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20180609_170_Jahre_DP_Gratulationsanzeigen

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14 NACHRICHTEN SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

„Der ORF kriegt sein Geld, egal, was er macht“<br />

Medienenquete. In Wien<br />

wurde über die Zukunft der<br />

Medien diskutiert. Vertreter<br />

der Privatsender forderten<br />

dabei mehr Geld und<br />

weniger ORF-Werbung.<br />

VON ISABELLAWALLNÖFER<br />

Wien. Wie kann es mit den heimischen Medien,allen<br />

voran mit dem ORF,inZeiten zunehmender<br />

Konkurrenz durch internationale<br />

Medienriesen wie Facebook, Amazon<br />

oder Google weitergehen? Wasbrauchen die<br />

Medien, um zu überleben –und wo sollen<br />

die Mittel für etwaige Förderungen herkommen?<br />

Das stand am Donnerstag und Freitag<br />

bei der vom Bundeskanzleramt veranstalteten<br />

Medienenquete in Wien zurDiskussion.<br />

Einmal mehr richteten sich die Begehrlichkeiten<br />

der privaten Medien dabei an den<br />

ORF: „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand<br />

Markus Breitenecker<br />

(ProSiebenSat1Puls4),<br />

Rainer Nowak<br />

(„Presse“),Linda Heimgartner<br />

(SRG),Armin<br />

Thurnher („Falter“) und<br />

Alexander Wrabetz<br />

(ORF)diskutiertenbei<br />

der Medienenquete. [APA ]<br />

plädierte dafür, die ORF-Werbezeiten zu halbieren.<br />

Oe24-Chef Niki Fellner hätte gern Zugriff<br />

auf das ORF-Archiv. ProSieben-<br />

Sat1Puls4-Chef Markus Breitenecker kritisierte,<br />

dass die Privaten jedes einzelne Programm<br />

extra einreichen müssen, um eine<br />

Förderung zuerhalten: „Der ORF hingegen<br />

kriegt sein Geld, egal, was ermacht, auch<br />

wenn ein Mensch in einem Windkanal steht<br />

und Geldscheine fängt.“ Auch er hat die<br />

ORF-Werbeerlöse (2017 waren das 232,6 Millionen<br />

Euro) im Visier –sie sollten umgeschichtet<br />

werden, der Öffentlich-Rechtliche<br />

dafür jenen Teil der GIS-Gebühr refundiert<br />

bekommen, der an Länder und Bund fließt.<br />

Die Privaten forderten von der Medienpolitik<br />

außerdem Förderungen für ihre Public-Value-Inhalte.<br />

Rainer Nowak („Presse“)<br />

kritisierte, dass fast ausschließlich übers<br />

Fernsehen diskutiert wurde: „Was Public<br />

Value sicher nicht ist: nurBewegtbild.“Markus<br />

Mair, Vorstand der Styria Media Group<br />

forderte die Erhöhung der Presseförderung:<br />

„Dabraucht es mehr Geld.“<br />

Der ORF bot den Privaten Zusammenarbeit<br />

an –etwa eine gemeinsame Videoplattform<br />

(„Österreich-Player“). Auch wenn niemand<br />

die Existenz des ORF oder dessen öffentliche<br />

Finanzierung infrage stellte – es<br />

war der übliche Hickhack zwischen ORF<br />

und Privaten. Noel Curran von der European<br />

BroadcastingUnion warnte: „Wir streiten<br />

hier um die Krümel, aber irgendwann<br />

läuft uns jemand mit dem Kuchen davon.“<br />

Wrabetz: US-Serien „passen nicht mehr“<br />

Am Freitagwurde u. a. überPublicValue diskutiert.ORF-Generaldirektor<br />

Alexander Wrabetz<br />

verteidigte den öffentlich-rechtlichen<br />

Mehrwertdes Sendersund ließ mit einerAnkündigung<br />

aufhorchen: „ORF eins wird umgebaut.“<br />

Der hohe Anteil anUS-Filmen und<br />

US-Serien passe „programmlichnicht zu den<br />

Anforderungen derJetztzeit“.<br />

Medienminister Gernot Blümel (ÖVP)<br />

lieh den Klagen und Forderungen der Branche<br />

sein Ohr. Was davon tatsächlich umgesetzt<br />

wird, sollte sich in den kommenden<br />

Monaten zeigen. Eine Novelle des ORF-Gesetzeswirdfür<br />

Anfang2019 erwartet.<br />

StadtWien und ÖFB:<br />

Mietpoker um<br />

das Happel-Stadion<br />

Ist der Test gegen Brasilien der vorerst<br />

letzte Auftritt des ÖFB-Teams im Prater?<br />

Wien. Istdas Fußballländerspiel gegen Brasilien<br />

am Sonntag das letzte ÖFB-Heimspiel im<br />

Happel-Stadion? Aber nicht,weil danachder<br />

seit <strong>Jahre</strong>n kolportierte Neubau erfolgt, sondern<br />

weil die neue Stadtregierung und der<br />

Fußballbund um Mietkonditionen pokern.<br />

Die Sportstättenbetriebs-GmbH will mehr<br />

Geld, der ÖFB seine günstigen Konditionen<br />

(kolportierte 50.000 Euro) nicht verlieren.<br />

Der jetzt für Sport zuständige Stadtrat,<br />

Peter Hacker (SPÖ), und ÖFB-Präsident Leo<br />

Windtner hatten bereits zwei Treffen. Eine<br />

Einigung werde es vor nächster Woche aber<br />

nicht geben, bestätigt ÖFB-Generalsekretär<br />

Thomas Hollerer der „Presse“. Eine Entscheidung<br />

ist dann jedoch unerlässlich, am<br />

15. Juni läuft die 120-Tage-Nennfrist bei Europas<br />

Fußballunion Uefa für die am 12. Oktober<br />

startende „Nations League“ ab. Dann<br />

müssen Stadt und Stadion fixiertsein.<br />

Das Happel-Oval sei „die erste Option<br />

für uns“, sagt Hollerer. Wobei die Frage<br />

Neubau/Modernisierung eine Rolle spielt.<br />

Da fehlt aber die Übereinkunft zwischen<br />

Bund und Land über Kosten sowie Denkmalschutz<br />

(per Verordnung aufzuheben).<br />

Diese Gespräche finden erst im Herbststatt.<br />

Was sind die Alternativen, wenn es keinen<br />

neuen Mietvertrag gibt? Zuletzt spielte<br />

der ÖFB in Innsbruck und Klagenfurt, der<br />

Test gegen Schweden findet am 6. September<br />

im neuen Austria-Stadion in Favoriten<br />

statt. In Hütteldorf sollen Länderspiele, der<br />

Anrainerwegen, unmöglich sein. (fin)<br />

Wiener Grünen droht<br />

Chaos am heutigen<br />

Reformparteitag<br />

Die Basis könnte die geplanten<br />

Änderungen zu Fall bringen.<br />

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Jubiläum. Und sagt Danke für <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> vorausschauenden und<br />

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Wien. Nur Stunden vor dem Parteitag heute,<br />

Samstag, mit dem die Wiener Grünen ihre<br />

schwer gebeutelte Partei wieder auf Kurs<br />

bringen wollen, stand plötzlich die Frage im<br />

Raum: Wird der monatelang mühsam geplante<br />

Neustartüberhaupt stattfinden?<br />

Bei der grünen Basis gabesimmer mehr<br />

Widerstand gegen den Antrag, wonachKandidaten<br />

sich künftig nur dann der parteiinternen<br />

Wahl zu(r) Spitzenkandidat(in) stellen<br />

dürfen, wenn sie mindestens 100 grüne<br />

Unterstützungserklärungen vorweisen können;<br />

was die grüne Basisdemokratie deutlich<br />

beschränkt. Das hat enormen Widerstand<br />

erzeugt, weshalb nun unsicher ist, ob<br />

der Reformantrag zur Abstimmung überhaupt<br />

zugelassen wird –benötigt erdafür<br />

doch eine Zwei-Drittel-Mehrheit bei den<br />

Delegierten der grünen Basis. (stu)


WÜNSCHT DAS SIGNA TEAM


Weltmächte<br />

Im Juni 1961 war Wien als Hauptstadt des kleinen,<br />

neutralen Österreich ins Zentrum der Weltpolitik<br />

gerückt. AmHöhepunkt des Kalten Kriegs traf der<br />

unerfahrene,erst kürzlich ins Amt gekommene US-<br />

Präsident, John F. Kennedy, als Führer der westlichen<br />

Welt Nikita Chruschtschow, den mit allen Wassern gewaschenen Führer der Sowjetunion und<br />

des Ostblocks. „Die Presse“ war bei dem historischen Gipfel unter anderem in Schloss Schönbrunn<br />

hautnah dabei.Die Glorie des Habsburgerreichswar noch nicht verblasst,die Macht des untergegangenenReichs<br />

indessen schon –ebensowie die des Osmanischen Reichs und desbritischen Empires.<br />

Das amerikanische Jahrhundert war voll imGang, und die Sowjetunion war Gegenpol der USA. Allmählichbegann<br />

ChinasAufstieg. Als Player istnun auch Russland wieder zurück aufder Weltbühne.<br />

INTERVIEW<br />

Die Gefahr des<br />

Kriegsin<br />

instabilen Zeiten<br />

Ein Gesprächmit dem<br />

Politologen Herfried<br />

Münkler über den<br />

Niedergang der Weltmächteund<br />

die neue<br />

Rolle Chinas. S. 18<br />

ORIGINALTEXT<br />

Charles de<br />

Gaulles Blick<br />

aufdie Welt<br />

In den posthum erschienenen<br />

Memoiren<br />

räsonierteFrankreichs<br />

Präsident über Europa<br />

zwischen den Weltmacht-Kolossen.<br />

S. 22<br />

DIPLOMATIE<br />

Wien als<br />

Bühne der<br />

Weltpolitik<br />

Als Standort der UNO-<br />

Cityund Stätte für<br />

Krisendiplomatie positioniertsich<br />

Österreich<br />

in der Funktion des<br />

„Brückenbauers“. S. 24<br />

s gibt Grund<br />

zum Feiern.<br />

Wir gratulieren zum <strong>170</strong>-jährigen Jubiläum.<br />

@simmoag


Umsturz<br />

Der Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 warder ersteSchrittzum<br />

Untergang der über 600-jährigen Herrschaft der Habsburger in<br />

Österreich. 1918 war esdann vorbei. War das eine Revolution?<br />

Oder nurein Zusammenbruch? Dasist heute noch umstritten.<br />

Klischeehaft stellt man sich unter einem Revolutionär heute<br />

einen rauschebärtigen Mann in Uniform in einem Dritte-Welt-Land vor. Dass Revolutionäre automatisch<br />

links sind, dieses Bild hat sich irgendwann verfestigt. Und es ist jaauch nicht falsch. Aber<br />

eben nurdie halbe Wahrheit. Denn vieleRevolutionen hatten bürgerlicheUrsprünge –jene von 1848<br />

bekam sogar den Beinamen „bürgerliche Revolution“. Auch die Französische in ihren Anfängen war<br />

eine solche. Understrecht jene von1989. Die liberalen Heldenvon damals sind zum Teil heute noch<br />

politisch aktiv,gelten nunaberals Nationalisten oder Populisten –wie Viktor Orbán.<br />

ORIGINALTEXT<br />

Das Amt<br />

und<br />

die Pflicht<br />

Zwischen Schuld<br />

und Unschuld: Simon<br />

Wiesenthals Rückblick<br />

auf die Affäreum<br />

Bundespräsident Kurt<br />

Waldheim. S. 28<br />

VIKTORORBÁN<br />

Die illiberale<br />

Wende eines<br />

Liberalen<br />

1989träumteer<br />

vomWesten.<br />

Doch als Ungarns<br />

Premier hat er sich<br />

gewandelt.Was ist<br />

da passiert? S. 30<br />

POP UND POLITIK<br />

Plato und Mick<br />

Jagger:Wenn<br />

Mauern wanken<br />

Wieso1968 ein Zitat<br />

aus der „Politeia“ in der<br />

Luft lag: Über „Revolution“<br />

und „StreetFighting<br />

Man“, die Umbrüche<br />

in der Musik. S. 32<br />

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zu <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

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SAMSTAG, 9. JUNI 2018 UMSTURZ 27<br />

Dem Kaiser die Rechte abgetrotzt<br />

Freiheit. Der Kampf der Bürger um Grund- und Wahlrechte war ein zäher und blutiger. Auf<br />

Errungenschaften folgten Rückschritte. Je nachdem, wie sehr der Monarchdas Volk brauchte.<br />

VON PHILIPP AICHINGER<br />

Österreicher sein heißt, die Staatsgrundgesetze<br />

hochzuhalten“, sagt der Abgeordnete<br />

JosephKareis im Jahr 1897und<br />

kontert damit antisemitischen Angriffen.<br />

Der jüdische Mandatar nimmtBezug auf<br />

den Grundrechtekatalog von 1867. Seither<br />

war klar, dassalle Bürger –auchunabhängig<br />

von der Religion –gleich zu behandeln sind.<br />

Dass man sich versammeln kann und die<br />

Meinung frei äußern darf. Doch der Weg<br />

zum Grundrechtskatalog warein steiniger.<br />

Wien, im Winter 1847/48: Das Kaiserhaus<br />

hält die Zügel der Macht in der Hand.<br />

Doch der Zorn der Massen steigt. Die Ernte<br />

war schlecht, der Winter ist kalt. An vielen<br />

Orten Europas liegt die Revolution in der<br />

Luft. In der Lombardei kommt es Anfang<br />

1848 mit dem „Mailänder Zigarrenrummel“<br />

zu einem Raucherstreik, der die österreichische<br />

Staatskassetreffen soll. In Parisentzündet<br />

sich die Februarrevolution. In Ungarn<br />

werden Forderungen nach einer neuen Verfassung<br />

laut. Und schließlich startet auch in<br />

Wien immer ungenierter eine öffentliche<br />

Reformdebatte.<br />

Am 13. März bricht die Revolution aus.<br />

Das Landhaus in der Wiener Herrengasse<br />

wird gestürmt. Die Niederösterreichischen<br />

Stände sollen dazu gebracht werden, eine<br />

Petition an den Kaiser zu richten, mit der<br />

Grundrechte eingefordert werden. Ein Bataillon<br />

erhält den Schießbefehl, um in der<br />

Herrengasse für Ordnung zusorgen, Opfer<br />

sind zu beklagen.Als Reaktion darauf kommt<br />

die Revolution erst richtig ins Rollen. Fabrikenwerdenangezündet,Polizisten<br />

gelyncht.<br />

Das Kaiserhaus muss reagieren. Staatskanzler<br />

Fürst Metternich wird politisch geopfert.<br />

Kaiser Ferdinand I. verkündet am 15.<br />

März das Ende der Zensur, Zeitungen werden<br />

gegründet. Eine neue Verfassung soll<br />

kommen, Innenminister Franz von Pillersdorfdiese<br />

ausarbeiten. Doch die Pillersdorfsche<br />

Verfassung enttäuscht viele.<br />

Ein Zwei-Kammern-System ist vorgesehen.<br />

Im Senat sollen die Prinzendes Kaiserhauses<br />

und gewählte Vertreter der Großgrundbesitzer<br />

sitzen. Für die Abgeordnetenkammer<br />

ist nur eine indirekte Wahl der<br />

Mandatare geplant und weite Teile der Arbeiterschaft<br />

sollen davon ausgeschlossen<br />

bleiben. Auch das liberale Bürgertum und<br />

die Studentenschaft stehen dem Plan ablehnend<br />

gegenüber. Was soll dieser auch wert<br />

sein, wenn Gesetze nur gültig sind, wenn<br />

beide Kammern zustimmen –die Aristokratie<br />

also weiterhin alles blockieren kann?<br />

Revolutionär gesinnte Bürger erreichen<br />

mit einer Sturmpetitionam15. Mai, dassdie<br />

Verfassung zurückgenommen und dass allgemeine<br />

und gleiche Wahlrecht zugesagt<br />

wird. Der zu wählende Reichstag soll nun<br />

nurein konstituierender sein, also einer,der<br />

erst selbst eine Verfassung erarbeitet. Am<br />

22. Juli ist essoweit: Zum ersten Mal tagt in<br />

Österreich ein gewähltes Parlament, und<br />

zwar in der Hofburg. Es istder jüngste Abgeordnete,<br />

der zwei Tage später mit seinem<br />

Antrag den wichtigsten Beschluss dieser<br />

Versammlunginitiierenwird. Der 24-jährige<br />

Hans Kudlich, selbst ein Landwirtkind mit<br />

zehn Geschwistern, erreicht die Abschaffung<br />

des bäuerlichen Untertänigkeitsverhältnisses.<br />

Bisher mussten die Landwirte an<br />

Robottagen gratis für den Grundherrn arbeiten<br />

und einen Zehentabliefern.<br />

Im Oktober herrscht wieder Revolutionsstimmung.<br />

Wiener Bürger wollen aus<br />

Solidarität mit den aufständischen Ungarn<br />

verhindern, dass kaiserliche Truppen von<br />

Wien aus gen Osten ziehen. Es kommt zu<br />

Kämpfen,selbstimStephansdom fließt Blut.<br />

Am Hof stürmt das Volk das Kriegsministerium<br />

und hängt Minister Theodor Baillet de<br />

Latour an einer Straßenlaterne auf. Schließlich<br />

setzen sich die kaiserlichen Truppen<br />

aber mit vollerHärte durch.<br />

Neuer Kaiser,alte Ordnung<br />

Der Reichstag wird aus dem unsicheren<br />

Wien nach Kremsier in Ostmähren verlegt.<br />

In Wien tritt imDezember der kinderlose<br />

Ferdinand ab, Franz Joseph I. besteigt den<br />

Thron. Dass die Abgeordneten in Kremsier<br />

einen fortschrittlichen Verfassungsentwurf<br />

erarbeiten, gefällt dem neuen Kaiser nicht.<br />

Nochbevor die Abgeordneten im März1849<br />

die Verfassung beschließenkönnen, löstder<br />

Kaiser den Reichstagauf. Es folgt die oktroyierte<br />

Märzverfassung,die der 18-jährige Kaiser<br />

nach seinen Wünschen in Kraft setzt.<br />

Sie sieht noch ein Zweikammernparlament<br />

vor und einige Bürgerrechte, doch in<br />

der Praxis tritt die Volksvertretung nicht zusammen.<br />

Stattdessen erlässt der politisch<br />

wieder erstarkte Kaiser am letzten Tagdes<br />

<strong>Jahre</strong>s1851 das Silvesterpatent, mit dem wieder<br />

der Absolutismus hergestellt wird. Rechte<br />

wiedie Pressefreiheit sind wieder passé.<br />

Knapp ein Jahrzehnt später braucht der<br />

Kaiser das Bürgertum wieder. Nach einer<br />

Kriegsniederlage und dem Verlust der Lombardei<br />

hat der Staat finanzielle Probleme<br />

und benötigtKredite.Der Kaiser erlässt 1960<br />

das Oktoberdiplom, ein paar Monate später<br />

folgt das Februarpatent. Nun erhält ÖsterreichRegeln<br />

für ein Parlament, das auch tatsächlich<br />

tagen wird. Es darf selbst Beschlüsse<br />

fällen, wenngleich sich der Kaiser ein Vetorecht<br />

vorbehält. Neben dem Herrenhaus<br />

gibt es ein Abgeordnetenhaus, das nach<br />

Wir gratulieren<br />

zumJubiläum.<br />

DieWeltverändert sichschnell. Umso bedeutender<br />

istjener Erfolg, derselbstinbewegtenZeiten<br />

Bestandhat.Die Oberbank gratuliert zu <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

„Die Presse“und wünschtdas Bestefür eine<br />

erfolgreiche Zukunft.<br />

DR. FRANZ GASSELSBERGER, MBA<br />

Generaldirektor Oberbank AG<br />

Vom„Börsianer“ausgezeichnet:<br />

„Beste Bank in Österreich2017“<br />

www.oberbank.at/auszeichnungen<br />

dem Kurienwahlrecht gewählt wird. DasGewicht<br />

der Stimmen ist also je nach Herkunft<br />

und Steuerleistung des jeweiligen Bürgers<br />

unterschiedlich. Wer zu wenig an den Fiskus<br />

zahlt,darfgar nicht wählen.<br />

Kriegverloren, Rechte gewonnen<br />

Nach einer weiteren Kriegsniederlage (gegen<br />

Preußen) muss der Kaiser Anfang 1867<br />

Ungarn Zugeständnisse machen, es kommt<br />

zum Ausgleich,die Doppelmonarchie istgeboren.<br />

Im Dezember werden im Reichsrat<br />

eine neue Verfassung und damit die Staatsgrundgesetze<br />

beschlossen, deren Grundrechte<br />

bis heute in Kraft sind.<br />

Im Wahlrecht freilichdauertesnoch, bis<br />

Gleichheit herrscht. Ab 1896 dürfen auch<br />

Bürger ohne Steuerleistung wählen, ab 1907<br />

zählt jede Stimme gleich viel. Von Männern<br />

wohlgemerkt, denn Frauen dürfen erst im<br />

Jahr 1919 erstmals ihr Stimmrecht ausüben.<br />

Da istdie Monarchie schon Geschichte.<br />

Zum Jubiläum<br />

„Ichschätze ,Die Presse‘seit<br />

vielen <strong>Jahre</strong>n als<br />

bereichernden Teil meiner<br />

Morgenlektüre.“<br />

Alexander Vander Bellen,<br />

Bundespräsident<br />

„,Die Presse‘ist fürmich ein<br />

österreichisches Qualitätsmedium,<br />

das klassische<br />

Zeitungstradition perfekt mit<br />

digitaler Zukunft verknüpft.“<br />

Sebastian Kurz,<br />

Bundeskanzler und ÖVP-Obmann<br />

„,Die Presse‘ist fürmich die<br />

1848er-Zeitung,die in der<br />

Tradition der bürgerlichen<br />

Revolution fürMeinungs-,<br />

Pressefreiheit und für<br />

Bürgerrechte steht.“<br />

Heinz-Christian Strache,<br />

Vizekanzler und FPÖ-Obmann<br />

Oberbank.Nicht wiejedeBank.


Grenzenlos<br />

Ist die Grenze nur noch ein Relikt der Kriege, über<br />

deren Überwindung wir uns freuen sollten, so wie<br />

die EU und der Schengenvertrag es vorgeben? Ist<br />

ihre Auflösung eine Sehnsucht, die unmittelbar<br />

nach dem Zerfall des Habsburgerreichs von Neuem<br />

entstand?Oder aber istihr Abbruch „Effekteiner Krise der Politik“, wieKonrad Paul Liessmann2004<br />

attestierte? Die Grenze wurde überwunden, aber sie ist da. Die Tage des Mauerfalls im November<br />

1989 haben Europa bewegt, esvon Neuem verbunden. Aber war der Kontinent mit all den unterschiedlichen<br />

Ethnien und Sprachen vorbereitet? „Die Presse“ hat diesen Prozess über <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> begleitet,hat<br />

sich mit über die Öffnung von Grenzen gefreut,die Probleme aufgezeigt und das gemeinsame<br />

Europa trotz all seiner Verwerfungen als Friedens-und Wirtschaftsprojektpositiv begleitet.<br />

RÜCKBLICK<br />

Flüchtig,<br />

unumstößlich<br />

DerWert der Grenzeist<br />

stetsvom Vertrauen<br />

abhängig gewesen, das<br />

man in ihreEinhaltung<br />

durch die Nachbarn,<br />

durch Fremde erwarten<br />

darf. S. 34<br />

ORIGINALTEXT<br />

Lob der<br />

Grenze<br />

Konrad Paul Liessmann<br />

veröffentlichteam<br />

21. August2004 im<br />

„Spectrum“ der<br />

„Presse“ seinen Essay<br />

zur Bedeutungvon<br />

Grenzen. S. 38,39<br />

INTERVIEW<br />

Kopftuch –<br />

ein Fetisch<br />

Die Autorin Barbara<br />

Coudenhove-Kalergi<br />

erzählt über die einstigeVertreibungihrer<br />

Familie und ihre<br />

heutigeArbeit mit<br />

Asylwerbern. S. 40<br />

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34 GRENZENLOS SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

Eine flüchtige Unumstößlichkeit<br />

Essay. In der offenen, republikanisch verfassten Gesellschaft ist der Werteiner Grenze davon abhängig,obman aufihre<br />

Einhaltung durch Nachbarn und Fremde vertrauen darf. Zum politischen Kampfbegriff wurde sie erst im 20.Jahrhundert.<br />

VON OLIVER GRIMM<br />

Ein falscher Schritt, schon drohtdas Todesurteil.<br />

Penka, eine bulgarische Kuh,<br />

unternahm Mitte Mai einenmöglicherweise<br />

fatalen Ausflug auf die andere<br />

Seite der bulgarisch-serbischen Grenze.<br />

Kurz nur hatte sie sich von ihrer Herde entfernt,<br />

angelockt vielleicht vom serbischen<br />

Gras, das grüner sein mochte als jenes auf<br />

ihrer Weide inBulgarien, schon war sie zu<br />

einemFall für dieeuropäischen Vorschriften<br />

über dieEinfuhr von Rinderngeworden. Die<br />

sind drakonisch: Kann ihr Besitzerkeinevon<br />

einem beglaubigten Tierarzt ausgefertigten<br />

Papiere vorlegen, die nachweisen, dass Penka<br />

nicht am Rinderwahn oder anderen Seuchen<br />

leidet,soist sie notzuschlachten.<br />

„Wir haben hier nichts zu entscheiden.<br />

Wir setzen nur Vorschriften um, die aus<br />

Brüssel kommen“, verteidigte sich der zuständige<br />

bulgarische Behördenvertreter.<br />

© shutterstock.com: Tetiana Chernykova |pikcha<br />

Grenzenlos<br />

„Wie istesmöglich, dasssie niemand aufgehalten<br />

hat?“, zürntPenkas Besitzer.<br />

Eine Frage, die sich –wenn auch in gänzlich<br />

anderem Kontext –seit dem Sommer<br />

2015 viele Europäer stellen. Der enorme Andrang<br />

anFlüchtlingen und Migranten, die<br />

damalsindie Unionströmten,hat einCredo<br />

der europäischen Einigung beschädigt. „Die<br />

Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern<br />

einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und<br />

Washaben Die Presse unddie<br />

Wirtschaftskammer Wien<br />

gemeinsam?<br />

Seit <strong>170</strong><strong>Jahre</strong>n<br />

die Wirtschaft im Fokus.<br />

Die Wiener Wirtschaft<br />

wünscht Alles Gute!<br />

des Rechts ohne Binnengrenzen“, verspricht<br />

Artikel 3des EU-Vertrages. Tutsie das noch?<br />

Wer von Ungarn nach Österreich einreist,<br />

fühlt sich ebenso andie Zeit vor Schengen<br />

erinnert wiebei der WeiterfahrtnachBayern.<br />

„Grenze“ und „Grenzschutz“ sind die<br />

Leitbegriffe des gegenwärtigen politischen<br />

Diskurses in Europa. Ihre Allgegenwart ist<br />

jedoch ein Phänomen des 20. Jahrhunderts.<br />

Sucht man im Ngram Viewer von Google<br />

http://news.wko.at/wien<br />

Books nach der Häufigkeit dieser Begriffe in<br />

der deutschsprachigen Literatur ab dem Jahr<br />

1800, so kommt der „Grenzschutz“ bis zum<br />

Jahr 1900 kaum vor. Die „Grenze“ erlebte<br />

einen kleinen Höhepunkt während der Napoleonischen<br />

Kriege,bis ungefähr 1890 stieg<br />

ihre Verwendung an, ehe sie bis zum Ausbruch<br />

des Zweiten Weltkrieges stabil blieb.<br />

Höhepunkt für beide Begriffe war das Jahr<br />

1940, als die Deutschen, von Hitlers Blitzkriegerfolgen<br />

berauscht, offensichtlich besonders<br />

gern von den Grenzen ihres „Lebensraumes“schrieben.<br />

Eine polnische Zugereiste<br />

Dabei istdie Grenze,sprachgeschichtlich gesehen,<br />

selbsteingewandert. Vom polnischen<br />

granica abgeleitet, wird dieses Wort abdem<br />

13. Jahrhundertverwendet, um das Ende des<br />

einen Herrschaftsbereichs und den Beginn<br />

des anderen zu bezeichnen,ist dem „Etymologischen<br />

Wörterbuch der deutschen Sprache“von<br />

Kluge zu entnehmen.<br />

Granica bedeutet im engsten Wortsinn<br />

Grenzstein. In Stein gemeißelt, unabänderlich,ewig,<br />

erscheintvielen Zeitgenossen das<br />

Linienwerk der Grenzen auf der Landkarte.<br />

Doch ein Handstreich der Mächtigen, eine<br />

Wendung der Geschichte genügt,umunumstößliche<br />

Grenzen zu verschieben – oder<br />

neue zu schaffen. „Man braucht jetzt ein Visum<br />

für jedes Land extra!“, echauffiert sich<br />

der Maronibrater Joseph Branco, der slowenische<br />

Vetter des Erzählers Trotta in Joseph<br />

Roths „Kapuzinergruft“. „Zeit meines Lebens<br />

habich so wasnicht gesehn. Jedes Jahr<br />

hab ich überall verkaufen können: in Böhmen,<br />

Mähren, Schlesien, Galizien. Und jetzt<br />

istalles verboten.“<br />

In seiner 2016 erschienenen historischen<br />

Miniatur „Zink“ beschreibt der belgische<br />

Autor David VanReybrouckdas Schicksal<br />

des 1903 im damaligen Kleinstaat Neutral-Moresnet<br />

(heute in Belgien liegend) geborenen<br />

Emil Rixen zu Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges: „Ohne jemals umgezogen zu<br />

sein, warerEinwohner eines neutralen Mikrolandes,<br />

Untertan des deutschen Kaiserreichs,<br />

Bürger des Königreichs Belgien und<br />

Staatsangehöriger im Dritten Reich. Bevor er<br />

wiederum Belgier werden wird, sein fünfter<br />

Wechsel der Staatsangehörigkeit, wird er als<br />

deutscher Kriegsgefangener abgeführt. Er<br />

hat keine Grenzen überschritten, die Grenzen<br />

sind über ihn hinweggegangen.“<br />

Ansprüche und Begehrlichkeiten<br />

Was bedeutet Grenze in der postmodernen,<br />

offenen, republikanisch verfassten Gesellschaft?<br />

Ihr Wert ist stets vom Vertrauen abhängig,<br />

das maninihre Einhaltung durch die<br />

Nachbarn,durch Fremde erwarten darf.Und<br />

insofern dieseGesellschaft im harten Ringen<br />

mit sich selbstein Wohlfahrtssystem, Rechtsansprüche,<br />

ein Sozialwesen geschaffen hat,<br />

markiertdie Grenzeeine in die Luft geschriebene<br />

Ausschließlichkeit: Diese und jene Zuwendung<br />

bekommt nur, wem wir es erlauben,<br />

sich hier niederzulassen. Hier gilt das<br />

Recht, ermächtigt esjene, die sich auf dieser<br />

Seite der Grenzlinie befinden. Wer drüben<br />

ist, hat Pech. Wen wundert es, dass indem<br />

Ausmaß, wie über die Kürzung dieser Begünstigungen<br />

diskutiert wird, die Abgrenzunggegenüber<br />

all jenen,die siegern hätten,<br />

vehementer verfochten wird? Die Grenzenlosigkeit<br />

wird insofern für viele zur Dystopie,<br />

weil ihnen die Felle davonzuschwimmen<br />

drohen. Kulanz ist dabei ausgeschlossen –<br />

gleich, ob es sich um eine entlaufene Kuh<br />

oderden Zuzug Fremder handelt.<br />

Herkunft. Granica,<br />

hranice: Die Herkunft des<br />

deutschen Lehnwortes<br />

Grenzeist slawisch. In die<br />

Hochsprache gelangte es<br />

durch Martin Luthers<br />

Bibelübersetzung. Im<br />

„Deutschen Wörterbuch“<br />

der Brüder Grimm heißt<br />

es, Luther habe „geradezu<br />

eine Vorliebe für das Wort<br />

gehabt“.


