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Versicherungsbote 1-2018

- Die Apps der Maklerpools - Betongold - Bausparen - Automatisierte Bedarfserkennung

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Ausgabe 01/<strong>2018</strong><br />

Special<br />

Die Apps der Maklerpools<br />

Sparten<br />

Betongold - Bausparen<br />

Netzwelten<br />

Automatisierte Bedarfserkennung


Unsere rückmeldUng?<br />

DAUert.<br />

Gerade mal bis morgen. Obwohl Ihr<br />

BU-Antrag heute erst eingegangen ist.<br />

Mehr unter www.allianz-fuer-makler.de/bu


Editorial<br />

Werte Leserinnen und Leser,<br />

es ist geschafft! Deutschland hat eine handlungsfähige<br />

Regierung. Das ist wichtig, denn auch in der Versicherungswirtschaft<br />

stehen Aufgaben an, die kluge politische Rahmenbedingungen<br />

erfordern. Dass es erneut eine Koalition aus<br />

Union und SPD sein wird, war beim Erscheinen des letzten<br />

Heftes nicht abzusehen. Stolze 171 Tage dauerte es von der<br />

Bundestagswahl bis zur Regierungserklärung der neuen und<br />

alten Bundeskanzlerin Angela Merkel: ein neuer Rekord bei<br />

der Regierungsbildung!<br />

Eines der Themen, dem sich die Regierung wird widmen<br />

müssen, ist die Sicherung der Rente und der Kampf gegen<br />

Altersarmut. Darüber haben wir mit dem Volkswirtschaftler<br />

Bernd Raffelhüschen gesprochen, der zugleich im Aufsichtsrat<br />

der Ergo sitzt. Aus einer wirtschaftsliberalen Perspektive<br />

heraus äußert Raffelhüschen Zweifel, ob schwarzrot hier die richtigen Weichen gestellt<br />

hat - Vorhaben wie die Grundrente und der Ausbau der Mütterrente werden zunächst<br />

Mehrkosten erzeugen.<br />

Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit betrifft nicht allein die gesetzliche Rente. Auch<br />

die privaten Versicherer geraten durch den Niedrigzins unter Druck - und müssen ihre<br />

Altersvorsorgeprodukte neu aufstellen. Frank Nobis vom Institut für Vorsorge und Finanzplanung<br />

(IVFP) argumentiert in seinem Gastbeitrag, dass Finanzanlagenvermittlern und<br />

Beratern die Aufgabe zukommt, ihren Kunden die Angst vor Fondslösungen und Aktien zu<br />

nehmen. Nur so lasse sich aktuell der Wertverfall durch Inflation ausgleichen. Bianca Boss<br />

vom Bund der Versicherten (BDV) äußert sich hingegen skeptisch, ob Vorsorgeprodukte<br />

wie die kapitalbildende Lebensversicherung künftig noch die Altersvorsorge bereichern<br />

können. Auch sie beobachtet, dass die Verbraucher verunsichert sind.<br />

Ein weiteres Zukunftsthema: die Digitalisierung. Hierbei könnte man spöttisch einwenden:<br />

die Strukturen, mit denen die Bundesregierung eine digitale Agenda anschieben will, sind<br />

ähnlich komplex wie das Versicherungsvertragsgesetz. Nicht nur gibt es jetzt mit CSU-Politikerin<br />

Dorothee Bär eine Staatsministerin für Digitales. Darüber hinaus teilen sich stolze<br />

fünf Ministerien die Zuständigkeiten, um, Zitat, „Visionen der Digitalisierung aufzuzeigen“<br />

- zum Beispiel Flugtaxis.<br />

Wir aber bleiben auf dem Boden und haben mit Alexander Grimm, COO des digitalen<br />

Versicherers Getsafe, darüber gesprochen, wie Insurtechs das Schadenmanagement<br />

neu definieren könnten. Und ob Vertrieb und Innendienst bald durch Maschinen ersetzt<br />

werden, denn auch der Arbeitsmarkt steht durch den digitalen Wandel vor Umbrüchen.<br />

Doch digital dringt bis in unsere Privatsphäre hinein und ändert die Art, wie wir wohnen:<br />

Stichwort Alexa, Siri und Co. Martin Schmidt-Schön, Digitalexperte der Generali, erklärt<br />

uns, was intelligente Haushaltstechnik unter dem Stichwort „Smart Home“ für die Versicherer<br />

bedeuten kann.<br />

Weil die Versicherungswirtschaft bald ein Fachkräfteproblem haben könnte - das Durchschnittsalter<br />

der Vermittler liegt bei knapp 50 Jahren - haben wir bei Hans Steup nachgefragt,<br />

wo und wie man diese Nachwuchskräfte findet. Er betreibt einen digitalen Stellenmarkt,<br />

der ganz auf die Versicherungsbranche spezialisiert ist.<br />

Wir hoffen, dass auch die anderen Beiträge eine breite Vielfalt an Meinungen und Themen<br />

widerspiegeln und Sie diese mit Gewinn lesen!<br />

Ihr<br />

Björn Bergfeld<br />

Chefredakteur <strong>Versicherungsbote</strong>


22<br />

Digitalisierung: Superchance für<br />

den Vertrieb<br />

6<br />

Warum wir eine private Krankenvollversicherung<br />

brauchen<br />

16<br />

„In den Vorstandsetagen sollten die<br />

Alarmsirenen jetzt im Dauerbetrieb<br />

sein“<br />

28<br />

Stellenmarkt: Hans Steup<br />

Markt<br />

Netzwelt<br />

Karriere<br />

6 Bernd Raffelhüschen:<br />

„Wir haben bereits eine<br />

Grundrente!“<br />

16 „In den Vorstandsetagen<br />

sollten die Alarmsirenen jetzt im<br />

Dauerbetrieb sein.“<br />

24 Online-Präsenz als<br />

Versicherungsmakler – das<br />

Maklerbüro der Zukunft<br />

10 „Die Lebensversicherer<br />

können ihre Kosten nicht auf<br />

den Kunden abwälzen!“<br />

14 Todesfallrisiko<br />

Beratungs- und<br />

Vertriebspotenzial der<br />

Risikolebensversicherung<br />

häufig noch ungenutzt<br />

20 Automatisierte<br />

Bedarfserkennung für<br />

Versicherungen<br />

22 Digitalisierung: Superchance<br />

für den Vertrieb<br />

26 Stellenmarkt: „Viele<br />

Arbeitgeber benehmen sich<br />

wie ein Mann, der auf der<br />

Straße wildfremde Frauen fragt,<br />

ob sie ihn heiraten wollen“<br />

28 „Wer selbst ausbildet, hat<br />

viele Vorteile!“<br />

Impressum<br />

<strong>Versicherungsbote</strong> Verlag UG<br />

(haftungsbeschränkt)<br />

Reclamstraße 42<br />

04315 Leipzig<br />

FN: 0341 / 24 330 450<br />

Fax: 0341 / 39 28 43 09<br />

www.versicherungsbote.de<br />

redaktion@versicherungsbote.de<br />

Vertretungsberechtigter Geschäftsführer:<br />

Björn Bergfeld<br />

Registergericht: Amtsgericht Leipzig<br />

Registernummer: HRB 26728<br />

Steuernummer: 231 /121 / 11727<br />

Inhaltlich Verantwortlicher gemäß<br />

§ 55 Abs. 2 RStV:<br />

Björn Bergfeld (Anschrift wie oben)<br />

<strong>Versicherungsbote</strong> Magazin 01-<strong>2018</strong><br />

Auflage: 6.000 Stück<br />

ET: 23.04.<strong>2018</strong><br />

Redaktionsschluss 12.03.<strong>2018</strong><br />

Direktvertrieb über <strong>Versicherungsbote</strong><br />

Redaktion: Björn Bergfeld (Chefredakteur),<br />

Mirko Wenig, Jenny Müller<br />

Layout und Satz:<br />

Jenny Müller<br />

Bildnachweis Titel:<br />

© pixelfit /istockphoto.com<br />

Druck: Merkur Druck- & Kopierzentrum<br />

GmbH & Co. KG Leipzig<br />

Salomonstr. 20 · 04135 Leipzig<br />

www.merkurdruck.de


Inhalt<br />

42<br />

„Kunden sind nicht mehr<br />

bereit, drei Wochen auf die<br />

Bearbeitung eines 250-Euro-<br />

Schadens zu warten!“<br />

50<br />

Dauercamping: „Eine<br />

Außenversicherung würde nur<br />

zeitlich begrenzt Schutz bieten“<br />

60<br />

Altersvorsorge im Fondsmantel<br />

– alternativlos, wenn Rendite<br />

gewünscht.<br />

Maklerpool-Apps<br />

Sparten<br />

Vertrieb<br />

30 Special: Die Apps der<br />

Maklerpools<br />

Praxis<br />

47 Die Digitalisierung aktiv<br />

gestalten, um die eigenen vier<br />

Wände sicherer zu machen!<br />

49 Tierversicherungen – ein<br />

Thema mit Biss und Perspektive<br />

60 Altersvorsorge im<br />

Fondsmantel – alternativlos,<br />

wenn Rendite<br />

gewünscht.<br />

62 „Die nächsten Jahren<br />

werden meines Erachtens<br />

golden werden für die<br />

Bausparkassen“<br />

38 Der Selbstbehalt in<br />

der Vermögensschaden-<br />

Haftpflichtversicherung<br />

50 Dauercamping: „Eine<br />

Außenversicherung würde nur<br />

zeitlich begrenzt Schutz bieten“<br />

64 IDD – aktueller<br />

Umsetzungsstand<br />

40 Decision Excellence –<br />

Digitalisierung der<br />

Schadenprozesse unter Einsatz<br />

von Advanced Analytics und KI<br />

42 „Kunden sind nicht mehr<br />

bereit, drei Wochen auf die<br />

Bearbeitung eines 250-Euro-<br />

Schadens zu warten!“<br />

45 Wissen, wohin die (Kunden)<br />

reise geht<br />

52 „Das Image des spießigen<br />

Bausparers ist längst<br />

Geschichte!“<br />

56 Smarte<br />

Versicherungslösungen<br />

stellen den Kunden in den<br />

Mittelpunkt<br />

57 Betongold – weiterhin eine<br />

gute Kapitalanlage<br />

66 „Ohne Bausparen<br />

öffnen Sie die Tür<br />

für andere Vermittler!“


Bernd Raffelhüschen: „Wir haben<br />

bereits eine Grundrente!“<br />

Mit der Neuauflage der Großen Koalition wird eine Grundrente eingeführt, darauf haben sich Union<br />

und SPD geeinigt. Wer 35 Jahre in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt hat, soll demnach eine Rente<br />

erhalten, die mindestens zehn Prozent über dem regionalen Grundsicherungsbedarf liegt. Der <strong>Versicherungsbote</strong><br />

hat sich mit dem Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen über dieses Vorhaben<br />

unterhalten – er warnt vor neuen Ungerechtigkeiten zu Lasten der jüngeren Generationen.<br />

Bernd Raffelhüschen<br />

ist Professor für Finanzwissenschaft<br />

und Direktor des Forschungszentrums<br />

Generationenverträge an der<br />

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.<br />

Darüber hinaus unterrichtet er an<br />

der Universität Bergen in Norwegen.<br />

Er ist unter anderem auch im<br />

Aufsichtsrat der Ergo Gruppe, der<br />

Volksbank Freiburg und machte sich<br />

als Politikberater einen Namen.


Markt<br />

Im Koalitionsvertrag haben sich Union<br />

und SPD darauf geeinigt, eine Grundrente<br />

einzuführen. Sie haben die Renten-Pläne<br />

im Interview mit „Bild am<br />

Sonntag“ als „Sündenfall in der Rentenpolitik“<br />

bezeichnet. Was ist schlecht<br />

daran, wenn Menschen, die lange in<br />

die Rentenkasse einzahlen, eine höhere<br />

Rente erhalten?<br />

Der Sündenfall hätte noch größer<br />

kommen können. Aber auch so sind<br />

die Vorhaben der Koalitionäre eine<br />

heikle Sache, weil man zu Lasten<br />

zukünftiger Generationen gegenwärtig<br />

lebende Alte mit Wahlkampfgeschenken<br />

beglückt, die man besser nicht<br />

hätte versprechen sollen.<br />

Sie warnen unter anderem vor den<br />

hohen Kosten der Grundrente. Wer nach<br />

35 Beitragsjahren in Rente gehe, lebe<br />

im Schnitt noch 30 Jahre – ab 2025 sei<br />

das System kaum noch finanzierbar.<br />

Ansonsten würden Sie die Idee der<br />

Grundrente aber begrüßen?<br />

Das Versprechen einer Grundrente ist<br />

ja schon deshalb Blödsinn, weil wir<br />

bereits die Grundsicherung im Alter<br />

nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch<br />

haben. Eine Grundrente brauchen wir<br />

deshalb nicht einzuführen, denn wir<br />

haben sie bereits. Die Grundsicherung<br />

ist die Grundrente!<br />

Wenn man allerdings die Grundsicherung<br />

im Alter anhebt auf einen<br />

Wert oberhalb des Sozialhilfeniveaus<br />

und sagt: Alte Arme sollen es besser<br />

haben als junge Arme, dann bedeutet<br />

dies, dass unser letztes Sicherungsnetz<br />

nicht für alle gleich ist. Sondern<br />

dass bestimmte Gruppen, nämlich die<br />

Alten, besser gestellt werden als die<br />

Jungen. Das ist ein Sündenfall sondergleichen,<br />

weil die Grundsicherung ja<br />

bereits das letzte Netz darstellt. Und<br />

in der Grundsicherung sind alle gleich,<br />

Männer wie Frauen, Junge wie Alte,<br />

West- wie Ostdeutsche und Inländer<br />

wie Ausländer. Das ist ja das Wesen<br />

des letzten Netzes: dass es keine Unterschiede<br />

mehr geben soll.<br />

Die gesetzliche Rente muss sich auch<br />

legitimieren für nachfolgende Generationen.<br />

Wenn ich auf meinen Rentenbescheid<br />

schaue, was ich einmal an Rente<br />

zu erwarten habe, wird mir angst und<br />

bang. Da kann ich doch auch fragen:<br />

Warum zahle ich überhaupt ein, wenn<br />

ich später ohnehin nur eine Rente auf<br />

Grundsicherungsniveau zu erwarten<br />

habe? Das droht ja selbst Menschen<br />

mit mittleren Einkommen.<br />

Die Frage ist leicht beantwortet: Sie<br />

zahlen deshalb ein, weil Sie müssen.<br />

Und wenn Sie es nicht müssten, würden<br />

Sie sich das vielleicht anders überlegen.<br />

Aber das ist ein ganz anderes<br />

Kapitel. Wir haben das Umlageverfahren.<br />

Und das ist eigentlich auch gar<br />

nicht schlecht, wenn man es denn in<br />

Ruhe ließe. Tatsache aber ist, dass Politiker<br />

immer ihre Geschenke verteilen,<br />

aber die Steuern und Beiträge hierfür<br />

auch nicht erhöhen wollen. Deshalb<br />

schaffen sie sich Hintertürchen, und<br />

damit steigen auf längere Frist dann<br />

doch die Beiträge oder Steuern.<br />

Wie positionieren Sie sich zu der Idee,<br />

dass man einen Kapitalstock bei der<br />

gesetzlichen Rente aufbauen könnte,<br />

etwa mit dem Aufbau eines Staatsfonds?<br />

Mit dem Konzept der Deutschland-Rente<br />

wird ein solches Modell für<br />

Deutschland diskutiert. Befürworter<br />

betonen die niedrigen Verwaltungsund<br />

Vertriebskosten. Wäre das aus Ihrer<br />

Sicht eine wünschenswerte Lösung?<br />

Einen staatlichen Kapitalstock anzusparen,<br />

das haben wir ja schon mehrfach<br />

gemacht in Deutschland, das<br />

letzte Mal für die Rückstellungen der<br />

alten Postbeamten. Und wir mussten<br />

immer die Erfahrung machen, dass<br />

die Politiker auf Kapital alles andere<br />

als gut aufpassen: Sie geben das Kapital<br />

auch gern wieder aus und zwar<br />

für andere als die gedachten Zwecke.<br />

Um es auf den Punkt zu bringen: Ein<br />

Kapitalstock in Staatshand ist so ähnlich,<br />

als würde man einem Hund zwei<br />

Knochen hinschmeißen und sagen:<br />

Pass auf, einer ist für morgen!<br />

Oft wird Norwegen mit seinem Staatsfonds<br />

als Vorbild genannt, wo das ja<br />

anscheinend doch ganz gut funktioniert.<br />

Der Fonds hat 865 Milliarden<br />

Euro angespart.<br />

Das Beispiel Norwegen wird gern<br />

von Leuten genannt, die das norwegische<br />

Kapitaldeckungsverfahren nicht<br />

kennen. Da ich seit 25 Jahren auch<br />

eine Teilzeitprofessur in Norwegen<br />

habe, bin ich mit der Entwicklung<br />

des Staatsfonds von Beginn an vertraut.<br />

Ein Kapitalstock in Staatshand<br />

ist nur dann vor Zugriffen durch die<br />

Politik geschützt, wenn in allen Staatshaushalten<br />

Überschüsse erwirtschaftet<br />

werden: Das ist in Norwegen der Fall<br />

und ein wirksamer Schutz davor, dass<br />

sich die Politik nicht am Fonds bedient.<br />

Auf Deutschland lässt sich das Modell<br />

schlecht übertragen – wir haben halt<br />

kein Öl und Gas.<br />

Die große Koalition hat bereits vor<br />

der Bundestagswahl Gesetzesreformen<br />

umgesetzt, mit der sie Schwachstellen<br />

der privaten und betrieblichen Altersvorsorge<br />

ausgebessert hat. Beispiel<br />

Geringverdiener: eine bestimmte Rentenhöhe<br />

wird künftig vor dem Zugriff<br />

der Sozialämter geschützt sein, wenn<br />

Riester-Sparer auf Grundsicherung<br />

angewiesen sein werden. Werten Sie<br />

diese Reformen als ausreichend – oder<br />

wo sehen Sie weiteren Reformbedarf?<br />

Die Masse der Reformen ist ausreichend.<br />

Wir brauchen eigentlich nur<br />

noch das gesetzliche Rentenzugangsalter<br />

zu diskutieren. Durchaus im<br />

Sinne Norwegens, wo gesagt wird:<br />

„Wenn man länger lebt, dann muss<br />

man auch länger arbeiten.“ Aber die<br />

letzten Reformen in der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung bedeuten einen<br />

Rückschritt gegenüber den Reformen<br />

zuvor. Da, wo Herr Müntefering von<br />

der SPD uns die Rente mit 67 aufs<br />

Auge gedrückt hat, was völlig richtig<br />

war, weil es die Rentenkasse entlastet,<br />

hat Frau Nahles uns die Rente mit 63<br />

aufs Auge gedrückt, und das war falsch.<br />

Denn die Rente mit 63 erzeugt zusammen<br />

mit der Mütterrente geschätzt<br />

Mehrkosten von 15 Milliarden Euro<br />

im Jahr.<br />

Sie gelten als Befürworter der Riester-Rente.<br />

Wir erhalten von Versicherungsvermittlern<br />

unterschiedliche Rückmeldungen<br />

zu Riester. Es gibt eine nicht<br />

kleine Zahl, die Riester kritisch sieht.<br />

Die sagen: Auch wir haben Probleme,<br />

die Produkte dem Kunden zu vermitteln,<br />

weil sie mitunter intransparent und für<br />

Laien schwer zu verstehen sind. Müsste<br />

man hier nicht auch die Versicherer<br />

strenger in die Pflicht nehmen?<br />

Foto: Bernd Raffelhüschen / Albert-Ludwigs-Universität Freiburg<br />

Seite 7


Foto: Peopleimages / istockphoto.com<br />

Man muss sich klarmachen, dass es<br />

die eine Riester-Rente gar nicht gibt.<br />

Sondern dass sie in der Refinanzierungsstruktur<br />

alle möglichen Formen<br />

aufweist. Ich kann meine Riester-Rente<br />

refinanzieren durch Rentenversicherungen,<br />

ich kann sie refinanzieren über<br />

Banksparpläne oder Staatspapiere. Und<br />

ich kann über Aktien und Fonds verschiedene<br />

Mischungen herstellen.<br />

Es gibt verschiedene Lösungen der<br />

Refinanzierungsstruktur, und da muss<br />

sich ein Vermittler genau anschauen,<br />

welchen Kunden er vor sich hat, wenn<br />

er ihm zu solch einer Vorsorge raten<br />

will. Ich sehe hier eher Beratungs- und<br />

Verständnisbedarf. Ich muss, wenn ich<br />

als Vermittler zu Riester beraten will,<br />

auch die Dinge verstehen. Verstehen<br />

zum Beispiel, dass es eigentlich gar<br />

keine Zulage gibt, sondern der Sonderausgabenabzug<br />

das eigentliche Argument<br />

ist. Man muss auch verstehen,<br />

dass die Riester-Rente eigentlich eher<br />

nicht für Arme gemacht ist, weil die<br />

Entgeltumwandlung für diese Personen<br />

oft günstiger ist. Aber wenn man das<br />

alles versteht, ist das, was wir haben,<br />

nichts Schlechtes.<br />

Wie aber kann denn der Altersvorsorge-Sparer<br />

das überschauen? Sie haben<br />

mal gesagt, es gibt 1.500 Produktvarianten<br />

von Riester. Immer mehr Verbraucher<br />

schließen online ab. Ist die<br />

Altersvorsorge nicht derart wichtig, dass<br />

man sich als Kunde darauf verlassen<br />

können muss, einen guten Vertrag zu<br />

erhalten? Es gibt auch schwarze Schafe<br />

auf dem Markt.<br />

So, wie es gute und schlechte Bäcker<br />

gibt, gibt es gute und schlechte Versicherungen.<br />

Aber das regelt der Wettbewerb.<br />

Und da muss man natürlich<br />

beiden Seiten sagen, sowohl Verbrauchern<br />

wie Vermittlern: Leute, Ihr müsst<br />

Euch informieren! Das betrifft in der<br />

Regel nicht 1.500 Produkte. Die Produktkategorien,<br />

die für einen Sparer<br />

in Frage kommen, umfassen vielleicht<br />

-je nachdem, welches Risiko er eingehen<br />

will- fünf oder sechs verschiedene<br />

Durchführungswege und Refinanzierungsstrukturen.<br />

Hier ist auch der Versicherungsmakler<br />

in der Pflicht. Er muss gut informiert<br />

sein, wen er vor sich hat und berät,<br />

sollte also erst einmal Fragen stellen<br />

statt Antworten parat zu haben. Antworten<br />

kann ich nämlich nur dann<br />

geben, wenn ich zuvor vernünftige<br />

Fragen gestellt habe. Und die andere<br />

Seite ist: Wenn der Kunde für seine<br />

langfristigen Kapitalanlagen nicht mal<br />

so viel Zeit investieren möchte wie für<br />

die Sportschau am Samstag, dann wird<br />

es natürlich schwierig, einen guten<br />

Anbieter zu finden. Auch der Kunde ist<br />

in der Pflicht, Angebote zu vergleichen!<br />

Sie warnen oft vor den Folgen der<br />

Demografie für die gesetzliche Rente.<br />

Wie bewerten Sie die demografischen<br />

Risiken für die privaten Versicherer,<br />

also speziell für Lebensversicherer und<br />

Riester-Anbieter? Müssen sie nicht auch<br />

existentielle Risiken befürchten, wenn<br />

viele Renten- und Leistungsbezieher<br />

einer sinkenden Zahl an Beitragszahlern<br />

gegenüberstehen?<br />

Die Demografie ist für eine vernünftig<br />

kalkulierte Kapitaldeckung eigentlich<br />

kein Problem. Aber sie schlägt natürlich<br />

auch durch. Wenn ich beispielsweise<br />

eine reine Refinanzierung über<br />

Staatspapiere habe, dann ist der Steuerzahler<br />

selbst derjenige, der diese<br />

Papiere bedienen muss. Wenn dieser<br />

Steuerzahler nicht geboren worden<br />

ist, dann habe ich ein Problem, denn<br />

dann ist der Steuerzahler der Zukunft<br />

nicht da. Wenn ich hingegen durch<br />

Produktivkapital oder Immobilien eine<br />

Refinanzierungsstruktur habe, dann<br />

ist das deutlich weniger demografisch<br />

anfällig. Das ist genau das, was ich<br />

immer betone: Wir müssen sowohl die<br />

Umlage haben, die nunmal demografieanfällig<br />

ist, als auch die Kapitaldeckung,<br />

die weniger demografieanfällig<br />

ist, aber ein höheres Verlustrisiko birgt.<br />

Das gilt übrigens auch für Staatsanleihen,<br />

siehe Griechenland.<br />

Abschließend eine Prognose: Wie kann<br />

ein stabiles Rentensystem in 30 Jahren<br />

aussehen?<br />

Im Grunde genommen würde ich<br />

unser System nehmen und das Rentenzugangsalter<br />

ab 2030 noch weiter<br />

erhöhen. Dann haben wir eigentlich<br />

alles in trockenen Tüchern.<br />

...obwohl die private und betriebliche<br />

Altersvorsorge die Erwartungen nicht<br />

voll erfüllt und viele nicht vorsorgen?<br />

Dem würde ich widersprechen. Wir<br />

haben ja bereits eine große Zahl an<br />

privater und betrieblicher Altersvorsorge,<br />

allein bei Riester 16,5 Millionen<br />

Verträge. Man darf hierbei nicht vergessen:<br />

Viele Bürger sorgen auch durch<br />

andere Formen vor, etwa Aktien oder<br />

Immobilien. Wenn sich das weiter ausfährt,<br />

haben wir einen gesunden Mix.<br />

Wir brauchen die gesetzliche Rente im<br />

Umlageverfahren als Basisversorgung,<br />

das würden wir auch bekommen, wenn<br />

man sie in Ruhe ließe. Allerdings wollen<br />

große Teile in der SPD die Weichen<br />

wieder umstellen und die gesetzliche<br />

Rente wieder ausbauen, was ich für<br />

Blödsinn halte. Wenn wir es so lassen,<br />

wie es derzeit ist, und noch ein<br />

bisschen reparieren, dann haben wir<br />

etwas Gesundes vor uns.<br />

Das Gespräch führte Mirko Wenig<br />

Seite 8 01/<strong>2018</strong>


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SORGEN,<br />

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„Die Lebensversicherer können<br />

ihre Kosten nicht auf den<br />

Kunden abwälzen!“<br />

Foto: © sbrogan / istockphoto.com<br />

Der Bund der Versicherten (BdV) zählt zu den Stimmen, die sich wiederholt kritisch zur kapitalbildenden<br />

Lebensversicherung äußern und geäußert haben. Dass Deutschlands größter Verbraucherverband in<br />

Sachen Versicherung kein Freund davon ist, Risikoschutz und Geldanlage zu verknüpfen, bestätigt auch<br />

BdV-Pressesprecherin Bianca Boss im Interview mit dem <strong>Versicherungsbote</strong>n. Die Versicherungsfachund<br />

Betriebswirtin hält Lebensversicherungen zwar für existenziell wichtig für die Verbraucher – aber<br />

nicht, um damit Rendite zu erzielen.<br />

<strong>Versicherungsbote</strong>: Unser Thema ist<br />

die Zukunft der Lebensversicherung.<br />

Wie bewerten Sie die Chancen für die<br />

Sparte? Trauen Sie der Lebensversicherung<br />

überhaupt eine Zukunft als<br />

tragende Säule der Altersvorsorge zu?<br />

Bianca Boss: Die Lebensversicherung<br />

ist zur Risikoabsicherung im Todesfall<br />

(über Risikolebensversicherungen)<br />

und beim Verlust der Arbeitskraft<br />

(z.B. über Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsversicherungen)<br />

