br />
der zwei Tage später mit seinem<br />
Antrag den wichtigsten Beschluss dieser<br />
Versammlunginitiierenwird. Der 24-jährige<br />
Hans Kudlich, selbst ein Landwirtkind mit<br />
zehn Geschwistern, erreicht die Abschaffung<br />
des bäuerlichen Untertänigkeitsverhältnisses.<br />
Bisher mussten die Landwirte an<br />
Robottagen gratis für den Grundherrn arbeiten<br />
und einen Zehentabliefern.<br />
Im Oktober herrscht wieder Revolutionsstimmung.<br />
Wiener Bürger wollen aus<br />
Solidarität mit den aufständischen Ungarn<br />
verhindern, dass kaiserliche Truppen von<br />
Wien aus gen Osten ziehen. Es kommt zu<br />
Kämpfen,selbstimStephansdom fließt Blut.<br />
Am Hof stürmt das Volk das Kriegsministerium<br />
und hängt Minister Theodor Baillet de<br />
Latour an einer Straßenlaterne auf. Schließlich<br />
setzen sich die kaiserlichen Truppen<br />
aber mit vollerHärte durch.<br />
Neuer Kaiser,alte Ordnung<br />
Der Reichstag wird aus dem unsicheren<br />
Wien nach Kremsier in Ostmähren verlegt.<br />
In Wien tritt imDezember der kinderlose<br />
Ferdinand ab, Franz Joseph I. besteigt den<br />
Thron. Dass die Abgeordneten in Kremsier<br />
einen fortschrittlichen Verfassungsentwurf<br />
erarbeiten, gefällt dem neuen Kaiser nicht.<br />
Nochbevor die Abgeordneten im März1849<br />
die Verfassung beschließenkönnen, löstder<br />
Kaiser den Reichstagauf. Es folgt die oktroyierte<br />
Märzverfassung,die der 18-jährige Kaiser<br />
nach seinen Wünschen in Kraft setzt.<br />
Sie sieht noch ein Zweikammernparlament<br />
vor und einige Bürgerrechte, doch in<br />
der Praxis tritt die Volksvertretung nicht zusammen.<br />
Stattdessen erlässt der politisch<br />
wieder erstarkte Kaiser am letzten Tagdes<br />
<strong>Jahre</strong>s1851 das Silvesterpatent, mit dem wieder<br />
der Absolutismus hergestellt wird. Rechte<br />
wiedie Pressefreiheit sind wieder passé.<br />
Knapp ein Jahrzehnt später braucht der<br />
Kaiser das Bürgertum wieder. Nach einer<br />
Kriegsniederlage und dem Verlust der Lombardei<br />
hat der Staat finanzielle Probleme<br />
und benötigtKredite.Der Kaiser erlässt 1960<br />
das Oktoberdiplom, ein paar Monate später<br />
folgt das Februarpatent. Nun erhält ÖsterreichRegeln<br />
für ein Parlament, das auch tatsächlich<br />
tagen wird. Es darf selbst Beschlüsse<br />
fällen, wenngleich sich der Kaiser ein Vetorecht<br />
vorbehält. Neben dem Herrenhaus<br />
gibt es ein Abgeordnetenhaus, das nach<br />
Wir gratulieren<br />
zumJubiläum.<br />
DieWeltverändert sichschnell. Umso bedeutender<br />
istjener Erfolg, derselbstinbewegtenZeiten<br />
Bestandhat.Die Oberbank gratuliert zu <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
„Die Presse“und wünschtdas Bestefür eine<br />
erfolgreiche Zukunft.<br />
DR. FRANZ GASSELSBERGER, MBA<br />
Generaldirektor Oberbank AG<br />
Vom„Börsianer“ausgezeichnet:<br />
„Beste Bank in Österreich2017“<br />
www.oberbank.at/auszeichnungen<br />
dem Kurienwahlrecht gewählt wird. DasGewicht<br />
der Stimmen ist also je nach Herkunft<br />
und Steuerleistung des jeweiligen Bürgers<br />
unterschiedlich. Wer zu wenig an den Fiskus<br />
zahlt,darfgar nicht wählen.<br />
Kriegverloren, Rechte gewonnen<br />
Nach einer weiteren Kriegsniederlage (gegen<br />
Preußen) muss der Kaiser Anfang 1867<br />
Ungarn Zugeständnisse machen, es kommt<br />
zum Ausgleich,die Doppelmonarchie istgeboren.<br />
Im Dezember werden im Reichsrat<br />
eine neue Verfassung und damit die Staatsgrundgesetze<br />
beschlossen, deren Grundrechte<br />
bis heute in Kraft sind.<br />
Im Wahlrecht freilichdauertesnoch, bis<br />
Gleichheit herrscht. Ab 1896 dürfen auch<br />
Bürger ohne Steuerleistung wählen, ab 1907<br />
zählt jede Stimme gleich viel. Von Männern<br />
wohlgemerkt, denn Frauen dürfen erst im<br />
Jahr 1919 erstmals ihr Stimmrecht ausüben.<br />
Da istdie Monarchie schon Geschichte.<br />
Zum Jubiläum<br />
„Ichschätze ,Die Presse‘seit<br />
vielen <strong>Jahre</strong>n als<br />
bereichernden Teil meiner<br />
Morgenlektüre.“<br />
Alexander Vander Bellen,<br />
Bundespräsident<br />
„,Die Presse‘ist fürmich ein<br />
österreichisches Qualitätsmedium,<br />
das klassische<br />
Zeitungstradition perfekt mit<br />
digitaler Zukunft verknüpft.“<br />
Sebastian Kurz,<br />
Bundeskanzler und ÖVP-Obmann<br />
„,Die Presse‘ist fürmich die<br />
1848er-Zeitung,die in der<br />
Tradition der bürgerlichen<br />
Revolution fürMeinungs-,<br />
Pressefreiheit und für<br />
Bürgerrechte steht.“<br />
Heinz-Christian Strache,<br />
Vizekanzler und FPÖ-Obmann<br />
Oberbank.Nicht wiejedeBank.
Grenzenlos<br />
Ist die Grenze nur noch ein Relikt der Kriege, über<br />
deren Überwindung wir uns freuen sollten, so wie<br />
die EU und der Schengenvertrag es vorgeben? Ist<br />
ihre Auflösung eine Sehnsucht, die unmittelbar<br />
nach dem Zerfall des Habsburgerreichs von Neuem<br />
entstand?Oder aber istihr Abbruch „Effekteiner Krise der Politik“, wieKonrad Paul Liessmann2004<br />
attestierte? Die Grenze wurde überwunden, aber sie ist da. Die Tage des Mauerfalls im November<br />
1989 haben Europa bewegt, esvon Neuem verbunden. Aber war der Kontinent mit all den unterschiedlichen<br />
Ethnien und Sprachen vorbereitet? „Die Presse“ hat diesen Prozess über <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> begleitet,hat<br />
sich mit über die Öffnung von Grenzen gefreut,die Probleme aufgezeigt und das gemeinsame<br />
Europa trotz all seiner Verwerfungen als Friedens-und Wirtschaftsprojektpositiv begleitet.<br />
RÜCKBLICK<br />
Flüchtig,<br />
unumstößlich<br />
DerWert der Grenzeist<br />
stetsvom Vertrauen<br />
abhängig gewesen, das<br />
man in ihreEinhaltung<br />
durch die Nachbarn,<br />
durch Fremde erwarten<br />
darf. S. 34<br />
ORIGINALTEXT<br />
Lob der<br />
Grenze<br />
Konrad Paul Liessmann<br />
veröffentlichteam<br />
21. August2004 im<br />
„Spectrum“ der<br />
„Presse“ seinen Essay<br />
zur Bedeutungvon<br />
Grenzen. S. 38,39<br />
INTERVIEW<br />
Kopftuch –<br />
ein Fetisch<br />
Die Autorin Barbara<br />
Coudenhove-Kalergi<br />
erzählt über die einstigeVertreibungihrer<br />
Familie und ihre<br />
heutigeArbeit mit<br />
Asylwerbern. S. 40<br />
DU HAST ES IN DERHAND.<br />
MASSIVE!<br />
QUALITÄT LIEGT<br />
AUF DERHAND<br />
<strong>170</strong> JAHRE<br />
DIE PRESSE.<br />
WIR GRATULIEREN<br />
BAU!MASSIV! Die Informationsplattform des Fachverbandes der Stein- und keramischen Industrie<br />
BAU! KLIMASCHONEND. ENERGIE-<br />
EFFIZIENT. NACHHALTIG. INNOVATIV.<br />
SICHER UND STABIL. MIT GESUNDER<br />
RAUMLUFT. INDIVIDUELL. REGIONAL<br />
WERTSCHÖPFEND. NATÜRLICH<br />
KLIMATISIEREND. WERTBESTÄNIG.<br />
BAU!MASSIV!<br />
www.baumassiv.at<br />
©designbar |Foto: ©Lukas Lorenz
34 GRENZENLOS SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
Eine flüchtige Unumstößlichkeit<br />
Essay. In der offenen, republikanisch verfassten Gesellschaft ist der Werteiner Grenze davon abhängig,obman aufihre<br />
Einhaltung durch Nachbarn und Fremde vertrauen darf. Zum politischen Kampfbegriff wurde sie erst im 20.Jahrhundert.<br />
VON OLIVER GRIMM<br />
Ein falscher Schritt, schon drohtdas Todesurteil.<br />
Penka, eine bulgarische Kuh,<br />
unternahm Mitte Mai einenmöglicherweise<br />
fatalen Ausflug auf die andere<br />
Seite der bulgarisch-serbischen Grenze.<br />
Kurz nur hatte sie sich von ihrer Herde entfernt,<br />
angelockt vielleicht vom serbischen<br />
Gras, das grüner sein mochte als jenes auf<br />
ihrer Weide inBulgarien, schon war sie zu<br />
einemFall für dieeuropäischen Vorschriften<br />
über dieEinfuhr von Rinderngeworden. Die<br />
sind drakonisch: Kann ihr Besitzerkeinevon<br />
einem beglaubigten Tierarzt ausgefertigten<br />
Papiere vorlegen, die nachweisen, dass Penka<br />
nicht am Rinderwahn oder anderen Seuchen<br />
leidet,soist sie notzuschlachten.<br />
„Wir haben hier nichts zu entscheiden.<br />
Wir setzen nur Vorschriften um, die aus<br />
Brüssel kommen“, verteidigte sich der zuständige<br />
bulgarische Behördenvertreter.<br />
© shutterstock.com: Tetiana Chernykova |pikcha<br />
Grenzenlos<br />
„Wie istesmöglich, dasssie niemand aufgehalten<br />
hat?“, zürntPenkas Besitzer.<br />
Eine Frage, die sich –wenn auch in gänzlich<br />
anderem Kontext –seit dem Sommer<br />
2015 viele Europäer stellen. Der enorme Andrang<br />
anFlüchtlingen und Migranten, die<br />
damalsindie Unionströmten,hat einCredo<br />
der europäischen Einigung beschädigt. „Die<br />
Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern<br />
einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und<br />
Washaben Die Presse unddie<br />
Wirtschaftskammer Wien<br />
gemeinsam?<br />
Seit <strong>170</strong><strong>Jahre</strong>n<br />
die Wirtschaft im Fokus.<br />
Die Wiener Wirtschaft<br />
wünscht Alles Gute!<br />
des Rechts ohne Binnengrenzen“, verspricht<br />
Artikel 3des EU-Vertrages. Tutsie das noch?<br />
Wer von Ungarn nach Österreich einreist,<br />
fühlt sich ebenso andie Zeit vor Schengen<br />
erinnert wiebei der WeiterfahrtnachBayern.<br />
„Grenze“ und „Grenzschutz“ sind die<br />
Leitbegriffe des gegenwärtigen politischen<br />
Diskurses in Europa. Ihre Allgegenwart ist<br />
jedoch ein Phänomen des 20. Jahrhunderts.<br />
Sucht man im Ngram Viewer von Google<br />
http://news.wko.at/wien<br />
Books nach der Häufigkeit dieser Begriffe in<br />
der deutschsprachigen Literatur ab dem Jahr<br />
1800, so kommt der „Grenzschutz“ bis zum<br />
Jahr 1900 kaum vor. Die „Grenze“ erlebte<br />
einen kleinen Höhepunkt während der Napoleonischen<br />
Kriege,bis ungefähr 1890 stieg<br />
ihre Verwendung an, ehe sie bis zum Ausbruch<br />
des Zweiten Weltkrieges stabil blieb.<br />
Höhepunkt für beide Begriffe war das Jahr<br />
1940, als die Deutschen, von Hitlers Blitzkriegerfolgen<br />
berauscht, offensichtlich besonders<br />
gern von den Grenzen ihres „Lebensraumes“schrieben.<br />
Eine polnische Zugereiste<br />
Dabei istdie Grenze,sprachgeschichtlich gesehen,<br />
selbsteingewandert. Vom polnischen<br />
granica abgeleitet, wird dieses Wort abdem<br />
13. Jahrhundertverwendet, um das Ende des<br />
einen Herrschaftsbereichs und den Beginn<br />
des anderen zu bezeichnen,ist dem „Etymologischen<br />
Wörterbuch der deutschen Sprache“von<br />
Kluge zu entnehmen.<br />
Granica bedeutet im engsten Wortsinn<br />
Grenzstein. In Stein gemeißelt, unabänderlich,ewig,<br />
erscheintvielen Zeitgenossen das<br />
Linienwerk der Grenzen auf der Landkarte.<br />
Doch ein Handstreich der Mächtigen, eine<br />
Wendung der Geschichte genügt,umunumstößliche<br />
Grenzen zu verschieben – oder<br />
neue zu schaffen. „Man braucht jetzt ein Visum<br />
für jedes Land extra!“, echauffiert sich<br />
der Maronibrater Joseph Branco, der slowenische<br />
Vetter des Erzählers Trotta in Joseph<br />
Roths „Kapuzinergruft“. „Zeit meines Lebens<br />
habich so wasnicht gesehn. Jedes Jahr<br />
hab ich überall verkaufen können: in Böhmen,<br />
Mähren, Schlesien, Galizien. Und jetzt<br />
istalles verboten.“<br />
In seiner 2016 erschienenen historischen<br />
Miniatur „Zink“ beschreibt der belgische<br />
Autor David VanReybrouckdas Schicksal<br />
des 1903 im damaligen Kleinstaat Neutral-Moresnet<br />
(heute in Belgien liegend) geborenen<br />
Emil Rixen zu Ende des Zweiten<br />
Weltkrieges: „Ohne jemals umgezogen zu<br />
sein, warerEinwohner eines neutralen Mikrolandes,<br />
Untertan des deutschen Kaiserreichs,<br />
Bürger des Königreichs Belgien und<br />
Staatsangehöriger im Dritten Reich. Bevor er<br />
wiederum Belgier werden wird, sein fünfter<br />
Wechsel der Staatsangehörigkeit, wird er als<br />
deutscher Kriegsgefangener abgeführt. Er<br />
hat keine Grenzen überschritten, die Grenzen<br />
sind über ihn hinweggegangen.“<br />
Ansprüche und Begehrlichkeiten<br />
Was bedeutet Grenze in der postmodernen,<br />
offenen, republikanisch verfassten Gesellschaft?<br />
Ihr Wert ist stets vom Vertrauen abhängig,<br />
das maninihre Einhaltung durch die<br />
Nachbarn,durch Fremde erwarten darf.Und<br />
insofern dieseGesellschaft im harten Ringen<br />
mit sich selbstein Wohlfahrtssystem, Rechtsansprüche,<br />
ein Sozialwesen geschaffen hat,<br />
markiertdie Grenzeeine in die Luft geschriebene<br />
Ausschließlichkeit: Diese und jene Zuwendung<br />
bekommt nur, wem wir es erlauben,<br />
sich hier niederzulassen. Hier gilt das<br />
Recht, ermächtigt esjene, die sich auf dieser<br />
Seite der Grenzlinie befinden. Wer drüben<br />
ist, hat Pech. Wen wundert es, dass indem<br />
Ausmaß, wie über die Kürzung dieser Begünstigungen<br />
diskutiert wird, die Abgrenzunggegenüber<br />
all jenen,die siegern hätten,<br />
vehementer verfochten wird? Die Grenzenlosigkeit<br />
wird insofern für viele zur Dystopie,<br />
weil ihnen die Felle davonzuschwimmen<br />
drohen. Kulanz ist dabei ausgeschlossen –<br />
gleich, ob es sich um eine entlaufene Kuh<br />
oderden Zuzug Fremder handelt.<br />
Herkunft. Granica,<br />
hranice: Die Herkunft des<br />
deutschen Lehnwortes<br />
Grenzeist slawisch. In die<br />
Hochsprache gelangte es<br />
durch Martin Luthers<br />
Bibelübersetzung. Im<br />
„Deutschen Wörterbuch“<br />
der Brüder Grimm heißt<br />
es, Luther habe „geradezu<br />
eine Vorliebe für das Wort<br />
gehabt“.
DANKESCHÖN FÜR<strong>170</strong> JAHRE<br />
QUALITÄTSJOURNALISMUS.<br />
Die BAWAG P.S.K. gratuliert zum Jubiläum<br />
und sagt DANKESCHÖN für stets unabhängige und<br />
anspruchsvolle Berichterstattung. Auch unsere Konto-<br />
Boxen sagen DANKESCHÖN, mit einem qualitätsvollen<br />
Treueprogramm, das sich sehen lassen kann.<br />
Mitten im Leben.<br />
www.bawagpsk.com
36 GRENZENLOS SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
Zum Jubiläum<br />
„,Die Presse‘ist fürmich die<br />
erste österreichische<br />
Zeitung,die ich inhaltlich<br />
zur Kenntnis genommen<br />
habe. Ich lese sie regelmäßig,<br />
weil ich sie füreine<br />
führende deutschsprachige<br />
Zeitung halte.“<br />
Jean-Claude Juncker,<br />
EU-Kommissionspräsident<br />
„,DiePresse‘ist Bestandteil<br />
meines Morgenrituals. Nach<br />
dem Aufwachen lese ich jene<br />
Kommentare, von denenich<br />
schonvorab weiß, dass ich<br />
mich darüber ärgern werde<br />
–das macht munter und<br />
erlaubt einen guten Startin<br />
den neuenTag.“<br />
Konrad Paul Liessmann,<br />
Philosoph<br />
Der unsichtbare Grenzbalken<br />
Völkerverständigung. Wer verstehen will, wie ein Land und seine Einwohner wirklich<br />
ticken, der muss die örtliche Sprache sprechen.<br />
VON MICHAEL LACZYNSKI<br />
Europa endlos“ –sobetitelte die deutsche<br />
Band Kraftwerkihre 1977 erschienene<br />
Ode an den alten Kontinent. Die<br />
Düsseldorfer Pioniere der elektronischen<br />
Musik rund um Florian Schneider<br />
und Ralf Hütter besangen darin den europäischen<br />
Lebensstil. Undsie taten dies zweisprachig<br />
–denn die Langspielplatte, auf der<br />
„Europa endlos“ zu finden war, wurde sowohl<br />
in einer deutschen als auch in einer<br />
englischen Fassung gepresst. Übersetzt lautete<br />
der Titel übrigens „Europeendless“.<br />
Mit der Entscheidung zugunsten einer<br />
Zweitsprache wollte die Band zusätzlich zur<br />
westdeutschen Homebasedie weit größeren<br />
und lukrativeren Märkte inGroßbritannien<br />
und den USA erschließen. Nur an Französisch,<br />
die Amtssprache der Europäischen<br />
Wirtschaftsgemeinschaft, verschwendete<br />
man in Düsseldorf offenbar keine Gedanken.<br />
Und ehrlicherweise muss man an dieser<br />
Stelle zugeben, dass „L’Europe infinie“<br />
nicht so gutzum kraftwerk’schen Klangpassen<br />
würde.<br />
Zu der Zeit,als Schneider und Hütter ihren<br />
Synthesizern überirdische Melodien<br />
entlockten, wuchs ich hinter dem Eisernen<br />
Vorhang inder Volksrepublik Polen auf. Auf<br />
Kraftwerk stieß ich zufällig –ein Freund im<br />
Kinderchor, indem ich sang, lieh mir eine<br />
Kassette, die ihm seine in der BRD lebende<br />
Tantegeschickt hatte. Dieser mir unbekanntenTante,die<br />
eine ziemlich coole Person gewesen<br />
sein muss, verdanke ich meine erste<br />
musikalische Offenbarung. Als meine Familie<br />
einige <strong>Jahre</strong> später nach Wien übersiedelte,<br />
musste ich alle Platten von Kraftwerk besitzen<br />
–idealerweise in beiden Sprachversionen.<br />
Während die englischen Fassungen<br />
weltläufiger daherkamen, wirkten die muttersprachlichen<br />
Varianten wie Meisterwerke<br />
deutscher Ingenieurskunst.<br />
Die Frage nach der emotionalen Wirkkraft<br />
eines Liedtexts in unterschiedlichen<br />
Ausführungen und dem bewusstseinsbildenden<br />
Effekt von Sprachen mag auf den<br />
ersten Blick wie ein Paradebeispiel des von<br />
Sigmund Freud beschriebenen Narzissmus<br />
der kleinenDifferenzen wirken, dochsie hat<br />
erstaunlich weitreichende Implikationen,<br />
wie ich selbst viele <strong>Jahre</strong> später als (mäßig<br />
erfolgreicher) Student der Japanologie erfahren<br />
sollte. Zunächst war auch ich, wie<br />
viele Anfänger vor mir, über die Vielzahl der<br />
Verbeugungen verwundert, mit denen Japaner<br />
ihre Ausführungen garnieren. Doch als<br />
ich die Grundsätze der Grammatik beherrschte,fiel<br />
es mir schlagartig auf: Die Kadenz<br />
und die Melodie der Sprache machen<br />
aus der Verbeugung einen zusätzlichen visuellen<br />
Akzent, der ganz einfach zum Gespräch<br />
dazugehört –wie das „ned woa?“ im<br />
Wienerischen. Um Stephan Remmler, einen<br />
weiteren Ahnvater und Helden des deutschen<br />
Elektropop, zu paraphrasieren: Die<br />
Sprache ist ein Rhythmus, bei dem man immer<br />
mitmuss.<br />
Unter der Oberfläche<br />
Doch was haben Usancen der japanischen<br />
Konversation mit dem Thema Grenzenlosigkeit<br />
zu tun? Ganz einfach:Umein Verständnis<br />
über örtliche Gegebenheiten zu entwickeln,<br />
das nicht an der Oberfläche hängen<br />
bleibt, muss man die örtliche Sprache beherrschen.<br />
Denn auch dort, wo es keine<br />
sichtbaren räumlichen Trennlinien mehr<br />
gibt, funktioniert die Sprache wie ein unsichtbarer<br />
Grenzbalken. Aufgrund meiner<br />
persönlichen Erfahrung werde ich immer<br />
skeptisch, wenn davon die Rede ist, in Europa<br />
wachse zusammen, was zusammengehöre.<br />
Um keine Missverständnisse aufkommen<br />
zu lassen: Ich bin ein überzeugter Befürworter<br />
des europäischen Integrationsprozesses<br />
im Allgemeinen und der EU im Speziellen.<br />
Die Union ist das größte und erfolgreichste<br />
Friedensprojekt und ihr Binnenmarkt<br />
ein einmaliger Wohlstandsgenerator.<br />
Ich habe allerdings meine Zweifel daran,<br />
dass die Union jene Bande, die durch eine<br />
gemeinsame Sprache geknüpft werden, ersetzen<br />
kann. Der europäische Binnenmarkt<br />
kann daran wenig ändern –anders als die<br />
Freizügigkeit, die ihren Nutznießern immerhin<br />
die Möglichkeit eröffnet, vor Ort anden<br />
Sprachkenntnissen zu feilen.<br />
Sprachlos in Petrž alka<br />
Das Potenzial der Europäischen Union, die<br />
linguistische Völkerverständigung zu fördern<br />
und sprachliche Barrieren abzutragen,<br />
ist leider Gottes beschränkt. Ein konkretes<br />
Beispiel gefällig? Von Wien aus betrachtet<br />
liegt Bratislava ähnlich weit entfernt wie<br />
St.Pölten. Der Anteil der Wiener, die sich in<br />
einem Beisl in der Plattenbausiedlung Petrž<br />
alkazwanglos über die ChampionsLeague,<br />
das Wetter oder den Eurovision Song Contest<br />
unterhalten können, tendiert trotz<br />
räumlicher Nähe und offener Grenzen gegen<br />
null.<br />
So lange es keinen Politiker gibt, der auf<br />
einer Bühne inPetrž alka genauso fließend<br />
sprechen kann wie an einem Stammtisch in<br />
Wulkaprodersdorf, in einer finnischen Sauna<br />
oder einer andalusischen Tapasbar, so<br />
lange wird der Traum von den Vereinigten<br />
Staaten von Europa unerfüllt bleiben. Denn<br />
der Demos braucht eine gemeinsame Sprache,<br />
die eine Lingua franca wie Englisch<br />
nicht ersetzen kann.<br />
Dieses Problem ließe sich theoretisch<br />
(und möglicherweise bald praktisch) umgehen<br />
–und zwar mittels automatisierter, auf<br />
Algorithmen basierender Simultanübersetzung,<br />
ander Unternehmen wie Google seit<br />
geraumer Zeit arbeiten. Ein fiktives Vorbild<br />
gibt es bereits: Indem Science-Fiction-Roman<br />
„Per Anhalter durch die Galaxis“ erfand<br />
der Autor Douglas Adams den Babelfisch –<br />
ein Lebewesen, das im Ohr seines Wirtslebt<br />
und ihm im Gegenzug das Verständnis aller<br />
galaktischen Dialekte ermöglicht.<br />
Doch bis jeder von uns einen Knopf aus<br />
Stahl und Silikon im Ohr hat, wird noch Zeit<br />
vergehen. Europa als Ganzes würde dadurch<br />
viel gewinnen. Was allerdings verloren gehen<br />
würde, wäre der kleine, feine Unterschied<br />
zwischen „Europa endlos“ und „Europe<br />
endless“. Obder Gewinn den Verlust<br />
aufwiegt? Idon’t know.
WIR SCHENKEN IHNEN<br />
GANZ ÖSTERREICH<br />
ZUM GEBURTSTAG!<br />
An Ihrem Geburtstag wird Ihre<br />
VORTEILSCARD zur ÖSTERREICHCARD<br />
und Sie reisen österreichweit gratis! *<br />
Alle Infos auf oebb.at/vorteilscard<br />
*VORTEILSCARD giltinKombination miteinem Lichtbildausweis mitAltersnachweis am Geburtstagdes Inhabers alsÖSTERREICHCARDfür Fahrteninder<br />
2. Klasse in Zügender ÖBBsowie in ausgewähltenPrivatbahnen in Österreich.Von derAktionausgenommen:gratisSitzplatzreservierung, Ermäßigungen<br />
beiPartnerfirmen(z.B. ÖBB Rail&Drive).Angebotgültigvon 1.5.2018 bis30.4.2019.