DANKESCHÖN FÜR<strong>170</strong> JAHRE<br />

QUALITÄTSJOURNALISMUS.<br />

Die BAWAG P.S.K. gratuliert zum Jubiläum<br />

und sagt DANKESCHÖN für stets unabhängige und<br />

anspruchsvolle Berichterstattung. Auch unsere Konto-<br />

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Treueprogramm, das sich sehen lassen kann.<br />

Mitten im Leben.<br />

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36 GRENZENLOS SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

Zum Jubiläum<br />

„,Die Presse‘ist fürmich die<br />

erste österreichische<br />

Zeitung,die ich inhaltlich<br />

zur Kenntnis genommen<br />

habe. Ich lese sie regelmäßig,<br />

weil ich sie füreine<br />

führende deutschsprachige<br />

Zeitung halte.“<br />

Jean-Claude Juncker,<br />

EU-Kommissionspräsident<br />

„,DiePresse‘ist Bestandteil<br />

meines Morgenrituals. Nach<br />

dem Aufwachen lese ich jene<br />

Kommentare, von denenich<br />

schonvorab weiß, dass ich<br />

mich darüber ärgern werde<br />

–das macht munter und<br />

erlaubt einen guten Startin<br />

den neuenTag.“<br />

Konrad Paul Liessmann,<br />

Philosoph<br />

Der unsichtbare Grenzbalken<br />

Völkerverständigung. Wer verstehen will, wie ein Land und seine Einwohner wirklich<br />

ticken, der muss die örtliche Sprache sprechen.<br />

VON MICHAEL LACZYNSKI<br />

Europa endlos“ –sobetitelte die deutsche<br />

Band Kraftwerkihre 1977 erschienene<br />

Ode an den alten Kontinent. Die<br />

Düsseldorfer Pioniere der elektronischen<br />

Musik rund um Florian Schneider<br />

und Ralf Hütter besangen darin den europäischen<br />

Lebensstil. Undsie taten dies zweisprachig<br />

–denn die Langspielplatte, auf der<br />

„Europa endlos“ zu finden war, wurde sowohl<br />

in einer deutschen als auch in einer<br />

englischen Fassung gepresst. Übersetzt lautete<br />

der Titel übrigens „Europeendless“.<br />

Mit der Entscheidung zugunsten einer<br />

Zweitsprache wollte die Band zusätzlich zur<br />

westdeutschen Homebasedie weit größeren<br />

und lukrativeren Märkte inGroßbritannien<br />

und den USA erschließen. Nur an Französisch,<br />

die Amtssprache der Europäischen<br />

Wirtschaftsgemeinschaft, verschwendete<br />

man in Düsseldorf offenbar keine Gedanken.<br />

Und ehrlicherweise muss man an dieser<br />

Stelle zugeben, dass „L’Europe infinie“<br />

nicht so gutzum kraftwerk’schen Klangpassen<br />

würde.<br />

Zu der Zeit,als Schneider und Hütter ihren<br />

Synthesizern überirdische Melodien<br />

entlockten, wuchs ich hinter dem Eisernen<br />

Vorhang inder Volksrepublik Polen auf. Auf<br />

Kraftwerk stieß ich zufällig –ein Freund im<br />

Kinderchor, indem ich sang, lieh mir eine<br />

Kassette, die ihm seine in der BRD lebende<br />

Tantegeschickt hatte. Dieser mir unbekanntenTante,die<br />

eine ziemlich coole Person gewesen<br />

sein muss, verdanke ich meine erste<br />

musikalische Offenbarung. Als meine Familie<br />

einige <strong>Jahre</strong> später nach Wien übersiedelte,<br />

musste ich alle Platten von Kraftwerk besitzen<br />

–idealerweise in beiden Sprachversionen.<br />

Während die englischen Fassungen<br />

weltläufiger daherkamen, wirkten die muttersprachlichen<br />

Varianten wie Meisterwerke<br />

deutscher Ingenieurskunst.<br />

Die Frage nach der emotionalen Wirkkraft<br />

eines Liedtexts in unterschiedlichen<br />

Ausführungen und dem bewusstseinsbildenden<br />

Effekt von Sprachen mag auf den<br />

ersten Blick wie ein Paradebeispiel des von<br />

Sigmund Freud beschriebenen Narzissmus<br />

der kleinenDifferenzen wirken, dochsie hat<br />

erstaunlich weitreichende Implikationen,<br />

wie ich selbst viele <strong>Jahre</strong> später als (mäßig<br />

erfolgreicher) Student der Japanologie erfahren<br />

sollte. Zunächst war auch ich, wie<br />

viele Anfänger vor mir, über die Vielzahl der<br />

Verbeugungen verwundert, mit denen Japaner<br />

ihre Ausführungen garnieren. Doch als<br />

ich die Grundsätze der Grammatik beherrschte,fiel<br />

es mir schlagartig auf: Die Kadenz<br />

und die Melodie der Sprache machen<br />

aus der Verbeugung einen zusätzlichen visuellen<br />

Akzent, der ganz einfach zum Gespräch<br />

dazugehört –wie das „ned woa?“ im<br />

Wienerischen. Um Stephan Remmler, einen<br />

weiteren Ahnvater und Helden des deutschen<br />

Elektropop, zu paraphrasieren: Die<br />

Sprache ist ein Rhythmus, bei dem man immer<br />

mitmuss.<br />

Unter der Oberfläche<br />

Doch was haben Usancen der japanischen<br />

Konversation mit dem Thema Grenzenlosigkeit<br />

zu tun? Ganz einfach:Umein Verständnis<br />

über örtliche Gegebenheiten zu entwickeln,<br />

das nicht an der Oberfläche hängen<br />

bleibt, muss man die örtliche Sprache beherrschen.<br />

Denn auch dort, wo es keine<br />

sichtbaren räumlichen Trennlinien mehr<br />

gibt, funktioniert die Sprache wie ein unsichtbarer<br />

Grenzbalken. Aufgrund meiner<br />

persönlichen Erfahrung werde ich immer<br />

skeptisch, wenn davon die Rede ist, in Europa<br />

wachse zusammen, was zusammengehöre.<br />

Um keine Missverständnisse aufkommen<br />

zu lassen: Ich bin ein überzeugter Befürworter<br />

des europäischen Integrationsprozesses<br />

im Allgemeinen und der EU im Speziellen.<br />

Die Union ist das größte und erfolgreichste<br />

Friedensprojekt und ihr Binnenmarkt<br />

ein einmaliger Wohlstandsgenerator.<br />

Ich habe allerdings meine Zweifel daran,<br />

dass die Union jene Bande, die durch eine<br />

gemeinsame Sprache geknüpft werden, ersetzen<br />

kann. Der europäische Binnenmarkt<br />

kann daran wenig ändern –anders als die<br />

Freizügigkeit, die ihren Nutznießern immerhin<br />

die Möglichkeit eröffnet, vor Ort anden<br />

Sprachkenntnissen zu feilen.<br />

Sprachlos in Petrž alka<br />

Das Potenzial der Europäischen Union, die<br />

linguistische Völkerverständigung zu fördern<br />

und sprachliche Barrieren abzutragen,<br />

ist leider Gottes beschränkt. Ein konkretes<br />

Beispiel gefällig? Von Wien aus betrachtet<br />

liegt Bratislava ähnlich weit entfernt wie<br />

St.Pölten. Der Anteil der Wiener, die sich in<br />

einem Beisl in der Plattenbausiedlung Petrž<br />

alkazwanglos über die ChampionsLeague,<br />

das Wetter oder den Eurovision Song Contest<br />

unterhalten können, tendiert trotz<br />

räumlicher Nähe und offener Grenzen gegen<br />

null.<br />

So lange es keinen Politiker gibt, der auf<br />

einer Bühne inPetrž alka genauso fließend<br />

sprechen kann wie an einem Stammtisch in<br />

Wulkaprodersdorf, in einer finnischen Sauna<br />

oder einer andalusischen Tapasbar, so<br />

lange wird der Traum von den Vereinigten<br />

Staaten von Europa unerfüllt bleiben. Denn<br />

der Demos braucht eine gemeinsame Sprache,<br />

die eine Lingua franca wie Englisch<br />

nicht ersetzen kann.<br />

Dieses Problem ließe sich theoretisch<br />

(und möglicherweise bald praktisch) umgehen<br />

–und zwar mittels automatisierter, auf<br />

Algorithmen basierender Simultanübersetzung,<br />

ander Unternehmen wie Google seit<br />

geraumer Zeit arbeiten. Ein fiktives Vorbild<br />

gibt es bereits: Indem Science-Fiction-Roman<br />

„Per Anhalter durch die Galaxis“ erfand<br />

der Autor Douglas Adams den Babelfisch –<br />

ein Lebewesen, das im Ohr seines Wirtslebt<br />

und ihm im Gegenzug das Verständnis aller<br />

galaktischen Dialekte ermöglicht.<br />

Doch bis jeder von uns einen Knopf aus<br />

Stahl und Silikon im Ohr hat, wird noch Zeit<br />

vergehen. Europa als Ganzes würde dadurch<br />

viel gewinnen. Was allerdings verloren gehen<br />

würde, wäre der kleine, feine Unterschied<br />

zwischen „Europa endlos“ und „Europe<br />

endless“. Obder Gewinn den Verlust<br />

aufwiegt? Idon’t know.


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SAMSTAG, 9. JUNI 2018 GRENZENLOS 39<br />

dabei deutlich. Wer immer eine Antwort auf<br />

die Frage nach der Identität Europas geben<br />

will, kommt nicht umhin anzugeben, was<br />

Europa nicht ist. Auch wenn es um die<br />

Grenzen eines Selbstverständnisses geht,<br />

wird von einer europäischen Identität nicht<br />

gesprochen werden können, solange nicht<br />

klar ist, warum und in welcher Weise das<br />

Europäische im Osten des Kontinents, im<br />

Vorderen Orient, im Mittelmeer und am Atlantik<br />

seine Grenze findet.<br />

Da es keine geografischen, kulturellen<br />

oder ethnischen Grenzen Europas gibt, die<br />

von vornherein feststehen, und da das, was<br />

gerne als Wurzel und Ausdruck der Eigenart<br />

Europas gesehen wird –die griechisch-römische<br />

Antike,das Christentumund die Aufklärung<br />

und ihr Insistieren auf Freiheit, Menschenwürde<br />

und Menschenrechte –, entweder<br />

obsolet erscheint oder selbst universalisiertworden<br />

ist, istdie Fragenachder Identität<br />

Europas nur über eine politische Willensbildung<br />

zuerreichen. Weil Grenzüberschreitungen<br />

und Universalisierungsprojekte das<br />

moderne Europa im positiven und im negativen<br />

Sinn auszeichneten, ist die Frage nach<br />

den Grenzen Europas immer schon verbunden<br />

mit den Perspektiven, diese Grenzen<br />

auszuweiten oder hinter sich zu lassen. Europa<br />

lässt sich deshalb nur voluntaristisch<br />

bestimmen. Europa wird das sein, wasesunter<br />

gegebenen Umständen sein will.<br />

Ob und mit welcher Insistenz sich Europa<br />

über seine Grenze definieren wird –<br />

dieser Willensakt wird einerseits über Europa<br />

als politischesSubjektauf derWeltbühne<br />

entscheiden, und er wird andererseits<br />

immer von einer doppelten Ambivalenz gekennzeichnet<br />

bleiben: Einmal wird jede<br />

Grenze eine vorläufige sein, jede europäische<br />

Außengrenze wird stets infrage gestellt<br />

werden können.Und zum anderen wird das<br />

Projekt der europäischen Einigung immer<br />

ein Fortschrittsprojekt sein und als Einlösung<br />

eines europäischen Versprechens gelten,<br />

zugleich aber wird dieseEinigungangesichts<br />

der oben angesprochenen prinzipiellen<br />

Erosion politischerGrenzen zunehmend<br />

mit dem Makel eines antiquierten Politikverständnisses<br />

behaftet sein.<br />

Staatliche Entgrenzung im Weltmaßstab<br />

Ein entfesselter Weltmarkt, auf dem global<br />

agierende Konzerne eine Epoche der Refeudalisierung,<br />

also der staatlichen Entgrenzung<br />

im Weltmaßstab einleiten, könnte im<br />

Grunde aufdas europäische Projektverzichten.<br />

Gerade angesichts der viel beschworenen<br />

Globalisierung ist das Konzept eines<br />

Binnenmarktes inadäquat. Realistisch muss<br />

man aber davon ausgehen, dass auch der<br />

weltweite Kapitalismus –nicht zuletzt, weil<br />

die Unternehmen als die neuen Herren<br />

noch nicht begriffen haben, welche Sicherheits-<br />

und Ordnungsfunktionen ihnen aus<br />

der übergroßen ökonomischen Macht erwachsen<br />

–mit konventionellen Territorialstaaten<br />

kooperierenwird, vor allem dort, wo<br />

Unternehmensinteressen und nationale Interessen<br />

sich zumindest fallweise berühren.<br />

Wie der Stand der Dinge ist, werden nur<br />

selbstbewusste Staaten oder Staatenverbände<br />

diese Kooperationen eingehen und als<br />

politische Räume überleben können: die<br />

USA, Russland, China, Indien, vielleicht Japan<br />

und, wennesdenn gewollt wird, die EU.<br />

Der arabisch-islamische Raum stehtdemgegenüberineiner<br />

Wartehaltung. Alle anderen<br />

Regionen dieser Erde werden letztlich entstaatlicht<br />

und damit in einer Weise grenzenlos<br />

werden, die vor allem den Armen und<br />

Ärmsten demonstrieren wird, dass Grenzen<br />

nicht nur die Funktion der Abschottung,<br />

sondern immer auch die des Schutzes gehabt<br />

haben. Ob sich die drei oder vier Milliarden<br />

Menschen, die eher zu den Opfern<br />

dieser Entgrenzung gehören werden, damit<br />

auch demütig abfinden werden, ist eine andere<br />

Frage, aufdie sich eine wirklichglobale<br />

Politikbeizeiten einstellen sollte.<br />

Damit sind wir bei einem zweiten großen<br />

Bereich, in dem gerne ein Lob der Grenze<br />

gesungen und weniger die Ekstase der<br />

Entgrenzung proklamiert wird: im Bereich<br />

von Moral und Ethik. Hegel hatschon angemerkt,<br />

dass die Setzung von Schranken und<br />

Konrad Paul<br />

Liessmann<br />

Grenzen immer ein „Sollen“ enthält, eine<br />

implizite Aufforderung, etwaszutun oder zu<br />

unterlassen. Man kann nun jede moralische<br />

Norm als solch eine Schranke definieren, die<br />

das Handeln begrenzt und damit auch darüber<br />

befindet, ob dieses Handeln moralisch,<br />

wünschenswert, letztlich gut oder inakzeptabel,<br />

letztlich böse genannt werden<br />

kann. Niemand wird bezweifeln, dass die<br />

Etablierung moralischer Grenzen nicht nur<br />

für jede Gemeinschaft überlebensnotwendig<br />

ist, sondern dass gerade eine moderne Gesellschaft,inder<br />

alles im Flussscheint, ohne<br />

solche Grenzen nicht auskommt, sich geradezu<br />

über solche moralischen Grenzen definiert.<br />

Die Herausbildung der Menschenrechte<br />

im Laufe der europäischen Geschichte<br />

kann, ja muss begriffen werden als die<br />

Herausbildung von Grenzen, die klar definierten,<br />

an welchen Punkten das Zugriffsrecht<br />

des Staates,der Herrschaft,der Polizei,<br />

aber auch von Privatpersonenaneine Grenze<br />

stößt. Siehtman als eine der Wurzeln dieser<br />

Menschen- und Bürgerrechte die Habeas-Corpus-Aktevon<br />

1679 an, so wird auch<br />

eine geradezu topografische Grenze der politischen<br />

Moral und des Rechts deutlich:der<br />

Körper,die Oberfläche,die Physisdes Anderen.<br />

Dass niemand das Recht hat, außer in<br />

Notwehrsituationen, die Integrität des Körpers<br />

eines Anderen zu verletzen, markiert<br />

eine Grenze, deren Vervielfältigung und<br />

Ausweitung, nicht Überschreitung zur Deklaration<br />

der Menschen- und Bürgerrechte<br />

im späten 18. Jahrhundert geführt hat. Nirgendwo<br />

offenbart sich der „Nutzen von<br />

Grenzen“, wie dies Ernst Ulrich von Weizsäcker<br />

genannt hat, so sehr wie indiesem<br />

Bereich, in dem wir wie selbstverständlich<br />

davon ausgehen, dassunsere Mitbürger,unsere<br />

Vorgesetzten und die staatlichen und<br />

privaten Sicherheitskräftediese Grenze auch<br />

respektieren und uns nicht bei jeder Gelegenheittätlichund<br />

verletzend „angreifen“.<br />

In solch einer Begrenzung herrschaftlicher<br />

Willkür wurzelt der moderne, europäische<br />

Rechtsstaat, auf den auch kein Apologet<br />

politischer Entgrenzung bisher verzichten<br />

will. Was aber bedeutet dieser Zusammenhang<br />

von Recht, Moral und Grenze? Etwasverallgemeinernd<br />

lässt sich dies mit den<br />

Worten Ernst Ulrich von Weizsäckers pointiert<br />

formulieren: „Der Rechtsstaat ist eine<br />

der wichtigsten und reifsten Errungenschaften<br />

der politischen Zivilisation. Und was ist<br />

es,was wirdaran so schätzen? Ganz einfach:<br />

Recht setzt Grenzen. Jedes Recht begrenzt<br />

die Handlungsfähigkeit eines oder mehrerer<br />

Akteure. Jedes Recht ist insofern auch eine<br />

ArtHandelshemmnis.“<br />

Vom Schutz vor Übergriffen<br />

Man mussvon Weizsäckers leicht polemische<br />

Synchronisierung von Handeln und Handel<br />

nicht unbedingt mitmachen, um zu erkennen,<br />

dass der Zusammenhang von Rechtsordnungen<br />

und Grenzen in der Tatdarin besteht,<br />

dass die Handlungsoptionen der einen<br />

eingeschränkt werden müssen, um die Lebensmöglichkeiten<br />

deranderen zu schützen.<br />

Dass politische und moralische Grenzen<br />

immer auch Schutzfunktionen hatten, dass<br />

Grenzen nicht nur gezogen, sondern mitunter<br />

auch erkämpft werden mussten, dass es<br />

stets darauf ankommt, auf welcher Seite<br />

einer Grenze man sich befindet,vergisst man<br />

leicht in einer Zeit, die Grenzüberschreitung<br />

zu einem positiven Akt ansich erhoben hat.<br />

Ist allerdings angesichts rassistischer oder<br />

antisemitischer Ausschreitungen davon die<br />

Rede, dass damit innicht mehr tolerabler<br />

Weise eine Grenze überschritten worden sei,<br />

so müsste einem die schützende Funktion<br />

von Grenzen schlagartig wieder bewusst<br />

werden. Man könnteesauchsoformulieren:<br />

Es sind die Schwachen, die Minderheiten,<br />

die Mindermächtigen, die Grenzen brauchen;<br />

nicht die Starken. Nietzsches Enthusiasmus<br />

für die Starken feierte nicht nur deren<br />

Kraft der Grenzüberschreitung, sondern<br />

korrespondierte mit einer Verachtung der<br />

Schwachen, die Grenzen nötig haben. Das<br />

war zumindest ehrlich, und esfragt sich, ob<br />

in mancher heutigen Apologie der Grenzüberschreitung<br />

nicht solch eine Verachtung<br />

mitschwingt –ohne dass man den Mut hätte,<br />

dies auch zuzugeben. Am schönsten allerdings,<br />

und damit komme ich zum heiteren<br />

Abschluss, funktioniert das Spiel von<br />

Grenzziehung und Grenzüberschreitung in<br />

der Kunst. In keinem gesellschaftlichen Segment<br />

wurden imletzten Jahrhundert derart<br />

viele Grenzen überschritten undeingerissen.<br />

Es wurde die Freiheit der Kunstgefordert<br />

und mittlerweile in der Verfassung verankert.<br />

Das bringt uns jedoch immer wieder in die<br />

Verlegenheit, definieren zu müssen, was<br />

Kunst ist, also eine Grenze der Kunst ziehen<br />

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[Quelle: APA]<br />

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„Die Presse“–<br />

die APAgratuliert<br />

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zu müssen, denn die Verfassung kann nicht<br />

etwasgarantieren, wasnicht definiertwerden<br />

kann; umgekehrt besteht aber der Anspruch<br />

der avantgardistischen Kunst gerade darin,<br />

den Kunstbegriff zuverändern, zu unterlaufen,<br />

ohne dass man allerdings aufhören<br />

möchte, Kunst zumachen. Der Zusammenhang<br />

zwischen begrifflicher Bestimmtheit,<br />

Grenzziehungund Grenzüberschreitunglässt<br />

sich auf dem Felde des Ästhetischen so noch<br />

einmal spielerisch und summarisch beobachten.<br />

Der Avantgardist, der den Anspruch<br />

hat, die Grenzen der Kunst zuüberschreiten,<br />

überschreitet sie im Namen der Kunst. Er<br />

überschreitet sie also nicht wirklich, sondern<br />

dehnt die Grenze der Kunst aus: auf Design,<br />

auf soziale Praktiken, auf Aktionen. Er will<br />

nicht, dass aus Kunst Nichtkunst, sondern<br />

dassaus NichtkunstKunstwird.<br />

Die seit der Romantik propagierte Willkür<br />

des Künstlers, dass erallein es ist, der<br />

bestimmt, was als Kunst zugelten hat, zeigt<br />

deutlich, dass jede Grenzüberschreitung,<br />

will sie gelingen, eine neue Grenzziehung<br />

ist. Niemand wäre wirklich glücklich, wenn<br />

wir uns darauf einigten, dass, weil eine<br />

Grenzezwischen Kunstund Nichtkunst heute<br />

nicht mehr gezogen werden kann, wirauf<br />

den Begriff der Kunstüberhaupt verzichten.<br />

Man kann in wenigen Sätzen zusammenfassen:<br />

Grenzen zu überschreiten gehört<br />

zweifellos zu den Dimensionen<br />

menschlichen Daseins, die mit der Kreativität,<br />

der Neugier, dem Forschungsdrang des<br />

Menschen, aber auch mit seiner Aggressivität,<br />

seiner Gier und seiner Destruktivität zu<br />

tun haben. Man kann aber Grenzen nur<br />

überschreiten,wenn es Grenzen gibt.Weder<br />

in der Politik noch in der Moral noch in der<br />

Kunst kann es also darum gehen, Grenzen<br />

schlechthin aufzugeben. Sehr wohl aber<br />

mussesdarum gehen, sich zu überlegen, wo<br />

und wann Grenzen gezogen, wieund warum<br />

sie überschrittenwerden und, vor allem, wie<br />

mit Grenzen umzugehen sei. Wohl gab und<br />

gibt es genug inhumane Grenzen zwischen<br />

Menschen, die noch immer ihrerAufhebung<br />

harren. Aber hin und wieder kann es humaner<br />

sein, eine Grenze zu respektieren und<br />

über die Grenze hinweg dem Anderen die<br />

Hand zu reichen, als dieGrenze niederzureißen,<br />

um sichden Anderen einzuverleiben.<br />

EU-Erweiterung. Am 1. Mai 2004 fand mit dem Beitritt von<br />

Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien,<br />

Tschechien,Ungarn und Zypern die größteErweiterung in der<br />

Geschichteder Europäischen Union statt. BeimEuropäischen<br />

Forum Alpbach im darauffolgenden Sommer hielt Konrad Paul<br />

Liessmann die Eröffnungsrede,GrundlageeinesEssaysfür das<br />

„Spectrum“der „Presse“.2012legte er bei Zsolnaysein Buch „Lob<br />

der Grenze. Kritik der politischen Unterscheidungskraft“vor.<br />

www.apa.at


42 METROPOLE SAMSTAG, 9.JUNI 2018<br />

Als die Stadtzur Bühne wurde<br />

Stadtbild. Bühne, Klassenzimmer,Aufmarschgebiet,Podium und knappe Ressource:Wie der öffentliche Raum das Lebensgefühl<br />