nicht nur<br />

sinnvoll, sondern existenziell. Zur<br />

Altersvorsorge sind kapitalbildende<br />

Lebensversicherungen gänzlich ungeeignet.<br />

Mehr noch: nicht mehr nur<br />

für die Kunden, sondern auch für<br />

die Anbieter ist die kapitalbildende<br />

Lebensversicherung als Geschäftsmodell<br />

nicht mehr tragfähig – und<br />

daraus macht ja selbst die Branche<br />

keinen Hehl.<br />

Die Lebensversicherung in Deutschland<br />

hat einen existenziellen Kern: Sie<br />

verspricht ihren Kunden langfristige<br />

– bis hin zu lebenslangen – Renditen.<br />

Viele Versicherungsunternehmen wenden<br />

sich von den Garantieprodukten<br />

ab, immer größere Bestände werden<br />

über externe Run-Off-Plattformen<br />

abgewickelt und es werden Produkte<br />

ohne Garantien aufgelegt – die deutsche<br />

Lebensversicherung ist damit<br />

entkernt. Aber auch für diese neuen<br />

entkernten Produkte, die noch unverständlicher<br />

sind und keine langfristigen<br />

Renditeversprechen mehr bieten,<br />

gilt das gleiche wie für die klassischen<br />

Lebensversicherungen: Von solchen<br />

Produkten sollten die Verbraucher<br />

dringend die Hände lassen.<br />

Nach wie vor halten die Bundesbürger<br />

mehr als 90 Millionen LV-Verträge.<br />

Der Marktführer Allianz berichtet von<br />

zweistelligen Wachstumsraten im Neugeschäft<br />

ohne Garantiezins. Haben Sie<br />

eine Erklärung, warum die Policen trotz<br />

Dauerkritik in den Medien noch immer<br />

derart nachgefragt werden?<br />

Die Verbraucher sind in einer Zwickmühle,<br />

die politische Ursachen hat:<br />

die Niedrigzinspolitik der EZB, Fehlregulierungen<br />

und, – vorsichtig ausgedrückt<br />

„vertriebsunterstützende“<br />

Politikmaßnahmen. Das äußert sich in<br />

einer beschleunigten Vermögensprei-<br />

Seite 10 01/<strong>2018</strong>


Markt<br />

sinflation, also „überteuerte“ Immobilien,<br />

Aktien und Anleihen, nahezu<br />

unverzinste Spareinlagen, intransparente<br />

Zertifikate etc. In einem derart<br />

politisch beschädigten Anlagemarkt<br />

sind viele Verbraucher immer<br />

noch bereit, sogar kapitalbildende<br />

Lebensversicherungen als vermeintlich<br />

„kleineres Übel“ zu akzeptieren.<br />

Eine einseitige staatliche/steuerliche<br />

Förderung von versicherungsförmigen<br />

Altersvorsorgeprodukten wie zum Beispiel<br />

Riester und Rürup tut ihr übriges.<br />

Der BdV hat gemeinsam mit Zielke<br />

Research die Stabilität der Lebensversicherer<br />

anhand der Solvency II-Berichte<br />

analysiert. Ein früherer Versicherungs-Vorstand,<br />

Sven Enger, behauptet<br />

in einem Buch, der Lebensversicherung<br />

drohe ein baldiger Crash. Er rät, LV-Verträge<br />

zu kündigen. Wie stabil sind die<br />

Lebensversicherer?<br />

Wir haben im Juli letzten Jahres die<br />

Solvenzberichte der Lebensversicherungsunternehmen<br />

unter anderem<br />

daraufhin untersucht, ob die Unternehmen<br />

über genügend Solvenzmittel<br />

verfügen, also auch für Extremszenarien<br />

finanziell gut genug ausgestattet<br />

sind. Dabei mussten wir feststellen,<br />

dass 23 Unternehmen auf die Übergangsregeln<br />

angewiesen sind, um<br />

überhaupt die Solvenzanforderungen<br />

zu bewältigen. Das finden wir<br />

besorgniserregend.<br />

Von einer sicheren Branche kann<br />

daher keine Rede sein – denn es geht<br />

hier nicht um „Momentaufnahmen“,<br />

sondern um langfristige – oft sogar<br />

lebenslange – Leistungsversprechen,<br />

die sichergestellt sein müssen. Von<br />

vorschnellen Kündigungen der Verträge<br />

raten wir jedoch ab. Es ist nachvollziehbar,<br />

dass man als Lebensversicherungskunde<br />

sein gutes Geld nicht<br />

nochmal schlechtem Geld hin<br />

Biance Boss<br />

BdV-Pressesprecherin<br />

Seite 11


mit Legaltechs konfrontiert, was auch<br />

wiederum hohe Kostenbelastungen<br />

bei ihnen auslöst. Hier läuft auch das<br />

Klagen über „Regulierung“ ins Leere.<br />

Die Versicherungswirtschaft hat viele<br />

Jahrzehnte von den Regulierungen<br />

profitiert: die Steuerfreiheit für Kapitalleistungen<br />

von Lebensversicherungen,<br />

die Ertragsanteilbesteuerung für<br />

private Rentenversicherungen, die<br />

Förderung für Riester- und Rüruprenten<br />

sind hierfür Beispiele. In der<br />

„regulierten Welt“ bis 1994 herrschte<br />

eine permanente Goldgräberstimmung<br />

bei den Versicherungsunternehmen.<br />

Die Versicherungswirtschaft<br />

hat offensichtlich ein grundsätzliches<br />

und ein emotionales Problem, mit<br />

der Vergangenheit abzuschließen und<br />

ihr Geschäftsmodell entsprechend zu<br />

überdenken.<br />

Foto: © davewhitney / istockphoto.com<br />

Viele Anlageexperten empfehlen den<br />

Verbrauchern, ihr Geld direkt in Fonds<br />

und Aktien zu stecken statt in Lebensund<br />

Rentenversicherungen. Aber eine<br />

Lebensversicherung ist ja mehr als<br />

eine Geldanlage. Empfehlen Sie, Versicherung<br />

und Geldanlage zu trennen?<br />

terherwerfen möchte. Es muss sich<br />

aber jeder Vertrag einzeln angeschaut<br />

werden und Verbraucher sollten sich<br />

dazu neutral beraten lassen.<br />

Dass der Niedrigzins die Branche belastet,<br />

ist fast schon eine Floskel. Sie betonen<br />

einerseits, dass die Branche besser<br />

da steht, als sie selbst oft beklagt.<br />

Zugleich warnt nun auch der BdV vor<br />

der Instabilität mancher Versicherer?<br />

Die Niedrigzinsphase hat vor allem<br />

eines deutlich gemacht: Jetzt wird<br />

für die Anbieter offensichtlich, dass<br />

die hohen Kosten nicht mehr ohne<br />

weiteres auf die Kunden abgewälzt<br />

werden können. Und hier gibt die<br />

Branche nach außen ein widersprüchliches<br />

Bild ab: In ihren Geschäftsberichten<br />

und Pressemitteilungen wird<br />

die „hervorragende Verfassung“ der<br />

Unternehmen dokumentiert und zum<br />

Beispiel auf hohe Dividendenzahlungen<br />

verwiesen. Gegenüber den Kunden,<br />

Vermittlern, der Politik und vor<br />

allem den Beschäftigten wird dann auf<br />

wirtschaftliche „Herausforderungen“<br />

verwiesen, um Leistungskürzungen<br />

und Gesetzesänderungen einzufor<br />

dern. Ob die politischen Hilfestellungen<br />

immer notwendig waren, das<br />

stellen wir tatsächlich in Frage, denn<br />

die wirklich notleidenden sind nicht<br />

die Versicherer, sondern die Versicherten.<br />

Die haben sich auf die Leistungsversprechen<br />

und „Renditeprognosen“<br />

der Versicherer verlassen und werden<br />

dann mit Kürzungen und Einbußen<br />

konfrontiert.<br />

Welche Risiken außer dem Niedrigzins<br />

belasten die Branche? Oft wird die<br />

Regulierung beklagt. Gibt es andere,<br />

hausgemachte Gründe?<br />

Die Niedrigzinsphase hat das<br />

Geschäftsmodell der Lebensversicherung<br />

geschwächt – das ist zutreffend.<br />

Aber viele Belastungen sind tatsächlich<br />

auch hausgemacht und verstärken<br />

die Auswirkungen der niedrigen<br />

Zinsen: Neben den bereits genannten<br />

hohen Kosten hat die Branche<br />

in weiten Teilen die Digitalisierung<br />

völlig verschlafen. Sie werden kaum<br />

Anbieter finden, die es geschafft haben<br />

Blockchain-Technologien in ihrer Produktwelt<br />

zu etablieren. Die Rechtschutzversicherer<br />

werden zunehmend<br />

Genau das! Wie eingangs geäußert,<br />

sind Risikolebensversicherungen und<br />

Berufsunfähigkeits-/Erwerbsunfähigkeitsversicherungen<br />

existenziell<br />

wichtige Lebensversicherungen. Diese<br />

Absicherungen sollten von Sparvorgängen<br />

strikt getrennt werden. Geldanlage<br />

ist ein Vermögensbildungsproblem<br />

und kein Versicherungsproblem.<br />

Ein weiteres, oft gelesenes Argument<br />

der Versicherungsbranche für private<br />

Renten-Policen: Es gebe kaum eine<br />

bessere Möglichkeit, das Langlebigkeitsrisiko<br />

finanziell abzusichern. Welche<br />

Lösungen würden Sie alternativ<br />

empfehlen, um Langlebigkeit finanziell<br />

zu stützen?<br />

Auch hier gilt der Grundsatz: Versicherung<br />

und Geldanlage strikt zu<br />

trennen. Das heißt, zur Vermögensbildungsphase<br />

ist eine private Rentenversicherung<br />

nicht geeignet. Wenn<br />

im Alter eine fortlaufende Leistung<br />

gewünscht ist (und auch eventuelle<br />

Schulden getilgt sind sowie ausreichend<br />

Rücklagen für kurzfristige Ausgaben<br />

gesichert sind), dann sollte man<br />

auch hier berücksichtigen, dass es<br />

Seite 12 01/<strong>2018</strong>


Markt<br />

immer Alternativen zu Versicherungen<br />

gibt. Wer zum Beispiel mit 65<br />

Jahren über einen Auszahlungsplan<br />

monatliche Zahlungen abruft, kann<br />

durchaus höhere Leistungen realisieren<br />

als bei einer Privatrente.<br />

Oder: Wenn Sie 25.000 Euro in Allianz-Aktien<br />

angelegt haben, zahlte<br />

Allianz Ihnen in 2017 eine jährliche<br />

Dividende von über 1.081 Euro. Das<br />

ist mehr gewesen als bei einer in 2017<br />

zum 65. Lebensjahr beginnenden<br />

dynamischen Privatrente gegen Einmalbeitrag<br />

der Allianz. Entscheidend<br />

ist, dass jeder für sich selbst mehrere<br />

Alternativen prüfen und nicht auf eine<br />

einzige Lösung setzen sollte.<br />

Bei fondsgebundenen Rentenversicherungen<br />

drohen Rechtsstreite, weil Versicherer<br />

den Rentenfaktor nach unten<br />

korrigieren. Begründung: Niedrigzins<br />

und steigende Lebenserwartung. Notwendige<br />

Kürzungen – oder Vorwand, um<br />

Leistungen zu streichen? Wird der BdV<br />

vielleicht sogar selbst klagen?<br />

Auch hier geht es für die Lebensversicherung<br />

um eine existenzielle Fragestellung.<br />

Können 1. die lebenslangen<br />

Leistungsversprechen eingehalten werden<br />

und ist 2. die private Kollektivlösung<br />

(als Privatrente) leistungsfähiger<br />

als die gesetzliche Kollektivlösung<br />

(über die Deutsche Rentenversicherung<br />

DRV)? Wenn die Versicherer<br />

Rentenfaktoren absenken, dann räumen<br />

Sie damit ein, dass sie mit der<br />

Einhaltung ihrer lebenslangen Leistungsversprechen<br />

den Kunden gegenüber<br />

massive Probleme bekommen.<br />

Wenn sie außerdem mit steigenden<br />

Lebenserwartungen argumentieren,<br />

dann ist das ein Eingeständnis, dass<br />

private Rentenversicherungen gleichermaßen<br />

Demografie-anfällig sind<br />

wie gesetzliche Umlagesysteme.<br />

Soweit die politische und ökonomische<br />

Bewertung. Ob die Kürzungen notwendig<br />

oder „vorgeschoben“ sind, wird<br />

auch zu klären sein. Oder anders: Es<br />

ist alles andere als eine vertrauensbildende<br />

Maßnahme, wenn Versicherer<br />

mit lebenslangen Leistungen werben,<br />

die sie dann nicht einhalten können<br />

und kürzen. Wenn ein Versicherer ein<br />

lebenslanges Leistungsversprechen<br />

abgibt, dann muss er sicherstellen,<br />

dieses auch erfüllen zu können und<br />

entsprechend vorsichtig kalkulieren.<br />

Gibt es Anzeichen, dass er dies nicht<br />

getan hat, ist unter Umständen eine<br />

rechtliche Klärung notwendig. Ob wir<br />

als BdV auch aktiv werden, werde ich<br />

nicht ausschließen.<br />

Das Gespräch führte Mirko Wenig<br />

RHION 1.<br />

Maklerbefragung 2017<br />

Platz<br />

Weiterempfehlung<br />

W<br />

LPENSCHUTZ<br />

MIT DER UMFASSENDEN RHION TIERHALTERHAFTPFLICHT-VERSICHERUNG<br />

Gerade wenn sie noch jung und wild sind, geht schnell einmal etwas kaputt.<br />

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Todesfallrisiko<br />

Beratungs- und Vertriebspotenzial der<br />

Risikolebensversicherung häufig<br />

noch ungenutzt<br />

Sie spielt nicht gerade die Hauptrolle in der Beratung: Die Risikolebensversicherung (RLV) wird von Maklern<br />

und Vermittlern zumeist eher stiefmütterlich behandelt. Zwar ist die RLV in den Produktportfolios der<br />

Makler enthalten, sie wird aber oft als Mitnahmeprodukt angesehen, das keiner besonderen Beratung<br />

bedarf. Dabei ist die Risikolebensversicherung ein wichtiger Versicherungsbaustein, der verschiedene Sicherheitsbedürfnisse<br />

des Kunden abdeckt. Wer sich mit den unterschiedlichen Motiven für den Abschluss<br />

einer RLV befasst und gezielt dazu berät, kann sich dadurch erhebliches Beratungspotenzial erschließen.<br />

Ein Kommentar von Walter Capellmann, Hauptbevollmächtigter der DELA Lebensversicherungen in Deutschland<br />

Walter Capellmann<br />

Hauptbevollmächtigter der DELA<br />

Seite 14 01/<strong>2018</strong>


Markt<br />

Foto: © aluxum / istockphoto.com<br />

Eine Risikolebensversicherung<br />

gewährleistet den Angehörigen<br />

des Versicherten im Todesfall eine<br />

finanzielle Unterstützung, das heißt<br />

sie schließt die finanzielle Lücke,<br />

die beim Wegfall des Einkommens<br />

durch plötzlichen Tod des Ehepartners<br />

oder Lebensgefährten entstehen<br />

kann. Verstirbt der Versicherte, so<br />

zahlt der Versicherer die im Vertrag<br />

vereinbarte Versicherungssumme an<br />

die oder den Begünstigten aus. Grundsätzlich<br />

baut eine RLV kein Vermögen<br />

für die Altersvorsorge auf. Sie ist eine<br />

zweckgebundene Versicherung, die<br />

das Todesfallrisiko abdeckt. Im Gegensatz<br />

zu einer klassischen Lebensversicherung<br />

tritt hier die Leistung folglich<br />

ausschließlich im Todesfall in Kraft.<br />

Aufgrund der Einfachheit und Klarheit<br />

des Produkts beraten Makler<br />

und Vermittler selten aktiv zur RLV<br />

– dabei sollte diese heute Teil einer<br />

ganzheitlichen Vorsorgeberatung sein<br />

und keineswegs als Mitnahmeprodukt<br />

angesehen werden – sie sollte sogar<br />

zum Anlass für eine Beratung genutzt<br />

werden, um Kunden für das finanzielle<br />

Risiko eines Todesfalls in Familie und<br />

Partnerschaft zu sensibilisieren.<br />

Partner, Kinder und Eigenheim<br />

finanziell absichern<br />

Die Risikolebensversicherung bietet<br />

Maklern und Vermittlern aufgrund<br />

einer großen Zielgruppe verschiedene<br />

Zugänge für ein Beratungsgespräch.<br />

Wichtig ist es, die unterschiedlichen<br />

Zielgruppen mit Blick auf ihre aktuelle<br />

Lebenssituation hin zu beraten, denn<br />

die RLV deckt ganz unterschiedliche<br />

Sicherheitsmotive der Kunden ab.<br />

Grundsätzlich ist die Absicherung<br />

über eine RLV für all diejenigen Menschen<br />

interessant, die für den finanziellen<br />

Schutz ihrer Familie sorgen<br />

möchten. Insbesondere junge Paare,<br />

die eine Familie planen, möchten für<br />

den Partner und die eigenen Kinder<br />

vorsorgen und bringen so gute Voraussetzungen<br />

für ein Beratungsgespräch<br />

zur RLV mit. Darüber hinaus stellt die<br />

Planung eines Eigenheims ebenfalls<br />

einen guten Beratungsanlass für den<br />

Makler dar. Denn vielen Menschen ist<br />

nicht bewusst, dass die RLV neben der<br />

finanziellen Absicherung der Familie<br />

im Todesfall auch zur Absicherung<br />

eines Hypothekenkredits herangezogen<br />

werden kann:<br />

Wenn die jeweils versicherte Person<br />

verstirbt, zahlt die RLV die vereinbarte<br />

Versicherungssumme aus, um<br />

den ausstehenden Kredit bei der Bank<br />

ablösen zu können. Auf diese Weise<br />

kann in der Regel vermieden werden,<br />

dass es zum Verkauf oder gar zu einer<br />

Zwangsversteigerung des Eigenheims<br />

kommt, wenn beispielsweise durch<br />

den Wegfall eines Einkommens die<br />

monatlichen Raten für Zins und Tilgung<br />

nicht mehr aufgebracht werden<br />

können. Dies gilt im Prinzip auch bei<br />

anderen größeren Anschaffungen, die<br />

durch einen Kredit finanziert wurden.<br />

In Verbindung mit der Absicherung<br />

eines Hypothekenkredits wird auch<br />

häufiger die sogenannte Restschuldversicherung<br />

erwähnt, die meist direkt mit<br />

dem Abschluss eines Kredits von der<br />

Bank verkauft wird. Im Gegensatz zu<br />

einer RLV bezieht sich die Restschuldversicherung<br />

allerdings nur auf den bei<br />

der jeweiligen Bank abgeschlossenen<br />

Kredit. Eine RLV kann hingegen auch<br />

so gestaltet werden, dass bei Vereinbarung<br />

einer konstanten Versicherungssumme<br />

und gleichzeitig abnehmenden<br />

Verbindlichkeiten bei der Bank ein<br />

kontinuierlich ansteigender Betrag für<br />

die über den Kredit hinausgehende<br />

finanzielle Absicherung von Familie<br />

und Partner zur Verfügung steht.<br />

Über Lücken der gesetzlichen<br />

Hinterbliebenenversorgung<br />

aufklären<br />

Die Absicherung dieses Todesfallrisikos<br />

gehört zu den wichtigsten Vorsorgethemen,<br />

die gezielt auf Veränderungen<br />

familiärer Strukturen eingehen. Deshalb<br />

ist die Beratung zur RLV auch ein<br />

generationenübergreifendes Thema,<br />

das Alleinerziehende, junge, verheiratete<br />

oder unverheiratete Paare, mit oder<br />

ohne Kinder, gleichermaßen anspricht.<br />

Dabei gilt es auch über Besonderheiten<br />

in der Hinterbliebenenversorgung<br />

aufzuklären, die vielen Kunden nicht<br />

geläufig sind. In einer Zeit, in der<br />

immer mehr Eltern in einer nichtehelichen<br />

Gemeinschaft zusammenleben,<br />

kann die Absicherung über eine RLV<br />

Lücken in der gesetzlichen Hinterbliebenenversorgung<br />

schließen.<br />

Heutzutage sind die Eltern jedes dritten<br />

Kindes nicht verheiratet. Wenn einer<br />

der beiden Elternteile stirbt, erhalten<br />

Ledige im Gegensatz zu Verheirateten<br />

grundsätzlich keine Hinterbliebenenrente.<br />

Sterben Vater oder Mutter, kann<br />

das für den hinterbliebenen Elternteil<br />

schwerwiegende finanzielle Folgen<br />

haben – auf jeden Fall sind jedoch die<br />

Kinder betroffen. Denn im Todesfall<br />

erhalten nur verheiratete Paare Geld<br />

von der gesetzlichen Rentenversicherung.<br />

Obwohl eheliche und uneheliche<br />

Kinder schon längst gesetzlich<br />

gleichgestellt sind, kann bei Eltern ohne<br />

Trauschein der Tod des Vaters oder der<br />

Mutter die finanzielle Sicherheit des<br />

Kindes und des verbliebenen Elternteils<br />

bedrohen. Ein wichtiger Aspekt, den<br />

ein umsichtiger Vorsorgeexperte mit<br />

möglicherweise betroffenen Kunden<br />

in der Beratung klären sollte.<br />

Ein Gastkommentar von<br />

Walter Capellmann<br />

Seite 15


„In den Vorstandsetagen<br />

sollten die<br />

Alarmsirenen jetzt<br />

im Dauerbetrieb<br />

sein.“<br />

Dr. Robin Kiera ist Experte für Digitalisierung in der Versicherungsbranche – und das, was man einen<br />

„Thought Leader“, „Keynote Speaker“ und „Influencer“ nennt. Auf seiner Webseite „digitalscouting.de“<br />

veröffentlicht Kiera regelmäßig Marktanalysen zu Fintechs und Insuretechs. Der <strong>Versicherungsbote</strong><br />

hat mit Kiera gesprochen, welche technischen Trends die Versicherungswirtschaft in den kommenden<br />

Jahren prägen und umkrempeln könnten – und weshalb es Innovationen wie Telematik hierzulande<br />

scheinbar schwerer haben.<br />

Sie haben sich als Experte auf den<br />

Fintech- und Insurtech-Bereich spezialisiert,<br />

mittlerweile mit großer Reichweite.<br />

Wie kam es dazu?<br />

Ich habe über Jahre Entwicklungen<br />

in der Branche auf Linkedin und<br />

Xing oder als Speaker in einen größeren<br />

Zusammenhang gestellt und<br />

kommentiert. Dabei habe ich wenig<br />

Rücksicht auf Befindlichkeiten und<br />

Industrie-Tabus genommen, sondern<br />

stringent Konsequenzen aufgezeigt,<br />

etwa schon früh am Beispiel Lemonade<br />

und Amazon.<br />

Ich investiere in Digitalscouting.de<br />

sehr viel Zeit, da ich aufgrund der<br />

technologischen Entwicklung für die<br />

heutige Industrie lebensbedrohliche<br />

Gefahren sehe. Leider werden diese<br />

von großen Teilen der aktuellen Manager-Generation<br />

teils aus Unwissen,<br />

teils aus Bequemlichkeit ignoriert.<br />

Damit riskieren sie die Existenz ihrer<br />

Unternehmen und in Deutschland<br />

hunderttausende Jobs. Digitalisierung<br />

müsste keine Gefahr für die Versicherungswirtschaft<br />

sein, sondern könnte<br />

Ausgangspunkt für ungeahntes Wachstum<br />

sein. Allerdings müssten hierfür<br />

einige schmerzhafte Entscheidungen<br />

gefällt und umgesetzt werden. Hiervor<br />

scheuen sich viele Verantwortliche.<br />

Da wird lieber ein Lab eröffnet oder<br />

mit den betagten Bereichsleitern eine<br />

lustige Start-Up-Safari nach Berlin -<br />

inklusive Vorstandsfoto ohne Schlips<br />

- unternommen. Das ist keine digitale<br />

Transformation, sondern Placebo-Politik.<br />

Sie haben in einem Gastbeitrag für<br />

den <strong>Versicherungsbote</strong>n mit Blick auf<br />

den US-amerikanischen Versicherer<br />

Lemonade geschrieben, dieser könnte<br />

eine echte Disruption auf dem Markt<br />

bewirken, indem er sich von der Schaden-Kosten-Quote<br />

trennt. Gibt es hier<br />

erste Erfahrungen? Wie weit ist die<br />

Technik? Gibt es Pläne, dass Lemonade<br />

auch nach Europa expandiert?<br />

Mein inzwischen mehrfach übersetzter<br />

Artikel wies tatsächlich als einer der<br />

ersten auf das disruptive Potenzial<br />

des bis dahin unbekannten, wenige<br />

Seite 16 01/<strong>2018</strong>


Netzwelt<br />

Monate alten Start-ups hin. Zu Beginn<br />

trat Lemonade mit dem Versprechen<br />

an, sich nicht mehr an einer positiven<br />

Schaden-Kosten-Quote zu bereichern,<br />

sondern - sollte es zu einem Überschuss<br />

kommen - diesen zu spenden.<br />

Schon im Juni 2017 - wenige Monate<br />

nach dem Start - zahlte Lemonade<br />

erstmals an wohltätige Organisationen<br />

- und zwar über 10 Prozent ihres<br />

Umsatzes.<br />

Das Besondere an Lemonade ist<br />

jedoch nicht nur die Technik. Die<br />

Gründer Daniel Schreiber und Shai<br />

Winninger setzen ja nicht nur auf eine<br />

durch künstliche Intelligenz getriebene<br />

Technik, die ihresgleichen in der Versicherungswirtschaft<br />

sucht, sondern<br />

vor allem auf Verhaltenspsychologie.<br />

So fanden Studien heraus, dass, wenn<br />

ein Kunde bei der Schadenaufnahme<br />

ein Selfie-Video machen muss, die<br />

Wahrscheinlichkeit deutlich sinkt, dass<br />

er die Unwahrheit sagt und etwa Versicherungsbetrug<br />

begeht. Also fügten<br />

sie dieses Feature in ihren Prozess mit<br />

ein. Mit Dan Ariely gewann Lemonade<br />

einen der anerkanntesten Verhaltensforscher<br />

für ihr Team.<br />

Letztes Jahr fragte ich Daniel Schreiber<br />

am Rande eines Events in San Francisco,<br />

wann er endlich nach Europa<br />

käme, um die Märkte zu erobern. Er<br />

lächelte nur, und meinte, sie seien<br />

mit den USA erst einmal gut beschäftigt.<br />

Hierfür hat Lemonade gerade<br />

120 Millionen Dollar von der japanischen<br />

Softbank eingesammelt. Da<br />

Daniel und Shai schon mit anderen<br />

Gründungen - etwa Fiverr - erfolgreich<br />

waren, habe ich keinen Zweifel,<br />

dass sie früher oder später auch nach<br />

Europa kommen. Es stellt sich allerdings<br />

die Frage, ob sie dann noch ein<br />

unbestelltes Feld vorfinden oder nicht<br />

schon andere - wie Amazon - dies<br />

besetzt haben.<br />

Wie kann denn aus Ihrer Sicht eine<br />

Versicherung aussehen, die auf die<br />

Schaden-Kosten-Quote verzichtet? Auch<br />

Versicherer müssen doch kalkulieren,<br />

wie hoch ihre Prämieneinnahmen sein<br />

müssen, um keine Verluste zu schreiben<br />

oder Gewinn zu erwirtschaften.<br />

Was sind die Alternativen?<br />

Versicherungen und Versicherungsvertreter<br />

haben eines der niedrigsten<br />

Ansehen in unserer Gesellschaft. Ein<br />

Grund für dieses geringe Ansehen<br />

ist schlichtweg die Wahrnehmung,<br />

“dass die Versicherung eh nicht zahlt”.<br />

Diese Wahrnehmung mag in manchen<br />

Fällen nicht fair sein. Meiner Meinung<br />

nach liegt das tiefe Misstrauen vieler<br />

Kunden gegenüber Versicherern in<br />

einem fundamentalen Interessenkonflikt<br />

begründet. Jeder abgelehnte Schaden<br />

wirkt sich positiv auf die Bilanz<br />

aus. Welcher Versicherungsvorstand<br />

erliegt hier - zumal bei Druck von<br />

Aktionären - nicht der Versuchung<br />

seine Mannschaft anzuweisen, die<br />

Regeln strenger auszulegen? So etwas<br />

trägt dann nicht gerade zum Vertrauen<br />

der Kunden bei.<br />

Daher glaube ich, wenn ein Versicherer<br />

wirklich kundenorientiert<br />

handeln möchte, muss er sich früher<br />

oder später von dieser Gewinnquelle<br />

verabschieden. Erst dann löst sich der<br />

Interessenkonflikt zwischen Versicherer<br />

und Kunde auf. Dann kommt<br />

bei der Ablehnung von Schäden auch<br />

kein Verdacht mehr auf, dass sich ein<br />

Versicherer hier auf Kosten der Kunden<br />

bereichert.<br />

Die wegfallenden Milliarden könnten<br />

aus anderen Quellen ersetzt werden.<br />

Sowohl im Betrieb als auch im Vertrieb<br />

erlaubt sich die deutsche Versicherungswirtschaft<br />

eine gigantische<br />

Verschwendung. Schon heute existiert<br />

Technik, die große Teile des Innendienstes<br />

ersetzen oder den Vertrieb<br />

von sinnfreien Einfachtätigkeiten<br />

befreien könnte, aber bis heute traut<br />

sich kein Versicherer diese konsequent<br />

anzuwenden.<br />

Wie hat sich der Insurtech-Markt hierzulande<br />

2017 entwickelt? Holt er gegenüber<br />

dem US-amerikanischen Markt<br />

auf? Boom oder Stagnation?<br />

Bis 2017 nahmen Insurtech-Start-Ups<br />

Teile der Wertschöpfungskette ins<br />

Visier. Jetzt sehen wir immer mehr<br />

Start-ups, die sich als digitale Vollversicherer<br />

aufstellen - etwa in Deutschland<br />

Coya, One, Flypper, Element,<br />

Ottonova und Friday. Wer es als erstes<br />

schafft, Kunden günstig zu akquirieren<br />

und vollautomatisch umzudecken,<br />

kann sehr erfolgreich sein.<br />

Eine Erfahrung ist, dass sich Trends,<br />

die sich im angloamerikanischen Raum<br />

bewährt haben, hierzulande schwer<br />

durchsetzen. Stichwort Pay-as-youlive-Tarife:<br />

Der Versicherer belohnt mit<br />

Rabatten eine gesunde Lebensweise,<br />

kann den Kunden auch als Fitnesscoach<br />

ansprechen. Soeben hat die Generali<br />

Deutschland angekündigt, Vorreiter bei<br />

diesen Tarifen, dass sie zwar Pay-asyou-live<br />

in der PKV anbieten will, aber<br />

ohne dies bei den Prämien zu berücksichtigen.<br />

Haben es disruptive Trends<br />

hierzulande schwerer als anderswo?<br />

Weshalb?<br />

Ich glaube, Versicherer scheuen sich<br />

bis heute, die Dose der Pandora für<br />

wirklich verhaltensabhängige Tarife<br />

zu öffnen. Zu groß ist die Angst, dass<br />

dies das einträgliche Geschäft mit<br />

den klassischen Produkten beeinträchtigt.<br />

Daher sehe ich bisher nur<br />

halbherzige und wenig durchdachte<br />

Versuche: Welcher moderne Mensch<br />

läuft jeden Tag 10.000 Schritte? Und<br />

warum sollte ich meine Lebensweise<br />

ändern, wenn es keine Auswirkung auf<br />

den Beitrag oder die Prämie hat? Für<br />

einen 50-Euro-Gutschein von Amazon?<br />

Kunden haben da ganz andere<br />

Ansprüche.<br />

Während die deutsche Assekuranz sich<br />

im Dornröschenschlaf befindet, arbeiten<br />

gut finanzierte Start-ups daran, das<br />

Risikomanagement durch die Einbeziehung<br />

von Handydaten und Informationen<br />

aus Sozialen Netzwerken<br />

zu erneuern und durch eine bessere<br />

Exklusion von schlechten Risiken die<br />

Prämien für die Kunden massiv zu<br />

senken. Dies kann dann von einem<br />

Ökosystem von kostenlosen digitalen<br />

Services für Kunden zur Verbesserung<br />

der Gesundheit, des Business oder<br />

für den modernen Lifestyle flankiert<br />

werden.<br />

Wenn beispielsweise dann erste<br />

PKV-Produkte oder Sachversicherungspakete<br />

für Privat- und Industriekunden<br />

für 50 Prozent des Preisdurchschnitts<br />

in den Markt gepusht<br />

werden, gleichzeitig dem Kunden<br />

große Mehrwerte in seinem täglichen<br />

Leben geboten werden, wird es<br />

zu großen Verschiebungen kommen.<br />

Wer sich jetzt hierauf nicht massiv<br />

vorbereitet, wird ein böses Erwachen<br />

erleben.<br />

Foto: © Fotograf Tom Kamlah (MS Altona)<br />

Seite 17


Sie haben in mehreren Beiträgen angemerkt,<br />

hierzulande würde es noch<br />

keine Start-ups geben, die disruptiv<br />

den Markt erschüttern. Oft greifen Insurtechs<br />

etablierte Services der Branche<br />

auf und verbessern sie nur. Gibt es hier<br />

Neuigkeiten? Eine innovative Idee, von<br />

der Sie sagen: Das könnte richtig groß<br />

werden? Unternehmen, die Sie sehr<br />

beeindruckt haben?<br />

Mich beeindruckt grundsätzlich jedes<br />

mutige Unternehmen, das es wagt Zeit<br />

und Nerven in die Veränderung der<br />

Versicherungswirtschaft zu investieren<br />

- zum Wohle des Kunden. Sowohl unter<br />

den älteren als auch unter den neueren<br />

Insurtech Start-Ups in Deutschland,<br />

aber auch in den USA, China, MENA<br />

(„Middle East and North Africa“)<br />

und Europa, gibt es beeindruckende<br />

Unternehmen, von denen wir - meiner<br />

Meinung nach - noch hören werden.<br />

Das größte disruptive Potential sehe<br />

ich kurzfristig allerdings in Asien bei<br />

Tencent und Alibaba und in der westlichen<br />

Welt bei Amazon. Amazon baut<br />

gerade unter größter Geheimhaltung<br />

eine wohl 100 Personen starke Versicherungseinheit<br />

in London auf, um die<br />

größten Märkte in Europa anzugreifen.<br />

Auch Deutschland. Darüber hinaus<br />

haben sie angekündigt zusammen mit<br />

Berkshire Hathaway und JP Morgan<br />

in den USA eine neue Krankenversicherung<br />

zu gründen. Beides deutet<br />

auf eine übergeordnete Strategie hin,<br />

dass Amazon sich als nächstes die<br />

Versicherungswirtschaft vorknöpft.<br />

In den Vorstandsetagen sollten die<br />

Alarmsirenen jetzt im Dauerbetrieb<br />

sein.<br />

„Die Revolution frisst ihre Gründer“,<br />

schrieb vor Kurzem das „Handelsblatt“.<br />

Viele Insurtechs hätten es schwer und<br />

müssten wieder die Segel streichen.<br />

Was braucht denn ein Insurtech, um<br />

sich erfolgreich auf dem Markt zu etablieren?<br />

Es fehlt in Deutschland an einer einzigen<br />

Sache: Geld. In Deutschland erleben<br />

wir leider gerade, dass viele gute<br />

Gründer mit sehr guten Teams enorme<br />

Anstrengungen unternehmen müssen,<br />

bescheidene Summen von Investoren<br />

einzusammeln. All dies geschieht, während<br />

viele Versicherer Milliarden für<br />

Wohlfühlprojekte verpulvern.<br />

Sie beobachten auch das internationale<br />

Geschehen. Gibt es disruptive Trends<br />

auf anderen Versicherungs-Märkten,<br />

wo man derartige Innovationen nicht<br />

unbedingt vermutet?<br />

Ich bin tatsächlich viel in Asien, USA,<br />

MENA und Europa unterwegs. Mich<br />

beeindruckte vor allem Folgendes:<br />

China ist längst keine Copy-Cat mehr,<br />

sondern ein Technologieführer. Tencent<br />

hat es mit dem Kommunikationstool<br />

“WeChat” geschafft, ein Ökosystem<br />

von Services seinen Kunden zur<br />

Verfügung zu stellen. Diese verbringen<br />

nicht nur viel Zeit innerhalb der App,<br />

sondern geben auch sehr viel Geld<br />

darin aus. So kann man etwa mit<br />

QR-Codes seinen Einkauf bezahlen<br />

oder Freunden unkompliziert Geld<br />

schicken - und natürlich Versicherungen<br />

abschließen. Dass es der volldigitale<br />

Versicherer Zhong-An innerhalb<br />

von wenigen Jahren geschafft hat in<br />

China über 7,2 Milliarden Mikroversicherungen<br />

zu verkaufen, ist schlichtweg<br />

atemberaubend. Das Insurtech<br />

legte auch einen beeindruckenden<br />

Börsengang hin: fast 12 Milliarden<br />

Euro.<br />

In den USA sehen wir immer mehr<br />

Insurtech-Start-Ups, die sich nicht nur<br />

auf den Verkauf von Versicherungen<br />

konzentrieren, sondern dem Kunden<br />

ein Ökosystem von Services zur Verfügung<br />

stellen, um dessen Leben zu<br />

erleichtern. Erst nach der Befriedigung<br />

von Kundenbedürfnissen kommt der<br />

Verkauf. Erste Ausläufer dieses Trends<br />

sehen wir jetzt schon bei neueren Insurtech<br />

oder Healthtech-Start-ups.<br />

Unsere wichtigste Lesergruppe sind<br />

Versicherungsmakler und Finanzanlagenvermittler.<br />

Es gibt Prognosen,<br />

wonach die Digitalisierung den Vertrieb<br />

geradezu leer fegen könnte: Immer<br />

mehr Kunden könnten per Blockchain<br />

und automatisierter Textbausteine zu<br />

Versicherung und Geldanlage beraten<br />

werden. Müssen Vermittler um ihren<br />

Job fürchten? Wird Alexa der neue Herr<br />

Kaiser sein?<br />

Heutzutage leiht niemand mehr DVDs<br />

aus. Die Leute schauen Netflix. Man<br />

geht auch nicht mehr in den CD-Laden,<br />

sondern streamt bei Spotify. Es<br />

werden auch fast keine Briefe verschickt,<br />

sondern Chatnachrichten.<br />

All diese Technologien haben sich<br />

durchgesetzt, da sie dem Kunden das<br />

Leben enorm erleichtert haben. Es<br />

ist nur eine Frage der Zeit, bis dies<br />

auch in der Versicherungswirtschaft<br />

geschieht. Wenn Versicherer sich nicht<br />

selbst disruptieren, dann werden dies<br />

andere tun.<br />

Mein befreundeter Allianz-Agenturist<br />

fragte mich letztens scherzhaft:<br />

“Robin, soll ich jetzt aufgeben?” Ich<br />

riet ihm: “Versuch deine bisherigen<br />

Erfolgsrezepte mit den gigantischen<br />

Möglichkeiten digitaler Tools und<br />

Methoden zu verknüpfen. Denke auch<br />

über neue Geschäftsmodelle und Services<br />

nach. Hierfür musst du aber die<br />

selbstzufriedene Blase der deutschen<br />

Assekuranz verlassen. Besuche versicherungsfremde<br />

Technologiekonferenzen,<br />

schaue dir innovative Talks<br />

auf Youtube an, folge Thought Leadern<br />

auf Linkedin und Twitter. Probiere in<br />

deinem Unternehmen Dinge - wie<br />

Daily Stand-ups, Retrospektiven oder<br />

Guerilla-Internetmarketing - einfach<br />

mal aus.”<br />

Foto: © SBSArtDept / istockphoto.com<br />

Dr. Robin Kiera<br />

Das Gespräch führte Björn Bergfeld!<br />

Vielen Dank für das Interview!<br />

Seite 18 01/<strong>2018</strong>


Advertorial<br />

Heute und morgen<br />

verlässlich:<br />

BU mit voll<br />

garantiertem<br />

Beitrag<br />

Die Schock-Nachricht ging durch die Medien: Bei Berufsunfähigkeitsversicherungen<br />