SAMSTAG, 9. JUNI 2018 GRENZENLOS 39<br />
dabei deutlich. Wer immer eine Antwort auf<br />
die Frage nach der Identität Europas geben<br />
will, kommt nicht umhin anzugeben, was<br />
Europa nicht ist. Auch wenn es um die<br />
Grenzen eines Selbstverständnisses geht,<br />
wird von einer europäischen Identität nicht<br />
gesprochen werden können, solange nicht<br />
klar ist, warum und in welcher Weise das<br />
Europäische im Osten des Kontinents, im<br />
Vorderen Orient, im Mittelmeer und am Atlantik<br />
seine Grenze findet.<br />
Da es keine geografischen, kulturellen<br />
oder ethnischen Grenzen Europas gibt, die<br />
von vornherein feststehen, und da das, was<br />
gerne als Wurzel und Ausdruck der Eigenart<br />
Europas gesehen wird –die griechisch-römische<br />
Antike,das Christentumund die Aufklärung<br />
und ihr Insistieren auf Freiheit, Menschenwürde<br />
und Menschenrechte –, entweder<br />
obsolet erscheint oder selbst universalisiertworden<br />
ist, istdie Fragenachder Identität<br />
Europas nur über eine politische Willensbildung<br />
zuerreichen. Weil Grenzüberschreitungen<br />
und Universalisierungsprojekte das<br />
moderne Europa im positiven und im negativen<br />
Sinn auszeichneten, ist die Frage nach<br />
den Grenzen Europas immer schon verbunden<br />
mit den Perspektiven, diese Grenzen<br />
auszuweiten oder hinter sich zu lassen. Europa<br />
lässt sich deshalb nur voluntaristisch<br />
bestimmen. Europa wird das sein, wasesunter<br />
gegebenen Umständen sein will.<br />
Ob und mit welcher Insistenz sich Europa<br />
über seine Grenze definieren wird –<br />
dieser Willensakt wird einerseits über Europa<br />
als politischesSubjektauf derWeltbühne<br />
entscheiden, und er wird andererseits<br />
immer von einer doppelten Ambivalenz gekennzeichnet<br />
bleiben: Einmal wird jede<br />
Grenze eine vorläufige sein, jede europäische<br />
Außengrenze wird stets infrage gestellt<br />
werden können.Und zum anderen wird das<br />
Projekt der europäischen Einigung immer<br />
ein Fortschrittsprojekt sein und als Einlösung<br />
eines europäischen Versprechens gelten,<br />
zugleich aber wird dieseEinigungangesichts<br />
der oben angesprochenen prinzipiellen<br />
Erosion politischerGrenzen zunehmend<br />
mit dem Makel eines antiquierten Politikverständnisses<br />
behaftet sein.<br />
Staatliche Entgrenzung im Weltmaßstab<br />
Ein entfesselter Weltmarkt, auf dem global<br />
agierende Konzerne eine Epoche der Refeudalisierung,<br />
also der staatlichen Entgrenzung<br />
im Weltmaßstab einleiten, könnte im<br />
Grunde aufdas europäische Projektverzichten.<br />
Gerade angesichts der viel beschworenen<br />
Globalisierung ist das Konzept eines<br />
Binnenmarktes inadäquat. Realistisch muss<br />
man aber davon ausgehen, dass auch der<br />
weltweite Kapitalismus –nicht zuletzt, weil<br />
die Unternehmen als die neuen Herren<br />
noch nicht begriffen haben, welche Sicherheits-<br />
und Ordnungsfunktionen ihnen aus<br />
der übergroßen ökonomischen Macht erwachsen<br />
–mit konventionellen Territorialstaaten<br />
kooperierenwird, vor allem dort, wo<br />
Unternehmensinteressen und nationale Interessen<br />
sich zumindest fallweise berühren.<br />
Wie der Stand der Dinge ist, werden nur<br />
selbstbewusste Staaten oder Staatenverbände<br />
diese Kooperationen eingehen und als<br />
politische Räume überleben können: die<br />
USA, Russland, China, Indien, vielleicht Japan<br />
und, wennesdenn gewollt wird, die EU.<br />
Der arabisch-islamische Raum stehtdemgegenüberineiner<br />
Wartehaltung. Alle anderen<br />
Regionen dieser Erde werden letztlich entstaatlicht<br />
und damit in einer Weise grenzenlos<br />
werden, die vor allem den Armen und<br />
Ärmsten demonstrieren wird, dass Grenzen<br />
nicht nur die Funktion der Abschottung,<br />
sondern immer auch die des Schutzes gehabt<br />
haben. Ob sich die drei oder vier Milliarden<br />
Menschen, die eher zu den Opfern<br />
dieser Entgrenzung gehören werden, damit<br />
auch demütig abfinden werden, ist eine andere<br />
Frage, aufdie sich eine wirklichglobale<br />
Politikbeizeiten einstellen sollte.<br />
Damit sind wir bei einem zweiten großen<br />
Bereich, in dem gerne ein Lob der Grenze<br />
gesungen und weniger die Ekstase der<br />
Entgrenzung proklamiert wird: im Bereich<br />
von Moral und Ethik. Hegel hatschon angemerkt,<br />
dass die Setzung von Schranken und<br />
Konrad Paul<br />
Liessmann<br />
Grenzen immer ein „Sollen“ enthält, eine<br />
implizite Aufforderung, etwaszutun oder zu<br />
unterlassen. Man kann nun jede moralische<br />
Norm als solch eine Schranke definieren, die<br />
das Handeln begrenzt und damit auch darüber<br />
befindet, ob dieses Handeln moralisch,<br />
wünschenswert, letztlich gut oder inakzeptabel,<br />
letztlich böse genannt werden<br />
kann. Niemand wird bezweifeln, dass die<br />
Etablierung moralischer Grenzen nicht nur<br />
für jede Gemeinschaft überlebensnotwendig<br />
ist, sondern dass gerade eine moderne Gesellschaft,inder<br />
alles im Flussscheint, ohne<br />
solche Grenzen nicht auskommt, sich geradezu<br />
über solche moralischen Grenzen definiert.<br />
Die Herausbildung der Menschenrechte<br />
im Laufe der europäischen Geschichte<br />
kann, ja muss begriffen werden als die<br />
Herausbildung von Grenzen, die klar definierten,<br />
an welchen Punkten das Zugriffsrecht<br />
des Staates,der Herrschaft,der Polizei,<br />
aber auch von Privatpersonenaneine Grenze<br />
stößt. Siehtman als eine der Wurzeln dieser<br />
Menschen- und Bürgerrechte die Habeas-Corpus-Aktevon<br />
1679 an, so wird auch<br />
eine geradezu topografische Grenze der politischen<br />
Moral und des Rechts deutlich:der<br />
Körper,die Oberfläche,die Physisdes Anderen.<br />
Dass niemand das Recht hat, außer in<br />
Notwehrsituationen, die Integrität des Körpers<br />
eines Anderen zu verletzen, markiert<br />
eine Grenze, deren Vervielfältigung und<br />
Ausweitung, nicht Überschreitung zur Deklaration<br />
der Menschen- und Bürgerrechte<br />
im späten 18. Jahrhundert geführt hat. Nirgendwo<br />
offenbart sich der „Nutzen von<br />
Grenzen“, wie dies Ernst Ulrich von Weizsäcker<br />
genannt hat, so sehr wie indiesem<br />
Bereich, in dem wir wie selbstverständlich<br />
davon ausgehen, dassunsere Mitbürger,unsere<br />
Vorgesetzten und die staatlichen und<br />
privaten Sicherheitskräftediese Grenze auch<br />
respektieren und uns nicht bei jeder Gelegenheittätlichund<br />
verletzend „angreifen“.<br />
In solch einer Begrenzung herrschaftlicher<br />
Willkür wurzelt der moderne, europäische<br />
Rechtsstaat, auf den auch kein Apologet<br />
politischer Entgrenzung bisher verzichten<br />
will. Was aber bedeutet dieser Zusammenhang<br />
von Recht, Moral und Grenze? Etwasverallgemeinernd<br />
lässt sich dies mit den<br />
Worten Ernst Ulrich von Weizsäckers pointiert<br />
formulieren: „Der Rechtsstaat ist eine<br />
der wichtigsten und reifsten Errungenschaften<br />
der politischen Zivilisation. Und was ist<br />
es,was wirdaran so schätzen? Ganz einfach:<br />
Recht setzt Grenzen. Jedes Recht begrenzt<br />
die Handlungsfähigkeit eines oder mehrerer<br />
Akteure. Jedes Recht ist insofern auch eine<br />
ArtHandelshemmnis.“<br />
Vom Schutz vor Übergriffen<br />
Man mussvon Weizsäckers leicht polemische<br />
Synchronisierung von Handeln und Handel<br />
nicht unbedingt mitmachen, um zu erkennen,<br />
dass der Zusammenhang von Rechtsordnungen<br />
und Grenzen in der Tatdarin besteht,<br />
dass die Handlungsoptionen der einen<br />
eingeschränkt werden müssen, um die Lebensmöglichkeiten<br />
deranderen zu schützen.<br />
Dass politische und moralische Grenzen<br />
immer auch Schutzfunktionen hatten, dass<br />
Grenzen nicht nur gezogen, sondern mitunter<br />
auch erkämpft werden mussten, dass es<br />
stets darauf ankommt, auf welcher Seite<br />
einer Grenze man sich befindet,vergisst man<br />
leicht in einer Zeit, die Grenzüberschreitung<br />
zu einem positiven Akt ansich erhoben hat.<br />
Ist allerdings angesichts rassistischer oder<br />
antisemitischer Ausschreitungen davon die<br />
Rede, dass damit innicht mehr tolerabler<br />
Weise eine Grenze überschritten worden sei,<br />
so müsste einem die schützende Funktion<br />
von Grenzen schlagartig wieder bewusst<br />
werden. Man könnteesauchsoformulieren:<br />
Es sind die Schwachen, die Minderheiten,<br />
die Mindermächtigen, die Grenzen brauchen;<br />
nicht die Starken. Nietzsches Enthusiasmus<br />
für die Starken feierte nicht nur deren<br />
Kraft der Grenzüberschreitung, sondern<br />
korrespondierte mit einer Verachtung der<br />
Schwachen, die Grenzen nötig haben. Das<br />
war zumindest ehrlich, und esfragt sich, ob<br />
in mancher heutigen Apologie der Grenzüberschreitung<br />
nicht solch eine Verachtung<br />
mitschwingt –ohne dass man den Mut hätte,<br />
dies auch zuzugeben. Am schönsten allerdings,<br />
und damit komme ich zum heiteren<br />
Abschluss, funktioniert das Spiel von<br />
Grenzziehung und Grenzüberschreitung in<br />
der Kunst. In keinem gesellschaftlichen Segment<br />
wurden imletzten Jahrhundert derart<br />
viele Grenzen überschritten undeingerissen.<br />
Es wurde die Freiheit der Kunstgefordert<br />
und mittlerweile in der Verfassung verankert.<br />
Das bringt uns jedoch immer wieder in die<br />
Verlegenheit, definieren zu müssen, was<br />
Kunst ist, also eine Grenze der Kunst ziehen<br />
Aktuelle Nachrichten. Medienbeobachtung. Bilddatenbanken. Innovationshub.<br />
[Quelle: APA]<br />
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong><br />
„Die Presse“–<br />
die APAgratuliert<br />
herzlich!<br />
Videomanagement. Auftragsservices in Text, Bild, Grafik und Video. IT-Dienstleistungen.<br />
Medienresonanzanalysen. Trend-Research. News-Tech. IT-Outsourcing.<br />
Rechercheplattformen. Content für Print, Web und Mobiles. Rapid Prototyping.<br />
Newsgrafiken. Pressespiegel. Livevideo. Content-Management-Systeme. Videoplattform.<br />
Social-Media-Monitoring. Liveblogs. Digitaler Zeitungskiosk. Redaktionelle Newsfeeds.<br />
Workshops und Lehrgänge. Pressezentrum. Themenportale. Termindatenbanken. Zeitungsapps.<br />
Design Sprints. Weltweite Verbreitungsservices für Presseinformationen.<br />
zu müssen, denn die Verfassung kann nicht<br />
etwasgarantieren, wasnicht definiertwerden<br />
kann; umgekehrt besteht aber der Anspruch<br />
der avantgardistischen Kunst gerade darin,<br />
den Kunstbegriff zuverändern, zu unterlaufen,<br />
ohne dass man allerdings aufhören<br />
möchte, Kunst zumachen. Der Zusammenhang<br />
zwischen begrifflicher Bestimmtheit,<br />
Grenzziehungund Grenzüberschreitunglässt<br />
sich auf dem Felde des Ästhetischen so noch<br />
einmal spielerisch und summarisch beobachten.<br />
Der Avantgardist, der den Anspruch<br />
hat, die Grenzen der Kunst zuüberschreiten,<br />
überschreitet sie im Namen der Kunst. Er<br />
überschreitet sie also nicht wirklich, sondern<br />
dehnt die Grenze der Kunst aus: auf Design,<br />
auf soziale Praktiken, auf Aktionen. Er will<br />
nicht, dass aus Kunst Nichtkunst, sondern<br />
dassaus NichtkunstKunstwird.<br />
Die seit der Romantik propagierte Willkür<br />
des Künstlers, dass erallein es ist, der<br />
bestimmt, was als Kunst zugelten hat, zeigt<br />
deutlich, dass jede Grenzüberschreitung,<br />
will sie gelingen, eine neue Grenzziehung<br />
ist. Niemand wäre wirklich glücklich, wenn<br />
wir uns darauf einigten, dass, weil eine<br />
Grenzezwischen Kunstund Nichtkunst heute<br />
nicht mehr gezogen werden kann, wirauf<br />
den Begriff der Kunstüberhaupt verzichten.<br />
Man kann in wenigen Sätzen zusammenfassen:<br />
Grenzen zu überschreiten gehört<br />
zweifellos zu den Dimensionen<br />
menschlichen Daseins, die mit der Kreativität,<br />
der Neugier, dem Forschungsdrang des<br />
Menschen, aber auch mit seiner Aggressivität,<br />
seiner Gier und seiner Destruktivität zu<br />
tun haben. Man kann aber Grenzen nur<br />
überschreiten,wenn es Grenzen gibt.Weder<br />
in der Politik noch in der Moral noch in der<br />
Kunst kann es also darum gehen, Grenzen<br />
schlechthin aufzugeben. Sehr wohl aber<br />
mussesdarum gehen, sich zu überlegen, wo<br />
und wann Grenzen gezogen, wieund warum<br />
sie überschrittenwerden und, vor allem, wie<br />
mit Grenzen umzugehen sei. Wohl gab und<br />
gibt es genug inhumane Grenzen zwischen<br />
Menschen, die noch immer ihrerAufhebung<br />
harren. Aber hin und wieder kann es humaner<br />
sein, eine Grenze zu respektieren und<br />
über die Grenze hinweg dem Anderen die<br />
Hand zu reichen, als dieGrenze niederzureißen,<br />
um sichden Anderen einzuverleiben.<br />
EU-Erweiterung. Am 1. Mai 2004 fand mit dem Beitritt von<br />
Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien,<br />
Tschechien,Ungarn und Zypern die größteErweiterung in der<br />
Geschichteder Europäischen Union statt. BeimEuropäischen<br />
Forum Alpbach im darauffolgenden Sommer hielt Konrad Paul<br />
Liessmann die Eröffnungsrede,GrundlageeinesEssaysfür das<br />
„Spectrum“der „Presse“.2012legte er bei Zsolnaysein Buch „Lob<br />
der Grenze. Kritik der politischen Unterscheidungskraft“vor.<br />
www.apa.at
42 METROPOLE SAMSTAG, 9.JUNI 2018<br />
Als die Stadtzur Bühne wurde<br />
Stadtbild. Bühne, Klassenzimmer,Aufmarschgebiet,Podium und knappe Ressource:Wie der öffentliche Raum das Lebensgefühl<br />
der Stadtdefiniert. Und was Mode und Stadtplanung gemeinsam haben.<br />
VON ULRIKE WEISER<br />
UND EVA WINROITHER<br />
Was ist eine Metropole? Die<br />
Stadtforschung sagt: eine<br />
Stadt mit „Bedeutungsüberschuss“<br />
–im Verhältnis zu<br />
ihrer Größe. Festgemacht wird das<br />
an der Wirtschaftskraft, Verkehrsverbindungen<br />
oder auch Kunst<br />
und Kultur.<br />
Aber nie an dem, was der Metropole<br />
eigentlich Leben einhaucht.<br />
Dem,was zwischen all den<br />
Konzernzentralen, Sehenswürdigkeiten<br />
und Flughäfen liegt. Die<br />
Plätze, wodas Lebensgefühl nistet,<br />
das unsichtbare Raumgewebe, das<br />
die Einzelteile zur Stadt zusammenfügt,<br />
die Bühne, auf der wir<br />
alle uns bewegen. Oder nüchterner<br />
formuliert:der öffentliche Raum.<br />
In Wien kann dessen Geburt<br />
aufden 1. Mai 1865datiertwerden.<br />
Das kommt –wie auch die Industrialisierung<br />
–reichlichspät. Während<br />
in Paris, Budapest oder auch<br />
München Stadterweiterungsprojekte<br />
längst Platz für Urbanität<br />
schaffen, verschanzt sich Wien –<br />
beengt,überfüllt –lange hinter den<br />
Basteien. Erst mit der Eröffnung<br />
der Ringstraße, ander der „Presse“-Gründer<br />
und ImmobilienspekulantAugustZangübrigens<br />
publizistisch<br />
mitwirkt, bekommt das<br />
(Groß-)Bürgertum seine Bühne.<br />
Die Stadt, pardon die Metropole,<br />
legt ihr Korsett ab. Die Damen der<br />
Zeit atmen allerdings weiter flach.<br />
Die reichen Frauen, diemittags flanieren,<br />
sind die Hauptdarstellerinnen<br />
der neuen Ringstraße.<br />
Ihre Rolle ist freilich unbequem.<br />
„Sie haben die Taille oft so<br />
eng geschnürt, dass sich die Organe<br />
verschieben“, sagt Elisabeth<br />
Frottier, Leiterin der Kostüm- und<br />
Modesammlungder Universität für<br />
angewandteKunstinWien. Die bodenlangen<br />
Röcke mit Krinolinen<br />
aus Metall sind so voluminös, dass<br />
die Frauen Teepuppen ähneln,keine<br />
Rede von Bewegungsfreiheit.<br />
Die Mode, das zeigt sich hier<br />
deutlich und zieht sich wie ein roter<br />
Faden durch, entwickelt sich in<br />
enger Symbiose mit dem Stadtraum.<br />
So huldigen die Fassaden<br />
der Ringstraße und ihre Flaneure<br />
demselben Zweck: Repräsentation.<br />
Dass diese ersteWienerBühnenur<br />
für die Reichen da ist, versteht sich<br />
von selbst. Inden Vorstädten erschöpft<br />
sich die Idee vom öffentlichen<br />
Raum darin, dass Arbeiter<br />
und Warenvon AnachBkommen.<br />
Unddas bleibt auch länger so.<br />
Wiener Klassenzimmer<br />
Denn auch wenn bei Vordenkern<br />
wie Otto Wagner oder Camillo Sitte<br />
um die Jahrhundertwende die Idee<br />
sickert, dass der Städter Freiraum<br />
braucht, schafft es dieses Denken<br />
nicht aus den künstlerischen Zirkeln.<br />
Ähnlich geht es der Mode.<br />
„Das von Künstlern und Ärzten geforderte<br />
,Reformkleid‘, das von den<br />
Schultern lose herabfällt und ohne<br />
Korsett auskommt, setzt sich nicht<br />
durch“, sagt Gerda Buxbaum, ehemalige<br />
Direktorin der Modeschule<br />
Hetzendorfund Modehistorikerin.<br />
Zum Geburtstag<br />
viel Klick.<br />
Die drastischen Veränderungen<br />
kommen erst, als Wiens kurze<br />
Metropolen-Ära zu Ende ist. Nach<br />
dem Ersten Weltkrieg. Johannes<br />
Suitner, Stadtforscher im Department<br />
für Raumplanung an der TU<br />
Wien, teilt die Entwicklung des öffentlichen<br />
Raums grob in sechs<br />
Phasen ein. Nach der Ringstraße<br />
und Otto Wagners Skizzenbuch<br />
kommt die Idee der Urbanität erst<br />
in der dritten Phase,inden 1920er-<br />
<strong>Jahre</strong>n, in der Politik an. ImRoten<br />
Metropole<br />
Wien wird der öffentliche Raum<br />
zum pädagogischen Appell. Zum<br />
Klassenzimmer. Hier sollen sich im<br />
sozialistischen Sinne die Arbeiter<br />
zur Gemeinschaft formen. Auf den<br />
Grünräumen der „Volkswohnpaläste“genauso<br />
wieinden Tröpferlbädern.<br />
Dass die Gemeindebauten<br />
zwecks sozialer Durchmischung<br />
nach Masterplan über ganz Wien<br />
verteilt werden, erscheint Forschernretrospektiv<br />
aber als historische<br />
Täuschung: „Es gibt Indizien,<br />
dass die Entscheidungen eher<br />
pragmatisch getroffen wurden.<br />
Man bauteda, wo es günstig war, es<br />
Platz und wenig Widerstand gab“,<br />
sagtSuitner.<br />
Auch die Mode passt zum neuen<br />
Stil. Die Hängekleider kamen<br />
der Armut in der Zeit der Depression<br />
sehr entgegen. Die Garçonne<br />
wird das Idol der 1920er-<strong>Jahre</strong>.<br />
Hemdkleider, keine Taille, dafür<br />
ein HauchVerruchtheit,Glamour.<br />
Damals beginntaber auch,was<br />
in der Nazi-Zeit seinen grauenhaft<br />
pervertierten Höhepunkterreichen<br />
wird: Der öffentliche Raum wird<br />
politisch, ein Ortder Aushandlung,<br />
aber auch der Propaganda. Das<br />
Verhältnis der Nazis zur Stadt ist<br />
ambivalent. Einerseits nutzt man<br />
monumentale Beton-Ästhetik und<br />
wälzt Umbaupläne. Anderseits,<br />
sagt Suitner, habe Hitler die Stadt<br />
verschmäht, propagierte die Ruralisierung<br />
– Selbstversorgergärten<br />
inklusive. Der Zug zum Land<br />
macht sich auch modisch bemerkbar:Dirndl,<br />
enge Miedermit Blümchen<br />
–und kürzereRöcke.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
setzt in Wien –wiederum verspätet<br />
–ein, was inanderen großen Städten<br />
schon Schule gemacht hat. Die<br />
Idee der funktionalen, wissenschaftlich<br />
geplanten Stadt (zum<br />
Mitzählen: das wäre diefünftePhase<br />
in Wien). Die Aufgaben des<br />
Stadtraums werden säuberlich getrennt:<br />
da Arbeit, dort Wohnen,<br />
hier Freizeit. Experten berechnen<br />
statistisch, wie viel Grünraum es<br />
pro Kopf braucht, tüpfeln Beserlparks<br />
quer durch die Bezirke. Mit<br />
dem Wohlstand der 1950er- und<br />
1960er-<strong>Jahre</strong> fordert auch das Auto<br />
mehr Raum. Die Bühne wird zu<br />
einem aufgeräumten Ort. Jeder<br />
weißwieder, wo seinPlatz ist. Oder<br />
ihrer. Auch modisch. 1947 kommt<br />
Diors New Look auf, runde Schultern,<br />
Korsetts, wadenlange weite<br />
Röcke. Die Frau wird wieder ein<br />
bisschen Puppe, meist gut frisiert.<br />
Der öffentliche Raum verliert indessen<br />
fast unbemerkt eine wichtige<br />
Qualität: das Hybride, das<br />
Undefinierte, das Freie. Bereits in<br />
den 1970er-<strong>Jahre</strong>n wird man das<br />
bereuen.<br />
Denn 1973 beginntsich Unmut<br />
gegen die allzu bürokratische<br />
Stadtplanung zu regen. Die erste<br />
Volksbefragung Wiens, sagt Suitner,<br />
findet zum Sternwartepark<br />
statt. Die Bevölkerung entscheidet<br />
sich knapp gegen die Nutzung des<br />
Parks als Wohnraum. Von da an<br />
Blase. „Eine<br />
Metropole istein<br />
selbstgenügsamer<br />
Mikrokosmos, den<br />
man ein halbesJahr<br />
nicht verlassenmuss,<br />
weil allesdaist“, sagt<br />
der deutsche Autor/<br />
JournalistAlexander<br />
vonSchönburg. Wien<br />
seikeine Metropole,<br />
habe sich aber<br />
immerhin die<br />
Überheblichkeit einer<br />
Bubble bewahrt.<br />
melden sich dieWiener öfter –und<br />
auch ungefragt –zu Wort. „Bei der<br />
Arena-Besetzung ging esnicht nur<br />
um progressive Kultur, sondern<br />
auch um Schutz von undefiniertem<br />
öffentlichenRaum.“<br />
Die Bürger fordernzunehmend<br />
Mitsprache bei der Gestaltung des<br />
öffentlichen Raums –und die Politik<br />
hat ein Einsehen: Die Donauinsel<br />
wird vom rein technischen<br />
Projekt zur Freizeitoase, die frei<br />
von Verbauung bleibt. Zum ersten<br />
Mal, sagtSuitner,gibt es eine breite<br />
internationale Jury für Stadtplanungsprojekte.<br />
Auch in derMode spiegelt sich<br />
der Trend zur Mitbestimmung wider.<br />
„Der Aufstand gegen das<br />
Establishment wurde von der Straße<br />
her geführt, und das hatte eine<br />
Auswirkung auf die Mode, die von<br />
nun anvon der Straße beeinflusst<br />
wurde“, sagt Buxbaum. Erstmals<br />
wird ausgehend von England die<br />
Mode von der Jugend bestimmt.<br />
Ringen um Raum<br />
Mit den Achtzigern und Neunzigern<br />
beginnt laut Suitners Rechnung<br />
die sechste Phase, in der<br />
Wien noch immer steckt. Die unübersichtliche.<br />
Dasgiltauch für die<br />
Mode, deren vielleicht einzige Regel<br />
Individualität lautet, genauso<br />
wie für den öffentlichen Raum.<br />
Dass er eine wichtige Ressource ist,<br />
mussman heute niemandem mehr<br />
groß erklären. Das Problem ist ein<br />
anders: zu große Popularität. In<br />
einer wachsenden Stadt drängen<br />
viele nach draußen. Nicht nur Migranten<br />
mit engen Wohnungen,<br />
auch die Touristen im MQ oder<br />
Studenten mit Sharing-Konzepten.<br />
Und beim Verteilungskampf<br />
geht es nicht nur umdie Klassiker<br />
wie „Bebauen oder frei lassen?“<br />
oder Fragen der Mobilität (Straße<br />
oder Begegnungszone?), sondern<br />
um viele Nutzungskonflikte. Aktuell<br />
dominiert medial-politisch das<br />
Thema Sicherheit: Welche Gruppen<br />
(früher Prostituierte, jetzt Alkoholiker)<br />
dürfen sich wo aufhalten,<br />
wer beeinträchtigt wie die Sicherheit<br />
des anderen? Auch die oft<br />
als Belebung beklatschte Bespielung<br />
des öffentlichen Raums durch<br />
Events ist soproblemlos nicht. Öffentlicher<br />
Raum müsse nutzungsoffen<br />
bleiben, sagtSuitner.<br />
Vielleicht ist das etwas, wo<br />
Wien, das immer spät dran war –<br />
bei der Gestaltung des öffentlichen<br />
Raums genau so wie bei der Mode<br />
(„Wien war nie Mode-Metropole“,<br />
so Buxbaum) –, endlich einmal<br />
Erster seinkann.<br />
Nämlich mit einer Erkenntnis,<br />
die 1848 keine Zeitung gedruckt<br />
hätte: dass Städte auch Gstättn<br />
brauchen.<br />
Digitoll<br />
gratulieren unter:<br />
nochmehrenergie.ag<br />
gratulieren unter:<br />
nochmehrenergie.ag<br />
Als langjähriger Kunde gratulieren wir der<br />
Presse ganz herzlich zum <strong>170</strong>. Jubiläum!<br />
Uns gefällt die Leidenschaft der Redaktion,<br />
die jeden Tag Professionalität und<br />
Objektivität garantiert.<br />
Wir denken an morgen<br />
Weiter so!<br />
worldwide in cooperation with Finding Heads INTERNATIONAL
SAMSTAG, 9. JUNI 2018 METROPOLE 43<br />
Leben, heiraten,<br />
sterben: WieWien<br />
zur Metropolewurde<br />
VON TERESA WIRTH<br />
Im Gründungsjahr der „Presse“ –jagenau,<br />
1848 –war die Reichshaupt- und<br />
Residenzstadt Wien, was die räumliche<br />
Ausdehnung, aber auch, wasdie Zahl der<br />
Bewohner betrifft, vergleichsweise klein. Jedenfalls<br />
aber von den Stadtmauern sehr eng<br />
eingeschnürt.<br />
Genau 419.413 Einwohner, die Bürokratie<br />
funktionierte damals unter Kaiser Ferdinand<br />
I. bereits ziemlich gut, wurden in der<br />
Stadt gezählt (siehe unten stehende Grafik).<br />
Spulen wir vor: <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> später entspricht<br />
diese Zahl etwasmehrals den zwei bevölkerungsreichsten<br />
Bezirken Wiens, Favoriten<br />
mit seinen 198.100 Gemeldeten und Donaustadt<br />
mit den 184.200 Bewohnern.<br />
Wien befand sich auf dem besten Weg,<br />
zu einer Millionenmetropole zu werden. Die<br />
Geburtenrate von damals: Umgelegt auf<br />
1000 Bewohner erblickten 47 Babys das<br />
Licht der Welt. Damit würde Wien heute auf<br />
Platz zwei der Geburtenbestenliste stehen,<br />
gleich hinter dem westafrikanischen Staat<br />
Niger. Doch zurück zuWien: Da war 1848<br />
die Geburtenrate vier Mal höher als im Vorjahr.<br />
Umgekehrt war vor <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n aber<br />
Wiens Bevölkerung<br />
419.413<br />
2.083.630<br />
1.506.201<br />
1.867.582<br />
auch die Zahl der Todesfälle pro 1000 Einwohnern<br />
mehr als vier Mal so hoch wie in<br />
der Gegenwart.<br />
DieZwei-Millionen-Schallmauer<br />
Knapp vor dem Ersten Weltkrieg durchbrach<br />
Wien 1910 –vor allem wegen einer<br />
starken Zuwanderung –die Zwei-Millionen-<br />
Schallmauer und erreichte seinen bisherigen<br />
absoluten Spitzenwert von knapp über<br />
zwei Millionen Einwohnern (genau waren es<br />
2,083.630). Danach gingesmit Wiens Bevölkerungszahlen<br />
wieder bergab. Erst 1987 kam<br />
der Wendepunkt, seitdem wächst die Stadt<br />
wieder. An der Heiratslaune der Wiener mag<br />
es nicht liegen, die war –1848 wie heute –<br />
relativ gering. Wienkarte von1844,die Stadtmauer steht noch, die Donau istnicht reguliert. [Wienbibliothek ]<br />
WIR KARTULIEREN<br />
und wünschen der Tageszeitung<br />
Die Presse alles Gute zum runden<br />
Geburtstag<br />
1848 1910<br />
Höchststand<br />
Geburten<br />
gesamt<br />
19.626<br />
48.669<br />
1987<br />
Wendepunkt<br />
2017<br />
14.827 20.576<br />
1848 1910 1987 2017<br />
je 1000 Einwohner<br />
47<br />
24<br />
10 11<br />
1848 1910 1987 2017<br />
Eheschließungen<br />
gesamt<br />
2575<br />
18.713<br />
14.876<br />
9525<br />
1848 1910 1987 2017<br />
je 1000 Einwohner<br />
6<br />
9 10<br />
5<br />
1848 1910 1987 2017<br />
Todesfälle<br />
gesamt<br />
31.817<br />
16.168<br />
22.193<br />
16.424<br />
Alle Informationen zu unseren Visa und Mastercard®<br />
Karten und zur JCB-Balance Kreditkarte finden Sie<br />
auf:<br />
1848 1910 1987 2017<br />
je 1000 Einwohner<br />
39<br />
15 15 9<br />
www.cardcomplete.com<br />
1848 1910 1987 2017<br />
Quelle: Statistik Austria · Grafik: „Die Presse“ · PW
Wunder<br />
Sommer 2008:Das Fußballwunder in Österreichwar gerade ausgeblieben.<br />
Die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz<br />
war zwar ein großartiges Sportfest, Spanien gewann den Titel, Österreichdurfte<br />
mitspielen,sogar ein Tor schießen, mehr aber nicht.<br />
Die Wunder spielten sich allerdings andernorts ab.Inden Vereinigten<br />
Staaten gewann ein Farbiger die Vorwahlen der Demokraten. Ein gewisser Barack Obama,Senator<br />
aus Illinois und politischer Nobody, klopfte ans Weiße Haus. Und erverzauberte nicht nur das<br />
Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern auch den damaligen „Presse“-Korrespondenten in<br />
Washington, NorbertRief. „Bei Obama isteswie mit der Chinesischen Mauer oder der Cheops-Pyramide:<br />
Man muss ihn sehen, um die Faszination zu verstehen“, schrieb Rief. Knapp 100 Tage später,<br />
am 4. November,wurde Obama zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt.<br />
WOHLSTAND<br />
„Wollen wir ein<br />
Wunder<br />
erleben?“<br />
Wirtschaftswunder bekommt<br />
man nicht geschenkt.<br />
Schon gar<br />
nicht vonPolitikern. Ein<br />
Essayvon Gerhard<br />
Hofer. S. 50<br />
ORIGINALTEXT<br />
Sigmund Freuds<br />
„Wege zum<br />
Glück“<br />
DerBegründerder<br />
Psychoanalyse schrieb<br />
in der „Neuen Freien<br />
Presse“ über die Auswirkung<br />
der Kunstauf<br />
sexuelle Triebe. S. 54<br />
AUFSTIEG<br />
Der Millionär,<br />
der noch die<br />
Armut kannte<br />
DerChinese Wu Cong<br />
avanciert vomStraßenverkäufer<br />
zum Millionär.Eine<br />
Geschichte<br />
aus dem Wirtschaftswunderland.<br />
S. 56<br />
«Die Presse» steht in Österreich seit <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n für ausgezeichneten Journalismus und Transparenz. Die Liechtensteinische Landesbank steht seit<br />
beinahe 160 <strong>Jahre</strong>n für herausragendes Banking mit Werten. Durch Stabilitätund Sicherheit sind beide Institutionen in ihrer Heimatwegweisend –<br />
gestern wie heute. Die Liechtensteinische Landesbank wünscht der «Presse» alles Gute und viel Erfolg für die Zukunft. Nach unserer bevorstehenden<br />
Fusion mit der Semper Constantia Privatbank zur größten Vermögensverwaltungsbank Österreichs können wir in unserer zweiten Heimat mit der<br />
«Presse» aufeinen professionellen Partner zählen.