der Stadtdefiniert. Und was Mode und Stadtplanung gemeinsam haben.<br />

VON ULRIKE WEISER<br />

UND EVA WINROITHER<br />

Was ist eine Metropole? Die<br />

Stadtforschung sagt: eine<br />

Stadt mit „Bedeutungsüberschuss“<br />

–im Verhältnis zu<br />

ihrer Größe. Festgemacht wird das<br />

an der Wirtschaftskraft, Verkehrsverbindungen<br />

oder auch Kunst<br />

und Kultur.<br />

Aber nie an dem, was der Metropole<br />

eigentlich Leben einhaucht.<br />

Dem,was zwischen all den<br />

Konzernzentralen, Sehenswürdigkeiten<br />

und Flughäfen liegt. Die<br />

Plätze, wodas Lebensgefühl nistet,<br />

das unsichtbare Raumgewebe, das<br />

die Einzelteile zur Stadt zusammenfügt,<br />

die Bühne, auf der wir<br />

alle uns bewegen. Oder nüchterner<br />

formuliert:der öffentliche Raum.<br />

In Wien kann dessen Geburt<br />

aufden 1. Mai 1865datiertwerden.<br />

Das kommt –wie auch die Industrialisierung<br />

–reichlichspät. Während<br />

in Paris, Budapest oder auch<br />

München Stadterweiterungsprojekte<br />

längst Platz für Urbanität<br />

schaffen, verschanzt sich Wien –<br />

beengt,überfüllt –lange hinter den<br />

Basteien. Erst mit der Eröffnung<br />

der Ringstraße, ander der „Presse“-Gründer<br />

und ImmobilienspekulantAugustZangübrigens<br />

publizistisch<br />

mitwirkt, bekommt das<br />

(Groß-)Bürgertum seine Bühne.<br />

Die Stadt, pardon die Metropole,<br />

legt ihr Korsett ab. Die Damen der<br />

Zeit atmen allerdings weiter flach.<br />

Die reichen Frauen, diemittags flanieren,<br />

sind die Hauptdarstellerinnen<br />

der neuen Ringstraße.<br />

Ihre Rolle ist freilich unbequem.<br />

„Sie haben die Taille oft so<br />

eng geschnürt, dass sich die Organe<br />

verschieben“, sagt Elisabeth<br />

Frottier, Leiterin der Kostüm- und<br />

Modesammlungder Universität für<br />

angewandteKunstinWien. Die bodenlangen<br />

Röcke mit Krinolinen<br />

aus Metall sind so voluminös, dass<br />

die Frauen Teepuppen ähneln,keine<br />

Rede von Bewegungsfreiheit.<br />

Die Mode, das zeigt sich hier<br />

deutlich und zieht sich wie ein roter<br />

Faden durch, entwickelt sich in<br />

enger Symbiose mit dem Stadtraum.<br />

So huldigen die Fassaden<br />

der Ringstraße und ihre Flaneure<br />

demselben Zweck: Repräsentation.<br />

Dass diese ersteWienerBühnenur<br />

für die Reichen da ist, versteht sich<br />

von selbst. Inden Vorstädten erschöpft<br />

sich die Idee vom öffentlichen<br />

Raum darin, dass Arbeiter<br />

und Warenvon AnachBkommen.<br />

Unddas bleibt auch länger so.<br />

Wiener Klassenzimmer<br />

Denn auch wenn bei Vordenkern<br />

wie Otto Wagner oder Camillo Sitte<br />

um die Jahrhundertwende die Idee<br />

sickert, dass der Städter Freiraum<br />

braucht, schafft es dieses Denken<br />

nicht aus den künstlerischen Zirkeln.<br />

Ähnlich geht es der Mode.<br />

„Das von Künstlern und Ärzten geforderte<br />

,Reformkleid‘, das von den<br />

Schultern lose herabfällt und ohne<br />

Korsett auskommt, setzt sich nicht<br />

durch“, sagt Gerda Buxbaum, ehemalige<br />

Direktorin der Modeschule<br />

Hetzendorfund Modehistorikerin.<br />

Zum Geburtstag<br />

viel Klick.<br />

Die drastischen Veränderungen<br />

kommen erst, als Wiens kurze<br />

Metropolen-Ära zu Ende ist. Nach<br />

dem Ersten Weltkrieg. Johannes<br />

Suitner, Stadtforscher im Department<br />

für Raumplanung an der TU<br />

Wien, teilt die Entwicklung des öffentlichen<br />

Raums grob in sechs<br />

Phasen ein. Nach der Ringstraße<br />

und Otto Wagners Skizzenbuch<br />

kommt die Idee der Urbanität erst<br />

in der dritten Phase,inden 1920er-<br />

<strong>Jahre</strong>n, in der Politik an. ImRoten<br />

Metropole<br />

Wien wird der öffentliche Raum<br />

zum pädagogischen Appell. Zum<br />

Klassenzimmer. Hier sollen sich im<br />

sozialistischen Sinne die Arbeiter<br />

zur Gemeinschaft formen. Auf den<br />

Grünräumen der „Volkswohnpaläste“genauso<br />

wieinden Tröpferlbädern.<br />

Dass die Gemeindebauten<br />

zwecks sozialer Durchmischung<br />

nach Masterplan über ganz Wien<br />

verteilt werden, erscheint Forschernretrospektiv<br />

aber als historische<br />

Täuschung: „Es gibt Indizien,<br />

dass die Entscheidungen eher<br />

pragmatisch getroffen wurden.<br />

Man bauteda, wo es günstig war, es<br />

Platz und wenig Widerstand gab“,<br />

sagtSuitner.<br />

Auch die Mode passt zum neuen<br />

Stil. Die Hängekleider kamen<br />

der Armut in der Zeit der Depression<br />

sehr entgegen. Die Garçonne<br />

wird das Idol der 1920er-<strong>Jahre</strong>.<br />

Hemdkleider, keine Taille, dafür<br />

ein HauchVerruchtheit,Glamour.<br />

Damals beginntaber auch,was<br />

in der Nazi-Zeit seinen grauenhaft<br />

pervertierten Höhepunkterreichen<br />

wird: Der öffentliche Raum wird<br />

politisch, ein Ortder Aushandlung,<br />

aber auch der Propaganda. Das<br />

Verhältnis der Nazis zur Stadt ist<br />

ambivalent. Einerseits nutzt man<br />

monumentale Beton-Ästhetik und<br />

wälzt Umbaupläne. Anderseits,<br />

sagt Suitner, habe Hitler die Stadt<br />

verschmäht, propagierte die Ruralisierung<br />

– Selbstversorgergärten<br />

inklusive. Der Zug zum Land<br />

macht sich auch modisch bemerkbar:Dirndl,<br />

enge Miedermit Blümchen<br />

–und kürzereRöcke.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

setzt in Wien –wiederum verspätet<br />

–ein, was inanderen großen Städten<br />

schon Schule gemacht hat. Die<br />

Idee der funktionalen, wissenschaftlich<br />

geplanten Stadt (zum<br />

Mitzählen: das wäre diefünftePhase<br />

in Wien). Die Aufgaben des<br />

Stadtraums werden säuberlich getrennt:<br />

da Arbeit, dort Wohnen,<br />

hier Freizeit. Experten berechnen<br />

statistisch, wie viel Grünraum es<br />

pro Kopf braucht, tüpfeln Beserlparks<br />

quer durch die Bezirke. Mit<br />

dem Wohlstand der 1950er- und<br />

1960er-<strong>Jahre</strong> fordert auch das Auto<br />

mehr Raum. Die Bühne wird zu<br />

einem aufgeräumten Ort. Jeder<br />

weißwieder, wo seinPlatz ist. Oder<br />

ihrer. Auch modisch. 1947 kommt<br />

Diors New Look auf, runde Schultern,<br />

Korsetts, wadenlange weite<br />

Röcke. Die Frau wird wieder ein<br />

bisschen Puppe, meist gut frisiert.<br />

Der öffentliche Raum verliert indessen<br />

fast unbemerkt eine wichtige<br />

Qualität: das Hybride, das<br />

Undefinierte, das Freie. Bereits in<br />

den 1970er-<strong>Jahre</strong>n wird man das<br />

bereuen.<br />

Denn 1973 beginntsich Unmut<br />

gegen die allzu bürokratische<br />

Stadtplanung zu regen. Die erste<br />

Volksbefragung Wiens, sagt Suitner,<br />

findet zum Sternwartepark<br />

statt. Die Bevölkerung entscheidet<br />

sich knapp gegen die Nutzung des<br />

Parks als Wohnraum. Von da an<br />

Blase. „Eine<br />

Metropole istein<br />

selbstgenügsamer<br />

Mikrokosmos, den<br />

man ein halbesJahr<br />

nicht verlassenmuss,<br />

weil allesdaist“, sagt<br />

der deutsche Autor/<br />

JournalistAlexander<br />

vonSchönburg. Wien<br />

seikeine Metropole,<br />

habe sich aber<br />

immerhin die<br />

Überheblichkeit einer<br />

Bubble bewahrt.<br />

melden sich dieWiener öfter –und<br />

auch ungefragt –zu Wort. „Bei der<br />

Arena-Besetzung ging esnicht nur<br />

um progressive Kultur, sondern<br />

auch um Schutz von undefiniertem<br />

öffentlichenRaum.“<br />

Die Bürger fordernzunehmend<br />

Mitsprache bei der Gestaltung des<br />

öffentlichen Raums –und die Politik<br />

hat ein Einsehen: Die Donauinsel<br />

wird vom rein technischen<br />

Projekt zur Freizeitoase, die frei<br />

von Verbauung bleibt. Zum ersten<br />

Mal, sagtSuitner,gibt es eine breite<br />

internationale Jury für Stadtplanungsprojekte.<br />

Auch in derMode spiegelt sich<br />

der Trend zur Mitbestimmung wider.<br />

„Der Aufstand gegen das<br />

Establishment wurde von der Straße<br />

her geführt, und das hatte eine<br />

Auswirkung auf die Mode, die von<br />

nun anvon der Straße beeinflusst<br />

wurde“, sagt Buxbaum. Erstmals<br />

wird ausgehend von England die<br />

Mode von der Jugend bestimmt.<br />

Ringen um Raum<br />

Mit den Achtzigern und Neunzigern<br />

beginnt laut Suitners Rechnung<br />

die sechste Phase, in der<br />

Wien noch immer steckt. Die unübersichtliche.<br />

Dasgiltauch für die<br />

Mode, deren vielleicht einzige Regel<br />

Individualität lautet, genauso<br />

wie für den öffentlichen Raum.<br />

Dass er eine wichtige Ressource ist,<br />

mussman heute niemandem mehr<br />

groß erklären. Das Problem ist ein<br />

anders: zu große Popularität. In<br />

einer wachsenden Stadt drängen<br />

viele nach draußen. Nicht nur Migranten<br />

mit engen Wohnungen,<br />

auch die Touristen im MQ oder<br />

Studenten mit Sharing-Konzepten.<br />

Und beim Verteilungskampf<br />

geht es nicht nur umdie Klassiker<br />

wie „Bebauen oder frei lassen?“<br />

oder Fragen der Mobilität (Straße<br />

oder Begegnungszone?), sondern<br />

um viele Nutzungskonflikte. Aktuell<br />

dominiert medial-politisch das<br />

Thema Sicherheit: Welche Gruppen<br />

(früher Prostituierte, jetzt Alkoholiker)<br />

dürfen sich wo aufhalten,<br />

wer beeinträchtigt wie die Sicherheit<br />

des anderen? Auch die oft<br />

als Belebung beklatschte Bespielung<br />

des öffentlichen Raums durch<br />

Events ist soproblemlos nicht. Öffentlicher<br />

Raum müsse nutzungsoffen<br />

bleiben, sagtSuitner.<br />

Vielleicht ist das etwas, wo<br />

Wien, das immer spät dran war –<br />

bei der Gestaltung des öffentlichen<br />

Raums genau so wie bei der Mode<br />

(„Wien war nie Mode-Metropole“,<br />

so Buxbaum) –, endlich einmal<br />

Erster seinkann.<br />

Nämlich mit einer Erkenntnis,<br />

die 1848 keine Zeitung gedruckt<br />

hätte: dass Städte auch Gstättn<br />

brauchen.<br />

Digitoll<br />

gratulieren unter:<br />

nochmehrenergie.ag<br />

gratulieren unter:<br />

nochmehrenergie.ag<br />

Als langjähriger Kunde gratulieren wir der<br />

Presse ganz herzlich zum <strong>170</strong>. Jubiläum!<br />

Uns gefällt die Leidenschaft der Redaktion,<br />

die jeden Tag Professionalität und<br />

Objektivität garantiert.<br />

Wir denken an morgen<br />

Weiter so!<br />

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SAMSTAG, 9. JUNI 2018 METROPOLE 43<br />

Leben, heiraten,<br />

sterben: WieWien<br />

zur Metropolewurde<br />

VON TERESA WIRTH<br />

Im Gründungsjahr der „Presse“ –jagenau,<br />

1848 –war die Reichshaupt- und<br />

Residenzstadt Wien, was die räumliche<br />

Ausdehnung, aber auch, wasdie Zahl der<br />

Bewohner betrifft, vergleichsweise klein. Jedenfalls<br />

aber von den Stadtmauern sehr eng<br />

eingeschnürt.<br />

Genau 419.413 Einwohner, die Bürokratie<br />

funktionierte damals unter Kaiser Ferdinand<br />

I. bereits ziemlich gut, wurden in der<br />

Stadt gezählt (siehe unten stehende Grafik).<br />

Spulen wir vor: <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> später entspricht<br />

diese Zahl etwasmehrals den zwei bevölkerungsreichsten<br />

Bezirken Wiens, Favoriten<br />

mit seinen 198.100 Gemeldeten und Donaustadt<br />

mit den 184.200 Bewohnern.<br />

Wien befand sich auf dem besten Weg,<br />

zu einer Millionenmetropole zu werden. Die<br />

Geburtenrate von damals: Umgelegt auf<br />

1000 Bewohner erblickten 47 Babys das<br />

Licht der Welt. Damit würde Wien heute auf<br />

Platz zwei der Geburtenbestenliste stehen,<br />

gleich hinter dem westafrikanischen Staat<br />

Niger. Doch zurück zuWien: Da war 1848<br />

die Geburtenrate vier Mal höher als im Vorjahr.<br />

Umgekehrt war vor <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n aber<br />

Wiens Bevölkerung<br />

419.413<br />

2.083.630<br />

1.506.201<br />

1.867.582<br />

auch die Zahl der Todesfälle pro 1000 Einwohnern<br />

mehr als vier Mal so hoch wie in<br />

der Gegenwart.<br />

DieZwei-Millionen-Schallmauer<br />

Knapp vor dem Ersten Weltkrieg durchbrach<br />

Wien 1910 –vor allem wegen einer<br />

starken Zuwanderung –die Zwei-Millionen-<br />

Schallmauer und erreichte seinen bisherigen<br />

absoluten Spitzenwert von knapp über<br />

zwei Millionen Einwohnern (genau waren es<br />

2,083.630). Danach gingesmit Wiens Bevölkerungszahlen<br />

wieder bergab. Erst 1987 kam<br />

der Wendepunkt, seitdem wächst die Stadt<br />

wieder. An der Heiratslaune der Wiener mag<br />

es nicht liegen, die war –1848 wie heute –<br />

relativ gering. Wienkarte von1844,die Stadtmauer steht noch, die Donau istnicht reguliert. [Wienbibliothek ]<br />

WIR KARTULIEREN<br />

und wünschen der Tageszeitung<br />

Die Presse alles Gute zum runden<br />

Geburtstag<br />

1848 1910<br />

Höchststand<br />

Geburten<br />

gesamt<br />

19.626<br />

48.669<br />

1987<br />

Wendepunkt<br />

2017<br />

14.827 20.576<br />

1848 1910 1987 2017<br />

je 1000 Einwohner<br />

47<br />

24<br />

10 11<br />

1848 1910 1987 2017<br />

Eheschließungen<br />

gesamt<br />

2575<br />

18.713<br />

14.876<br />

9525<br />

1848 1910 1987 2017<br />

je 1000 Einwohner<br />

6<br />

9 10<br />

5<br />

1848 1910 1987 2017<br />

Todesfälle<br />

gesamt<br />

31.817<br />

16.168<br />

22.193<br />

16.424<br />

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1848 1910 1987 2017<br />

je 1000 Einwohner<br />

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1848 1910 1987 2017<br />

Quelle: Statistik Austria · Grafik: „Die Presse“ · PW


Wunder<br />

Sommer 2008:Das Fußballwunder in Österreichwar gerade ausgeblieben.<br />

Die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz<br />

war zwar ein großartiges Sportfest, Spanien gewann den Titel, Österreichdurfte<br />

mitspielen,sogar ein Tor schießen, mehr aber nicht.<br />

Die Wunder spielten sich allerdings andernorts ab.Inden Vereinigten<br />

Staaten gewann ein Farbiger die Vorwahlen der Demokraten. Ein gewisser Barack Obama,Senator<br />

aus Illinois und politischer Nobody, klopfte ans Weiße Haus. Und erverzauberte nicht nur das<br />

Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern auch den damaligen „Presse“-Korrespondenten in<br />

Washington, NorbertRief. „Bei Obama isteswie mit der Chinesischen Mauer oder der Cheops-Pyramide:<br />

Man muss ihn sehen, um die Faszination zu verstehen“, schrieb Rief. Knapp 100 Tage später,<br />

am 4. November,wurde Obama zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt.<br />

WOHLSTAND<br />

„Wollen wir ein<br />

Wunder<br />

erleben?“<br />

Wirtschaftswunder bekommt<br />

man nicht geschenkt.<br />

Schon gar<br />

nicht vonPolitikern. Ein<br />

Essayvon Gerhard<br />

Hofer. S. 50<br />

ORIGINALTEXT<br />

Sigmund Freuds<br />

„Wege zum<br />

Glück“<br />

DerBegründerder<br />

Psychoanalyse schrieb<br />

in der „Neuen Freien<br />

Presse“ über die Auswirkung<br />

der Kunstauf<br />

sexuelle Triebe. S. 54<br />

AUFSTIEG<br />

Der Millionär,<br />

der noch die<br />

Armut kannte<br />

DerChinese Wu Cong<br />

avanciert vomStraßenverkäufer<br />

zum Millionär.Eine<br />

Geschichte<br />

aus dem Wirtschaftswunderland.<br />

S. 56<br />

«Die Presse» steht in Österreich seit <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n für ausgezeichneten Journalismus und Transparenz. Die Liechtensteinische Landesbank steht seit<br />

beinahe 160 <strong>Jahre</strong>n für herausragendes Banking mit Werten. Durch Stabilitätund Sicherheit sind beide Institutionen in ihrer Heimatwegweisend –<br />

gestern wie heute. Die Liechtensteinische Landesbank wünscht der «Presse» alles Gute und viel Erfolg für die Zukunft. Nach unserer bevorstehenden<br />

Fusion mit der Semper Constantia Privatbank zur größten Vermögensverwaltungsbank Österreichs können wir in unserer zweiten Heimat mit der<br />

«Presse» aufeinen professionellen Partner zählen.


Gute<br />

Nachrichten<br />

verbinden<br />

uns.<br />

T­MOBILE FREUT SICHMIT DER„PRESSE”ÜBER IHR<strong>170</strong>­JAHR­JUBILÄUM.<br />

UND ÜBER DIEAUSZEICHNUNG ZUMBELIEBTESTEN MOBILFUNK­<br />

BETREIBER ÖSTERREICHS ZUMFÜNFTEN MAL IN FOLGE.


Crash<br />

Diana, Princess ofWales, war am 31. August 1997 kurz nach Mitternacht<br />

bei einer Verfolgungsjagd mit Paparazzi tödlich verunglückt. Inder Limousine,<br />

die in einer Pariser Unterführung nahe der Alma-Brücke gegen<br />

einen Pfeiler krachte,starben auch ihr Lebensgefährte,Dodi Al-Fayet,und<br />

der Chauffeur. Ein Leibwächter überlebte. „Die Presse“ berichtete über<br />

die Tragödie des <strong>Jahre</strong>s in der Montagausgabedes 1. September1997 ausführlich. In Anbetrachtdieses<br />

Ereignisses gerieten andere Meldungzur Randnotiz. Etwa,dass„Die Presse“abdiesem Tagsämtliche<br />

Schillingbeträge in Euro umrechnete. Nurzur Erinnerung: EinEurowaren 13,76 Schilling. „Die<br />

Presse“kostete damals 15 Schilling oder 1,10 Euro. Somit begann diese Zeitungihre Euroumstellung<br />

vier<strong>Jahre</strong> und vier Monatevor der eigentlichen, die bekanntlich am 1. Jänner2002 erfolgte. Den Euro<br />

gibt es nach wievor,obwohl er während der Finanzkrise mehrfach für tot erklärtwurde.<br />

ESSAY<br />

Und neues<br />

Leben blüht aus<br />

den Ruinen<br />

Es kracht oftimWirtschaftsgebälk,aber<br />

es<br />

istein reinigendesGewitter.<br />

Ein Crash hat für<br />

JosefUrschitz auch<br />

positiveSeiten. S. 58<br />

ORIGINALTEXT<br />

Stefan Zweigs<br />

„Besuch bei den<br />

Milliarden“<br />

Drei <strong>Jahre</strong>nach der<br />

Wirtschaftskrise1929<br />

besichtigteder Schriftsteller<br />

für „Die Presse“<br />

die GoldvorräteFrankreichs<br />

in Paris. S. 60<br />

GESCHICHTE<br />

Über Gier,die<br />

am Ende zum<br />

Crash führt<br />

CharlesPonzi gilt als<br />

Erfinder desPyramidenspiels.Mit<br />

ihm beginnt<br />

NorbertRiefs<br />

kleine Kulturgeschichte<br />

über die Gier. S. 62<br />

Weltweit<br />

an IhrerSeite.<br />

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58 CRASH SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

„Undneues Leben blüht ausden Ruinen ...“<br />

Krisen. Es gibt eine tröstliche Lehre ausdem katastrophalen Börsenzusammenbruch von 1987: Systemimmanent kracht es<br />

relativ oft im Wirtschaftsgebälk,aber es ist fast immer ein reinigendes Gewitter,aus dem neue Chancen entstehen.<br />

VON JOSEF URSCHITZ<br />

Nichts deutete beim Abflug in Frankfurt<br />

am Vormittag jenes 19. Oktober 1987<br />

auf Außergewöhnliches hin. Gut, über<br />

das Wochenende hatte es ein paar<br />

kleinere Scharmützel zwischen Iranern und<br />

Amerikanern am Golf gegeben, und die heiß<br />

gelaufenen Börsen waren zum vorigen Wochenschluss<br />

ein wenig nervös geworden.<br />

Aber Grund zurAufregung? Nein!<br />

Wäre da nicht dieser Taxifahrer nach der<br />

Landung in Los Angeles gewesen: Ob man<br />

denn auch glaube, dass das nun das Ende<br />

des gewohnten Wohlstands sei und von nun<br />

an alles den Bach hinuntergehe? Nein, wieso?<br />

Man wisse esnoch nicht? Am Golf hätten<br />

Iranerund Amerikaner wieder aufeinander<br />

geschossen, die Kriegsgefahr sei stark<br />

gestiegen –und der Dow Jones Index (ja, für<br />

den interessieren sich in den USAauch Taxifahrer)habetagsüber<br />

ordentlich gecrasht.<br />

Nicht irgendwie, sondern richtig brutal:<br />

Um 22,6 Prozent war das wichtigste Börsenbarometer<br />

der Welt seit dem Morgen gefallen.<br />

Fast ein Viertel des Börsenwerts der<br />

amerikanischen Wirtschaft hatte sich innerhalb<br />

von acht Handelsstunden in Luft aufgelöst.<br />

Aus dem kühlen, aber schönen Herbsttagwar<br />

der BlackMondaygeworden. Der bis<br />

heute unerreichte,prozentuell größte Tages-<br />

Börsencrash der Wirtschaftsgeschichte.<br />

Crash<br />

Wer solange Wissensdurst<br />

löscht,darfruhig<br />

auch malselbertrinken<br />

Stiegl gratuliert der Pressezu<br />

<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>nQualitätsjournalismus.<br />

Und, ist die Welt eingestürzt? Das beantwortet<br />

man am besten mit dem Dow Jones<br />

Chart: DasamBlackMonday auf1738 Punkte<br />

abgestürzte Börsenbarometer steht heute<br />

bei knapp 25.000 Punkten. Also beim annähernd<br />

Vierzehnfachen. Wer damals nicht panisch<br />

verkauft, sondern beherzt zugegriffen<br />

hat, warschon wenig später ziemlichreich.<br />

Das ist die tröstliche Lehre aus dem<br />

Schwarzen Montag: Es kracht systemimmanentrelativ<br />

oft im Wirtschaftsgebälk. Aber es<br />

ist fast immer ein reinigendes Gewitter, das<br />

zwar Verwüstungen anrichtet, aus dem aber<br />

neue Chancen sprießen.<br />

So selten passiert das nämlich garnicht:<br />

Seit dem Black Monday ist die Weltwirtschaft<br />

von mehreren Argentinien-Krisen,<br />

vom Südostasien-Crash, von der Russland-<br />

Krise,vom Platzen der „Tech Bubble“inden<br />

USA, von der Weltfinanzkrise der <strong>Jahre</strong><br />

2008 ff, von der Griechenland-Krise, die zur<br />

Eurokrise wurde, und so weiter und so weiter<br />

heimgesucht worden.<br />

Und die nächsten Krisen stehen schon<br />

am Horizont: Die Staatsschulden sind in vielen<br />

Ländern außer Kontrolle, Italien kracht<br />

wie eine Kaisersemmel, die europäischen<br />

Banken haben ein Jahrzehnt nach Ausbruch<br />

der Finanzkrise ihre Bilanzen noch immer<br />

nicht saniert, die Eurozone leidet am gefährlichen<br />

Populismusvirus,Schwellenländer nagen<br />

schwer an Dollar-Kreditexzessen und die<br />

Börsentreiben es wieder einmal recht luftig.<br />

Jedes einzelne dieser Krisensymptome<br />

hatdas Zeug,einen ordentlichen Crash auszulösen.<br />

Zum Teil stellen sie Bedrohungsszenarien<br />

dar, die nicht nur die Vermögen<br />

der Börsenteilnehmer (also einer Minderheit),<br />

sondern ganze Währungen bedrohen.<br />

Unddamit Massenarmut auslösen können.<br />

Aber: Sie sind bekannt. Man kann also<br />

gegensteuern. Und meist wird das auch<br />

mehr oder weniger erfolgreich getan. Es ist<br />

ein bisschen wie mit den Revolutionen: Angesagte<br />

finden meistnicht statt. Gefährlicher<br />

sind die,die ausheiterem Himmel kommen.<br />

Wie etwa der Crash des <strong>Jahre</strong>s 1987. Natürlich,<br />

die geopolitischen Spannungen waren<br />

groß. Aber das sind sie meist indieser politisch<br />

unruhigen Welt. Unddie Börsen waren<br />

ein bisschen weit gelaufen. Aber das regeln<br />

sie meist mit gesunden Korrekturen, nicht<br />

mit Brutalabstürzen. Kurzum: Bis heute<br />

weiß niemand genau, wieso damals, imOktober<br />

1987, plötzlich alle in Panik zu den<br />

Notausgängen gestürmt sind und dabei einander<br />

niedergetrampelthaben.<br />

Was wir allerdings gesichert wissen: Aus<br />

jedem Crash lernen wir ein bisschen. Jener<br />

des <strong>Jahre</strong>s 1987, in dem erstmals in der Geschichte<br />

Computerprogramme zerstörend<br />

mitgemischt haben, hat beispielsweise zu<br />

Regularien geführt, die verhindern sollen,<br />

dass sich Algorithmen zu sehr selbstständig<br />

machen. Und der weltweite Bankenstillstand<br />

von 2008 hat zumindest zum Versuch<br />

geführt, Bankrisiken mit hoher Ansteckungsgefahr<br />

für die Weltwirtschaft einbisschen<br />

einzuzäunen.<br />

Dasändertnichts daran, dassder nächste<br />

Crash kommen wird. Nicht nur inder<br />

Wirtschaft. Auch in der Politik hat sich ja einiges<br />

aufgestaut. Der gesellschaftliche<br />

Sprengstoff, den die unkontrollierte Migration<br />

der <strong>Jahre</strong> 2015/16 hinterlassen hat, ist<br />

so eine Gefahr. Dass die Lunte glimmt, erkenntman<br />

am Kippen der Stimmunginweiten<br />

Teilen Europas,amErstarken politischer<br />

Abenteurer, am Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit<br />

jener Strömungen, die für die<br />

Situation verantwortlich gemachtwerden.<br />

Es wird also, so oder so, wieder krachen.<br />

Und eswird für den Einzelnen, wie immer,<br />

darauf ankommen, was er daraus macht.<br />

Man kann im Crash untergehen, oder man<br />

kann sich vom Crash nach oben treiben lassen.<br />

Man sollte jedenfalls vorbereitet sein.<br />

Grund zur Panik istesnicht. Man hält es am<br />

besten mit dem alten, etwas aus der Mode<br />

gekommenen Friedrich von Schiller, der<br />

Werner von Attinghausen in „Wilhelm Tell“<br />

den Zeitenlauf mit einem einzigen Satz sehr<br />

schön beschreiben lässt: „Das Alte stürzt, es<br />

ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht<br />

ausden Ruinen.“<br />

Braukunst auf höchster Stufe.<br />

Black Monday. Und, istdie<br />

Welt eingestürzt?Das<br />

beantwortet man am besten<br />

mit dem DowJonesChart:<br />

DasamBlack Mondayauf<br />

1738 Punkte abgestürzte<br />

Börsenbarometer steht heute<br />

bei knapp 25.000.Alsobeim<br />

annähernd Vierzehnfachen.