drohen mögliche Preissprünge. Wie entstehen<br />

sie und wie können sich Neu-Kunden dagegen wappnen?<br />

Hierauf geht Bernhard Rapp, Direktor Marketing und Produktmanagement<br />

und stellvertretender Niederlassungsleiter Canada Life<br />

Deutschland, im Interview mit <strong>Versicherungsbote</strong> ein.<br />

Dass jeder seine Arbeitskraft absichern<br />

sollte, ist nichts Neues. Sowohl Versicherer<br />

als auch Verbraucherschützer empfehlen<br />

in seltener Einmütigkeit, zum Beispiel<br />

eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)<br />

abzuschließen. Neu ist hingegen etwas<br />

anderes: Die Monatsprämien einer BU<br />

können steigen, mitunter sogar deutlich.<br />

Diese Information schockierte in den<br />

ersten Monaten des Jahres Kunden, aber<br />

auch einige Vermittler.<br />

Woher kommen die Preissteigerungen?<br />

Gewöhnlich reduzieren Versicherer die<br />

garantierten Brutto-Beiträge durch Überschüsse<br />

oder Boni. Diese sind dann die<br />

Netto- oder Zahl-Beiträge. Doch das<br />

funktioniert in Zeiten niedriger Zinsen<br />

nicht mehr so gut. Nach einer Statistik<br />

des Analysehauses Franke und Bornberg<br />

haben bereits 13 Versicherer laufende<br />

BU-Überschüsse oder Boni abgesenkt.<br />

Und die Assekuranzratingagentur Assekurata<br />

warnte vor der Gefahr, dass Kunden<br />

mit BU-Policen und anderen Biometrie-Versicherungen<br />

das Zinsdilemma in<br />

der Altersvorsorge mitfinanzieren müssen.<br />

Geht es auch ohne Teuerungsrisiko?<br />

Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

abschließt, möchte finanzielle Sicherheit<br />

in seine Lebensplanung bringen – für<br />

sich selbst und für die Familie. Auf die<br />

Preis-Stabilität des Tarifs kommt es hier<br />

ganz besonders an. Schließlich möchte<br />

man sich den wichtigen Schutz auch in<br />

Zukunft leisten können. Doch eine Preiserhöhung<br />

könnte zum Beispiel ältere<br />

Kunden mit ersten gesundheitlichen<br />

Einschränkungen vor Probleme stellen:<br />

Ein Wechsel wird für sie schwierig.<br />

Kein Wunder, dass Kunden mehrheitlich<br />

Preissteigerungen ablehnen, wie eine<br />

Umfrage des Marktforschungsinstituts<br />

Toluna herausfand.<br />

Deshalb haben wir den Beitrag und die<br />

Leistung der Canada Life-SBU voll und<br />

ganz garantiert. Dies verhindert für die<br />

gesamte Laufzeit, dass Beiträge ansteigen.<br />

Auch die vereinbarten Leistungen sind<br />

vollumfänglich garantiert. So können<br />

Canada Life-Kunden die Sicherung ihrer<br />

Arbeitskraft langfristig planen.<br />

Können Canada Life-Kunden ihren<br />

BU-Schutz anpassen?<br />

Um den Vertrag an die persönliche<br />

Lebenssituation anzupassen, steht Kunden<br />

eine umfassende Nachversicherungsgarantie<br />

zur Verfügung. So ist eine Erhöhung<br />

ohne erneute Gesundheitsprüfung<br />

bei einer Heirat, bei einem größeren<br />

Gehaltssprung, bei Nachwuchs oder dem<br />

Kauf von Wohneigentum möglich. Ganz<br />

ohne besonderen Grund geht dies auch<br />

zum 5. oder 10. Jahrestag des Versicherungsbeginns.<br />

Was kostet dieser besondere SBU-Tarif der<br />

Canada Life?<br />

Da wir gänzlich ohne „BU-Sonder-Aktionen“<br />

arbeiten, können sich unsere<br />

Beiträge durchaus mit attraktiven Konkurrenz-Produkten,<br />

die ebenfalls ein<br />

Top-Bedingungswerk vorweisen, messen<br />

lassen.<br />

FAIRSTER<br />

LEISTUNGS-<br />

REGULIERER<br />

Berufsunfähigkeitsversicherer<br />

8 weitere Anbieter erhielten<br />

die Note Sehr Gut<br />

Im Test: 39 Berufsunfähigkeitsversicherer<br />

Ausgabe 06/<strong>2018</strong><br />

Bernhard Rapp<br />

Das Gespräch führte Björn Bergfeld!<br />

Vielen Dank für das Interview!<br />

Lorem ipsu<br />

Seite 19


Automatisierte Bedarfserkennung<br />

für Versicherungen<br />

Mit der App treefin sollen Kunden künftig vollautomatisiert auf bestehende Versicherungslücken hingewiesen<br />

werden – durch Zugriff der App auf die Kontodaten. Das dazugehörige Fintech ist eine Tochter<br />

der Wüstenrot & Württembergische-Gruppe (W&W). Wie die Technik funktionieren soll, erklärt Johannes<br />

Kotzerke, Senior Data Scientist der treefin GmbH.<br />

Foto: © oonal / istockphoto.com<br />

Wir befinden uns in schnelllebigen<br />

Zeiten: Informationen strömen auf<br />

uns ein, wir haben immer größer werdende<br />

Netzwerke an Freunden und<br />

sowohl berufliche als auch persönliche<br />

Verpflichtungen zum Beispiel<br />

gegenüber Freunden und Familie oder<br />

dem Sportverein. Dadurch sind wir<br />

häufig sehr beschäftigt und vermögen<br />

nur bedingt, besagten Verpflichtungen<br />

nachzukommen. Dieser aktive<br />

Lebensstil lässt wenig Zeit, um wichtige,<br />

aber oft unliebsame Aufgaben wie<br />

die Auswahl und Aktualisierung von<br />

Versicherungen zu erledigen.<br />

Weiterhin ist den meisten Menschen<br />

nicht bewusst, auf welche Aspekte sie<br />

achten müssen oder welche Eigenheiten<br />

ihres Lebens einer Absicherung<br />

bedürfen. Häufig weiß der Laie nicht,<br />

ob und wann sich seine Bedürfnisse<br />

geändert haben. Eine automatisierte<br />

Bedarfserkennung anhand von Kontoumsätzen<br />

wäre ein erster konkreter<br />

Ansatz. Sie hat die Vorteile, dass sie<br />

jederzeit zur Verfügung steht und<br />

keine menschliche Interaktion stattfinden<br />

muss. Sind die Anforderungen<br />

eines Kunden erst einmal erkannt,<br />

kann ein Versicherungsmakler oder<br />

Finanzberater des Vertrauens in einem<br />

persönlichen Gespräch konkrete Hilfestellung<br />

anbieten.<br />

Ganz wichtig sind dabei die Datensicherheit<br />

und der Datenschutz sensitiver<br />

persönlicher Daten. Es muss<br />

sichergestellt sein, dass die Daten<br />

unter keinen Umständen, bewusst<br />

oder unbewusst, in Hände von Unbefugten<br />

gelangen. In dieser Hinsicht ist<br />

der Anbieter der Applikation gefragt:<br />

Daten müssen verschlüsselt übertragen<br />

und in Deutschland abgespeichert<br />

werden. Zusätzlich ist es wichtig, dass<br />

der Nutzer stets die Kontrolle über<br />

seine Daten behält: Kontoumsätze<br />

müssen anonymisiert ausgewertet<br />

werden, sodass diese keinerlei Rückschlüsse<br />

auf seine Person zulassen.<br />

Lediglich beim expliziten Abschicken<br />

einer Beratungsanfrage dürfen persönliche<br />

Daten wie zum Beispiel der<br />

Name übertragen werden.<br />

Idee<br />

Kontoumsätze verraten viel über ihre<br />

„Verursacher“. Es lassen sich daraus<br />

zum Beispiel wichtige soziodemographische<br />

Merkmale wie Beziehungsstatus,<br />

Wohnort, Haushaltsgröße,<br />

das ungefähre Alter und Geschlecht,<br />

aber auch Vorlieben, Hobbies und<br />

Prioritäten ableiten. Ebenso werden<br />

bestehende Versicherungen durch die<br />

entsprechenden Beitragszahlungen<br />

ersichtlich. Es ergibt sich ein granulares<br />

Bild des Kunden. Die soziodemographischen<br />

Merkmale erlauben eine<br />

automatisierte Erkennung der Bedürfnisse<br />

beispielsweise angelehnt an die<br />

DIN SPEC 77222, die Anforderungen<br />

an die standardisierte Finanzanalyse<br />

für den Privathaushalt festlegt.<br />

Konkrete Umsetzung<br />

Diverse Kontobewegungen lassen<br />

automatisierte Schlüsse zu. Kontoumsätze<br />

enthalten den Verwendungszweck<br />

und den Betrag sowie<br />

den Überweisenden bzw. den Empfänger<br />

und dessen Bankverbindung,<br />

den Typ des Umsatzes wie Lastschrift,<br />

Gutschrift, Überweisung oder Barabhebung,<br />

das Buchungsdatum und<br />

den Geschäftsvorfallcode aus dem<br />

Bankenzahlungsverkehr.<br />

Exemplarisch möchten wir hier die<br />

regelbasierte Kindergelderkennung<br />

herausgreifen. Das Kindergeld wird<br />

im Normalfall von einer Familienkasse<br />

angewiesen, der Betrag ist vorgegeben:<br />

194 Euro bei einem Kind, 388 Euro bei<br />

zwei, 588 Euro bei drei und weitere<br />

225 Euro bei jedem weiteren Kind. Der<br />

Verwendungszweck folgt dem Schema<br />

123FK456789: 123 ist die zuständige<br />

Familienkasse als Zifferncode, 456789<br />

die Kindergeldnummer, wobei die<br />

letzte Stelle den Ausführungszeitpunkt<br />

angibt (hier 9: Ende des Monats).<br />

Diese Eigenschaften genügen, um<br />

Kindergeldzahlungen eindeutig zu<br />

identifizieren. Weiterhin kann anhand<br />

des erhaltenen Kindergelds auch auf<br />

die Anzahl der Kinder geschlossen<br />

werden, die abgesichert und versichert<br />

werden müssen.<br />

Die regelbasierte Umsatzerkennung<br />

kann aber auch an ihre Grenzen stoßen,<br />

Seite 20 01/<strong>2018</strong>


Netzwelt<br />

da die Regeln meist auf den entsprechenden<br />

Anwendungsfall optimiert<br />

werden. Methoden des Machine Learning<br />

können stattdessen eingesetzt<br />

werden, um zum Beispiel Umsätze in<br />

Kategorien wie etwa Lebenshaltung<br />

und Versicherungen einzuteilen oder<br />

einzelne Kunden einer Kundengruppe<br />

mit ähnlichen Ausgaben unter der<br />

Annahme ähnlicher (Versicherungs-)<br />

Bedürfnisse zuzuweisen.<br />

Lebensverändernde<br />

Ereignisse<br />

Ein weiterer Ansatz ist, lebensverändernde<br />

Ereignisse anhand der Kontenbewegungen<br />

zu erkennen oder sogar<br />

vorherzusagen. Dadurch können<br />

(pro-)aktiv Versicherungsoptimierungen<br />

empfohlen werden. Dies kann<br />

besonders hilfreich sein, wenn dem<br />

Kunden selbst nicht alle Implikationen<br />

oder Konsequenzen bewusst sind.<br />

Ein gutes Beispiel dafür ist die<br />

bevorstehende Geburt eines Kindes:<br />

Die Geburt muss beim Standesamt<br />

angezeigt werden, Kindergeld muss<br />

beantragt werden, Ausbildungsversicherungen<br />

und Sparverträge können<br />

abgeschlossen werden. Viele dieser<br />

(administrativen) Vorgänge können<br />

in den ersten Wochen und Monaten<br />

leicht übersehen werden, weil<br />

die Eltern noch in ihre Rolle hineinwachsen<br />

und andere Prioritäten als<br />

Versicherungen haben. Eine dezente,<br />

aber proaktive Erinnerung im richtigen<br />

Moment kann hier Abhilfe schaffen<br />

und unaufdringlich und digital<br />

geschehen.<br />

Die Zukunft?<br />

Zu den wesentlichen Vorteilen der<br />

automatischen Bedarfserfassung gehören<br />

die Flexibilität, die verringerte<br />

Absicherungshürde und die Zeitersparnis.<br />

Der Absicherungsbedarf des<br />

Kunden kann anhand seiner Kontobewegungen<br />

automatisch geschätzt<br />

werden, gefolgt von der manuellen<br />

Korrektur eventueller Falscherkennungen<br />

durch ihn selbst. Dies kann zu<br />

jeder Tages- und Nachtzeit und daher<br />

im richtigen Kontext durchgeführt<br />

werden. Wenn nach der Erkennung<br />

in der Finanz-App des Vertrauens<br />

eine grobe Bedarfsübersicht angezeigt<br />

und eine Beratungsanfrage per<br />

Button gesendet werden kann, senkt<br />

sich besonders für junge Erwachsene<br />

die Hemmschwelle, sich über ihre<br />

Absicherungsmöglichkeiten zu informieren.<br />

Die automatisierte Erkennung von<br />

soziodemographischen Merkmalen<br />

oder lebensverändernden Ereignissen<br />

schafft neue Möglichkeiten und<br />

erhöht die Flexibilität. Meistens ist<br />

allerdings trotzdem die Mitarbeit des<br />

Versicherungsnehmers erforderlich,<br />

um zum Beispiel sein Geburtsdatum<br />

zu erfassen. Es gibt Umsätze, die auf<br />

den Geburtstag schließen lassen wie<br />

etwa Geburtstagsüberweisungen. Da<br />

dies aber nicht immer der Fall ist, darf<br />

sich darauf nicht blind verlassen werden.<br />

Des Weiteren lassen sich persönliche<br />

Motive und langfristige Ziele nur<br />

sehr schwer allumfassend ermitteln.<br />

Deshalb kann und sollte eine automatisierte<br />

Bedarfserkennung keine<br />

komplette Beratung ersetzen, aber<br />

eine gute Unterstützung darstellen.<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Dr. Johannes Kotzerke<br />

Foto: © dimdimich / istockphoto.com


Digitalisierung: Superchance für<br />

den Vertrieb<br />

Gerade für Versicherungsmakler<br />

kann sich die Digitalisierung als<br />

Chance entpuppen, schreibt Benjamin<br />

Papo, CEO von Finanzchef24,<br />

in seinem Gastkommentar.<br />

Die Digitalisierung ist der Sprengmeister<br />

der traditionellen Versicherungswirtschaft.<br />

Sie stellt ganze<br />

Geschäftsmodelle auf den Prüfstand<br />

und zwingt die Branche, sich komplett<br />

neu aufzustellen. Vorneweg immer<br />

mit dabei – die InsurTechs. Sie haben<br />

längst verstanden, worum es eigentlich<br />

geht: Dem Kunden einen besseren<br />

Service zu bieten und Produkte aus<br />

seiner Perspektive zu denken. Denn<br />

darin liegt die eigentliche Superchance<br />

der Digitalisierung.<br />

Dafür muss sich der Markt nicht einmal<br />

neu erfinden. Die Faktoren für den<br />

Erfolg im Vertrieb haben sich trotz des<br />

Internets nicht verändert.<br />

Aber es gibt neue Spielregeln, die die<br />

Makler und Versicherer beherrschen<br />

Foto: ThomasVogel / istockphoto.com<br />

müssen, um den Kunden auch in<br />

Zukunft überzeugen zu können.<br />

Was braucht der<br />

Kunde von morgen?<br />

Ob gestern, heute oder morgen: Das<br />

was der Kunde sucht, ist immer sein<br />

bestes Preis-Leistungs-Verhältnis.<br />

Dank des Internets geht das heute sehr<br />

viel einfacher als in der Vergangenheit,<br />

als der Kunde noch selbst in fünf verschiedene<br />

Läden gehen musste, um<br />

Preise zu vergleichen und sich beraten<br />

zu lassen. Heute zückt er einfach<br />

sein Handy aus der Tasche, vergleicht<br />

das Produkt seiner Wahl und findet<br />

schnell alle relevanten Informationen<br />

samt dem Anbieter mit dem besten<br />

Angebot.<br />

Die Informationsasymmetrie, die ein<br />

schlechter Verkäufer früher zu seinen<br />

Gunsten ausnutzen konnte, gibt es<br />

nicht mehr. Der moderne Kunde hat<br />

sich emanzipiert.<br />

Er ist mobil, informiert und vergleicht<br />

bevor er kauft.<br />

Damit steigt auch die Konkurrenz:<br />

Stand der stationäre Makler früher<br />

nur mit seinen regionalen Kollegen<br />

im Wettstreit, muss er sich heute<br />

auch gegen Online-Vergleichsplattformen<br />

behaupten. Gerade einfache<br />

Versicherungsprodukte wie die Privathaftpflicht<br />

oder die KFZ-Versicherung<br />

werden immer häufiger mit nur<br />

wenigen Klicks im Netz abgeschlossen<br />

- ganz ohne die Beratungsleistung eines<br />

Maklers.<br />

Und trotzdem wird die Digitalisierung<br />

eine fachkundige Beratung nicht ersetzen.<br />

Gerade wenn es um komplexe<br />

Versicherungen geht, wie Berufsunfähigkeit<br />

oder Gewerbe. Mit einem<br />

großen Unterschied: Die meisten<br />

Kunden haben sich bereits vor dem<br />

Gespräch online informiert.<br />

Kenne deinen Kunden!<br />

Wer auch in Zukunft vorne mitmischen<br />

möchte, muss die Bedürfnisse<br />

seiner Kunden kennen. Denn ein<br />

erfolgreicher Berater war schon immer<br />

der, der seinen Kunden am besten<br />

kannte. Alleine dieses Wissen befähigt<br />

einen Verkäufer, seine Verkaufsstrategie<br />

genau nach seinem Kunden auszurichten<br />

und ihn mit dem passenden<br />

Produkt zu bedienen. Dank der Daten,<br />

die der Kunde mit jedem Klick im Netz<br />

hinterlässt, war es noch nie einfacher,<br />

Informationen über ihn zu sammeln.<br />

Die große Kunst liegt dabei jedoch<br />

darin, die Daten effizient auszuwerten<br />

und die richtigen Erkenntnisse für den<br />

Vertrieb daraus zu ziehen.<br />

Mit Fachkompetenz und<br />

Kosteneffizienz - gemeinsam<br />

stark am Markt<br />

Der digitale Makler muss - wie auch<br />

ein etablierter Versicherer - die<br />

Kunden von seiner Fachkompetenz<br />

überzeugen und dazu mit dem besten<br />

Preis-Leistungs-Angebot bedienen.<br />

Und das am besten möglichst kosteneffizient<br />

für sein eigenes Unternehmen.<br />

Wer das schafft, ist schon heute der<br />

Gewinner am Markt und wird es auch<br />

morgen bleiben.<br />

Die InsurTechs sind dafür gerüstet.<br />

Im Gegensatz zu etablierten Versicherern<br />

arbeiten sie mit neu entwickelten<br />

Datenmodellen und müssen<br />

nicht erst historisch gewachsene Systeme<br />

so anpassen, dass sie auf die neue<br />

Marktsituation angewandt werden<br />

können. Durch die meist effizienteren<br />

Prozesse können sie ihre Dienstleistungen<br />

kostengünstiger anbieten. Das<br />

wirkt sich dementsprechend auf die<br />

Seite 22


Netzwelt<br />

Preise aus. Eine Win-Win-Situation<br />

sowohl für die Kunden als auch für<br />

das Unternehmen.<br />

Eine Bedrohung sind die neuen Player<br />

damit trotzdem nicht: Mit ihren technischen<br />

Möglichkeiten und innovativen<br />

Ansätzen sind sie viel mehr eine<br />

Bereicherung für etablierte Versicherer<br />

und Makler. Um gemeinsam die digitale<br />

Zukunft zu gestalten, ist es umso<br />

wichtiger, dass neue und traditionelle<br />

Unternehmen effektiv zusammenarbeiten.<br />

Ein Gastkommentar von<br />

Benjamin Papo<br />

Finanzchef24 GmbH<br />

Benjamin Papo<br />

CEO von Finanzchef24 GmbH<br />

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Online-Präsenz als Versicherungsmakler<br />

– das Maklerbüro der Zukunft<br />

Bastian Kunkel aus Aschaffenburg ist Versicherungsmakler mit einem Studium der Betriebswirtschaft und<br />

Recht in der Tasche. Auf seinem Youtube-Kanal „Versicherungen mit Kopf“ schafft er es erfolgreich, eine junge<br />

Zielgruppe für Versicherungsthemen zu gewinnen: das brachte ihm den ersten Platz bei den Jungmakler<br />

Awards 2017 auf der DKM in Dortmund ein. In seinem Gastkommentar erklärt er, warum er bei seiner Maklertätigkeit<br />

auf Onlinepräsenz und soziale Medien setzt.<br />

Foto: © ipopba / istockphoto.com<br />

Bastian Kunkel<br />

Versicherungen mit Kopf<br />

Das wir uns im so genannten „digitalen<br />

Zeitalter“ befinden, dürfte kein<br />

Geheimnis mehr sein. Diese neue Epoche<br />

zeichnet sich dadurch aus, dass sich<br />

viele verschiedene Dienstleistungen<br />

von einer bisher reinen Offline-Präsenz<br />

hin zu einer Online-Präsenz (oder<br />

einer Mischform aus beiden) entwickeln.<br />

Eine dieser Branchen ist auch<br />

die Versicherungsbranche, genauer<br />

gesagt die Versicherungsmakler, die<br />

in dieser tätig sind. Denn längst ist es<br />

nicht mehr nur so, dass der Versicherungsmakler<br />

zum Kunden fährt oder<br />

dieser zum Makler ins Büro kommt.<br />

Termine finden mittlerweile komplett<br />

ohne die „echte“ Präsenz beider Parteien<br />

virtuell statt.<br />

Nun teilen sich an dieser Stelle oft die<br />

Meinungen. Die eine Seite sagt: “Nein,<br />

so geht das nicht, wie soll denn über<br />

den Computer Vertrauen aufgebaut<br />

werden?“, während die andere Seite<br />

all den neuen, digitalen Möglichkeiten<br />

des Versicherungsvertriebes positiv<br />

und offen gegenübersteht. Zu letzteren<br />

zähle auch ich mich – und zwar nicht<br />

Seite 24 01/<strong>2018</strong>


nur, weil ich es „cool“ und „modern“<br />

finde, sondern schlichtweg deshalb,<br />

weil ich in 5 Jahren auch noch meinen<br />

Job als Versicherungsmakler haben<br />

möchte.<br />

Der Kunde will online<br />

abgeholt werden!<br />

Wer sich jetzt nicht damit auseinandersetzt,<br />

wie er sich als Versicherungsmakler<br />

online präsentiert, eine<br />

Online-Marke aufbaut und lernt,<br />

wie man Kunden online gewinnen<br />

kann, wird meiner Meinung nach<br />

in wenigen Jahren überhaupt keine<br />

Rolle mehr spielen. Schlichtweg, weil<br />

jener Versicherungsmakler nicht mehr<br />

gefunden werden wird, wenn er keine<br />

Online-Präsenz hat. Und wer nicht<br />

gefunden wird, der kann auch nur<br />

schlecht Kunden gewinnen. Die nun<br />

heranwachsende Generation an potenziellen,<br />

zukünftigen Kunden, sowie<br />

auch die schon so oft zitierte „Generation<br />

Y“ ist einfach mehr im Internet<br />

und in den sozialen Medien unterwegs<br />

und will auch dort abgeholt werden –<br />

auch bei Versicherungsthemen!<br />

Wenn ich meine Kunden frage, warum<br />

sie jetzt mich kontaktiert haben,<br />

obwohl ich beispielsweise doch 250<br />

Kilometer weit weg sitze und nicht den<br />

Versicherungsmakler vor Ort, dann<br />

ist die Antwort meist die gleiche: „Ich<br />

konnte mich mit der Online-Beratung<br />

einfach mehr identifizieren, fühle<br />

mich wohler dabei. Laptop auf, los geht<br />

die Beratung, danach wieder Laptop<br />

zu – fertig.“ Es ist einfach und durch<br />

die Videoübertragung trotzdem sehr<br />

persönlich.<br />

Die entscheidende<br />

Komponente<br />

Möglich macht dies aber erst eine<br />

Online-Präsenz, die dem Kunden<br />

alle Möglichkeiten gibt, den Versicherungsmakler<br />

im Vorfeld kennenzulernen.<br />

Denn hier kommen wir nun<br />

an die entscheidende Komponente,<br />

ohne die einfach nichts geht im Versicherungsvertrieb:<br />

VERTRAUEN. Und<br />

dieses gilt es sowohl offline als auch<br />

online zu gewinnen, sonst läuft nämlich<br />

gar nichts. Sprich, es ist enorm<br />

wichtig, mit seiner Online-Präsenz<br />

bereits eine starke Vertrauensbasis<br />

aufzubauen.<br />

Dafür ist es wichtig, dass man auf<br />

den Kanälen im Internet aktiv ist,<br />

auf denen auch die eigene Zielgruppe<br />

unterwegs ist. Es bringt nichts, jeden<br />

Tag auf Facebook zu posten, wenn die<br />

eigentliche Kern-Zielgruppe hauptsächlich<br />

auf XING unterwegs ist. Und<br />

ein Post á la „Melden sie sich bei uns,<br />

wir finden die günstigste KFZ-Versicherung<br />

für sie!“, gehört definitiv nicht<br />

in die Kategorie von vertrauensbildenden<br />

Maßnahmen. Dies nur mal als<br />

kleiner Gedankenanstoß am Rande.<br />

Ich sehe das Maklerbüro und die Tätigkeit<br />

eines Versicherungsmaklers in<br />

der Zukunft als sehr flexibel und von<br />

Technologie unterstützt. Viele Prozesse<br />

in der Beratung werden standardisiert<br />

und durch digitale Lösungen vereinfacht.<br />

Durch Videoberatung mittels<br />

zum Beispiel Skype und der digitalen<br />

Unterschrift mit Hilfe diverser Tools<br />

(z.B. InSign) auf Antrag und Beratungsprotokoll<br />

kann bereits jetzt ein<br />

kompletter Beratungsprozess stattfinden,<br />

ohne, dass der Makler wirklich<br />

vor Ort sein muss.<br />

Stationäre Maklerbüros werden sich<br />

nur noch die wenigsten finanziell leisten<br />

können, da dies ein zu großer Kostenfaktor<br />

ist. Nicht nur deshalb muss<br />

es auch eine gewisse Ortsunabhängigkeit<br />

des Versicherungsmaklers geben,<br />

um eben auch mit diversen Insure-<br />

Techs, aber auch anderen „Online-Maklern“,<br />

die ja deutschlandweit aktiv<br />

sind, mithalten zu können. Denn diese<br />

können ganz einfach in ihrem Gebiet<br />

mit ihnen konkurrieren, aber sie nicht<br />

mit denen in deren Gebiet (= ganz<br />

Deutschland).<br />

Die Aufgabe eines Versicherungsmaklers<br />

wird, so denke ich, weiterhin darin<br />

liegen, dem Kunden individuell in<br />

seinen Versicherungsfragen weiterzuhelfen.<br />

Allerdings eben auf andere Art<br />

und Weise, durch digitale Lösungen.<br />

Die „Laufkundschaft“ von früher muss<br />

man nun im Internet suchen und auf<br />

sich aufmerksam machen, damit diese<br />

bei Ihnen im „digitalen Makler-Büro“<br />

vorbei schaut.<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Bastian Kunkel


Stellenmarkt: „Viele Arbeitgeber<br />

benehmen sich wie ein Mann, der<br />

auf der Straße wildfremde Frauen<br />

fragt, ob sie ihn heiraten wollen“<br />

Foto: © spyderskidoo / istockphoto.com<br />

Eine Stellenbörse nur für die Versicherungsbranche – kann das funktionieren? Ja, wie das Beispiel von<br />