Gute<br />
Nachrichten<br />
verbinden<br />
uns.<br />
TMOBILE FREUT SICHMIT DER„PRESSE”ÜBER IHR<strong>170</strong>JAHRJUBILÄUM.<br />
UND ÜBER DIEAUSZEICHNUNG ZUMBELIEBTESTEN MOBILFUNK<br />
BETREIBER ÖSTERREICHS ZUMFÜNFTEN MAL IN FOLGE.
Crash<br />
Diana, Princess ofWales, war am 31. August 1997 kurz nach Mitternacht<br />
bei einer Verfolgungsjagd mit Paparazzi tödlich verunglückt. Inder Limousine,<br />
die in einer Pariser Unterführung nahe der Alma-Brücke gegen<br />
einen Pfeiler krachte,starben auch ihr Lebensgefährte,Dodi Al-Fayet,und<br />
der Chauffeur. Ein Leibwächter überlebte. „Die Presse“ berichtete über<br />
die Tragödie des <strong>Jahre</strong>s in der Montagausgabedes 1. September1997 ausführlich. In Anbetrachtdieses<br />
Ereignisses gerieten andere Meldungzur Randnotiz. Etwa,dass„Die Presse“abdiesem Tagsämtliche<br />
Schillingbeträge in Euro umrechnete. Nurzur Erinnerung: EinEurowaren 13,76 Schilling. „Die<br />
Presse“kostete damals 15 Schilling oder 1,10 Euro. Somit begann diese Zeitungihre Euroumstellung<br />
vier<strong>Jahre</strong> und vier Monatevor der eigentlichen, die bekanntlich am 1. Jänner2002 erfolgte. Den Euro<br />
gibt es nach wievor,obwohl er während der Finanzkrise mehrfach für tot erklärtwurde.<br />
ESSAY<br />
Und neues<br />
Leben blüht aus<br />
den Ruinen<br />
Es kracht oftimWirtschaftsgebälk,aber<br />
es<br />
istein reinigendesGewitter.<br />
Ein Crash hat für<br />
JosefUrschitz auch<br />
positiveSeiten. S. 58<br />
ORIGINALTEXT<br />
Stefan Zweigs<br />
„Besuch bei den<br />
Milliarden“<br />
Drei <strong>Jahre</strong>nach der<br />
Wirtschaftskrise1929<br />
besichtigteder Schriftsteller<br />
für „Die Presse“<br />
die GoldvorräteFrankreichs<br />
in Paris. S. 60<br />
GESCHICHTE<br />
Über Gier,die<br />
am Ende zum<br />
Crash führt<br />
CharlesPonzi gilt als<br />
Erfinder desPyramidenspiels.Mit<br />
ihm beginnt<br />
NorbertRiefs<br />
kleine Kulturgeschichte<br />
über die Gier. S. 62<br />
Weltweit<br />
an IhrerSeite.<br />
Nutzen Sie unsereweltweitePräsenz<br />
für Ihren unternehmerischen Erfolg.<br />
DIE COMMERZBANK<br />
GRATULIERT ZU<br />
<strong>170</strong> JAHREN<br />
„DIE PRESSE“!<br />
Commerzbank AG, Niederlassung Wien, Hietzinger Kai<br />
101–105, 1130 Wien, Tel.: +43 150672-0, info.vienna@<br />
commerzbank.com, wwwcommerzbank.de/weltweit
58 CRASH SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
„Undneues Leben blüht ausden Ruinen ...“<br />
Krisen. Es gibt eine tröstliche Lehre ausdem katastrophalen Börsenzusammenbruch von 1987: Systemimmanent kracht es<br />
relativ oft im Wirtschaftsgebälk,aber es ist fast immer ein reinigendes Gewitter,aus dem neue Chancen entstehen.<br />
VON JOSEF URSCHITZ<br />
Nichts deutete beim Abflug in Frankfurt<br />
am Vormittag jenes 19. Oktober 1987<br />
auf Außergewöhnliches hin. Gut, über<br />
das Wochenende hatte es ein paar<br />
kleinere Scharmützel zwischen Iranern und<br />
Amerikanern am Golf gegeben, und die heiß<br />
gelaufenen Börsen waren zum vorigen Wochenschluss<br />
ein wenig nervös geworden.<br />
Aber Grund zurAufregung? Nein!<br />
Wäre da nicht dieser Taxifahrer nach der<br />
Landung in Los Angeles gewesen: Ob man<br />
denn auch glaube, dass das nun das Ende<br />
des gewohnten Wohlstands sei und von nun<br />
an alles den Bach hinuntergehe? Nein, wieso?<br />
Man wisse esnoch nicht? Am Golf hätten<br />
Iranerund Amerikaner wieder aufeinander<br />
geschossen, die Kriegsgefahr sei stark<br />
gestiegen –und der Dow Jones Index (ja, für<br />
den interessieren sich in den USAauch Taxifahrer)habetagsüber<br />
ordentlich gecrasht.<br />
Nicht irgendwie, sondern richtig brutal:<br />
Um 22,6 Prozent war das wichtigste Börsenbarometer<br />
der Welt seit dem Morgen gefallen.<br />
Fast ein Viertel des Börsenwerts der<br />
amerikanischen Wirtschaft hatte sich innerhalb<br />
von acht Handelsstunden in Luft aufgelöst.<br />
Aus dem kühlen, aber schönen Herbsttagwar<br />
der BlackMondaygeworden. Der bis<br />
heute unerreichte,prozentuell größte Tages-<br />
Börsencrash der Wirtschaftsgeschichte.<br />
Crash<br />
Wer solange Wissensdurst<br />
löscht,darfruhig<br />
auch malselbertrinken<br />
Stiegl gratuliert der Pressezu<br />
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>nQualitätsjournalismus.<br />
Und, ist die Welt eingestürzt? Das beantwortet<br />
man am besten mit dem Dow Jones<br />
Chart: DasamBlackMonday auf1738 Punkte<br />
abgestürzte Börsenbarometer steht heute<br />
bei knapp 25.000 Punkten. Also beim annähernd<br />
Vierzehnfachen. Wer damals nicht panisch<br />
verkauft, sondern beherzt zugegriffen<br />
hat, warschon wenig später ziemlichreich.<br />
Das ist die tröstliche Lehre aus dem<br />
Schwarzen Montag: Es kracht systemimmanentrelativ<br />
oft im Wirtschaftsgebälk. Aber es<br />
ist fast immer ein reinigendes Gewitter, das<br />
zwar Verwüstungen anrichtet, aus dem aber<br />
neue Chancen sprießen.<br />
So selten passiert das nämlich garnicht:<br />
Seit dem Black Monday ist die Weltwirtschaft<br />
von mehreren Argentinien-Krisen,<br />
vom Südostasien-Crash, von der Russland-<br />
Krise,vom Platzen der „Tech Bubble“inden<br />
USA, von der Weltfinanzkrise der <strong>Jahre</strong><br />
2008 ff, von der Griechenland-Krise, die zur<br />
Eurokrise wurde, und so weiter und so weiter<br />
heimgesucht worden.<br />
Und die nächsten Krisen stehen schon<br />
am Horizont: Die Staatsschulden sind in vielen<br />
Ländern außer Kontrolle, Italien kracht<br />
wie eine Kaisersemmel, die europäischen<br />
Banken haben ein Jahrzehnt nach Ausbruch<br />
der Finanzkrise ihre Bilanzen noch immer<br />
nicht saniert, die Eurozone leidet am gefährlichen<br />
Populismusvirus,Schwellenländer nagen<br />
schwer an Dollar-Kreditexzessen und die<br />
Börsentreiben es wieder einmal recht luftig.<br />
Jedes einzelne dieser Krisensymptome<br />
hatdas Zeug,einen ordentlichen Crash auszulösen.<br />
Zum Teil stellen sie Bedrohungsszenarien<br />
dar, die nicht nur die Vermögen<br />
der Börsenteilnehmer (also einer Minderheit),<br />
sondern ganze Währungen bedrohen.<br />
Unddamit Massenarmut auslösen können.<br />
Aber: Sie sind bekannt. Man kann also<br />
gegensteuern. Und meist wird das auch<br />
mehr oder weniger erfolgreich getan. Es ist<br />
ein bisschen wie mit den Revolutionen: Angesagte<br />
finden meistnicht statt. Gefährlicher<br />
sind die,die ausheiterem Himmel kommen.<br />
Wie etwa der Crash des <strong>Jahre</strong>s 1987. Natürlich,<br />
die geopolitischen Spannungen waren<br />
groß. Aber das sind sie meist indieser politisch<br />
unruhigen Welt. Unddie Börsen waren<br />
ein bisschen weit gelaufen. Aber das regeln<br />
sie meist mit gesunden Korrekturen, nicht<br />
mit Brutalabstürzen. Kurzum: Bis heute<br />
weiß niemand genau, wieso damals, imOktober<br />
1987, plötzlich alle in Panik zu den<br />
Notausgängen gestürmt sind und dabei einander<br />
niedergetrampelthaben.<br />
Was wir allerdings gesichert wissen: Aus<br />
jedem Crash lernen wir ein bisschen. Jener<br />
des <strong>Jahre</strong>s 1987, in dem erstmals in der Geschichte<br />
Computerprogramme zerstörend<br />
mitgemischt haben, hat beispielsweise zu<br />
Regularien geführt, die verhindern sollen,<br />
dass sich Algorithmen zu sehr selbstständig<br />
machen. Und der weltweite Bankenstillstand<br />
von 2008 hat zumindest zum Versuch<br />
geführt, Bankrisiken mit hoher Ansteckungsgefahr<br />
für die Weltwirtschaft einbisschen<br />
einzuzäunen.<br />
Dasändertnichts daran, dassder nächste<br />
Crash kommen wird. Nicht nur inder<br />
Wirtschaft. Auch in der Politik hat sich ja einiges<br />
aufgestaut. Der gesellschaftliche<br />
Sprengstoff, den die unkontrollierte Migration<br />
der <strong>Jahre</strong> 2015/16 hinterlassen hat, ist<br />
so eine Gefahr. Dass die Lunte glimmt, erkenntman<br />
am Kippen der Stimmunginweiten<br />
Teilen Europas,amErstarken politischer<br />
Abenteurer, am Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit<br />
jener Strömungen, die für die<br />
Situation verantwortlich gemachtwerden.<br />
Es wird also, so oder so, wieder krachen.<br />
Und eswird für den Einzelnen, wie immer,<br />
darauf ankommen, was er daraus macht.<br />
Man kann im Crash untergehen, oder man<br />
kann sich vom Crash nach oben treiben lassen.<br />
Man sollte jedenfalls vorbereitet sein.<br />
Grund zur Panik istesnicht. Man hält es am<br />
besten mit dem alten, etwas aus der Mode<br />
gekommenen Friedrich von Schiller, der<br />
Werner von Attinghausen in „Wilhelm Tell“<br />
den Zeitenlauf mit einem einzigen Satz sehr<br />
schön beschreiben lässt: „Das Alte stürzt, es<br />
ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht<br />
ausden Ruinen.“<br />
Braukunst auf höchster Stufe.<br />
Black Monday. Und, istdie<br />
Welt eingestürzt?Das<br />
beantwortet man am besten<br />
mit dem DowJonesChart:<br />
DasamBlack Mondayauf<br />
1738 Punkte abgestürzte<br />
Börsenbarometer steht heute<br />
bei knapp 25.000.Alsobeim<br />
annähernd Vierzehnfachen.
60 CRASH SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
Bei den Goldreserven. Kühler Stahl und Zement,entschlossenste Defensive. In den Kellergewölben der<br />
Banque de France:ein Bericht,erstmals erschienen in der „Neuen Freien Presse“Ende Februar 1932.<br />
Besuch beiden Milliarden<br />
VON STEFAN ZWEIG<br />
Das werktechnisch modernste, das<br />
merkwürdigste und zweitwichtigste<br />
Gebäude von Paris ist sonderbarerweise<br />
von außen her gar nicht wahrnehmbar.<br />
Täglich gehen Tausende, Zehntausende<br />
blicklos daran vorüber, sie gehen<br />
durch die enge RueMontpensier oderdurch<br />
die Rue des Petits-Champs und gewahren<br />
nichts anderes als neben dem alten, imposanten<br />
Gebäude derBanque de France,dem<br />
ehemaligen Palais La Vrillière, einen weiträumig-rechteckigen,<br />
quadratisch-leeren<br />
ebenen Raum, mit Planken eingezäunt,<br />
scheinbar nur eine Baustelle, der Arbeiter<br />
und des Auftrages wartend. In Wirklichkeit<br />
ist das Gebäude längt vollendet. Nur ist dieses<br />
merkwürdige Haus, dieser Palast, diese<br />
gepanzerte Kasematte, diese Zwingburg,<br />
nicht wie sonst mit steil ansteigenden Mauern<br />
über die Bodenschwelle emporgeführt,<br />
sondern sechs Stockwerke tief unter die Erde<br />
ins Unsichtbare gekellert.<br />
Unter diesem arglos leeren sandigenGelände<br />
liegt mitten in Paris, gestanzt in Stahl<br />
und Zement, das mächtigste Goldbergwerk<br />
unserer gegenwärtigen Welt, hier unten erstrecken<br />
sich, ungeahnt und geheimnisvoll,<br />
die berühmten Kellergewölbe der Bank von<br />
Frankreich mit heute siebzig, morgen vielleicht<br />
schon achtzig Milliarden, das heißt,<br />
mit siebzig- oder achtzigtausend Millionen<br />
gemünzten oder ungemünzten Goldes,plastisch<br />
unvorstellbare Summe und jedenfalls<br />
ein Hort, wie ihn nicht Cäsar und Crassus,<br />
nicht Cortezund Napoleon, nicht alle Kaiser<br />
und Clans dieser Erde und nie ein sterblicher<br />
Mensch seit Anbeginn der Welt beisammen<br />
gesehen. Hier an diesergeheimnisvollen<br />
Stelle ist der geometrische Punkt, um<br />
den jetzt das ganze wirtschaftliche Weltall in<br />
erregtem Kreislauf schwingt. Hier schläft das<br />
magische Metall, von dem alle Unruhe auf<br />
Erden ausgeht, seinen gefährlich starren<br />
und gleichzeitig magnetischen Schlaf.<br />
Dieses geheime und geheimnisvolle Labyrinth<br />
rings um das Weltgold, diese Keller<br />
und Kammern der Banque de France, von<br />
denen unzählige jetzt reden und träumen<br />
und die kaum einer sinnlich-optisch kennt,<br />
verlangte es mich sehr, zusehen. Nicht aus<br />
niederer Neugier, sondern aus jener anderen<br />
leidenschaftlichen und geistigen, für die<br />
Jean Richard Bloch den besten Namen gefunden<br />
hat: „Pour mieux comprendre mon<br />
temps“,umbesser die Zeit zu verstehen, deren<br />
Luft wir atmen, deren Erschütterungen<br />
wir verbunden sind. Alle spüren wir atmosphärisch<br />
ungeheure ökonomische Verwandlungen<br />
und Veränderungen, uralte Gesetze<br />
verlieren ihren Sinn; die stabilsten<br />
Werte ihr Gewicht; ein kosmogonischer Prozeß<br />
vollzieht sich in unserer wirtschaftlichen<br />
und sittlichen Weit, ohne daß wir seine Ursachen,<br />
seine Weiterungen ganz erfassen<br />
Stefan<br />
Zweig<br />
könnten; nur daß sich etwas verwandelt,<br />
spüren wir –die meisten beängstigt, die wenigsten<br />
geistig passioniert.<br />
Aber so wie eine Umschichtung imErdinnern<br />
nur abund zu sichtbaren Spalt an<br />
der äußeren Rinde aufreißt, sokristallisiert<br />
sich nuranganz wenigen Stellen dies amorphe<br />
Geschehnis zu anschaulicher Ausdrucksform,<br />
zu deutlichem Symbol. Undnur<br />
durch lebendige Anschauung wird ein Gedanke<br />
ganz zum Erlebnis.Die rote Fahne auf<br />
der Dachspitze des Kreml ist eines dieser<br />
sinnlich sichtbaren Zeitsymbole, diese feurige<br />
Flamme, stolz und herausfordernd tanzend<br />
im Wind, Symbol des Angriffes auf die<br />
alte Ordnung. Und die Kellergewölbe der<br />
Bank von Frankreich sind eines,kühler Stahl<br />
und Zement, technisch vollendete Verteidigung,<br />
entschlossenste Defensive, ruhige,<br />
schweigsam gerüstete Abwehr; dort und da<br />
sind die Schlüsselstellungen eines längstbegonnenen<br />
Kampfes. Ich bin glücklich, sie<br />
beide gesehen zu haben, den einen Pol und<br />
den anderen. Denn im Spannungsraumzwischen<br />
diesen beiden Symbolen, in ihrer<br />
geistigen Achse schwingt unsere gegenwärtige<br />
wirtschaftlicheWelt.<br />
Niederfahrt. Sechsundzwanzig Meter, die<br />
Höhe eines siebenstöckigen Hauses, senkrecht<br />
hinein in die Erde saust der Lift. Zementener<br />
Schacht schließt ihn fugendicht<br />
und rund von allen Seiten ein. Denn –man<br />
würde esnicht ahnen, dies Unglaubhafte,<br />
ohne die Belehrungdes Ingenieurs–auf dieser<br />
Fahrt senkrecht hinab zur Kellersohle<br />
durchqueren wir das Strombett eines Baches,<br />
der anfänglich bei dieser troglodytischen<br />
Anlage ein Hindernis schien. Aber<br />
Technik weiß oft aus Widerständen gerade<br />
ihre beste Förderung zugewinnen: so trieb<br />
man die Stollen unterhalb des Baches durch<br />
und jetzt bietet die abgemauerte Wasserschicht<br />
sogar einen besonderen Sicherheitsschutz<br />
gegen jedes gewaltsame Eindringen<br />
von oben in die unterirdischen Gewölbe,die<br />
schließlichinsolcher Tiefe angelegt wurden,<br />
daß die Inwohner der Häuser, die damals<br />
noch auf der heute freigelegten Fläche standen,<br />
gar nichts ahnten, daß stockwerktief<br />
unter ihreneigenen Kellern diese unerreichbaren<br />
und unzerstörbaren gehöhlt wurden.<br />
Sie verkauften in ihren Ladengeschäften Tabak<br />
und Strümpfe, sie schenkten Kaffee aus,<br />
rauchten und schliefen, ohne zu merken,<br />
daß Stollen nach Stollen unter ihrem unberührten<br />
und von keinem Spatenschlag erschütterten<br />
Heim dunkle Kasematten des<br />
Goldes sich still und unerbittlich fortwühlten:<br />
und der Bach strömt noch heute geduldig<br />
weiter zwischen dem Straßenbett und<br />
dieser neuen unterirdischenSchicht.<br />
Endlich amGrunde des Schachtes, am<br />
Eingang des künstlichen Bergwerkes. Erstes<br />
Gefühl: wie wunderbar still hier unten!<br />
Kein Geräusch mehr von oben, kein ein-<br />
@@@WICHTIGES VERDIENT<br />
T@@@<br />
@@@EINE EIGENE MARKE. .@@@<br />
@@@Die Post gratuliert zum <strong>170</strong>-Jährigen Jubiläum.@@@<br />
MEINE MARKE der Post ist die ganz persönliche Geschenkidee bei<br />
Firmenjubiläen, Geburtstagen oder Hochzeiten. Laden Sie ein ausgewähltes<br />
Foto hoch –wir gestalten daraus wahrhaft einzigartige Briefmarken.<br />
Wenn’s wirklich wichtig ist, dann lieber mit der Post.<br />
post.at/meinemarke
SAMSTAG, 9. JUNI 2018 CRASH 61<br />
ziges der unzählbaren und undefinierbaren,<br />
welche die Straße in ihrem steinernen Kessel<br />
aus Schrei und Schrille, aus Worten und<br />
Wind, aus Raspeln und Rufen und Hupen<br />
und Räder knarren zu einem meerhaften<br />
Brausen zusammenkocht: man ruht aus, erschreckt<br />
zuerst, dann beglückt von diesem<br />
leuchtenden Schweigen. Denn dieses<br />
Schweigen leuchtet: indiesen neuzeitlichen<br />
Katakomben herrscht ewiger Tag. Unzählige<br />
Lampen tragen ebenmäßiges Licht durch zementweiße<br />
Gänge und die Luft schmeckt<br />
berghaft rein; mit riesigenmetallenen Lungen<br />
saugen elektrische Kompressoren Sauerstoff<br />
hier hinab.Man atmet nicht wieoben den abgelaugten<br />
Luftrest des Himmels, mit ausgepufftem<br />
Benzin, der Ausdünstung von Abfall<br />
und Staub beschmutzt: nein, gefiltert und<br />
rein, windstill und von unsichtbarer Heizung<br />
gewärmt und entfeuchtet,ist diese künstliche<br />
Atmosphäre der Tiefe vielleicht die schmackhafteste<br />
der ganzen Millionenstadt mit ihren<br />
Gärten und Wassergeländen,klares Ozon.<br />
Wo Gold schläft,muß Eisen wachen<br />
Immer erreicht und übertrifft sogar in ihren<br />
vollkommensten Vollendungen die Technik<br />
die Wirkung der Natur. Den Eingang zeigt<br />
eine Tür, breit und dickaufgeschwungen und<br />
doch auf so leichten Gelenken ölig federnd,<br />
daß ein Kinderfinger siebewegen kann. Eine<br />
Panzerkassentür, mannsdicke, aus einem<br />
einzigen Stückblitzenden Stahls. Dies warzu<br />
erwarten, denn seit Anbeginn der Welt sind<br />
die beiden Metalle verschwistert. Wo Gold<br />
ist, da ruft es den stärkeren Bruder,das Eisen,<br />
sich ängstlich heran; wiedas sinnlichere weichere<br />
Weib an den gewaltmächtigen Mann,<br />
so drängt sich das blasse, nachgiebige Metall<br />
an das harte und wehrhafte,umvon ihm beschützt<br />
zu sein. Wo Gold zu Münze und Besitz,<br />
formt sich das Eisen zu Panzer und<br />
Schwert. Wo das Gold schläft,muß das Eisen<br />
wachen, ewig gebunden das eine an das andere,und<br />
niemand weiß, welches um des andern<br />
willen wirkt, das Gold, das sich das Eisen<br />
kauft,den Kampf und den Krieg, oder das<br />
Eisen, das sich das Gold rafft als Beute und<br />
Besitz.<br />
Drohend steht die panzerne Pforte. Wie<br />
durch ein feindseliges Joch schreitet man<br />
durch den aufgetanen Zugang, ein leichtes<br />
Gruseln im Rücken: wenn sie zufiele, man<br />
wäre lebendig versargt! Keine irdische<br />
Macht könnte diese zentner-wuchtigen Deckel<br />
wieder aufheben. Aber ein paar Schritte<br />
und man lächelt beinahe. Welcher Irrtum!<br />
Mit dieser einen Tür meinte man, die Festung<br />
schon betreten zu haben, schon im Innern<br />
des Labyrinths zu sein! Nein, man hat<br />
nurden Vorhof betreten,kaumdie erstePallisade.<br />
Diese Panzertür, sie warnichts als ein<br />
kleiner, dünner Gartenzaun, nur die grüne,<br />
weiche Schale, welche die eigentliche harte<br />
Nußschale umschließt. Indiesem Vorraum<br />
gehen noch Angestellte und Arbeiter. Hier<br />
ist noch Zugang und Öffentlichkeit. Weiter<br />
hinab! Dantes Paradies und Dantes Hölle,<br />
sie haben sieben Kreise, und die Keller der<br />
Bank von Frankreichvielleicht noch mehr.<br />
plötzlich regt sich die starre Wand, sie verschiebt<br />
sich, genau wieesvor hundert<strong>Jahre</strong>n<br />
der genialste PhantastAllen EdgarPoe in seiner<br />
Inquisitionsnovelle geschildert,zur Seite,<br />
ohne darum einen Augenblick aufzuhören,<br />
unzugängliche Wand zu sein. Etwas verschiebt<br />
sich wie eine Kulisse, ungeheure unsichtbare<br />
Kräfte heben oder senken oder drehen<br />
die Panzerwand, und aufder starren Fläche<br />
erscheint – nicht etwa eine Tür, ein<br />
Schloß, eine Öffnung, sondern man weiß<br />
nicht was. Nurirgend etwasist verändert daran:<br />
man glaubt eine besondere Maserung<br />
wahrzunehmen, Kontakte oder sonst Einzeichnungen,<br />
wo früher vollkommene Glätte<br />
war. Aber noch immer stehtdie riesige Wand<br />
stählern starr,senkrecht und streng.<br />
Da fährt–wir treten zur Seite –auf Schienen,<br />
die wir nicht bemerkt haben, eine elektrische<br />
Lokomotive heran, gerade auf die<br />
starre Wand los und saugt sich ihr an. Und<br />
wieder ein Zeichen –jetzt fährt sie zurück<br />
und zieht wie einen Pfropfen aus der Flasche,<br />
ein ganzes massives Stück der Wand<br />
mit, einen rechteckigen glatten Stahlblock,<br />
mehr als mannshoch und breit wie sechs<br />
odersieben Männernebeneinandergestellt –<br />
eine Zentnerlast,die ein Regimentnicht vereint<br />
von der Stelle rücken könnte –und dies<br />
mit jener lautlosen, fast höhnischen Leichtigkeit,<br />
mit derdie Technik, eitel wiemanche<br />
Akrobaten, zu zeigen beliebt, daß, was uns<br />
wunderbar, ihr völlig selbstverständlich und<br />
mühelosleicht ist. Man trittanden Stahl heran,<br />
an dies gigantische herausgeschnittene<br />
Stück Festungswand: herrlicher, nackter,<br />
glatter, kühler, ungenieteter, wasserfarbener<br />
Stahl, wieAchatanzufassen, nurhundertmal<br />
härter.<br />
Der Geist hilft,das Gold zu verteidigen<br />
An ihm mißt mandie Dicke derWand, gegen<br />
welche die Panzerschuppen von Dreadnoughts<br />
wie Rosenblätter wirken; jetzt erst<br />
begreift mandie Wucht dieser Ringwälle,die<br />
jedes Angriffesspotten: keineBombe könnte<br />
mehr als nichtige Schrunde reißen aus dieser<br />
ehernen glatten Haut, keine Kraft eindringen<br />
bis in die innere empfindliche Substanz,<br />
bis nahe an das goldene Herz.<br />
Lasciate ogni speranza, die ihr hier einzudringen<br />
träumt! An diesem kollektiv ersonnenen,<br />
von der Technik des Krieges und<br />
des Friedens gemeinsam erprobten Wall, an<br />
dem gigantischen Muskelspiel dieser unsichtbar<br />
verschiebbaren Türme zerknickt<br />
der Gedanke an Einbruch oder Gewalt,denn<br />
hier wehrt neben der gigantischen Masse<br />
der Materie noch geistig-technisches Geheimnis<br />
den Zugang. Hier hat sich der Erbauer<br />
den Erfinder zur Seite geholt:hier hilft<br />
der Geistdas Gold verteidigen.<br />
ZUM jubiläum<br />
„DiePresse ist fürmich<br />
eine Zeitung zum Lesen,<br />
zum Nachdenken, zum<br />
Ärgern, zum nochmaligen<br />
Nachdenken, zum<br />
Zustimmen, zum Kopfschütteln,<br />
zum Widersprechen,<br />
zum Nachlesen.<br />
Und eine Zeitung,die in all<br />
dem täglich noch besser<br />
werden kann.“<br />
AndreasTreichl<br />
Vorstandschefder ErsteGroup Bank<br />
„DiePresse ist fürmich<br />
kritische Berichterstattung<br />
aufhohem Niveau.“<br />
Rainer Seele<br />
Vorstandschefder OMV<br />
Die Panzerdrehtürme. Plötzlich, im taghellen,<br />
elektrischen Licht, erinnert man sich an<br />
Tausend und eine Nacht. Der Magnetberg<br />
unserer Kindheit, dadunkelt er vor einem,<br />
glatt, starr, riesenhaft. Mit einmal kann man<br />
nicht weiter, der Weg ist zu Ende. Mitten im<br />
Gange steht stählern eine starre, blickversperrende<br />
Wand. Glatt, blank, leer. Nur Zauberspruch,<br />
nur Sesam öffne dich –alle Märchen<br />
werden einmal wahr! –können sie auftun,<br />
ein Himmelszeichen muß gegeben werden.<br />
Und eswird gegeben. Nicht vom Himmel,<br />
aber ausdem Unsichtbaren, von irgendeinem<br />
Jemand, der unseren unterirdischen<br />
Wegauf irgendeine technisch-magische Weise<br />
beobachtet und beschützt. Ein Zeichen<br />
muß erfolgt sein aushöherem Bereich. Denn<br />
Stefan Zweigsliterarischer<br />
Bericht vonseinem „Besuch<br />
bei den Milliarden“ist vor<br />
dem Hintergrund der<br />
Wirtschaftskrisevon 1929<br />
und ihren verheerenden<br />
Folgen –auch für Österreich<br />
–zusehen.Zweig erhielt die<br />
Erlaubnis,die Goldvorräte<br />
Frankreichs im Herzenvon<br />
Paris zu besichtigen. Sein<br />
Text erschien in zwei Folgen,<br />
am 25.und 26.Februar 1932.<br />
Paul Pech findet, <strong>170</strong><strong>Jahre</strong>„Die Presse“ und<br />
über 190<strong>Jahre</strong>Wiener Städtischepassengut<br />
zusammen.Wir gratulieren herzlichzum Jubiläum.<br />
/wienerstaedtische<br />
IHRE SORGEN MÖCHTEN WIR HABEN
Wenn das Pferd zur Drohne wird: Rückblick und Ausblick<br />
Logistik und Transport –Die Wege einer uralten Branche. Wo begann es und wie geht es weiter?<br />
Wenn es um Ideenreichtum geht, hat der Mensch seinen kreativen Verstand gerade im Bereich der Logistik und des Transportes seit jeher überaus<br />
erfolgreich eingesetzt. Waren esvor 200 <strong>Jahre</strong>n noch berittene Boten und Karawanen, die Nachrichten und Güter über weite Distanzen zu ihren<br />
Abnehmern brachten, so sind es in Zukunft Maschinen, die den Mensch auch indiesem Bereich unterstützen und entlasten werden. Bevor wir uns der<br />
Zukunft zuwenden, machen wir aber noch einen Blick zurück…<br />
Legende<br />
Antike<br />
15. Jhdt<br />
19. Jhdt<br />
20. Jhdt<br />
21. Jhdt<br />
~490 v. Chr.<br />
Antikes Griechenland<br />
Laufboten<br />
~100 v. Chr.<br />
Seidenstraße<br />
Karawanen<br />
<br />
1850<br />
Transport per Eisenbahn<br />
erstes „k.k. fahrendes Postamt“<br />
1847<br />
Einführung der Telegrafie<br />
1. Telegramm in Österreich verschickt<br />
Ende 15. Jhdt.<br />
Aufbau eines organisierten Postwesens<br />
Reiterpost und Postkutsche<br />
Ende 19. Jhdt.<br />
Erfindung des Lastenrades<br />
1907<br />
Aufbau des Postautodienstes in Österreich<br />
1915<br />
militärische Fliegerpost in Österreich<br />
@<br />
1971<br />
das 1. E-Mail wird verschickt<br />
(erfunden von Ray Tomlinson)<br />
1960er <strong>Jahre</strong><br />
Entwicklung des Internets<br />
1956<br />
1. Cargoschiff läuft aus<br />
1980er <strong>Jahre</strong><br />
kommerzielle Verwendung des Internets beginnt<br />
1999<br />
1. Handy mit Internetzugang am Markt<br />
2007<br />
~1,3 Milliarden Internetnutzer weltweit<br />
Karawanenkamel undPostpferdsindschon längst in denverdienten Ruhestand geschickt<br />
worden. Und auch unserenLieferboten sowie ihren fossilbetriebenenTransportfahrzeugen<br />
könnte esbald ähnlich ergehen. Denn diehierinder Grafikdargestellten physischen<br />
Datenträgervon gesternwerdendurch einevernetzte Datenübertragung vonmorgen<br />
zunehmendintelligent gestaltet.<br />
2018<br />
Drohnen bald überall im Einsatz?<br />
Daherist es nicht mehrabwegig, dass ein Paket oder diegesamte Post künftigvon einer<br />
Drohne direkt vordie Haustüre geliefertwird. Konzerne wieAmazon, Google oder dieDeutsche Post entwickeln und erprobenschon heuteautomatisierte<br />
Zustellmöglichkeiten überauserfolgreich. UndautonomeLiefersysteme sind auch hierzulandenichts Neues,sie werdenbeispielsweise schon in Berggebieten<br />
(mittels Drohnen) oder in Innenstädten (mittels autonomenE-Fahrzeugen) erprobt.<br />
Denn eines ist klar:Der Transportder Zukunft ist vernetzt,datengesteuertund weitgehend automatisiert.<br />
Entgeltliche Einschaltung<br />
Das gesamte Transportwesen steht alsovor einemtechnischen Neustart undder kommt nicht zu früh, angesichts des umweltbelastenden,<br />
ressourcenintensiven und zeitraubenden CharaktersdieserBranche. Und auch dieMedienwelt wird langfristig von diesen zukunftsweisenden Technologien<br />
undden damit einhergehenden Veränderungen profitieren.Auf diesem Wege gratuliert daherdas Bundesministerium für Verkehr,Innovation und<br />
Technologie (BMVIT) derPresse herzlich zum<strong>170</strong>-Jahr-Jubiläum.