60 CRASH SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

Bei den Goldreserven. Kühler Stahl und Zement,entschlossenste Defensive. In den Kellergewölben der<br />

Banque de France:ein Bericht,erstmals erschienen in der „Neuen Freien Presse“Ende Februar 1932.<br />

Besuch beiden Milliarden<br />

VON STEFAN ZWEIG<br />

Das werktechnisch modernste, das<br />

merkwürdigste und zweitwichtigste<br />

Gebäude von Paris ist sonderbarerweise<br />

von außen her gar nicht wahrnehmbar.<br />

Täglich gehen Tausende, Zehntausende<br />

blicklos daran vorüber, sie gehen<br />

durch die enge RueMontpensier oderdurch<br />

die Rue des Petits-Champs und gewahren<br />

nichts anderes als neben dem alten, imposanten<br />

Gebäude derBanque de France,dem<br />

ehemaligen Palais La Vrillière, einen weiträumig-rechteckigen,<br />

quadratisch-leeren<br />

ebenen Raum, mit Planken eingezäunt,<br />

scheinbar nur eine Baustelle, der Arbeiter<br />

und des Auftrages wartend. In Wirklichkeit<br />

ist das Gebäude längt vollendet. Nur ist dieses<br />

merkwürdige Haus, dieser Palast, diese<br />

gepanzerte Kasematte, diese Zwingburg,<br />

nicht wie sonst mit steil ansteigenden Mauern<br />

über die Bodenschwelle emporgeführt,<br />

sondern sechs Stockwerke tief unter die Erde<br />

ins Unsichtbare gekellert.<br />

Unter diesem arglos leeren sandigenGelände<br />

liegt mitten in Paris, gestanzt in Stahl<br />

und Zement, das mächtigste Goldbergwerk<br />

unserer gegenwärtigen Welt, hier unten erstrecken<br />

sich, ungeahnt und geheimnisvoll,<br />

die berühmten Kellergewölbe der Bank von<br />

Frankreich mit heute siebzig, morgen vielleicht<br />

schon achtzig Milliarden, das heißt,<br />

mit siebzig- oder achtzigtausend Millionen<br />

gemünzten oder ungemünzten Goldes,plastisch<br />

unvorstellbare Summe und jedenfalls<br />

ein Hort, wie ihn nicht Cäsar und Crassus,<br />

nicht Cortezund Napoleon, nicht alle Kaiser<br />

und Clans dieser Erde und nie ein sterblicher<br />

Mensch seit Anbeginn der Welt beisammen<br />

gesehen. Hier an diesergeheimnisvollen<br />

Stelle ist der geometrische Punkt, um<br />

den jetzt das ganze wirtschaftliche Weltall in<br />

erregtem Kreislauf schwingt. Hier schläft das<br />

magische Metall, von dem alle Unruhe auf<br />

Erden ausgeht, seinen gefährlich starren<br />

und gleichzeitig magnetischen Schlaf.<br />

Dieses geheime und geheimnisvolle Labyrinth<br />

rings um das Weltgold, diese Keller<br />

und Kammern der Banque de France, von<br />

denen unzählige jetzt reden und träumen<br />

und die kaum einer sinnlich-optisch kennt,<br />

verlangte es mich sehr, zusehen. Nicht aus<br />

niederer Neugier, sondern aus jener anderen<br />

leidenschaftlichen und geistigen, für die<br />

Jean Richard Bloch den besten Namen gefunden<br />

hat: „Pour mieux comprendre mon<br />

temps“,umbesser die Zeit zu verstehen, deren<br />

Luft wir atmen, deren Erschütterungen<br />

wir verbunden sind. Alle spüren wir atmosphärisch<br />

ungeheure ökonomische Verwandlungen<br />

und Veränderungen, uralte Gesetze<br />

verlieren ihren Sinn; die stabilsten<br />

Werte ihr Gewicht; ein kosmogonischer Prozeß<br />

vollzieht sich in unserer wirtschaftlichen<br />

und sittlichen Weit, ohne daß wir seine Ursachen,<br />

seine Weiterungen ganz erfassen<br />

Stefan<br />

Zweig<br />

könnten; nur daß sich etwas verwandelt,<br />

spüren wir –die meisten beängstigt, die wenigsten<br />

geistig passioniert.<br />

Aber so wie eine Umschichtung imErdinnern<br />

nur abund zu sichtbaren Spalt an<br />

der äußeren Rinde aufreißt, sokristallisiert<br />

sich nuranganz wenigen Stellen dies amorphe<br />

Geschehnis zu anschaulicher Ausdrucksform,<br />

zu deutlichem Symbol. Undnur<br />

durch lebendige Anschauung wird ein Gedanke<br />

ganz zum Erlebnis.Die rote Fahne auf<br />

der Dachspitze des Kreml ist eines dieser<br />

sinnlich sichtbaren Zeitsymbole, diese feurige<br />

Flamme, stolz und herausfordernd tanzend<br />

im Wind, Symbol des Angriffes auf die<br />

alte Ordnung. Und die Kellergewölbe der<br />

Bank von Frankreich sind eines,kühler Stahl<br />

und Zement, technisch vollendete Verteidigung,<br />

entschlossenste Defensive, ruhige,<br />

schweigsam gerüstete Abwehr; dort und da<br />

sind die Schlüsselstellungen eines längstbegonnenen<br />

Kampfes. Ich bin glücklich, sie<br />

beide gesehen zu haben, den einen Pol und<br />

den anderen. Denn im Spannungsraumzwischen<br />

diesen beiden Symbolen, in ihrer<br />

geistigen Achse schwingt unsere gegenwärtige<br />

wirtschaftlicheWelt.<br />

Niederfahrt. Sechsundzwanzig Meter, die<br />

Höhe eines siebenstöckigen Hauses, senkrecht<br />

hinein in die Erde saust der Lift. Zementener<br />

Schacht schließt ihn fugendicht<br />

und rund von allen Seiten ein. Denn –man<br />

würde esnicht ahnen, dies Unglaubhafte,<br />

ohne die Belehrungdes Ingenieurs–auf dieser<br />

Fahrt senkrecht hinab zur Kellersohle<br />

durchqueren wir das Strombett eines Baches,<br />

der anfänglich bei dieser troglodytischen<br />

Anlage ein Hindernis schien. Aber<br />

Technik weiß oft aus Widerständen gerade<br />

ihre beste Förderung zugewinnen: so trieb<br />

man die Stollen unterhalb des Baches durch<br />

und jetzt bietet die abgemauerte Wasserschicht<br />

sogar einen besonderen Sicherheitsschutz<br />

gegen jedes gewaltsame Eindringen<br />

von oben in die unterirdischen Gewölbe,die<br />

schließlichinsolcher Tiefe angelegt wurden,<br />

daß die Inwohner der Häuser, die damals<br />

noch auf der heute freigelegten Fläche standen,<br />

gar nichts ahnten, daß stockwerktief<br />

unter ihreneigenen Kellern diese unerreichbaren<br />

und unzerstörbaren gehöhlt wurden.<br />

Sie verkauften in ihren Ladengeschäften Tabak<br />

und Strümpfe, sie schenkten Kaffee aus,<br />

rauchten und schliefen, ohne zu merken,<br />

daß Stollen nach Stollen unter ihrem unberührten<br />

und von keinem Spatenschlag erschütterten<br />

Heim dunkle Kasematten des<br />

Goldes sich still und unerbittlich fortwühlten:<br />

und der Bach strömt noch heute geduldig<br />

weiter zwischen dem Straßenbett und<br />

dieser neuen unterirdischenSchicht.<br />

Endlich amGrunde des Schachtes, am<br />

Eingang des künstlichen Bergwerkes. Erstes<br />

Gefühl: wie wunderbar still hier unten!<br />

Kein Geräusch mehr von oben, kein ein-<br />

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SAMSTAG, 9. JUNI 2018 CRASH 61<br />

ziges der unzählbaren und undefinierbaren,<br />

welche die Straße in ihrem steinernen Kessel<br />

aus Schrei und Schrille, aus Worten und<br />

Wind, aus Raspeln und Rufen und Hupen<br />

und Räder knarren zu einem meerhaften<br />

Brausen zusammenkocht: man ruht aus, erschreckt<br />

zuerst, dann beglückt von diesem<br />

leuchtenden Schweigen. Denn dieses<br />

Schweigen leuchtet: indiesen neuzeitlichen<br />

Katakomben herrscht ewiger Tag. Unzählige<br />

Lampen tragen ebenmäßiges Licht durch zementweiße<br />

Gänge und die Luft schmeckt<br />

berghaft rein; mit riesigenmetallenen Lungen<br />

saugen elektrische Kompressoren Sauerstoff<br />

hier hinab.Man atmet nicht wieoben den abgelaugten<br />

Luftrest des Himmels, mit ausgepufftem<br />

Benzin, der Ausdünstung von Abfall<br />

und Staub beschmutzt: nein, gefiltert und<br />

rein, windstill und von unsichtbarer Heizung<br />

gewärmt und entfeuchtet,ist diese künstliche<br />

Atmosphäre der Tiefe vielleicht die schmackhafteste<br />

der ganzen Millionenstadt mit ihren<br />

Gärten und Wassergeländen,klares Ozon.<br />

Wo Gold schläft,muß Eisen wachen<br />

Immer erreicht und übertrifft sogar in ihren<br />

vollkommensten Vollendungen die Technik<br />

die Wirkung der Natur. Den Eingang zeigt<br />

eine Tür, breit und dickaufgeschwungen und<br />

doch auf so leichten Gelenken ölig federnd,<br />

daß ein Kinderfinger siebewegen kann. Eine<br />

Panzerkassentür, mannsdicke, aus einem<br />

einzigen Stückblitzenden Stahls. Dies warzu<br />

erwarten, denn seit Anbeginn der Welt sind<br />

die beiden Metalle verschwistert. Wo Gold<br />

ist, da ruft es den stärkeren Bruder,das Eisen,<br />

sich ängstlich heran; wiedas sinnlichere weichere<br />

Weib an den gewaltmächtigen Mann,<br />

so drängt sich das blasse, nachgiebige Metall<br />

an das harte und wehrhafte,umvon ihm beschützt<br />

zu sein. Wo Gold zu Münze und Besitz,<br />

formt sich das Eisen zu Panzer und<br />

Schwert. Wo das Gold schläft,muß das Eisen<br />

wachen, ewig gebunden das eine an das andere,und<br />

niemand weiß, welches um des andern<br />

willen wirkt, das Gold, das sich das Eisen<br />

kauft,den Kampf und den Krieg, oder das<br />

Eisen, das sich das Gold rafft als Beute und<br />

Besitz.<br />

Drohend steht die panzerne Pforte. Wie<br />

durch ein feindseliges Joch schreitet man<br />

durch den aufgetanen Zugang, ein leichtes<br />

Gruseln im Rücken: wenn sie zufiele, man<br />

wäre lebendig versargt! Keine irdische<br />

Macht könnte diese zentner-wuchtigen Deckel<br />

wieder aufheben. Aber ein paar Schritte<br />

und man lächelt beinahe. Welcher Irrtum!<br />

Mit dieser einen Tür meinte man, die Festung<br />

schon betreten zu haben, schon im Innern<br />

des Labyrinths zu sein! Nein, man hat<br />

nurden Vorhof betreten,kaumdie erstePallisade.<br />

Diese Panzertür, sie warnichts als ein<br />

kleiner, dünner Gartenzaun, nur die grüne,<br />

weiche Schale, welche die eigentliche harte<br />

Nußschale umschließt. Indiesem Vorraum<br />

gehen noch Angestellte und Arbeiter. Hier<br />

ist noch Zugang und Öffentlichkeit. Weiter<br />

hinab! Dantes Paradies und Dantes Hölle,<br />

sie haben sieben Kreise, und die Keller der<br />

Bank von Frankreichvielleicht noch mehr.<br />

plötzlich regt sich die starre Wand, sie verschiebt<br />

sich, genau wieesvor hundert<strong>Jahre</strong>n<br />

der genialste PhantastAllen EdgarPoe in seiner<br />

Inquisitionsnovelle geschildert,zur Seite,<br />

ohne darum einen Augenblick aufzuhören,<br />

unzugängliche Wand zu sein. Etwas verschiebt<br />

sich wie eine Kulisse, ungeheure unsichtbare<br />

Kräfte heben oder senken oder drehen<br />

die Panzerwand, und aufder starren Fläche<br />

erscheint – nicht etwa eine Tür, ein<br />

Schloß, eine Öffnung, sondern man weiß<br />

nicht was. Nurirgend etwasist verändert daran:<br />

man glaubt eine besondere Maserung<br />

wahrzunehmen, Kontakte oder sonst Einzeichnungen,<br />

wo früher vollkommene Glätte<br />

war. Aber noch immer stehtdie riesige Wand<br />

stählern starr,senkrecht und streng.<br />

Da fährt–wir treten zur Seite –auf Schienen,<br />

die wir nicht bemerkt haben, eine elektrische<br />

Lokomotive heran, gerade auf die<br />

starre Wand los und saugt sich ihr an. Und<br />

wieder ein Zeichen –jetzt fährt sie zurück<br />

und zieht wie einen Pfropfen aus der Flasche,<br />

ein ganzes massives Stück der Wand<br />

mit, einen rechteckigen glatten Stahlblock,<br />

mehr als mannshoch und breit wie sechs<br />

odersieben Männernebeneinandergestellt –<br />

eine Zentnerlast,die ein Regimentnicht vereint<br />

von der Stelle rücken könnte –und dies<br />

mit jener lautlosen, fast höhnischen Leichtigkeit,<br />

mit derdie Technik, eitel wiemanche<br />

Akrobaten, zu zeigen beliebt, daß, was uns<br />

wunderbar, ihr völlig selbstverständlich und<br />

mühelosleicht ist. Man trittanden Stahl heran,<br />

an dies gigantische herausgeschnittene<br />

Stück Festungswand: herrlicher, nackter,<br />

glatter, kühler, ungenieteter, wasserfarbener<br />

Stahl, wieAchatanzufassen, nurhundertmal<br />

härter.<br />

Der Geist hilft,das Gold zu verteidigen<br />

An ihm mißt mandie Dicke derWand, gegen<br />

welche die Panzerschuppen von Dreadnoughts<br />

wie Rosenblätter wirken; jetzt erst<br />

begreift mandie Wucht dieser Ringwälle,die<br />

jedes Angriffesspotten: keineBombe könnte<br />

mehr als nichtige Schrunde reißen aus dieser<br />

ehernen glatten Haut, keine Kraft eindringen<br />

bis in die innere empfindliche Substanz,<br />

bis nahe an das goldene Herz.<br />

Lasciate ogni speranza, die ihr hier einzudringen<br />

träumt! An diesem kollektiv ersonnenen,<br />

von der Technik des Krieges und<br />

des Friedens gemeinsam erprobten Wall, an<br />

dem gigantischen Muskelspiel dieser unsichtbar<br />

verschiebbaren Türme zerknickt<br />

der Gedanke an Einbruch oder Gewalt,denn<br />

hier wehrt neben der gigantischen Masse<br />

der Materie noch geistig-technisches Geheimnis<br />

den Zugang. Hier hat sich der Erbauer<br />

den Erfinder zur Seite geholt:hier hilft<br />

der Geistdas Gold verteidigen.<br />

ZUM jubiläum<br />

„DiePresse ist fürmich<br />

eine Zeitung zum Lesen,<br />

zum Nachdenken, zum<br />

Ärgern, zum nochmaligen<br />

Nachdenken, zum<br />

Zustimmen, zum Kopfschütteln,<br />

zum Widersprechen,<br />

zum Nachlesen.<br />

Und eine Zeitung,die in all<br />

dem täglich noch besser<br />

werden kann.“<br />

AndreasTreichl<br />

Vorstandschefder ErsteGroup Bank<br />

„DiePresse ist fürmich<br />

kritische Berichterstattung<br />

aufhohem Niveau.“<br />

Rainer Seele<br />

Vorstandschefder OMV<br />

Die Panzerdrehtürme. Plötzlich, im taghellen,<br />

elektrischen Licht, erinnert man sich an<br />

Tausend und eine Nacht. Der Magnetberg<br />

unserer Kindheit, dadunkelt er vor einem,<br />

glatt, starr, riesenhaft. Mit einmal kann man<br />

nicht weiter, der Weg ist zu Ende. Mitten im<br />

Gange steht stählern eine starre, blickversperrende<br />

Wand. Glatt, blank, leer. Nur Zauberspruch,<br />

nur Sesam öffne dich –alle Märchen<br />

werden einmal wahr! –können sie auftun,<br />

ein Himmelszeichen muß gegeben werden.<br />

Und eswird gegeben. Nicht vom Himmel,<br />

aber ausdem Unsichtbaren, von irgendeinem<br />

Jemand, der unseren unterirdischen<br />

Wegauf irgendeine technisch-magische Weise<br />

beobachtet und beschützt. Ein Zeichen<br />

muß erfolgt sein aushöherem Bereich. Denn<br />

Stefan Zweigsliterarischer<br />

Bericht vonseinem „Besuch<br />

bei den Milliarden“ist vor<br />

dem Hintergrund der<br />

Wirtschaftskrisevon 1929<br />

und ihren verheerenden<br />

Folgen –auch für Österreich<br />

–zusehen.Zweig erhielt die<br />

Erlaubnis,die Goldvorräte<br />

Frankreichs im Herzenvon<br />

Paris zu besichtigen. Sein<br />

Text erschien in zwei Folgen,<br />

am 25.und 26.Februar 1932.<br />

Paul Pech findet, <strong>170</strong><strong>Jahre</strong>„Die Presse“ und<br />

über 190<strong>Jahre</strong>Wiener Städtischepassengut<br />

zusammen.Wir gratulieren herzlichzum Jubiläum.<br />

/wienerstaedtische<br />

IHRE SORGEN MÖCHTEN WIR HABEN


Wenn das Pferd zur Drohne wird: Rückblick und Ausblick<br />

Logistik und Transport –Die Wege einer uralten Branche. Wo begann es und wie geht es weiter?<br />

Wenn es um Ideenreichtum geht, hat der Mensch seinen kreativen Verstand gerade im Bereich der Logistik und des Transportes seit jeher überaus<br />

erfolgreich eingesetzt. Waren esvor 200 <strong>Jahre</strong>n noch berittene Boten und Karawanen, die Nachrichten und Güter über weite Distanzen zu ihren<br />

Abnehmern brachten, so sind es in Zukunft Maschinen, die den Mensch auch indiesem Bereich unterstützen und entlasten werden. Bevor wir uns der<br />

Zukunft zuwenden, machen wir aber noch einen Blick zurück…<br />

Legende<br />

Antike<br />

15. Jhdt<br />

19. Jhdt<br />

20. Jhdt<br />

21. Jhdt<br />

~490 v. Chr.<br />

Antikes Griechenland<br />

Laufboten<br />

~100 v. Chr.<br />

Seidenstraße<br />

Karawanen<br />

<br />

1850<br />

Transport per Eisenbahn<br />

erstes „k.k. fahrendes Postamt“<br />

1847<br />

Einführung der Telegrafie<br />

1. Telegramm in Österreich verschickt<br />

Ende 15. Jhdt.<br />

Aufbau eines organisierten Postwesens<br />

Reiterpost und Postkutsche<br />

Ende 19. Jhdt.<br />

Erfindung des Lastenrades<br />

1907<br />

Aufbau des Postautodienstes in Österreich<br />

1915<br />

militärische Fliegerpost in Österreich<br />

@<br />

1971<br />

das 1. E-Mail wird verschickt<br />

(erfunden von Ray Tomlinson)<br />

1960er <strong>Jahre</strong><br />

Entwicklung des Internets<br />

1956<br />

1. Cargoschiff läuft aus<br />

1980er <strong>Jahre</strong><br />

kommerzielle Verwendung des Internets beginnt<br />

1999<br />

1. Handy mit Internetzugang am Markt<br />

2007<br />

~1,3 Milliarden Internetnutzer weltweit<br />

Karawanenkamel undPostpferdsindschon längst in denverdienten Ruhestand geschickt<br />

worden. Und auch unserenLieferboten sowie ihren fossilbetriebenenTransportfahrzeugen<br />

könnte esbald ähnlich ergehen. Denn diehierinder Grafikdargestellten physischen<br />

Datenträgervon gesternwerdendurch einevernetzte Datenübertragung vonmorgen<br />

zunehmendintelligent gestaltet.<br />

2018<br />

Drohnen bald überall im Einsatz?<br />

Daherist es nicht mehrabwegig, dass ein Paket oder diegesamte Post künftigvon einer<br />

Drohne direkt vordie Haustüre geliefertwird. Konzerne wieAmazon, Google oder dieDeutsche Post entwickeln und erprobenschon heuteautomatisierte<br />

Zustellmöglichkeiten überauserfolgreich. UndautonomeLiefersysteme sind auch hierzulandenichts Neues,sie werdenbeispielsweise schon in Berggebieten<br />

(mittels Drohnen) oder in Innenstädten (mittels autonomenE-Fahrzeugen) erprobt.<br />

Denn eines ist klar:Der Transportder Zukunft ist vernetzt,datengesteuertund weitgehend automatisiert.<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

Das gesamte Transportwesen steht alsovor einemtechnischen Neustart undder kommt nicht zu früh, angesichts des umweltbelastenden,<br />

ressourcenintensiven und zeitraubenden CharaktersdieserBranche. Und auch dieMedienwelt wird langfristig von diesen zukunftsweisenden Technologien<br />

undden damit einhergehenden Veränderungen profitieren.Auf diesem Wege gratuliert daherdas Bundesministerium für Verkehr,Innovation und<br />

Technologie (BMVIT) derPresse herzlich zum<strong>170</strong>-Jahr-Jubiläum.


Aktuelles aus Tirol<br />

Irritation<br />

Jesus und Mohammed reiten zusammen zum Propheten Jesaja:<br />

Dieses Titelbild der Weihnachtsausgabe am24. Dezember<br />

2010 irritierte etliche Leser. Mit diesen und anderen<br />

Holzschnitten –ein Christbaum mit Halbmond statt Stern<br />

an der Spitze; über dem Stephansdom prangt „Allah ist<br />

groß“ auf Arabisch –wünschte der Wiener Künstler Lukas Pusch den „Presse“-Lesern „Fröhliche<br />

Weihnachten“. Mit moralisch indifferentem Blick irritierte er unsere kulturellen Gewissheiten –wie<br />

einstArthur Schnitzler in seiner Novelle „LeutnantGustl“. Gern irritierend wirkte auch ElkeKrystufek:<br />

Einst masturbierte sie öffentlich, nun lässt sie sich mit Burka abbilden. Im Interview mit Almuth<br />

Spiegler erklärtsie,warum sie das tut. Kann Nacktheit aufder Bühne noch skandalös wirken? „Presse“-<br />

Theaterkritiker NorbertMayer meintnein. Er plädiertfür verstörende Wahrheit.<br />

FORTSCHRITT!<br />

Der Stachel<br />

schmerzt,das<br />

macht uns stark<br />

Denkfaule wollen<br />

lästigeZweifel ausschalten.<br />

Karl Gaulhoferüber<br />

die Bedeutung<br />

deskritischen<br />

Denkens. S. 66<br />

ORIGINALTEXT<br />

Schnitzlers<br />

Skandalnovelle<br />

„Leutnant Gustl“<br />

Ein Stück Weltliteratur<br />

erschien 1900 in der<br />

„Neuen Freien Presse“.<br />

Es wurde als Beleidigung<br />

der k. u. k. Armee<br />

gelesen. S. 70/71<br />

KUNST<br />

ElkeKrystufek<br />

über die letzten<br />

Tabus<br />

Die Feministin, die sich<br />

dem Islam zuwendet,<br />

ein Nackterals Einrichtungsgegenstand:<br />

Ein<br />

Gespräch über irritierende<br />

Kunst. S. 68<br />

AUF KLAREM KURS!<br />

DER „PRESSE“ UND IHREN MITARBEITERINNEN<br />

UND MITARBEITERN ZUM <strong>170</strong>. GEBURTSTAG ALLES GUTE.<br />

In stürmischer See zeigt sich, wie wichtig eine zuverlässige Navigation ist.<br />

Österreich, Europa und die Welt befinden sich in unruhigen Gewässern.<br />

Die „Presse“ hält Kurs und steht für Unabhängigkeit und Qualitätsjournalismus.<br />

„Tirol starkes Land“<br />

erscheint seit 2005 in Kooperation mit der „Presse“.<br />

www.AblingerGarber.com


66 IRRITATION SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

Der Stachel schmerzt,das macht uns stark<br />

Essay. Irritation treibt den Fortschritt an, hin zu mehr Wissen und Menschlichkeit. Aber noch nie gab es eine so breite<br />

Koalition von Denkfaulen, die jeden lästigen Zweifel ausschalten wollen. Kann die widerständige Kunst Abhilfe schaffen?<br />

VON KARL GAULHOFER<br />

Dieser Darius mussein weiser Mann mit<br />

einem seltsamen Humor gewesen sein.<br />

Wovon diese kleine Geschichte zeugt:<br />

Einmal fragte der große König im alten<br />

Persien die Griechen an seinem Hof, um<br />

welchen Preis sie ihre toten Väter essen würden.<br />

Um keinen Preis, nie und nimmer, antworteten<br />

diese schockiert. Da rief der König<br />

Abgesandte eines indischen Volkes herbei,<br />

bei denen der Verzehr verstorbener Väter als<br />

ganz gewöhnlicher Brauch galt. Von ihnen<br />

wollte er wissen, unter welchen Umständen<br />

sie bereit wären, ihre Leichen zu verbrennen<br />

–wie es damals in Griechenland üblich war.<br />

Und siehe da: Das Entsetzen der Inder über<br />

eine solch lästerliche Idee warnoch heftiger.<br />

„Die Sitteist unser aller Herr“, lautet das<br />

Fazit von Herodot. Er überlieferte uns die<br />

Anekdote. Wollte der Vater der Geschichtsschreibung<br />

seine Leser nur Respekt vor anderen<br />

Kulturen lehren? Es ging wohl um<br />

mehr, umweit Radikaleres: Erkonfrontierte<br />

sie mit dem völlig Fremden, das tiefste<br />

Überzeugungen ins Wankenbringt.<br />

Handel und kultureller Austausch<br />

schleppten bei den Griechen seiner Zeit<br />

eine bohrende Frage mit ein: Wie können<br />

unsere Mythen wahr,wie können unsere Riten<br />

verbindlich sein, wenn nur das eigene<br />

Volk, jazuweilen nur ein einziger Stadtstaat<br />

Irritation<br />

an sie glaubt? Zur gleichen Zeit stellten sich<br />

kluge Köpfe unter ihnen aber noch andere<br />

Fragen. Weit über das gleichpraktische Verwertbare<br />

hinaus: Eine mathematische<br />

Wahrheit wieder Satzdes Pythagoras istunmittelbar<br />

zu gar nichts nutze. Er steigerte<br />

weder den Ernteertrag noch das Kriegsglück.<br />

Das war die Geburtsstunde der Wissenschaft.<br />

Vom antiken Griechenland aus<br />

trat sie ihren Siegeszug an. Heute beschert<br />

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sie uns ein noch nie erreichtes Wohlstandsniveau,<br />

das Internet und eine Lebenserwartung<br />

vonüber 80 <strong>Jahre</strong>n.<br />

Warumgerade in Ionien, erstmals in der<br />

Geschichte der Menschheit? Karl Popper<br />

versuchte eine Antwort: Der Zweifel regte<br />

das kritisch-rationale Denken an. Indem es<br />

vor keiner Schlussfolgerung zurückschreckte,<br />

befreite es sich von den Fesseln der Verwertbarkeit<br />

und der religiösen Überlieferung.<br />

Gut möglich, dass der österreichische<br />

Philosoph mit seiner Hypothese recht hatte.<br />

Aber wiealle Hypothesen musssie,nachseiner<br />

eigenen Lehre, „falsifizierbar“ sein, um<br />

als Wissenschaft durchgehen zu können.<br />

Jede gute Theorie wartedarauf, widerlegt zu<br />

werden. Denn nur was stört, verwirrt, neue<br />

Antworten fordert, treibe das Denken voran.<br />

Magsein, dassdies allzuoft nurein Idealbild<br />

von Wissenschaft ist. Aber es gibt sie,<br />

die treibende Kraft der Irritation. Auch wenn<br />

es um ethische Überzeugungen geht. Nur<br />

Ahnungslose meinen, die großen Moralsysteme<br />

hätten sich in geistig ruhigen Epochen<br />

geformt, indenen sich alle einig waren (anders<br />

als heute, wo man als aufgeklärt-abgeklärter<br />

Zeitgenosse nur mehr moralischer<br />

Skeptiker sein könne). Das Gegenteil ist der<br />

Fall. Ob Aristoteles oder Christus, Kant oder<br />

die englischen Utilitaristen des 19. Jahrhunderts:Sie<br />

alle rangen um eine neue Idee des<br />

Guten in Phasen geistiger, wissenschaftlicher<br />

oder sozialer Erschütterung, die Gewissheiten<br />

zum Einsturz brachte. Wir müssen<br />

ihnen dankbar sein, dass sie in solch<br />

wirren Zeiten den Anspruch auf moralische<br />

Wahrheit nicht achselzuckend aufgegeben<br />

haben. Denn wer das tut, ist nicht tolerant,<br />

sondern aufzynische Weise gleichgültig.<br />

Im Schutz der Meinungsblasen<br />

Die Lehre ist leicht zu ziehen: Ohne Irritation<br />

gibt es keinen Fortschritt, weder in der<br />

Wissenschaft noch in den Maximen unseres<br />

Handelns. Dassollte die Menschheit eigentlich<br />

gelernt haben, aus ihrer Geschichte, die<br />

noch nie so gutdokumentiertwar wieheute.<br />

Umso bedenklicher erscheintes, wenn völlig<br />

disparate Tendenzen unserer Gegenwart in<br />

einem Punkt konvergieren: Sie alle wollen<br />

jede Irritation ausschalten –und damit das<br />

kritische Denken.<br />

Einige Wohlwollende ausakademischen<br />

Zirkeln würden lieber heute als morgen eine<br />

Gesinnungsdiktatur ausrufen. Wenn sie<br />

könnten, wie sie wollten, wäre bald jeder<br />

missliebige Ausdruck verboten, jeder Studierende<br />

von verstörenden Lernerfahrungen<br />

geschützt und jede anstößige Passage<br />

aus Neuauflagen der Weltliteratur entfernt.<br />

Die Masse der Internetnutzer macht es sich<br />

derweil auf Facebook und Twitter bequem,<br />

in ihren Meinungsblasen, die nicht platzen<br />

können, weil rücksichtsvolle Algorithmen<br />

sorgsam jeden dissonanten Gedanken von<br />

ihnen abwehren.<br />

In Parallelaktionen dazu türmen die<br />

Rechtspopulisten emsig Mauern auf, an den<br />

Grenzen und in den Köpfen. Sie verschanzen<br />

sich hinter einer Idee von Heimat, die<br />

nur für Ihresgleichen etwas Heimeliges hat.<br />

Und jemand wie Donald Trump baut sich<br />

seine ihm genehme Welt gleich von vornherein<br />

aus alternativen Fakten auf. So lang,<br />

bis sich die Bruchstücke des Wahns zur absurden<br />

Harmonie des Postrealen fügen.<br />

Adorno ist nicht abgetan<br />

Womit lässt sich da noch gegenwirken?<br />

Theodor W. Adorno hätte gesagt: mit der<br />

Kunst. Große Kunstwerke sind eigenständig<br />

genug, umwiderständig zusein. Sie lassen<br />

sich in kein vorgefertigtes Begriffskorsett<br />

pressen. Sie schwimmen gegen den Strom<br />

der schnellen Konsense,entziehen sich dem<br />

kollektiven Einlullen. Sie rütteln auf, wirken<br />

befreiend. Seltsam: Hier war der große<br />

Schwarzmaler, der die Aufklärung zu Grabe<br />

trug, viel hoffnungsvoller als wir Heutigen.<br />

Ein naiver Optimismus, der zu viel von<br />

Kunst erwartet? Vielleicht ist das ironische<br />

Lächeln verfehlt –und Adornos Emphase<br />

nicht altmodisch, sondern aktueller denn je.<br />

Aber mit welchen Mitteln auch immer:<br />

Wirmüssen, uns selbstund den anderen um<br />

uns, den schmerzenden Stachel der Verunsicherung<br />

wieder spüren lassen. Wir brauchen<br />

diesen Antrieb. Auch wenn wir mit<br />

dem produktiven Zweifel, der damit aufs<br />

Neue anhebt, niemals zur Ruhe und nie an<br />

ein Ende kommen.