Hans Steup zeigt. Mit „VersicherungsKarrieren“ betreibt Steup seit 2011 eine Stellenbörse, die sich ganz<br />

auf Jobs, Events und Kontakte rund um Versicherungen spezialisiert hat. Der <strong>Versicherungsbote</strong> hat mit<br />

dem gelernten Versicherungskaufmann und Networker gesprochen.<br />

Sie betreiben Deutschlands ersten reinen<br />

Stellenmarkt für Versicherungen.<br />

Wie kamen Sie dazu? Und wie wird das<br />

Angebot angenommen?<br />

Nach fast zwanzig Jahren bei der Allianz<br />

suchte ich eine neue Beschäftigung.<br />

Als KV-Vertriebs-Unterstützer in Berlin<br />

keine leichte Aufgabe. Zum einen<br />

schreiben viele Unternehmen ihre<br />

Jobs nicht aus. Keine Ahnung, wie<br />

sie eigentlich gefunden werden wollen.<br />

Zum anderen rufen ahnungslose<br />

Personal-Vermittler an, suchen einen<br />

KV-Sachbearbeiter, meinen aber einen<br />

Kfz-Versicherungs-Sachbearbeiter. Es<br />

war ein riesiges Durcheinander. In<br />

meinen Gesprächen mit Arbeitgebern<br />

kam heraus, dass auch die Unternehmen<br />

genervt waren von der komplizierten<br />

Suche nach Mitarbeitern. Ein<br />

zentraler Stellenmarkt für die Versicherungsbranche<br />

musste also her.<br />

Welche Wege empfehlen Sie Finanzdienstleistern<br />

(darüber hinaus), um<br />

Mitarbeiter zu gewinnen? Hat die klassische<br />

Stellenanzeige ausgedient?<br />

Stellenanzeigen sind oft das erste, was<br />

ein möglicher Mitarbeiter von Ihrem<br />

Unternehmen sieht. Klassische Stellenanzeigen<br />

lesen sich allerdings wie<br />

Bedienungs-Anleitungen. Sterbenslangweilig.<br />

Teilweise unverständlich.<br />

Darauf bewirbt sich niemand mehr.<br />

Miese Stellenanzeigen schrecken gute<br />

Mitarbeiter sogar ab. Denn diese haben<br />

die freie Wahl. Nur eine Story-basierte<br />

Stellen-Ausschreibung gibt möglichen<br />

Kandidaten ein Gefühl dafür, wie es<br />

ist, in Ihrem Unternehmen zu arbeiten.<br />

Alles andere ist wirkungsloses Blabla.<br />

Wo können Finanzdienstleister denn<br />

gezielt proaktiv suchen, um neue Mitarbeiter<br />

für den Versicherungsvertrieb<br />

zu finden? Gibt es Plattformen, die Sie<br />

empfehlen können – oder gar Geheimtipps?<br />

Es gibt keine Plattform, auf der Sie gezielt<br />

Versicherungs-Vermittler finden können.<br />

Bei einer Fluktuation von circa zehn<br />

Prozent in der Branche sucht auch nur<br />

einer von zehn aktiv Arbeit auf Jobbörsen.<br />

Wie erreichen Sie die anderen<br />

neun, die nicht aktiv suchen? Mögliche<br />

Kundenberater, Agenturpartner und<br />

Nachfolger sitzen bundesweit verstreut<br />

in tausenden Versicherungsbüros. Dort<br />

müssen Sie Leute finden, die in irgendeiner<br />

Weise unzufrieden sind. Und die<br />

sich bei einem verlockenden Angebot<br />

vorstellen können, ihren jetzigen Job<br />

zu kündigen und zu Ihnen zu wechseln.<br />

Zum Beispiel über Facebook-Jobanzeigen.<br />

Wenn Sie dabei systematisch vorgehen,<br />

kann Ihnen auch die erweiterte<br />

Suche bei Xing helfen.<br />

Seite 26<br />

01/<strong>2018</strong>


Karriere<br />

Sie empfehlen, Stellen auch via Social<br />

Media zu bewerben. Wie gewinnt man<br />

dort Mitarbeiter? Es langt ja nicht einfach,<br />

eine gute und beeindruckende<br />

Facebook- oder Xing-Seite zu haben<br />

– sie muss von der Zielgruppe auch<br />

entdeckt werden!<br />

Eine Seite bei Facebook oder Xing<br />

zu haben, bringt gar nichts, wenn<br />

Sie nicht regelmäßig und gezielt Beiträge<br />

schreiben. Denn die organische<br />

Reichweite einzelner Beiträge über<br />

eine Facebook-Firmen-Seite sinkt seit<br />

Jahren. Mark Zuckerberg kündigte<br />

an, dass sich dieser Trend in <strong>2018</strong><br />

verstärke. Nur mit zielgerichteter<br />

Bezahl-Werbung erreichen Sie die<br />

Menschen, die Sie erreichen wollen.<br />

Trotz allem war es für Unternehmen<br />

nie zuvor einfacher und preiswerter,<br />

Menschen zu erreichen. Schreiben Sie<br />

auch in Facebook-Gruppen: hilfreiche<br />

Kommentare und Beiträge, die die<br />

Mitglieder der Gruppe, bestenfalls<br />

Ihre Zielgruppe, weiterbringen.<br />

„Festigen Sie Ihren guten Ruf“, heißt<br />

einer Ihrer Ratschläge, um neue Mitarbeiter<br />

zu überzeugen. Wie kann das<br />

aussehen? Hierbei gilt es ja auch zu<br />

bedenken, dass die Vermittler- und<br />

Finanzbranche allgemein ein eher negatives<br />

Image hat.<br />

Das Image haben wir selbst verzapft.<br />

Mit manch` schlecht ausgebildeten<br />

Vermittler und einigen gierigen Führungskräften.<br />

Mein Selbstmitleid hält<br />

sich in Grenzen. Um negative Schlagzeilen<br />

müssen wir uns nicht kümmern.<br />

Dafür gibt es Verbraucherschützer,<br />

ZDF-WISO und unterbeschäftigte<br />

Zeitungs-Redakteure. Wir müssen<br />

für schöne Schlagzeilen sorgen. Und<br />

zwar selbst. Versicherer zahlen jedes<br />

Jahr rund 208 Milliarden Euro an Leistungen.<br />

Das sind alle zehn Minuten<br />

vier Millionen Euro für verletzte und<br />

kranke Menschen, überschwemmte<br />

Wohnhäuser und abgebrannte Lagerhallen.<br />

Das müssen wir den Menschen<br />

erzählen: die Motivation, warum<br />

wir Versicherungen verkaufen. Auf<br />

unseren Webseiten und bei Facebook.<br />

Jeden Tag.<br />

Makler, Finanzberater oder Vertriebsleiter<br />

müssen auch gute Verführer sein,<br />

schreiben Sie auf Ihrer Webseite. Was<br />

meinen Sie damit? Was zeichnet einen<br />

guten Verführer aus – und wozu muss<br />

er „verführen“?<br />

Verführung läuft in drei Stufen: Kennen<br />

lernen, lieben lernen, haben wollen.<br />

In genau dieser Reihenfolge. Viele<br />

Arbeitgeber sind schlechte Verführer<br />

und benehmen sich wie ein Mann,<br />

der auf der Straße wildfremde Frauen<br />

fragt, ob sie ihn heiraten wollen. Kandidaten<br />

wollen wissen: Wie ist das<br />

Unternehmen so? Passt es zu mir?<br />

Wie hilft es mir, meinen Job gut zu<br />

machen? Zeigen Sie das potentiellen<br />

Kandidaten.<br />

Die Branche hat ein Nachwuchsproblem.<br />

Versicherungs- und Finanzvermittler<br />

haben ein Durchschnittsalter, das auf<br />

die 50 Jahre zugeht, so zeigen mehrere<br />

Befragungen. Macht die Branche<br />

aus Ihrer Sicht selbst genug, um neue<br />

Mitarbeiter für den Vermittlerberuf zu<br />

begeistern?<br />

Viele Unternehmen stellen sich selbst<br />

in den Mittelpunkt. Ego-Kram. Sie<br />

spielen das alte Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Spiel.<br />

Heute sucht niemand<br />

ein Unternehmen, das ihm Arbeit<br />

gibt, die er dann nehmen kann. Stellen<br />

Sie den Kandidaten als Mensch in<br />

den Mittelpunkt. Zeigen Sie ihm, wie<br />

Sie ihn auf seinem beruflichen Weg<br />

begleiten. Bewerben Sie sich bei ihm.<br />

Ansonsten kommt er nicht zu Ihnen.<br />

Die Branche stellt auf digital um - Fast<br />

täglich berichten wir von Stellenabbau<br />

in der Versicherungs- und Finanzbranche,<br />

sei es im Vertrieb oder Innendienst.<br />

Können Sie vor diesem Hintergrund<br />

jungen Menschen überhaupt empfehlen,<br />

eine Karriere in der Branche<br />

anzustreben?<br />

Wer sich als Risikomanager für Familien<br />

und Firmenkunden versteht, hat<br />

auch in Zukunft viel zu tun. Der im<br />

Durchschnitt schlecht informierte<br />

Kunde braucht einen qualifizierten<br />

Ratgeber. Hinzu kommen neue Berufsfelder:<br />

Versicherungskenntnisse plus<br />

Online-Marketing, plus Social Media,<br />

plus Storytelling uvm. Außerdem<br />

brauchen wir Prozess-Verbesserer<br />

und Produkt-Entwickler. Entdecker,<br />

die mit offenen Augen durch die Welt<br />

gehen und neue Ideen finden und<br />

bauen. Ich finde die Versicherungsbranche<br />

extrem spannend.<br />

Als Branchenbeobachter – Wie gestaltet<br />

sich aus Ihrer Sicht das Miteinander<br />

in Firmen von Finanzdienstleistern?<br />

Ein -möglicherweise- Klischee besagt<br />

ja, es herrscht hoher Vertriebsdruck,<br />

man muss schnell Erfolge liefern, von<br />

festen Arbeitszeiten kann keine Rede<br />

sein. Berechtigt?<br />

Ich höre noch zu viele Schauer-Geschichten<br />

aus Unternehmen. Nicht<br />

eingehaltene Versprechen. Und Führungskräfte,<br />

die in den 90ern das letzte<br />

Mal selbst beim Kunden waren und<br />

glauben, dass die alten Methoden noch<br />

immer funktionieren. An manchen<br />

dieser Leute sind Internet, Facebook<br />

und Xing komplett vorbeigerauscht.<br />

Solche Führungskräfte haben keinen<br />

blassen Schimmer von modernen<br />

Geschäftsmodellen für Vermittler. Auf<br />

der anderen Seite sorgen immer mehr<br />

außergewöhnliche mittelständische<br />

Vermittlerbetriebe dafür, dass ihre Mitarbeiter<br />

erfolgreich arbeiten können.<br />

Viele von denen betreiben leider kein<br />

gutes Arbeitgeber-Marketing, sodass<br />

diese Perlen potentiellen Mitarbeitern<br />

verborgen bleiben. Gutes Marketing<br />

ist selten bei Vermittlern.<br />

Was muss oder kann sich mit Blick auf<br />

das Betriebsklima in der Finanzbranche<br />

noch verbessern?<br />

Ganz einfach: Stärken Sie die Menschen<br />

und klären Sie die Dinge. Lassen<br />

Sie jede Führungskraft alle sechs<br />

Monate von den Mitarbeitern beurteilen.<br />

Vom Orgaleiter bis zum Vorstand.<br />

Und dann handeln Sie. Die Guten in‘s<br />

Töpfchen. Die Schlechten ins Kröpfchen.<br />

Fertig.<br />

Hans Steup<br />

Versicherungskarrieren.de-Gründer<br />

Das Gespräch führte Mirko Wenig<br />

Seite 27


„Wer selbst ausbildet, hat viele<br />

Vorteile!“<br />

Der Versicherungsvertrieb hat ein Nachwuchsproblem: Das Durchschnittsalter der Vermittler nähert sich<br />

den 50 Jahren an. Können Agenturen und Maklerbüros selbst etwas tun, um neue Fachkräfte zu gewinnen,<br />

sogar selbst ausbilden? Der <strong>Versicherungsbote</strong> hat mit zwei Fachleuten zu dieser Frage gesprochen:<br />

Dr. Katharina Höhn, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Berufsbildungswerks der Deutschen Versicherungswirtschaft<br />

(BWV) e.V. und Gerald Archangeli, Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher<br />

Versicherungskaufleute (BVK) und Mitglied im Vorstand des BWV e.V.<br />

<strong>Versicherungsbote</strong>: Woher bekommen<br />

Makler ihren Nachwuchs?<br />

Höhn: Es gibt ja nur die zwei Möglichkeiten:<br />

Entweder auf dem Arbeitsmarkt<br />

„einkaufen“ oder selbst ausbilden. Den<br />

eigenen Nachwuchs selbst auszubilden –<br />

und damit meine ich die klassische<br />

Berufsausbildung von Schulabsolventen<br />

– hat in der Versicherungswirtschaft<br />

eine gute Tradition.<br />

Gerald Archangeli<br />

Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher<br />

Versicherungskaufleute (BVK) und Mitglied im<br />

Vorstand des BWV e.V.<br />

Dabei gilt: Wer gut ausbildet, bekommt<br />

auch gute Mitarbeiter. Wer eine dreijährige<br />

Berufsausbildung zum Kaufmann<br />

bzw. zur Kauffrau für Versicherungen<br />

und Finanzen absolviert, ist gut vorbereitet<br />

auf alle Tätigkeiten im Innen- und<br />

Außendienst. Ein Makler, der selbst<br />

ausbilden kann – und dazu gibt es eine<br />

Reihe von Voraussetzungen – hat nach<br />

meiner Auffassung die besten Möglichkeiten,<br />

den Nachwuchs – auch in<br />

Hinblick auf eine spätere Übergabe –<br />

selbst aufzubauen.<br />

Archangeli: In der Tat haben wir einen<br />

zunehmenden Nachwuchsmangel. Das<br />

ist ein Problem, denn für die Bevölkerung<br />

ist die persönliche Ansprache und<br />

Motivation zur eigenen Absicherung<br />

von hoher sozialpolitischer Bedeutung.<br />

Also müssen wir dafür sorgen, dass<br />

wir als Branche in den eigenen Nachwuchs<br />

investieren. Auf dem Arbeitsmarkt<br />

geeignete Personen zu finden,<br />

ist schwierig.<br />

Man kann versuchen, Mitarbeiter aus<br />

dem Innendienst, die aufgrund der<br />

Digitalisierung andere Aufgabenbereiche<br />

benötigen, für den Außendienst zu<br />

gewinnen. Das „Mind Set“ im Außendienst<br />

ist allerdings ein anderes, und<br />

es bedarf vermutlich aufgrund häufiger<br />

Spezialisierungen im Innendienst einer<br />

nochmaligen fundierten Weiterbildung<br />

in der Breite der Sparten. Kurzum: Vermittlerbetriebe<br />

fahren besser, wenn sie<br />

junge Vermittlerinnen und Vermittler<br />

selbst ausbilden.<br />

Wie können Maklerbetriebe motivierte<br />

Azubis gewinnen?<br />

Archangeli: Da gibt es viele Möglichkeiten:<br />

Informationsveranstaltungen<br />

für Schulabgänger, örtliche Agenturen<br />

für Arbeit, Jobbörsen und Ausbildungsmessen,<br />

am besten mit einem<br />

eigenen Messestand als Visitenkarte des<br />

Vermittlerbetriebs. Ebenso kommen<br />

Anzeigen – insbesondere online – in<br />

den örtlichen Medien in Frage, auf<br />

jeden Fall auch die Suche über die<br />

eigene Vermittlerwebsite und über<br />

Social Media.<br />

Ich empfehle auch, Kundenkontakte<br />

zu nutzen, um ein Praktikum oder<br />

einen Ausbildungsplatz anzubieten. Als<br />

Vermittler kennt man Familien mit ausbildungsplatzsuchenden<br />

Jugendlichen.<br />

Im Versicherungsmarkt, dessen Dynamik<br />

durch die Digitalisierung in den<br />

nächsten Jahren beschleunigt wird,<br />

werden sich nur gut ausgebildete Vermittler<br />

behaupten können. Versicherungsexperten<br />

mit hoher fachlicher<br />

Kompetenz, intrinsischer Motivation<br />

zur lebenslangen Weiterbildung und<br />

Soft Skills sind deshalb sehr gefragt.<br />

Frau Dr. Höhn, was genau verbirgt sich<br />

hinter dem Begriff „Soft Skills“?<br />

Den Begriff „Soft Skills“ benutze ich<br />

selbst nicht so gerne. Der Begriff „Skill“<br />

zielt im eigentlichen Sinn auf Fertigkeiten<br />

ab, die man sich im Berufsalltag<br />

durch praktisches Tun aneignet. Dagegen<br />

ist nichts einzuwenden. Spricht<br />

Seite 28 01/<strong>2018</strong>


Karriere<br />

man von „Soft Skills“ sind aber häufig<br />

Eigenschaften gemeint, die in der Persönlichkeit<br />

eines Menschen verankert<br />

sind und die man sich nicht so leicht<br />

durch Training aneignen kann.<br />

Beispiele sind Eigeninitiative, Eigenverantwortung,<br />

Offenheit für Neues,<br />

Teamfähigkeit, Experimentierfreudigkeit,<br />

aber auch Höflichkeit, Redegewandtheit,<br />

Empathie.<br />

Solche Eigenschaften gewinnen bei<br />

der Personalauswahl immer mehr an<br />

Bedeutung. In einer digitalisierten<br />

Versicherungswirtschaft – was auch<br />

immer man darunter verstehen mag –<br />

werden gerade Menschen gesucht, die<br />

neugierig, experimentierfreudig und<br />

unkonventionell sind. Wenn ich als<br />

Makler ausbilden möchte, ist es wichtig<br />

vorher die Frage zu beantworten:<br />

Was für einen Menschen brauche ich<br />

eigentlich in der Zukunft, um mein<br />

Geschäft erfolgreich zu betreiben? Es ist<br />

dann hilfreich, mutig zu sein und nicht<br />

eine „Kopie meiner selbst“ zu suchen.<br />

Sollten Maklerbetriebe dann nicht direkt<br />

ausbilden?<br />

Archangeli: Richtig! Das hat gleich mehrere<br />

Vorteile:<br />

Und wenn der oder die Auszubildende<br />

die Ausbildung abgeschlossen hat, in<br />

den Hauptverwaltungen im Innendienst<br />

aber nicht übernommen werden<br />

kann, besteht eine große Chance<br />

darin, ältere Agenturinhaber mit diesen<br />

jungen Kaufleuten in Kontakt zu<br />

bringen, um den Betrieb schließlich<br />

zu übernehmen.<br />

Was muss ein Makler tun, wenn er<br />

ausbilden will?<br />

Höhn: Die örtliche IHK prüft die<br />

Eignung als Ausbildungsbetrieb und<br />

hilft Maklern, die das zum ersten Mal<br />

machen möchten.<br />

Zu den formalen Kriterien, die ein<br />

Ausbilder erfüllen muss, gehören die<br />

persönliche sowie die fachliche Eignung.<br />

Die persönliche Eignung liegt vor,<br />

wenn man Jugendliche beschäftigen<br />

darf und nicht wiederholt oder schwer<br />

gegen das Berufsbildungsgesetz verstoßen<br />

hat. Neben diesen formalen<br />

Kriterien sind jedoch weitere Eigenschaften<br />

wie z.B. Geduld und Freude<br />

am Umgang mit jungen Menschen<br />

hilfreich.<br />

einem Betrieb mit 1-2 Fachkräften nur<br />

ein Auszubildender ausgebildet werden.<br />

Für mich ist außerdem die persönliche<br />

Einstellung des Maklers sehr wichtig<br />

– das muss jemand mit Herzblut<br />

machen und sich auf die jungen Leute<br />

einstellen. Wer mit Respekt vor jungen<br />

Menschen an die Sache herangeht, für<br />

den kann Ausbildung eine großartige<br />

Bereicherung sein. Ich würde meinen<br />

Auszubildenden das Erschließen neuer<br />

Kommunikationskanäle über Social<br />

Media überantworten und versuchen,<br />

ihre kreativen Ideen in mein Geschäftsmodell<br />

zu integrieren. Wir können von<br />

der Jugend unendlich viel lernen – und<br />

umgekehrt natürlich auch.<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Dr. Katharina Höhn und<br />

Gerald Archangeli<br />

• Auszubildende können durch den<br />

persönlichen Kontakt und die<br />

intensive Zusammenarbeit an die<br />

Agentur oder den Makler gebunden<br />

werden<br />

• Auszubildende wachsen langfristig<br />

in die Betriebsabläufe hinein, was<br />

ihre Verbundenheit mit dem Vermittlerbetrieb<br />

erhöht<br />

• Auszubildende sind in ihren Ansichten<br />

und Arbeitsweisen noch offen,<br />

was ihrer Flexibilität förderlich ist<br />

• schließlich erhalten Auszubildende<br />

in Agenturen eine spezifische,<br />

außendienstbezogene und fachlich<br />

hochwertige Ausbildung<br />

• Es besteht die Möglichkeit für leistungsstarke<br />

Auszubildende, gegebenenfalls<br />

den Betrieb zu übernehmen<br />

Eine Ausbildung in Vertriebseinheiten<br />

bietet auch für junge Menschen viele<br />

Vorteile: abwechslungsreiche Aufgabengebiete,<br />

selbstständige inhaltliche und<br />

zeitliche Arbeitsgestaltung und direkten<br />

Kundenkontakt – um einige zu nennen.<br />

Die fachliche Eignung kann man an<br />

drei Kriterien festmachen:<br />

• der Ausbilder verfügt selbst über<br />

eine abgeschlossene Berufsausbildung<br />

• hat einige Jahre selbst Erfahrungen<br />

in dem Beruf sammeln können,<br />

in dem er nun ausbilden möchte<br />

• kann als Ausbilder theoretische<br />

sowie praktische berufs- und<br />

arbeitspädagogische Kenntnisse<br />

nachweisen.<br />

Als Nachweis gilt das Bestehen der<br />

Prüfung gem. der Ausbilder Eignungsverordnung<br />

(AEVO). Als Versicherungsfachwirt<br />

bzw. als Fachwirt<br />

für Versicherungen und Finanzen hat<br />

man den schriftlichen Teil der AEVO<br />

schon abgedeckt. Auch die Anzahl der<br />

Mitarbeiter ist ein Kriterium.<br />

Zwar gibt es keine Vorgaben bezüglich<br />

der Mitarbeiterzahl im Betrieb, jedoch<br />

wird ein angemessenes Fachkräfteverhältnis<br />

zur Zahl der Auszubildenden<br />

verlangt, um die Qualität der Ausbildung<br />

zu sichern. So könnte z.B. bei<br />

Dr. Katharina Höhn<br />

geschäftsführendes Vorstandmitglied<br />

im BWV e.V.<br />

Seite 29


ersicherungsbote<br />

App-solution?<br />

Maklerpool-Apps - Zwischen Aufbruchstimmung<br />

und Ernüchterung<br />

Viele Maklerpools kooperieren mit Insurtechs und bieten ihren angeschlossenen Maklern spezielle Apps<br />

für den Kundendienst. Doch dabei zehren sie auch von einer Ernüchterung auf dem deutschen Insurtech-Markt:<br />

Viele Anbieter hatten nicht den erhofften Erfolg. Eine Bestandsaufnahme.<br />

Im Jahr 2015 begann die Blüte der<br />

digitalen Vertragsordner. Damals<br />

sammelten junge Unternehmer mit<br />

ehrgeizigen Zielen teilweise Millionen<br />

Euro ein. Allein das Start-Up Knip<br />

bekam 14 Millionen Euro von seinen<br />

Geldgebern. Im Zuge dessen wuchs<br />

die Angst innerhalb der Branche.<br />

Viele Vermittler fürchteten um ihre<br />

Bestände. Auch Versicherer bangten<br />

um gut gehegte Stücke vom Kuchen.<br />

Anno <strong>2018</strong> ist der große Run vorbei.<br />

The Hype’s over. So oder so ähnlich<br />

lässt sich die gegenwärtige Entwicklung<br />

der Insurtechs und insbesondere<br />

der digitalen Vertragsordner im Versicherungsbereich<br />

beschreiben. Zwar<br />

steigt die Zahl der Tech-Firmen weiter<br />

an. Waren Mitte 2016 noch etwas mehr<br />

als 50 Insurtechs auf dem deutschen<br />

Markt aktiv, so stieg ihre Zahl bis zum<br />

Jahresende 2017 auf 110 Anbieter. Das<br />

geht aus der Studie „Insurtech-Radar<br />

2017“ von Policen Direkt und Oliver<br />

Wyman hervor.<br />

Trend geht zu digitalen Versicherungen<br />

- und Nischen<br />

Doch die Welt der versicherungsnahen<br />

Jung-Unternehmen verändert sich<br />

zunehmend. Der Fokus in der ersten<br />

Welle lag vor allem darauf, mehr<br />

Transparenz in die Branche zu bringen<br />

und gezielt Privatkunden zu erreichen.<br />

Dafür wurden Plattformen und Vertragsmanager<br />

hochgezogen. Inzwischen<br />

haben sich die Schwerpunkte<br />

in Richtung Nischensegmente, enge<br />

Zielgruppen sowie in den Produktbereich<br />

verschoben.<br />

Mittlerweile widmen sich mehr Unternehmen<br />

dem Aufbohren klassischer<br />

Produkte. In diesen Bereich fallen<br />

beispielsweise die neue Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

von Getsurance<br />

oder die Krankenversicherung von<br />

Ottonova. Der Trend geht klar in Richtung<br />

digitale Versicherungen. Zuletzt<br />

hatten unter anderem die digitalen<br />

Versicherer Frieda, Nexible, One und<br />

Element den Betrieb aufgenommen.<br />

Generell scheint eine Phase der Sättigung<br />

einzutreten. Der Markt der<br />

Vertragsmanager, die ohne Kooperation<br />

auskommen wollen, tritt nahezu<br />

komplett auf der Stelle. Diese kämpfen<br />

vor allem mit den sinkenden Download-Zahlen<br />

und hohen Kosten.<br />

Fakt ist, dass sich viele junge Unternehmen<br />

mit ihren Versicherungs-Apps<br />

mittlerweile in der harten Realität<br />

wiedergefunden haben. Als Beispiel<br />

sei hier Knip genannt. Das Insurtech<br />

verschlang erst Millionen und fusionierte<br />

im Juli 2017 mit dem niederländischen<br />

Anbieter für Vergleichssoftware<br />

Komparu. Die neu geschaffene<br />

Plattform tritt seither als Digital<br />

Insurance Group auf und arbeitet seit<br />

März <strong>2018</strong> mit dem Maklerpool Blau<br />

Direkt zusammen. Der Knip-Gründer<br />

Dennis Just ist beim neuen Projekt<br />

übrigens nicht mehr an Bord.<br />

Mit der Neuausrichtung der Geschäftsmodelle,<br />

Produkte und Services haben<br />

die Start-Ups auf die Veränderungen<br />

am Markt reagiert. Auch die Trägheit<br />

der Versicherer machte den jungen<br />

Unternehmen zu schaffen. Diese konnten<br />

notwendige Neuheiten anscheinend<br />

nicht so schnell umsetzen, wie<br />

es der Markt verlangt.<br />

Maklerpools nutzen Chance,<br />

dass Insurtechs Kooperationspartner<br />

brauchen<br />

Für die Riege der digitalen Vertragsordner<br />

wurde also die Luft langsam<br />

dünn. Während sich Knip, Getsafe &<br />

Co. lange Zeit über rasant ansteigende<br />

Download-Zahlen freuen konnten,<br />

scheint die Zahl der wirklich erhaltenen<br />

Vollmachten bei den meisten Apps<br />

zu stagnieren. Einige Marktteilnehmer<br />

sind bereits wieder verschwunden und<br />

andere konnten sich in Partnerschaften<br />

retten. Generell wird das Thema<br />

Kooperationen für diesen Bereich<br />

immer interessanter.<br />

Genau an diesem Punkt haben bereits<br />

zum Beginn des Insurtech-Booms<br />

diverse Maklerpools angesetzt. Denn<br />

bereits im Februar 2016 arbeiteten<br />

einige Pools mit der vermeintlichen<br />

Konkurrenz zusammen. Die Insurtech-Szene<br />

war damals offiziell noch<br />

verpönt. Doch bereits damals lieferten<br />

die digitalen Makler Clark, Knip oder<br />

Myfeelix Geschäft an Maklerpools.<br />

Dabei nutzten die Pools auch aus, dass<br />

sie über Know-how verfügten, welches<br />

den neuen Wettbewerbern fehlte: zum<br />

Beispiel im Kundenservice und bei der<br />

Vertragsverwaltung.<br />

Ende 2015 gingen auch die ersten<br />

Maklerpool-Apps an den Start. So<br />

sollten beispielsweise angeschlossene<br />

Partner von Jung, DMS & Cie. mit dem<br />

Seite 30 01/<strong>2018</strong>


Special: Maklerpools-Apps<br />

Finanzordner „allesmeins“ Verträge in<br />

den Bestand holen können, die vorher<br />

nicht von ihnen betreut wurden.<br />

Damit könnte es jeder Vertriebspartner<br />

den Fintechs um Knip, Clark & Co.<br />

gleich tun, warb man damals offensiv.<br />

Inzwischen sind wieder zwei Jahre<br />

an dieser Front vergangen und mittlerweile<br />

haben viele Vertriebe einen<br />

eigenen digitalen Versicherungsordner<br />

gebaut. Während einige Unternehmen<br />

erst kürzlich starteten oder<br />

ihr Baby bald auf den Markt bringen<br />

wollen, haben andere Pools inzwischen<br />

mehrere Updates sowie weitere Apps<br />

aktiviert.<br />

Doch die App-Welt der Maklerpools<br />

steckt in manchen Bereichen noch in<br />

den Kinderschuhen. Denn die Zahl der<br />

Downloads sowie der aktiven Nutzer<br />

ist durchaus überschaubar. Der Grund<br />

liegt hier aber schlichtweg in der eigenen<br />

Begrenzung der App. Denn viele<br />

Unternehmen lassen nur Bestandskunden<br />

in den Genuss der App kommen.<br />

Damit schneiden sich die Vertriebe<br />

wenigstens die Chance auf mögliche<br />

Neukunden ab. Gleichzeitig sind sie<br />

auf die Begeisterung der Vermittler<br />

angewiesen. Schließlich müssen diese<br />

ihre Kunden von der digitalen Spielerei<br />

überzeugen. Dass einige Unternehmen<br />

keine offiziellen Nutzer-Zahlen<br />

haben oder veröffentlichen, ist an der<br />

Stelle nicht ganz verwunderlich.<br />

Einige Angebote haben sich seit dem<br />

Start behaupten können. So kann beispielsweise<br />

die App von Netfonds aus<br />

Hamburg über 5.000 Downloads vorweisen.<br />

Bei der Lübecker Blau Direkt<br />

sind es 45.000 Downloads über iOS<br />

und Android sowie knapp 300.000 via<br />

Web-App. Bei diesen Zahlen kann es<br />

wohlgemerkt Spaß machen - allerdings<br />

nur, wenn die Nutzer auch mit der App<br />

interagieren. An dieser Stelle wird es<br />

knifflig. Denn die App muss für alle<br />

Beteiligten einen Mehrwert bieten<br />

und darf nicht zur Sammelstelle von<br />

Daten verkommen.<br />

Für den Kunden und den Vermittler<br />

muss mindestens eine organisatorische<br />

Verbesserung geschafft werden.<br />

Zum einen durch einen verbesserten<br />

Überblick über die vorhandenen<br />

Policen sowie zum anderen eine<br />

zeitliche Ersparnis, die via schneller<br />

App-Abfragen bei der Ermittlung des<br />

Kundenbedarfs erreicht werden kann.<br />

Prinzipiell müssen die vorhandenen<br />

Informationen von allen Seiten gehegt<br />

und gepflegt werden. Denn aus diesem<br />

Datenschatz können automatisiert<br />

Angebote platziert werden. Schnelle<br />

Änderungen der Verträge oder deutlich<br />

schnellere Abwicklung von Schäden<br />

sind fast schon selbstverständlich.<br />

Daten werden oft noch<br />

händisch eingepflegt<br />

Als positives Beispiel kann hier<br />

die Wüstenrot & Württembergische-Gruppe<br />

(W&W) genannt werden.<br />

Durch die Übernahme des Insurtechs<br />

Treefin sollen Kunden alle Verträge<br />

einfacher überblicken und optimieren<br />

können. Möglich macht das ein<br />

Finanzassistent, der Versicherungsdaten<br />

aus Kontoumsätzen auslesen kann.<br />

Dieser soll Nutzern in Echtzeit anlassbezogene<br />

und personalisierte Empfehlungen<br />

aussprechen können. So<br />

erkenne die App beispielsweise lebensverändernde<br />

Situationen des Kunden<br />

wie Berufseinstieg oder Umzug und<br />

legt dem Nutzer auf Wunsch seinen<br />

individuellen Versicherungs-Vertragsspiegel<br />

automatisch an.<br />

Bisher haben jedoch die wenigsten<br />

Anwendungen auf dem Markt eine<br />

Anbindung an ein Bankkonto. Ergo<br />

basieren die meisten Daten auf den<br />

händisch ins System gebrachten Informationen.<br />

Ein Punkt, an dem einige<br />

Anbieter sicher noch nachziehen werden.<br />

In Zeiten des Wandels ist blinder<br />

Aktionismus jedoch das falsche Rezept.<br />

Denn die beste Technologie nützt<br />

nichts, wenn sie an den Bedürfnissen<br />

der Kunden vorbei zielt. Wer das<br />

falsche Kundenbedürfnis und somit<br />

den falschen Prozess digitalisiert, hat<br />

nachher einen digitalisierten, falschen<br />

und folglich schlechten Prozess.<br />

Anwendungen können aber perspektivisch<br />

eine sehr spannende Geschichte<br />

werden. Wenn Finanzvertriebe diese<br />

Möglichkeiten erkennen und sich<br />

nicht in eigenen Grenzen verlieren,<br />

dann kann die App-Welt der Pools<br />

eine Erfolgsgeschichte werden. Doch<br />

dafür müssen Vermittler noch stärker<br />

ins Boot geholt werden. Auch via App<br />

erzeugter Umsatz muss sich für Makler<br />

rechnen. Denn: Wenn Makler ihre<br />

Kunden vom Mehrwert einer App<br />

überzeugen, können Bestände langfristig<br />

gesichert werden. Schließlich<br />

wird die persönliche Beratung auch in<br />

Zukunft eine große Rolle spielen und<br />

das nicht nur bei komplexen Produkten<br />

wie etwa BU- oder Rentenpolicen.<br />

Ein Kommentar von<br />

Björn Bergfeld<br />

Die <strong>Versicherungsbote</strong>-Maklerpool-Umfrage<br />

Der <strong>Versicherungsbote</strong> hat mehrere<br />

Maklerpools befragt, welche Apps sie<br />

ihren angeschlossenen Maklern zur<br />

Verfügung stellen, was diese können,<br />

ob sie was kosten und wie auch der<br />

Kunde davon profitieren kann. Mehrere<br />

Pools konnten nicht antworten,<br />

teils aus terminlichen Gründen - etwa<br />

der Marktführer Fonds Finanz.<br />

Neun Finanzdienstleister haben<br />

geantwortet. Wir präsentieren die<br />

Ergebnisse auf den nächsten Seiten<br />

in tabellarischer Form.<br />

Foto: © alphaspirit / istockphoto.com<br />

Seite 31


ersicherungsbote<br />

Oliver Pradetto,<br />

GF<br />

Philipp von<br />

Wartburg, GL<br />

Technologie & IT<br />

Bernhard Bahr,<br />

Prokurist Bereichsleiter<br />

Vertrieb<br />

Dr. Sebastian<br />

Grabmaier, Vorstandsvorsitzender<br />

Fragen<br />

Firma<br />

blau direkt GmbH<br />

& Co. KG<br />

Deutsche Gesellschaft<br />

für RuhestandsPlanung<br />

mbH (DGfRP)<br />

FiNet Financial Services<br />

Network AG<br />

Jung, DMS & Cie. AG<br />

Haben Sie eine eigene<br />

App für ihre Kunden?<br />

ja ja ja ja<br />

Name simplr Quixx App FiNSurance allesmeins<br />

Wann war der Start? Dezember 2015<br />

Februar <strong>2018</strong>; alte Version<br />

Januar 2014<br />

März <strong>2018</strong> Februar 2016<br />

Auf welchen Betriebssystemen<br />

läuft Ihre<br />

App (IOS, Android)?<br />

iOS, Android, Amazon,<br />

Web<br />

iOS, Android iOS, Android, Browser iOS, Android<br />

Auf welchen Oberflächen<br />

läuft Ihre App<br />

(Handy, Tablet, PC)?<br />

Auf allen gängigen<br />

Oberflächen sowie auf<br />

einigen SmartWatches<br />

& Multimedia-Displays<br />

in Automobilen.<br />

auf allen gängigen<br />

Oberflächen<br />

auf allen gängigen<br />

Oberflächen<br />

auf allen gängigen<br />

Oberflächen<br />

Wie viele Downloads<br />

hat ihre App?<br />

ca. 45.000 über iOS &<br />

Android, sowie ca. 300.000<br />

über die Web-App<br />

unter 100; alte Version<br />

hatte mehrere<br />

tausend Downloads<br />

Schätzwert von ca.<br />

213 Downloads<br />

etwa 15.000 Downloads<br />

über AppStore<br />

und Google Play Store;<br />

Die Mehrheit der User<br />

kommt inzwischen<br />

über die Web-App<br />

Wie viele Kunden nutzen<br />

Ihre App aktiv?<br />

ca. 45.000 über iOS &<br />

Android, sowie ca. 200.000<br />

regelmäßige jährliche<br />

Nutzer über die Web-App<br />

keine Daten vorhanden<br />

noch keine Daten<br />

vorhanden<br />

mehr als 7.500 Nutzer<br />

haben Verträge über<br />

die App übertragen<br />

Kann die App auch<br />

von Kunden genutzt<br />

werden, wenn diese<br />

vorher nicht bei<br />

einem Makler aus<br />

Ihrem Haus waren?<br />

ja nein nein<br />

ja, bei erteiltem<br />

Maklermandat<br />

Welche Bereiche<br />

werden unterstützt<br />

(Versicherung, Finanzen,<br />

Investment, …)?<br />

Versicherungen, Finanzierungen,<br />

Fonds,<br />

sonstige Investments,<br />

Stromverträge, Abos.<br />

Versicherungen,<br />

Investment, Finanzen,<br />

Vollmachten<br />

Versicherungen, Finanzen,<br />

Investment<br />

Versicherungen, Investmentfonds,<br />

Riester-Verträge,<br />

Bausparverträge,<br />

Immobilien<br />

Bietet die App Einsicht<br />

auf das Bankkonto<br />

des Kunden?<br />

nein ja nein geplant in <strong>2018</strong><br />

Unterstützt<br />

die App auch<br />

Online-Banking?<br />

nein nein nein nein<br />

Seite 32 01/<strong>2018</strong>


Special: Maklerpools-Apps<br />

Oliver Drewes, GF<br />

Lars Lüthans,<br />

Vorstand<br />

Hermann Hübner,<br />

Vorstandsvorsitzenden,<br />

Herr R. André<br />

Klotz, GF<br />

Simon Bühl, Leiter<br />

des Bereichs Versicherung<br />

& Vorsorge<br />

maxpool Servicegesellschaft<br />

für Finanzdienstleister<br />

mbH<br />

Netfonds AG<br />

VEMA Versicherungs-Makler-Genossenschaft<br />

eG<br />

VFV GmbH - DER<br />

SACHPOOL<br />

Qualitypool GmbH<br />

ja ja, 3 Stück ja ja ja<br />

SEKRETÄR<br />

Online Depoteinsicht,<br />

Alles im Blick und<br />

Kundencenter App<br />

VEMA Makler App<br />

Sachpool App<br />

Januar <strong>2018</strong><br />

Die erste ca. 2014 (online<br />

Depoteinsicht)<br />

Mai 2017 September 2017 März <strong>2018</strong><br />

iOS, Android, Browser iOS, Android iOS, Android, Browser iOS, Android, Browser iOS, Android<br />