Aktuelles aus Tirol<br />
Irritation<br />
Jesus und Mohammed reiten zusammen zum Propheten Jesaja:<br />
Dieses Titelbild der Weihnachtsausgabe am24. Dezember<br />
2010 irritierte etliche Leser. Mit diesen und anderen<br />
Holzschnitten –ein Christbaum mit Halbmond statt Stern<br />
an der Spitze; über dem Stephansdom prangt „Allah ist<br />
groß“ auf Arabisch –wünschte der Wiener Künstler Lukas Pusch den „Presse“-Lesern „Fröhliche<br />
Weihnachten“. Mit moralisch indifferentem Blick irritierte er unsere kulturellen Gewissheiten –wie<br />
einstArthur Schnitzler in seiner Novelle „LeutnantGustl“. Gern irritierend wirkte auch ElkeKrystufek:<br />
Einst masturbierte sie öffentlich, nun lässt sie sich mit Burka abbilden. Im Interview mit Almuth<br />
Spiegler erklärtsie,warum sie das tut. Kann Nacktheit aufder Bühne noch skandalös wirken? „Presse“-<br />
Theaterkritiker NorbertMayer meintnein. Er plädiertfür verstörende Wahrheit.<br />
FORTSCHRITT!<br />
Der Stachel<br />
schmerzt,das<br />
macht uns stark<br />
Denkfaule wollen<br />
lästigeZweifel ausschalten.<br />
Karl Gaulhoferüber<br />
die Bedeutung<br />
deskritischen<br />
Denkens. S. 66<br />
ORIGINALTEXT<br />
Schnitzlers<br />
Skandalnovelle<br />
„Leutnant Gustl“<br />
Ein Stück Weltliteratur<br />
erschien 1900 in der<br />
„Neuen Freien Presse“.<br />
Es wurde als Beleidigung<br />
der k. u. k. Armee<br />
gelesen. S. 70/71<br />
KUNST<br />
ElkeKrystufek<br />
über die letzten<br />
Tabus<br />
Die Feministin, die sich<br />
dem Islam zuwendet,<br />
ein Nackterals Einrichtungsgegenstand:<br />
Ein<br />
Gespräch über irritierende<br />
Kunst. S. 68<br />
AUF KLAREM KURS!<br />
DER „PRESSE“ UND IHREN MITARBEITERINNEN<br />
UND MITARBEITERN ZUM <strong>170</strong>. GEBURTSTAG ALLES GUTE.<br />
In stürmischer See zeigt sich, wie wichtig eine zuverlässige Navigation ist.<br />
Österreich, Europa und die Welt befinden sich in unruhigen Gewässern.<br />
Die „Presse“ hält Kurs und steht für Unabhängigkeit und Qualitätsjournalismus.<br />
„Tirol starkes Land“<br />
erscheint seit 2005 in Kooperation mit der „Presse“.<br />
www.AblingerGarber.com
66 IRRITATION SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
Der Stachel schmerzt,das macht uns stark<br />
Essay. Irritation treibt den Fortschritt an, hin zu mehr Wissen und Menschlichkeit. Aber noch nie gab es eine so breite<br />
Koalition von Denkfaulen, die jeden lästigen Zweifel ausschalten wollen. Kann die widerständige Kunst Abhilfe schaffen?<br />
VON KARL GAULHOFER<br />
Dieser Darius mussein weiser Mann mit<br />
einem seltsamen Humor gewesen sein.<br />
Wovon diese kleine Geschichte zeugt:<br />
Einmal fragte der große König im alten<br />
Persien die Griechen an seinem Hof, um<br />
welchen Preis sie ihre toten Väter essen würden.<br />
Um keinen Preis, nie und nimmer, antworteten<br />
diese schockiert. Da rief der König<br />
Abgesandte eines indischen Volkes herbei,<br />
bei denen der Verzehr verstorbener Väter als<br />
ganz gewöhnlicher Brauch galt. Von ihnen<br />
wollte er wissen, unter welchen Umständen<br />
sie bereit wären, ihre Leichen zu verbrennen<br />
–wie es damals in Griechenland üblich war.<br />
Und siehe da: Das Entsetzen der Inder über<br />
eine solch lästerliche Idee warnoch heftiger.<br />
„Die Sitteist unser aller Herr“, lautet das<br />
Fazit von Herodot. Er überlieferte uns die<br />
Anekdote. Wollte der Vater der Geschichtsschreibung<br />
seine Leser nur Respekt vor anderen<br />
Kulturen lehren? Es ging wohl um<br />
mehr, umweit Radikaleres: Erkonfrontierte<br />
sie mit dem völlig Fremden, das tiefste<br />
Überzeugungen ins Wankenbringt.<br />
Handel und kultureller Austausch<br />
schleppten bei den Griechen seiner Zeit<br />
eine bohrende Frage mit ein: Wie können<br />
unsere Mythen wahr,wie können unsere Riten<br />
verbindlich sein, wenn nur das eigene<br />
Volk, jazuweilen nur ein einziger Stadtstaat<br />
Irritation<br />
an sie glaubt? Zur gleichen Zeit stellten sich<br />
kluge Köpfe unter ihnen aber noch andere<br />
Fragen. Weit über das gleichpraktische Verwertbare<br />
hinaus: Eine mathematische<br />
Wahrheit wieder Satzdes Pythagoras istunmittelbar<br />
zu gar nichts nutze. Er steigerte<br />
weder den Ernteertrag noch das Kriegsglück.<br />
Das war die Geburtsstunde der Wissenschaft.<br />
Vom antiken Griechenland aus<br />
trat sie ihren Siegeszug an. Heute beschert<br />
SEIT <strong>170</strong>7<br />
Dorotheum gratuliert zum <strong>170</strong>. Geburtstag der Presse<br />
600 Auktionen, 40 Sparten, 100 Experten,<br />
mehr als 300 <strong>Jahre</strong> Erfahrung<br />
www.dorotheum.com<br />
sie uns ein noch nie erreichtes Wohlstandsniveau,<br />
das Internet und eine Lebenserwartung<br />
vonüber 80 <strong>Jahre</strong>n.<br />
Warumgerade in Ionien, erstmals in der<br />
Geschichte der Menschheit? Karl Popper<br />
versuchte eine Antwort: Der Zweifel regte<br />
das kritisch-rationale Denken an. Indem es<br />
vor keiner Schlussfolgerung zurückschreckte,<br />
befreite es sich von den Fesseln der Verwertbarkeit<br />
und der religiösen Überlieferung.<br />
Gut möglich, dass der österreichische<br />
Philosoph mit seiner Hypothese recht hatte.<br />
Aber wiealle Hypothesen musssie,nachseiner<br />
eigenen Lehre, „falsifizierbar“ sein, um<br />
als Wissenschaft durchgehen zu können.<br />
Jede gute Theorie wartedarauf, widerlegt zu<br />
werden. Denn nur was stört, verwirrt, neue<br />
Antworten fordert, treibe das Denken voran.<br />
Magsein, dassdies allzuoft nurein Idealbild<br />
von Wissenschaft ist. Aber es gibt sie,<br />
die treibende Kraft der Irritation. Auch wenn<br />
es um ethische Überzeugungen geht. Nur<br />
Ahnungslose meinen, die großen Moralsysteme<br />
hätten sich in geistig ruhigen Epochen<br />
geformt, indenen sich alle einig waren (anders<br />
als heute, wo man als aufgeklärt-abgeklärter<br />
Zeitgenosse nur mehr moralischer<br />
Skeptiker sein könne). Das Gegenteil ist der<br />
Fall. Ob Aristoteles oder Christus, Kant oder<br />
die englischen Utilitaristen des 19. Jahrhunderts:Sie<br />
alle rangen um eine neue Idee des<br />
Guten in Phasen geistiger, wissenschaftlicher<br />
oder sozialer Erschütterung, die Gewissheiten<br />
zum Einsturz brachte. Wir müssen<br />
ihnen dankbar sein, dass sie in solch<br />
wirren Zeiten den Anspruch auf moralische<br />
Wahrheit nicht achselzuckend aufgegeben<br />
haben. Denn wer das tut, ist nicht tolerant,<br />
sondern aufzynische Weise gleichgültig.<br />
Im Schutz der Meinungsblasen<br />
Die Lehre ist leicht zu ziehen: Ohne Irritation<br />
gibt es keinen Fortschritt, weder in der<br />
Wissenschaft noch in den Maximen unseres<br />
Handelns. Dassollte die Menschheit eigentlich<br />
gelernt haben, aus ihrer Geschichte, die<br />
noch nie so gutdokumentiertwar wieheute.<br />
Umso bedenklicher erscheintes, wenn völlig<br />
disparate Tendenzen unserer Gegenwart in<br />
einem Punkt konvergieren: Sie alle wollen<br />
jede Irritation ausschalten –und damit das<br />
kritische Denken.<br />
Einige Wohlwollende ausakademischen<br />
Zirkeln würden lieber heute als morgen eine<br />
Gesinnungsdiktatur ausrufen. Wenn sie<br />
könnten, wie sie wollten, wäre bald jeder<br />
missliebige Ausdruck verboten, jeder Studierende<br />
von verstörenden Lernerfahrungen<br />
geschützt und jede anstößige Passage<br />
aus Neuauflagen der Weltliteratur entfernt.<br />
Die Masse der Internetnutzer macht es sich<br />
derweil auf Facebook und Twitter bequem,<br />
in ihren Meinungsblasen, die nicht platzen<br />
können, weil rücksichtsvolle Algorithmen<br />
sorgsam jeden dissonanten Gedanken von<br />
ihnen abwehren.<br />
In Parallelaktionen dazu türmen die<br />
Rechtspopulisten emsig Mauern auf, an den<br />
Grenzen und in den Köpfen. Sie verschanzen<br />
sich hinter einer Idee von Heimat, die<br />
nur für Ihresgleichen etwas Heimeliges hat.<br />
Und jemand wie Donald Trump baut sich<br />
seine ihm genehme Welt gleich von vornherein<br />
aus alternativen Fakten auf. So lang,<br />
bis sich die Bruchstücke des Wahns zur absurden<br />
Harmonie des Postrealen fügen.<br />
Adorno ist nicht abgetan<br />
Womit lässt sich da noch gegenwirken?<br />
Theodor W. Adorno hätte gesagt: mit der<br />
Kunst. Große Kunstwerke sind eigenständig<br />
genug, umwiderständig zusein. Sie lassen<br />
sich in kein vorgefertigtes Begriffskorsett<br />
pressen. Sie schwimmen gegen den Strom<br />
der schnellen Konsense,entziehen sich dem<br />
kollektiven Einlullen. Sie rütteln auf, wirken<br />
befreiend. Seltsam: Hier war der große<br />
Schwarzmaler, der die Aufklärung zu Grabe<br />
trug, viel hoffnungsvoller als wir Heutigen.<br />
Ein naiver Optimismus, der zu viel von<br />
Kunst erwartet? Vielleicht ist das ironische<br />
Lächeln verfehlt –und Adornos Emphase<br />
nicht altmodisch, sondern aktueller denn je.<br />
Aber mit welchen Mitteln auch immer:<br />
Wirmüssen, uns selbstund den anderen um<br />
uns, den schmerzenden Stachel der Verunsicherung<br />
wieder spüren lassen. Wir brauchen<br />
diesen Antrieb. Auch wenn wir mit<br />
dem produktiven Zweifel, der damit aufs<br />
Neue anhebt, niemals zur Ruhe und nie an<br />
ein Ende kommen.
70 IRRITATION SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
Novelle. „Sie, Herr Leutnant,sein S’ jetzt ganz stad.“ Wassagterda? Mir sagtdas so ein Hund! Ah, da heißt’s<br />
rabiatsein. –Ein Stück Weltliteratur,erstmals erschienen in der „Neuen Freien Presse“vom 25. Dezember 1900.<br />
Leutnant Gustl<br />
VON ARTHUR SCHNITZLER<br />
Wie lang wird denn das noch dauern?<br />
Ich muss auf die Uhr schauen ...<br />
schickt sich wahrscheinlich nicht in<br />
einem so ernsten Konzert. Aber wer<br />
sieht’s denn? Wenn’s einer sieht, so passt er<br />
gerade so wenig auf wie ich, und vor dem<br />
brauch’ ich mich nicht zu genieren ...Erst<br />
viertel auf zehn? ...Mir kommt vor, ich sitz’<br />
schon drei Stunden in dem Konzert. Ich bin’s<br />
halt nicht gewohnt...Wasist es denn eigentlich?<br />
Ich muss das Programm anschauen ...<br />
Ja,richtig:Oratorium! Ich hab’ gemeint: Messe.<br />
Solche Sachen gehören doch nur in die<br />
Kirche! Die Kirche hat auch das Gute, dass<br />
man jeden Augenblick fortgehen kann. –<br />
Wenn ich wenigstens einen Ecksitz hätt’! –<br />
Also Geduld, Geduld! Auch Oratorien nehmen<br />
ein End’! Vielleicht ist essehr schön,<br />
und ich bin nur nicht in der Laune. Woher<br />
sollt’mir auch dieLaune kommen? Wenn ich<br />
denke, dass ich hergekommen bin, um mich<br />
zu zerstreuen ...Hätt’ ich die Karte lieber<br />
dem Benedek geschenkt, dem machen solche<br />
Sachen Spaß; er spielt ja selber Violine.<br />
Aber da wär’der Kopetzkybeleidigt gewesen.<br />
Es war jasehr lieb von ihm, wenigstens gut<br />
gemeint. Ein braver Kerl, der Kopetzky! Der<br />
Einzige,auf den man sichverlassen kann ...<br />
Ah, ein Solo! Wer ist das? Alt: Fräulein<br />
Walker, Sopran: Fräulein Michalek ...das ist<br />
wahrscheinlich Sopran ... Lang war ich<br />
schon nicht in der Oper. In der Oper unterhalt’ich<br />
mich immer, auch wenn’slangweilig<br />
ist. Übermorgen könnt’ ich eigentlich wieder<br />
hineingeh’n, zur „Traviata“. Ja, übermorgen<br />
bin ich vielleicht schon eine tote Leiche! Ah,<br />
Unsinn, das glaub’ich selber nicht! Warten S’<br />
nur, Herr Doktor, Ihnen wird’s vergeh’n, solche<br />
Bemerkungen zu machen! Das Nasenspitzel<br />
hau’ ich Ihnen herunter ...<br />
Heiß wird’s!Noch immer nicht aus? Ah,<br />
ich freu’ mich so auf die frische Luft! Werd’<br />
ein bissl spazieren geh’n, übern Ring ...<br />
Heutheißt’s:früh insBett, morgen Nachmittagfrischsein!Komisch,<br />
wiewenig ich daran<br />
denk’,soegalist mir das! Obzwar,gerade diese<br />
ungeschulten Fechter sind manchmal die<br />
gefährlichsten. Der Doschintzky hat mir erzählt,<br />
dass ihn ein Kerl, der das erste Mal<br />
einen Säbel inder Hand gehabt hat, auf ein<br />
Haar abgestochen hätt’; und der Doschintzky<br />
ist heut Fechtlehrer bei der Landwehr ...<br />
Das Wichtigste ist: kaltes Blut. Nicht einmal<br />
einen rechten Zorn hab’ ich mehr in mir,<br />
und es war doch eine Frechheit –unglaublich!<br />
„Herr Leutnant!“ ...schon die Art, wie<br />
er „Herr Leutnant“ gesagt hat, war unverschämt!<br />
...„Herr Leutnant, Sie werden mir<br />
doch zugeben, dass nicht alle Ihre Kameraden<br />
zum Militär gegangen sind, ausschließlichumdas<br />
Vaterlandzuverteidigen!“<br />
Als wenn er direktmich gemeint hätt’<br />
So eine Frechheit! Das wagt so ein Mensch<br />
einem Offizier ins Gesicht zu sagen! Wenn<br />
ich mich nur erinnern könnt’, was ich drauf<br />
geantwortet hab’ ...Der Doktor hat das absolut<br />
in dem Ton gesagt, als wenn erdirekt<br />
mich gemeint hätt’. Erhätt’ nur noch sagen<br />
müssen, dass sie mich aus dem Gymnasium<br />
hinausg’schmissen haben und dass ich deswegen<br />
in die Kadettenschul’ gesteckt worden<br />
bin ...Ah, wart’ nur, mein Lieber –bis<br />
zurKampfunfähigkeit...Jawohl, du sollstso<br />
kampfunfähig werden...<br />
Ja, was ist denn? Jetzt muss esdoch bald<br />
aus sein? ... „Ihr, seine Engel, lobet den<br />
Herrn“... – Freilich, das ist der Schlusschor<br />
... Wunderschön, da kann man gar<br />
nichts sagen. –Wenn sich die Kleine da vor<br />
mir nur einmal umdreh’n möcht’! So brav<br />
sitzts’alleweil da. Dasneben ihr istsicher die<br />
Mama. –Obich nicht doch einmal ernstlich<br />
ans Heiraten denken soll? Der Willy warnicht<br />
älter als ich, wieerhineingesprungen ist. Hat<br />
schon was für sich, so immer gleich ein hübsches<br />
Weiberl zuHaus vorrätig zu haben ...<br />
Bravo, bravo! Ah, aus! ...So, das tut wohl,<br />
aufsteh’n können, sich rühren ...„Pardon,<br />
pardon, wollen michnicht hinauslassen?“ ...<br />
Istdas ein Gedränge! Lassen wirdie Leut’lieber<br />
vorbeipassieren ...Elegante Person ...<br />
ARthur<br />
Schnitzler<br />
ob das echte Brillanten sind? ...Die da ist<br />
nett...Wie sie michanschaut! ...Oja, mein<br />
Fräulein, ich möcht’schon! ...O,die Nase! –<br />
Jüdin ...Noch eine ...Esist doch fabelhaft,<br />
da sind auch die Hälfte Juden ...nicht einmal<br />
ein Oratorium kann man mehr in Ruhe<br />
genießen ...–So, da ist der Ausgang ...Ah,<br />
die ist aber bildschön! Ganz allein? Wie sie<br />
michanlacht. Daswär’eine Idee,der geh’ ich<br />
nach! ...So, jetzt die Treppen hinunter: Oh,<br />
ein Major von Fünfundneunzig ...Sehr liebenswürdig<br />
hatergedankt...Bin dochnicht<br />
der einzige Offizier herin gewesen ...So, jetzt<br />
heißt’s noch zur Garderobe ...Herrgott, ist<br />
das ein Gedränge bei der Garderobe! ...Warten<br />
wir lieber noch ein bisserl ...So! Ob der<br />
Blödist meine Nummer nehmen möcht’? ...<br />
„Sie, zweihundertvierundzwanzig! Da hängt<br />
er! Na, hab’n Sie keine Augen? Da hängt er!<br />
Na,Gottsei Dank! ...Also bitte!“...<br />
Der Dicke da verstellt einem schier die<br />
ganze Garderobe ...„Bitte sehr!“...<br />
„Geduld,Geduld!“<br />
Wassagtder Kerl?<br />
„Nur ein bisserlGeduld!“<br />
Dem muss ich doch antworten ...„Machen<br />
SiedochPlatz!“<br />
„Na, Sie werden’s auch nicht versäumen!“<br />
Was sagt erda? Sagt er das zu mir? Das<br />
ist doch stark! Das kann ich mir nicht gefallen<br />
lassen! „Ruhig!“<br />
„Was meinen Sie?“ Ah, so ein Ton! Da<br />
hörtsich dochallesauf! „Stoßen Sienicht!“<br />
„Sie, halten Sie das Maul!“ Das hätt’ ich<br />
nicht sagen sollen, ich war zugrob ...Na,<br />
jetzt ist’sschon g’scheh’n!<br />
„Wie meinen?“<br />
Jetzt dreht er sich um ...Den kenn’ ich<br />
ja!–Donnerwetter, das istjader Bäckermeister,<br />
der immer ins Kaffeehaus kommt...<br />
Was macht denn der da? Ja, was ist denn<br />
das? Ja, was macht er denn? Mir scheint<br />
gar...Ja, meiner Seel’, erhat den Griff von<br />
meinem Säbelinder Hand ...Ja,ist derKerl<br />
verrückt? ...„Sie, Herr ...“<br />
„Sie, Herr Leutnant, sein S’jetzt ganz<br />
stad.“ Was sagt erda? Um Gottes willen, es<br />
hat’sdochkeinergehört? Nein, er red’t ganz<br />
leise ...Ja, warum lasst er denn meinen Säbel<br />
net aus? ...Herrgottnoch einmal ...Ah,<br />
da heißt’s rabiat sein ...ich bring’ seine<br />
Hand vom Griff nicht weg ...nur keinen<br />
Skandal jetzt!...Ist nicht am End’ der Major<br />
hinter mir? ...Bemerkt’s nurniemand, dass<br />
er den Griff von meinem Säbel hält? Er red’t<br />
ja zu mir! Wasred’t er denn?<br />
„Herr Leutnant, wenn Sie das geringste<br />
Aufsehen machen, so zieh’ ich den Säbel aus<br />
der Scheide, zerbrech’ ihn und schick’ die<br />
Stück’ an Ihr Regimentskommando. Versteh’n<br />
Siemich, Siedummer Bub?“<br />
Was hat er g’sagt? Mir scheint, ich<br />
träum’! Red’t er wirklich zu mir? Ich sollt’<br />
was antworten ...Aber der Kerl macht ja<br />
Ernst –der zieht wirklich den Säbel heraus.<br />
Herrgott –ertut’s! ...Ich spür’s, erreißt<br />
schon dran! Was red’t er denn? ...UmGottes<br />
willen, nur kein’ Skandal ––Was red’t er<br />
dennnoch immer?<br />
„Aber ich will Ihnen die Karriere nicht<br />
verderben ...Also, schön brav sein! ...So,<br />
hab’n S’keine Angst, ’s hatniemand wasgehört...esist<br />
schon alles gut...so! Unddamit<br />
keiner glaubt,dasswir uns gestritten haben,<br />
werd’ ich jetzt sehr freundlich mit Ihnen<br />
sein! –Habe die Ehre, Herr Leutnant,<br />
hatmichsehrgefreut –habedie Ehre!“<br />
Um Gottes willen,hab’ich geträumt? Hat<br />
er daswirklich gesagt? ...Woist er denn? ...<br />
Da geht er ...Ich müsst’jaden Säbelziehen<br />
und ihn zusammenhauen ––UmGottes willen,<br />
es hat’s doch niemand gehört? ...Nein,<br />
er hat ja nur ganz leise geredet, mir ins<br />
Ohr ...Warum geh’ ich denn nicht hin und<br />
hau’ ihm den Schädelauseinander? ...Nein,<br />
es geht ja nicht, esgeht janicht ... gleich<br />
hätt’ ich’s tun müssen ...Warum hab’ ich’s<br />
denn nicht gleich getan?...Ich hab’sjanicht<br />
können ... er hat jaden Griff nicht auslassen,<br />
und er ist zehnmal stärker als ich ...<br />
Wenn ich noch ein Wort gesagt hätt’, hätt’ er<br />
mir wirklich den Säbel zerbrochen ... Ich<br />
mussjanoch frohsein, dassernicht laut geredet<br />
hat! Wenn’sein Mensch gehörthätt’,so<br />
müsst’ich mich ja stante pede erschießen...<br />
Vielleicht ist es doch ein Traum gewesen ...<br />
Warum schaut mich denn der Herr dort an<br />
der Säule so an? –Hat der am End’ was gehört?<br />
Ich werd’ ihn fragen ...Fragen? –Ich<br />
bin ja verrückt! –Wie schau’ ich denn aus? –<br />
Merkt man mir was an? –Ich muss ganz<br />
blasssein.<br />
Was, ich bin schon auf der Straße? Wie<br />
bin ich denn da herausgekommen? – So<br />
kühl ist es...ah, der Wind, der ist gut ...<br />
Wer istdenn das da drüben?Warum schau’n<br />
denn die zu mir herüber? Am End’ haben<br />
die was gehört ...Nein, es kann niemand<br />
was gehört haben ... ich weiß ja, ich hab’<br />
mich gleich nachher umgeschaut! Aber gesagt<br />
hat er’s, wenn’s auch niemand gehört<br />
hat; gesagt hat er’s doch. Und ich bin dagestanden<br />
und hab’ mir’s gefallen lassen, wie<br />
wenn mich einer vor den Kopf geschlagen<br />
hätt’! ...Mir sagt das einer! Mir sagt das so<br />
ein Kerl, so ein Hund! Und erkennt mich<br />
Herrgott noch einmal, er kennt mich, er<br />
weiß, wer ich bin! Er kann jedem Menschen<br />
erzählen, dassermir das g’sagthat!...Nein,<br />
nein, das wird er ja nicht tun, sonst hätt’ er<br />
auch nicht soleise geredet ... er hat auch<br />
nur wollen, dass ich es allein hör’...Aber<br />
wer garantiert mir, dass er’s nicht doch erzählt,<br />
heut oder morgen, seiner Frau, seiner<br />
Tochter,seinen Bekannten im Kaffeehaus. –<br />
Um Gottes willen, morgen seh’ ich ihn ja<br />
wieder! Wenn ich morgen ins Kaffeehaus<br />
komm’, sitzt er wieder dort wie alle Tag’ und<br />
spielt seinen Tapper mit dem Herrn Schlesinger<br />
und mit dem Kunstblumenhändler<br />
...Nein, nein, das geht ja nicht,das geht<br />
ja nicht ...Wenn ich ihn seh’,sohau’ich ihn<br />
zusammen...Nein, das darfich ja nicht ...<br />
gleich hätt’ ich’s tun müssen, gleich! ...<br />
Wenn’s nurgegangenwär’!<br />
Sind das Freiwillige da drüben?<br />
Ich werd’ zum Obersten geh’n und ihm die<br />
Sachemelden ...ja, zum Obersten ...Was er<br />
sagen wird? –Aber da gibt’s ja nureins:quittieren<br />
mit Schimpf und Schand’ –quittieren!<br />
...Sind das Freiwillige da drüben? ...<br />
Ekelhaft, bei der Nacht schau’n sie aus wie<br />
Offiziere ...sie salutieren! –Wenn die wüssten<br />
–wenn die wüssten! ...––Wenn ich jetzt<br />
zu ihm in die Wohnung ginge und ihn beschwören<br />
möchte, dass er’s niemandem erzählt?<br />
...–Ah, lieber gleich eine Kugel vor<br />
den Kopf als so was! ...Wär’ so dasGescheiteste!<br />
...Das Gescheiteste? Das Gescheiteste?<br />
–Gibt ja überhaupt nichts anderes ...gibt<br />
nichts anderes ...Wenn ich den Oberst fragen<br />
möcht’, oder den Kopetzky –oder den<br />
Blany –oder den Friedmaier: –jeder möcht’<br />
sagen: Es bleibt dir nichts anderes übrig! Wie<br />
wär’s, wenn ich mit dem Kopetzky<br />
spräch’? Ja, es wär’ doch das Vernünf-<br />
“Erfolg ist eine Reise, kein Ziel”<br />
Iro &Partners gratuliert zu <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n “Die Presse” -<br />
zu Leistung, Professionalität und Engagement.<br />
Ein herzliches Dankeschön für viele <strong>Jahre</strong> vertrauensvoller<br />
und fairer Zusammenarbeit!<br />
die erste onlinevermögensverwaltung<br />
mit 190 jahren<br />
investmenterfahrung.<br />
carl-spaengler.at<br />
Online-Vermögensverwaltung<br />
aus bestem Hause.<br />
www.iropartners.at<br />
Bitte beachten Sie Risiken, die mit Wertpapierveranlagungen einhergehen. Näheres dazu in den Risikohinweisen.