70 IRRITATION SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

Novelle. „Sie, Herr Leutnant,sein S’ jetzt ganz stad.“ Wassagterda? Mir sagtdas so ein Hund! Ah, da heißt’s<br />

rabiatsein. –Ein Stück Weltliteratur,erstmals erschienen in der „Neuen Freien Presse“vom 25. Dezember 1900.<br />

Leutnant Gustl<br />

VON ARTHUR SCHNITZLER<br />

Wie lang wird denn das noch dauern?<br />

Ich muss auf die Uhr schauen ...<br />

schickt sich wahrscheinlich nicht in<br />

einem so ernsten Konzert. Aber wer<br />

sieht’s denn? Wenn’s einer sieht, so passt er<br />

gerade so wenig auf wie ich, und vor dem<br />

brauch’ ich mich nicht zu genieren ...Erst<br />

viertel auf zehn? ...Mir kommt vor, ich sitz’<br />

schon drei Stunden in dem Konzert. Ich bin’s<br />

halt nicht gewohnt...Wasist es denn eigentlich?<br />

Ich muss das Programm anschauen ...<br />

Ja,richtig:Oratorium! Ich hab’ gemeint: Messe.<br />

Solche Sachen gehören doch nur in die<br />

Kirche! Die Kirche hat auch das Gute, dass<br />

man jeden Augenblick fortgehen kann. –<br />

Wenn ich wenigstens einen Ecksitz hätt’! –<br />

Also Geduld, Geduld! Auch Oratorien nehmen<br />

ein End’! Vielleicht ist essehr schön,<br />

und ich bin nur nicht in der Laune. Woher<br />

sollt’mir auch dieLaune kommen? Wenn ich<br />

denke, dass ich hergekommen bin, um mich<br />

zu zerstreuen ...Hätt’ ich die Karte lieber<br />

dem Benedek geschenkt, dem machen solche<br />

Sachen Spaß; er spielt ja selber Violine.<br />

Aber da wär’der Kopetzkybeleidigt gewesen.<br />

Es war jasehr lieb von ihm, wenigstens gut<br />

gemeint. Ein braver Kerl, der Kopetzky! Der<br />

Einzige,auf den man sichverlassen kann ...<br />

Ah, ein Solo! Wer ist das? Alt: Fräulein<br />

Walker, Sopran: Fräulein Michalek ...das ist<br />

wahrscheinlich Sopran ... Lang war ich<br />

schon nicht in der Oper. In der Oper unterhalt’ich<br />

mich immer, auch wenn’slangweilig<br />

ist. Übermorgen könnt’ ich eigentlich wieder<br />

hineingeh’n, zur „Traviata“. Ja, übermorgen<br />

bin ich vielleicht schon eine tote Leiche! Ah,<br />

Unsinn, das glaub’ich selber nicht! Warten S’<br />

nur, Herr Doktor, Ihnen wird’s vergeh’n, solche<br />

Bemerkungen zu machen! Das Nasenspitzel<br />

hau’ ich Ihnen herunter ...<br />

Heiß wird’s!Noch immer nicht aus? Ah,<br />

ich freu’ mich so auf die frische Luft! Werd’<br />

ein bissl spazieren geh’n, übern Ring ...<br />

Heutheißt’s:früh insBett, morgen Nachmittagfrischsein!Komisch,<br />

wiewenig ich daran<br />

denk’,soegalist mir das! Obzwar,gerade diese<br />

ungeschulten Fechter sind manchmal die<br />

gefährlichsten. Der Doschintzky hat mir erzählt,<br />

dass ihn ein Kerl, der das erste Mal<br />

einen Säbel inder Hand gehabt hat, auf ein<br />

Haar abgestochen hätt’; und der Doschintzky<br />

ist heut Fechtlehrer bei der Landwehr ...<br />

Das Wichtigste ist: kaltes Blut. Nicht einmal<br />

einen rechten Zorn hab’ ich mehr in mir,<br />

und es war doch eine Frechheit –unglaublich!<br />

„Herr Leutnant!“ ...schon die Art, wie<br />

er „Herr Leutnant“ gesagt hat, war unverschämt!<br />

...„Herr Leutnant, Sie werden mir<br />

doch zugeben, dass nicht alle Ihre Kameraden<br />

zum Militär gegangen sind, ausschließlichumdas<br />

Vaterlandzuverteidigen!“<br />

Als wenn er direktmich gemeint hätt’<br />

So eine Frechheit! Das wagt so ein Mensch<br />

einem Offizier ins Gesicht zu sagen! Wenn<br />

ich mich nur erinnern könnt’, was ich drauf<br />

geantwortet hab’ ...Der Doktor hat das absolut<br />

in dem Ton gesagt, als wenn erdirekt<br />

mich gemeint hätt’. Erhätt’ nur noch sagen<br />

müssen, dass sie mich aus dem Gymnasium<br />

hinausg’schmissen haben und dass ich deswegen<br />

in die Kadettenschul’ gesteckt worden<br />

bin ...Ah, wart’ nur, mein Lieber –bis<br />

zurKampfunfähigkeit...Jawohl, du sollstso<br />

kampfunfähig werden...<br />

Ja, was ist denn? Jetzt muss esdoch bald<br />

aus sein? ... „Ihr, seine Engel, lobet den<br />

Herrn“... – Freilich, das ist der Schlusschor<br />

... Wunderschön, da kann man gar<br />

nichts sagen. –Wenn sich die Kleine da vor<br />

mir nur einmal umdreh’n möcht’! So brav<br />

sitzts’alleweil da. Dasneben ihr istsicher die<br />

Mama. –Obich nicht doch einmal ernstlich<br />

ans Heiraten denken soll? Der Willy warnicht<br />

älter als ich, wieerhineingesprungen ist. Hat<br />

schon was für sich, so immer gleich ein hübsches<br />

Weiberl zuHaus vorrätig zu haben ...<br />

Bravo, bravo! Ah, aus! ...So, das tut wohl,<br />

aufsteh’n können, sich rühren ...„Pardon,<br />

pardon, wollen michnicht hinauslassen?“ ...<br />

Istdas ein Gedränge! Lassen wirdie Leut’lieber<br />

vorbeipassieren ...Elegante Person ...<br />

ARthur<br />

Schnitzler<br />

ob das echte Brillanten sind? ...Die da ist<br />

nett...Wie sie michanschaut! ...Oja, mein<br />

Fräulein, ich möcht’schon! ...O,die Nase! –<br />

Jüdin ...Noch eine ...Esist doch fabelhaft,<br />

da sind auch die Hälfte Juden ...nicht einmal<br />

ein Oratorium kann man mehr in Ruhe<br />

genießen ...–So, da ist der Ausgang ...Ah,<br />

die ist aber bildschön! Ganz allein? Wie sie<br />

michanlacht. Daswär’eine Idee,der geh’ ich<br />

nach! ...So, jetzt die Treppen hinunter: Oh,<br />

ein Major von Fünfundneunzig ...Sehr liebenswürdig<br />

hatergedankt...Bin dochnicht<br />

der einzige Offizier herin gewesen ...So, jetzt<br />

heißt’s noch zur Garderobe ...Herrgott, ist<br />

das ein Gedränge bei der Garderobe! ...Warten<br />

wir lieber noch ein bisserl ...So! Ob der<br />

Blödist meine Nummer nehmen möcht’? ...<br />

„Sie, zweihundertvierundzwanzig! Da hängt<br />

er! Na, hab’n Sie keine Augen? Da hängt er!<br />

Na,Gottsei Dank! ...Also bitte!“...<br />

Der Dicke da verstellt einem schier die<br />

ganze Garderobe ...„Bitte sehr!“...<br />

„Geduld,Geduld!“<br />

Wassagtder Kerl?<br />

„Nur ein bisserlGeduld!“<br />

Dem muss ich doch antworten ...„Machen<br />

SiedochPlatz!“<br />

„Na, Sie werden’s auch nicht versäumen!“<br />

Was sagt erda? Sagt er das zu mir? Das<br />

ist doch stark! Das kann ich mir nicht gefallen<br />

lassen! „Ruhig!“<br />

„Was meinen Sie?“ Ah, so ein Ton! Da<br />

hörtsich dochallesauf! „Stoßen Sienicht!“<br />

„Sie, halten Sie das Maul!“ Das hätt’ ich<br />

nicht sagen sollen, ich war zugrob ...Na,<br />

jetzt ist’sschon g’scheh’n!<br />

„Wie meinen?“<br />

Jetzt dreht er sich um ...Den kenn’ ich<br />

ja!–Donnerwetter, das istjader Bäckermeister,<br />

der immer ins Kaffeehaus kommt...<br />

Was macht denn der da? Ja, was ist denn<br />

das? Ja, was macht er denn? Mir scheint<br />

gar...Ja, meiner Seel’, erhat den Griff von<br />

meinem Säbelinder Hand ...Ja,ist derKerl<br />

verrückt? ...„Sie, Herr ...“<br />

„Sie, Herr Leutnant, sein S’jetzt ganz<br />

stad.“ Was sagt erda? Um Gottes willen, es<br />

hat’sdochkeinergehört? Nein, er red’t ganz<br />

leise ...Ja, warum lasst er denn meinen Säbel<br />

net aus? ...Herrgottnoch einmal ...Ah,<br />

da heißt’s rabiat sein ...ich bring’ seine<br />

Hand vom Griff nicht weg ...nur keinen<br />

Skandal jetzt!...Ist nicht am End’ der Major<br />

hinter mir? ...Bemerkt’s nurniemand, dass<br />

er den Griff von meinem Säbel hält? Er red’t<br />

ja zu mir! Wasred’t er denn?<br />

„Herr Leutnant, wenn Sie das geringste<br />

Aufsehen machen, so zieh’ ich den Säbel aus<br />

der Scheide, zerbrech’ ihn und schick’ die<br />

Stück’ an Ihr Regimentskommando. Versteh’n<br />

Siemich, Siedummer Bub?“<br />

Was hat er g’sagt? Mir scheint, ich<br />

träum’! Red’t er wirklich zu mir? Ich sollt’<br />

was antworten ...Aber der Kerl macht ja<br />

Ernst –der zieht wirklich den Säbel heraus.<br />

Herrgott –ertut’s! ...Ich spür’s, erreißt<br />

schon dran! Was red’t er denn? ...UmGottes<br />

willen, nur kein’ Skandal ––Was red’t er<br />

dennnoch immer?<br />

„Aber ich will Ihnen die Karriere nicht<br />

verderben ...Also, schön brav sein! ...So,<br />

hab’n S’keine Angst, ’s hatniemand wasgehört...esist<br />

schon alles gut...so! Unddamit<br />

keiner glaubt,dasswir uns gestritten haben,<br />

werd’ ich jetzt sehr freundlich mit Ihnen<br />

sein! –Habe die Ehre, Herr Leutnant,<br />

hatmichsehrgefreut –habedie Ehre!“<br />

Um Gottes willen,hab’ich geträumt? Hat<br />

er daswirklich gesagt? ...Woist er denn? ...<br />

Da geht er ...Ich müsst’jaden Säbelziehen<br />

und ihn zusammenhauen ––UmGottes willen,<br />

es hat’s doch niemand gehört? ...Nein,<br />

er hat ja nur ganz leise geredet, mir ins<br />

Ohr ...Warum geh’ ich denn nicht hin und<br />

hau’ ihm den Schädelauseinander? ...Nein,<br />

es geht ja nicht, esgeht janicht ... gleich<br />

hätt’ ich’s tun müssen ...Warum hab’ ich’s<br />

denn nicht gleich getan?...Ich hab’sjanicht<br />

können ... er hat jaden Griff nicht auslassen,<br />

und er ist zehnmal stärker als ich ...<br />

Wenn ich noch ein Wort gesagt hätt’, hätt’ er<br />

mir wirklich den Säbel zerbrochen ... Ich<br />

mussjanoch frohsein, dassernicht laut geredet<br />

hat! Wenn’sein Mensch gehörthätt’,so<br />

müsst’ich mich ja stante pede erschießen...<br />

Vielleicht ist es doch ein Traum gewesen ...<br />

Warum schaut mich denn der Herr dort an<br />

der Säule so an? –Hat der am End’ was gehört?<br />

Ich werd’ ihn fragen ...Fragen? –Ich<br />

bin ja verrückt! –Wie schau’ ich denn aus? –<br />

Merkt man mir was an? –Ich muss ganz<br />

blasssein.<br />

Was, ich bin schon auf der Straße? Wie<br />

bin ich denn da herausgekommen? – So<br />

kühl ist es...ah, der Wind, der ist gut ...<br />

Wer istdenn das da drüben?Warum schau’n<br />

denn die zu mir herüber? Am End’ haben<br />

die was gehört ...Nein, es kann niemand<br />

was gehört haben ... ich weiß ja, ich hab’<br />

mich gleich nachher umgeschaut! Aber gesagt<br />

hat er’s, wenn’s auch niemand gehört<br />

hat; gesagt hat er’s doch. Und ich bin dagestanden<br />

und hab’ mir’s gefallen lassen, wie<br />

wenn mich einer vor den Kopf geschlagen<br />

hätt’! ...Mir sagt das einer! Mir sagt das so<br />

ein Kerl, so ein Hund! Und erkennt mich<br />

Herrgott noch einmal, er kennt mich, er<br />

weiß, wer ich bin! Er kann jedem Menschen<br />

erzählen, dassermir das g’sagthat!...Nein,<br />

nein, das wird er ja nicht tun, sonst hätt’ er<br />

auch nicht soleise geredet ... er hat auch<br />

nur wollen, dass ich es allein hör’...Aber<br />

wer garantiert mir, dass er’s nicht doch erzählt,<br />

heut oder morgen, seiner Frau, seiner<br />

Tochter,seinen Bekannten im Kaffeehaus. –<br />

Um Gottes willen, morgen seh’ ich ihn ja<br />

wieder! Wenn ich morgen ins Kaffeehaus<br />

komm’, sitzt er wieder dort wie alle Tag’ und<br />

spielt seinen Tapper mit dem Herrn Schlesinger<br />

und mit dem Kunstblumenhändler<br />

...Nein, nein, das geht ja nicht,das geht<br />

ja nicht ...Wenn ich ihn seh’,sohau’ich ihn<br />

zusammen...Nein, das darfich ja nicht ...<br />

gleich hätt’ ich’s tun müssen, gleich! ...<br />

Wenn’s nurgegangenwär’!<br />

Sind das Freiwillige da drüben?<br />

Ich werd’ zum Obersten geh’n und ihm die<br />

Sachemelden ...ja, zum Obersten ...Was er<br />

sagen wird? –Aber da gibt’s ja nureins:quittieren<br />

mit Schimpf und Schand’ –quittieren!<br />

...Sind das Freiwillige da drüben? ...<br />

Ekelhaft, bei der Nacht schau’n sie aus wie<br />

Offiziere ...sie salutieren! –Wenn die wüssten<br />

–wenn die wüssten! ...––Wenn ich jetzt<br />

zu ihm in die Wohnung ginge und ihn beschwören<br />

möchte, dass er’s niemandem erzählt?<br />

...–Ah, lieber gleich eine Kugel vor<br />

den Kopf als so was! ...Wär’ so dasGescheiteste!<br />

...Das Gescheiteste? Das Gescheiteste?<br />

–Gibt ja überhaupt nichts anderes ...gibt<br />

nichts anderes ...Wenn ich den Oberst fragen<br />

möcht’, oder den Kopetzky –oder den<br />

Blany –oder den Friedmaier: –jeder möcht’<br />

sagen: Es bleibt dir nichts anderes übrig! Wie<br />

wär’s, wenn ich mit dem Kopetzky<br />

spräch’? Ja, es wär’ doch das Vernünf-<br />

“Erfolg ist eine Reise, kein Ziel”<br />

Iro &Partners gratuliert zu <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n “Die Presse” -<br />

zu Leistung, Professionalität und Engagement.<br />

Ein herzliches Dankeschön für viele <strong>Jahre</strong> vertrauensvoller<br />

und fairer Zusammenarbeit!<br />

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Bitte beachten Sie Risiken, die mit Wertpapierveranlagungen einhergehen. Näheres dazu in den Risikohinweisen.


Frei<br />

Der Begriff Freiheit istinÖsterreichauf ewig mit der Staatsvertragsunterzeichnung<br />

am 15. Mai 1955 im Wiener Schloss Belvedere verbunden. Auch wenn<br />

der berühmte Satz„Österreichist frei“von Außenminister Leopold Figl im Sitzungssaal<br />

und nicht, wie die Wochenschau suggerierte, auf dem Balkon des<br />

Belvedere gefallen war. Nicht nur Österreich wurde diese Gnade der Eigenstaatlichkeit<br />

nach dem Zerfall Europas im Zweiten Weltkrieg zuteil. Hatten die Vereinten Nationen<br />

bei ihrer Gründung 1945 nur 45Mitglieder, ist mit dem Südsudan zuletzt das 193. Mitglied dazugekommen.<br />

„Frei“ istein zentraler Herzensbegriff für „Die Presse“seit ihrer Gründung 1848. Die Eigenverantwortung,Wahlfreiheit<br />

und Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnenist einer der Schlüssel für ein<br />

geglücktes Leben. Die Begründer der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, die den theoretischen<br />

Unterbaufür diese Freiheitlieferten, haben allesamt auch in der „Presse“ geschrieben.<br />

ESSAY<br />

Und wieder so<br />

schön gruppiert<br />

Warum Toleranz, Offenheit<br />

und Freiheit an Bedeutung<br />

verlieren, die<br />

Individualitätzunehmend<br />

dem Druck von<br />

Gruppeneinteilungen<br />

weichen muss. S. 74<br />

ORIGINALTEXT<br />

Zum 75.<br />

Geburtstage<br />

Karl Mengers<br />

DerÖkonom Joseph<br />

Schumpetergratuliert<br />

am 23.Februar1915<br />

dem Gründer der<br />

„Österreichischen<br />

Schule“. S. 78<br />

<strong>170</strong>JAHRE PRESSE<br />

Thomas<br />

Bernhards<br />

Missverständnis<br />

RobertMenasse erinnert<br />

sich einer Anekdote<br />

über die „Revitalisierung“<br />

der alten<br />

Presseaus dem Jahr<br />

1848. S. 79<br />

Kunstgenuss in München<br />

<strong>170</strong> Jahr<br />

Jubiläumsangebot<br />

3TageimArthotel Ana Diva **** €<strong>170</strong> p.P.<br />

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• 2Übernachtungen im<br />

Arthotel Ana Diva****<br />

in München<br />

• täglich Frühstücksbuffet<br />

• Tageseintritt für die<br />

Sammlungspräsentation<br />

„Der Blaue Reiter“ im<br />

Lenbachhaus inkl.<br />

Audioguide<br />

• ein stilvolles Abendessen<br />

in einem Jugendstil-<br />

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Reisezeitraum:<br />

30.07.-09.09.18<br />

Diese Bewerbung ist lediglich auszugsweise und<br />

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Reiseverlauf,den inkludierten Leistungen, der<br />

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Angebot gilt ausschließlich für „Presse“-Club-<br />

©istock Mitglieder.<br />

Der blaue Reiter<br />

REISETHEK.AT


SAMSTAG, 9. JUNI 2018 FREI 75<br />

@FreedrichHayek würde Bitcoin kaufen<br />

Essay. Sie wurden ignoriert, bekämpft und vertrieben –die Propheten der österreichischen Ökonomie. Aber Finanzkrise<br />

und Internet haben ihnen nach mehr als 100 <strong>Jahre</strong>n ein Comeback verschafft. Und jetzt gibt es auch noch Bitcoin.<br />

VON NIKOLAUS JILCH<br />

Ein Prophet gilt nirgends weniger als in<br />

seinem eigenen Vaterland. Jesus hat<br />

das gesagt. Angeblich. So steht esjedenfalls<br />

in der Bibel. Heute gilt dieser<br />

deprimierende Satz als Sprichwort, dessen<br />

Bestätigung Österreich zur Kunstform erhoben<br />

hat. Nirgends wird das sichtbarer als<br />

beim Schicksal „unserer“ Ökonomen aus<br />

der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“.<br />

International werden sie gefeiert,<br />

zu Hause ignoriertoder garangefeindet.<br />

Es hat nicht weniger als eine globale Wirtschaftskrise<br />

und eine technologische Revolution<br />

gebraucht, umihre Ideen auch in der<br />

Heimat wieder bekanntzumachen.<br />

Nach mehr als 100 <strong>Jahre</strong>n, in einer neuen<br />

Welt. Würde Carl Menger, der die Wirtschaftswissenschaften<br />

Ende des 18. Jahrhunderts<br />

von Wien aus revolutionieren sollte,die<br />

Stätte seines Wirkens heutewieder erkennen?<br />

Was würde Ludwig von Mises zu<br />

den Positionen der Wirtschaftskammer sagen,<br />

deren Chefökonom er einmal war?<br />

Würde Fritz Machlup, der 1925 unter Mises<br />

eine Dissertation mit dem Titel „Die Goldkernwährung“<br />

geschrieben hat, mit den<br />

bunten Euro-Scheinen zurechtkommen?<br />

Und wie würde es Eugen von Böhm-Bawerk<br />

gehen, den manche immerhin noch von der<br />

Hundert-Schilling-Note kennen?<br />

rische Bücher über Marx schreiben –und<br />

sich dann besonders schlau vorkommen,<br />

weil Ö1 sie wieder einmal eingeladenhat.<br />

„Nicht der Kapitalismus hat versagt,<br />

sondern die Wirtschaftspolitik des Interventionismus,<br />

Etatismus und Sozialismus, die<br />

seit Jahrzehnten am Ruder ist. Nicht noch<br />

mehr Staatseingriffe, Sozialismus, Planwirtschaft,<br />

Staatskapitalismus können uns helfen,<br />

sondern allein die Einsicht, dass eine<br />

Hebung der Lebenshaltung nur durch mehr<br />

Arbeit und durch Bildung von neuem Kapital<br />

bewirkt werden kann“, schrieb Mises<br />

schon 1931 in der „Neuen Freien Presse“.<br />

Der Nationalbank würde Mises trotz aller<br />

Kritik wohl applaudieren, weil sie die<br />

Goldreserven nach Hause holt. Die erstaunliche<br />

Erfolgsgeschichte der Philharmoniker-<br />

Münze würde ihn faszinieren. Immerhin haben<br />

er und vieleder frühen Österreicher immer<br />

schon gewusst, was angeblich der Banker<br />

JP Morgan einmal gesagt hat: „Gold ist<br />

Geld, alles andere ist Kredit.“ Und Hayek,<br />

Mises’ Schüler, der mehr als alle anderen<br />

„Österreicher“ zu Ruhm gelangte, weil er<br />

den Nobelpreis erhielt?<br />

Geld muss nicht vom Staat kommen<br />

Der würde Bitcoin kaufen und Vorträge vor<br />

hunderten jungen Menschen mit T-Shirts<br />

und Laptops halten. Kein Scherz. Hayek würde<br />

keine Gastkommentare schicken, sondern<br />

einen Blog auf der „Presse“-Website schreiben.<br />

Er hätte zehntausende Fans auf Instagram<br />

und würde als @FreedrichHayek auf<br />

Twitter hitzige Debatten mit Journalisten und<br />

Politikern über Freiheit führen. Die würden<br />

ihn für verrückt erklären. Es wäre ihm egal. Er<br />

hatdas alles kommen sehen.<br />

Niemand wäre vom technologischen<br />

Durchbruch des Bitcoin-Protokolls, das erstmals<br />

sichere Wertübertragung übers Internet<br />

ermöglicht, mehr fasziniert als Friedrich<br />

August von Hayek, der 1973 sein Buch über<br />

die „Entnationalisierung des Geldes“ geschrieben<br />

hat. Darin ist Hayek noch weiter<br />

gegangen als seine Lehrer und stellt die Frage,<br />

obman die Wahl der besten Währung<br />

nicht auch dem Markt überlassen sollte. Es<br />

war ein Angriff auf den Status quo, in dem<br />

die staatlich beauftragten Zentralbanken alles<br />

lenken. Bitcoin istauch so ein Angriff.<br />

Freilich: Was die Mainstream-Akzeptanz<br />

dieser Idee betrifft, dass das Geld nicht nur<br />

vom Staat kommen muss, stehen wir ganz<br />

am Anfang. Nochherrscht eher Schumpeters<br />

Chaosals Hayeksneue Ordnung. DasExperiment<br />

kann scheitern. Nichts für schwache<br />

Nerven.<br />

Aber die junge Generation, aufgewachsen<br />

mit der Krise, saugt solche Sachen auf.<br />

Und keine seriöse Erörterung der Ökonomie<br />

hinter Bitcoin kommt ohne die Ideen der<br />

„Austrians“ aus, die Propheten aus Österreich.<br />

Sie wurden ignoriert, bekämpft und<br />

vertrieben. Aber jetzt sind sie wieder da.<br />

Vom Internet wieder entdeckt<br />

Vielleicht würden sie zuerst zuetwas greifen,<br />

das sie kennen. Zur „Presse“ etwa, für<br />

die sie alle geschrieben haben, als Europa<br />

schon aufden Untergang zuwankte. Immerhin<br />

hält diese Zeitung heute noch am ehesten<br />

die Fackel des klassischen Liberalismus<br />

in die Höhe und fragt abund an kritisch<br />

nach, obder Staat wirklich soviel Macht,<br />

Kontrolle und Geld braucht –und waserdamit<br />

eigentlich vorhat.<br />

Und wenn sie sich dann angefreundet<br />

haben mit der U-Bahn, dem Kaffee im Pappbecher<br />

und der Funktionsweise von Windows<br />

10, vielleicht würden sie wieder in die<br />

Die Ökonomen der „Austrian<br />

School“erleben seit der Krise<br />

eine Renaissance, angefeuert<br />

vomInternet.Von Menger<br />

bis Mises, vonHayek bis<br />

Schumpeter: Sie alle<br />

schrieben zu ihrer Zeit auch<br />

für die „Neue Freie Presse“.<br />

Alles Gute zum<br />

<strong>170</strong>-<strong>Jahre</strong>-Jubiläum!<br />

Tasten hauen. Zu sagen gäbe es genug. Immerhin<br />

hateseinen Grund, dassdie „Österreicher“,<br />

längst als „Austrian Economists“<br />

internationalisiert, heute als Propheten gefeiertwerden.<br />

Dass sievom Internet wiederentdeckt<br />

wurden, nachdem sie nicht nur<br />

von ihren Landsleuten, sondern von Kollegen<br />

in der ganzen Welt jahrzehntelang ignoriertworden<br />

waren.<br />

Die Notenpressen laufen wieder<br />

Die „Österreicher“ haben schon damals gewarnt,<br />

als Europa zuerstvon Krieg, dann von<br />

der Inflation und dann wieder vom Krieg<br />

zerstört wurde. Denker wie Mises und sein<br />

Schüler Hayek haben den Aufstieg und Untergang<br />

des Sozialismus vorhergesehen –<br />

und die fatalen Folgen der wildgewordenen<br />

Geldpolitik. Mises selbst hat in den 1920er<br />

<strong>Jahre</strong>n in der „Neuen Freien Presse“ schon<br />

„Gegen eine weitere Verwendung der Notenpresse“<br />

angeschrieben. Pointiert aber erfolglos.<br />

Solche Texte ließen sich 100 <strong>Jahre</strong><br />

später einfach erneutabdrucken.<br />

Immerhin laufen sie wieder, die Notenpressen.<br />

Überall auf der Welt. So haben wir<br />

den Herzstillstand behandelt, den die Weltwirtschaft<br />

2008 erlitten hat. Damit die Party<br />

noch weitergeht. Die „Österreicher“ würden<br />

auch gegen die weit verbreitete Annahme<br />

anschreiben, dass„der Kapitalismus“ an der<br />

Krise schuld wäre.<br />

Und sie würden dabei die schlecht konstruierten<br />

Kartenhäuser jener Alt-68er umblasen,<br />

die in ihren Dachgeschoßwohnungen<br />

in Naschmarktnähe noch immer eupho-<br />

© METAStadt<br />

Die Presse wird<strong>170</strong>,Wienerberger gratuliert.<br />

Zu kritischer Berichterstattung, Transparenz undtagesaktuellem Journalismus.<br />

Schließlich verfolgen wir als Unternehmen mit 200 <strong>Jahre</strong>n Tradition diese<br />

Erfolgsgeschichte seit Anbeginn und wünschen weiterhin stetiges Wachstum.<br />

wienerberger.com<br />

Danke,<br />

altes<br />

Haus!