Web-App - auf allen<br />

gängigen Oberflächen;<br />

Für Q2/<strong>2018</strong> ist eine<br />

zusätzliche App für iOS<br />

und Android geplant.<br />

auf allen gängigen<br />

Oberflächen<br />

Web-App; auf allen<br />

gängigen Oberflächen<br />

Web-App; auf allen<br />

gängigen Oberflächen<br />

Auf allen gängigen<br />

Oberflächen<br />

etwa 300 Nutzer<br />

„Online Depoteinsicht“ über<br />

5.000 Downloads; Alle<br />

neueren jeweils im oberen<br />

dreistelligen Bereich<br />

keine Daten vorhanden<br />

ca. 50 verkaufte Lizenzen<br />

noch keine Daten<br />

vorhanden<br />

etwa 300 Nutzer keine konkreten Daten keine Daten vorhanden ca. 250<br />

noch keine Daten<br />

vorhanden<br />

nein keine Angabe Nein nein nein<br />

Alle Bereiche der<br />

persönlichen Haushaltsführung<br />

des Kunden.<br />

Versicherungen, Investment,<br />

Finanzen<br />

Die App dient der reinen<br />

Kommunikation zwischen<br />

Makler und Kunde.<br />

Versicherungen<br />

Finanzierung und<br />

Versicherung<br />

Ja, es können alle relevanten<br />

Unterlagen (Kontoauszüge<br />

etc.) elektronisch<br />

gespeichert werden.<br />

geplant ab April <strong>2018</strong> nein nein nein<br />

nein geplant ab April <strong>2018</strong> nein nein nein<br />

Seite 33


ersicherungsbote<br />

Fragen<br />

Firma<br />

blau direkt GmbH<br />

& Co. KG<br />

Deutsche Gesellschaft<br />

für RuhestandsPlanung<br />

mbH (DGfRP)<br />

FiNet Financial Services<br />

Network AG<br />

Jung, DMS & Cie. AG<br />

Welche Informationen<br />

zu den Verträgen<br />

sehen Kunden in der<br />

App (Tarifname(n),<br />

Beitrag, Beginn,<br />

Zahlweise, versicherte<br />

Leistungen, …)?<br />

Alle relevanten Vertragsdaten<br />

und alle zugeordneten<br />

Vertragsunterlagen.<br />

Alle relevanten Vertragsdaten<br />

und alle zugeordneten<br />

Vertragsunterlagen.<br />

Alle relevanten Vertragsdaten<br />

und alle zugeordneten<br />

Vertragsunterlagen.<br />

Alle relevanten Vertragsdaten<br />

und alle zugeordneten<br />

Vertragsunterlagen.<br />

Gibt es Möglichkeiten<br />

zur direkten Kommunikation<br />

zwischen<br />

Kunde und Makler?<br />

keine Angabe<br />

Ja, ähnlich WhatsApp.<br />

Ja, in Form einer<br />

Push-Funktion für Nachrichten<br />

innerhalb der App.<br />

Ja, per Direkt-Mail<br />

in der App.<br />

Können Termine<br />

vereinbart werden?<br />

ja, aber nur über Nachrichten;<br />

kein eigenständiges<br />

Feature<br />

ja<br />

ja, aber nur über Nachrichten;<br />

Kein eigenständiges<br />

Feature<br />

ja<br />

Können Makler<br />

gezielt Informationen<br />

von Kunden abfragen<br />

(z.B.: Änderungen<br />

der Lebenssituation<br />

oder Fragen zur<br />

Terminvorbereitung)?<br />

ja<br />

keine Angabe<br />

Ja, aber nur über Nachrichten;<br />

kein eigenständiges<br />

Feature<br />

ja<br />

Stehen die Daten<br />

auch offline zur<br />

Verfügung?<br />

ja nein nein<br />

ja, bei erteiltem<br />

Maklermandat<br />

Planen Sie die Integration<br />

von Blockchains<br />

in Zusammenhang<br />

mit der App?<br />

nein nein nein<br />

Nein, aber vorstellbar<br />

bzw. angedacht.<br />

Ist der Branchenstandard<br />

BiPro relevant<br />

für ihre App?<br />

ja ja nein ja<br />

Kann der Kunde mit<br />

der App Verträge in<br />

die Betreuung des<br />

Maklers übertragen?<br />

ja<br />

ja<br />

ja, aber nur über Nachrichten;<br />

kein eigenständiges<br />

Feature<br />

ja<br />

Welche Kosten<br />

müssen Makler für<br />

die Nutzung der<br />

App entrichten?<br />

kostenfrei kostenfrei kostenfrei kostenfrei<br />

Seite 34 01/<strong>2018</strong>


Special: Maklerpools-Apps<br />

maxpool Servicegesellschaft<br />

für Finanzdienstleister<br />

mbH<br />

Netfonds AG<br />

VEMA Versicherungs-Makler-Genossenschaft<br />

eG<br />

VFV GmbH - DER<br />

SACHPOOL<br />

Qualitypool GmbH<br />

Alle relevanten Vertragsdaten<br />

und alle zugeordneten<br />

Vertragsunterlagen.<br />

Alle relevanten Vertragsdaten<br />

und alle zugeordneten<br />

Vertragsunterlagen.<br />

keine<br />

Alle relevanten Vertragsdaten<br />

und alle zugeordneten<br />

Vertragsunterlagen.<br />

Alle relevanten<br />

Vertragsdaten und<br />

alle zugeordneten<br />

Vertragsunterlagen.<br />

Ja. Verschiedene Möglichkeiten;<br />

Eine Push-Funktion<br />

auf mobile Endgeräte<br />

ist für Q2/<strong>2018</strong> geplant.<br />

Ja, ähnlich WhatsApp.<br />

Ja, in Form einer<br />

Push-Funktion für Nachrichten<br />

innerhalb der App.<br />

Ja, per Kontaktformular<br />

Ja, in Form einer<br />

Push-Funktion für<br />

Nachrichten innerhalb<br />

der App.<br />

ja ja ja<br />

ja, aber nur über Nachrichten;<br />

kein eigenständiges<br />

Feature<br />

ja<br />

ja<br />

ja, aber nur über Nachrichten;<br />

kein eigenständiges<br />

Feature<br />

ja<br />

Ja, aber nur über Nachrichten;<br />

kein eigenständiges<br />

Feature<br />

ja<br />

ja nein ja nein nein<br />

nein nein nein nein nein<br />

nein überwiegend nein nein nein ja<br />

ja geplant ab Sommer <strong>2018</strong> nein nein nein<br />

kostenfrei<br />

Kostenfrei: App „Alles im<br />

Blick“ und „online Depoteinsicht“<br />

(in Grundgebühr<br />

enthalten) Kostenpflichtig:<br />

„Kundencenter App“ (ohne<br />

Banking) 0,15 Euro je Endkunde;<br />

„Kundencenter App“<br />

(mit Banking) 0,30 Euro je<br />

Endkunde; (jeweils sinkend<br />

bei größeren Mengen an<br />

Endkunden);<br />

Einmalgebühr für Labeling<br />

250,00 Euro<br />

kostenfrei<br />

kostenfrei bei Buchung<br />

des MVP Salia 150,00<br />

EUR inkl. MwSt. pro Jahr<br />

kostenfrei für aktive<br />

Vertriebspartner<br />

Seite 35


ersicherungsbote<br />

Fragen<br />

Firma<br />

blau direkt GmbH<br />

& Co. KG<br />

Deutsche Gesellschaft<br />

für RuhestandsPlanung<br />

mbH (DGfRP)<br />

FiNet Financial Services<br />

Network AG<br />

Jung, DMS & Cie. AG<br />

Wer ist für die<br />

Pflege der in der<br />

App hinterlegten<br />

Daten zuständig?<br />

Für die Pflege der Daten<br />

ist der Makler zuständig.<br />

DGfRP sowie der Makler<br />

FiNet, der Makler hat<br />

die Möglichkeit Daten<br />

anzupassen/zu korrigieren<br />

Das Vertragsteam bei<br />

Jung, DMS & Cie.<br />

Gibt es eine Schnittstelle<br />

zu einem MVP?<br />

ja ja, zu Quixx Office ja, eigenes CRM<br />

ja, zum Kundenmanagementsystem<br />

iCRM<br />

Kann der Kunde<br />

Daten senden, die<br />

automatisch in ein<br />

MVP übernommen<br />

werden?<br />

ja ja ja ja<br />

Wie sicher ist<br />

die Übertragung<br />

und Speicherung<br />

der Daten?<br />

Höchstmöglicher Standard<br />

gem. aktuell verfügbarer<br />

Sicherheitsmetrik.<br />

Die Daten werden mit<br />

erhöhten Sicherheitsanforderungen<br />

verschlüsselt<br />

übertragen. Gespeichert<br />

werden sie in einem<br />

eigenen Rechenzentrum<br />

und sind daher sehr sicher.<br />

Die Übertragung aller<br />

Daten findet ausschließlich<br />

über HTTPS (TLS,<br />

Keysize 2048 bit) statt.<br />

Die Datenübertragung<br />

und -speicherung basiert<br />

auf den neuesten Technologien<br />

und Standards<br />

für Datenübertagung<br />

und -speicherung. Die<br />

Sicherheit ist mehrfach<br />

geprüft und zertifiziert.<br />

Wie werden die<br />

Anforderungen an<br />

den Datenschutz<br />

berücksichtig?<br />

Geprüfte deutsche<br />

Datenschutzstandards, die<br />

bereits den Anforderungen<br />

der neuen EU-Datengrundschutzverordnung,<br />

sowie dem BDSG, den<br />

ergänzenden Ländergesetzen<br />

und den Verordnungen<br />

der jeweiligen<br />

Landesdatenschutzbehörden<br />

entsprechen.<br />

Datenschutz ist uns extrem<br />

wichtig: Wir haben eine<br />

Datenschutzerklärung und<br />

Auftragsdatenverarbeitung,<br />

ein gesichertes Rechenzentrum,<br />

Audits, einen<br />

externen Datenschutzbeauftragten<br />

und nicht zuletzt<br />

permanente Mitarbeiterschulungen,<br />

um den Datenschutz<br />

zu gewährleisten.<br />

umfassend<br />

Vollständig. Jung, DMS<br />

& Cie. als Betreiber von<br />

allesmeins beachtet<br />

selbstverständlich sämtliche<br />

rechtlichen Vorgaben<br />

zum Datenschutz nach<br />

dem Bundesdatenschutzgesetz<br />

und dem Telemediengesetz.<br />

Daneben<br />

bereiten wir uns intensiv<br />

auf die neue Datenschutz-<br />

Grundverordnung vor.<br />

Seite 36 01/<strong>2018</strong>


Special: Maklerpools-Apps<br />

maxpool Servicegesellschaft<br />

für Finanzdienstleister<br />

mbH<br />

Netfonds AG<br />

VEMA Versicherungs-Makler-Genossenschaft<br />

eG<br />

VFV GmbH - DER<br />

SACHPOOL<br />

Qualitypool GmbH<br />

Sofern die Verträge über<br />

maxpool laufen, sind die<br />

Verträge automatisch<br />

für den Endkunden<br />

sichtbar. Die Verträge<br />

in „Direktbeständen“<br />

müsste der Makler oder<br />

der Kunde pflegen.<br />

Netfonds<br />

Für die Pflege der Daten<br />

ist der Makler zuständig.<br />

Für die Pflege der Daten<br />

ist der Makler zuständig.<br />

Qualitypool bzw. die<br />

Partner-Plattformen<br />

SmartInsurTech<br />

(Versicherungsbereich)<br />

und EUROPACE<br />

(Finanzierungsbereich)<br />

Ja, zu maxOffice. Die<br />

Anbindung eigener<br />

Schnittstellen wie etwa<br />

AMS ist ebenso möglich.<br />

ja, zum Netfonds MVP und<br />

dadurch auch zu anderen<br />

MVP (beispielsweise AMS)<br />

nein<br />

ja, zum eigenen MVP Salia<br />

Ja, zur Kundenverwaltung<br />

von Qualitypool.<br />

Die Anbindung<br />

eigener Schnittstellen<br />

ist ebenso möglich.<br />

ja geplant ab Q3/<strong>2018</strong> nein nein ja<br />

Die Daten und die Datenübertragung<br />

unterliegen<br />

den höchstmöglichen<br />

Datensicherungsstandard,<br />

den wir als Deckungskonzeptionär<br />

analog zu<br />

Versicherern von Hause<br />

aus abzubilden haben.<br />

Die Übertragung und Speicherung<br />

der Daten erfolgt<br />

verschlüsselt, sodass eine<br />

größtmögliche Datensicherheit<br />

gewährleistet ist.<br />

Die Übertragung und<br />

Speicherung beim<br />

Versicherungsmakler<br />

entspricht dem jeweiligen<br />

Stand der Technik.<br />

Sehr sicher. Die Daten<br />

werden auf einem Rechenzentrum<br />

von Host Europe<br />

in Deutschland gehostet.<br />

Des Weiteren werden<br />

XSS Protection, CSRF<br />

Protection, SSL/HTTPS<br />

und weitere Sicherheitsfeatures<br />

unterstützt.<br />

Datenschutz hat<br />

höchste Priorität für<br />

uns. Alle Daten und<br />

Dokumente werden<br />

geschützt, zum Einsatz<br />

kommen dabei unter<br />

anderem umfangreiche<br />

Token-Lösungen und<br />

das hybride Verschlüsselungsprotokoll<br />

TLS.<br />

Auch hier erfüllen wir<br />

als Deckungskonzeptionär<br />

höchsten Standard.<br />

Zudem kann der<br />

Kunde genau einstellen,<br />

was der Makler und<br />

der Maklerpool sehen<br />

darf und was nicht.<br />

Externe Dienstleister<br />

werden mit Auftragsdatenverarbeitungsvereinbarungen<br />

zur Einhaltung des<br />

BDSG und der DSGVO<br />

verpflichtet. Intern gibt es<br />

hohe Anforderungen und<br />

Verpflichtungen der Mitarbeiter<br />

an den Datenschutz,<br />

sodass dieser bestmöglich<br />

gewährleistet ist. Die<br />

Einhaltung der gesetzlichen<br />

Vorschriften wird<br />

durch den Datenschutzbeauftragten<br />

überwacht.<br />

Der Kommunikationskanal<br />

zwischen Kunde und<br />

Makler ist verschlüsselt.<br />

Die Kommunikation<br />

findet direkt zwischen<br />

beiden Parteien statt.<br />

Selbstverständlich stellen<br />

wir sicher, dass der Datenschutz<br />

nach den aktuell<br />

geltenden Rechtsrahmen<br />

nach dem Bundesdatenschutzgesetz<br />

(BDSG) als<br />

auch die ab dem 25. Mai<br />

<strong>2018</strong> europaweit gültigen<br />

Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung<br />

(DSGVO) eingehalten wird.<br />

Die Thematik der<br />

Datenschutzgrundverordnung<br />

(EU-DS-<br />

GVO) ist bereits in die<br />

Entwicklung der App<br />

mit eingeflossen. Die<br />

neuen Anforderungen<br />

werden also schon jetzt<br />

voll berücksichtigt.<br />

Seite 37


Der Selbstbehalt in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung<br />

Versicherungsvermittler streben oftmals die Vereinbarung eines möglichst hohen Selbstbehalts (Selbstbeteiligung)<br />

in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung an, auch um durch eine entsprechende<br />

Rabattierung eine niedrigere Versicherungsprämie bezahlen zu müssen. Häufig wird dieser Wunsch<br />

damit begründet, ohnehin „ordentlich“ zu arbeiten und „noch nie“ in Anspruch genommen worden<br />

zu sein. Auch werde die Versicherung nur deshalb benötigt, weil der Gesetzgeber diese fordere. Aber<br />

ist es tatsächlich sinnvoll, eine hohe Selbstbeteiligung zu wählen und welche Auswirkungen hat die<br />

Selbstbeteiligung auf den Versicherungsfall? Das erklärt Christian Lübben, Prokurist bei der Hans John<br />

Versicherungsmakler GmbH, in seinem Beitrag.<br />

1. Zweck des Selbstbehalts<br />

Dem Selbstbehalt wird oftmals eine<br />

erzieherische Komponente nachgesagt.<br />

So schaffe der Selbstbehalt einen<br />

Anreiz zur Schadenvermeidung und<br />

–abwehr, da der Versicherungsnehmer<br />

mit dem vereinbarten Beitrag an dem<br />

von ihm angerichteten Schaden beteiligt<br />

werde. Mit anderen Worten: Er<br />

spürt die Zahlung „aus eigener Tasche“.<br />

Ob das Ziel tatsächlich durch einen<br />

Selbstbehalt erreicht werden kann,<br />

mag bezweifelt werden.<br />

Andererseits verfolgt der Selbstbehalt<br />

einen wirtschaftlichen Zweck: den<br />

Ausschluss von Bagatellschäden. Oftmals<br />

verzichten Versicherungsvermittler<br />

in Fällen, in denen der Schaden den<br />

Selbstbehalt (voraussichtlich) nicht<br />

oder nur geringfügig übersteigt, tatsächlich<br />

auf eine Schadenmeldung und<br />

regulieren diesen selbst. Dabei kann<br />

übersehen werden, dass ein zunächst<br />

vermeintlich geringer Schaden später<br />

erheblich höher ausfällt. Aufgrund der<br />

vom Vermittler getätigten freiwilligen<br />

Zahlung bzw. seines dadurch oft<br />

begründeten faktischen Anerkenntnisses<br />

wird er bei einer nachträglichen<br />

Meldung aufgrund seines Verstoßes<br />

gegen die Schadenmeldeobliegenheit<br />

zusätzlich mit erheblichen Problemen<br />

rechnen müssen.<br />

Grundsätzlich können die Parteien<br />

eines Versicherungsvertrages im Rahmen<br />

der Vertragsfreiheit die Höhe<br />

eines Selbstbehalts frei vereinbaren. 1<br />

Auch gibt es unterschiedliche Ausgestaltungsformen<br />

der Selbstbeteiligung.<br />

Gebräuchlich ist die Vereinbarung<br />

eines Festselbstbehalts oder<br />

eines prozentualen Selbstbehalts, der<br />

durch einen Mindestbetrag und einen<br />

Höchstbetrag eingegrenzt wird. Der<br />

Selbstbehalt wird regelmäßig dadurch<br />

Bestandteil des Versicherungsvertrags,<br />

dass er einseitig durch den Versicherer<br />

in einer bestimmten Höhe in den Versicherungsbedingungen<br />

beschrieben<br />

beziehungsweise genannt wird, ohne<br />

dass der Versicherungsnehmer darauf<br />

Einfluss nehmen kann.<br />

Nur in wenigen Fällen hat der Versicherungsnehmer<br />

Auswahlmöglichkeiten<br />

hinsichtlich des „ob“ oder der<br />

Höhe eines Selbstbehalts. Versicherungsgesellschaften,<br />

die dem Vermittler<br />

Versicherungsschutz ohne Selbstbehalt<br />

anbieten, sind am Markt (noch)<br />

relativ selten anzufinden.<br />

Auffällig ist aber, dass die Höhe der<br />

vereinbarten Selbstbehalte in den<br />

vergangenen Jahren stetig reduziert<br />

1 Bei der D&O Versicherung besteht abweichend<br />

jedoch nach §93 Abs. 2 S. 3 AktG ein zwingender<br />

Selbstbehalt – der wiederum versichert werden kann.<br />

Vereinzelt wird gesetzlich festgelegt, in welcher Höhe<br />

ein Selbstbehalt zulässig ist (vgl. § 51 Abs. 5 BRAO).<br />

wurde. War es in der Vergangenheit<br />

durchaus üblich, einen Selbstbehalt<br />

von 2.500 EUR oder darüber hinaus<br />

zu vereinbaren, sieht man dies in den<br />

heutigen Versicherungsverträgen<br />

immer seltener. Ob dies daran liegt,<br />

dass auch der Selbstbehalt den Zweck<br />

der Versicherung nach § 114 Abs. 2 S.<br />

2 VVG, und damit auch den Schutz des<br />

Versicherungsnehmers, nicht gefährden<br />

darf, kann dahingestellt bleiben.<br />

Diese Entwicklung ist jedoch unseres<br />

Erachtens überaus erfreulich.<br />

2. Der Selbstbehalt im<br />

Versicherungsfall<br />

Bei Eintritt des Versicherungsfalles hat<br />

der Versicherer zunächst die Aufgabe,<br />

die Haftpflichtfrage zu prüfen und<br />

sodann unberechtigte Schadensersatzforderungen<br />

abzuwehren und<br />

berechtigte zu erfüllen.<br />

Aus den Versicherungsbedingungen<br />

der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer<br />

ergibt sich jedenfalls die<br />

Abwehrschutz- und die Freistellungsverpflichtung:<br />

„3. Umfang des Versicherungsschutzes<br />

3.1 Abwehrschutz und Freistellung. Der<br />

Versicherungsschutz umfasst die Abwehr<br />

unberechtigter Schadenersatzansprüche<br />

und die Freistellung des Versicherungsnehmers<br />

von berechtigten Schadenersatzverpflichtungen.“<br />

(Allianz, HV 70).<br />

Seite 38 01/<strong>2018</strong>


Praxis<br />

Es liegt aber in der Natur der Sache,<br />

dass der Versicherer für die Entscheidung,<br />

ob er freizustellen oder unbegründete<br />

Ansprüche abzuwehren hat,<br />

zunächst die Sachlage prüfen muss.<br />

Teilweise wird die Prüfung der Haftpflichtfrage<br />

daher auch in den Bedingungen<br />

als Leistungspflicht ausdrücklich<br />

aufgeführt:<br />

„3.1.1. Der Versicherungsschutz umfasst<br />

die Prüfung der Haftpflichtfrage, die<br />

Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche<br />

und die Freistellung des<br />

Versicherungsnehmers von berechtigten<br />

Schadenersatzverpflichtungen.“ (R+V,<br />

AVB-P)<br />

Der Selbstbehalt kann folglich auf allen<br />

drei Ebenen der Leistungspflicht relevant<br />

werden:<br />

a) bei der Prüfung der Haftpflichtfrage<br />

b) bei der Freistellung (Regulierung)<br />

c) beim Abwehrschutz<br />

a) Prüfung der Haftpflichtfrage<br />

Die Prüfung der Haftpflichtfrage ist<br />

eine versicherungsvertragliche Hauptpflicht<br />

des Versicherers. Sie klärt, ob der<br />

Anspruch begründet oder unbegründet<br />

ist, was wiederum Voraussetzung dafür<br />

ist, ob der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer<br />

Abwehrschutz oder<br />

Freistellung (Regulierung) gewährt.<br />

An der Summe, die vom Versicherungsnehmer<br />

auf Grund richterlichen Urteils<br />

oder eines vom Versicherer genehmigten<br />

Anerkenntnisses oder Vergleichs zu<br />

bezahlen ist (Haftpflichtsumme), wird<br />

der Versicherungsnehmer mit einem<br />

Selbstbehalt beteiligt.“ (Allianz, HV 70)<br />

Die Bedingungen beschreiben hier die<br />

„Haftpflichtsumme“. Der Versicherer<br />

zahlt die Haftpflichtsumme abzüglich<br />

des Selbstbehalts an den Geschädigten,<br />

den Selbstbehalt muss der Versicherungsnehmer<br />

grundsätzlich selbst an<br />

den Geschädigten entrichten.<br />

Übersteigt der geltend gemachte Haftpflichtanspruch<br />

nicht den Selbstbehalt,<br />

so treffen den Versicherer keine Kosten<br />

(Allianz HV 70): „7.2 Übersteigt der<br />

geltend gemachte Haftpflichtanspruch<br />

nicht den Betrag des Mindest- oder eines<br />

vereinbarten festen Selbstbehalts, so<br />

treffen den Versicherer keine Kosten.“<br />

c) Abwehrschutz<br />

Umstritten ist jedoch der Fall, ob der<br />

Versicherer bei einem Anspruch unterhalb<br />

des Selbstbehalts gleichwohl seiner<br />

Abwehrpflicht nachkommen muss. In<br />

der allgemeinen Haftpflichtversicherung<br />

ist diese Frage geklärt – nach Ziff. 6.4<br />

Satz 4 AHB wird der früher umstrittene<br />

Umfang der Leistungspflicht geregelt.<br />

unberechtigter Ansprüche) nachzukommen.<br />

Eine solche Regelung fehlt jedoch in<br />

den Standard-Versicherungsbedingungen<br />

zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.<br />

Aus diesem<br />

Grund wird die Frage nicht einheitlich<br />

entschieden. Teilweise wird auch<br />

Abwehrschutz unterhalb des vereinbarten<br />

Selbstbehalts gewährt - jedoch<br />

ohne Kostenübernahme. Teilweise<br />

wird der Abwehrschutz in solchen<br />

Konstellationen auch gänzlich verneint.<br />

Fazit<br />

Jeder Vermittler sollte prüfen, ob die<br />

Frage des Abwehrschutzes unterhalb<br />

des Selbstbehalts in seinen Versicherungsbedingungen<br />

abweichend von<br />

den Standardbedingungen geregelt ist<br />

oder den Selbstbehalt nach Möglichkeit<br />

auf ein Minimum zu reduzieren<br />

bzw. gänzlich auf einen Versicherer<br />

zu setzen, der auf einen Selbstbehalt<br />

verzichtet.<br />

Um nachteilige Konsequenzen zu vermeiden<br />

sei nochmals deutlich darauf<br />

hingewiesen, dass es durchaus sinnvoll<br />

ist, auch einen (vermeintlich) geringen<br />

Schaden anzuzeigen.<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Christian Lübben<br />

Liegt der vom (vermeintlich) geschädigten<br />

Kunden geltend gemachte<br />

Anspruch unterhalb der Selbstbeteiligung,<br />

kommt es mitunter vor, dass<br />

Versicherer eine Prüfung der Haftpflichtfrage<br />

ablehnen. Der Selbstbehalt<br />

hat jedoch keine Auswirkungen auf<br />

die Verpflichtung des Versicherers,<br />

sich mit der Sachlage überhaupt zu<br />

beschäftigen. Eine Ablehnung des Versicherers<br />

allein aufgrund der geringen<br />

Schadenhöhe ist nicht statthaft.<br />

b) Freistellung<br />

(Regulierung)<br />

Christian Lübben<br />

Hans John<br />

Versicherungsmakler GmbH<br />

Auswirkungen hat der Selbstbehalt<br />

bei berechtigen Schadensersatzverpflichtungen.<br />

Dies ergibt sich direkt<br />

aus den Versicherungsbedingungen:<br />

„6. Selbstbehalt des Versicherungsnehmers<br />

Danach hat der Versicherer gleichwohl<br />

seiner Rechtsschutzfunktion (Abwehr<br />

Seite 39


Decision Excellence –<br />

Digitalisierung der Schadenprozesse<br />

unter Einsatz von Advanced<br />

Analytics und KI<br />

Ein Gastbeitrag von Dr. Stephanie Friedrich, Leitung Consulting und Solutions Insurance Claims im Geschäftsbereich<br />

Risk Management von Arvato Financial Solutions.<br />

Dr. Stephanie Friedrich<br />

Leitung Consulting und Solutions<br />

Insurance Claims bei<br />

Arvato Financial Solutions<br />

Digitalisierung ist aktuell in aller<br />

Munde. Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft<br />

Accenture glauben 83<br />

Prozent der deutschen Versicherungsunternehmen,<br />

dass ihre Branche in<br />

den nächsten drei Jahren eine digitale<br />

Transformation erleben wird. Eine<br />

weitere Studie der Universität St. Gallen<br />

prognostiziert, dass die Interaktion<br />

zwischen Kunde und Unternehmen<br />

bis zum Jahr 2020 in allen Stationen<br />

der Customer Journey zu einem<br />

beträchtlichen Teil digital verlaufen<br />

wird. Die Vereinfachung von Schadenprozessen,<br />

die Verbesserung der<br />

digitalen Nahtstellen oder die Vereinheitlichung<br />

der Kommunikation über<br />

alle Interaktionspunkte sind daher<br />

also wichtige Hebel zur Erhöhung<br />

der Effizienz von Kundenprozessen.<br />

Digitalisierung ist somit bereits mehr<br />

als ein Trend, der in ferner Zukunft auf<br />

die Versicherungswirtschaft zukommen<br />

wird. Der Umbruch hat vielmehr<br />

längst begonnen.<br />

Digitalisierung basiert in erster Linie<br />

auf Daten. Datenanalysen haben<br />

demzufolge hohes Potenzial, Mehrwert<br />

für das eigene Unternehmen zu<br />

schaffen. Hierbei zeigt sich jedoch,<br />

dass Datenanalysen nicht per Plugand-Play<br />

funktionieren. Einer Studie<br />

von KPMG zur Folge herrscht große<br />

Unzufriedenheit mit bisher in Versicherungsunternehmen<br />

eingesetzten<br />

Modellen. So sind laut dieser Studie<br />

z.B. nur 15 Prozent aller befragten<br />

Unternehmen zufrieden mit dem<br />

Erfolg von Datenanalysen zur Erkennung<br />

von Betrugsrisiken.<br />

Der Einsatz von Advanced Analytics<br />

und Künstlicher Intelligenz (KI) sollte<br />

daher eng mit der Frage der Operationalisierung<br />

verbunden sein. Häufig<br />

werden Modelle entwickelt, die nicht<br />

in die Praxis umgesetzt werden können.<br />

Um das Vertrauen in Advanced Analytics<br />

auch in der Organisation zu<br />

stärken, sollten daher Sub-Prozesse<br />

ausgewählt werden, die einen hohen<br />

Nutzen und Entlastung für die Sachbearbeiter<br />

versprechen und in sich so<br />

homogen sind, dass die Ergebnisse<br />

nicht vollkommen intransparent<br />

erscheinen. Neben der Definition von<br />

klar abgegrenzten Einsatzbereichen<br />

spielt vor allem auch die Wahl der<br />

Modelle eine wichtige Rolle. Dort, wo<br />

der Sachbearbeiter mit den Ergebnissen<br />

weiter arbeiten muss, wie z.B. bei<br />

der Erkennung von Versicherungsmissbrauch,<br />

sollte das Modell eine<br />

höhere Transparenz aufweisen als im<br />

Zusammenhang von durchweg automatisierten<br />

Prozessen.<br />

Erfolgversprechend ist daher der<br />

Ansatz, das Zusammenspiel von Prozessexpertise,<br />

Analytik-Know-how<br />

und Digital Decision Excellence in<br />

den Vordergrund zu stellen.<br />

Seite 40 01/<strong>2018</strong>


Praxis<br />

Zu Beginn steht bei der Digitalisierung<br />

die Ist-Analyse der Prozesse im Vordergrund.<br />

Auf dieser Basis erfolgt eine<br />

Segmentierung in Teilprozesse, welche<br />

digital unterstützt werden sollen.<br />

Diese Prozessanalyse stellt die Basis<br />

für die Digitalisierungsstrategie dar.<br />

Mögliche Sub-Prozesse in der Schadenbearbeitung<br />

finden Sie in dem<br />

folgenden Schaubild:<br />

Viele dieser Prozesse lassen sich durch<br />

eine hochperformante Rules Engine<br />

optimal steuern. Diese trifft in Millisekunden<br />

eine Entscheidung über das<br />

weitere Vorgehen (z.B. ob ein Schaden<br />

direkt reguliert werden soll).<br />

Bietet eine Software darüber hinaus<br />

auch die Möglichkeit, analytische<br />

Modelle einzubinden, spricht man<br />

von Hybrid Decision Engines. Diese<br />

erlauben nach bestimmten Kriterien<br />

hart zu steuern, aber auch errechnete<br />

Wahrscheinlichkeiten in den Prozess<br />

mit einzubinden. So kann z.B. neben<br />

der Schadenart und der Schadenhöhe<br />

auch eine Maßzahl für die Eignung<br />

von Schnellregulierung, welche durch<br />

ein analytisches Modell errechnet<br />

wurde, heran gezogen werden, um<br />

den Schaden in eine Dunkelverarbeitung<br />

zu steuern.<br />

Somit wird gewährleistet, dass Datenanalysen<br />

und KI-Modelle nicht nur<br />

zum Selbstzweck entwickelt, sondern<br />

auch operativ in die Prozesse eingebunden<br />

werden können. Die gezielte<br />

Anwendung innovativer Technologien<br />

in Kombination mit bewährtem Rule<br />

Management sorgt für Akzeptanz bei<br />

den Mitarbeitern und für eine tatsächliche<br />

Verschlankung der Geschäftsprozesse,<br />

an dessen Ende ein zufriedenerer<br />

Kunde steht.<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Dr. Stephanie Friedrich<br />