Frei<br />
Der Begriff Freiheit istinÖsterreichauf ewig mit der Staatsvertragsunterzeichnung<br />
am 15. Mai 1955 im Wiener Schloss Belvedere verbunden. Auch wenn<br />
der berühmte Satz„Österreichist frei“von Außenminister Leopold Figl im Sitzungssaal<br />
und nicht, wie die Wochenschau suggerierte, auf dem Balkon des<br />
Belvedere gefallen war. Nicht nur Österreich wurde diese Gnade der Eigenstaatlichkeit<br />
nach dem Zerfall Europas im Zweiten Weltkrieg zuteil. Hatten die Vereinten Nationen<br />
bei ihrer Gründung 1945 nur 45Mitglieder, ist mit dem Südsudan zuletzt das 193. Mitglied dazugekommen.<br />
„Frei“ istein zentraler Herzensbegriff für „Die Presse“seit ihrer Gründung 1848. Die Eigenverantwortung,Wahlfreiheit<br />
und Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnenist einer der Schlüssel für ein<br />
geglücktes Leben. Die Begründer der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, die den theoretischen<br />
Unterbaufür diese Freiheitlieferten, haben allesamt auch in der „Presse“ geschrieben.<br />
ESSAY<br />
Und wieder so<br />
schön gruppiert<br />
Warum Toleranz, Offenheit<br />
und Freiheit an Bedeutung<br />
verlieren, die<br />
Individualitätzunehmend<br />
dem Druck von<br />
Gruppeneinteilungen<br />
weichen muss. S. 74<br />
ORIGINALTEXT<br />
Zum 75.<br />
Geburtstage<br />
Karl Mengers<br />
DerÖkonom Joseph<br />
Schumpetergratuliert<br />
am 23.Februar1915<br />
dem Gründer der<br />
„Österreichischen<br />
Schule“. S. 78<br />
<strong>170</strong>JAHRE PRESSE<br />
Thomas<br />
Bernhards<br />
Missverständnis<br />
RobertMenasse erinnert<br />
sich einer Anekdote<br />
über die „Revitalisierung“<br />
der alten<br />
Presseaus dem Jahr<br />
1848. S. 79<br />
Kunstgenuss in München<br />
<strong>170</strong> Jahr<br />
Jubiläumsangebot<br />
3TageimArthotel Ana Diva **** €<strong>170</strong> p.P.<br />
Info&Buchung: kostenlos unter 0800 560 080,per Mail an service@reisethek.at oder auf www.reisethek.at<br />
Highlights:<br />
• 2Übernachtungen im<br />
Arthotel Ana Diva****<br />
in München<br />
• täglich Frühstücksbuffet<br />
• Tageseintritt für die<br />
Sammlungspräsentation<br />
„Der Blaue Reiter“ im<br />
Lenbachhaus inkl.<br />
Audioguide<br />
• ein stilvolles Abendessen<br />
in einem Jugendstil-<br />
Restaurant<br />
• etc.<br />
Reisezeitraum:<br />
30.07.-09.09.18<br />
Diese Bewerbung ist lediglich auszugsweise und<br />
hat nur informativen Charakter; Details zum<br />
Reiseverlauf,den inkludierten Leistungen, der<br />
Buchungsabwicklung, den AGBund den Rahmenbedingungen<br />
zum Reiseangebot finden Sie auf<br />
www.reisethek.at. Veranstalter: Robin Tours<br />
Angebot gilt ausschließlich für „Presse“-Club-<br />
©istock Mitglieder.<br />
Der blaue Reiter<br />
REISETHEK.AT
SAMSTAG, 9. JUNI 2018 FREI 75<br />
@FreedrichHayek würde Bitcoin kaufen<br />
Essay. Sie wurden ignoriert, bekämpft und vertrieben –die Propheten der österreichischen Ökonomie. Aber Finanzkrise<br />
und Internet haben ihnen nach mehr als 100 <strong>Jahre</strong>n ein Comeback verschafft. Und jetzt gibt es auch noch Bitcoin.<br />
VON NIKOLAUS JILCH<br />
Ein Prophet gilt nirgends weniger als in<br />
seinem eigenen Vaterland. Jesus hat<br />
das gesagt. Angeblich. So steht esjedenfalls<br />
in der Bibel. Heute gilt dieser<br />
deprimierende Satz als Sprichwort, dessen<br />
Bestätigung Österreich zur Kunstform erhoben<br />
hat. Nirgends wird das sichtbarer als<br />
beim Schicksal „unserer“ Ökonomen aus<br />
der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“.<br />
International werden sie gefeiert,<br />
zu Hause ignoriertoder garangefeindet.<br />
Es hat nicht weniger als eine globale Wirtschaftskrise<br />
und eine technologische Revolution<br />
gebraucht, umihre Ideen auch in der<br />
Heimat wieder bekanntzumachen.<br />
Nach mehr als 100 <strong>Jahre</strong>n, in einer neuen<br />
Welt. Würde Carl Menger, der die Wirtschaftswissenschaften<br />
Ende des 18. Jahrhunderts<br />
von Wien aus revolutionieren sollte,die<br />
Stätte seines Wirkens heutewieder erkennen?<br />
Was würde Ludwig von Mises zu<br />
den Positionen der Wirtschaftskammer sagen,<br />
deren Chefökonom er einmal war?<br />
Würde Fritz Machlup, der 1925 unter Mises<br />
eine Dissertation mit dem Titel „Die Goldkernwährung“<br />
geschrieben hat, mit den<br />
bunten Euro-Scheinen zurechtkommen?<br />
Und wie würde es Eugen von Böhm-Bawerk<br />
gehen, den manche immerhin noch von der<br />
Hundert-Schilling-Note kennen?<br />
rische Bücher über Marx schreiben –und<br />
sich dann besonders schlau vorkommen,<br />
weil Ö1 sie wieder einmal eingeladenhat.<br />
„Nicht der Kapitalismus hat versagt,<br />
sondern die Wirtschaftspolitik des Interventionismus,<br />
Etatismus und Sozialismus, die<br />
seit Jahrzehnten am Ruder ist. Nicht noch<br />
mehr Staatseingriffe, Sozialismus, Planwirtschaft,<br />
Staatskapitalismus können uns helfen,<br />
sondern allein die Einsicht, dass eine<br />
Hebung der Lebenshaltung nur durch mehr<br />
Arbeit und durch Bildung von neuem Kapital<br />
bewirkt werden kann“, schrieb Mises<br />
schon 1931 in der „Neuen Freien Presse“.<br />
Der Nationalbank würde Mises trotz aller<br />
Kritik wohl applaudieren, weil sie die<br />
Goldreserven nach Hause holt. Die erstaunliche<br />
Erfolgsgeschichte der Philharmoniker-<br />
Münze würde ihn faszinieren. Immerhin haben<br />
er und vieleder frühen Österreicher immer<br />
schon gewusst, was angeblich der Banker<br />
JP Morgan einmal gesagt hat: „Gold ist<br />
Geld, alles andere ist Kredit.“ Und Hayek,<br />
Mises’ Schüler, der mehr als alle anderen<br />
„Österreicher“ zu Ruhm gelangte, weil er<br />
den Nobelpreis erhielt?<br />
Geld muss nicht vom Staat kommen<br />
Der würde Bitcoin kaufen und Vorträge vor<br />
hunderten jungen Menschen mit T-Shirts<br />
und Laptops halten. Kein Scherz. Hayek würde<br />
keine Gastkommentare schicken, sondern<br />
einen Blog auf der „Presse“-Website schreiben.<br />
Er hätte zehntausende Fans auf Instagram<br />
und würde als @FreedrichHayek auf<br />
Twitter hitzige Debatten mit Journalisten und<br />
Politikern über Freiheit führen. Die würden<br />
ihn für verrückt erklären. Es wäre ihm egal. Er<br />
hatdas alles kommen sehen.<br />
Niemand wäre vom technologischen<br />
Durchbruch des Bitcoin-Protokolls, das erstmals<br />
sichere Wertübertragung übers Internet<br />
ermöglicht, mehr fasziniert als Friedrich<br />
August von Hayek, der 1973 sein Buch über<br />
die „Entnationalisierung des Geldes“ geschrieben<br />
hat. Darin ist Hayek noch weiter<br />
gegangen als seine Lehrer und stellt die Frage,<br />
obman die Wahl der besten Währung<br />
nicht auch dem Markt überlassen sollte. Es<br />
war ein Angriff auf den Status quo, in dem<br />
die staatlich beauftragten Zentralbanken alles<br />
lenken. Bitcoin istauch so ein Angriff.<br />
Freilich: Was die Mainstream-Akzeptanz<br />
dieser Idee betrifft, dass das Geld nicht nur<br />
vom Staat kommen muss, stehen wir ganz<br />
am Anfang. Nochherrscht eher Schumpeters<br />
Chaosals Hayeksneue Ordnung. DasExperiment<br />
kann scheitern. Nichts für schwache<br />
Nerven.<br />
Aber die junge Generation, aufgewachsen<br />
mit der Krise, saugt solche Sachen auf.<br />
Und keine seriöse Erörterung der Ökonomie<br />
hinter Bitcoin kommt ohne die Ideen der<br />
„Austrians“ aus, die Propheten aus Österreich.<br />
Sie wurden ignoriert, bekämpft und<br />
vertrieben. Aber jetzt sind sie wieder da.<br />
Vom Internet wieder entdeckt<br />
Vielleicht würden sie zuerst zuetwas greifen,<br />
das sie kennen. Zur „Presse“ etwa, für<br />
die sie alle geschrieben haben, als Europa<br />
schon aufden Untergang zuwankte. Immerhin<br />
hält diese Zeitung heute noch am ehesten<br />
die Fackel des klassischen Liberalismus<br />
in die Höhe und fragt abund an kritisch<br />
nach, obder Staat wirklich soviel Macht,<br />
Kontrolle und Geld braucht –und waserdamit<br />
eigentlich vorhat.<br />
Und wenn sie sich dann angefreundet<br />
haben mit der U-Bahn, dem Kaffee im Pappbecher<br />
und der Funktionsweise von Windows<br />
10, vielleicht würden sie wieder in die<br />
Die Ökonomen der „Austrian<br />
School“erleben seit der Krise<br />
eine Renaissance, angefeuert<br />
vomInternet.Von Menger<br />
bis Mises, vonHayek bis<br />
Schumpeter: Sie alle<br />
schrieben zu ihrer Zeit auch<br />
für die „Neue Freie Presse“.<br />
Alles Gute zum<br />
<strong>170</strong>-<strong>Jahre</strong>-Jubiläum!<br />
Tasten hauen. Zu sagen gäbe es genug. Immerhin<br />
hateseinen Grund, dassdie „Österreicher“,<br />
längst als „Austrian Economists“<br />
internationalisiert, heute als Propheten gefeiertwerden.<br />
Dass sievom Internet wiederentdeckt<br />
wurden, nachdem sie nicht nur<br />
von ihren Landsleuten, sondern von Kollegen<br />
in der ganzen Welt jahrzehntelang ignoriertworden<br />
waren.<br />
Die Notenpressen laufen wieder<br />
Die „Österreicher“ haben schon damals gewarnt,<br />
als Europa zuerstvon Krieg, dann von<br />
der Inflation und dann wieder vom Krieg<br />
zerstört wurde. Denker wie Mises und sein<br />
Schüler Hayek haben den Aufstieg und Untergang<br />
des Sozialismus vorhergesehen –<br />
und die fatalen Folgen der wildgewordenen<br />
Geldpolitik. Mises selbst hat in den 1920er<br />
<strong>Jahre</strong>n in der „Neuen Freien Presse“ schon<br />
„Gegen eine weitere Verwendung der Notenpresse“<br />
angeschrieben. Pointiert aber erfolglos.<br />
Solche Texte ließen sich 100 <strong>Jahre</strong><br />
später einfach erneutabdrucken.<br />
Immerhin laufen sie wieder, die Notenpressen.<br />
Überall auf der Welt. So haben wir<br />
den Herzstillstand behandelt, den die Weltwirtschaft<br />
2008 erlitten hat. Damit die Party<br />
noch weitergeht. Die „Österreicher“ würden<br />
auch gegen die weit verbreitete Annahme<br />
anschreiben, dass„der Kapitalismus“ an der<br />
Krise schuld wäre.<br />
Und sie würden dabei die schlecht konstruierten<br />
Kartenhäuser jener Alt-68er umblasen,<br />
die in ihren Dachgeschoßwohnungen<br />
in Naschmarktnähe noch immer eupho-<br />
© METAStadt<br />
Die Presse wird<strong>170</strong>,Wienerberger gratuliert.<br />
Zu kritischer Berichterstattung, Transparenz undtagesaktuellem Journalismus.<br />
Schließlich verfolgen wir als Unternehmen mit 200 <strong>Jahre</strong>n Tradition diese<br />
Erfolgsgeschichte seit Anbeginn und wünschen weiterhin stetiges Wachstum.<br />
wienerberger.com<br />
Danke,<br />
altes<br />
Haus!
76 FREI SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
Wenn alte Staaten zerfallen und neue entstehen<br />
Veränderte Landkarte. Bei ihrer Gründung zählte die UNO 51 Mitgliedsländer,heute sind es 193. Das Streben nach einem<br />
eigenen Staatging Hand in Hand mit dem Wunsch nach mehr Freiheit. Doch der hatsich nicht immer erfüllt.<br />
VON WIELAND SCHNEIDER<br />
Danke für <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> sauberen Journalismus!<br />
Danke, Wasserkraft!<br />
Ob 100%saubere Berichterstattung oder 100 %saubere Energie: Qualität setzt<br />
sich eben durch. VERBUND gratuliert der Tageszeitung Die Presse ganz herzlich<br />
zum Jubiläum und wünscht alles Gute für die Zukunft!<br />
Mehr auf www.verbund.com<br />
Es war ein langer, blutiger Weg. Seit den<br />
1950er-<strong>Jahre</strong>n kämpften Aufständische<br />
–mit nurzehn<strong>Jahre</strong>n Unterbrechung–<br />
gegen Sudans Militär. 2005 endete der<br />
Krieg, der Kampf wurde mit diplomatischen<br />
Mitteln fortgeführt. Dann, nach einem Referendum,<br />
ging der Wunsch nach Unabhängigkeit<br />
in Erfüllung: Am 9. Juli 2011 wurde<br />
der Südsudan ein neuer, international anerkannter<br />
Staat. Doch die Freiheit schmeckt<br />
heute für viele Südsudanesen bitter. Das eigene<br />
Land, das sich so vieleerträumt hatten,<br />
ist mittlerweile zum Albtraumland geworden.<br />
Seine neuen Herren stürzten es in<br />
einen Bürgerkrieg, weil sie sich nicht aufdie<br />
Verteilungder Macht einigen konnten.<br />
Als Mitglied Nummer 193 ist der Südsudan<br />
der vorläufig letzte Staat,der in die Vereinten<br />
Nationen aufgenommen worden ist.<br />
Nur51Länder zählte die UNO bei der Gründung<br />
1945. Nach und nach kamen weitere<br />
dazu.1949 etwa Israel, später mehrere europäische<br />
Länder,ÖsterreichimJahr 1955.<br />
Warummanche den Vereinten Nationen<br />
spät beitraten, hat verschiedenste Gründe.<br />
Einer davon ist, dass sie erst eigenständige<br />
Staaten geworden waren. Für sie war die<br />
UN-Mitgliedschaft gleichsam die internationale<br />
Zertifizierung dafür, nun –zumindest<br />
auf dem Papier –selbst über ihr Schicksal<br />
bestimmen zu dürfen. So gab es1960 eine<br />
ganze Reihe von Neuzugängen –darunter<br />
Kamerun, Tschad und Nigeria. Lang waren<br />
sie von den europäischen Kolonialmächten<br />
beherrscht worden. Nun erhielten diese Nationen<br />
–offiziell –die Freiheitzurück.<br />
Die Nationswerdungselbstwar dabei oft<br />
nicht einfach. Die Europäer hatten in Afrika<br />
und Asien die Grenzen ihrer Einflusszonen<br />
gleichsam mit dem Lineal gezogen –ohne<br />
Rücksicht aufkulturelle und ethnische Gegebenheiten.<br />
Historisch gewachsene Siedlungsräume<br />
wurden durchtrennt. Angehörige<br />
desselben Volkes fanden sich auf verschiedenen<br />
Seiten von Kolonial- und später<br />
Landesgrenzen wieder. Zugleich entstanden<br />
gewaltige, multiethnische Staatsgebilde. So<br />
ist etwa Nigeria mit seinen 190 Millionen<br />
Einwohnern Heimat von mehr als 250 Völkern<br />
und größeren ethnischen Gruppen.<br />
Nach dem Motto „Teile und Herrsche“<br />
vertieften die Kolonialherren in ihren Territorien<br />
die Unterschiede zwischen ethnischen<br />
und religiösen Gemeinschaften noch.<br />
Sie pflanzten damit einen giftigen Keim für<br />
spätere Konflikte – etwa in Ruanda. Der<br />
neue Staat als Zeichen neuer Freiheit brachte<br />
so in vielen Fällen auch neue Probleme.<br />
Den Nahen Osten teilten Briten und<br />
Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg untereinander<br />
auf und zerstörten so arabische<br />
Träume von Freiheit in einem arabischen<br />
Königreich. Die Grenzen, die sie damals zogen,gelten<br />
in der arabischen Welt nochheute<br />
als Produkt westlichen Großmachtgehabes.<br />
Trotzdem scheiterten in den 1950erund1960er-<strong>Jahre</strong>narabischePolitikermit<br />
ihren<br />
Versuchen, Länder wie Ägypten, Syrien<br />
und den Irak zu einem Staat zusammenzuschließen.<br />
Und die Palästinenser warten<br />
heute nach wievor aufihren eigenen Staat.<br />
Selbstbestimmung oderintakte Grenzen<br />
Die Kurden gingen bei der Schaffung neuer<br />
Staaten ausder Nachlassmasse des Osmanischen<br />
Reiches völlig leer aus. Das wirkt bis<br />
heute nach. Der kurdische Kampf um mehr<br />
Freiheit war soauch immer wieder mit dem<br />
Streben nach Unabhängigkeit verbunden. In<br />
der Türkei startete die Arbeiterpartei Kurdistans<br />
(PKK) in den 1980er-<strong>Jahre</strong>n einen Untergrundkrieg<br />
–mit der Vision, einen sozialistischen<br />
Kurdenstaat zu errichten. Mittlerweile<br />
hat die PKK dieses Ziel offiziell aufgegeben.<br />
Der Nationalstaat sei der Ursprung<br />
allen Übels, postulieren ihre Anführer. Freiheit,<br />
sagt die PKK, könne nur durch den sogenannten<br />
„Demokratischen Konföderalismus“<br />
gewonnen werden –eine Art regionales,<br />
basisdemokratisches System. Die<br />
Schwesterpartei der PKK,die PYD, versucht,<br />
dieses System in Syrien umzusetzen –freilich<br />
unter der Vorherrschaft ihrerPartei.<br />
Im Irak haben die Kurden die Schaffung<br />
eines eigenen Nationalstaates nach wie vor<br />
auf der Agenda. Von Diktator Saddam Hussein<br />
wurden sie brutal unterdrückt. Nach<br />
dessen Sturz 2003 erhielten sie weitreichende<br />
Autonomie. Im September 2017 ging die<br />
Führung der Kurdenregion aufs Ganze und<br />
hielt ein Unabhängigkeitsreferendum ab.<br />
Trotzeines überwältigenden Ja zum eigenen<br />
Staat blieb der Weg dorthin aber versperrt.<br />
Denn die Zentralregierung in Bagdad und<br />
die Nachbarländer reagierten mit Blockaden<br />
und Drohungen. Undvon den USAund den<br />
Europäernkam keine Hilfe.<br />
Was nützt das ganze Bemühen um Eigenstaatlichkeit,<br />
wenn es dafür keine internationale<br />
Unterstützung gibt? Der Grundsatz<br />
vom Selbstbestimmungsrecht der Völker<br />
steht dem Grundsatz der Unverletzlichkeit<br />
von Grenzen gegenüber. Dazukommen<br />
politische Abwägungen, die Sorge, welche<br />
Folgeneine Grenzänderung in der gesamten<br />
Nachbarschaft haben könnte. Wenn sich die<br />
Regierungdes Gesamtstaates gegen eine Abspaltung<br />
querlegt,hat man wenig Chancen –<br />
es sei denn, man hat sehr triftige Gründe<br />
und international mächtige Verbündete.<br />
So steht Kataloniens Regionalregierung<br />
mit dem Versuch, sich von Spanien zu lösen,<br />
auf aussichtslosem Posten. Madrid ist dagegen,<br />
alle EU-Mitglieder sind dagegen. Und<br />
internationale Medien sind nur schwer davon<br />
zu überzeugen, dass die reiche autonome<br />
Region Katalonien ein eigener Staat sein<br />
muss, um ausreichend Freiheit zu genießen.<br />
Ende der Sowjetunion und Jugoslawiens<br />
Auch in Europa sind in den vergangenen<br />
Jahrzehnten viele neue Länder entstanden.<br />
Die größte Änderung brachte der Zerfall der<br />
Sowjetunion 1991 in ihre ehemaligen Republiken.<br />
Die Ukraine, Belarus und die baltischen<br />
Staaten etwawurden unabhängig.<br />
In den 1990er-<strong>Jahre</strong>n zerfiel auch Jugoslawien<br />
–unter dem Getöse eines verheerenden<br />
Krieges. Die Unabhängigkeitserklärung<br />
des Kosovos 2008 istnur der letzte Baustein<br />
in der neuen Zusammensetzung des<br />
Balkans. Nach langjähriger Unterdrückung<br />
durch das serbische Regime, einem bewaffneten<br />
Aufstand und massiver militärischer<br />
Hilfe durch die Nato entledigten sich die Kosovo-Albaner<br />
der Kontrolle Belgrads. Es<br />
folgten UN-Verwaltung, internationale Statusverhandlungen<br />
und die Ausrufungdes eigenen<br />
Staates. 112 UN-Mitgliedsländer haben<br />
die Unabhängigkeit des Kosovos bisher<br />
anerkannt. Serbien und sein Freund Russland<br />
sind nicht darunter. Die UN-Mitgliedschaft<br />
bleibt dem Kosovo deshalb versperrt.<br />
Die politische Klasse des Kosovos hatte<br />
der Bevölkerung jahrelang versprochen,<br />
dass die Eigenstaatlichkeit alle Probleme lösen<br />
würde. Es hatsich aber auch in anderen<br />
Balkanländern gezeigt, dass imneuen Staat<br />
neue Probleme warten können und Unabhängigkeit<br />
allein kein Heilmittel gegen Korruption<br />
und Arbeitslosigkeit ist.<br />
Von Verhältnissen wie inSüdosteuropa<br />
kann das jüngste UN-Mitglied Südsudan<br />
freilich nur träumen. Seine neue Freiheit ist<br />
in einem Meer ausBlut untergegangen.