76 FREI SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

Wenn alte Staaten zerfallen und neue entstehen<br />

Veränderte Landkarte. Bei ihrer Gründung zählte die UNO 51 Mitgliedsländer,heute sind es 193. Das Streben nach einem<br />

eigenen Staatging Hand in Hand mit dem Wunsch nach mehr Freiheit. Doch der hatsich nicht immer erfüllt.<br />

VON WIELAND SCHNEIDER<br />

Danke für <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> sauberen Journalismus!<br />

Danke, Wasserkraft!<br />

Ob 100%saubere Berichterstattung oder 100 %saubere Energie: Qualität setzt<br />

sich eben durch. VERBUND gratuliert der Tageszeitung Die Presse ganz herzlich<br />

zum Jubiläum und wünscht alles Gute für die Zukunft!<br />

Mehr auf www.verbund.com<br />

Es war ein langer, blutiger Weg. Seit den<br />

1950er-<strong>Jahre</strong>n kämpften Aufständische<br />

–mit nurzehn<strong>Jahre</strong>n Unterbrechung–<br />

gegen Sudans Militär. 2005 endete der<br />

Krieg, der Kampf wurde mit diplomatischen<br />

Mitteln fortgeführt. Dann, nach einem Referendum,<br />

ging der Wunsch nach Unabhängigkeit<br />

in Erfüllung: Am 9. Juli 2011 wurde<br />

der Südsudan ein neuer, international anerkannter<br />

Staat. Doch die Freiheit schmeckt<br />

heute für viele Südsudanesen bitter. Das eigene<br />

Land, das sich so vieleerträumt hatten,<br />

ist mittlerweile zum Albtraumland geworden.<br />

Seine neuen Herren stürzten es in<br />

einen Bürgerkrieg, weil sie sich nicht aufdie<br />

Verteilungder Macht einigen konnten.<br />

Als Mitglied Nummer 193 ist der Südsudan<br />

der vorläufig letzte Staat,der in die Vereinten<br />

Nationen aufgenommen worden ist.<br />

Nur51Länder zählte die UNO bei der Gründung<br />

1945. Nach und nach kamen weitere<br />

dazu.1949 etwa Israel, später mehrere europäische<br />

Länder,ÖsterreichimJahr 1955.<br />

Warummanche den Vereinten Nationen<br />

spät beitraten, hat verschiedenste Gründe.<br />

Einer davon ist, dass sie erst eigenständige<br />

Staaten geworden waren. Für sie war die<br />

UN-Mitgliedschaft gleichsam die internationale<br />

Zertifizierung dafür, nun –zumindest<br />

auf dem Papier –selbst über ihr Schicksal<br />

bestimmen zu dürfen. So gab es1960 eine<br />

ganze Reihe von Neuzugängen –darunter<br />

Kamerun, Tschad und Nigeria. Lang waren<br />

sie von den europäischen Kolonialmächten<br />

beherrscht worden. Nun erhielten diese Nationen<br />

–offiziell –die Freiheitzurück.<br />

Die Nationswerdungselbstwar dabei oft<br />

nicht einfach. Die Europäer hatten in Afrika<br />

und Asien die Grenzen ihrer Einflusszonen<br />

gleichsam mit dem Lineal gezogen –ohne<br />

Rücksicht aufkulturelle und ethnische Gegebenheiten.<br />

Historisch gewachsene Siedlungsräume<br />

wurden durchtrennt. Angehörige<br />

desselben Volkes fanden sich auf verschiedenen<br />

Seiten von Kolonial- und später<br />

Landesgrenzen wieder. Zugleich entstanden<br />

gewaltige, multiethnische Staatsgebilde. So<br />

ist etwa Nigeria mit seinen 190 Millionen<br />

Einwohnern Heimat von mehr als 250 Völkern<br />

und größeren ethnischen Gruppen.<br />

Nach dem Motto „Teile und Herrsche“<br />

vertieften die Kolonialherren in ihren Territorien<br />

die Unterschiede zwischen ethnischen<br />

und religiösen Gemeinschaften noch.<br />

Sie pflanzten damit einen giftigen Keim für<br />

spätere Konflikte – etwa in Ruanda. Der<br />

neue Staat als Zeichen neuer Freiheit brachte<br />

so in vielen Fällen auch neue Probleme.<br />

Den Nahen Osten teilten Briten und<br />

Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg untereinander<br />

auf und zerstörten so arabische<br />

Träume von Freiheit in einem arabischen<br />

Königreich. Die Grenzen, die sie damals zogen,gelten<br />

in der arabischen Welt nochheute<br />

als Produkt westlichen Großmachtgehabes.<br />

Trotzdem scheiterten in den 1950erund1960er-<strong>Jahre</strong>narabischePolitikermit<br />

ihren<br />

Versuchen, Länder wie Ägypten, Syrien<br />

und den Irak zu einem Staat zusammenzuschließen.<br />

Und die Palästinenser warten<br />

heute nach wievor aufihren eigenen Staat.<br />

Selbstbestimmung oderintakte Grenzen<br />

Die Kurden gingen bei der Schaffung neuer<br />

Staaten ausder Nachlassmasse des Osmanischen<br />

Reiches völlig leer aus. Das wirkt bis<br />

heute nach. Der kurdische Kampf um mehr<br />

Freiheit war soauch immer wieder mit dem<br />

Streben nach Unabhängigkeit verbunden. In<br />

der Türkei startete die Arbeiterpartei Kurdistans<br />

(PKK) in den 1980er-<strong>Jahre</strong>n einen Untergrundkrieg<br />

–mit der Vision, einen sozialistischen<br />

Kurdenstaat zu errichten. Mittlerweile<br />

hat die PKK dieses Ziel offiziell aufgegeben.<br />

Der Nationalstaat sei der Ursprung<br />

allen Übels, postulieren ihre Anführer. Freiheit,<br />

sagt die PKK, könne nur durch den sogenannten<br />

„Demokratischen Konföderalismus“<br />

gewonnen werden –eine Art regionales,<br />

basisdemokratisches System. Die<br />

Schwesterpartei der PKK,die PYD, versucht,<br />

dieses System in Syrien umzusetzen –freilich<br />

unter der Vorherrschaft ihrerPartei.<br />

Im Irak haben die Kurden die Schaffung<br />

eines eigenen Nationalstaates nach wie vor<br />

auf der Agenda. Von Diktator Saddam Hussein<br />

wurden sie brutal unterdrückt. Nach<br />

dessen Sturz 2003 erhielten sie weitreichende<br />

Autonomie. Im September 2017 ging die<br />

Führung der Kurdenregion aufs Ganze und<br />

hielt ein Unabhängigkeitsreferendum ab.<br />

Trotzeines überwältigenden Ja zum eigenen<br />

Staat blieb der Weg dorthin aber versperrt.<br />

Denn die Zentralregierung in Bagdad und<br />

die Nachbarländer reagierten mit Blockaden<br />

und Drohungen. Undvon den USAund den<br />

Europäernkam keine Hilfe.<br />

Was nützt das ganze Bemühen um Eigenstaatlichkeit,<br />

wenn es dafür keine internationale<br />

Unterstützung gibt? Der Grundsatz<br />

vom Selbstbestimmungsrecht der Völker<br />

steht dem Grundsatz der Unverletzlichkeit<br />

von Grenzen gegenüber. Dazukommen<br />

politische Abwägungen, die Sorge, welche<br />

Folgeneine Grenzänderung in der gesamten<br />

Nachbarschaft haben könnte. Wenn sich die<br />

Regierungdes Gesamtstaates gegen eine Abspaltung<br />

querlegt,hat man wenig Chancen –<br />

es sei denn, man hat sehr triftige Gründe<br />

und international mächtige Verbündete.<br />

So steht Kataloniens Regionalregierung<br />

mit dem Versuch, sich von Spanien zu lösen,<br />

auf aussichtslosem Posten. Madrid ist dagegen,<br />

alle EU-Mitglieder sind dagegen. Und<br />

internationale Medien sind nur schwer davon<br />

zu überzeugen, dass die reiche autonome<br />

Region Katalonien ein eigener Staat sein<br />

muss, um ausreichend Freiheit zu genießen.<br />

Ende der Sowjetunion und Jugoslawiens<br />

Auch in Europa sind in den vergangenen<br />

Jahrzehnten viele neue Länder entstanden.<br />

Die größte Änderung brachte der Zerfall der<br />

Sowjetunion 1991 in ihre ehemaligen Republiken.<br />

Die Ukraine, Belarus und die baltischen<br />

Staaten etwawurden unabhängig.<br />

In den 1990er-<strong>Jahre</strong>n zerfiel auch Jugoslawien<br />

–unter dem Getöse eines verheerenden<br />

Krieges. Die Unabhängigkeitserklärung<br />

des Kosovos 2008 istnur der letzte Baustein<br />

in der neuen Zusammensetzung des<br />

Balkans. Nach langjähriger Unterdrückung<br />

durch das serbische Regime, einem bewaffneten<br />

Aufstand und massiver militärischer<br />

Hilfe durch die Nato entledigten sich die Kosovo-Albaner<br />

der Kontrolle Belgrads. Es<br />

folgten UN-Verwaltung, internationale Statusverhandlungen<br />

und die Ausrufungdes eigenen<br />

Staates. 112 UN-Mitgliedsländer haben<br />

die Unabhängigkeit des Kosovos bisher<br />

anerkannt. Serbien und sein Freund Russland<br />

sind nicht darunter. Die UN-Mitgliedschaft<br />

bleibt dem Kosovo deshalb versperrt.<br />

Die politische Klasse des Kosovos hatte<br />

der Bevölkerung jahrelang versprochen,<br />

dass die Eigenstaatlichkeit alle Probleme lösen<br />

würde. Es hatsich aber auch in anderen<br />

Balkanländern gezeigt, dass imneuen Staat<br />

neue Probleme warten können und Unabhängigkeit<br />

allein kein Heilmittel gegen Korruption<br />

und Arbeitslosigkeit ist.<br />

Von Verhältnissen wie inSüdosteuropa<br />

kann das jüngste UN-Mitglied Südsudan<br />

freilich nur träumen. Seine neue Freiheit ist<br />

in einem Meer ausBlut untergegangen.


78 FREI SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

Jubiläum. Der Ökonom Joseph Schumpeter gratuliertam23. Februar 1915dem Gründer der „Österreichischen Schule“.<br />

Zum 75.Geburtstage Karl Mengers<br />

VON JOSEPH SCHUMPETER<br />

Joseph<br />

Schumpeter<br />

Alle die Schüler und Bewunderer, die<br />

morgen Karl Mengers 75. Geburtstag<br />

feiern werden, haben die Freude,zusehen,<br />

wie er, in behaglicher Ruhe und<br />

voller Kraft seinen Forschungen zugewendet,<br />

die Früchte seines Denkerlebens<br />

pflückt. Wie ein gewaltiger Felsblock ragt er<br />

aus dem Strome der Zeit, und das wissenschaftliche<br />

Leben der Gegenwart hat wenige,die<br />

ihm gleichen.<br />

Darüber wäre kein Wort zu verlieren,<br />

wenn seine Leistung in einer Wissenschaft<br />

läge, deren Errungenschaften weiten Kreisen<br />

vertraut sind. Allein von der Sozialökonomie<br />

dringt nur selten etwas anderes als<br />

die Diskussion politischer Tagesfragen an<br />

die Öffentlichkeit, und immer wieder sieht<br />

man sich genötigt, dieser Öffentlichkeit erst<br />

zu sagen, daß es auch im Wirtschaftsleben<br />

„ein Unten und ein Oben“ gibt, das heißt,<br />

daß es so große Zusammenhänge gibt, die<br />

ebensoGegenstände exakter Forschungsein<br />

können, wie die Bewegungen der schweren<br />

Körper, und daß die Erforschung dieser Zusammenhänge<br />

gerade so weit vom Tagesinteresse<br />

ab liegen, wie die theoretische Mechanik.<br />

Dasreine Interesse an der theoretischen<br />

Wahrheit um ihrer selbst willen ist auf diesem<br />

Gebiete spät erwacht und hat bisher<br />

drei Zeiten der Blüte gesehen: Einmal um<br />

die Wende des siebzehnten und achtzehnten<br />

Jahrhunderts. Das waren die Anfänge.<br />

Dann von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts<br />

bis in die zwanziger <strong>Jahre</strong> des<br />

neunzehnten Jahrhunderts. Aus dieser Zeit<br />

leuchten die Namen Quesnays und Ricardos<br />

herüber. Endlich eine Blütezeit, die ihr gegen<br />

Ende des neunzehnten Jahrhunderts<br />

wurde –an ihrer Schwelle steht die Gestalt<br />

Karl Mengers. Er hat der theoretischen Sozialökonomie<br />

das Größte gegeben, das ein<br />

Forscher überhaupt geben kann: Nicht eine<br />

neue Methode, auch kein neues Programm<br />

etwa – sondern ein neues Grundprinzip,<br />

einen neuen Grundgedanken, der sie ganz<br />

umfaßte, sich als außerordentlich fruchtbar<br />

erwies,und der ausihr etwasNeues machte,<br />

der die Wissenschaft aus den alten Angeln<br />

hob und in neue Angeln einsetzte.<br />

Auf dem Grunde dieses Gedankens lassen<br />

sich die großen Züge des wirtschaftlichen<br />

Handels und Lebens der Menschheit<br />

mit einem einzigen kausalen Band des Verständnisses<br />

umschlingen, und eine glänzende<br />

Einheitlichkeit des Lehrgebäudes tritt an<br />

die Stelle des Flickwerkes des Alten. Dieser<br />

Grundgedanke, die Erklärung aller Formen<br />

des sozialen Wirtschaftsprozesses auseinem<br />

Grundgesetz des menschlichen Motivlebens,<br />

ist an sich wie alle großen Gedanken<br />

sehr einfach.<br />

Wie alle großen Gedanken hat auch dieser<br />

früher oft angeklungen, aber man wußte<br />

nichts mit ihm anzufangen, unüberbrückbar<br />

erschien die Kluft zwischen dem, was inder<br />

sozialen Wirklichkeit um uns vorgeht, und<br />

dem Wollen und Fühlen des einzelnen Wirtschaftssubjektes.<br />

Deshalb schob man ihn beiseite,<br />

obgleich ein Nationalökonom nach<br />

dem anderen sehnsüchtig nach diesem so<br />

nahe liegenden und doch sounerreichbaren<br />

Erklärungsprinzip langte. Was Generationen<br />

nicht gelang, istMenger gelungen. Undwenn<br />

es überhaupt erlaubt ist, irgend etwas, wasin<br />

einer jungen und unvollkommenen Disziplin,<br />

wieesdie Sozialökonomie ist, geschieht,<br />

mit den stolzen Bauten der Naturwissenschaft<br />

zu vergleichen, so findet diese Leistung<br />

in der Tatihre Analogie in Leistungenwie jenen<br />

von Kopernikus,Newton, R. Mayer.<br />

Man mag über Wert und Aussichten der<br />

theoretischen Ökonomie denken wie man<br />

will, und man wird kaum sehr sanguinisch<br />

sein können, wenn man überlegt, welche<br />

Reihe von Jahrhunderten weltabgewandter<br />

Arbeit nötig war, um die Naturwissenschaften<br />

dorthin zu führen, wo sie stehen, und<br />

namentlich zu jenen „praktischen Resultaten“,<br />

nach denen der Laie die Wissenschaft<br />

allein beurteilt —aber daß Menger in der<br />

Sozialökonomie Geschichte gemacht hat,<br />

kann nicht wohl bezweifelt werden.<br />

Doch das genügtnoch nichtzur Beurteilung<br />

des Mannes. In anderen, glücklicheren<br />

Feldern der Wissenschaft findet ein jeder<br />

alle Werkzeuge vorbereitet, alle Probleme<br />

präzis gestellt, und all dies wird dem Jünger<br />

von wohlgeübter, sicherer Hand im normalen<br />

Studiengange dargeboten. Für Menger<br />

gab esdas alles nicht, erknüpfte an keine<br />

Tradition an–die gab es in Österreich damals<br />

nicht, die hat erst er geschaffen. Niemand<br />

ermutigte ihn, niemand konnte ihn<br />

anregenoder beraten.<br />

Dafür trat ihm ein jeder nach Tunlichkeit<br />

inden Weg. Seine Lehrer hatten nicht<br />

etwa nur keine Sympathien, sondern auch<br />

keine Spur von Verständnis für seine Ziele.<br />

Seine Altersgenossen in Österreich oder in<br />

Deutschland wußten kaum, was erwollte.<br />

Wie aus einer andern Welt –unerklärlich,<br />

ursachenlos –sind Menger, Böhm-Bawerk<br />

und Wieser in der Sozialökonomie von damals<br />

aufgetaucht, und keine der Erfahrungen,<br />

die schöpferische Geister immer zu machen<br />

haben, blieb ihnen erspart. Allem und<br />

ohne alle äußeren Mittel haben sie schließlich<br />

den besten Teil der modernen Sozialökonomie<br />

geschaffen und ihren großenSieg<br />

erfochten.<br />

Dieser Sieg kam spät, aber vollständig.<br />

Überall, wo Sozialökonomie aufder Erde betrieben<br />

wird, haben diese drei ihren Ideenkreis<br />

durchgesetzt, und überall wurden der<br />

eigentlichen sogenannten „Mengerschule“<br />

entsprechende Richtungen hervorgerufen.<br />

Nie sonst und auf keinem anderen Gebiet<br />

der Wissenschaft ist ein so starker Einfluß<br />

von Österreich ausgegangen. Karl Menger<br />

hatnie seine Kraft in Massenproduktionvergeudet.<br />

Echtes wächst nur in jahrelanger<br />

Stille heran, und wie alle seine Bücher<br />

so waren auch seine „Grundsätze der<br />

Es kommt nicht<br />

auf die Länge an!<br />

<strong>170</strong><strong>Jahre</strong> Die Presse<br />

5<strong>Jahre</strong> MuTh<br />

…Dennoch gratulieren wir<br />

der PRESSE voll Bewunderung<br />

zum Jubiläum!<br />

Konzertsaal derWienerSängerknaben<br />

www.muth.at


SAMSTAG, 9. JUNI 2018 FREI 79<br />

Volkswirtschaftslehre“ die Frucht seiner<br />

besten <strong>Jahre</strong>. Sie erschienen 1871 und lange<br />

haternachher geschwiegen, ganz so wiedie<br />

Großen vor hundert <strong>Jahre</strong>n, deren Werke<br />

auf uns einen so eigenartig tiefen Eindruck<br />

machen, weil sie unserer Tretmühlenarbeit<br />

so fern stehen.<br />

Menger verstand es immer, die Atmosphäre,<br />

die einem Denkerleben frommt, um<br />

sich festzuhalten, und er hat nie gehastet,<br />

nie nach Erfolg gefragt, nie an dem Streit des<br />

Augenblickes teilgenommen. Erst 13 <strong>Jahre</strong><br />

später publizierte er seine „Methodenlehre“.<br />

Von diesem Buch sei nur das eine gesagt,<br />

daß wir, nachdem wir seither unermüdlich<br />

über Methoden- und Prinzipienfragen gestritten<br />

haben, nunnach 30 <strong>Jahre</strong>n ungefähr<br />

auf dem Standpunkte dieses Buches angelangt<br />

sind. Das hätten wir billiger haben<br />

können: aber es charakterisiert die Größe<br />

des Buches und des Mannes. Wie von seinen<br />

„Grundsätzen“ ein starker Einfluß auf<br />

die Psychologie ausging, so wirkte seine<br />

„Methodenlehre“ auf die Erkenntnistheorie<br />

und auf die allgemeine Methodologie, und<br />

der wissenschaftliche Wanderer stößt oft im<br />

feindlichen Lager, woersich dessen am wenigsten<br />

vorsieht,auf MengersGedanken.<br />

Von seinen sonstigen Arbeiten erwähne<br />

ich noch seine „Theorie des Kapitals“ (1888)<br />

undseine„Geldtheorie“–letztere im „Handwörterbuch<br />

der Staatswissenschaften“. Auf<br />

dem Gebiete der Geldforschung hat ersich<br />

auch zu praktischen Fragen geäußert, gelegentlich<br />

der Währungsenquete (1892), sonst<br />

nursehrselten,zum Beispiel bei Gelegenheit<br />

der Wohnungsenquete 1904. Zu weiteren<br />

Kreisen sprach er im übrigen bloßinden Artikeln,<br />

die er von Zeit zuZeit inder „Neuen<br />

Freien Presse“ publizierte.<br />

Thomas Bernhards Missverständnis<br />

Anekdote. Über die „Revitalisierung“der alten Presse ausdem Jahr 1848.<br />

VON ROBERTMENASSE<br />

In einem Interview, das er Ende der<br />

Siebzigerjahre der österreichischen Tageszeitung<br />

„Die Presse“ gab, erzählte<br />

Thomas Bernhard, dass erbei einem<br />

Besuch der Steiermark („ein Bundesland,<br />

das noch deprimierender ist als Kärnten!<br />

Andererseits: man erspart sich dort Oberösterreich!“)<br />

vom Wirt des „Landgasthofes<br />

mit Fremdenzimmern“, wo er „als Fremder<br />

selbstverständlich ein Zimmer“ genommen<br />

hatte, gefragt wurde, ober„die<br />

Presse“ zusehen wünsche. Er habe „naturgemäß“verneint.<br />

Der Wirt aber insistierte: „Die Presse“<br />

werde den Gast zweifellos interessieren, sie<br />

sei aus dem Jahr 1848 und funktioniere,<br />

dank einer beizeiten durchgeführten „behutsamen<br />

Revitalisierung“ („Der Wirt“, so<br />

Bernhard, „sagte tatsächlich Revitalisierung,noch<br />

dazu behutsam –woran ich einmal<br />

mehr zu erkennen meinte,welche Verwüstungen<br />

,Die Presse‘ inden Köpfen der<br />

Menschen anrichtet“), bis heute aufdie traditionelle<br />

Weise, soder Wirt, soBernhard.<br />

Genau dies sei der Grund, so Bernhard<br />

zum Wirten, warum erander Presse nicht<br />

interessiertsei. Der Wirt verstand nicht und<br />

insistierte weiter –bis Thomas Bernhard<br />

begriff, „begreifen musste“, dass mit der<br />

„Presse“ die alte Kürbiskernpresse gemeint<br />

war, mit der der Wirt sein „tatsächlich unvergleichliches“Kernöl<br />

produzierte.<br />

ZUM Jubiläum<br />

Im Grunde, soBernhard in diesem Interview<br />

weiter,sei alles,was wirLeben nennen,<br />

oder gar Wiederbelebung, denn anders<br />

sei Revitalisierung nicht zu verstehen,<br />

ein einzigesgroteskes Missverständnis.<br />

Deshalb gehe er am liebsten auf Friedhöfen<br />

spazieren. In Wien zum Beispiel auf<br />

dem St. Marxer Friedhof. Der St. Marxer<br />

Friedhof sei ihm der liebste Ort. Wien sei ja<br />

tot, soBernhard („Denken Sie nur an den<br />

Ersten Bezirk!“), aber die Toten seien überall<br />

viel zu laut („Wien –naturgemäß ein<br />

einziger Zombietanz!“). Aufdem St.Marxer<br />

Friedhof aber finde er Ruhe, Konzentration<br />

und vor allem die heitere Gelassenheit des<br />

Lebenden.<br />

„Warum heiter?“, wagte der „Presse“-<br />

Interviewer zu fragen. Weil er unerkannt<br />

zwischen Vergessenen spaziere, auf deren<br />

Grabsteinen „unvergessen“ stehe. Und, viel<br />

wichtiger: „Die Inschriften auf den Grabsteinen<br />

des St. Marxer Friedhofs ersetzen<br />

die gesamte österreichische Literatur seit<br />

Grillparzer“, so Bernhard.<br />

Ich war jung und beeindruckbar. Ich<br />

fuhr zum St. Marxer Friedhof. Hunderte<br />

Menschen flanierten über die Kieswege,<br />

musterten neugierig die anderen, hielten<br />

Fotoapparatebereit, rempelten im Gedränge<br />

einander an, grüßten, plauschten, lasen<br />

die Grabsteininschriften, zitierten Thomas<br />

Bernhard, riefen einander Scherzworte zu.<br />

Bernhardhatte den St.Marxer Friedhof<br />

revitalisiert.<br />

Der Graben soll an diesem Tag menschenleergewesen<br />

sein.<br />

Im Grunde, soBernhard, ein einziges<br />

groteskes Missverständnis.<br />

Es wäre fastinVergessenheit geraten.<br />

Joseph Schumpeter pflegte<br />

zu sagen, dasserdreiZiele<br />

habe: Er wolle der größte<br />

Ökonom der Welt sein, der<br />

besteReiter vonÖsterreich<br />

und der großartigsteLiebhaber<br />

Wiens.ZweiZiele habe<br />

er erreicht,soSchumpeter.<br />

Welche zwei, verrieternie.<br />

Auch im Herrenhause isterkein gesprächiger<br />

Gast, und seit ersich vorzeitig von<br />

seiner Lehrtätigkeit an der Wiener Universität<br />

zurückgezogen hat, durchstreift er nur<br />

gemächlich den Garten seiner Gedanken.<br />

Man möchte den Mann beneiden, der seine<br />

Kraft nicht zum wenigsten dadurch bewies,<br />

daß er sein Leben ganz nach seinem Sinn<br />

gestaltete und, nachdem er viel von Menschen<br />

und Dingen gesprochen, sich eine Insel<br />

schuf,indie kein Lärm eindringt.<br />

Die Schwierigkeiten, die er auf seinem<br />

Wege fand, scheinen immer nur äußere gewesen<br />

zu sein und sein Arbeiten und Kämpfen<br />

hat ihm nichts anhaben können. Wer<br />

ihn besucht, nimmt den erfrischenden Eindruck<br />

innerer Heiterkeit mit sich, den Eindruck,<br />

daß in diesem Falle hohes Wollen<br />

und hohes Gelingen nicht,wie so oft,mit Lebensglückund<br />

Lebensfreude bezahlt wurde.<br />

Das erklärt auch neben seiner Originalität<br />

und Kraft den Einfluß, den er auf alle hat,<br />

die seine Schüler waren, die Verehrung und<br />

Sympathie, mit der ihm die Werdendenund<br />

Mitstrebenden stets zugetan waren. Ihre allerherzlichsten<br />

Wünsche wenden sich ihm<br />

morgen zu.<br />

Wissen<br />

braucht<br />

Wahrnehmung<br />

Die Fachhochschulen Österreichs haben sich in den<br />

vergangenen 25 <strong>Jahre</strong>n als treibende Kraft der angewandten<br />

Forschung, Innovation und Lehre etabliert. Als<br />

Tageszeitung hat „Die Presse“ ihren Erfolgsweg von<br />

Anfang an aufmerksam, kritisch und wohlwollend begleitet.<br />

Denn Wissen braucht Wahrnehmung! Was uns<br />

verbindet, sind Aufgeschlossenheit und Neugier –zwei<br />

Markenzeichen der „Presse“ bereits seit <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n.<br />

Gemeinsam sind wir der Qualität und Objektivität verpflichtet!<br />

Wir bedanken uns hiermit für die bisherige,<br />

spannende Zusammenarbeit, etwa beim Forum Alpbach,<br />

dem „FH-Guide“ und vielen anderen Veranstaltungen<br />

und Projekten.<br />

Wir gratulieren der „Presse“ zu ihrem Jubiläum und<br />

zu ihrer kritischen Rolle in der österreichischen<br />

Medienlandschaft.<br />

ZUM JUBILÄUM<br />

„<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> ,Die Presse‘sind<br />

<strong>170</strong><strong>Jahre</strong> Tagdienst an der<br />

Demokratie. Kein Prozess<br />

rascher Erfolge, sondern ein<br />

endloses Sich-Strecken nach<br />

dem Unerreichbaren.<br />

Qualitätsjournalismus ist<br />

kein Sprint,kein Marathon,<br />

sondern ein Dauerlauf. Ein<br />

Dauerlauf mit der Zeit. Und<br />

die dauertmehr als <strong>170</strong><br />

<strong>Jahre</strong>. Das weiß jedes Kind.“<br />

VeronicaKaup-Hasler<br />

Wiener Kulturstadträtin


<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> „Die Presse“<br />

1848 fühlten viele den journalistischen Furor in sich glühen, dochnicht alle beherrschten das Handwerk.<br />

Am 3. Juli erschien als Start-up eines Mannes mit verlegerischem Genie die „Presse“. Sie war<br />

nicht mehr umzubringen, nicht durch das absolutistische Regime, nicht durch Konjunkturkrisen,<br />

nicht durch den Krieg von 1914, nicht durch den Verlust des Großmachtstatus Österreichs. Die Geschichte<br />

des Landes und dieser Zeitungsind <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> lang verbunden wiekommunizierende Gefäße.<br />