Abb. 1: Sub-Prozesse, welche digital unterstützt werden können<br />

Foto: bing / istockphoto.com<br />

Seite 41


„Kunden sind nicht mehr bereit,<br />

drei Wochen auf die Bearbeitung eines<br />

250-Euro-Schadens zu warten!“<br />

Getsafe ist ein Startup, das in der Branche bereits für Schlagzeilen gesorgt hat. Gemeinsam mit dem<br />

milliardenschweren Rückversicherer Munich Re im Rücken entwickelt das Insurtech eigene digitale Versicherungen.<br />

Seit Dezember letzten Jahres bietet man unter anderem eine Zahnzusatzpolice an. Bald<br />

soll eine digitale Berufsunfähigkeitsversicherung hinzukommen. Im Interview mit dem <strong>Versicherungsbote</strong>n<br />

erklärt COO Alexander Grimm, wo die Chancen für digitale Versicherer und andere Tech-Dienstleister<br />

liegen – und wie sie auch das Schadenmanagement umkrempeln können.<br />

Getsafe ist nun auch Versicherer. Bei<br />

Ihrem Angebot sollen alle Arbeitsschritte<br />

digital erfolgen. Dabei sollen<br />

künstliche Intelligenz und Bots helfen.<br />

Wo werden diese eingesetzt?<br />

Technologie hat ja zwei wesentliche<br />

Einsatzmöglichkeiten: Effizienzgewinne<br />

sowie Verbesserungen in der<br />

Erfahrung des Kunden, zum Beispiel<br />

in Kauf-, Betreuung oder Schadensprozessen.<br />

Anders als viele etablierte<br />

Player, fokussieren wir uns in der Regel<br />

sehr stark auf die Verbesserung der<br />

Kundenerfahrung und nutzen Technologie<br />

vor allem dann, wenn sie das<br />

Leben für unsere Kunden einfacher<br />

und besser macht.<br />

Wir sind hier jedoch nicht agnostisch:<br />

wenn es besser für den Kunden ist, persönlich<br />

unterstützt zu werden, ist unser<br />

Customer Service Team für unsere<br />

Kunden da. In den Hintergrundprozessen<br />

lassen sich durch nahezu<br />

vollständige Automatisierung und<br />

Nutzung unserer State-of-the-Art-Backendsysteme<br />

Kostenvorteile erzielen,<br />

die wir an unsere Kunden weitergeben<br />

können.<br />

Im vergangenen Jahr verkündet<br />

Wefox-Gründer Julian Teicke, dass der<br />

digitale Versicherer One die komplette<br />

Schadensbearbeitung in 60 Sekunden<br />

erledigen könne. Dazu gehöre auch<br />

die finale Überweisung an den Kunden.<br />

Alexander Grimm<br />

ist COO bei Getsafe und neben Organisation<br />

und HR auch für Wachstum,<br />

Business Development sowie<br />

den Aufbau der Getsafe Versicherungs-Plattform<br />

verantwortlich.<br />

Dabei helfen sollen intelligente Algorithmen<br />

und Chat-Bots, die Kunden durch<br />

Fragenkataloge führen sollen. Wie<br />

schnell sind Ihre technischen Helfer?<br />

Auch und gerade im Claims-Prozess<br />

können technische Helfer eine<br />

bedeutende Rolle spielen. Und die von<br />

Julian angekündigten 60 Sekunden<br />

sind heute durchaus realistisch für<br />

„einfache“ Schadensmeldungen, vor<br />

allem im Sachversicherungsumfeld.<br />

Wir verfolgen – anders als Julians Team<br />

- die Vision, eine Multi-Line Versicherung<br />

aufzubauen und sind bereits<br />

heute in der Sach- sowie Krankenversicherung<br />

aktiv. In beiden Sparten ist<br />

es uns gelungen, durch automatische<br />

Validierung und smarte Algorithmen<br />

Fälle zu identifizieren, in denen Carla<br />

(wie wir unseren freundlichen Chatbot<br />

nennen) ohne menschliches Zutun in<br />

weniger als 1 Minute eine Entscheidung<br />

fällen und die Auszahlung veranlassen<br />

kann. Und je mehr Fälle wir<br />

bearbeiten, desto schneller lernt Carla.<br />

Bei vielen Versicherern dauert die Bearbeitung<br />

der Schäden vergleichsweise<br />

sehr lange. Beispielsweise im Bereich<br />

der Autoversicherung hört man<br />

Seite 42 01/<strong>2018</strong>


Praxis<br />

immer wieder von Bearbeitungszeiten<br />

von mehreren Wochen. Welche Zeiten<br />

sind für die unterschiedlichen Sparten<br />

realistisch?<br />

Wer die Claims-Erfahrung in komplexen<br />

Produkten im Lebens- und<br />

Kranken-Bereich verändern will, muss<br />

vor allem ans Produktdesign ran. Die<br />

aktuell analogen Schadenprozesse der<br />

bestehenden Produkte „einfach“ zu<br />

digitalisieren, kann vielleicht 20 bis<br />

30 Prozent Zeit einsparen – was aber<br />

nicht reicht, die Erfahrung für den<br />

Kunden von Grund auf zu verändern.<br />

Produktentwicklung muss beim Schadenprozess<br />

anfangen – denn das ist<br />

der Kern einer jeden Versicherung.<br />

Bei unserer für den Sommer <strong>2018</strong><br />

avisierten Arbeitskraftabsicherung<br />

werden wir auch zeigen, wie das in der<br />

Praxis für ein komplexes Produkt der<br />

Lebensversicherung aussehen kann.<br />

Modernes Schadenmanagement ist für<br />

uns aber mehr als nur die prozessuale<br />

Schadenbearbeitung. Wir nutzen auch<br />

Technologie und neue Datenquellen<br />

für Prävention, sodass Schäden bei<br />

unseren Kunden gar nicht erst auftreten.<br />

Ein Beispiel ist der automatische<br />

Reminder an Check-Up-Termine beim<br />

Zahnarzt, sodass ein Zahnschaden gar<br />

nicht erst auftritt. Oder auch eine Erinnerung<br />

an den Reifenwechsel, wenn<br />

die Wetterdaten das empfehlen. Auch<br />

das sind einfache technologische Hilfen,<br />

die das Leben für den Kunden<br />

besser machen.<br />

Technik, Roboter, künstliche Intelligenz<br />

und Bots - also alle „Maschinen“, die<br />

eingesetzt werden, können „lernen“,<br />

„verstehen“ oder „entscheiden“. Was<br />

müssen die technischen Helfer genau<br />

können?<br />

Das kommt ganz auf den Sinn und<br />

Einsatz der Technologie an - Technologie<br />

ist ja kein Selbstzweck. Einige<br />

konkrete Beispiele aus dem Schadenbereich:<br />

In unserem Schadenprozess<br />

experimentieren wir gerade mit einer<br />

Lügendetektor-Software, die mit ziemlich<br />

hoher Genauigkeit erkennt, ob die<br />

Person die Wahrheit sagt. In einem<br />

anderen Projekt implementieren wir<br />

gerade ein Tool, dass Schadenfotos<br />

auf deren Authentizität hin überprüft.<br />

Wenn wir auf einfache Weise Versicherungsbetrug<br />

und falsche Claims<br />

erkennen können, ermöglicht dies<br />

dann auch, echte und faire Claims<br />

schnell und unbürokratisch auszuzahlen.<br />

Davon profitieren alle Kunden.<br />

Je mehr Faktoren, die ein Sachbearbeiter<br />

zu verarbeiten hat, auf eine<br />

Maschine übergeben werden können,<br />

desto leichter könnte ein Automat mit<br />

derselben Qualität entscheiden, etwa<br />

ob der Versicherer einen Hausratschaden<br />

bezahlt. Wann werden diese Systeme<br />

flächendeckend bei Versicherern<br />

eingesetzt?<br />

Es gibt gerade sehr viele neue Tech-<br />

Player, die sich auf eine effizientere<br />

oder bessere Schadenbearbeitung<br />

fokussieren und ihre Lösung schlüsselfertig<br />

Versicherern anbieten.<br />

Zugleich nutzen viele Versicherer ihre<br />

gesammelten Datenpunkte, um selbst<br />

Algorithmen zu erstellen. Von daher<br />

erwarten wir, dass solche Systeme in<br />

den nächsten Jahren Einzug bei vielen<br />

Versicherern finden. Aktuell ist für<br />

viele Schadenarten noch die Qualität<br />

der Daten über eine hinreichend lange<br />

Zeitreihe ein Hindernis. Die Algorithmen<br />

selbst sind hier das kleinere<br />

Problem.<br />

Menschen könnten dann rein theoretisch<br />

den Vorgang final noch prüfen.<br />

Ist das überhaupt noch notwendig?<br />

Auch hier ist die Antwort einfach:<br />

Wenn die Maschine permanent besser<br />

entscheidet als ein Mensch, wieso<br />

sollte ein Mensch dann die Entscheidung<br />

überwachen?<br />

Der Mensch verschwindet nicht aus<br />

dem Prozess – er konzentriert sich<br />

aber auf das wirklich Wichtige. Nämlich<br />

sich ernsthaft um den Kunden zu<br />

kümmern und ihn in der Schadensituation<br />

voll und ganz zu verstehen.<br />

Neben all den Vereinfachungen und<br />

Effizienzgewinnen durch Technologie,<br />

bleibt immer noch Psychologie und<br />

Empathie entscheidend, zum Beispiel<br />

in der Kommunikation eines negativen<br />

Ergebnisses des Schadenprüfungsprozesses.<br />

Hier ist der Mensch der<br />

Maschine (noch) einen Schritt voraus.<br />

Sind derartige technischen Ansätze<br />

auch auf andere Bereiche in der Versicherungswirtschaft<br />

übertragbar?<br />

Foto: Manuel-F-O / istockphoto.com<br />

Seite 43


Überall wo Technologie das Leben für<br />

den Kunden einfacher machen kann,<br />

wird sich Technologie durchsetzen.<br />

Wo das ist, entscheidet letztlich der<br />

Kunde.<br />

Der japanische Lebensversicherer<br />

Fukoku Mutual Life Insurance nutzt<br />

seit Januar 2017 das Watson-System<br />

des amerikanischen Unternehmens<br />

IBM. Der Versicherer habe durch den<br />

Software-Roboter fast 30 Prozent der<br />

Mitarbeiter in der betreffenden Abteilung<br />

eingespart. Wie schätzen Sie das<br />

Einspar-Potential ein?<br />

Natürlich wird Technologie auch das<br />

Arbeitsleben und die Anforderungen<br />

an verschiedene Rollen verändern. Auf<br />

exzellenten (!), persönlichen Kundenservice<br />

wird – zumindest mittelfristig<br />

– auch jede Tech-Company angewiesen<br />

sein.<br />

Die manuelle Abarbeitung von vordefinierten<br />

Abfolgen oder Prozessen,<br />

wie sie immer noch in vielen Versicherungsunternehmen<br />

an der Tagesordnung<br />

ist, muss und wird sich in den<br />

nächsten ein bis zwei Jahren verändern.<br />

Zum einen Teil aufgrund des Effizienzdruckes,<br />

zum andern resultierend aus<br />

radikal verändertem Kundenverhalten.<br />

Kunden sind einfach nicht mehr bereit,<br />

drei Wochen auf die Bearbeitung eines<br />

250-Euro-Schadens oder die Änderung<br />

von Adressdaten zu warten.<br />

Auch die Zurich setzt 2017 künstliche<br />

Intelligenz bei der Schadenbearbeitung<br />

ein. Durch die Beschleunigung habe<br />

der Versicherer nach vier Monaten<br />

40.000 Arbeitsstunden einsparen können.<br />

Könnten andere Unternehmen<br />

vergleichbare Ziele erreichen?<br />

Wenn die hier eingesparten Arbeitsstunden<br />

dafür eingesetzt werden, dass<br />

Versicherungen wirklich kundenorientiert<br />

arbeiten, kann das sogar langfristig<br />

Arbeitsplätze in der Branche<br />

sichern.<br />

Viele Versicherer machen aus unserer<br />

Sicht aber den Fehler, Technologie<br />

nur aus der Effizienzperspektive zu<br />

betrachten. Dabei kann Technologie<br />

das Leben - gerade in der komplexen<br />

Versicherungswelt - für viele Kunden<br />

deutlich einfacher machen. Ohne<br />

Investition in Technologie können<br />

die veränderten Anforderungen des<br />

Kunden nicht bedient werden, und<br />

einige Marktteilnehmer werden - teilweise<br />

sehr kurzfristig - verschwinden.<br />

Das haben wir auch schon in anderen<br />

Branchen beobachtet.<br />

Welche Auswirkungen wird diese Entwicklung<br />

auf den Arbeitsmarkt in der<br />

Branche haben? Wieviele Arbeitsplätze<br />

sind dadurch bedroht?<br />

Wir glauben, dass es eine starke Veränderung<br />

in der Versicherungsbranche<br />

geben wird, die auch den Arbeitsmarkt<br />

betrifft. Viele Jobs im Vertrieb<br />

und Backoffice werden in ihrer jetzigen<br />

Form wegfallen, andere Jobs<br />

in den Bereichen User Experience<br />

(UX), Design, Data Analytics und IT<br />

werden entstehen.<br />

Es wird generell einen starken Shift der<br />

Organisation in Richtung Technologie<br />

geben und in Zukunft werden wir<br />

(hoffentlich) mehr CEOs sehen, die<br />

aus der digitalen Welt / Technologie<br />

kommen.<br />

Das Gespräch führte Björn Bergfeld<br />

Seite 44 Foto: praetorianphoto / istockphoto.com<br />

01/<strong>2018</strong>


Praxis<br />

Wissen, wohin die (Kunden)reise geht<br />

Customer Journey, das war doch: Kundenaufmerksamkeit wecken, Deal abschließen und Tschüss – oder?<br />

Vielleicht vor zehn Jahren. Heute kaufen und entscheiden Kunden anders. Nur wer die neue Route<br />

kennt, wird weiterhin erfolgreich sein. Veraltete Ansätze, die Digitalisierung und Empfehlungsmarketing<br />

links liegen lassen, führen Sie aufs Abstellgleis.Versicherungsmakler GmbH, in seinem Beitrag.<br />

Als Versicherungsmakler wissen Sie<br />

es von vorderster Front: Der Wettbewerb<br />

ist heute größer denn je. Und<br />

Kunden anspruchsvoller und eigenständiger<br />

als früher. Nur wer weiß,<br />

wie Kunden heute kaufen, kann darauf<br />

reagieren. Nur wenn Sie sich von der<br />

Flut an Angeboten absetzen, werden<br />

Sie überhaupt noch wahrgenommen.<br />

Kunden ticken heute eben nicht mehr<br />

wie vor ein paar Jahren. Auch unsere<br />

Geschäftsumgebung hat sich massiv<br />

verändert. Die klassische Kundenreise<br />

lässt elementare Aspekte wie Empfehlungen<br />

und digitalisierte Welten<br />

komplett außer Acht. Damit ist sie<br />

ab sofort unbrauchbar.<br />

Der Kunde von heute ist selbstständig<br />

und verwöhnt. Er recherchiert<br />

eigenhändig und vergleicht, will aber<br />

auch schnell und unkompliziert ein<br />

Ergebnis. Das muss ihn sofort und<br />

langfristig zufriedenstellen. Die<br />

große Angebotswelle wird oft zum<br />

Tsunami für ihn. Kurz: Auf dem immer<br />

unübersichtlicher werdenden Versicherungsmarkt<br />

können Sie sein lebensrettender<br />

Anker sein – schließlich<br />

sind Sie Experte. Das hilft aber nur,<br />

wenn der Kunde Sie auch als solchen<br />

wahrnimmt. Dafür brauchen Sie eine<br />

moderne Kundenreise.<br />

Der Lead-Loop®<br />

Wollen Sie heutzutage neue Kunden<br />

gewinnen und alte dauerhaft binden?<br />

Leider reicht es nicht mehr, ein gutes<br />

Angebot oder große Expertise zu<br />

haben. Das haben (fast) alle. Damit<br />

Sie als der Profi für Versicherungen<br />

wahrgenommen werden, brauchen<br />

Sie eine Symbiose aus digitalem und<br />

persönlichem Marketing. Es muss Ihre<br />

Kunden abholen und überzeugen. Der<br />

Lead-Loop wurde auf Basis moderner<br />

Kauf- und Kundenforschung erstellt.<br />

Die Kundenreise 2.0. Der Clou: Diese<br />

Reise ist darauf ausgelegt, ständig neue<br />

Anfragen zu generieren (Leads) und das<br />

– einmal in Gang gesetzt – von alleine<br />

(Loop). Kreisverkehr statt Sackgasse.<br />

Mit diesem Konzept verbinden Sie<br />

Ihre persönliche Note mit überzeugendem<br />

digitalen Content. Denn, nein, ein<br />

Twitter-Profil allein macht niemanden<br />

zum digitalen Genie. Das wissen auch<br />

die Kunden. Ich zeige Ihnen, wie Sie<br />

in fünf Phasen neue Kunden zu loyalen<br />

Fans und gleichzeitig zu wichtigen<br />

Marketingpartnern machen.<br />

1. Die Triggerphase<br />

Am Anfang steht der Trigger, also<br />

ein Auslöser. Beim Kunden wird ein<br />

Bedarf geweckt, den er möglichst<br />

schnell decken will. Frei nach dem<br />

Motto: „Bringt es mir Lust oder löst es<br />

meinen Frust?“ Der Trigger kann ein<br />

Ereignis sein, auf das Sie keinen Einfluss<br />

nehmen können (Unfall, Einfall,<br />

Beispiel: Ihr bester Freund kauft sich<br />

ein neues Auto und ist restlos begeistert.<br />

Einparkassistent, Spurhalteassistent,<br />

Service top. Überschwänglich<br />

empfiehlt er Ihnen das Autohaus mit<br />

entsprechendem Modell. Schon ist<br />

der Gedanke bei Ihnen gepflanzt. Der<br />

Bedarf ist geweckt.<br />

Zufall, Notfall), aber auch geschickt<br />

platzierte Werbung und Kampagnen.<br />

Einer der besten Trigger? Die Empfehlung!<br />

2. Die Recherchephase<br />

Der Kunde setzt sich an den PC und<br />

googelt. In dieser Phase werden die<br />

meisten Kunden verloren. Deswegen<br />

heißt es jetzt: Go! Sie müssen hervorstechen<br />

und überzeugen. Der Kunde<br />

holt sich Meinungen von Freunden<br />

und Familie ein, vergleicht auf Portalen,<br />

schaut, wo er „am besten weg<br />

kommt“. Das sollte natürlich bei Ihnen<br />

sein. Bieten Sie ihm einen klaren Vorteil,<br />

dann gewinnen Sie da, wo andere<br />

verlieren!<br />

Beispiel: Sie haben sich entschlossen!<br />

Das Auto Ihres Freundes wollen Sie<br />

auch. Ihr Freund verrät: Bei seinem<br />

Autohändler hat er eine kostenlose<br />

Nachrüstgarantie für das erste Jahr<br />

nach Autokauf bekommen. Wow! Die<br />

Entscheidung ist gefallen!<br />

3. Die Kaufphase<br />

Der Kunde will möglichst schnell und<br />

unkompliziert seinen Bedarf decken.<br />

Punkt. Für Sie bedeutet das: Er will<br />

die beste Beratung. Das beste Paket.<br />

Genau nach seinen Wünschen, individuell<br />

von Ihnen geschnürt. Mit ein<br />

wenig mehr Aufwand schaffen Sie<br />

auch eine persönliche Bindung zum<br />

Kunden. Haben Sie beispielsweise statt<br />

dem 08/15-Kaffee ausgefallenere Variationen<br />

parat, verdeutlicht das direkt:<br />

„Ich kümmere mich individuell. Kein<br />

Kundenwunsch ist mir zu ausgefallen.“<br />

4. Die Erfahrungsphase<br />

„Die Stunde der Wahrheit“. Nachkaufblues<br />

oder Begeisterung? Dauerhafte<br />

Seite 45


Kundenbindung oder One-Hit-Wonder?<br />

Diese Phase ist in der klassischen<br />

Kundenreise sträflich vernachlässigt<br />

worden. Erst, wenn ein Kunde auch<br />

nach dem Kauf noch begeistert ist,<br />

wird aus ihm ein Fürsprecher. Und<br />

damit ein wertvoller Marketingpartner.<br />

Sorgen Sie dafür, dass auch im Nachgang<br />

alles glatt läuft, damit der Kunde<br />

voll in den Loop einsteigt.<br />

Der Lead-Loop® basiert auf 1.000 Studien<br />

und 10.000 Kundenbefragungen.<br />

Einmal an den Start gebracht, ist er ein<br />

Perpetuum Mobile, das Ihnen dauerhaft<br />

Aufträge und Kunden sichert,<br />

ganz ohne weiteres Zutun Ihrerseits.<br />

Ein Konzept, das alle Ansätze modernen<br />

Marketings verschmelzen lässt:<br />

Empfehlungen und Bewertungen,<br />

Kundengewinnung und Loyalitätsmanagement.<br />

Mit einschneidenden<br />

Ergebnissen für Sie und die Käufer:<br />

mehr Umsatz ohne Mehrarbeit!<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Roger Rankel<br />

Ein Negativbeispiel: Sie kaufen das<br />

Auto im genannten Autohaus. Nach<br />

einigen Monaten – im bitterkalten<br />

Winter – wollen Sie gerne von der<br />

Nachrüstgarantie Gebrauch machen<br />

und Sitzheizungen einbauen lassen.<br />

Plötzlich sperrt sich der Verkäufer und<br />

will eine „Bearbeitungsgebühr“, von<br />

der vorher nie die Rede war. Würden<br />

Sie diesen Händler noch empfehlen?<br />

Über Roger Rankel:<br />

Seine Bücher werden Bestseller und wenn er auspackt, hören sie ihm<br />

zu: Verkäufer, Makler und Berater. Rankel ist der Verkaufstrainer der<br />

Finanzdienstleistungsbranche und jährlich hält er 150 Vorträge vor<br />

weit mehr als 30.000 Zuhörern zu seinen Kernthemen: Wie komme<br />

ich zu neuen Kunden? Wie mache ich mehr Umsatz? Wie kann ich<br />

besser verkaufen? Dazu hat Roger Rankel mit einem Team von Spezialisten<br />

mehr als 1.000 Studien zum neuen Kaufverhalten analysiert<br />

und die Kundenreise (Customer Journey) komplett neu aufgesetzt.<br />

5. Die Fürsprecherphase<br />

Das Herzstück des Lead-Loop ist die<br />

Fürsprecherphase. Haben Sie Ihren<br />

Kunden rational überzeugt und emotional<br />

begeistert, wird er Sie weiterempfehlen.<br />

Der Trigger der nächsten<br />

Generation ist geboren. Statt einfach<br />

eine Bewertung abzugeben – wie<br />

momentan auf Amazon üblich – wird<br />

er seine Meinung aktiv teilen. Mit<br />

Ihren potenziellen Neukunden.<br />

Ihre Vorteile aus<br />

dem Lead-Loop®<br />

Die Kunden von heute sind selbstbestimmter<br />

geworden. Wer eine Reise<br />

buchen will, geht nicht mehr zwingend<br />

ins Reisebüro. Wer eine Versicherung<br />

sucht, macht sich online erst einmal<br />

selbst ans Werk. Eins hat sich jedoch<br />

nicht geändert: Wenn Sie Ihren Kunden<br />

überzeugen, dass Sie die Angelegenheit<br />

besser und bequemer regeln,<br />

wird er zu Ihnen kommen – und bei<br />

Ihnen bleiben. Dafür brauchen Sie<br />

nur die richtigen Touchpoints. Mit<br />

dem Lead-Loop® wissen Sie, was Ihr<br />

Kunde wann sucht und hören will.<br />

P.S. Das kostenfreie E-Book zum Lead-Loop können<br />

Sie unter www.roger-rankel.de herunterladen.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!<br />

Seite 46


Sparten<br />

Die Digitalisierung aktiv gestalten,<br />

um die eigenen vier Wände<br />

sicherer zu machen!<br />

Lebensqualität und Wohnkomfort mit IoT-Technologien steigern, wie das geht und wozu das gut sein<br />

soll, erklärt im <strong>Versicherungsbote</strong>-Interview Martin Schmidt-Schön, Country Functional Head Digital der<br />

Generali Deutschland. Außerdem spricht er über den im engen Zusammenhang stehenden Smart Home-Trend<br />

und wie die Kunden davon profitieren können.<br />

Foto: gpointstudio / istockphoto.com<br />

Seite 47


Herr Schmidt-Schön, Smart-Home, was<br />

heißt das eigentlich und welchen Nutzen<br />

können Kunden daraus ziehen?<br />

Generell bezeichnet der Begriff<br />

„Smart Home“ einen Haushalt, in dem<br />

elektrotechnische Geräte und Installationen<br />

miteinander verknüpft sind und<br />

zentral über eine Software gesteuert<br />

werden können – von zu Hause aus<br />

oder auch von unterwegs. Dabei werden<br />

in der Regel Sensoren beziehungsweise<br />

sogenannten IoT-Technologien<br />

genutzt. Diese messen beispielsweise<br />

Werte wie Temperatur oder die Helligkeit.<br />

Dadurch können Alltagsvorgänge<br />

automatisiert und Geräte-Einstellungen<br />

wie etwa Heizung, Rollläden,<br />

Licht und Lautsprecher schnell an die<br />

persönlichen Bedürfnisse angepasst<br />

werden.<br />

Die Möglichkeiten sind groß: Laut<br />

Prognosen soll der Smart-Home-<br />

Markt in Deutschland jährlich um<br />

über 20 Prozent bis 2022 wachsen. Für<br />

Kunden heißt das ganz konkret, mit<br />

neuartigen Technologien die Lebensqualität<br />

und den Wohnkomfort zu<br />

steigern, den Energieverbrauch zu<br />

senken und die Sicherheit zu erhöhen.<br />

Und was bedeutet Smart-Home für<br />

Versicherer?<br />

Für die Kunden kann der Einsatz von<br />

Smart Home-Geräten in Verbindung<br />

mit den passenden Dienstleistern die<br />

eigenen vier Wände sicherer machen<br />

und die Risiken eines Einbruchs oder<br />

von Feuer- oder Wasserschäden verringern.<br />

Ziel sollte es sein, ein intelligentes<br />

Zuhause zu schaffen, bei dem<br />

Kunden durch vernetzte Sicherheitssysteme<br />

stets über den Status der<br />

Wohnung informiert bleiben. Im<br />

Schadensfall erhalten sie dann automatisch<br />

und schnell Hilfe über integrierte<br />

Assistance-Services.<br />

Doch Smart-Home ist viel mehr als<br />

die reine Technik der Geräte. Denn<br />

die Versicherungsbranche kann hier<br />

mittels IoT-Technologie aktiv vorbeugen,<br />

so dass ein Schaden im Idealfall<br />

erst gar nicht entsteht.<br />

Smart-Home basiert auf technischen<br />

Geräten, die Daten erfassen und<br />

auch übermitteln. Datenschutz ist in<br />

Deutschland ein sensibles Thema. Wie<br />

werden der Datenschutz und die Datensicherheit<br />

gewahrt?<br />

Der wichtigste Punkt ist, dass der<br />

Datenschutz sichergestellt wird und<br />

kein Fremder auf Daten zugreifen<br />

kann. Das gilt für alle Geschäftsbereiche,<br />

die mit dem Produkt in Berührung<br />

kommen. Ebenso müssen etwaige<br />

Partnerunternehmen mit einbezogen<br />

werden.<br />

Zur Wahrung des Datenschutzes<br />

braucht es klare Richtlinien, die erfüllt<br />

werden müssen. Sie können sich das<br />

wie bei einem TÜV-Test vorstellen, bei<br />

dem geprüft wird, ob die entsprechenden<br />

Vorkehrungen getroffen wurden.<br />

Umfangreiche Checklisten müssen<br />

dann von allen Bereichen ausgefüllt<br />

sowie diverse IT- und Fachtests<br />

durchgeführt werden. Diese werden<br />

anschließend durch verschiedene Gremien<br />

wie etwa Revision, IT-Security<br />

und Datenschutzbeauftragte geprüft.<br />

Als zusätzliches Element kann auch<br />

ein externen Anbieter herangezogen<br />

werden, der die Produkte unabhängig<br />

prüft und zertifiziert. Das beseitigt<br />

Fehler und schafft Vertrauen.<br />

Welche persönlichen Visionen haben<br />

Sie für die „digitale Transformation“?<br />

Wo sehen Sie Deutschland in 30 Jahren?<br />

Die digitale Transformation wird<br />

uns weiterhin stetig begleiten. Technische<br />

Neuheiten verändern das<br />

Kundenverhalten, was wiederum<br />

zu einem Wandel in den Unternehmen<br />

führt beziehungsweise neue<br />

Geschäftsmodelle hervorbringt.<br />

Wie nun Deutschland in 30 Jahren<br />

aussieht, hängt von vielen Faktoren<br />

ab und ist in der schnelllebigen Welt<br />

schwer einzuschätzen. Ich gehe davon<br />

aus, dass in Zukunft unser Leben<br />

deutlich smarter sein wird. Virtuelle<br />

Assistenten beziehungsweise Roboter<br />

und digitale Dienstleistungen werden<br />

für uns dabei selbstverständlich sein<br />

und uns individuell im Lebensalltag in<br />

unterschiedlichen Situationen unterstützen.<br />

Wir werden noch stärker vernetzt<br />

sein. Dadurch sind wir aktiv oder<br />

passiv an der laufenden Entwicklung<br />

von neuen Produkten beteiligt.<br />

Bei der Anwendung und Verbreitung<br />

von IoT beziehungsweise intelligenten<br />

Sensoren sowie insbesondere<br />

im Bereich Big Data und Artificial<br />

Intelligence stehen wir und auch die<br />

Branche noch am Anfang. In naher<br />

Zukunft wird mit steigender Anzahl<br />

von vernetzten Geräten das Smart<br />

Living insbesondere für die heutige<br />

junge Generation selbstverständlich<br />

sein - ebenso wie heute das Smartphone.<br />

Die schnelle Verbreitung von<br />

Sprach-Assistenten wie Alexa & Co.<br />

geht schon stark in diese Richtung.<br />

Ich hoffe dabei, dass in Deutschland<br />

die Rahmenbedingungen für den digitalen<br />

Wandel noch weiter verbessert<br />

werden, um im internationalen Vergleich<br />

mitzuhalten.<br />

Das Gespräch führte Jenny Müller<br />

Martin Schmidt-Schön<br />

Country Functional Head Digital der<br />

Generali Deutschland<br />

Seite 48 01/<strong>2018</strong>


Tierversicherungen –<br />

ein Thema mit Biss<br />

und Perspektive<br />

Eine Tier-OP oder ein durch ein Tier verursachter Schaden kann schnell teuer werden. Nach §833 Bürgerliches<br />

Gesetzbuch (BGB) haften Tierhalter nämlich mit ihrem Privatvermögen für Schäden, die ihr<br />