78 FREI SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
Jubiläum. Der Ökonom Joseph Schumpeter gratuliertam23. Februar 1915dem Gründer der „Österreichischen Schule“.<br />
Zum 75.Geburtstage Karl Mengers<br />
VON JOSEPH SCHUMPETER<br />
Joseph<br />
Schumpeter<br />
Alle die Schüler und Bewunderer, die<br />
morgen Karl Mengers 75. Geburtstag<br />
feiern werden, haben die Freude,zusehen,<br />
wie er, in behaglicher Ruhe und<br />
voller Kraft seinen Forschungen zugewendet,<br />
die Früchte seines Denkerlebens<br />
pflückt. Wie ein gewaltiger Felsblock ragt er<br />
aus dem Strome der Zeit, und das wissenschaftliche<br />
Leben der Gegenwart hat wenige,die<br />
ihm gleichen.<br />
Darüber wäre kein Wort zu verlieren,<br />
wenn seine Leistung in einer Wissenschaft<br />
läge, deren Errungenschaften weiten Kreisen<br />
vertraut sind. Allein von der Sozialökonomie<br />
dringt nur selten etwas anderes als<br />
die Diskussion politischer Tagesfragen an<br />
die Öffentlichkeit, und immer wieder sieht<br />
man sich genötigt, dieser Öffentlichkeit erst<br />
zu sagen, daß es auch im Wirtschaftsleben<br />
„ein Unten und ein Oben“ gibt, das heißt,<br />
daß es so große Zusammenhänge gibt, die<br />
ebensoGegenstände exakter Forschungsein<br />
können, wie die Bewegungen der schweren<br />
Körper, und daß die Erforschung dieser Zusammenhänge<br />
gerade so weit vom Tagesinteresse<br />
ab liegen, wie die theoretische Mechanik.<br />
Dasreine Interesse an der theoretischen<br />
Wahrheit um ihrer selbst willen ist auf diesem<br />
Gebiete spät erwacht und hat bisher<br />
drei Zeiten der Blüte gesehen: Einmal um<br />
die Wende des siebzehnten und achtzehnten<br />
Jahrhunderts. Das waren die Anfänge.<br />
Dann von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts<br />
bis in die zwanziger <strong>Jahre</strong> des<br />
neunzehnten Jahrhunderts. Aus dieser Zeit<br />
leuchten die Namen Quesnays und Ricardos<br />
herüber. Endlich eine Blütezeit, die ihr gegen<br />
Ende des neunzehnten Jahrhunderts<br />
wurde –an ihrer Schwelle steht die Gestalt<br />
Karl Mengers. Er hat der theoretischen Sozialökonomie<br />
das Größte gegeben, das ein<br />
Forscher überhaupt geben kann: Nicht eine<br />
neue Methode, auch kein neues Programm<br />
etwa – sondern ein neues Grundprinzip,<br />
einen neuen Grundgedanken, der sie ganz<br />
umfaßte, sich als außerordentlich fruchtbar<br />
erwies,und der ausihr etwasNeues machte,<br />
der die Wissenschaft aus den alten Angeln<br />
hob und in neue Angeln einsetzte.<br />
Auf dem Grunde dieses Gedankens lassen<br />
sich die großen Züge des wirtschaftlichen<br />
Handels und Lebens der Menschheit<br />
mit einem einzigen kausalen Band des Verständnisses<br />
umschlingen, und eine glänzende<br />
Einheitlichkeit des Lehrgebäudes tritt an<br />
die Stelle des Flickwerkes des Alten. Dieser<br />
Grundgedanke, die Erklärung aller Formen<br />
des sozialen Wirtschaftsprozesses auseinem<br />
Grundgesetz des menschlichen Motivlebens,<br />
ist an sich wie alle großen Gedanken<br />
sehr einfach.<br />
Wie alle großen Gedanken hat auch dieser<br />
früher oft angeklungen, aber man wußte<br />
nichts mit ihm anzufangen, unüberbrückbar<br />
erschien die Kluft zwischen dem, was inder<br />
sozialen Wirklichkeit um uns vorgeht, und<br />
dem Wollen und Fühlen des einzelnen Wirtschaftssubjektes.<br />
Deshalb schob man ihn beiseite,<br />
obgleich ein Nationalökonom nach<br />
dem anderen sehnsüchtig nach diesem so<br />
nahe liegenden und doch sounerreichbaren<br />
Erklärungsprinzip langte. Was Generationen<br />
nicht gelang, istMenger gelungen. Undwenn<br />
es überhaupt erlaubt ist, irgend etwas, wasin<br />
einer jungen und unvollkommenen Disziplin,<br />
wieesdie Sozialökonomie ist, geschieht,<br />
mit den stolzen Bauten der Naturwissenschaft<br />
zu vergleichen, so findet diese Leistung<br />
in der Tatihre Analogie in Leistungenwie jenen<br />
von Kopernikus,Newton, R. Mayer.<br />
Man mag über Wert und Aussichten der<br />
theoretischen Ökonomie denken wie man<br />
will, und man wird kaum sehr sanguinisch<br />
sein können, wenn man überlegt, welche<br />
Reihe von Jahrhunderten weltabgewandter<br />
Arbeit nötig war, um die Naturwissenschaften<br />
dorthin zu führen, wo sie stehen, und<br />
namentlich zu jenen „praktischen Resultaten“,<br />
nach denen der Laie die Wissenschaft<br />
allein beurteilt —aber daß Menger in der<br />
Sozialökonomie Geschichte gemacht hat,<br />
kann nicht wohl bezweifelt werden.<br />
Doch das genügtnoch nichtzur Beurteilung<br />
des Mannes. In anderen, glücklicheren<br />
Feldern der Wissenschaft findet ein jeder<br />
alle Werkzeuge vorbereitet, alle Probleme<br />
präzis gestellt, und all dies wird dem Jünger<br />
von wohlgeübter, sicherer Hand im normalen<br />
Studiengange dargeboten. Für Menger<br />
gab esdas alles nicht, erknüpfte an keine<br />
Tradition an–die gab es in Österreich damals<br />
nicht, die hat erst er geschaffen. Niemand<br />
ermutigte ihn, niemand konnte ihn<br />
anregenoder beraten.<br />
Dafür trat ihm ein jeder nach Tunlichkeit<br />
inden Weg. Seine Lehrer hatten nicht<br />
etwa nur keine Sympathien, sondern auch<br />
keine Spur von Verständnis für seine Ziele.<br />
Seine Altersgenossen in Österreich oder in<br />
Deutschland wußten kaum, was erwollte.<br />
Wie aus einer andern Welt –unerklärlich,<br />
ursachenlos –sind Menger, Böhm-Bawerk<br />
und Wieser in der Sozialökonomie von damals<br />
aufgetaucht, und keine der Erfahrungen,<br />
die schöpferische Geister immer zu machen<br />
haben, blieb ihnen erspart. Allem und<br />
ohne alle äußeren Mittel haben sie schließlich<br />
den besten Teil der modernen Sozialökonomie<br />
geschaffen und ihren großenSieg<br />
erfochten.<br />
Dieser Sieg kam spät, aber vollständig.<br />
Überall, wo Sozialökonomie aufder Erde betrieben<br />
wird, haben diese drei ihren Ideenkreis<br />
durchgesetzt, und überall wurden der<br />
eigentlichen sogenannten „Mengerschule“<br />
entsprechende Richtungen hervorgerufen.<br />
Nie sonst und auf keinem anderen Gebiet<br />
der Wissenschaft ist ein so starker Einfluß<br />
von Österreich ausgegangen. Karl Menger<br />
hatnie seine Kraft in Massenproduktionvergeudet.<br />
Echtes wächst nur in jahrelanger<br />
Stille heran, und wie alle seine Bücher<br />
so waren auch seine „Grundsätze der<br />
Es kommt nicht<br />
auf die Länge an!<br />
<strong>170</strong><strong>Jahre</strong> Die Presse<br />
5<strong>Jahre</strong> MuTh<br />
…Dennoch gratulieren wir<br />
der PRESSE voll Bewunderung<br />
zum Jubiläum!<br />
Konzertsaal derWienerSängerknaben<br />
www.muth.at
SAMSTAG, 9. JUNI 2018 FREI 79<br />
Volkswirtschaftslehre“ die Frucht seiner<br />
besten <strong>Jahre</strong>. Sie erschienen 1871 und lange<br />
haternachher geschwiegen, ganz so wiedie<br />
Großen vor hundert <strong>Jahre</strong>n, deren Werke<br />
auf uns einen so eigenartig tiefen Eindruck<br />
machen, weil sie unserer Tretmühlenarbeit<br />
so fern stehen.<br />
Menger verstand es immer, die Atmosphäre,<br />
die einem Denkerleben frommt, um<br />
sich festzuhalten, und er hat nie gehastet,<br />
nie nach Erfolg gefragt, nie an dem Streit des<br />
Augenblickes teilgenommen. Erst 13 <strong>Jahre</strong><br />
später publizierte er seine „Methodenlehre“.<br />
Von diesem Buch sei nur das eine gesagt,<br />
daß wir, nachdem wir seither unermüdlich<br />
über Methoden- und Prinzipienfragen gestritten<br />
haben, nunnach 30 <strong>Jahre</strong>n ungefähr<br />
auf dem Standpunkte dieses Buches angelangt<br />
sind. Das hätten wir billiger haben<br />
können: aber es charakterisiert die Größe<br />
des Buches und des Mannes. Wie von seinen<br />
„Grundsätzen“ ein starker Einfluß auf<br />
die Psychologie ausging, so wirkte seine<br />
„Methodenlehre“ auf die Erkenntnistheorie<br />
und auf die allgemeine Methodologie, und<br />
der wissenschaftliche Wanderer stößt oft im<br />
feindlichen Lager, woersich dessen am wenigsten<br />
vorsieht,auf MengersGedanken.<br />
Von seinen sonstigen Arbeiten erwähne<br />
ich noch seine „Theorie des Kapitals“ (1888)<br />
undseine„Geldtheorie“–letztere im „Handwörterbuch<br />
der Staatswissenschaften“. Auf<br />
dem Gebiete der Geldforschung hat ersich<br />
auch zu praktischen Fragen geäußert, gelegentlich<br />
der Währungsenquete (1892), sonst<br />
nursehrselten,zum Beispiel bei Gelegenheit<br />
der Wohnungsenquete 1904. Zu weiteren<br />
Kreisen sprach er im übrigen bloßinden Artikeln,<br />
die er von Zeit zuZeit inder „Neuen<br />
Freien Presse“ publizierte.<br />
Thomas Bernhards Missverständnis<br />
Anekdote. Über die „Revitalisierung“der alten Presse ausdem Jahr 1848.<br />
VON ROBERTMENASSE<br />
In einem Interview, das er Ende der<br />
Siebzigerjahre der österreichischen Tageszeitung<br />
„Die Presse“ gab, erzählte<br />
Thomas Bernhard, dass erbei einem<br />
Besuch der Steiermark („ein Bundesland,<br />
das noch deprimierender ist als Kärnten!<br />
Andererseits: man erspart sich dort Oberösterreich!“)<br />
vom Wirt des „Landgasthofes<br />
mit Fremdenzimmern“, wo er „als Fremder<br />
selbstverständlich ein Zimmer“ genommen<br />
hatte, gefragt wurde, ober„die<br />
Presse“ zusehen wünsche. Er habe „naturgemäß“verneint.<br />
Der Wirt aber insistierte: „Die Presse“<br />
werde den Gast zweifellos interessieren, sie<br />
sei aus dem Jahr 1848 und funktioniere,<br />
dank einer beizeiten durchgeführten „behutsamen<br />
Revitalisierung“ („Der Wirt“, so<br />
Bernhard, „sagte tatsächlich Revitalisierung,noch<br />
dazu behutsam –woran ich einmal<br />
mehr zu erkennen meinte,welche Verwüstungen<br />
,Die Presse‘ inden Köpfen der<br />
Menschen anrichtet“), bis heute aufdie traditionelle<br />
Weise, soder Wirt, soBernhard.<br />
Genau dies sei der Grund, so Bernhard<br />
zum Wirten, warum erander Presse nicht<br />
interessiertsei. Der Wirt verstand nicht und<br />
insistierte weiter –bis Thomas Bernhard<br />
begriff, „begreifen musste“, dass mit der<br />
„Presse“ die alte Kürbiskernpresse gemeint<br />
war, mit der der Wirt sein „tatsächlich unvergleichliches“Kernöl<br />
produzierte.<br />
ZUM Jubiläum<br />
Im Grunde, soBernhard in diesem Interview<br />
weiter,sei alles,was wirLeben nennen,<br />
oder gar Wiederbelebung, denn anders<br />
sei Revitalisierung nicht zu verstehen,<br />
ein einzigesgroteskes Missverständnis.<br />
Deshalb gehe er am liebsten auf Friedhöfen<br />
spazieren. In Wien zum Beispiel auf<br />
dem St. Marxer Friedhof. Der St. Marxer<br />
Friedhof sei ihm der liebste Ort. Wien sei ja<br />
tot, soBernhard („Denken Sie nur an den<br />
Ersten Bezirk!“), aber die Toten seien überall<br />
viel zu laut („Wien –naturgemäß ein<br />
einziger Zombietanz!“). Aufdem St.Marxer<br />
Friedhof aber finde er Ruhe, Konzentration<br />
und vor allem die heitere Gelassenheit des<br />
Lebenden.<br />
„Warum heiter?“, wagte der „Presse“-<br />
Interviewer zu fragen. Weil er unerkannt<br />
zwischen Vergessenen spaziere, auf deren<br />
Grabsteinen „unvergessen“ stehe. Und, viel<br />
wichtiger: „Die Inschriften auf den Grabsteinen<br />
des St. Marxer Friedhofs ersetzen<br />
die gesamte österreichische Literatur seit<br />
Grillparzer“, so Bernhard.<br />
Ich war jung und beeindruckbar. Ich<br />
fuhr zum St. Marxer Friedhof. Hunderte<br />
Menschen flanierten über die Kieswege,<br />
musterten neugierig die anderen, hielten<br />
Fotoapparatebereit, rempelten im Gedränge<br />
einander an, grüßten, plauschten, lasen<br />
die Grabsteininschriften, zitierten Thomas<br />
Bernhard, riefen einander Scherzworte zu.<br />
Bernhardhatte den St.Marxer Friedhof<br />
revitalisiert.<br />
Der Graben soll an diesem Tag menschenleergewesen<br />
sein.<br />
Im Grunde, soBernhard, ein einziges<br />
groteskes Missverständnis.<br />
Es wäre fastinVergessenheit geraten.<br />
Joseph Schumpeter pflegte<br />
zu sagen, dasserdreiZiele<br />
habe: Er wolle der größte<br />
Ökonom der Welt sein, der<br />
besteReiter vonÖsterreich<br />
und der großartigsteLiebhaber<br />
Wiens.ZweiZiele habe<br />
er erreicht,soSchumpeter.<br />
Welche zwei, verrieternie.<br />
Auch im Herrenhause isterkein gesprächiger<br />
Gast, und seit ersich vorzeitig von<br />
seiner Lehrtätigkeit an der Wiener Universität<br />
zurückgezogen hat, durchstreift er nur<br />
gemächlich den Garten seiner Gedanken.<br />
Man möchte den Mann beneiden, der seine<br />
Kraft nicht zum wenigsten dadurch bewies,<br />
daß er sein Leben ganz nach seinem Sinn<br />
gestaltete und, nachdem er viel von Menschen<br />
und Dingen gesprochen, sich eine Insel<br />
schuf,indie kein Lärm eindringt.<br />
Die Schwierigkeiten, die er auf seinem<br />
Wege fand, scheinen immer nur äußere gewesen<br />
zu sein und sein Arbeiten und Kämpfen<br />
hat ihm nichts anhaben können. Wer<br />
ihn besucht, nimmt den erfrischenden Eindruck<br />
innerer Heiterkeit mit sich, den Eindruck,<br />
daß in diesem Falle hohes Wollen<br />
und hohes Gelingen nicht,wie so oft,mit Lebensglückund<br />
Lebensfreude bezahlt wurde.<br />
Das erklärt auch neben seiner Originalität<br />
und Kraft den Einfluß, den er auf alle hat,<br />
die seine Schüler waren, die Verehrung und<br />
Sympathie, mit der ihm die Werdendenund<br />
Mitstrebenden stets zugetan waren. Ihre allerherzlichsten<br />
Wünsche wenden sich ihm<br />
morgen zu.<br />
Wissen<br />
braucht<br />
Wahrnehmung<br />
Die Fachhochschulen Österreichs haben sich in den<br />
vergangenen 25 <strong>Jahre</strong>n als treibende Kraft der angewandten<br />
Forschung, Innovation und Lehre etabliert. Als<br />
Tageszeitung hat „Die Presse“ ihren Erfolgsweg von<br />
Anfang an aufmerksam, kritisch und wohlwollend begleitet.<br />
Denn Wissen braucht Wahrnehmung! Was uns<br />
verbindet, sind Aufgeschlossenheit und Neugier –zwei<br />
Markenzeichen der „Presse“ bereits seit <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n.<br />
Gemeinsam sind wir der Qualität und Objektivität verpflichtet!<br />
Wir bedanken uns hiermit für die bisherige,<br />
spannende Zusammenarbeit, etwa beim Forum Alpbach,<br />
dem „FH-Guide“ und vielen anderen Veranstaltungen<br />
und Projekten.<br />
Wir gratulieren der „Presse“ zu ihrem Jubiläum und<br />
zu ihrer kritischen Rolle in der österreichischen<br />
Medienlandschaft.<br />
ZUM JUBILÄUM<br />
„<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> ,Die Presse‘sind<br />
<strong>170</strong><strong>Jahre</strong> Tagdienst an der<br />
Demokratie. Kein Prozess<br />
rascher Erfolge, sondern ein<br />
endloses Sich-Strecken nach<br />
dem Unerreichbaren.<br />
Qualitätsjournalismus ist<br />
kein Sprint,kein Marathon,<br />
sondern ein Dauerlauf. Ein<br />
Dauerlauf mit der Zeit. Und<br />
die dauertmehr als <strong>170</strong><br />
<strong>Jahre</strong>. Das weiß jedes Kind.“<br />
VeronicaKaup-Hasler<br />
Wiener Kulturstadträtin
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> „Die Presse“<br />
1848 fühlten viele den journalistischen Furor in sich glühen, dochnicht alle beherrschten das Handwerk.<br />
Am 3. Juli erschien als Start-up eines Mannes mit verlegerischem Genie die „Presse“. Sie war<br />
nicht mehr umzubringen, nicht durch das absolutistische Regime, nicht durch Konjunkturkrisen,<br />
nicht durch den Krieg von 1914, nicht durch den Verlust des Großmachtstatus Österreichs. Die Geschichte<br />
des Landes und dieser Zeitungsind <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> lang verbunden wiekommunizierende Gefäße.<br />
Über Siegeund Niederlagen, über Sternstunden und Tiefschläge hinweg.<br />
DASWELTBLATT<br />
Ein Fenster<br />
nach Europa<br />
„Die Neue Freie Presse“<br />
ging aus der 1848er-<br />
„Presse“ hervor<br />
und wurde die repräsentativeZeitung<br />
Österreichs von<br />
1864–1938. S. 82<br />
ORIGINALTEXT<br />
Elfriede Jelinek<br />
über den Fall<br />
Soltísová<br />
„Unter uns“: Über den<br />
mysteriösen Todeiner<br />
jungen slowakischen<br />
Pflegerin in einer oberösterreichischen<br />
Kleinstadt.<br />
S. 84<br />
ZEITUNGSZUKUNFT<br />
Rainer Nowaks<br />
11 Punkte über<br />
die Zeitung<br />
Ein Thesenkatalog des<br />
„Presse“-Chefredakteurs:<br />
Warum wir alle<br />
den Todder klassischen<br />
Zeitung nicht erleben<br />
werden. S. 87<br />
Die Österreichische Hoteliervereinigung und die Top-Hotellerie gratulieren zu<br />
<strong>170</strong> JAHRE<br />
Qualitätsjournalismus
<strong>170</strong> J AHRE DIE PRESSE:<br />
Anton Heldwein<br />
und sein Team gratulieren<br />
herzlich zum Jubiläum.<br />
Graben 13.1010 WIEN. T +43 15125781.www.heldwein.com
86 <strong>170</strong> JAHRE SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
ZUM Jubiläum<br />
„DiePresse ist fürmich ein<br />
nicht wegzudenkendes<br />
Qualitätsmedium in<br />
Österreich. Ich schätze die<br />
sachliche, unaufgeregte<br />
Berichterstattung,genieße<br />
Qualität &Seriosität. Sie<br />
zählt seit Jahrzehnten zu<br />
meiner täglichen Lektüre.“<br />
Karl Stoss<br />
ÖOC-Präsident<br />
„Intelligent genutztes Papier!<br />
Gut gedacht,fast immer gut<br />
geschrieben. Keine<br />
Kleinigkeit in einer Phase<br />
der schlauen Hudelei. Recht<br />
gut hatman den Übergang<br />
vom Primatder News zu<br />
Background, Reflexion und<br />
sogar exzentrischen<br />
Exkursen hingekriegt.<br />
Hoffentlich auflange Zeit gut<br />
genug. Doch Papier wird<br />
bleiben, wie Radio!“<br />
Wolfgang Kos<br />
Ehemaliger DirektorWien-Museum<br />
„Die Presse ist fürmich die<br />
perfekte Nahrungsergänzung<br />
zum Frühstückskaffee.<br />
Koffein und Kommentar<br />
machen das morgendliche<br />
Denkenleichter. Die Presse<br />
greift nichtjede ,wichtige’<br />
Meldungauf,sondern<br />
versteht elegantzu<br />
schweigen.“<br />
Sabine Ladstätter<br />
Archäologin<br />
„Gebt uns die Freiheit,<br />
gebt sie uns voll!“<br />
Zensur. „Die Presse“ vertrat vom Tagihrer Gründung an die<br />
Idee der Freiheit. „Gleiches Recht fürAlle“hieß ihr Motto auf<br />
der Titelseite. Doch nur selten wurde es ihr leicht gemacht,<br />
diese Idee zu vertreten.<br />
VON GÜNTHER HALLER<br />
In einem einzigen Jahr –gemeint ist 1848<br />
– musste „Die Presse“ gleich mehrere<br />
große Mächte bekämpfen: zuerst die der<br />
Konkurrenz, zu bunt und vielfältig war<br />
zunächst die Zahl der Zeitungsgründungen,<br />
dann die Macht des Marktes, denn es galt,<br />
das Blatt über Wasser zu halten, mit Inseraten,<br />
mit Leserabos, und schließlich dann –<br />
nach der Niederschlagung der Revolution<br />
im Oktober –die Macht der Polizei und des<br />
repressiven Apparats. Schwer zu sagen, was<br />
gefährlicher war. Doch die nun anbrechende<br />
Zeit der Rücknahme der Freiheiten war<br />
für viele Produktetödlich.<br />
An einen geradlinigen Kurs war angesichts<br />
der Umstände nicht zu denken. Doch<br />
es ging darum, die Pressefreiheit gegen<br />
einen Wust von Zivilprozessen, Zensurbestimmungen,<br />
Verbotsdrohungen und bürokratischen<br />
Schikanen zu behaupten. Auch<br />
„Die Presse“ wurde im Dezember 1849 verboten,<br />
sie war zufrech geworden und übersiedelte<br />
mit der gesamten Mannschaft nach<br />
Brünn, außerhalb des Verbotsrayons. Ein<br />
Jahr lang ging esihr denkbar schlecht. Wie<br />
konnte sie wiederauferstehen? Es waren die<br />
treuen und durch 1848 nachhaltigpolitisierten<br />
Leser, die die Zeitung trotz der geistigen<br />
Knebelung in den Fünfzigerjahren zum<br />
größten und einflussreichsten Journal der<br />
Monarchie machten. Erst mit dem Pressegesetz<br />
von 1862 fand dieses Tauziehen zwischen<br />
Regierungund Zeitungein Ende.<br />
Es kündigte sich das Morgenrot einer<br />
besseren Zeit an. Die Verknüpfung von Liberalismus<br />
und Journalismus wurde essenziell<br />
für die 1860er-<strong>Jahre</strong>. Eine wirksame öffentliche<br />
Meinung bildete sich heraus. Bis<br />
1867 gab die Zeitung keine Ruhe, „Gebt uns<br />
die Freiheit, gebt sie uns voll“ liest man in<br />
den Leitartikeln. Man warsehrmutig geworden:<br />
Die monarchische Regierungsform<br />
wurde nur eingeschränkt befürwortet, die<br />
Liberalen standen dem Kaiserstaat mit Distanz<br />
gegenüber. Die Zeitungen wollten als<br />
öffentliche Macht im Staat anerkannt werden.<br />
Das gelang endgültig mit dem Staatsgrundgesetz<br />
vom Dezember 1867. Bis dahin<br />
waren Konfiskation und Suspension missliebiger<br />
Blätter noch immer gang und gäbe.<br />
Doch nun wollten Zeitungen wie „Die Presse“<br />
und die „Neue Freie Presse“ alles zugleich<br />
reformieren: das Schul- und Bildungswesen,<br />
das Frauen- und Eherecht.<br />
Neue Mächte formieren sich<br />
Dochdie eigentliche Ärades Liberalismus in<br />
Österreichwar nurkurz. Bald begannen sich<br />
neue Mächte zu formieren. Massenparteien<br />
trugen den Kampf aufdie Straße,die Christlichsozialenführten<br />
mit antisemitischen Parolen<br />
das Kleinbürgertum an, die Sozialdemokraten<br />
versammelten die Arbeiter hinter<br />
sich, die radikalen Deutschnationalen<br />
agitierten gegen den Staat Österreich, sie<br />
wolltenden Anschlussandas Deutsche Kaiserreich.<br />
Dem hatten die liberalen Blätter<br />
nicht viel entgegenzusetzen.<br />
Die Zeit von Zensur und Beschlagnahmung<br />
hatte die Zeitung wohl schon längst<br />
vergessen, als sie den „Geist von 1914“ mittrug<br />
und das patriotische Hochgefühl im<br />
Krieg befeuerte. Allmählich begannen sich<br />
1915, unauffällig, aber doch, jene weißen<br />
Flecken in der Zeitung bemerkbar zu machen:<br />
Die Zensur hatte zugeschlagen und<br />
die Herausnahme eines Textteils notwendig<br />
gemacht. Und das, obwohl sich die Journalisten<br />
ohnedies an den knappen Mitteilungen<br />
des Kriegspressequartiers orientierten.<br />
Unmittelbare Einblicke in das Kriegsgeschehen<br />
blieben den Redakteuren an ihren<br />
Schreibtischen ohnehin verwehrt. Das galt<br />
auch für die „Frontjournalisten“, die in der<br />
Regel weit entfernt vom Kriegsgeschehen<br />
stationiert waren und die Ereignisse mit viel<br />
Fantasie ausschmückten.<br />
Kriegszeiten sind eben Zeiten von Presselenkung<br />
und Pressekontrolle, alle Regierungen<br />
Europas versuchten, die Zeitungen<br />
ihres Landes zu gängeln und für ihre Ziele<br />
zu instrumentalisieren. So wurde amOstermontag<br />
1915 der Leitartikel der „Neuen<br />
Freien Presse“ vollständig zensuriert. Auf<br />
Dauer konnte eine Auseinandersetzung mit<br />
der Zensurpraxis also nicht mehr aufgeschoben<br />
werden. Schließlich hatte man sich<br />
nichts zuschulden kommen lassen, war ein<br />
loyales Blatt, dessen Ziel die Erhaltung der<br />
Monarchie warund das auch nach zwei <strong>Jahre</strong>n<br />
nicht gerade durchgehend erfolgreichen<br />
Kriegsverlaufs noch anschrieb gegen Kleinmut<br />
und Unmut. Man wollte diese Schikanen<br />
daher nicht mehr tolerieren.<br />
Vor allem störte die „Neue Freie Presse“,<br />
dass man das Parlament und seine Vorzüge<br />
überhaupt nicht mehr erwähnen durfte. Da<br />
ließ man in der Redaktion nicht locker und<br />
wies mehrmals darauf hin, dass das Volk<br />
derzeit nicht die „Stimme“ habe, die es<br />
brauche. Im Juli 1916 wurde der Ton gegen<br />
die Zensurbehörde richtig ärgerlich.<br />
„Diepapierenen Gespenster“<br />
Bemerkenswertder Epilog aufdas ganze Zensurgeschehen,<br />
er erschien am 3. November<br />
1918 unter dem Titel „Der weißeFleck“: „Tagtäglichhat<br />
sich diese für die Zeitungen wiefür<br />
das Publikum gleich irritierende, beschämende<br />
und lästige Bevormundung wie-<br />
Werauf <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> Firmenbestehen zurückblicken kann, hat etwas richtig gemacht.<br />
Als Unternehmen, das auf einer 235 <strong>Jahre</strong> alten Tradition basiert, wissen wir, wovon wir sprechen.<br />
Alt, aber gut –ein Qualitätsbeweis!<br />
Um so lange bestehen zu können, muss man aber auch mit der Zeit gehen.<br />
Dazu gehört, sich auch einmal neu zu erfinden, ebenso wie an bewährten<br />
Konzepten festzuhalten. Mit dieser Mischung haben es „Die Presse“ und<br />
JTI Austria geschafft, als moderne und innovative Unternehmen in der<br />
Gegenwart zu landen –bereit für die nächsten Schritte in die Zukunft, in<br />
der wir uns auf weitere gute Zusammenarbeit freuen!<br />
Wir wünschen der „Presse“ alles Gute, viel Erfolg sowie<br />
Ein- und Durchblick in die relevanten<br />
Themen unserer Zeit!<br />
Ralf-Wolfgang Lothert<br />
Head of Corporate Affairs &Communication<br />
und Silvia Polan<br />
Corporate Affairs &Communication Manager<br />
JTI Austria GmbH<br />
Koppstraße 116 •1160 Wien<br />
www.jti.com/austria<br />
E-Mail: CCAllgemein@jti.com
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> «Die Presse»<br />
Das Wiener Konzerthaus gratuliert!<br />
Mit mehr als 600 Konzerten pro Saison ist das Wiener Konzerthaus eines der führenden Konzerthäuser in Europa. Die<br />
Vielfalt der Veranstaltungen reicht von Symphoniekonzerten über Kammermusik, World-Musik, Jazz, Literatur,Stummfilmen<br />
mit Live-Musik bis hin zu Popkonzerten mit Newcomer-Bands. Internationale Stars wie John Malkovich, Soap &Skin,<br />
Lang Lang, Cameron Carpenter,Joshua Bell, Mariza, Wynton Marsalis und Hilary Hahn treten regelmäßig auf den vier Bühnen<br />
des Wiener Konzerthauses auf. Wie «Die Presse», so ist auch das Wiener Konzerthaus seit mehr als 100 <strong>Jahre</strong>n der (musikalischen)<br />
Exzellenz verpflichtet. Den höchsten Ansprüchen gerecht zu werden und Resonanz zu schaffen –das verbindet uns!<br />