Über Siegeund Niederlagen, über Sternstunden und Tiefschläge hinweg.<br />

DASWELTBLATT<br />

Ein Fenster<br />

nach Europa<br />

„Die Neue Freie Presse“<br />

ging aus der 1848er-<br />

„Presse“ hervor<br />

und wurde die repräsentativeZeitung<br />

Österreichs von<br />

1864–1938. S. 82<br />

ORIGINALTEXT<br />

Elfriede Jelinek<br />

über den Fall<br />

Soltísová<br />

„Unter uns“: Über den<br />

mysteriösen Todeiner<br />

jungen slowakischen<br />

Pflegerin in einer oberösterreichischen<br />

Kleinstadt.<br />

S. 84<br />

ZEITUNGSZUKUNFT<br />

Rainer Nowaks<br />

11 Punkte über<br />

die Zeitung<br />

Ein Thesenkatalog des<br />

„Presse“-Chefredakteurs:<br />

Warum wir alle<br />

den Todder klassischen<br />

Zeitung nicht erleben<br />

werden. S. 87<br />

Die Österreichische Hoteliervereinigung und die Top-Hotellerie gratulieren zu<br />

<strong>170</strong> JAHRE<br />

Qualitätsjournalismus


<strong>170</strong> J AHRE DIE PRESSE:<br />

Anton Heldwein<br />

und sein Team gratulieren<br />

herzlich zum Jubiläum.<br />

Graben 13.1010 WIEN. T +43 15125781.www.heldwein.com


86 <strong>170</strong> JAHRE SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

ZUM Jubiläum<br />

„DiePresse ist fürmich ein<br />

nicht wegzudenkendes<br />

Qualitätsmedium in<br />

Österreich. Ich schätze die<br />

sachliche, unaufgeregte<br />

Berichterstattung,genieße<br />

Qualität &Seriosität. Sie<br />

zählt seit Jahrzehnten zu<br />

meiner täglichen Lektüre.“<br />

Karl Stoss<br />

ÖOC-Präsident<br />

„Intelligent genutztes Papier!<br />

Gut gedacht,fast immer gut<br />

geschrieben. Keine<br />

Kleinigkeit in einer Phase<br />

der schlauen Hudelei. Recht<br />

gut hatman den Übergang<br />

vom Primatder News zu<br />

Background, Reflexion und<br />

sogar exzentrischen<br />

Exkursen hingekriegt.<br />

Hoffentlich auflange Zeit gut<br />

genug. Doch Papier wird<br />

bleiben, wie Radio!“<br />

Wolfgang Kos<br />

Ehemaliger DirektorWien-Museum<br />

„Die Presse ist fürmich die<br />

perfekte Nahrungsergänzung<br />

zum Frühstückskaffee.<br />

Koffein und Kommentar<br />

machen das morgendliche<br />

Denkenleichter. Die Presse<br />

greift nichtjede ,wichtige’<br />

Meldungauf,sondern<br />

versteht elegantzu<br />

schweigen.“<br />

Sabine Ladstätter<br />

Archäologin<br />

„Gebt uns die Freiheit,<br />

gebt sie uns voll!“<br />

Zensur. „Die Presse“ vertrat vom Tagihrer Gründung an die<br />

Idee der Freiheit. „Gleiches Recht fürAlle“hieß ihr Motto auf<br />

der Titelseite. Doch nur selten wurde es ihr leicht gemacht,<br />

diese Idee zu vertreten.<br />

VON GÜNTHER HALLER<br />

In einem einzigen Jahr –gemeint ist 1848<br />

– musste „Die Presse“ gleich mehrere<br />

große Mächte bekämpfen: zuerst die der<br />

Konkurrenz, zu bunt und vielfältig war<br />

zunächst die Zahl der Zeitungsgründungen,<br />

dann die Macht des Marktes, denn es galt,<br />

das Blatt über Wasser zu halten, mit Inseraten,<br />

mit Leserabos, und schließlich dann –<br />

nach der Niederschlagung der Revolution<br />

im Oktober –die Macht der Polizei und des<br />

repressiven Apparats. Schwer zu sagen, was<br />

gefährlicher war. Doch die nun anbrechende<br />

Zeit der Rücknahme der Freiheiten war<br />

für viele Produktetödlich.<br />

An einen geradlinigen Kurs war angesichts<br />

der Umstände nicht zu denken. Doch<br />

es ging darum, die Pressefreiheit gegen<br />

einen Wust von Zivilprozessen, Zensurbestimmungen,<br />

Verbotsdrohungen und bürokratischen<br />

Schikanen zu behaupten. Auch<br />

„Die Presse“ wurde im Dezember 1849 verboten,<br />

sie war zufrech geworden und übersiedelte<br />

mit der gesamten Mannschaft nach<br />

Brünn, außerhalb des Verbotsrayons. Ein<br />

Jahr lang ging esihr denkbar schlecht. Wie<br />

konnte sie wiederauferstehen? Es waren die<br />

treuen und durch 1848 nachhaltigpolitisierten<br />

Leser, die die Zeitung trotz der geistigen<br />

Knebelung in den Fünfzigerjahren zum<br />

größten und einflussreichsten Journal der<br />

Monarchie machten. Erst mit dem Pressegesetz<br />

von 1862 fand dieses Tauziehen zwischen<br />

Regierungund Zeitungein Ende.<br />

Es kündigte sich das Morgenrot einer<br />

besseren Zeit an. Die Verknüpfung von Liberalismus<br />

und Journalismus wurde essenziell<br />

für die 1860er-<strong>Jahre</strong>. Eine wirksame öffentliche<br />

Meinung bildete sich heraus. Bis<br />

1867 gab die Zeitung keine Ruhe, „Gebt uns<br />

die Freiheit, gebt sie uns voll“ liest man in<br />

den Leitartikeln. Man warsehrmutig geworden:<br />

Die monarchische Regierungsform<br />

wurde nur eingeschränkt befürwortet, die<br />

Liberalen standen dem Kaiserstaat mit Distanz<br />

gegenüber. Die Zeitungen wollten als<br />

öffentliche Macht im Staat anerkannt werden.<br />

Das gelang endgültig mit dem Staatsgrundgesetz<br />

vom Dezember 1867. Bis dahin<br />

waren Konfiskation und Suspension missliebiger<br />

Blätter noch immer gang und gäbe.<br />

Doch nun wollten Zeitungen wie „Die Presse“<br />

und die „Neue Freie Presse“ alles zugleich<br />

reformieren: das Schul- und Bildungswesen,<br />

das Frauen- und Eherecht.<br />

Neue Mächte formieren sich<br />

Dochdie eigentliche Ärades Liberalismus in<br />

Österreichwar nurkurz. Bald begannen sich<br />

neue Mächte zu formieren. Massenparteien<br />

trugen den Kampf aufdie Straße,die Christlichsozialenführten<br />

mit antisemitischen Parolen<br />

das Kleinbürgertum an, die Sozialdemokraten<br />

versammelten die Arbeiter hinter<br />

sich, die radikalen Deutschnationalen<br />

agitierten gegen den Staat Österreich, sie<br />

wolltenden Anschlussandas Deutsche Kaiserreich.<br />

Dem hatten die liberalen Blätter<br />

nicht viel entgegenzusetzen.<br />

Die Zeit von Zensur und Beschlagnahmung<br />

hatte die Zeitung wohl schon längst<br />

vergessen, als sie den „Geist von 1914“ mittrug<br />

und das patriotische Hochgefühl im<br />

Krieg befeuerte. Allmählich begannen sich<br />

1915, unauffällig, aber doch, jene weißen<br />

Flecken in der Zeitung bemerkbar zu machen:<br />

Die Zensur hatte zugeschlagen und<br />

die Herausnahme eines Textteils notwendig<br />

gemacht. Und das, obwohl sich die Journalisten<br />

ohnedies an den knappen Mitteilungen<br />

des Kriegspressequartiers orientierten.<br />

Unmittelbare Einblicke in das Kriegsgeschehen<br />

blieben den Redakteuren an ihren<br />

Schreibtischen ohnehin verwehrt. Das galt<br />

auch für die „Frontjournalisten“, die in der<br />

Regel weit entfernt vom Kriegsgeschehen<br />

stationiert waren und die Ereignisse mit viel<br />

Fantasie ausschmückten.<br />

Kriegszeiten sind eben Zeiten von Presselenkung<br />

und Pressekontrolle, alle Regierungen<br />

Europas versuchten, die Zeitungen<br />

ihres Landes zu gängeln und für ihre Ziele<br />

zu instrumentalisieren. So wurde amOstermontag<br />

1915 der Leitartikel der „Neuen<br />

Freien Presse“ vollständig zensuriert. Auf<br />

Dauer konnte eine Auseinandersetzung mit<br />

der Zensurpraxis also nicht mehr aufgeschoben<br />

werden. Schließlich hatte man sich<br />

nichts zuschulden kommen lassen, war ein<br />

loyales Blatt, dessen Ziel die Erhaltung der<br />

Monarchie warund das auch nach zwei <strong>Jahre</strong>n<br />

nicht gerade durchgehend erfolgreichen<br />

Kriegsverlaufs noch anschrieb gegen Kleinmut<br />

und Unmut. Man wollte diese Schikanen<br />

daher nicht mehr tolerieren.<br />

Vor allem störte die „Neue Freie Presse“,<br />

dass man das Parlament und seine Vorzüge<br />

überhaupt nicht mehr erwähnen durfte. Da<br />

ließ man in der Redaktion nicht locker und<br />

wies mehrmals darauf hin, dass das Volk<br />

derzeit nicht die „Stimme“ habe, die es<br />

brauche. Im Juli 1916 wurde der Ton gegen<br />

die Zensurbehörde richtig ärgerlich.<br />

„Diepapierenen Gespenster“<br />

Bemerkenswertder Epilog aufdas ganze Zensurgeschehen,<br />

er erschien am 3. November<br />

1918 unter dem Titel „Der weißeFleck“: „Tagtäglichhat<br />

sich diese für die Zeitungen wiefür<br />

das Publikum gleich irritierende, beschämende<br />

und lästige Bevormundung wie-<br />

Werauf <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> Firmenbestehen zurückblicken kann, hat etwas richtig gemacht.<br />

Als Unternehmen, das auf einer 235 <strong>Jahre</strong> alten Tradition basiert, wissen wir, wovon wir sprechen.<br />

Alt, aber gut –ein Qualitätsbeweis!<br />

Um so lange bestehen zu können, muss man aber auch mit der Zeit gehen.<br />

Dazu gehört, sich auch einmal neu zu erfinden, ebenso wie an bewährten<br />

Konzepten festzuhalten. Mit dieser Mischung haben es „Die Presse“ und<br />

JTI Austria geschafft, als moderne und innovative Unternehmen in der<br />

Gegenwart zu landen –bereit für die nächsten Schritte in die Zukunft, in<br />

der wir uns auf weitere gute Zusammenarbeit freuen!<br />

Wir wünschen der „Presse“ alles Gute, viel Erfolg sowie<br />

Ein- und Durchblick in die relevanten<br />

Themen unserer Zeit!<br />

Ralf-Wolfgang Lothert<br />

Head of Corporate Affairs &Communication<br />

und Silvia Polan<br />

Corporate Affairs &Communication Manager<br />

JTI Austria GmbH<br />

Koppstraße 116 •1160 Wien<br />

www.jti.com/austria<br />

E-Mail: CCAllgemein@jti.com


<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> «Die Presse»<br />

Das Wiener Konzerthaus gratuliert!<br />

Mit mehr als 600 Konzerten pro Saison ist das Wiener Konzerthaus eines der führenden Konzerthäuser in Europa. Die<br />

Vielfalt der Veranstaltungen reicht von Symphoniekonzerten über Kammermusik, World-Musik, Jazz, Literatur,Stummfilmen<br />

mit Live-Musik bis hin zu Popkonzerten mit Newcomer-Bands. Internationale Stars wie John Malkovich, Soap &Skin,<br />

Lang Lang, Cameron Carpenter,Joshua Bell, Mariza, Wynton Marsalis und Hilary Hahn treten regelmäßig auf den vier Bühnen<br />

des Wiener Konzerthauses auf. Wie «Die Presse», so ist auch das Wiener Konzerthaus seit mehr als 100 <strong>Jahre</strong>n der (musikalischen)<br />

Exzellenz verpflichtet. Den höchsten Ansprüchen gerecht zu werden und Resonanz zu schaffen –das verbindet uns!<br />

schultz+schultz ·Fotos: LaloJodlbauer,Michael Dürr,Marco Borggreve,Julia Wesely,<br />

Lukas Beck,Carlos Ramos, FrankStewart,Michael Patrick O’Leary,Archiv


90 FEST SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

Summerstage, when the<br />

Saskia Wallner (Ketchum Publico), Rudolf Krickl<br />

(PwC).<br />

Nikolaus Pelinka (Kobza Media, l.), Gerald Gerstbauer<br />

(Atos).<br />

Ludwig Bittner (Notariatskammer, l.), Ricardo-José<br />

Vybiral (KSV).<br />

Peter Bosek (Erste Bank Group, l.), Ernst Vejdovszky<br />

(S Immo).<br />

Kathrin Zechner (ORF), Politikberater Lothar Lockl<br />

(r.), Martin Radjaby-Rasset (Erste Bank Group).<br />

Waltraud Langer (ORF) und der Wiener Bildungsstadtrat<br />

JürgenCzernohorszky.<br />

Geburtstag. Mit 600 Gästen feierte die „Presse“ aufder<br />

Summerstage am Wiener Donaukanal ihr aktuelles Jubiläum.<br />

Gekommen war Prominenz ausallen „Ressorts“, von Politik<br />

und Wirtschaft über Kunst und Medien bis zur Justiz.<br />

Neos-Chef Matthias Strolz, Thomas Spann („Kleine<br />

Zeitung“, vonl.).<br />

Sylvia Dellantonio (willhaben) und Styria-Vorstand<br />

BernhardKiener.<br />

Die Josefstadt, der Kursalon Hübner<br />

oder gar, zum großen 150-Jahr-Jubiläum,<br />

das Belvedere: Zur Tradition der<br />

„Presse“ gehören Feste an legendären<br />

Wiener Locations. Zur <strong>170</strong>-Jahr-Feier entschied<br />

man sich für sommerliche Atmosphäre<br />

aufder Summerstage.<br />

Direkt am Donaukanal feierten am<br />

Abend des 4. Juni rund 600 Gäste ausPolitik,<br />

Wirtschaft,Kultur,Medien, Wissenschaft und<br />

Justiz, darunter auch viele (nicht nur) wirtschaftliche<br />

Partner der Zeitung. Chefredakteur<br />

Rainer Nowak und die Geschäftsführer<br />

Herwig Langanger und Rudolf Schwarz begrüßten<br />

u.a.VP-Wirtschaftsministerin Margarete<br />

Schramböck,Ex-VP-Obmann undUnternehmer<br />

Josef Taus, die Neos Matthias<br />

Strolz und Beate Meinl-Reisinger, die Styria-<br />

Vorstände Markus Mair, Bernhard Kiener<br />

und Alpbach-PräsidentFranz Fischler.<br />

Aus der Kultur waren Festspielpräsidentin<br />

Helga Rabl-Stadler, Burg-Direktorin Karin<br />

Bergmann, ORF-Fernsehchefin Kathrin<br />

Zechner, Konzerthaus-Intendant Matthias<br />

Naske oder Museumsdirektorin Danielle<br />

Spera gekommen, daneben Nationalbank-<br />

Präsident Claus Raidl, VfGH-Präsidentin<br />

Brigitte Bierlein, Rechnungshof-Präsidentin<br />

Margit Kraker, SP-Stadtrat Jürgen Czernohorszky,<br />

Hotelière Elisabeth Gürtler, Medienmanager<br />

Hans Mahr, „Profil“-Herausgeber<br />

Christian Rainer und Kleine Zeitung-<br />

Chefredakteur HubertPatterer.<br />

[Günther Peroutka, Mirjam Reither,Roland Rudolph ]<br />

Sie wollen<br />

Expertise?<br />

<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> „Die Presse“<br />

Noch nie war guter Journalismus<br />

so wichtig wie jetzt<br />

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SAMSTAG, 9. JUNI 2018 FEST 91<br />

living is easy<br />

Medienmanager Hans Mahr (l.), Heimo Hackel (CardComplete).<br />

Styria-CEO Markus Mair, Johann Trummer (Styria-Aufsichtsrat) und Historiker<br />

Stefan Karner (v.r.).<br />

DerPhilosoph Konrad Paul Liessmann mitdem Chefredakteur der„Presse“<br />

Rainer Nowak(vonl.).<br />

Meinungsforscherin Ex-Ministerin Sophie Karmasin mit der künftigen Neos-Bundeschefin<br />

Beate Meinl-Reisinger (v.l.).<br />

Styria-Aufsichtsrat Karl Schleinzer,Nationalbank-Präsident Claus Raidl und Post-<br />

Vorstand PeterUmundum (v.l.).<br />

HelgaRabl-Stadler (SalzburgerFestspiele)mit Herwig Langanger („Presse“-CEO,<br />

re.), Werner Zenz (Bankhaus Spängler)und Rudolf Schwarz(„Presse“-GF,l.).<br />

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Magische Reiseindas Land der Tempel<br />

Myanmar. Lassen Sie sich verzaubern von der Ursprünglichkeit des Landes und tauchen Sie ein in<br />

dessen Vergangenheit und Gegenwart und den Alltag der Bevölkerung.<br />

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für „Presse“-Club-Mitglieder in der<br />

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HIGHLIGHTS IHRER REISE<br />

Shwedagon -die wichtigstereligiöse Stätte der Burmesen. [Fotos:iStock, Fotolia ]<br />

Es ist ein Land voller Mythen und<br />

Geschichten, voll heiliger Orte<br />

und beeindruckender Sehenswürdigkeiten,<br />

wie die Shwedagon-<br />

Pagode in Yangon, die wertvollste<br />

und größte der Welt und die wichtigste<br />

religiöse Stätte der Burmesen.<br />

Die Besichtigung ist für Tag drei der<br />

Reise geplant, ebenso wie der „High<br />

Tea“ im eleganten Café des Strandhotels<br />

–heutenochfesteInstitution.<br />

An Tag vier fliegen Sie indie Königsstadt<br />

Mandalay woSie unter anderemdie<br />

Mahamumi Pagodebesichtigen,<br />

in der eine der heiligsten Buddha-Statuen<br />

steht. In den Tagen bevor<br />

Sie zu den Tempelanlagen bei<br />

Bagan weiterreisen, bekommen Sie<br />

in PyinOoLwin–einesder wichtigsten<br />

landwirtschaftlichen Gebiete<br />

Myanmars –einen Eindruck der kolonialen<br />

Vergangenheit des Landes.<br />

Auch ein Besuch von Amarapura,<br />

Myanmars vorletzte königliche<br />

Hauptstadt, steht auf dem Programm.<br />

Nach einer Besichtigung der<br />

„Stadt der Unsterblichkeit“ erleben<br />

Sie den eindrucksvollen Sonnenuntergang<br />

von der U-Bein Brücke<br />

aus. An Tag sieben reisen Sie dann<br />

Tauchen Sie ein in den Alltag.<br />

weiter nach Bagan. Während der<br />

acht- bis zehnstündigen Bootsfahrt<br />

auf dem Irrawaddy River haben Sie<br />

Zeit, die Landschaft zu genießen. In<br />

Baganhaben Siedie Möglichkeit, die<br />

Tempelanlage von einem Heißluftballon<br />

aus zu bestaunen. Bevor Sie<br />

an Tag neun wieder abreisen steht<br />

noch ein Besuch des pulsierenden<br />

Nyaung Oo Marktes auf dem Programm.<br />

Die unberührte Natur des<br />

Inle Sees mit seinen „Einbeinruderern“<br />

verzaubert ab Tag elf binnen<br />

weniger Augenblicke.Sie legen unter<br />

anderem einen Stopp imWeberdorf<br />

Teil der TempelanlageBagan.<br />

Inpawkhone ein, das im ganzen Land<br />

für seine Seidenwebereien mit Lotusstängeln<br />

bekannt ist und auch<br />

einen Besuch des Fünftagemarktes<br />

am InleSee dürfen Siesichnicht entgehen<br />

lassen. Es bietet sich auch die<br />

Gelegenheit die touristischen Teile<br />

des Inle Sees zu verlassen und in<br />

Thalae UEinblicke indas Leben der<br />

Dorfbewohner zuerhalten und gemeinsam<br />

mit ihnen die Ernte einzuholen.<br />

Diese Ursprünglichkeit und<br />

Authentizität lässt sich inMyanmar<br />

noch bewundern, wie sonst fast nirgendwo<br />

auf diesem Planeten.<br />

• Flügeab/bis Wien mit Austrian<br />

Airlinesvia Bangkok nach Yangon<br />

• InlandsflügeYangon–Mandalay,<br />

Bagan –Heho,Heho -Yangon<br />

• 12 ÜbernachtungeninHotels der<br />

guten Mittelklasse<br />

• Late Check-out am Abreisetag<br />

• täglichesFrühstück, 4Mittag- und 3<br />

Abendessen<br />

• alle Transfers in klimatisiertenBussen,<br />

Besichtigungenund Ausflügelt.<br />

Reiseverlauf u.a.Öllampen-<br />

Zeremonie bei der Shwedagon<br />

Pagode,Sandbank-Dinner in Bagan,<br />

Bootsfahrtzum Sonnenuntergang<br />

bei der U-Bein Brücke uvm.<br />

• deutschsprachigeReiseleitungwährend<br />

der gesamtenRundreise<br />

• 1DuMontReisehandbuch „Myanmar“<br />

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Deutschland, Abwickler: Cover-Direct, Tel.:+43 1969 08 40.Ansprüche sind innerhalb von8Wochen beim Abwickler geltend zu machen. Es gelten die Allgemeinen Reisebedingungen(ARB1992) desFachverbandesder Reisebüros in der letztgültigen Fassungunter Berücksichtigungdes ab<br />

Juli 2018 in Krafttretenden Pauschalreisegesetz–PRG sowie unsereunterwww.reisethek.at/datenschutzabrufbareDatenschutzerklärung. Druck-und Satzfehler vorbehalten.


Objektivität istkeine<br />

Geschmackssache.<br />

Damals, heuteund<br />

auch in Zukunft.<br />

Danke, dass wir diese Überzeugung seit 1848* teilen.<br />

PwC wünscht „Die Presse“ alles Gute zum <strong>170</strong>. Geburtstag.<br />

* Im selben Jahr entschied sich auch der englische Buchhalter Samuel Lowell Price, eine eigene Wirtschaftsprüfungskanzlei<br />

zu gründen. Damit legte er den Grundstein für die <strong>170</strong>-jährige Firmengeschichte von PwC.<br />

„PwC“ bezeichnet das PwC-Netzwerk und/oder eine oder mehrere seiner Mitgliedsfirmen. Jedes Mitglied dieses Netzwerks ist ein selbstständiges Rechtssubjekt. Weitere<br />

Informationen finden Sie unter www.pwc.com/structure.


SAMSTAG, 9. JUNI 2018 FEST 93<br />

„Junge Dame, einsam, auch ein wenig hübsch“<br />

Der Anzeigenteil. Keiner hatsie je alle gelesen, kein Historiker,kein Zeitgenosse, die tausenden Kleinannoncen im langen<br />

Leben der Zeitung. Im Anzeigenteil finden wir die vielen versteckten Geheimnisse einer Epoche:den Jahrmarkt des Lebens.<br />

VON GÜNTHER HALLER<br />

Die erste Werbeagentur<br />

Die sogenannten Annoncen-Expeditionen<br />

besorgten für ihre Kunden das Anzeigengeschäft,<br />

sie boten eine Fülle an Werbemöglichkeiten<br />

neben dem Zeitungsinserat an,<br />

Broschüren, Flugzettel, Plakate usw. Unternehmen<br />

dieser Art schlossen mit dem Zeitungsverlag<br />

einen Pachtvertragabund bekamen<br />

dafür fixe Platzreservierungen: Eine<br />

wichtige Einnahmequelle, weil die Inserate<br />

regelmäßig kamen und die Büros die administrativen<br />

Arbeiten übernahmen. Ein auffälliges<br />

Firmenzeichen der jeweiligen Anzeigen-Expedition<br />

durfte in dem reservierten<br />

Platznicht fehlen.<br />

Mit dem Erscheinen der Secessionszeitschrift<br />

„Ver Sacrum“ in den späten 1890er-<br />

<strong>Jahre</strong>n begann auch die Zeit der „Wiener<br />

Künstler-Inserate“. Kolo Moser, Josef Hoffmann<br />

und andere Jugendstilkünstler wandten<br />

sich völlig ab vom traditionellen typografischen<br />

Material und zeichneten die Ornamente<br />

und Bilder, aber auch den gesamten<br />

Inseratentext selbst. Doch auf Dauer<br />

durchgesetzt haben sich die Künstler-Inserate<br />

nicht,sie verschwanden 1910.<br />

HERZLICHENGLÜCKWUNSCH<br />

<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong><br />

„Die Presse”<br />

Was nie verschwand, sind die zahlreichen<br />

Heiratsanzeigen. Sie kommen in der<br />

Regel direkt zur Sache, Geld spielt fast immer<br />

eine Rolle. Man merkt: Auch Heiraten<br />

ist ein Markt und unterliegt Angebot und<br />

Nachfrage. Schlechte Zeiten spiegeln sich<br />

auch in den Heiratsanzeigen wider, man<br />

merkt die blanke Not hinter den Verehelichungswünschen.<br />

Liebe Leserinnen und Leser der „Presse”!<br />

Vollerblühte Weiblichkeit<br />

Der Wunsch nach Geld war also am wichtigsten.<br />

Daneben zählte vor allem die „Herzensbildung“,<br />

eine Frau konnte ausreichem<br />

Hause sein, schön, mit exzellenten Verbindungen,<br />

doch ohne Herzensbildung, also<br />

die Mischung von Bildung und Gemüt, zerrannen<br />

ihre Chancen auf dem Markt. Die<br />

Zeit, daman einen sportlichen Partner verlangte,<br />

war noch nicht angebrochen, man<br />

suchte die „vollerblühte Weiblichkeit“ inihrer<br />

ganzen fraulichen Wärme und den „charaktervollen<br />

Herren“, der durchaus schon<br />

im Herbst des Lebens stehen durfte. Da hat<br />

sich einiges in der neueren Zeit verschoben.<br />

Nicht selten sprach leichte Verzweiflungaus<br />

den Inseraten: „Junge Dame, ganz einsam,<br />

auch ein wenig hübsch, sucht behufs Ehe<br />

die ehrbare Bekanntschaft eines intelligenten<br />

Mannes.“ Ist man nur „ein wenig<br />

hübsch“, muss man mit einem nur intelligenten<br />

Mann vorliebnehmen.<br />

Ebenfalls nicht hinter dem Berg hielt jener<br />

Inserent, der sich nicht lang mit dem<br />

weiblichen Geschlecht aufhielt, sondern inserierte:<br />

„Ich suche einen Schwiegervater,<br />

der sich mit mir in Konfektion etabliert.“<br />

„Cherchez lafemme“, kann man da wohl<br />

nicht mehr sagen, mokierte sich Karl Kraus:<br />

„Der Schwiegervater ist das Rudiment einer<br />

überwundenen Entwicklung, die noch Sentimentalitäten<br />

kannte und die Frau beim<br />

Warenbestand berücksichtigte. Das ist vorbei.<br />

Ein Schwiegervater wird gesucht.“<br />

BEZAHLTE ANZEIGE<br />

1848,das Gründungsjahrder „Presse“,ist auch dasmarkante Datum in der Geschichte des freiheitlich ausgerichteten<br />

Rechtsstaates undder freiheitlichen Bewegung. Die FPÖ hat sich in ihrem Programm dem Leitsatz<br />