Tier anrichtet – auch wenn sie keine Schuld haben. Da Vierbeiner meist als Familienmitglied gelten, ist<br />

das Thema emotional behaftet und erfordert für den Versicherungsmakler viel Fingerspitzengefühl. Als<br />

Versicherer, der auf Tiere spezialisiert ist, wissen die Uelzener Versicherungen, worauf beim Abschluss<br />

geachtet werden muss und welche Chancen der Vertrieb von Tierhaftpflichtpolicen mit sich bringt.<br />

Kleines Tier, großer Schaden<br />

Weil ein kleiner, freilaufender Hund<br />

plötzlich vor ihr Fahrrad läuft, stürzt<br />

eine junge Frau unglücklich. Die Folge:<br />

eine Querschnittslähmung. In diesem<br />

schwerwiegenden Fall beläuft sich die<br />

Schadenssumme durch Langzeitfolgeschäden<br />

auf mehrere Millionen Euro.<br />

Um bei großen Personenschäden<br />

finanziell ausreichend abgesichert zu<br />

sein, sollte beim Abschluss einer Tierhalter-Haftpflicht<br />

die Deckungssumme<br />

mindestens 5 Millionen Euro betragen.<br />

Die Uelzener Versicherungen empfehlen<br />

eine Deckungssumme von 15 Millionen<br />

Euro, da bei Personenschäden<br />

mit Invalidität und Erwerbsunfähigkeit<br />

– wie in dem obigen Beispiel – hohe<br />

Schadenssummen folgen können.<br />

Tarifmerkmale<br />

genau beachten<br />

Bei den Policen gibt es meist Ausschlüsse<br />

für bestimmte Rassen. Auch<br />

Aufenthalte auf Hundeplätzen oder<br />

Urlaubsreisen im Ausland sind oft nicht<br />

abgedeckt. Auf solche Deckungslücken<br />

sollten Hundehalter achten – ebenso<br />

auf Tarifmerkmale wie das Führen<br />

des Hundes ohne Leine, Schadenersatz-Ansprüche<br />

von Hundehütern, der<br />

gewollte oder ungewollte Deckakt, die<br />

Teilnahme an Veranstaltungen und<br />

Hundeschauen sowie Schäden auf dem<br />

Hundeplatz und in Hundepensionen.<br />

Neben Personen- und Sachschäden<br />

sollten auch Mietsachschäden mitversichert<br />

sein. Mietsachschäden sind<br />

Schäden an Wohnräumen und sonstigen<br />

zu privaten Zwecken gemieteten<br />

Räumen oder auch Mietwagen. Bei<br />

einer solchen Abdeckung sind auch<br />

die zerkratzte Tür in der Mietwohnung<br />

oder das zerbissene Sofa im Hotelzimmer<br />

kein Problem.<br />

Auch wer mehr als einen Hund hält, findet<br />

oft passende Angebote. Es gibt beispielsweise<br />

Mehrhundetarife zu günstigen<br />

Konditionen. Beim Abschluss<br />

von mehreren Versicherungen für<br />

ein Tier haben die Uelzener Versicherungen<br />

Kombi-Tarife entwickelt<br />

wie zum Beispiel eine Tier-OP-Versicherung<br />

mit der Tierhalter-Haftpflicht<br />

inklusive Tierhalter-Rechtsschutz und<br />

Unfall-Krankenhaustagegeld.<br />

Das Sicherheitsbedürfnis der<br />

Klienten berücksichtigen<br />

Ob ein Vierbeiner gesund bleibt oder<br />

doch eines Tages schwer erkrankt, ist<br />

nicht vorhersehbar. Deshalb sollte jeder<br />

Tierhalter das eigene Sicherheitsbedürfnis<br />

hinterfragen: Für Menschen,<br />

die ein finanzielles Risiko komplett vermeiden<br />

möchten, ist der Tierkrankenschutz<br />

eine sinnvolle Option. Falls eine<br />

langwierige tierärztliche Behandlung<br />

erforderlich ist, bietet eine Tier-Krankenversicherung<br />

weitreichenden<br />

Schutz. Einigen reicht jedoch eine<br />

finanzielle Sicherheit für die wirklich<br />

ernsten Notfälle, in denen eine Operation<br />

unvermeidbar ist. Diese Halter<br />

sollten eine Tier-OP-Versicherung in<br />

Erwägung ziehen.<br />

In jedem Fall empfehlenswert ist es,<br />

den Leistungsumfang der Tarife und<br />

die Ausschlüsse genau zu prüfen, damit<br />

es hinterher zu keinen Enttäuschungen<br />

kommt, weil die Leistung nicht<br />

inkludiert ist. Wird ein Tier ein neues<br />

Familienmitglied, so ist eine individuelle<br />

Beratung beim Fachmann ratsam<br />

– schon allein aufgrund der Vielzahl an<br />

Angeboten unter den Tierkranken- und<br />

OP-Versicherungen.<br />

Neugeschäft stärken, Kundenbindung<br />

erhöhen<br />

Eine gute tierärztliche Versorgung<br />

ist den Menschen oft ebenso wichtig<br />

wie eine gute Krankenversicherung<br />

für sich selbst. Das heißt für den Versicherungsmakler:<br />

Wer den Bedarf<br />

der Kunden an der Absicherung von<br />

Hund, Katze oder Pferd erkennt und<br />

vielleicht selbst eigene Erfahrung als<br />

Tierhalter mitbringt, kann zusätzliches<br />

Geschäft generieren und die Kunden<br />

noch besser an sich binden.<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Dr. Theo Hölscher<br />

Uelzener Allgemeine<br />

Versicherungs-Gesellschaft a.G.<br />

Seite 49


Dauercamping: „Eine Außenver-<br />

sicherung würde nur zeitlich<br />

begrenzt Schutz bieten“<br />

Immer mehr Versicherer werben mit Spezialpolicen um eine Kundschaft mit teils extravaganten Wünschen<br />

und Anforderungen. So auch die Oberösterreichische Versicherung: Sie hat Tarife auf den Markt<br />

gebracht, die sich an Dauercamper und Besitzer von Tiny Houses wendet, folglich Alternativen zum<br />

etablierten Wohnen suchen. Aber braucht es überhaupt einen speziellen Schutz? Wir haben bei Christian<br />

Waldheim nachgefragt, Key Acoount Manager Region Ost.<br />

Foto: Dauercamper (fotolia.com)


Sparten<br />

Die Oberösterreichische Versicherung<br />

bietet einen sehr speziellen Tarif im<br />

Bereich Dauercamper für Wohnwagen<br />

und Mobilheime. Wie schätzen Sie den<br />

Markt für diese Produkte ein?<br />

Mit mehr als 2.900 geöffneten Campingplätzen<br />

in Deutschland, die fast<br />

220.000 Stellplätze anbieten, ist das<br />

Marktpotential sehr hoch. Die steigenden<br />

Zahlen von Campingurlaubern<br />

in den vergangenen Jahren bestätigen<br />

unsere Annahme, dass sich diese<br />

Form des Urlaubs auch weiterhin großer<br />

Beliebtheit erfreuen wird. Nicht<br />

umsonst ist der Campingtourismus ein<br />

wesentlicher Bestandteil der deutschen<br />

Tourismuswirtschaft.<br />

Die Police wendet sich an Menschen,<br />

die Alternativen zu „standardisierten“<br />

Lebensformen suchen (auch Dauercamping).<br />

Die auf Mobilität setzen,<br />

Abenteuer etc. Muss man diese Zielgruppe<br />

anders ansprechen, um sie für<br />

Versicherungen zu begeistern?<br />

Nein, denn vor allem Dauercamper<br />

sind Menschen, die im Allgemeinen<br />

nicht nur Ihre Parzelle besonders<br />

pflegen, sondern auch einen besonderen<br />

Bezug zu ihrem Wohnwagen<br />

oder Mobilheim haben. Einzig die<br />

gewählte Form des Urlaubs unterscheidet<br />

unsere Kunden von anderen, denn<br />

statt Strand, Hotel und Halbpension<br />

gibt es Wohnwagen, Gemeinschaftsduschen<br />

und Eigenverpflegung.<br />

Wie schätzen Sie den Markt für Spezialversicherungen<br />

ein? Kritiker könnten<br />

einwenden: damit lassen sich auch<br />

unnütze Policen an die Frau bzw. den<br />

Mann bringen. Wo sehen Sie Potentiale?<br />

Bausteine aus einer Hausrat-, Wohngebäude-<br />

und Grundstückshaftpflicht.<br />

Richtig. Unser Tarif ist eine Kombination<br />

aus den Sparten Wohngebäude,<br />

Hausrat, Grundstückshaftpflicht und<br />

Glasversicherung. Variable Versicherungssummen<br />

gibt es nicht, da wir<br />

maximale Entschädigungsgrenzen für<br />

die einzelnen Sparten haben (Wohngebäude:<br />

60.000 Euro, Hausrat: 10.000<br />

Euro, Haftpflicht: Deckungssumme<br />

3 Millionen Euro, Glasversicherung<br />

pauschal).<br />

Diese vier Sparten können nur gemeinsam<br />

abgeschlossen werden, da sie in<br />

einer Police gebündelt werden. Lediglich<br />

die Haftpflichtversicherung ist per<br />

Opt-Out Modell abwählbar, da diese<br />

sogenannte „Standplatzhaftpflicht“<br />

bereits in vielen Privathaftpflichtversicherungen<br />

enthalten ist.<br />

Der Trend, vor allem zu Mobilheimen,<br />

ist noch relativ jung und die Nachfrage<br />

nach speziellem Schutz steigt. Würde<br />

eine Standard-Hausrat- und Wohngebäudepolice<br />

auch greifen? Wozu<br />

braucht es einen speziellen Schutz?<br />

Nein, ein Standardschutz würde den<br />

Kunden in diesen Fällen nicht weiterhelfen.<br />

Zum einen hätten wir das<br />

Problem in der Hausratversicherung<br />

mit der in den Standardpolicen enthaltenen<br />

Außenversicherung, die in<br />

der Regeln summen- oder zeitmäßig<br />

begrenzt sind. Im Bereich der<br />

Wohngebäudeversicherung, also der<br />

Versicherung des Wohnwagens oder<br />

Mobilheims, bestünde bei Standardpolicen<br />

ein Problem hinsichtlich der<br />

nicht dauerhaften Nutzung.<br />

man (mit Blick auf Versicherung) überhaupt<br />

beachten?<br />

Generell gibt es keine Pflicht, seinen<br />

nicht zum Strassenverkehr zugelassenen<br />

Wohnwagen oder das Mobilheim<br />

zu versichern. Das kann sich allerdings<br />

dann ändern, wenn ich das Objekt auf<br />

öffentlichen Strassen bewege, oder<br />

aber auf einem Campingplatz dauerhaft<br />

abstellen möchte. Dann werden<br />

von den Betreibern vielfach Nachweise<br />

einer sogenannten „Standplatzhaftpflicht“<br />

verlangt.<br />

Aufgrund unserer Erfahrungen haben<br />

wir daher bei der Konzeption dieses<br />

Produktes diesen Baustein gleich automatisch<br />

in die Police inkludiert. Stellt<br />

nun der Kunde oder der betreuende<br />

Makler fest, dass der erforderliche<br />

Haftpflichtversicherungsschutz bereits<br />

in der Privathaftpflicht des Kunden<br />

enthalten ist, kann die bei uns integrierte<br />

Haftpflicht per Opt-out-Modell<br />

auch abgewählt werden.<br />

Auch im Bereich der Hausratversicherung<br />

kann es durchaus sein, dass im<br />

Rahmen der Außenversicherung der<br />

im Wohnwagen oder dem Mobilheime<br />

vorhandene Hausrat, Wertgegenstände<br />

oder ähnliches, mitversichert ist. Da<br />

Außenversicherungen aber zeitlich<br />

oder summenmäßig oft begrenzt sind,<br />

ist die Hausratversicherung in unserer<br />

Police ein fester Bestandteil.<br />

Wie viele Versicherungsverträge haben<br />

Sie für den Bereich Dauercamping<br />

bereits abgeschlossen? Naiv gefragt:<br />

Ist die Solidargemeinschaft groß genug<br />

- oder wird das mit anderen Sparten<br />

quersubventioniert?<br />

Die Kritik, vor allem der Verbraucherschützer<br />

in Bezug auf die Einstufung<br />

von „unnützen“ und „nützlichen“<br />

Policen, ist bekanntermaßen nicht<br />

neu. Sicherlich gibt es in der Versicherungswirtschaft<br />

Produkte, deren<br />

Sinn und Nutzen hinterfragt werden<br />

müssen. Für unsere Police aber kann<br />

ich den Einwand nicht gelten lassen, da<br />

unser Versicherungsschutz speziell auf<br />

die Bedürfnisse von Dauercampern<br />

zugeschnitten ist.<br />

Können Sie erklären, wie die Dauercampingversicherung<br />

funktioniert? Wenn<br />

ich das richtig verstehe, enthält es<br />

Auch bei der Glasversicherung gibt<br />

es ganz entscheidende Unterschiede.<br />

Während sich der Versicherungsschutz<br />

bei Standard-Glasversicherungen auf<br />

die Mobiliar- und Objektverglasungen<br />

bezieht, greift unser Versicherungsschutz<br />

viel weiter und sichert<br />

ebenso fertig eingesetzte oder montierte<br />

Scheiben ebenso im Rahmen des<br />

Versicherungsschutzes ab, etwa Platten<br />

und Wohnwagenluken aus Kunststoff.<br />

Gibt es Versicherungspflichten, die<br />

Besitzer von Wohnwagen oder Mobilheimen<br />

beachten müssen? Brauchen<br />

sie zum Beispiel Haftpflicht? Was muss<br />

Ihre Frage kann ich mit einem klaren<br />

Ja beantworten. Da es ich bei diesen<br />

Produkt um ein Mix aus vier Sparten<br />

handelt, bedarf es keiner Quersubventionierung.<br />

Da zudem die Sparten<br />

der Dauercampingpolice auch für alle<br />

anderen Tarife gilt, verfügen dieser<br />

Tarif über eine ausreichend große<br />

Solidargemeinschaft.<br />

Ich könnte mir vorstellen, dass es<br />

schwierig ist, den Wert von Wohnwagen<br />

oder Mobilheimen und deren Einrichtung<br />

überhaupt einzuschätzen. Wie<br />

bestimmen Sie den Wert? Oder haben<br />

Sie hier pauschale Summen (ähnlich<br />

Seite 51


z.B. dem Unterversicherungsverzicht<br />

im Hausrat-Segment).<br />

Foto: shank_ali / istockphoto.com<br />

Sie haben Recht. Oftmals ist die<br />

Bestimmung der Werte nicht ganz<br />

einfach. Wir haben aber dafür<br />

eine Lösung in unseren Tarif<br />

implementiert, die einer möglichen<br />

Unterversicherung entgegenwirkt.<br />

So liegt der Versicherungspolice<br />

im Bereich Hausrat eine maximale<br />

Entschädigungsgrenze von<br />

10.000 Euro zugrunde, für den<br />

Bereich Wohngebäude gar eine<br />

Höchstentschädigungssumme von<br />

60.000 Euro. Damit wirken wir<br />

eventuellen Streitigkeiten gezielt vor,<br />

wenngleich es den Kunden nicht<br />

davon entbindet, uns im Schadenfall<br />

auch entsprechende Kostennachweise<br />

zu liefern.<br />

Das Gespräch führte Mirko Wenig<br />

„Das Image des spießigen<br />

Bausparers ist längst Geschichte!“<br />

Die BHW-Bausparkasse ist<br />

ein Unternehmen mit Tradition:<br />

seit 1928 zunächst<br />

für die Beamtenschaft gegründet,<br />

gehört das Institut<br />

seit 2006 zur Postbank<br />

und zählt mit einer Bilanzsumme<br />

von 31,74 Milliarden<br />

Euro zu den größten<br />

Bauspar-Anbietern hierzulande.<br />

Im Interview erklärt<br />

Jörg Koschate, Mitglied des<br />

Vorstands, weshalb ihm<br />

um die Zukunft des Bausparens<br />

nicht bang wird.<br />

Jörg Koschate<br />

Mitglied des Vorstandes<br />

Seite 52 01/<strong>2018</strong>


Sparten<br />

<strong>Versicherungsbote</strong>: Mit Blick auf den<br />

Niedrigzins: Macht Bausparen noch<br />

Sinn?<br />

Jörg Koschate: Ja, auf jeden Fall. Und<br />

dafür gibt es wichtige Gründe. Der<br />

wichtigste: Ein Bausparvertrag ist die<br />

seit Jahrzehnten bewährte Option auf<br />

einen dauerhaft niedrigen Zins in der<br />

Darlehensphase. Wer sich heute einen<br />

Vertrag mit den aktuell noch historisch<br />

niedrigen Zinsen sichert, kann für die<br />

nächsten Jahre mit den fest vereinbarten<br />

Zinskonditionen planen.<br />

Das ist gerade jetzt wichtig, da die<br />

Zinsen langsam, aber stetig steigen.<br />

Dies erkennen immer mehr Kunden<br />

und nutzen ihren Bausparvertrag<br />

als Zinssicherungsinstrument. Hier<br />

zeigt sich die besondere Flexibilität<br />

eines Bausparvertrages. Denn in der<br />

Sparphase dient ein Bausparvertrag<br />

dem Vermögensaufbau – oft auch mit<br />

staatlicher Förderung – und schafft<br />

so das nötige Eigenkapital für eine<br />

solide und nachhaltige Finanzierung<br />

der eigenen vier Wände. In der Darlehensphase<br />

bietet er Zinssicherheit<br />

und kann flexibel getilgt werden.<br />

Welche Auswirkungen hat die aktuelle<br />

Zinslage auf das Bausparen?<br />

Natürlich war und ist die Niedrigzinspolitik<br />

der EZB eine Herausforderung<br />

für die Bausparkassen. Einlagenstarke<br />

Finanzinstitute spüren das vor allem<br />

im Rückgang ihres Zinsertrags. Sie<br />

müssen sich diesem schwierigen Marktumfeld<br />

stellen und durch strategische<br />

Maßnahmen in eine Stabilisierung<br />

der Erträge und die Zukunftsfähigkeit<br />

des Unternehmens investieren. Diese<br />

Herausforderung haben wir angenommen<br />

und neue Produkte entwickelt,<br />

Prozesse optimiert und in die Zukunft<br />

investiert.<br />

Doch jede Medaille hat zwei Seiten:<br />

Für die Darlehenskunden ist die<br />

Niedrigzinsphase natürlich durchaus<br />

attraktiv. Angesichts immer weiter<br />

steigender Mieten steigt die Nachfrage<br />

nach Wohneigentum. Gerade Familien<br />

mit Kindern möchten sich ihren<br />

Traum vom Eigenheim erfüllen. Niedrige<br />

Zinsen, gestiegene Einkommen,<br />

sichere Arbeitsplätze und oft auch eine<br />

Erbschaft oder staatliche Förderung<br />

machen dies möglich. Immobilienfinanzierungen<br />

mit langfristig niedrigen<br />

Zinsen erfreuen sich daher großer<br />

Nachfrage. Gleichzeitig nimmt auch<br />

der Bedarf, vorhandenen Wohnraum<br />

zu modernisieren und energetisch<br />

zu sanieren, weiter zu. Viele Kunden<br />

nutzen die niedrigen Zinsen, um ihren<br />

Traum von den eigenen vier Wänden<br />

umzusetzen. Dies gilt sowohl für den<br />

Bau oder Kauf als auch für den Werterhalt<br />

einer Immobilie.<br />

Wie sieht der typische Bausparkunde<br />

aus?<br />

Da rund 30 Prozent aller Deutschen<br />

einen Bausparvertrag besitzen, gibt es<br />

den typischen Bausparkunden nicht.<br />

Das Image vom spießigen Bausparer<br />

ist schon lange Geschichte – und das<br />

ist gut so. Die Kunden kommen aus<br />

allen Altersgruppen und Einkommensschichten.<br />

Das sind sicherheitsorientierte<br />

Kunden, die keine Schwankungen<br />

am Darlehenszins riskieren<br />

wollen, da über die gesamte Laufzeit<br />

die gleiche Rate fällig wird. Das sind<br />

Familien mit Kindern, die von der<br />

Wohn-Riester-Zulage profitieren. Das<br />

sind Kunden, die die Wohnungsbauprämie<br />

erhalten oder in der Darlehensphase<br />

flexible Rückzahlungsmöglichkeiten<br />

wünschen – um nur einige<br />

Beispiele zu nennen.<br />

Die Palette an „Kunden-Typen“ ist<br />

also genauso breit gefächert, wie die<br />

Optionen, die ein Bausparvertrag bietet.<br />

Interessant ist aber: Nur etwa ein<br />

Drittel der Bausparer wohnt noch zur<br />

Miete, alle anderen genießen bereits<br />

die Vorteile der eigenen Immobilie: Sie<br />

bietet mehr Lebensqualität, ist inflationssicher,<br />

unabhängig vom Auf und<br />

Ab der Kapitalmärkte und schützt vor<br />

Kündigung oder Mieterhöhungen. Im<br />

Vergleich zu Nicht-Bausparern schaffen<br />

sie es, die eigenen vier Wände mit<br />

weniger Eigenkapital und geringerem<br />

Einkommen zu finanzieren. Und sie<br />

beziehen ihr Wohneigentum etwa drei<br />

Jahre früher.<br />

Welche Fehler machen Kunden in<br />

Bezug auf das Bausparen?<br />

Typische nicht optimale Vertragsgestaltungen<br />

reichen von der Wahl<br />

des falschen Tarifes, über die falsche<br />

Bausparsumme bis zum Nicht-Ausschöpfen<br />

der möglichen Förderungen.<br />

Nur wenige Kunden haben ausreichend<br />

Fachwissen, um sich alle Fragen<br />

rund um ihren Bausparvertrag oder<br />

ihr Finanzierungsvorhaben selbst zu<br />

beantworten. Umso wichtiger ist deshalb<br />

eine gute Beratung. Beispielsweise<br />

verlockt der Niedrigzins manche Kunden<br />

dazu, mit wenig oder ganz ohne<br />

Eigenkapital eine Immobilie kaufen<br />

zu wollen. Bei Tilgungszeiten von 30<br />

Jahren müssen aber auch Reserven für<br />

Instandhaltungen schon mit bedacht<br />

werden.<br />

Wer seine Belastung „auf Kante näht“,<br />

potenziert sein Risiko. Um zu vermeiden,<br />

dass günstige Finanzierungen<br />

zu historisch langen Tilgungszeiten<br />

führen, sollte die anfängliche Kredittilgung<br />

nicht nur bei einem Prozent,<br />

sondern höher liegen. Gerade für<br />

die große Gruppe der heute 30 bis<br />

40-jährigen Eigenheim-Finanzierer<br />

muss deshalb ein Konzept erarbeitet<br />

werden, damit sie mit Beginn des<br />

Ruhestands schuldenfrei sind. Hier<br />

sind die Berater und Banken gefragt,<br />

denn die Wahl des richtigen Finanzierungskonzeptes<br />

ist ebenso komplex<br />

wie die individuelle Lebenssituation<br />

der Kunden unterschiedlich ist. Den<br />

Kunden vor Fehlern bewahren, bevor<br />

er sie begeht, lautet hier die Devise.<br />

Wohnriester ist die einzige Sparte, die<br />

aktuell in der staatlich geförderten<br />

Riester-Altersvorsorge boomt. Weshalb<br />

macht Bausparen in Kombination mit<br />

Wohn-Riester Sinn?<br />

Für alle, die in einigen Jahren ein<br />

Eigenheim bauen oder kaufen wollen,<br />

ist ein Riester-Bausparvertrag ein<br />

wichtiger Baustein für eine solide Baufinanzierung.<br />

Dies gilt besonders für<br />

Familien mit Kindern. Wie bei allen<br />

Riester-Modellen gibt es bis zu 175<br />

Euro jährlich vom Staat als Grundzulage.<br />

Bereits in der Ansparphase des<br />

Bausparvertrages fließen die Zulagen<br />

als zusätzliche Sparrate in das<br />

Bausparkonto. Der Vertrag wird so<br />

schneller zugeteilt. Nach Zuteilung<br />

des Vertrages und Abruf des Darlehens<br />

unterstützt die Zulage bei der<br />

schnelleren Tilgung.<br />

Die staatliche Förderung wirkt dabei<br />

wie ein Tilgungsturbo. Neben der<br />

Grundzulage gibt es für jedes vor 2008<br />

geborene Kind zusätzlich 185 Euro im<br />

Seite 53


Jahr; für jedes später geborene sogar<br />

bis zu 300 Euro jährlich. Im Falle einer<br />

Familie mit zwei Kindern können also<br />

in 20 Jahren rund 16.000 Euro Fördergeld<br />

bezogen werden. Je früher man<br />

mit dem „Riestern“ beginnt, desto<br />

besser. Für Sparer unter 25 Jahren gibt<br />

es bei Abschluss eines Riester-Vertrags<br />

einen Zuschuss in Höhe von 200 Euro.<br />

Aber auch ältere Bausparer können<br />

von der Wohn-Riester-Förderung profitieren,<br />

denn die Zulage gibt es auch<br />

für die Ablösung von Baudarlehen<br />

oder den barrierefreien Umbau einer<br />

Immobilie.<br />

Welche Perspektive sehen Sie in dem<br />

Produkt Bausparvertrag?<br />

Bausparen hat nicht nur eine Daseinsberechtigung,<br />

sondern weiter hohen<br />

Stellenwert und damit durchaus auch<br />

eine hervorragende Perspektive. Das<br />

deutsche Baufinanzierungssystem baut<br />

darauf, Sicherheit zu gewährleisten.<br />

Dabei spielt der Bausparvertrag eine<br />

zentrale Rolle: als flexibles Finanzierungselement<br />

für konkrete Immobilienvorhaben,<br />

zur Absicherung der<br />

niedrigen Zinsen für zukünftige Bauoder<br />

Modernisierungsprojekte und<br />

zum staatlich geförderten Aufbau von<br />

Eigenkapital. Dieses System hat sich<br />

millionenfach bewährt. Wohneigentum<br />

diszipliniert zum Sparen, stabilisiert<br />

die Altersvorsorge und entlastet<br />

über Sickereffekte die Mietmärkte.<br />

Warum sollten Vermittler auf Bauspar-Produkte<br />

setzen?<br />

Bausparen ist und bleibt das ideale<br />

Produkt zur vielfachen Kundenansprache.<br />

Wer in den Beruf einsteigt<br />

oder noch in der Ausbildung ist, kann<br />

von einem Bausparvertrag besonders<br />

profitieren. Hier wirkt die staatliche<br />

Förderung und Form von Wohnungsbauprämie,<br />

Arbeitnehmersparzulage<br />

oder Wohn-Riester besonders stark<br />

und macht einen Bausparvertrag auch<br />

unter Rendite Gesichtspunkten attraktiv.<br />

Wer in späteren Jahren über eigene vier<br />

Wände nachdenkt, kann auf das angesparte<br />

Vermögen zurückgreifen und<br />

weiß die Vorzüge eines Bauspardarlehens<br />

zu schätzen. Wer bereits vor einigen<br />

Jahren finanziert hat, möchte sich<br />

die niedrigen Zinsen langfristig sichern<br />

und wer sein Haus bereits weitgehend<br />

abbezahlt hat, möchte vielleicht in den<br />

Werterhalt oder einen barrierefreien<br />

Umbau seiner Immobilie investieren. Es<br />

sind also meist positive Anlässe, die mit<br />

einem Bausparvertrag verbunden sind.<br />

Eine gute Beraterin oder ein guter Berater<br />

weiß diese Anlässe zu nutzen und<br />

baut eine solide Kundenbeziehung auf.<br />

Viele Vermittler stehen dem Bausparvertrag<br />

nicht unbedingt positiv gegenüber.<br />

Welche Hintergründe hat das?<br />

Das entspricht nicht meinen Erfahrungen.<br />

Natürlich hat es in den letzten<br />

Jahren Kunden gegeben, die einen<br />

Bausparvertrag als reine Geldanlage<br />

nutzen wollten. Dies entspricht aber<br />

nicht dem eigentlichen Ziel des Bausparens.<br />

Wir haben unsere Tarife angepasst<br />

und unsere Bestände stabilisiert.<br />

Das ist nicht ohne Konflikte abgelaufen.<br />

Auch unsere Partner – ebenso wie<br />

unsere Kunden – mussten lernen, dass<br />

in Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen<br />

andere Prioritäten gesetzt werden<br />

müssen und die Beratung aufwändiger<br />

wird. Hier liegen aber auch Chancen,<br />

die wir mit unseren Produkten und<br />

schlanken Prozessen gemeinsam mit<br />

den Vermittlern nutzen möchten.<br />

Wie hat sich das Geschäft mit Bausparverträgen<br />

in den letzten fünf Jahren<br />

geändert?<br />

Wie bereits an anderer Stelle erläutert,<br />

wird die Zinssicherung immer wichtiger<br />

und so werden Bausparverträge<br />

noch häufiger als früher direkt in eine<br />

Finanzierungslösung eingebaut. Die<br />

geschieht, um nach der ersten Zinsbindungsphase<br />

ein heute abgeschlossenes<br />

Darlehen zu den heutigen Konditionen<br />

abzulösen.<br />

Darum ist die durchschnittliche Bausparsumme<br />

auch in den letzten fünf<br />

Jahren kontinuierlich und spürbar<br />

angestiegen. Aber auch die Bildung<br />

von Eigenkapital wird zunehmend<br />

wichtiger. Die Nebenkosten bei Bau<br />

oder Erwerb einer Immobilie liegen<br />

heute bereits bei 15 bis 20 Prozent der<br />

Gesamtkosten. Ein frühzeitig abgeschlossener<br />

Bausparvertrag kann hier<br />

einen soliden Grundstock liefern, die<br />

Zinsen für das Guthaben sind dabei<br />

nicht entscheidend, wichtiger ist die<br />

Option auf dauerhaft niedrige Zinsen<br />

in der Darlehensphase.<br />

An welchen Schrauben müsste die<br />

Branche oder sogar die Politik drehen,<br />

um Bausparen attraktiver zu machen?<br />

Bausparen wird dann noch attraktiver,<br />

wenn die Bildung von Wohneigentum<br />

erleichtert wird. Dazu müssen<br />

Haushalte mit durchschnittlichen Einkommen<br />

beim Aufbau von Eigenkapital<br />

unterstützt werden. Denkbar ist<br />

eine Erhöhung der Fördersätze und<br />

der Einkommensgrenzen bei Wohnungsbauprämie<br />

und Arbeitnehmersparzulage,<br />

die Einführung direkter<br />

Zuschüsse beim Eigentumserwerb und<br />

Entlastungen bei der nachgelagerten<br />

Besteuerung der Wohnriester-Förderung.<br />

Um Familien den Weg in die<br />

eigenen vier Wände zu ebnen, haben<br />

Union und SPD sich im Rahmen der<br />

Koalitionsverhandlungen ja aktuell<br />

auf eine neue Bauförderung geeinigt.<br />

Das ist auf jeden Fall ein wichtiges und<br />

gutes Signal der Politik. Beschlossen<br />

ist das Baukindergeld zwar noch nicht<br />

– aber dass die Förderung kommt,<br />

scheint sicher zu sein.<br />

Allerdings berücksichtigt das geplante<br />

Fördermodell die Dynamik des Immobilienmarktes<br />

zu wenig. Sollten Familien<br />

nämlich, dank Förderung, verstärkt<br />

ins eigene Haus drängen, würde<br />

das zwangsläufig steigende Preise nach<br />

sich ziehen. Diese Steigerung würden<br />

die positiven Effekte des Baukindergeldes<br />

möglicherweise wieder relativieren.<br />

Wir brauchen insgesamt mehr kluge<br />

staatliche Impulse für bezahlbaren<br />

Wohnraum, für wirksamen Klimaschutz<br />

im Gebäudebestand und für die<br />

solide Altersvorsorge der Bevölkerung.<br />

Die extrem niedrige Wohneigentumsquote<br />

ist ein gravierender Nachteil<br />

Deutschlands im europäischen Vergleich.<br />

Die Politik sollte das strategische<br />

Ziel verfolgen, diesen Wert auf<br />

60 Prozent anzuheben.<br />

Das Gespräch führte Jenny Müller<br />

Seite 54 01/<strong>2018</strong>


Sparten<br />

Foto: skynesher / istockphoto.com<br />

Seite 55


Smarte Versicherungslösungen stellen<br />

den Kunden in den Mittelpunkt<br />

Smarte Lösungen sind aus Sicht des Kunden einfache Lösungen, argumentiert Tobias Haff, COO der massUp<br />