schultz+schultz ·Fotos: LaloJodlbauer,Michael Dürr,Marco Borggreve,Julia Wesely,<br />
Lukas Beck,Carlos Ramos, FrankStewart,Michael Patrick O’Leary,Archiv
90 FEST SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
Summerstage, when the<br />
Saskia Wallner (Ketchum Publico), Rudolf Krickl<br />
(PwC).<br />
Nikolaus Pelinka (Kobza Media, l.), Gerald Gerstbauer<br />
(Atos).<br />
Ludwig Bittner (Notariatskammer, l.), Ricardo-José<br />
Vybiral (KSV).<br />
Peter Bosek (Erste Bank Group, l.), Ernst Vejdovszky<br />
(S Immo).<br />
Kathrin Zechner (ORF), Politikberater Lothar Lockl<br />
(r.), Martin Radjaby-Rasset (Erste Bank Group).<br />
Waltraud Langer (ORF) und der Wiener Bildungsstadtrat<br />
JürgenCzernohorszky.<br />
Geburtstag. Mit 600 Gästen feierte die „Presse“ aufder<br />
Summerstage am Wiener Donaukanal ihr aktuelles Jubiläum.<br />
Gekommen war Prominenz ausallen „Ressorts“, von Politik<br />
und Wirtschaft über Kunst und Medien bis zur Justiz.<br />
Neos-Chef Matthias Strolz, Thomas Spann („Kleine<br />
Zeitung“, vonl.).<br />
Sylvia Dellantonio (willhaben) und Styria-Vorstand<br />
BernhardKiener.<br />
Die Josefstadt, der Kursalon Hübner<br />
oder gar, zum großen 150-Jahr-Jubiläum,<br />
das Belvedere: Zur Tradition der<br />
„Presse“ gehören Feste an legendären<br />
Wiener Locations. Zur <strong>170</strong>-Jahr-Feier entschied<br />
man sich für sommerliche Atmosphäre<br />
aufder Summerstage.<br />
Direkt am Donaukanal feierten am<br />
Abend des 4. Juni rund 600 Gäste ausPolitik,<br />
Wirtschaft,Kultur,Medien, Wissenschaft und<br />
Justiz, darunter auch viele (nicht nur) wirtschaftliche<br />
Partner der Zeitung. Chefredakteur<br />
Rainer Nowak und die Geschäftsführer<br />
Herwig Langanger und Rudolf Schwarz begrüßten<br />
u.a.VP-Wirtschaftsministerin Margarete<br />
Schramböck,Ex-VP-Obmann undUnternehmer<br />
Josef Taus, die Neos Matthias<br />
Strolz und Beate Meinl-Reisinger, die Styria-<br />
Vorstände Markus Mair, Bernhard Kiener<br />
und Alpbach-PräsidentFranz Fischler.<br />
Aus der Kultur waren Festspielpräsidentin<br />
Helga Rabl-Stadler, Burg-Direktorin Karin<br />
Bergmann, ORF-Fernsehchefin Kathrin<br />
Zechner, Konzerthaus-Intendant Matthias<br />
Naske oder Museumsdirektorin Danielle<br />
Spera gekommen, daneben Nationalbank-<br />
Präsident Claus Raidl, VfGH-Präsidentin<br />
Brigitte Bierlein, Rechnungshof-Präsidentin<br />
Margit Kraker, SP-Stadtrat Jürgen Czernohorszky,<br />
Hotelière Elisabeth Gürtler, Medienmanager<br />
Hans Mahr, „Profil“-Herausgeber<br />
Christian Rainer und Kleine Zeitung-<br />
Chefredakteur HubertPatterer.<br />
[Günther Peroutka, Mirjam Reither,Roland Rudolph ]<br />
Sie wollen<br />
Expertise?<br />
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> „Die Presse“<br />
Noch nie war guter Journalismus<br />
so wichtig wie jetzt<br />
NewsNT<br />
Redaktion<br />
Anzeigen<br />
Layout in NewsNT<br />
Layout in InDesign<br />
Workflow<br />
Ausgabenplanung<br />
www.michelic-partner.com<br />
MANZ Fachzeitschriften<br />
manz.at/angebote
SAMSTAG, 9. JUNI 2018 FEST 91<br />
living is easy<br />
Medienmanager Hans Mahr (l.), Heimo Hackel (CardComplete).<br />
Styria-CEO Markus Mair, Johann Trummer (Styria-Aufsichtsrat) und Historiker<br />
Stefan Karner (v.r.).<br />
DerPhilosoph Konrad Paul Liessmann mitdem Chefredakteur der„Presse“<br />
Rainer Nowak(vonl.).<br />
Meinungsforscherin Ex-Ministerin Sophie Karmasin mit der künftigen Neos-Bundeschefin<br />
Beate Meinl-Reisinger (v.l.).<br />
Styria-Aufsichtsrat Karl Schleinzer,Nationalbank-Präsident Claus Raidl und Post-<br />
Vorstand PeterUmundum (v.l.).<br />
HelgaRabl-Stadler (SalzburgerFestspiele)mit Herwig Langanger („Presse“-CEO,<br />
re.), Werner Zenz (Bankhaus Spängler)und Rudolf Schwarz(„Presse“-GF,l.).<br />
WWW.REISETHEK.AT<br />
Magische Reiseindas Land der Tempel<br />
Myanmar. Lassen Sie sich verzaubern von der Ursprünglichkeit des Landes und tauchen Sie ein in<br />
dessen Vergangenheit und Gegenwart und den Alltag der Bevölkerung.<br />
TERMINE &PREIS P. P.<br />
ANZEIGE<br />
16.01.–30. 01. 19<br />
12.03.–26.03.19<br />
DZ ab 2.990 €<br />
Exklusiver <strong>170</strong>-Jahr Jubiläumsrabatt<br />
für „Presse“-Club-Mitglieder in der<br />
Höhe von<br />
<strong>170</strong> €p.P.<br />
HIGHLIGHTS IHRER REISE<br />
Shwedagon -die wichtigstereligiöse Stätte der Burmesen. [Fotos:iStock, Fotolia ]<br />
Es ist ein Land voller Mythen und<br />
Geschichten, voll heiliger Orte<br />
und beeindruckender Sehenswürdigkeiten,<br />
wie die Shwedagon-<br />
Pagode in Yangon, die wertvollste<br />
und größte der Welt und die wichtigste<br />
religiöse Stätte der Burmesen.<br />
Die Besichtigung ist für Tag drei der<br />
Reise geplant, ebenso wie der „High<br />
Tea“ im eleganten Café des Strandhotels<br />
–heutenochfesteInstitution.<br />
An Tag vier fliegen Sie indie Königsstadt<br />
Mandalay woSie unter anderemdie<br />
Mahamumi Pagodebesichtigen,<br />
in der eine der heiligsten Buddha-Statuen<br />
steht. In den Tagen bevor<br />
Sie zu den Tempelanlagen bei<br />
Bagan weiterreisen, bekommen Sie<br />
in PyinOoLwin–einesder wichtigsten<br />
landwirtschaftlichen Gebiete<br />
Myanmars –einen Eindruck der kolonialen<br />
Vergangenheit des Landes.<br />
Auch ein Besuch von Amarapura,<br />
Myanmars vorletzte königliche<br />
Hauptstadt, steht auf dem Programm.<br />
Nach einer Besichtigung der<br />
„Stadt der Unsterblichkeit“ erleben<br />
Sie den eindrucksvollen Sonnenuntergang<br />
von der U-Bein Brücke<br />
aus. An Tag sieben reisen Sie dann<br />
Tauchen Sie ein in den Alltag.<br />
weiter nach Bagan. Während der<br />
acht- bis zehnstündigen Bootsfahrt<br />
auf dem Irrawaddy River haben Sie<br />
Zeit, die Landschaft zu genießen. In<br />
Baganhaben Siedie Möglichkeit, die<br />
Tempelanlage von einem Heißluftballon<br />
aus zu bestaunen. Bevor Sie<br />
an Tag neun wieder abreisen steht<br />
noch ein Besuch des pulsierenden<br />
Nyaung Oo Marktes auf dem Programm.<br />
Die unberührte Natur des<br />
Inle Sees mit seinen „Einbeinruderern“<br />
verzaubert ab Tag elf binnen<br />
weniger Augenblicke.Sie legen unter<br />
anderem einen Stopp imWeberdorf<br />
Teil der TempelanlageBagan.<br />
Inpawkhone ein, das im ganzen Land<br />
für seine Seidenwebereien mit Lotusstängeln<br />
bekannt ist und auch<br />
einen Besuch des Fünftagemarktes<br />
am InleSee dürfen Siesichnicht entgehen<br />
lassen. Es bietet sich auch die<br />
Gelegenheit die touristischen Teile<br />
des Inle Sees zu verlassen und in<br />
Thalae UEinblicke indas Leben der<br />
Dorfbewohner zuerhalten und gemeinsam<br />
mit ihnen die Ernte einzuholen.<br />
Diese Ursprünglichkeit und<br />
Authentizität lässt sich inMyanmar<br />
noch bewundern, wie sonst fast nirgendwo<br />
auf diesem Planeten.<br />
• Flügeab/bis Wien mit Austrian<br />
Airlinesvia Bangkok nach Yangon<br />
• InlandsflügeYangon–Mandalay,<br />
Bagan –Heho,Heho -Yangon<br />
• 12 ÜbernachtungeninHotels der<br />
guten Mittelklasse<br />
• Late Check-out am Abreisetag<br />
• täglichesFrühstück, 4Mittag- und 3<br />
Abendessen<br />
• alle Transfers in klimatisiertenBussen,<br />
Besichtigungenund Ausflügelt.<br />
Reiseverlauf u.a.Öllampen-<br />
Zeremonie bei der Shwedagon<br />
Pagode,Sandbank-Dinner in Bagan,<br />
Bootsfahrtzum Sonnenuntergang<br />
bei der U-Bein Brücke uvm.<br />
• deutschsprachigeReiseleitungwährend<br />
der gesamtenRundreise<br />
• 1DuMontReisehandbuch „Myanmar“<br />
proZimmer<br />
INFOS UND BUCHUNG<br />
Kostenlosunter 0800 560 080,per<br />
E-Mail an service@reisethek.at<br />
oder online auf: www.reisethek.at<br />
Veranstalter: Robin Tours GmbH, UntererStadtplatz 11,6330 Kufstein, Veranstalterverzeichnis desBMWFJ Nr.: 2017/00026. Anzahlung20% (frühestens 11 Monate vorReiseende), Restzahlungab20Tage vorReiseantritt. Insolvenzversicherung: Zürich Insuranceplc Niederlassung<br />
Deutschland, Abwickler: Cover-Direct, Tel.:+43 1969 08 40.Ansprüche sind innerhalb von8Wochen beim Abwickler geltend zu machen. Es gelten die Allgemeinen Reisebedingungen(ARB1992) desFachverbandesder Reisebüros in der letztgültigen Fassungunter Berücksichtigungdes ab<br />
Juli 2018 in Krafttretenden Pauschalreisegesetz–PRG sowie unsereunterwww.reisethek.at/datenschutzabrufbareDatenschutzerklärung. Druck-und Satzfehler vorbehalten.
Objektivität istkeine<br />
Geschmackssache.<br />
Damals, heuteund<br />
auch in Zukunft.<br />
Danke, dass wir diese Überzeugung seit 1848* teilen.<br />
PwC wünscht „Die Presse“ alles Gute zum <strong>170</strong>. Geburtstag.<br />
* Im selben Jahr entschied sich auch der englische Buchhalter Samuel Lowell Price, eine eigene Wirtschaftsprüfungskanzlei<br />
zu gründen. Damit legte er den Grundstein für die <strong>170</strong>-jährige Firmengeschichte von PwC.<br />
„PwC“ bezeichnet das PwC-Netzwerk und/oder eine oder mehrere seiner Mitgliedsfirmen. Jedes Mitglied dieses Netzwerks ist ein selbstständiges Rechtssubjekt. Weitere<br />
Informationen finden Sie unter www.pwc.com/structure.
SAMSTAG, 9. JUNI 2018 FEST 93<br />
„Junge Dame, einsam, auch ein wenig hübsch“<br />
Der Anzeigenteil. Keiner hatsie je alle gelesen, kein Historiker,kein Zeitgenosse, die tausenden Kleinannoncen im langen<br />
Leben der Zeitung. Im Anzeigenteil finden wir die vielen versteckten Geheimnisse einer Epoche:den Jahrmarkt des Lebens.<br />
VON GÜNTHER HALLER<br />
Die erste Werbeagentur<br />
Die sogenannten Annoncen-Expeditionen<br />
besorgten für ihre Kunden das Anzeigengeschäft,<br />
sie boten eine Fülle an Werbemöglichkeiten<br />
neben dem Zeitungsinserat an,<br />
Broschüren, Flugzettel, Plakate usw. Unternehmen<br />
dieser Art schlossen mit dem Zeitungsverlag<br />
einen Pachtvertragabund bekamen<br />
dafür fixe Platzreservierungen: Eine<br />
wichtige Einnahmequelle, weil die Inserate<br />
regelmäßig kamen und die Büros die administrativen<br />
Arbeiten übernahmen. Ein auffälliges<br />
Firmenzeichen der jeweiligen Anzeigen-Expedition<br />
durfte in dem reservierten<br />
Platznicht fehlen.<br />
Mit dem Erscheinen der Secessionszeitschrift<br />
„Ver Sacrum“ in den späten 1890er-<br />
<strong>Jahre</strong>n begann auch die Zeit der „Wiener<br />
Künstler-Inserate“. Kolo Moser, Josef Hoffmann<br />
und andere Jugendstilkünstler wandten<br />
sich völlig ab vom traditionellen typografischen<br />
Material und zeichneten die Ornamente<br />
und Bilder, aber auch den gesamten<br />
Inseratentext selbst. Doch auf Dauer<br />
durchgesetzt haben sich die Künstler-Inserate<br />
nicht,sie verschwanden 1910.<br />
HERZLICHENGLÜCKWUNSCH<br />
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong><br />
„Die Presse”<br />
Was nie verschwand, sind die zahlreichen<br />
Heiratsanzeigen. Sie kommen in der<br />
Regel direkt zur Sache, Geld spielt fast immer<br />
eine Rolle. Man merkt: Auch Heiraten<br />
ist ein Markt und unterliegt Angebot und<br />
Nachfrage. Schlechte Zeiten spiegeln sich<br />
auch in den Heiratsanzeigen wider, man<br />
merkt die blanke Not hinter den Verehelichungswünschen.<br />
Liebe Leserinnen und Leser der „Presse”!<br />
Vollerblühte Weiblichkeit<br />
Der Wunsch nach Geld war also am wichtigsten.<br />
Daneben zählte vor allem die „Herzensbildung“,<br />
eine Frau konnte ausreichem<br />
Hause sein, schön, mit exzellenten Verbindungen,<br />
doch ohne Herzensbildung, also<br />
die Mischung von Bildung und Gemüt, zerrannen<br />
ihre Chancen auf dem Markt. Die<br />
Zeit, daman einen sportlichen Partner verlangte,<br />
war noch nicht angebrochen, man<br />
suchte die „vollerblühte Weiblichkeit“ inihrer<br />
ganzen fraulichen Wärme und den „charaktervollen<br />
Herren“, der durchaus schon<br />
im Herbst des Lebens stehen durfte. Da hat<br />
sich einiges in der neueren Zeit verschoben.<br />
Nicht selten sprach leichte Verzweiflungaus<br />
den Inseraten: „Junge Dame, ganz einsam,<br />
auch ein wenig hübsch, sucht behufs Ehe<br />
die ehrbare Bekanntschaft eines intelligenten<br />
Mannes.“ Ist man nur „ein wenig<br />
hübsch“, muss man mit einem nur intelligenten<br />
Mann vorliebnehmen.<br />
Ebenfalls nicht hinter dem Berg hielt jener<br />
Inserent, der sich nicht lang mit dem<br />
weiblichen Geschlecht aufhielt, sondern inserierte:<br />
„Ich suche einen Schwiegervater,<br />
der sich mit mir in Konfektion etabliert.“<br />
„Cherchez lafemme“, kann man da wohl<br />
nicht mehr sagen, mokierte sich Karl Kraus:<br />
„Der Schwiegervater ist das Rudiment einer<br />
überwundenen Entwicklung, die noch Sentimentalitäten<br />
kannte und die Frau beim<br />
Warenbestand berücksichtigte. Das ist vorbei.<br />
Ein Schwiegervater wird gesucht.“<br />
BEZAHLTE ANZEIGE<br />
1848,das Gründungsjahrder „Presse“,ist auch dasmarkante Datum in der Geschichte des freiheitlich ausgerichteten<br />
Rechtsstaates undder freiheitlichen Bewegung. Die FPÖ hat sich in ihrem Programm dem Leitsatz<br />
„Freiheit gilt uns alshöchstesGut“ verschrieben und nimmt damit als einzige politische Bewegung<br />
in Österreich direkten Bezugauf die Freiheit desIndividuums.<br />
Der Jugendstil prägte um die Jahrhundertwende<br />
auch die Gestaltung vonZeitungsinseraten. [Anno ONB ]<br />
Kleinanzeigensind der Spiegel der Welt.<br />
Ihre Zahl ist unüberschaubar, sie konzentrieren<br />
sich auf die menschliche<br />
Seite des Alltags. So ist die Inseratenlandschaft<br />
der „Presse“ und der „Neuen<br />
Freien Presse“ ein Abbild der gesellschaftlich-politischen<br />
Verhältnisse der Monarchie.<br />
Dochnatürlich finden wirhier nicht nurden<br />
Flohmarkt des mittelständischen Lebens,<br />
sondern auch einen vornehmeren Teil. Vertreter<br />
von Besitz und Bildung und damit die<br />
wohlhabendsten Teile der Bevölkerung waren<br />
die Stammleser, die Großinserenten kamen<br />
aus der Hauptstadt Wien, aber zunehmend<br />
auch aus Deutschland, Frankreich,<br />
England, Italien. Im Inseratenteil wird zudem<br />
die politische und nationale Realität<br />
der Donaumonarchie sichtbar, der Vielvölkerstaat<br />
wird sprachlich evoziert, wenn ein<br />
„deutscher Mann in Wien oder deutscher<br />
Gegend“ Stellung sucht oder ein Kassier betont,<br />
dass er„der deutschen und tschechischen<br />
Sprache mächtig ist“. Heute ungewöhnlich<br />
wirkt die regelmäßige Erwähnung<br />
des Religionsbekenntnisses: „christlich“,<br />
„katholisch“ oder „israelitisch“. Sie treten<br />
gehäuft in Köchinnen-Inseraten aufund implizieren<br />
damit die Kenntnis der Speisevorschriften<br />
der koscheren Küche. Unverständlich<br />
heute auch, warum sooft „Iglauerinnen“<br />
gesucht wurden. Aus der mährischen<br />
Stadt Iglau stammten angeblich die besten<br />
Ammen, und so stand „Iglauerin“ vor allem<br />
als Markenzeichen für eine gute Amme.<br />
Von der Gründung an bis 1918 war der<br />
Anzeigenteil der NFP dreigeteilt: Esgab die<br />
Rubrik „Theater und Vergnügungen“, dann<br />
„Geschäftsanzeigen“ und „Kleine Anzeigen“.<br />
Die suggestiven grafischen Gestaltungsmittel<br />
mit reich verzierten Initialen<br />
wurden immer mehr verfeinert, der Übertitel<br />
„Zuschriften aus dem Publicum“ verschleierte,<br />
dass essich eigentlich um Inserate<br />
handelte. Die Platzierung wurde immer<br />
raffinierter, etwa zwischen dem Auslandsressortund<br />
den lokalen Nachrichten.<br />
Mehrere Seiten füllte um die Jahrhundertwende<br />
der Anzeigenblock „Theater und<br />
Vergnügungen“. Eine Institution wie das<br />
Theater in der Josefstadt begnügte sich nicht<br />
damit, Autor und Titel eines Stücks zu präsentieren,<br />
man lieferte gleich kurze Inhaltsangaben<br />
dazu, was in den einzelnen Akten<br />
passierte. In der Blüte der Gründerzeit ab<br />
1867 war die NFP geradezu überschwemmt<br />
mit großflächigen Geschäftsanzeigen, es inserierten<br />
Bankinstitute, Eisenbahn-Gesellschaften,<br />
vereinzelt auch Warenhäuser.<br />
Eine Kleinanzeige mit nicht mehr als<br />
fünf Zeilen Inseratentext kostete 60 Kronen,<br />
meist handelte es sich um Stellenangebote<br />
und Mietangebote. Kleinvieh macht auch<br />
Mist, sagt man, für die Zeitung summierten<br />
sich die Erlöse durch die kleinen Anzeigen,<br />
an manchen Tagen umfassten sie bis zu<br />
zehn Seiten. Die Zunahme der Kleinanzeigen<br />
hingzusammen mit der Landflucht und<br />
dem Bevölkerungswachstum in den großen<br />
Städten wie Wien. Kleine Leute vom Land<br />
brauchten Wohnung und Arbeit und konnten<br />
so ihr Anliegen einem großen Publikum<br />
unterbreiten. Durch persönliche Kontakte<br />
wäre das nie in dieser Weise gelungen. 40<br />
Prozent der kleinen Anzeigen behandelten<br />
das Thema „Dienstund Arbeit“.<br />
Wir meinen damit nicht nur die „alten“Grundrechtewie Presse-,Meinungs- oder Versammlungsfreiheit<br />
und nicht bloß die erstrittene Freiheit, sich politisch betätigen zu können. Wir müssen uns heute –viel<br />
weitergehend –mit der grundsätzlichen Freiheit des Bürgers in Anbetracht der Zwängedes Staates und<br />
der Gesellschaft<br />
sowie auch mit dem Schutz<br />
vorneuenSzenarien im Hinblick auf dasWorld Wide Web<br />
und die sozialen Medien beschäftigen.<br />
Wenn Sie so wollen, dann müssen wir <strong>170</strong><strong>Jahre</strong> späterdie bürgerliche Revolution im Sinne vonmehr<br />
Fairnessund Gerechtigkeit des Staates gegenüber seinen Staatsbürgern neu denken. DieserMaximefolgend<br />
bewährt<br />
sich die FPÖ in der Bundesregierung als Garant für Bürger- undFreiheitsrechtestatt Verboten,<br />
immer neuer Vorschriften und überbordender Bürokratie.<br />
Heute setzen dieFreiheitlichen als Teil der Bundesregierung viele Projekte in diesem Sinne um:<br />
>><br />
>><br />
>><br />
>><br />
Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger<br />
mit gleichen Leistungen für<br />
gleiche Beiträge<br />
Schutz und Sicherung unserer Grenzen<br />
Stopp der illegalen Migration und des<br />
Asylmissbrauchs<br />
Konsequente Abschiebung illegaler oder<br />
straffälliger Aufhältiger<br />
Ihr<br />
Vizekanzler Heinz-Christian Strache<br />
FPÖ-Bundesparteiobmann<br />
>><br />
>><br />
>><br />
>><br />
>><br />
4.100 Planstellen für mehr Sicherheit<br />
Entlastung der Familien und der arbeitenden<br />
Bevölkerung<br />
Mindestpension in Höhe von 1.200 Euro<br />
Verpflichtender Deutschunterricht vor<br />
Schuleintritt<br />
Große Steuersenkung ab demJahr 2020<br />
Auch fürdie nächsten <strong>170</strong><strong>Jahre</strong>wünsche ich dem Verlagshaus alles<br />
Guteund viel Erfolg beiIhrer wichtigen Aufgabe!<br />
/hcstrache
94 FEST SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />
Nord gegen Süd. Wenige Monate nach Ausbruch des Sezessionskrieges im April1861 erschien am 25. Oktober<br />
dieses <strong>Jahre</strong>s in der „Presse“die erste Analyse über dessen Hintergründe. Der Autor war eine Berühmtheit.<br />
Der nordamerikanische Bürgerkrieg<br />
VON KARL MARX<br />
seit Monaten wiederholt die tonangebende<br />
Londoner Presse, Wochen- und<br />
Tagesblätter, dieselbe Litanei über den<br />
amerikanischen Bürgerkrieg. Während<br />
sie die freien Staaten des Nordens insultirt,<br />
wehrtsie sich ängstlich gegen den Verdacht,<br />
mit den Sklavenstaaten des Südens zu sympathisiren.<br />
Sie schreibt in der That fortwährend<br />
zwei Artikel: einen Artikel, worin sie<br />
den Norden angreift,und einen andern Artikel,<br />
worin sie ihre Angriffe auf den Norden<br />
entschuldigt. Qai s’excuse s’accuse.<br />
Die Beschönigungsgründe lauten im wesentlichen:<br />
Der Krieg zwischen Nord und<br />
Süd ist ein Tarifkrieg. Der Krieg Ist ferner<br />
principlos, berührt die Sklavenfrage nicht<br />
und dreht sich in der That um nordische<br />
Souveränetäts-Gelüste. Würde eine Scheidung<br />
vom Süden den Norden nicht von allem<br />
Zusammenhang mit der Negersklaverei<br />
erlösen und ihm mit seinen 20 Millionen<br />
Einwohnern und seinem ungeheueren Territorium<br />
eine höhere, bisher kaum geahnte<br />
Entwicklung sichern? Mußte der Norden daher<br />
die Secession nicht als ein glückliches<br />
Ereigniß begrüßen, stattsie durch einen blutigen<br />
und vergeblichen Bürgerkrieg niederherrschen<br />
zu wollen?<br />
Vor allem ist zuerinnern, daß der Krieg<br />
nicht vom Norden ausging, sondern vom<br />
Süden. Der Norden befindet sich in der Defensive.<br />
Er hatte monatelang ruhig zugesehen,<br />
wie die Secessionisten Forts, Kriegsarsenale,<br />
Schiffswerften, Zollhäuser, Kassen,<br />
Schiffe, Wasservorräthe der Union sich aneigneten,<br />
ihre Flagge insultirten, Truppentheile<br />
derselben gefangen nahmen. Die Secessionisten<br />
beschlossen endlich durch<br />
Die Meldung des Tages:<br />
<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> „Die Presse“<br />
Wir gratulieren recht herzlich und freuen<br />
uns auf viele weitere erfolgreiche <strong>Jahre</strong>.<br />
Vielen Dank für Ihr Vertrauen in uns!<br />
www.redmail.at<br />
einen geräuschvollen Kriegsact die Unions-<br />
Regierung aus ihrer passiven Haltung herauszuzwingen,<br />
und schritten nur aus diesem<br />
Grunde zum Bombardement des Fort<br />
Sumter bei Charleston.<br />
Am 11. April(1861) hatteihr General Beauregard<br />
in einer Zusammenkunft mit Major<br />
Anderson, dem Commandanten des Fort<br />
Sumter,erfahren, daß das Fort, nurnoch für<br />
drei Tage mit Lebensmitteln versehen sei,<br />
und daher nach dieserFrist friedlich übergeben<br />
werden müsse. Umdieser friedlichen<br />
Übergabe zuvorzukommen, eröffneten die<br />
Secessionisten früh am andern Morgen (12.<br />
April) das Bombardement, das den Platz in<br />
wenigenStunden zum Fall brachte.<br />
Kaum war diese Nachricht nach Montgomery,<br />
dem Sitz des Secessions-Congresses,<br />
telegraphirt worden, als Kriegsminister<br />
Walter öffentlich im Namen der neuen Conföderation<br />
erklärte: „Kein Mensch kann sagen,<br />
wo der heute eröffnete Krieg enden<br />
wird.“ Zugleich prophezeite er, „daß die<br />
Flagge der südlichen Conföderation noch<br />
vor dem ersten Mai vom Dome des alten Capitols<br />
zu Washington herabwehen werde.<br />
Jetzt erst erfolgte die Proclamation, worin<br />
Präsident Lincoln 75.000 Mann zum Schutz<br />
der Union berief.<br />
Das Bombardement des Fort Sumter<br />
schnittden einzig möglichen konstitutionellen<br />
Ausweg ab, nämlich eine Berufung an<br />
eine allgemeine Convention des amerikanischen<br />
Volks, wie sie Lincoln in seiner Inaugural-Adresse<br />
vorgeschlagen hatte. Für Lincoln<br />
blieb nur noch die Wahl, von Washington<br />
zu fliehen, Maryland und Delaware zu<br />
räumen, Kentucky, Missouri und Birginien<br />
preiszugeben, oder auf den Krieg mit Krieg<br />
zu antworten.<br />
Wiedas Bombardementdes FortSumter<br />
das Signal zur Eröffnung des Krieges gab,<br />
hatte der Wahlsieg der republikanischen<br />
Partei des Nordens, die Wahl Lincoln’s zum<br />
Präsidenten, das Signal zur Secession gegeben.<br />
Am 6. November 1860 ward Lincoln gewählt.<br />
Am 8. November 1860 telegraphirte<br />
man von Süd-Carolina: „Die Secession wird<br />
hier als eine abgemachte Sachebetrachtet“.<br />
Demokratisches Lager gespalten<br />
Am 10. November beschäftigte sich die Legislaturvon<br />
Georgien mit Secessionsplänen,<br />
und am 13. November ward eine Special-Sitzung<br />
der Legislatur von Mississippi anberaumt,<br />
umdie Secession in Betracht zu ziehen.<br />
Aber Lincoln’s Wahl war selbst nur das<br />
Resultat einer Spaltung im demokratischen<br />
Heerlager. Während des Wahlkampfs vereinigte<br />
die Demokratie des Nordensihre Stimmen<br />
auf Douglas, die Demokratie des Südens<br />
ihre Stimmen auf Breckinridge, und<br />
dieser Zersplitterung der demokratischen<br />
Stimmen verdankte die republikanische Partei<br />
den Sieg. Woher auf der einen Seite das<br />
Übergewicht der republikanischen Partei im<br />
Norden? Woher auf der andern Seite der<br />
Zwiespalt innerhalb der demokratischen<br />
Partei, deren Glieder, Nord und Süd, seit<br />
mehr als einemhalben Jahrhundertgemeinschaftlichoperirthatten?<br />
Die republikanische Partei stellte ihr erstes<br />
Programm zur Präsidentenwahl 1856<br />
auf. Obgleich ihr Candidat, John Fremont,<br />
nicht siegte, bewies die ungeheure Stimmenzahl,<br />
die ihm zufiel, das rasche Wachsthum<br />
der Partei, besonders imNordwesten.<br />
In ihrer zweiten nationalen Convention zur<br />
Präsidentenwahl (17. Mai 1860) wiederholten<br />
die Republikaner ihr Programm von<br />
1856, nurumeinige Zusätzebereichert. Sein<br />
Hauptinhalt war dieser: Kein Fußbreit neuen<br />
Territoriums wird der Sklaverei ferner<br />
eingeräumt. Die Flibustier-Politik nach Außen<br />
muß aufhören. Die Wiedereröffnung<br />
des Sklavenhandels wird gebrandmarkt.<br />
Endlich sind Freesoil-Gesetze zur Förderung<br />
der freien Colonisation zu erlassen.<br />
Der entscheidend wichtige Punkt indiesem<br />
Programm war, daß der Sklaverei kein Fußbreit<br />
neues Terrain eingeräumt,sie vielmehr<br />
ein- für allemal in die Grenzen der Staaten<br />
gebannt bleiben sollte, wosie be-<br />
Korrespondenteneinstand.<br />
Gegen die Bedenkenvon<br />
Herausgeber AugustZang<br />
engagierte Chefredakteur<br />
Max Friedländer den in<br />
London lebenden Karl Marx<br />
als Mitarbeiter.Als Verfasser<br />
des„Kommunistischen Manifests“war<br />
Marxbereitseine<br />
Berühmtheit.Zwischen<br />
Oktober 1861 und Dezember<br />
1862 druckte das Blatt 52<br />
Beiträgevon Marx(drei<br />
davonmit Friedrich Engels<br />
als Koautor). Die Textewaren<br />
nie namentlich gezeichnet.