„Freiheit gilt uns alshöchstesGut“ verschrieben und nimmt damit als einzige politische Bewegung<br />

in Österreich direkten Bezugauf die Freiheit desIndividuums.<br />

Der Jugendstil prägte um die Jahrhundertwende<br />

auch die Gestaltung vonZeitungsinseraten. [Anno ONB ]<br />

Kleinanzeigensind der Spiegel der Welt.<br />

Ihre Zahl ist unüberschaubar, sie konzentrieren<br />

sich auf die menschliche<br />

Seite des Alltags. So ist die Inseratenlandschaft<br />

der „Presse“ und der „Neuen<br />

Freien Presse“ ein Abbild der gesellschaftlich-politischen<br />

Verhältnisse der Monarchie.<br />

Dochnatürlich finden wirhier nicht nurden<br />

Flohmarkt des mittelständischen Lebens,<br />

sondern auch einen vornehmeren Teil. Vertreter<br />

von Besitz und Bildung und damit die<br />

wohlhabendsten Teile der Bevölkerung waren<br />

die Stammleser, die Großinserenten kamen<br />

aus der Hauptstadt Wien, aber zunehmend<br />

auch aus Deutschland, Frankreich,<br />

England, Italien. Im Inseratenteil wird zudem<br />

die politische und nationale Realität<br />

der Donaumonarchie sichtbar, der Vielvölkerstaat<br />

wird sprachlich evoziert, wenn ein<br />

„deutscher Mann in Wien oder deutscher<br />

Gegend“ Stellung sucht oder ein Kassier betont,<br />

dass er„der deutschen und tschechischen<br />

Sprache mächtig ist“. Heute ungewöhnlich<br />

wirkt die regelmäßige Erwähnung<br />

des Religionsbekenntnisses: „christlich“,<br />

„katholisch“ oder „israelitisch“. Sie treten<br />

gehäuft in Köchinnen-Inseraten aufund implizieren<br />

damit die Kenntnis der Speisevorschriften<br />

der koscheren Küche. Unverständlich<br />

heute auch, warum sooft „Iglauerinnen“<br />

gesucht wurden. Aus der mährischen<br />

Stadt Iglau stammten angeblich die besten<br />

Ammen, und so stand „Iglauerin“ vor allem<br />

als Markenzeichen für eine gute Amme.<br />

Von der Gründung an bis 1918 war der<br />

Anzeigenteil der NFP dreigeteilt: Esgab die<br />

Rubrik „Theater und Vergnügungen“, dann<br />

„Geschäftsanzeigen“ und „Kleine Anzeigen“.<br />

Die suggestiven grafischen Gestaltungsmittel<br />

mit reich verzierten Initialen<br />

wurden immer mehr verfeinert, der Übertitel<br />

„Zuschriften aus dem Publicum“ verschleierte,<br />

dass essich eigentlich um Inserate<br />

handelte. Die Platzierung wurde immer<br />

raffinierter, etwa zwischen dem Auslandsressortund<br />

den lokalen Nachrichten.<br />

Mehrere Seiten füllte um die Jahrhundertwende<br />

der Anzeigenblock „Theater und<br />

Vergnügungen“. Eine Institution wie das<br />

Theater in der Josefstadt begnügte sich nicht<br />

damit, Autor und Titel eines Stücks zu präsentieren,<br />

man lieferte gleich kurze Inhaltsangaben<br />

dazu, was in den einzelnen Akten<br />

passierte. In der Blüte der Gründerzeit ab<br />

1867 war die NFP geradezu überschwemmt<br />

mit großflächigen Geschäftsanzeigen, es inserierten<br />

Bankinstitute, Eisenbahn-Gesellschaften,<br />

vereinzelt auch Warenhäuser.<br />

Eine Kleinanzeige mit nicht mehr als<br />

fünf Zeilen Inseratentext kostete 60 Kronen,<br />

meist handelte es sich um Stellenangebote<br />

und Mietangebote. Kleinvieh macht auch<br />

Mist, sagt man, für die Zeitung summierten<br />

sich die Erlöse durch die kleinen Anzeigen,<br />

an manchen Tagen umfassten sie bis zu<br />

zehn Seiten. Die Zunahme der Kleinanzeigen<br />

hingzusammen mit der Landflucht und<br />

dem Bevölkerungswachstum in den großen<br />

Städten wie Wien. Kleine Leute vom Land<br />

brauchten Wohnung und Arbeit und konnten<br />

so ihr Anliegen einem großen Publikum<br />

unterbreiten. Durch persönliche Kontakte<br />

wäre das nie in dieser Weise gelungen. 40<br />

Prozent der kleinen Anzeigen behandelten<br />

das Thema „Dienstund Arbeit“.<br />

Wir meinen damit nicht nur die „alten“Grundrechtewie Presse-,Meinungs- oder Versammlungsfreiheit<br />

und nicht bloß die erstrittene Freiheit, sich politisch betätigen zu können. Wir müssen uns heute –viel<br />

weitergehend –mit der grundsätzlichen Freiheit des Bürgers in Anbetracht der Zwängedes Staates und<br />

der Gesellschaft<br />

sowie auch mit dem Schutz<br />

vorneuenSzenarien im Hinblick auf dasWorld Wide Web<br />

und die sozialen Medien beschäftigen.<br />

Wenn Sie so wollen, dann müssen wir <strong>170</strong><strong>Jahre</strong> späterdie bürgerliche Revolution im Sinne vonmehr<br />

Fairnessund Gerechtigkeit des Staates gegenüber seinen Staatsbürgern neu denken. DieserMaximefolgend<br />

bewährt<br />

sich die FPÖ in der Bundesregierung als Garant für Bürger- undFreiheitsrechtestatt Verboten,<br />

immer neuer Vorschriften und überbordender Bürokratie.<br />

Heute setzen dieFreiheitlichen als Teil der Bundesregierung viele Projekte in diesem Sinne um:<br />

>><br />

>><br />

>><br />

>><br />

Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger<br />

mit gleichen Leistungen für<br />

gleiche Beiträge<br />

Schutz und Sicherung unserer Grenzen<br />

Stopp der illegalen Migration und des<br />

Asylmissbrauchs<br />

Konsequente Abschiebung illegaler oder<br />

straffälliger Aufhältiger<br />

Ihr<br />

Vizekanzler Heinz-Christian Strache<br />

FPÖ-Bundesparteiobmann<br />

>><br />

>><br />

>><br />

>><br />

>><br />

4.100 Planstellen für mehr Sicherheit<br />

Entlastung der Familien und der arbeitenden<br />

Bevölkerung<br />

Mindestpension in Höhe von 1.200 Euro<br />

Verpflichtender Deutschunterricht vor<br />

Schuleintritt<br />

Große Steuersenkung ab demJahr 2020<br />

Auch fürdie nächsten <strong>170</strong><strong>Jahre</strong>wünsche ich dem Verlagshaus alles<br />

Guteund viel Erfolg beiIhrer wichtigen Aufgabe!<br />

/hcstrache


94 FEST SAMSTAG, 9. JUNI 2018<br />

Nord gegen Süd. Wenige Monate nach Ausbruch des Sezessionskrieges im April1861 erschien am 25. Oktober<br />

dieses <strong>Jahre</strong>s in der „Presse“die erste Analyse über dessen Hintergründe. Der Autor war eine Berühmtheit.<br />

Der nordamerikanische Bürgerkrieg<br />

VON KARL MARX<br />

seit Monaten wiederholt die tonangebende<br />

Londoner Presse, Wochen- und<br />

Tagesblätter, dieselbe Litanei über den<br />

amerikanischen Bürgerkrieg. Während<br />

sie die freien Staaten des Nordens insultirt,<br />

wehrtsie sich ängstlich gegen den Verdacht,<br />

mit den Sklavenstaaten des Südens zu sympathisiren.<br />

Sie schreibt in der That fortwährend<br />

zwei Artikel: einen Artikel, worin sie<br />

den Norden angreift,und einen andern Artikel,<br />

worin sie ihre Angriffe auf den Norden<br />

entschuldigt. Qai s’excuse s’accuse.<br />

Die Beschönigungsgründe lauten im wesentlichen:<br />

Der Krieg zwischen Nord und<br />

Süd ist ein Tarifkrieg. Der Krieg Ist ferner<br />

principlos, berührt die Sklavenfrage nicht<br />

und dreht sich in der That um nordische<br />

Souveränetäts-Gelüste. Würde eine Scheidung<br />

vom Süden den Norden nicht von allem<br />

Zusammenhang mit der Negersklaverei<br />

erlösen und ihm mit seinen 20 Millionen<br />

Einwohnern und seinem ungeheueren Territorium<br />

eine höhere, bisher kaum geahnte<br />

Entwicklung sichern? Mußte der Norden daher<br />

die Secession nicht als ein glückliches<br />

Ereigniß begrüßen, stattsie durch einen blutigen<br />

und vergeblichen Bürgerkrieg niederherrschen<br />

zu wollen?<br />

Vor allem ist zuerinnern, daß der Krieg<br />

nicht vom Norden ausging, sondern vom<br />

Süden. Der Norden befindet sich in der Defensive.<br />

Er hatte monatelang ruhig zugesehen,<br />

wie die Secessionisten Forts, Kriegsarsenale,<br />

Schiffswerften, Zollhäuser, Kassen,<br />

Schiffe, Wasservorräthe der Union sich aneigneten,<br />

ihre Flagge insultirten, Truppentheile<br />

derselben gefangen nahmen. Die Secessionisten<br />

beschlossen endlich durch<br />

Die Meldung des Tages:<br />

<strong>170</strong> <strong>Jahre</strong> „Die Presse“<br />

Wir gratulieren recht herzlich und freuen<br />

uns auf viele weitere erfolgreiche <strong>Jahre</strong>.<br />

Vielen Dank für Ihr Vertrauen in uns!<br />

www.redmail.at<br />

einen geräuschvollen Kriegsact die Unions-<br />

Regierung aus ihrer passiven Haltung herauszuzwingen,<br />

und schritten nur aus diesem<br />

Grunde zum Bombardement des Fort<br />

Sumter bei Charleston.<br />

Am 11. April(1861) hatteihr General Beauregard<br />

in einer Zusammenkunft mit Major<br />

Anderson, dem Commandanten des Fort<br />

Sumter,erfahren, daß das Fort, nurnoch für<br />

drei Tage mit Lebensmitteln versehen sei,<br />

und daher nach dieserFrist friedlich übergeben<br />

werden müsse. Umdieser friedlichen<br />

Übergabe zuvorzukommen, eröffneten die<br />

Secessionisten früh am andern Morgen (12.<br />

April) das Bombardement, das den Platz in<br />

wenigenStunden zum Fall brachte.<br />

Kaum war diese Nachricht nach Montgomery,<br />

dem Sitz des Secessions-Congresses,<br />

telegraphirt worden, als Kriegsminister<br />

Walter öffentlich im Namen der neuen Conföderation<br />

erklärte: „Kein Mensch kann sagen,<br />

wo der heute eröffnete Krieg enden<br />

wird.“ Zugleich prophezeite er, „daß die<br />

Flagge der südlichen Conföderation noch<br />

vor dem ersten Mai vom Dome des alten Capitols<br />

zu Washington herabwehen werde.<br />

Jetzt erst erfolgte die Proclamation, worin<br />

Präsident Lincoln 75.000 Mann zum Schutz<br />

der Union berief.<br />

Das Bombardement des Fort Sumter<br />

schnittden einzig möglichen konstitutionellen<br />

Ausweg ab, nämlich eine Berufung an<br />

eine allgemeine Convention des amerikanischen<br />

Volks, wie sie Lincoln in seiner Inaugural-Adresse<br />

vorgeschlagen hatte. Für Lincoln<br />

blieb nur noch die Wahl, von Washington<br />

zu fliehen, Maryland und Delaware zu<br />

räumen, Kentucky, Missouri und Birginien<br />

preiszugeben, oder auf den Krieg mit Krieg<br />

zu antworten.<br />

Wiedas Bombardementdes FortSumter<br />

das Signal zur Eröffnung des Krieges gab,<br />

hatte der Wahlsieg der republikanischen<br />

Partei des Nordens, die Wahl Lincoln’s zum<br />

Präsidenten, das Signal zur Secession gegeben.<br />

Am 6. November 1860 ward Lincoln gewählt.<br />

Am 8. November 1860 telegraphirte<br />

man von Süd-Carolina: „Die Secession wird<br />

hier als eine abgemachte Sachebetrachtet“.<br />

Demokratisches Lager gespalten<br />

Am 10. November beschäftigte sich die Legislaturvon<br />

Georgien mit Secessionsplänen,<br />

und am 13. November ward eine Special-Sitzung<br />

der Legislatur von Mississippi anberaumt,<br />

umdie Secession in Betracht zu ziehen.<br />

Aber Lincoln’s Wahl war selbst nur das<br />

Resultat einer Spaltung im demokratischen<br />

Heerlager. Während des Wahlkampfs vereinigte<br />

die Demokratie des Nordensihre Stimmen<br />

auf Douglas, die Demokratie des Südens<br />

ihre Stimmen auf Breckinridge, und<br />

dieser Zersplitterung der demokratischen<br />

Stimmen verdankte die republikanische Partei<br />

den Sieg. Woher auf der einen Seite das<br />

Übergewicht der republikanischen Partei im<br />

Norden? Woher auf der andern Seite der<br />

Zwiespalt innerhalb der demokratischen<br />

Partei, deren Glieder, Nord und Süd, seit<br />

mehr als einemhalben Jahrhundertgemeinschaftlichoperirthatten?<br />

Die republikanische Partei stellte ihr erstes<br />

Programm zur Präsidentenwahl 1856<br />

auf. Obgleich ihr Candidat, John Fremont,<br />

nicht siegte, bewies die ungeheure Stimmenzahl,<br />

die ihm zufiel, das rasche Wachsthum<br />

der Partei, besonders imNordwesten.<br />

In ihrer zweiten nationalen Convention zur<br />

Präsidentenwahl (17. Mai 1860) wiederholten<br />

die Republikaner ihr Programm von<br />

1856, nurumeinige Zusätzebereichert. Sein<br />

Hauptinhalt war dieser: Kein Fußbreit neuen<br />

Territoriums wird der Sklaverei ferner<br />

eingeräumt. Die Flibustier-Politik nach Außen<br />

muß aufhören. Die Wiedereröffnung<br />

des Sklavenhandels wird gebrandmarkt.<br />

Endlich sind Freesoil-Gesetze zur Förderung<br />

der freien Colonisation zu erlassen.<br />

Der entscheidend wichtige Punkt indiesem<br />

Programm war, daß der Sklaverei kein Fußbreit<br />

neues Terrain eingeräumt,sie vielmehr<br />

ein- für allemal in die Grenzen der Staaten<br />

gebannt bleiben sollte, wosie be-<br />

Korrespondenteneinstand.<br />

Gegen die Bedenkenvon<br />

Herausgeber AugustZang<br />

engagierte Chefredakteur<br />

Max Friedländer den in<br />

London lebenden Karl Marx<br />

als Mitarbeiter.Als Verfasser<br />

des„Kommunistischen Manifests“war<br />

Marxbereitseine<br />

Berühmtheit.Zwischen<br />

Oktober 1861 und Dezember<br />

1862 druckte das Blatt 52<br />

Beiträgevon Marx(drei<br />

davonmit Friedrich Engels<br />

als Koautor). Die Textewaren<br />

nie namentlich gezeichnet.


Immobilien<br />

Neu gegossen, zog die 1945 zerstörte Pummerin am 26. April 1952 wieder in den Stephansdom<br />

ein. Ihre Reise von Linz nach Wien zog Tausende Schaulustige an, das ersteLäuten war<br />

ein Ereignis. Weit privater als der staatstragende Einzug der „Königin von Österreich“ in ihr<br />

Haus waren stets die Übersiedlungen der Menschen, vom mühsamen Handwagen-Transportbis<br />

zum Relocation-Service heutiger Tage (I 2). Bauen und Wohnen aber warund istimmer<br />

beides: ganz privat und doch öffentlich, untrennbar verbunden mit gesellschaftlichen und politischen Idealen (I 4). Wie soll der<br />

Mensch sein? Wiewohnen und arbeiten (I 6)? In <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n wurde enorm viel ausprobiert, erfunden, erlitten und erlebt. Washeute steht,<br />

zeigt einen Querschnittdessen, waswar. Immobilien sind unverrückbare Bauten? Ja,aber auch sich immer wandelnder Lebensraum.<br />

ORIGINALTEXT<br />

Das Haus gegenüber<br />

der Hofburg<br />

Am 6. Dezember 1910verteidigt<br />

der Architektund AutorAdolf Loos<br />

sein Haus am Michaelerplatz, das<br />

ganz Wien verstört. S. I5<br />

Wir leben<br />

Zusammenarbeit<br />

EHL gratuliert der Presse<br />

zu <strong>170</strong><strong>Jahre</strong>n<br />

Qualitätsjournalismus<br />

und freut sich auf<br />

viele weitere <strong>Jahre</strong><br />

guter Zusammenarbeit!<br />

Wirleben<br />

Immobilien.


SAMSTAG/SONNTAG, 9./10. JUNI 2018 IMMOBILIEN I5<br />

Architektur-Disput. Nicht ganz so schnörkellos wie seine Bauten zeigte sich Architekt Adolf Loos im Umgang<br />

mit Kritikern. Er verteidigte sein Haus am Michaelerplatz in der Neuen Freie Presse am 6. Dezember 1910.<br />

DasHausgegenüber der Hofburg<br />

VON ADOLF LOOS<br />

Vom Erbauer des Hauses am Michaelerplatz,<br />

dem Architekten Adolf Loos, erhalten<br />

wir eine Zuschrift, inder sich<br />

der Einsender mit Rücksicht auf unser<br />

Feuilleton vom letzten Sonntag, im dem gegen<br />

die Verunglimpfungen des Wiener<br />

Stadtbildes Protest erhoben wird, in nachstehender<br />

Weiseverteidigt:<br />

„Jedes Wort, das zum Preise unserer<br />

alten Stadt, zur Rettung unseres verlorengehenden<br />

Stadtbildes zu lesen war, fand<br />

sicher bei mir stärkeren Widerhall als bei<br />

manchen andern. Daß aber ich, gerade<br />

ich mich eines Verbrechens an diesem alten<br />

Stadtbild schuldig gemacht haben sollte,<br />

dieser Vorwurf trifft mich härter als<br />

Das1909–11 von<br />

Adolf Loos erbaute<br />

Geschäftshaus am<br />

Michaelerplatz3,auf<br />

dem Bild schon mit den<br />

Blumenkästen,die das<br />

einzigeOrnamentale<br />

im oberen Bereich<br />

bleiben sollten. Es<br />

wurde 1947unter<br />

Denkmalschutzgestellt.<br />

[ÖNB-Bildarchiv /picturedesk.com]<br />

Palais Lobkowitz wurden diese Steine wieder<br />

zu neuem Leben erweckt. Mir war es<br />

darum zu tun, Geschäftshaus und Wohnhaus<br />

streng zu trennen, und war bisher<br />

immer in dem Wahn befangen, dieses im<br />

Sinne unserer alten Wiener Meister gelöst<br />

zu haben, in welchem Wahne ich noch<br />

durch den Ausspruch eines modernen<br />

Künstlers bestärkt wurde: Das will ein moderner<br />

Architekt sein und baut ein Haus<br />

wie die alten Wiener Häuser.<br />

Und dieser moderne Künstler steht dem<br />

in dem Feuilleton zitierten Meister sehr<br />

nahe, während ich sehr, sehr weit von ihm<br />

entfernt bin. Und nun das Wichtigste: Das<br />

Haus erhält im nächsten Sommer eine sogenannte<br />

Fassade,soschön und reich, wiealle<br />

Wiener Häuser, die im letzten Dezennien in<br />

der Inneren Stadt gebaut wurden, die allerdings<br />

nicht von dem Ihnen für die Aufnahme<br />

dieser Zeilen sehr verbundenen Adolf<br />

Loos ist.“<br />

ADOLF<br />

LOOS<br />

GLÜCKLICH<br />

WOHNEN<br />

mancher glauben würde. Hatte ich doch<br />

das Haus so entworfen, daß es sich möglichst<br />

inden Platz einfügen sollte. Der Stil<br />

der Kirche, welche das Pendant zudiesem<br />

Bau bildet, war für mich richtunggebend.<br />

Und nicht um Licht und Luft abzuwehren,<br />

wählte ich diese Fensterform, sondern —<br />

eine berechtigte Forderung unserer Zeit —<br />

um beides zu vermehren. Die Fenster sind<br />

eben nicht zweiflügelig, sondern dreiflügelig,<br />

und gehen vom Fensterbrett bis zur<br />

Decke.<br />

Und echten Marmor wählte ich, weil<br />

mir jede Imitation zuwider ist, und den<br />

Putzbau hielt ich so einfach wie möglich,<br />

weil die Wiener Bürger auch einfach bauten.<br />

Nur der Feudalherr hatte aus seinem<br />

Palast starke Architekturglieder, die aber<br />

nicht in Zementguß, sondern in Stein ausgeführt<br />

wurden und die jetzt unter der Farbe<br />

schlummern. Beim Palais Kinsky und<br />

Das„Looshaus“am<br />

Michaelerplatz sorgte anno<br />

1910für Verstörung:<br />

DerArchitekthatte für das<br />

Bekleidungsunternehmen<br />

Goldman &Salatschein<br />

ornamentfreiesGebäude<br />

direktgegenüber der Hofburg<br />

geschaffen. Angeblich<br />

weigerte sich Kaiser Franz<br />

Joseph, dem „Haus ohne<br />

Augenbrauen“jewieder<br />

einen Blick aus den Fenstern<br />

seiner Residenz zuzuwerfen.<br />

Bekannt wurdeAdolf Loos<br />

auch für seine Inneneinrichtungen<br />

(etwadem<br />

Knize&Comp.amWiener<br />

Graben) und als Autor. Er<br />

schrieb mehrereBücher wie<br />

„Ornament und Verbrechen“<br />

und, 1898,eine Artikelserie<br />

für die „Neue Freie Presse“,<br />

in der er zu vielen<br />

GeschmacksfragenStellung<br />

bezog.<br />

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GRATULIERT<br />

der Tageszeitung DIE PRESSE ganz<br />

herzlich zu <strong>170</strong> <strong>Jahre</strong>n Qualitätsjournalismus<br />

und wünscht alles Gute<br />

für viele weitere <strong>Jahre</strong> exzellenter<br />

Berichterstattung.<br />

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I12 IMMOBILIEN SAMSTAG/SONNTAG, 9./10. JUNI 2018 DiePresse.com/Immobilien<br />

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SAMSTAG/SONNTAG, 9./10. JUNI 2018 IMMOBILIEN I17<br />

Der Lift,fast ein denkendes Wesen<br />

Aufzüge. Neue Technologien machen Lifte immer intelligenter. Sie erhöhen Sicherheit und<br />

Komfortund erleichtern die Wartung.<br />

VON URSULARISCHANEK<br />

Die Zeiten, in denenein Aufzug<br />

einfach nur Passagiere<br />

in die verschiedenen<br />

Stockwerke beförderte,sindvorbei.<br />

„Aufzüge werden immer intelligenter“,sagtGünter<br />

Baca,Direktor<br />

Marketing & Unternehmenskommunikation<br />

bei Kone. So können<br />

durch mobile Technologien und<br />

Cloud-Lösungen Automatiktüren,<br />

Aufzüge, Informationskanäle und<br />

Gegensprechanlagen mittels einer<br />

Smartphone-Applikation miteinander<br />

verbunden werden.<br />

„Wennman sich dem Gebäude<br />

nähert, öffnet sich die Türautomatisch.<br />

Und genau so automatisch<br />

wird der Lift gerufen, der einen<br />

dann in das Stockwerk bringt, in<br />

dem man wohnt“, beschreibt es<br />

Baca. Ist die Gegensprechanlage<br />

ebenfalls vernetzt, können die Bewohner,selbstwenn<br />

sie noch nicht<br />

daheim sind, Besuchern per App<br />

den Zutritt ermöglichen. „Aber das<br />

istnoch nicht Stateofthe Art“, sagt<br />

Christian Braun, geschäftsführender<br />

Gesellschafter derIFS –Immobilien<br />

Facility Services.<br />

Lift als schwarzes Brett<br />

Darüber hinaus wird der Aufzug<br />

zum schwarzen Brett: Informationen,<br />

etwa der Termin für eine<br />

Hausversammlung, können auf<br />

Infobildschirme eingespielt werden.<br />

„Kommunikation via Aufzug<br />

ist überall von Nutzen, wo es auf<br />

schnellste Informationen ankommt“,<br />

sagtRoman Teichert, Geschäftsführer<br />

von Otis. So könnten<br />

Kaum Knöpfe,mehr Effizienz: WelcherLift wohin fährt,steht am Display. [fotolia/DragonImages]<br />

etwa Hotels ihre Gäste im Lift über<br />

besondere Angebote informieren.<br />

Die Aufzüge kommunizieren<br />

aber auch mit der Hausverwaltung<br />

undden Servicetechnikern.Letzteres<br />

ist vor allem für die Wartung<br />

von Nutzen. So werden bei jeder<br />

Anlage von Kone mehr als 200 Parameter<br />

im Sekundentaktabgefragt<br />

und in einer Cloud gespeichert.<br />

„Merkt man bei der Auswertung<br />

derDaten, dassinmanchen Stockwerken<br />

die Türen öfter auf- und<br />

zugehen alsinanderen, weiß man,<br />

dass diese früher geölt werden<br />

müssen“, erklärt Baca. Darüber hinaus<br />

könne manrechtzeitigerkennen,<br />

ob sich Probleme aufbauen,<br />

und eine Wartung vornehmen, bevor<br />

es zu einer Störung kommt.<br />

„Und dafür gleichdie notwendigen<br />

Ersatzteile mitnehmen“, sagt Baca.<br />

Durch ständig lernende künstliche<br />

Intelligenz werde die Ausfallhäufigkeit<br />

deutlich reduziert. „In großen<br />

Bürogebäuden ist der längere<br />

Ausfalleines Liftsfür den Betreiber<br />

eine Katastrophe, weil das immer<br />

eine Mietzinsminderung bedeutet“,<br />

sagt Braun. Weshalb essich<br />

rechnen würde, Aufzüge mit der<br />

Cloud nachzurüsten.<br />

Aufzüge werden nachhaltig<br />

Aber auch in Sachen Nachhaltigkeit<br />

entwickelt sich die Lifttechnik<br />

weiter: Soist seit zwei <strong>Jahre</strong>n in<br />

Wien-Hernals der erstezu100 Prozent<br />

energieautarke Aufzug Österreichs<br />

in Betrieb. Solarpaneele versorgen<br />

den Lift im Innenhof des<br />

Gebäudes mit selbst erzeugtem<br />

Strom. Dieser wird in einer Batterie<br />

zwischengespeichert und bei<br />

Bedarf zuVerfügung gestellt. „Das<br />

Antriebssystem ist soausgerichtet,<br />

dass der Aufzug selbst bei einem<br />

Netzausfall Energie für bis zu 100<br />

Aufzugsfahrten zur Verfügung<br />

hat“, erklärt Otis-Chef Teichert.<br />

Die Aufzüge des 178 Meter hohen<br />

Gebäudes des Schweizer Pharmaherstellers<br />

Roche in Basel wiederum<br />

produzieren beim Bremsen<br />

Strom, der in das Netz des Gebäudes<br />

eingespeistwird.<br />

ThyssenKrupp hat essich gar<br />

zum Ziel gesetzt, jene Grenzen zu<br />

überwinden, an die die herkömmliche<br />

Aufzugstechnik in extrem hohen<br />

Wolkenkratzern stößt. Dort<br />

wäre das Eigengewicht des Stahlseils<br />

so groß, dassesvon selbstreißen<br />

würde. Geht es nach Thyssen-<br />

Krupp, sollen Lifte in diesen Gebäuden<br />

durch einen Magnetantrieb<br />

indie Höhe gezogen werden.<br />

Dann müssten die Passagiere nicht<br />

mehr umsteigen, und man könnte<br />

Platz und Energie sparen. Die Aufzüge<br />

könnten dann theoretisch<br />

auch nach rechts und linksfahren.<br />

Systeme,die Kabinen sowohl vertikal<br />

als auch horizontal befördern,<br />

sind Baca zufolge allerdings konstruktiv<br />

aufwendigerund teurer.<br />

AUFEINEN BLICK<br />

Mehr Effizienz. Neue Technologien<br />

können den Hausbewohnern zu mehr<br />

Bequemlichkeit verhelfen –etwadurch<br />

eine Verbindung mit dem Smartphone<br />

via App.Und ein Bildschirm im Lift kann<br />

zum Informationsträger werden. Durch<br />

Datenauswertung lässt sich zudem die<br />

Wartung verbessern. Im besten Fall<br />

können Störungen, die sich anbahnen,<br />

erkannt und verhindert werden.<br />

NACHRICHTEN<br />

Neudoerfler erzielte<br />

Rekordumsatz<br />

Der Büromöbelhersteller Neudoerfler<br />

steigerte im Geschäftsjahr<br />

2017 seinen Umsatz auf<br />

49 Mio. Euro bzw. 12,4 Prozent<br />

gegenüber dem Vorjahr. Auch<br />

über Prämierungen freut sich<br />

das Unternehmen: Die Projekte<br />

„Post am Rochus“und „ÖAMTC<br />

Mobilitätszentrum“ –woNeudoerfler<br />

laut eigener Angabedie<br />

größten Lose für sich entschied<br />

–errangen beim CBRE „Office<br />

of the Year Award 2017“ den<br />

ersten und zweiten Platz inder<br />

KategorieGroßunternehmen.<br />

Architekturreise<br />

nach Schottland<br />

„Architecture, Whisky and<br />

More“ist dasMotto einer Architekturreise<br />

der Überbau Akademie<br />

nach Schottland. Vom 27.<br />

bis 30. September geht esnach<br />

Edinburgh, Dundee, Craigellachie<br />

–wodie Whiskydestillerie<br />

Macallan mit Rogers Stirk Harbour<br />

+Partners Architekten ein<br />

mehr als 100 Millionen Euro<br />

teures Neubauprojekt umgesetzt<br />

hat–und Aberdeen.<br />

Web: wissen.ueberbau.at/akademie<br />

IMPRESSUM: IMMOBILIEN<br />

Redaktion: Daniela Mathis,Christine Kary,<br />

Tanja Rudolf<br />

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Damit kennen wir uns aus:<br />

So viel Qualität wie in der Presse<br />

bekommt man sonst nicht auf 0,135 m 2 .<br />

DasImmobilienMagazin gratuliert zum<strong>170</strong>-jährigen Bestehen.<br />

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