Immobilien<br />
Neu gegossen, zog die 1945 zerstörte Pummerin am 26. April 1952 wieder in den Stephansdom<br />
ein. Ihre Reise von Linz nach Wien zog Tausende Schaulustige an, das ersteLäuten war<br />
ein Ereignis. Weit privater als der staatstragende Einzug der „Königin von Österreich“ in ihr<br />
Haus waren stets die Übersiedlungen der Menschen, vom mühsamen Handwagen-Transportbis<br />
zum Relocation-Service heutiger Tage (I 2). Bauen und Wohnen aber warund istimmer<br />
beides: ganz privat und doch öffentlich, untrennbar verbunden mit gesellschaftlichen und politischen Idealen (I 4). Wie soll der<br />
Mensch sein? Wiewohnen und arbeiten (I 6)? In <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n wurde enorm viel ausprobiert, erfunden, erlitten und erlebt. Washeute steht,<br />
zeigt einen Querschnittdessen, waswar. Immobilien sind unverrückbare Bauten? Ja,aber auch sich immer wandelnder Lebensraum.<br />
ORIGINALTEXT<br />
Das Haus gegenüber<br />
der Hofburg<br />
Am 6. Dezember 1910verteidigt<br />
der Architektund AutorAdolf Loos<br />
sein Haus am Michaelerplatz, das<br />
ganz Wien verstört. S. I5<br />
Wir leben<br />
Zusammenarbeit<br />
EHL gratuliert der Presse<br />
zu <strong>170</strong><strong>Jahre</strong>n<br />
Qualitätsjournalismus<br />
und freut sich auf<br />
viele weitere <strong>Jahre</strong><br />
guter Zusammenarbeit!<br />
Wirleben<br />
Immobilien.
SAMSTAG/SONNTAG, 9./10. JUNI 2018 IMMOBILIEN I5<br />
Architektur-Disput. Nicht ganz so schnörkellos wie seine Bauten zeigte sich Architekt Adolf Loos im Umgang<br />
mit Kritikern. Er verteidigte sein Haus am Michaelerplatz in der Neuen Freie Presse am 6. Dezember 1910.<br />
DasHausgegenüber der Hofburg<br />
VON ADOLF LOOS<br />
Vom Erbauer des Hauses am Michaelerplatz,<br />
dem Architekten Adolf Loos, erhalten<br />
wir eine Zuschrift, inder sich<br />
der Einsender mit Rücksicht auf unser<br />
Feuilleton vom letzten Sonntag, im dem gegen<br />
die Verunglimpfungen des Wiener<br />
Stadtbildes Protest erhoben wird, in nachstehender<br />
Weiseverteidigt:<br />
„Jedes Wort, das zum Preise unserer<br />
alten Stadt, zur Rettung unseres verlorengehenden<br />
Stadtbildes zu lesen war, fand<br />
sicher bei mir stärkeren Widerhall als bei<br />
manchen andern. Daß aber ich, gerade<br />
ich mich eines Verbrechens an diesem alten<br />
Stadtbild schuldig gemacht haben sollte,<br />
dieser Vorwurf trifft mich härter als<br />
Das1909–11 von<br />
Adolf Loos erbaute<br />
Geschäftshaus am<br />
Michaelerplatz3,auf<br />
dem Bild schon mit den<br />
Blumenkästen,die das<br />
einzigeOrnamentale<br />
im oberen Bereich<br />
bleiben sollten. Es<br />
wurde 1947unter<br />
Denkmalschutzgestellt.<br />
[ÖNB-Bildarchiv /picturedesk.com]<br />
Palais Lobkowitz wurden diese Steine wieder<br />
zu neuem Leben erweckt. Mir war es<br />
darum zu tun, Geschäftshaus und Wohnhaus<br />
streng zu trennen, und war bisher<br />
immer in dem Wahn befangen, dieses im<br />
Sinne unserer alten Wiener Meister gelöst<br />
zu haben, in welchem Wahne ich noch<br />
durch den Ausspruch eines modernen<br />
Künstlers bestärkt wurde: Das will ein moderner<br />
Architekt sein und baut ein Haus<br />
wie die alten Wiener Häuser.<br />
Und dieser moderne Künstler steht dem<br />
in dem Feuilleton zitierten Meister sehr<br />
nahe, während ich sehr, sehr weit von ihm<br />
entfernt bin. Und nun das Wichtigste: Das<br />
Haus erhält im nächsten Sommer eine sogenannte<br />
Fassade,soschön und reich, wiealle<br />
Wiener Häuser, die im letzten Dezennien in<br />
der Inneren Stadt gebaut wurden, die allerdings<br />
nicht von dem Ihnen für die Aufnahme<br />
dieser Zeilen sehr verbundenen Adolf<br />
Loos ist.“<br />
ADOLF<br />
LOOS<br />
GLÜCKLICH<br />
WOHNEN<br />
mancher glauben würde. Hatte ich doch<br />
das Haus so entworfen, daß es sich möglichst<br />
inden Platz einfügen sollte. Der Stil<br />
der Kirche, welche das Pendant zudiesem<br />
Bau bildet, war für mich richtunggebend.<br />
Und nicht um Licht und Luft abzuwehren,<br />
wählte ich diese Fensterform, sondern —<br />
eine berechtigte Forderung unserer Zeit —<br />
um beides zu vermehren. Die Fenster sind<br />
eben nicht zweiflügelig, sondern dreiflügelig,<br />
und gehen vom Fensterbrett bis zur<br />
Decke.<br />
Und echten Marmor wählte ich, weil<br />
mir jede Imitation zuwider ist, und den<br />
Putzbau hielt ich so einfach wie möglich,<br />
weil die Wiener Bürger auch einfach bauten.<br />
Nur der Feudalherr hatte aus seinem<br />
Palast starke Architekturglieder, die aber<br />
nicht in Zementguß, sondern in Stein ausgeführt<br />
wurden und die jetzt unter der Farbe<br />
schlummern. Beim Palais Kinsky und<br />
Das„Looshaus“am<br />
Michaelerplatz sorgte anno<br />
1910für Verstörung:<br />
DerArchitekthatte für das<br />
Bekleidungsunternehmen<br />
Goldman &Salatschein<br />
ornamentfreiesGebäude<br />
direktgegenüber der Hofburg<br />
geschaffen. Angeblich<br />
weigerte sich Kaiser Franz<br />
Joseph, dem „Haus ohne<br />
Augenbrauen“jewieder<br />
einen Blick aus den Fenstern<br />
seiner Residenz zuzuwerfen.<br />
Bekannt wurdeAdolf Loos<br />
auch für seine Inneneinrichtungen<br />
(etwadem<br />
Knize&Comp.amWiener<br />
Graben) und als Autor. Er<br />
schrieb mehrereBücher wie<br />
„Ornament und Verbrechen“<br />
und, 1898,eine Artikelserie<br />
für die „Neue Freie Presse“,<br />
in der er zu vielen<br />
GeschmacksfragenStellung<br />
bezog.<br />
DIE BUWOG GROUP<br />
GRATULIERT<br />
der Tageszeitung DIE PRESSE ganz<br />
herzlich zu <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n Qualitätsjournalismus<br />
und wünscht alles Gute<br />
für viele weitere <strong>Jahre</strong> exzellenter<br />
Berichterstattung.<br />
www.buwog.com
I12 IMMOBILIEN SAMSTAG/SONNTAG, 9./10. JUNI 2018 DiePresse.com/Immobilien<br />
Guter<br />
<strong>170</strong><br />
Grund Nr.<br />
Weil es mehr als 99 guteGründefür Meinungsfreiheit gibt.<br />
#99guteGründe<br />
Es gibt eben mehr als nur einen Grund, von unserer Expertise zu profitieren. +43 1535 53 05 oder www.colliers.at<br />
EIGENTUMSWOHNUNGEN<br />
KAUFANGEBOTE<br />
- 213 - 98,25<br />
NÄHE BELVEDERE: repräsentative<br />
Altbauwohnung mit 3,80 m<br />
Raumhöhe in palaisartigem Haus,<br />
ca. 213 m² Wohnfläche zzgl. ca.<br />
100 m² Terrasse / Garten, offener<br />
Kamin, Poggenpohl-Küche, 3<br />
Schlafzimmer, Wellnessbad mit<br />
Sauna, Garage, HWB 98,25. OTTO IMMOBILIEN WOHNEN,<br />
Mag. Michaela Orisich, WWW.OTTO.AT & 01 512 77 77-323<br />
3 80 - -<br />
STADTVILLA AUF DER WIEDEN! Sanierte 80 qm, 3 getrennt<br />
begehbare Zimmer, mit Balkon in ruhiger und zentraler Lage. Ideal<br />
als Stadtwhg bzw. als Anlage zur Vermietung. FABIAN FÜRST<br />
IMMOBILIENTREUHÄNDER & 0676/3878786<br />
VI. BEZIRK - MARIAHILF<br />
Zi. m² VP HWB<br />
4 - - 122<br />
DACHGESCHOSS Maisonettemit2Terrassen,4Zimmer,nächst<br />
U4, jedoch ruhig gelegen, schönes Althaus, HWB 122, Objekt<br />
15803, eva.krulis@realkanzlei-mayerl.at, www.mayerl.at<br />
& 01/479 41 17/10<br />
- - - -<br />
LINIENGASSE 36: 2bis4Zimmer<br />
mit großzügigen Terrassen, NUR<br />
noch 3 Wohnungen, sofort beziehbar,<br />
Tiefgarage, HBW: 28,63. Kaufpreis<br />
ab EUR 599.000,--,<br />
WWW.LINIENGASSE1060.AT<br />
Noch nicht<br />
fündig<br />
geworden?<br />
Alle Objekte finden Sie unter<br />
DiePresse.com/immobilien<br />
IX. BEZIRK - ALSERGRUND<br />
Zi. m² VP HWB<br />
& 01/512 1 512<br />
- - - -<br />
ALTHAN PARK Neubauprojekt -<br />
Mitten in Wien! Geplante Fertigstellung:<br />
Herbst 2018; Überzeugen<br />
auch Sie sich: Gehobener Standard,<br />
großzügige Balkone und Terrassen,<br />
Topinfrastruktur, direkt bei<br />
U4, einzigartige Architektur, Wohneinheitenca.50bis205m²ab2ZimmerHWB24,18Kaufpreisab<br />
e 298.214,-, verkaufsteam@6b47.com & 01/ 350 10 10 - 69<br />
XII. BEZIRK -MEIDLING<br />
Zi. m² VP HWB<br />
2 74 285.000 40,8<br />
ML-IMMOBILIEN Hetzendorf, gepflegte möblierte Wohnung im<br />
1.Liftstock mit Garage, gr.Wohnküche, geringe BK, ml-immobilien@chello.at<br />
& 0676/9256747<br />
XIII. BEZIRK -HIETZING<br />
Zi. m² VP HWB<br />
3 <strong>170</strong> 1.200.000 52,3<br />
PRIVATVERKAUF! Luxuriöses<br />
Hietzinger Penthouse – unverbaubarer<br />
Stephansdomblick, <strong>170</strong> m²,<br />
Edelausstattung, Sauna, direkter<br />
Liftzugang, 2 Terrassen, 2 Parkplätze,<br />
Ruhelage, provisionsfrei, Info:<br />
penthouse1130@gmail.com<br />
XVII. BEZIRK -HERNALS<br />
Zi. m² VP HWB<br />
& 0676/931 81 00<br />
- - - -<br />
DESIGN TRIFFT GEMÜTLICH-<br />
KEIT :charmante Dachmaisonette<br />
mit 4 Zimmern im Herzen von Hernals.<br />
Sofortbezug inklusive hochwertiger<br />
Einbauküche, Kaufpreis<br />
EUR 490.000,-, HBW: 60,62 kWh/<br />
m²a. Dominik Pail, M.A. www.raiffeisen-immobilien.at<br />
& 0676/8141 25955<br />
XVIII. BEZIRK -WÄHRING<br />
Zi. m² VP HWB<br />
- 215 2.400.000 -<br />
COTTAGEVIERTEL: 215 m² Etagen-Wohnung in edler Villa,<br />
Terrasse, Lift, 4 SZ, 2 Bäder, 2 Garagenplätze, HWB: in Arbeit,<br />
€ 2,4 Mio MARLIES MUHR IMMOBILIEN,<br />
WWW.MUHR-IMMOBILIEN.COM & 01/ 512 26 644<br />
3 85 - 47<br />
HOCKEGASSE - Sackgasse - Baujahr 2016, 85 m² Wohnfläche<br />
plus Terrasse, HOCHWERTIGE AUSSTATTUNG, 3 Zimmer plus<br />
Nebenräume, Garage, barrierefrei, HWB 47, Objekt 16391,<br />
eva.krulis@realkanzlei-mayerl.at, www.mayerl.at<br />
& 01/479 41 17/10<br />
XIX. BEZIRK -DÖBLING<br />
Zi. m² VP HWB<br />
- - - -<br />
Familiendomizil in Glanzing: wunderschöne, sonnige 5-Zi-Wohnung<br />
(ca 130 m²Wfl.) super Raumhöhe 2,70m; riesige Dachterrasse<br />
(ca 150 m2) mit herrlichen Ausblick! KP: 790.000,-e<br />
HWB:206,73 Provision: 3% + 20% Ust, Alleinvermittlung GEimmobilien<br />
& 0664 3809242<br />
5 135 889.000 89/C<br />
EXKLUSIVES PENTHOUSE –<br />
MAISONETTE mit riesigen Freiflächen<br />
und Garagenplatz in Döbling -<br />
ca.135m²Wfl.,teilweiseumlaufende<br />
Terassenflächen mit ca. 73 m²,<br />
5 Zi, 2 Bäder, 2 WCs, teilw. Vollverglasung,<br />
Eichenparkett, offener<br />
Kamin, Garagenplatz, Klimaanlage. HWB 89/C; KP: € 889.000,-,<br />
Infos/Bilder: www.wohnkonzept.co.at, KONTAKT: Fr. Markiewicz<br />
& 0676/629 40 50<br />
XXI. BEZIRK -FLORIDSDORF<br />
Zi. m² VP HWB<br />
- - - -<br />
BESICHTIGUNG 1210 WIEN, DEUBLERGASSE 3 - SONN-<br />
TAG,10.06.2018 UM 10 UHR Zweitbezug, 3 Zimmer mit 81<br />
m², Erdgeschoss, 36 m² Terrasse, extra Küche, Kaufpreis e<br />
235.000,-- HWB 37,21 kWh/m²a, www.familienwohnbau.at<br />
& 01/403 41 81 19<br />
NIEDERÖSTERREICH<br />
Zi. m² VP HWB<br />
3 - 365.000 -<br />
WOHNTRAUM IN HINTERBRÜHL Neuwertige 3 Zimmer-Eigentumswohnung<br />
mit ca. 19 m² Terrasse, 2 PKW Stellplätze, großes<br />
Kellerabteil, moderne Architektur mit großzügigen Glasfronten in<br />
bester Baumeisterqualität. Viele Freizeitmöglichkeiten direkt vor<br />
der Haustüre! WALDBLICK!!! 1A Wohn- und Lebensqualität! KP<br />
e 365.000.-- & 0664 203 66 06<br />
5 203 890.000 32<br />
Sehr helle Penthousewohnung mit<br />
Fernblick, 2345 BRUNN AM<br />
GEBIRGE, Wfl. ca. 203 m², 5 Zi., 2<br />
Bäder, Terrasse ca. 76 m², direkter<br />
Lift in die Wohnung, Garagenstellplatz<br />
möglich, HWB: 32,<br />
KP € 890.000,-, WWW.ENGEL<br />
VOELKERS.COM/MOEDLING & +43-2236-32 44 99<br />
Das AltWienHaus von Martin Freund<br />
Beratung, Planung,<br />
Neubau oder Renovierung.<br />
Honorar nach Vereinbarung.<br />
HWB =ref. ab8kWh/m 2 a.<br />
Tel. 02246/34 000.<br />
www.hausbaufreund.at<br />
SALZBURG<br />
Zi. m² VP HWB<br />
3 157 1.140.000 33<br />
MEIN AUGENSTERN! Aussichtsreicher<br />
Wohngenuss erwartet Sie<br />
in diesem neuwertigen, barrierefreien<br />
157 m² Penthouse in idyllischer<br />
Vorzugslage in Salzburg-<br />
Elsbethen. Top: die beiden XL-<br />
Terrassen. HWB 33, € 1,14 Mio.<br />
WWW.FINEST-HOMES.COM & +43 662 84 11 94<br />
Nurnoch wenige<br />
Wohnungen frei!<br />
Der Countdown läuft:<br />
Jetzt einzigartigen<br />
Zweitwohnsitz über der<br />
Stadt t Salzburg sichern.<br />
view2salzburg.at<br />
Stiller &Hohla, ImmobilientreuhänderGmbH<br />
Mobil +43 664 1911911, Tel. +43 662 65 85 175, buy@stiller-hohla.at
Unser Teamgratuliert<br />
herzlichst zum Jubiläum!<br />
Konzept/Design: www.immocontent.at<br />
Kontakt<br />
Spiegelfeld Immobilien GmbH, Stubenring 20, 1010 Wien<br />
Telefon: +43 (1) 513 23 13, Fax: DW 23<br />
E-Mail: ofce@spiegelfeld.eu, www.spiegelfeld.eu
SAMSTAG/SONNTAG, 9./10. JUNI 2018 IMMOBILIEN I17<br />
Der Lift,fast ein denkendes Wesen<br />
Aufzüge. Neue Technologien machen Lifte immer intelligenter. Sie erhöhen Sicherheit und<br />
Komfortund erleichtern die Wartung.<br />
VON URSULARISCHANEK<br />
Die Zeiten, in denenein Aufzug<br />
einfach nur Passagiere<br />
in die verschiedenen<br />
Stockwerke beförderte,sindvorbei.<br />
„Aufzüge werden immer intelligenter“,sagtGünter<br />
Baca,Direktor<br />
Marketing & Unternehmenskommunikation<br />
bei Kone. So können<br />
durch mobile Technologien und<br />
Cloud-Lösungen Automatiktüren,<br />
Aufzüge, Informationskanäle und<br />
Gegensprechanlagen mittels einer<br />
Smartphone-Applikation miteinander<br />
verbunden werden.<br />
„Wennman sich dem Gebäude<br />
nähert, öffnet sich die Türautomatisch.<br />
Und genau so automatisch<br />
wird der Lift gerufen, der einen<br />
dann in das Stockwerk bringt, in<br />
dem man wohnt“, beschreibt es<br />
Baca. Ist die Gegensprechanlage<br />
ebenfalls vernetzt, können die Bewohner,selbstwenn<br />
sie noch nicht<br />
daheim sind, Besuchern per App<br />
den Zutritt ermöglichen. „Aber das<br />
istnoch nicht Stateofthe Art“, sagt<br />
Christian Braun, geschäftsführender<br />
Gesellschafter derIFS –Immobilien<br />
Facility Services.<br />
Lift als schwarzes Brett<br />
Darüber hinaus wird der Aufzug<br />
zum schwarzen Brett: Informationen,<br />
etwa der Termin für eine<br />
Hausversammlung, können auf<br />
Infobildschirme eingespielt werden.<br />
„Kommunikation via Aufzug<br />
ist überall von Nutzen, wo es auf<br />
schnellste Informationen ankommt“,<br />
sagtRoman Teichert, Geschäftsführer<br />
von Otis. So könnten<br />
Kaum Knöpfe,mehr Effizienz: WelcherLift wohin fährt,steht am Display. [fotolia/DragonImages]<br />
etwa Hotels ihre Gäste im Lift über<br />
besondere Angebote informieren.<br />
Die Aufzüge kommunizieren<br />
aber auch mit der Hausverwaltung<br />
undden Servicetechnikern.Letzteres<br />
ist vor allem für die Wartung<br />
von Nutzen. So werden bei jeder<br />
Anlage von Kone mehr als 200 Parameter<br />
im Sekundentaktabgefragt<br />
und in einer Cloud gespeichert.<br />
„Merkt man bei der Auswertung<br />
derDaten, dassinmanchen Stockwerken<br />
die Türen öfter auf- und<br />
zugehen alsinanderen, weiß man,<br />
dass diese früher geölt werden<br />
müssen“, erklärt Baca. Darüber hinaus<br />
könne manrechtzeitigerkennen,<br />
ob sich Probleme aufbauen,<br />
und eine Wartung vornehmen, bevor<br />
es zu einer Störung kommt.<br />
„Und dafür gleichdie notwendigen<br />
Ersatzteile mitnehmen“, sagt Baca.<br />
Durch ständig lernende künstliche<br />
Intelligenz werde die Ausfallhäufigkeit<br />
deutlich reduziert. „In großen<br />
Bürogebäuden ist der längere<br />
Ausfalleines Liftsfür den Betreiber<br />
eine Katastrophe, weil das immer<br />
eine Mietzinsminderung bedeutet“,<br />
sagt Braun. Weshalb essich<br />
rechnen würde, Aufzüge mit der<br />
Cloud nachzurüsten.<br />
Aufzüge werden nachhaltig<br />
Aber auch in Sachen Nachhaltigkeit<br />
entwickelt sich die Lifttechnik<br />
weiter: Soist seit zwei <strong>Jahre</strong>n in<br />
Wien-Hernals der erstezu100 Prozent<br />
energieautarke Aufzug Österreichs<br />
in Betrieb. Solarpaneele versorgen<br />
den Lift im Innenhof des<br />
Gebäudes mit selbst erzeugtem<br />
Strom. Dieser wird in einer Batterie<br />
zwischengespeichert und bei<br />
Bedarf zuVerfügung gestellt. „Das<br />
Antriebssystem ist soausgerichtet,<br />
dass der Aufzug selbst bei einem<br />
Netzausfall Energie für bis zu 100<br />
Aufzugsfahrten zur Verfügung<br />
hat“, erklärt Otis-Chef Teichert.<br />
Die Aufzüge des 178 Meter hohen<br />
Gebäudes des Schweizer Pharmaherstellers<br />
Roche in Basel wiederum<br />
produzieren beim Bremsen<br />
Strom, der in das Netz des Gebäudes<br />
eingespeistwird.<br />
ThyssenKrupp hat essich gar<br />
zum Ziel gesetzt, jene Grenzen zu<br />
überwinden, an die die herkömmliche<br />
Aufzugstechnik in extrem hohen<br />
Wolkenkratzern stößt. Dort<br />
wäre das Eigengewicht des Stahlseils<br />
so groß, dassesvon selbstreißen<br />
würde. Geht es nach Thyssen-<br />
Krupp, sollen Lifte in diesen Gebäuden<br />
durch einen Magnetantrieb<br />
indie Höhe gezogen werden.<br />
Dann müssten die Passagiere nicht<br />
mehr umsteigen, und man könnte<br />
Platz und Energie sparen. Die Aufzüge<br />
könnten dann theoretisch<br />
auch nach rechts und linksfahren.<br />
Systeme,die Kabinen sowohl vertikal<br />
als auch horizontal befördern,<br />
sind Baca zufolge allerdings konstruktiv<br />
aufwendigerund teurer.<br />
AUFEINEN BLICK<br />
Mehr Effizienz. Neue Technologien<br />
können den Hausbewohnern zu mehr<br />
Bequemlichkeit verhelfen –etwadurch<br />
eine Verbindung mit dem Smartphone<br />
via App.Und ein Bildschirm im Lift kann<br />
zum Informationsträger werden. Durch<br />
Datenauswertung lässt sich zudem die<br />
Wartung verbessern. Im besten Fall<br />
können Störungen, die sich anbahnen,<br />
erkannt und verhindert werden.<br />
NACHRICHTEN<br />
Neudoerfler erzielte<br />
Rekordumsatz<br />
Der Büromöbelhersteller Neudoerfler<br />
steigerte im Geschäftsjahr<br />
2017 seinen Umsatz auf<br />
49 Mio. Euro bzw. 12,4 Prozent<br />
gegenüber dem Vorjahr. Auch<br />
über Prämierungen freut sich<br />
das Unternehmen: Die Projekte<br />
„Post am Rochus“und „ÖAMTC<br />
Mobilitätszentrum“ –woNeudoerfler<br />
laut eigener Angabedie<br />
größten Lose für sich entschied<br />
–errangen beim CBRE „Office<br />
of the Year Award 2017“ den<br />
ersten und zweiten Platz inder<br />
KategorieGroßunternehmen.<br />
Architekturreise<br />
nach Schottland<br />
„Architecture, Whisky and<br />
More“ist dasMotto einer Architekturreise<br />
der Überbau Akademie<br />
nach Schottland. Vom 27.<br />
bis 30. September geht esnach<br />
Edinburgh, Dundee, Craigellachie<br />
–wodie Whiskydestillerie<br />
Macallan mit Rogers Stirk Harbour<br />
+Partners Architekten ein<br />
mehr als 100 Millionen Euro<br />
teures Neubauprojekt umgesetzt<br />
hat–und Aberdeen.<br />
Web: wissen.ueberbau.at/akademie<br />
IMPRESSUM: IMMOBILIEN<br />
Redaktion: Daniela Mathis,Christine Kary,<br />
Tanja Rudolf<br />
Telefon: 01/51414-361, -274,-423<br />
Anzeigen: Roman Schleser<br />
Telefon: 01/51414-203<br />
E-Mail:<br />
vorname.nachname@diepresse.com<br />
Immobilien im Internet:<br />
DiePresse.com/Immobilien<br />
IMMOBILIEN MAGAZIN<br />
immojobs<br />
IMMO<br />
SEVEN<br />
immotermin<br />
Damit kennen wir uns aus:<br />
So viel Qualität wie in der Presse<br />
bekommt man sonst nicht auf 0,135 m 2 .<br />
DasImmobilienMagazin gratuliert zum<strong>170</strong>-jährigen Bestehen.<br />
IMMOBILIEN MAGAZIN<br />
Wir sind das Branchen-Leitmedium für aktuelle und umfassende News<br />
rund um das Thema Immobilien. Seit 1992 ist das Immobilien Magazin<br />
unverzichtbare Informationsquelle und elementares Arbeitstool für rund<br />
13.000 monatliche Leser aus der Branche. Wir berichten zehn Mal<br />
jährlich und bieten unseren Lesern hochqualitative Informationen über<br />
Projekte, Menschen und Trends aus der Immobilienwirtschaft.<br />
JETZT<br />
3MONATE<br />
GRATIS TESTEN!<br />
Kostenlos, unverbindlich und frei Haus.<br />
www.immobilien-magazin.at/benutzer/abo/