GmbH und CEO der European Annex Insurance GmbH, in seinem Gastkommentar.<br />

Tobias Haff<br />

massUp GmbH / European<br />

Annex Insurance GmbH<br />

„Smart“ übersetzt Wikipedia mit den<br />

Eigenschaften gewitzt, intelligent und<br />

schlau. Wie ist das in Verbindung mit<br />

dem Produkt Versicherung zu bringen,<br />

das jeder starr, formal und langweilig<br />

sieht? Smart heißt den Kunden in den<br />

Mittelpunkt zu stellen. Das geht über<br />

den Preis und das Kleingedruckte hinaus.<br />

Das Kundenerlebnis dauert von<br />

der Beantragung über den Schaden<br />

bis hin zum Vertragsende.<br />

Wie bei modernen Heizungsthermostaten,<br />

die sich auf die Gewohnheiten<br />

des Bewohners einstellen und mit<br />

nur einem Knopf gesteuert werden<br />

können, passen sich smarte Versicherungslösungen<br />

dem Kunden an.<br />

Vereinfachung ist dafür die wichtige<br />

Grundlage, erst dann geht es um<br />

Datenanalyse, Technologie, künstliche<br />

Intelligenz, „Online-Anschluss“<br />

oder „App“. Der Startpunkt ist der<br />

Blickwinkel des Kunden, der eine<br />

anpassungsfähige Versicherungslösung<br />

angeboten bekommt.<br />

Viele Antragsfragen bedeuten<br />

keine smarte Lösung<br />

Nehmen wir die Handyversicherung als<br />

Beispiel. Sie deckt keine existenziellen<br />

Risiken ab, spricht aber einen hochemotionalen<br />

Bereich an. Kaum einer will (oder<br />

kann) heute noch auf sein Smartphone<br />

verzichten, zudem werden die Geräte<br />

immer teurer. Damit steigt die Nachfrage<br />

nach Absicherung. Gleichzeitig ist die<br />

Handyversicherung ein komplexes Produkt.<br />

Die Schadenfrequenz ist hoch (jeder<br />

kennt gesplitterte Displays), es handelt<br />

sich um physische Schadenabwicklung (in<br />

Form von Reparatur oder Austausch), die<br />

schnell erfolgen soll (niemand will lange<br />

warten). Und die Gefahr mißbräuchlicher<br />

Nutzung ist offensichtlich. Der Kunde<br />

muss für den Abschluss eine Vielzahl an<br />

Daten wie zum Beispiel Seriennummern<br />

in den Tiefen der Systemeinstellungen<br />

suchen und zahlreiche Voraussetzungen<br />

beachten. Warum?<br />

Weil Versicherer auf die Situation erwartbar<br />

reagieren: Im Vorfeld des Versicherungsabschlusses<br />

findet die Atomisierung<br />

der Tarifselektion und das Sammeln vieler<br />

relevanter Daten statt. Es ist der Versuch,<br />

vorher schon zu planen, was passieren<br />

wird. Es ist nicht smart, dafür die Zahl<br />

der Antragsfragen zu erhöhen - und seien<br />

diese noch so ausgeklügelt. Für den Kunden<br />

(im übrigen genauso den Vermittler)<br />

bedeutet dies zusätzlichen Aufwand.<br />

..ein neuer, smarter Ansatz<br />

Ein neuer Ansatz ist, das Produkt so zu<br />

gestalten, dass es sich anpasst und den<br />

Aufwand vermeidet. Besteht die Möglichkeit,<br />

die erforderlichen Daten technisch<br />

abzufragen? Oder dann, wenn die<br />

Versicherung zum Tragen kommt? Muss<br />

das Gerät bis ins Detail erfasst werden?<br />

Warum nicht alle Geräte eines Kunden<br />

in einem Vertrag versichern? Smart ist,<br />

wenn sich die Versicherung wie das Heizungsthermostat<br />

auf den Kunden einstellt.<br />

Der Faktor Technologie ist hier notwendige<br />

Grundlage für den Erfolg. Prozesse<br />

können digitalisiert und automatisiert<br />

werden. Nie war es einfacher, die erforderliche<br />

Kommunikation so zu beschleunigen,<br />

dass die erforderliche Transparenz<br />

für den Versicherer kurzfristig geschaffen<br />

werden kann. Zum Beispiel wenn sie im<br />

Schadenfall benötigt wird. Oder während<br />

der Angebotsphase. Wer aus dieser<br />

Kundensicht heraus in Richtung Versicherungsbetrieb<br />

denkt, steht vor neuen<br />

Herausforderungen. Für die Umsetzung<br />

müssen nicht nur Produktkalkulation und<br />

Abläufe neu gedacht werden, sondern vor<br />

allem die Bedingungswerke vorbereitet<br />

werden. Weglassen allein hilft nicht. Es<br />

ist ein ganzheitlicher Blick gefragt: vom<br />

Angebot bis zum Ende des Vertrags.<br />

Smarte Versicherungen sind machbar.<br />

Andere Länder und Märkte zeigen, dass<br />

dies möglich ist: Wenn nur noch die Schadensumme<br />

oder zwischen zwei Tarif-Varianten<br />

gewählt wird, kann das Produkt<br />

einfach abgeschlossen werden. Die Integration<br />

in neue Vertriebswege, wie sie sich<br />

über Chatbots auftun, wird damit möglich.<br />

Das Smartphone selbst ist hierfür ein<br />

gutes Beispiel. Hatten Mobiltelefone früher<br />

viele Tasten, von denen alle dachten,<br />

dass sie unverzichtbar wären, sind diese<br />

über die Zeit immer mehr verschwunden.<br />

Eine ähnliche Entwicklung können<br />

die Antragsfragen und Eingangshürden<br />

für den Versicherungsschutz nehmen.<br />

Manche Tarife funktionieren schon in<br />

dieser Art.<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Tobias Haff<br />

Seite 56 01/<strong>2018</strong>


Sparten<br />

Betongold – weiterhin eine gute<br />

Kapitalanlage<br />

Immobilien erleben speziell in Großstädten einen Boom als Geldanlage, seit die Mieten teils deutlich steigen<br />

und Wohnraum knapp wird. Auch Versicherungsmaklern bieten sich in diesem Bereich Beratungsansätze.<br />

Worauf dabei zu achten ist, erklärt Jochen Dörner in seinem Beitrag. Der gelernte Bankkaufmann<br />

und Immobilienspezialist ist seit 2010 Mitglied der Geschäftsführung der Wüstenrot Immobilien GmbH.<br />

Jochen Dörner<br />

Sprecher und Mitglied der<br />

Geschäftsführung der Wüstenrot<br />

Immobilien GmbH<br />

In Deutschland gibt es insgesamt<br />

40,5 Millionen Wohnungen, wie das<br />

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und<br />

Raumforschung ausweist. Gut 22<br />

Millionen sind laut Wohngeld- und<br />

Mietenbericht der Bundesregierung<br />

von 2016 Mietwohnungen – davon<br />

gehören rund 14,5 Millionen privaten<br />

Kleinanlegern. Insgesamt vermieten<br />

3,9 Millionen private Haushalte, so<br />

hat das Institut der deutschen Wirtschaft<br />

Köln (IW) ermittelt. Dies sind<br />

etwa neun Prozent aller deutschen<br />

Haushalte. Laut dem Wohngeld- und<br />

Mietenbericht sind private Vermieter<br />

durchschnittlich rund 60 Jahre alt –<br />

und haben ihr Wohneigentum überwiegend<br />

bereits komplett abbezahlt.<br />

Nicht nur bei ihnen rangiert die<br />

Immobilie weit oben, wenn es um<br />

Seite 57


eine solide Kapitalanlagestrategie<br />

und eine private Altersvorsorge geht.<br />

Das ist kaum verwunderlich, denn<br />

eine Anlage in Betongold ist weniger<br />

riskant als andere Geldanlagen und<br />

obendrein stabil und krisensicher. In<br />

Zeiten der Niedrigzinsphase ist sie<br />

zudem in der Regel gut finanzierbar<br />

und häufig rentabler als risikoarme<br />

Geldanlagen.<br />

Für Makler ergeben sich aus dieser<br />

Ausgangslage wertvolle Vertriebsansätze.<br />

Dabei gilt: Je besser die Orientierung<br />

über die Kundenwünsche und<br />

-möglichkeiten, desto eher können sie<br />

einem interessierten Anleger das geeignete<br />

Objekt empfehlen. Kenntnisse des<br />

regionalen Immobilienmarkts und<br />

seines Entwicklungspotenzials sind<br />

hierfür dienlich.<br />

Lage der Immobilie von<br />

besonderer Relevanz<br />

Im Rahmen der Beratung gilt: Immobilie<br />

ist nicht gleich Immobilie. Lage,<br />

Objektverhältnisse und Zukunftsprognose<br />

– wer seinem Kunden eine<br />

Immobilie zum Erwerb empfiehlt,<br />

wird diesen Kriterien besonderen<br />

Wert beimessen.<br />

Bei der Lage spielen vor allem die<br />

Attraktivität und das Entwicklungspotenzial<br />

von Stadt und Region eine<br />

große Rolle, denn davon hängen die<br />

längerfristige Mietnachfrage und die<br />

Preisentwicklung ab. In ausschließlich<br />

ländlich geprägten Regionen dominiert<br />

beispielsweise selbstgenutztes<br />

Wohneigentum und die Bevölkerung<br />

ist oft überaltert. Wegen des begrenzten<br />

Mieterpotenzials sind solche Regionen<br />

als Kapitalanlagestandorte nicht<br />

zu empfehlen.<br />

Auch in strukturschwachen Räumen<br />

mit höherer Siedlungsdichte sind die<br />

Risiken für die Wertentwicklung und<br />

einen späteren Verkauf hoch, da die<br />

Infrastruktur dort häufig erodiert und<br />

junge Menschen wegziehen. Ballungsgebiete<br />

hingegen eignen sich meist für<br />

eine Kapitalanlage. Hier herrscht rege<br />

Wohnungsnachfrage und die Chancen<br />

auf stabile, steigende Mieten sowie<br />

auf dauernde Vermietbarkeit sind gut.<br />

Hochschulstandorte bis hin zu Mittelzentren<br />

bieten dabei oft höher rentierliche<br />

Anlagen als die im Preisniveau<br />

deutlich teureren Ballungszentren.<br />

Auch mittlere Lagen können<br />

interessant sein<br />

Ein wichtiger Punkt, den ein erfahrener<br />

Makler berücksichtigen wird, ist<br />

außerdem die Grundstückslage. In<br />

aller Regel können Kapitalanlageobjekte<br />

den mittleren und guten Lagen<br />

zugeordnet werden. Mittlere Lagen<br />

mit dichterer Bebauung, gepflegten<br />

Gebäudezuständen und mindestens<br />

durchschnittlicher Infrastruktur<br />

werden vor allem von Jüngeren,<br />

Berufspendlern und Senioren sowie<br />

Familiengründern bevorzugt, weil sie<br />

am häufigsten angeboten werden und<br />

keine Spitzenmieten verlangt werden.<br />

Die gute Lage mit viel Grün- und Freiflächen,<br />

gepflegten Gebäudezuständen,<br />

guter Infrastruktur und einem positiven<br />

Image besitzt das größte Entwicklungspotenzial,<br />

weil diese Lagen rar<br />

und deshalb die Mieten am höchsten<br />

sind. Sie werden meist von Gutverdienenden<br />

gewählt. Einfache Lagen<br />

bieten sich hingegen als Kapitalanlage-Standorte<br />

weniger an, weil sich die<br />

meist schlechten Gebäudezustände,<br />

die schwache Infrastruktur und wenig<br />

Grünflächen negativ auf die Wertentwicklungs-Prognose<br />

auswirken. Diese<br />

Gebäude haben zudem häufig einen<br />

größeren Instandhaltungs-Bedarf.<br />

Neben der Grundstückslage üben die<br />

baulichen Objektverhältnisse großen<br />

Einfluss auf die nachhaltig erzielbaren<br />

Mieten aus – auch dies ein Punkt im<br />

Beratungsgespräch. Das Gebäudealter,<br />

der technische Zustand und die Ausstattung<br />

der Wohnungen des Gebäu-<br />

Seite 58 01/<strong>2018</strong>


Sparten<br />

des sind entscheidend für die Frage,<br />

welchen Ertragswert die Immobilie<br />

aktuell und in Zukunft besitzt – ein<br />

wesentliches Thema für den Erwerber.<br />

Gepflegte und modernisierte<br />

Immobilien erreichen ein höheres<br />

Preisniveau und erwirtschaften auch<br />

deutlich höhere Mieten als Objekte<br />

mit Instandhaltungs- und Modernisierungsrückständen.<br />

Entschuldetes Wohneigentum<br />

schafft Freiräume<br />

Bei der Entscheidung über die Form<br />

der Finanzierung entscheiden sich<br />

Kapitalanleger häufig für die Aufnahme<br />

hoher Fremdmittel, weil<br />

Schuldzinsen steuerlich abzugsfähig<br />

sind – erfahrene Makler werden dies<br />

berücksichtigen. Anlagemotiv sollte<br />

aber bei einer Immobilie nicht nur<br />

der Erwerb von Steuervorteilen, sondern<br />

stets auch die Schaffung eines<br />

Vermögensgegenstands sein, der dem<br />

Kapitalanleger langfristige Einkünfte<br />

sichert. Entschuldetes Wohneigentum<br />

bedeutet zudem einen beträchtlichen<br />

Vermögenszuwachs: In Ballungsgebieten<br />

mit hohen Preisen kommen dabei<br />

schnell 150.000 bis 300.000 Euro und<br />

zum Teil noch mehr zusammen.<br />

Einkünfte aus der Vermietung ergeben<br />

gerade für einen Seniorenhaushalt<br />

eine ideale Aufbesserung der Haushaltskasse.<br />

Bei Bedarf lässt sich die<br />

Situation des Marktes aber auch nutzen:<br />

Wer jetzt lukrativ verkauft, kann<br />

Kapital für andere Vorhaben freisetzen,<br />

beispielsweise einen altersgerechten<br />

Umbau der selbst bewohnten Immobilie.<br />

In diesem Feld steckt noch viel<br />

Potenzial, denn nur gut fünf Prozent<br />

der heute bewohnten Wohnungen<br />

sind barrierefrei – von 11 Millionen<br />

Seniorenhaushalten also gerade mal<br />

570.000. 1<br />

Wenn in Reichweite zum Renteneintritt<br />

oder danach absehbar ist,<br />

dass die Miete nicht reicht, um das<br />

monatliche Haushaltsbudget angemessen<br />

aufzustocken, kann ein Verkauf<br />

– gegebenenfalls auf einen Tipp<br />

des Maklers hin – die bessere Option<br />

sein. Wer zum Beispiel ausgehend von<br />

der durchschnittlichen monatlichen<br />

Mieteinnahme von 742 Euro für einen<br />

Zeitraum von 20 Jahren plant, erhält<br />

rund 178.000 Euro Mieteinnahmen<br />

ohne zwischenzeitliche Mieterhöhungen.<br />

In Großstädten liegen die<br />

1<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,<br />

Forschungen, Heft 147 „Wohnen<br />

im Alter“<br />

Kaufpreise auf diesem Mietniveau bei<br />

rund 250.000 Euro.<br />

Das Verhältnis Miete zu Kaufpreis<br />

entspricht so einer Bruttoanfangsrendite<br />

von 3,6 Prozent. Würde man<br />

den Verkaufspreis von 250.000 Euro<br />

ebenfalls auf 20 Jahre verteilen, dann<br />

erhielte der Eigentümer monatlich<br />

einen Aufstockungsbetrag für das<br />

Haushaltsbudget von über 1.000 Euro.<br />

Letztlich eröffnet privates Wohneigentum,<br />

ob zur Vermietung oder selbstgenutzt,<br />

immer persönlichen Freiraum.<br />

Insoweit lohnt es sich, sofern möglich,<br />

die aktuelle Kapitalmarktlage noch zu<br />

nutzen und hier zu investieren. Denn<br />

„Betongold“ trägt seinen Namen nicht<br />

zu Unrecht – eine bessere Geldanlage<br />

gibt es in Deutschland aktuell kaum.<br />

Die Beratung in diesem Bereich macht<br />

für Makler auch deshalb Sinn, weil<br />

der Kauf von Immobilien immer auch<br />

weitere vertriebliche Türen öffnet - sei<br />

es eine Risikoleben-, eine Wohngebäude-<br />

oder sogar eine Mietnomadenversicherung.<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Jochen Dörner<br />

Foto: smuay / istockphoto.com<br />

Seite 59


Altersvorsorge im Fondsmantel –<br />

alternativlos, wenn Rendite<br />

gewünscht.<br />

Die Deutschen sparen im Niedrigzins falsch und investieren in die falschen Produkte – zu diesem Fazit<br />

kommt Frank Nobis, Geschäftsführer des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP), in seinem<br />

Kommentar. Wer ausreichend Rendite wünsche, müsse in Fonds-Produkte investieren: und zwar auf<br />

clevere Weise.<br />

Durch die aktuelle öffentliche und politische<br />

Diskussion entsteht der Eindruck,<br />

dass die Gesetzliche Rente zukunftsfest<br />

und rentabel aufgestellt ist. Schaut man<br />

genau hin, so wird klar, dass auch jetzt<br />

schon – wohlgemerkt in einem lang<br />

anhaltenden Wirtschaftsboom – die<br />

Ausgaben der GRV nur durch hohe<br />

Steuerzuschüsse getragen werden.<br />

Umso mehr muss verwundern, dass<br />

die Absatzzahlen für die private Altersvorsorge<br />

in den letzten Jahren deutlich<br />

zurückgehen.<br />

Eine alarmierende Zahl sollte uns wachrütteln:<br />

28 Prozent der Bürger sorgen<br />

nicht für das Alter vor, so ein<br />

Ergebnis aus einer Umfrage der BBE<br />

Media aus dem Jahr 2017.<br />

Wie kommt diese Verweigerung<br />

zustande? Die bereits lang anhaltende<br />

Niedrigzinsphase – und die damit sinkenden<br />

Renditen - haben zweifelsohne<br />

zu einer Verunsicherung der Verbraucher<br />

geführt. Auf dem Sparbuch gibt<br />

es nahezu keine Zinsen mehr und die<br />

Ablaufleistungen der Lebensversicherungen<br />

sinken seit Jahren. Es ist nicht<br />

verwunderlich, dass bei den Bürgern<br />

der Eindruck entsteht, dass sich Altersvorsorge<br />

nicht mehr lohnt.<br />

Dieser Umstand muss dringend geändert<br />

werden! Die Auswirkungen in 20<br />

oder 30 Jahren können sonst für alle<br />

Bundesbürger verheerend sein. Denn<br />

dann droht Vielen die Altersarmut. Und<br />

die wirkt in Form eines veränderten<br />

Umgangs zwischen den Menschen und<br />

kann sogar Kriminalität zur Folge haben.<br />

Seite 60 01/<strong>2018</strong>


Vertrieb<br />

Fakt ist: Sparen ist Konsumverzicht,<br />

und nur so kann ein Kapitalstock aufgebaut<br />

werden. Wer in Zeiten niedriger<br />

Zinsen spart, wird zu Rentenbeginn<br />

im schlechtesten Fall lediglich die<br />

eingezahlten Beiträge zur Verfügung<br />

haben. Wer nichts spart, wird auch<br />

nichts haben.<br />

Die Frage ist, weshalb so viele Verbraucher<br />

nicht für Ihr Alter vorsorgen<br />

- und wenn, dann mit den falschen<br />

Sparprodukten. Der Grund liegt eindeutig<br />

darin, dass die Mehrheit der<br />

Deutschen Sicherheitsfanatiker sind<br />

und das Risiko scheuen. Dabei können<br />

unter Einbeziehung des Kapitalmarktes<br />

selbst im derzeit vorherrschenden<br />

Niedrigzinsumfeld durchaus attraktive<br />

Renditen – und damit höhere Renten<br />

zu Rentenbeginn – erzielt werden.<br />

Insbesondere Kunden, die einen<br />

langfristigen Kapitalaufbau planen,<br />

kommen nicht an fondsgebundenen<br />

Produkten mit reduzierten Garantieniveaus<br />

vorbei. Eigene Berechnungen<br />

unseres Instituts belegen, dass bei<br />

Ansparphasen von mehr als 15 Jahren<br />

in der Vergangenheit auf Garantien<br />

komplett verzichtet werden konnte.<br />

(siehe Abbildung: Wertentwicklungsspannen<br />

deutscher Aktien (DAX) bei<br />

Einmalanlage für unterschiedliche<br />

Zeiträume: 1987 bis 2016)<br />

Das „WIE“ ist entscheidend<br />

Wichtigster Ansatzpunkt in Zeiten<br />

niedriger Zinsen ist, die Rendite über<br />

den Kapitalmarkt zu hebeln. Fondspolicen<br />

bieten hier eine interessante<br />

Lösung. Auch die Versicherer haben<br />

dies erkannt. Der Trend in ihrem<br />

Angebot geht ganz klar zu fondsgebundenen<br />

Produkten mit variablen<br />

Garantieniveaus. Mit diesen Produkten<br />

können die Verbraucher abhängig<br />

von ihrer Risikobereitschaft aus verschiedenen<br />

Garantieniveaus wählen.<br />

Zudem bieten immer mehr Versicherer<br />

Fonds-Strategieportfolios an,<br />

die es sowohl den Beratern als auch<br />

den Kunden erleichtert, da sie sich<br />

nicht selbst mit der Fondsoptimierung<br />

beschäftigen müssen.<br />

Im Vergleich zu Direktinvestments in<br />

Fonds ist der Vorteil einer Fondspolice,<br />

dass sie die Absicherung des finanziellen<br />

Langlebigkeitsrisikos durch<br />

eine lebenslange Leibrente ermöglicht.<br />

Außerdem kann der Kunde bei einer<br />

Fondspolice kostenlos von einem<br />

Fonds zu einem anderen umschichten.<br />

Fondspolicen sind zudem steuerlich<br />

immer noch im Vorteil. So wird während<br />

der Beitragsphase keine Abgeltungsteuer<br />

auf die Erträge abgezogen.<br />

Im Übrigen gelten unter bestimmten<br />

Voraussetzungen auch in der Auszahlungsphase<br />

steuerliche Vorteile.<br />

Kritiker weisen natürlich darauf hin,<br />

dass bei einer Fondspolice Kosten für<br />

den Versicherungsmantel entstehen.<br />

Das stimmt natürlich. Jedoch übertreffen<br />

Fondspolicen im Falle einer<br />

Rentenleistung nach eigenen Berechnungen<br />

des IVFP durchschnittlich bei<br />

einer Laufzeit ab elf Jahren die direkte<br />

Fondsanlage.<br />

Der Markt bietet mittlerweile eine<br />

Vielzahl von Produkten, die den<br />

Kapitalmarkt in die Altersvorsorge<br />

einbinden. Welche für wen geeignet<br />

sind, bedarf einer gewissenhaften<br />

Bestandsaufnahme und guten Analyse<br />

des Bedarfs durch kompetente Berater.<br />

Wenn es den Beratern in Zukunft<br />

gelingt, die Verbraucher von den Vorteilen<br />

der fondsgebundenen Produkte<br />

zu überzeugen, kann so ein Ausweg<br />

aus der Niedrigzinsfalle aufgezeigt<br />

werden. Nur wer sein Sparverhalten<br />

überdenkt und bereit ist, mehr Risiko<br />

einzugehen, wird sein Vermögen mehren<br />

und damit seinen Wohlstand im<br />

Alter sichern können.<br />

Ein Gastkommentar von<br />

Frank Nobis<br />

Eine vorausschauende und clevere<br />

Vorsorgestrategie ist ausschlaggebend.<br />

Den Verbrauchern muss zu<br />

allererst verdeutlicht werden, dass in<br />

der Niedrigzinsphase hohe Garantiezusagen<br />

das Erzielen vernünftiger<br />

Rentenhöhen und Ablaufleistungen<br />

nahezu unmöglich machen. Mit<br />

konventionellen Sparverträgen oder<br />

klassischen Rentenversicherungen<br />

sind heute kaum vernünftige Rentenhöhen<br />

zu erwirtschaften. Höhere<br />

Renditen können demnach nur mit<br />

einem höheren Risiko erzielt werden.<br />

Frank Nobis<br />

Geschäftsführer des Instituts<br />

für Vorsorge- und<br />

Finanzplanung (IVFP)<br />

Seite 61


„Die nächsten Jahre werden<br />

meines Erachtens golden werden<br />

für die Bausparkassen“<br />

Christian Andreas ist ein Versicherungsmakler, der<br />

sich schwerpunktmäßig auf das Bausparen und<br />

Wohn-Riester spezialisiert hat. Er ist auch Ansprechpartner<br />

fürs Bausparen beim Lübecker Maklerpool<br />

blau direkt. Der <strong>Versicherungsbote</strong> hat nachgefragt,<br />

ob es in Zeiten niedriger Zinsen überhaupt noch<br />

einen Bedarf und eine Nachfrage nach dem Bausparen<br />

gibt – und weshalb er sich ausgerechnet auf<br />

dieses Gebiet spezialisiert hat.<br />

Sie haben sich als Versicherungsmakler<br />

auf das Thema Bausparen spezialisiert.<br />

Wie kam das? Und weshalb?<br />

Im Jahre 2009 war ich sehr unzufrieden<br />

bei der Deutschen Bank, ich<br />

konnte mir nicht mehr vorstellen<br />

diesen Job auch noch die nächsten<br />

Jahre weiterhin auszuüben. Ich habe<br />

mir damals oft die Frage gestellt, wie<br />

es weiter gehen soll und die Frage so<br />

beantwortet, dass nicht ich anfrage<br />

bei den Kunden, sondern die Kunden<br />

bei mir anfragen. Meine Recherchen<br />

ergaben damals, dass das Feld Bausparen<br />

im Internet nur spärlich besetzt<br />

war. Die meisten Seiten waren reine<br />

Anfragesammelseiten ohne Mehrwert.<br />

So ist es auch heute noch.<br />

Daher nahm ich all meinen Mut<br />

zusammen, kündigte und startete<br />

mein Projekt „Bausparen über das<br />

Internet“. Das Ergebnis war dann<br />

www.mein-bauspar-vergleich.de. Die<br />

Anfangszeit war ziemlich hart und<br />

sehr arbeitsintensiv, aber ich konnte<br />

mich erfolgreich einarbeiten in die<br />

SEO-Themen und vor allem in die<br />

Online-Beratung. Hierzu gilt mein<br />

Dank Jan Hönle, von dem ich viel<br />

gelernt habe.<br />

Das Bausparen wird im Niedrigzins<br />

zu einem Auslaufmodell erklärt, die<br />

Verträge werfen kaum noch Zinsen ab.<br />

Lohnt sich Bausparen noch - und für<br />

wen lohnt es sich?<br />

Im Rendite-Bereich kommt man<br />

immer noch auf 3,3 Prozent (Verzinsung<br />

2,11 Prozent bei der Bausparkasse<br />

Mainz + Wohnungsbauprämie)<br />

nach Kosten mit Prämien - und das<br />

garantiert. Hier ist die Bausparkasse<br />

Seite 62 01/<strong>2018</strong>


Vertrieb<br />

Mainz führend im Markt und dann<br />

kommt lange lange nichts.<br />

Im Darlehensbereich muss man jetzt<br />

unterscheiden. Sollzinsen unter zwei<br />

Prozent sollten nicht die Richtung<br />

sein zur Absicherung eines Bankdarlehens.<br />

Bausparen rechnet sich, wenn<br />

man wenig einzahlt und viel Darlehen<br />

abgrenzen kann. So hat zum Beispiel<br />

die Signal Iduna einen Tarif, bei dem<br />

der Sparer nur 18 Prozent oder 24<br />

Prozent einzahlen muss, um eine Zinsabsicherung<br />

in 15 Jahren zu erreichen.<br />

Tilgungsraten gehören normalerweise<br />

ins Bankdarlehen und nicht in den<br />

Bausparvertrag. Daher lohnen sich<br />

Bausparverträge als Zinsabsicherung,<br />

wenn der Einsatz so gering wie möglich<br />

ist und das optionale Darlehen im<br />

Gegenzug so hoch wie möglich ausfällt.<br />

Durch die zukünftige Zinsunsicherheit<br />

kommt dann der Sicherheitsaspekt ins<br />

Spiel und hier lohnt sich Bausparen<br />

eben doch, wenn man es richtig gestaltet.<br />

Der Kunde hat dann nicht 15 Jahre<br />

fest bei der Bank, sondern 26 Jahre<br />

fest. Was auch noch gravierend ist in<br />

der vorbereitenden Baufinanzierung<br />

ist nicht der Wille des Kunden nach<br />

Zinssicherung, sondern das Erreichen<br />

eines zuteilungsreifen Bausparvertrages,<br />

wo der Darlehensanspruch<br />

maximal 30.000 Euro beträgt. Mit dieser<br />

Strategie kann man Renditen von<br />

über zehn Prozent erzeugen, da der<br />

Darlehensanspruch dann blanko ist.<br />

Es erfolgt keine Grundbucheintragung.<br />

Hiermit hebelt man sein Eigenkapital<br />

und erreicht seinen persönlichen<br />

Leverage Effekt.<br />

Welche negativen Auswirkungen haben<br />

die aktuellen Niedrigzinsen fürs Bausparen?<br />

Und gibt es auch positive?<br />

Die Bausparkassen mussten unrühmliche<br />

Entscheidungen fällen (die Kündigungen<br />

von hochverzinsten Alt-Verträgen),<br />

das war nicht schön, aber<br />

sinnvoll. Hier hat das Image gelitten<br />

und der Standard-Makler ließ zuletzt<br />

das Produkt eher liegen. Inzwischen<br />

ist die Talsohle durchschritten und das<br />

Licht am Horizont ist die Erwartungshaltung<br />

der Bundesbürger zum Zinsanstieg.<br />

Die nächsten Jahre werden<br />

meines Erachtens golden werden für<br />

die Bausparkassen, weil der Deutsche<br />

sich verstärkt absichern wird.<br />

Wie hat sich das Geschäft mit Bausparverträgen<br />

in den letzten fünf Jahren<br />

geändert?<br />

Es ist wie in jeder Sparte regulativer<br />

geworden. Was aber verstärkt zugenommen<br />

hat, ist die Nachfrage nach<br />

Modernisierungsdarlehen der Bausparkassen<br />

bis 30.000 Euro. Hierzu<br />

habe ich über den Maklerpool blau<br />

direkt jeden Tag mehrere Anfragen<br />

und Anrufe von anderen Maklern.<br />

Man spürt deutlich, dass sich hier eine<br />

Bedarf im Markt entwickelt hat, weil<br />

Immobilienbesitzer ihre Häuser in<br />

Stand setzen, umbauen und erweitern<br />

wollen.<br />

Welche Perspektive sehen Sie in dem<br />

Produkt Bausparvertrag?<br />

Dieses Produkt wird es auch noch<br />

die nächsten Jahrzehnte geben. Das<br />

hat schlicht mit der Mentalität der<br />

Deutschen und mit der Vergangenheit<br />

zu tun. Bausparen ist ein beliebtes und<br />

sicheres Finanzprodukt und auch einfach<br />

zu erklären, da 1+1=2 ergibt. Für<br />

jeden Euro, den ich einzahle, erhalte<br />

ich einen Euro Anspruch. Ein Bausparvertrag<br />

ist ein solides Fundament<br />

und insbesondere für junge Menschen<br />

die erste Basis zum motivierten Sparen.<br />

An welchen Schrauben müsste die<br />

Branche oder sogar die Politik drehen,<br />

um Bausparen attraktiver zu machen?<br />

Es wurde ja bereits gedreht durch das<br />

Baukindergeld. Da werden die Bausparkassen<br />

bestimmt noch sinnvolle<br />

Lösungen dazu anbieten. Was noch<br />

begrüßenswert wäre, ist die Erhöhung<br />

der Einkommensgrenzen für die Wohnungsbauprämie,<br />

so dass noch mehr<br />

Menschen Anspruch auf diese Prämie<br />

haben.<br />

Wohnriester ist die einzige Sparte, die<br />

aktuell in der staatlich geförderten<br />

Riester-Altersvorsorge boomt. Weshalb<br />

gerade Wohnriester?<br />

Stellen sie sich vor: Sie erwerben eine<br />

Immobilie und der Staat übernimmt<br />

jeden Monat 73 Euro von ihrer Tilgung.<br />

Würden Sie das machen?<br />

Die allermeisten beantworten diese<br />

Frage mit Ja, trotz Besteuerung im<br />

Alter. Der entscheidende Punkt in der<br />

Geschichte ist der, dass das angesparte<br />

Vermögen in der Immobilie erhalten<br />

bleibt und die Immobilie hoffentlich<br />

an Wert gewinnt. Sie ist zudem auch<br />

vererbbar. Bei einer normalen Riesterrente<br />

findet ein Kapitalverzehr statt.<br />

Auch von der steuerlichen Betrachtung<br />

ist es attraktiver, da das Kapital im<br />

Wohnförderkonto nur mit zwei Prozent<br />

verzinst wird und die Besteuerung<br />

auf max. 20 Jahre ausgelegt ist. Daher<br />

werden bei gleichen Förderbeträgen<br />

Wohnungseigentümer weniger Steuern<br />

zahlen als andere Riester-Sparer.<br />

Sie arbeiten bei mein-bauspar-vergleich.de<br />

mit Online-Vergleichsrechnern.<br />

Gerade bei Maklern werden derartige<br />

Rechner kritisch gesehen: statt einer<br />

individuellen Bedarfsermittlung gibt<br />

es standardisierte Fragen, so ein Kritikpunkt.<br />

Berechtigt?<br />

Fast alle Besucher rechnen erstmal<br />

vor sich hin und Fragen bei Bedarf<br />

an. Diese Online-Rechner sind sinnvoll,<br />

um den Kunden auf der Seite zu<br />

binden und um ihn zur Anfrage zu<br />

führen. Ohne Online-Rechner ist jede<br />

Seite ärmer, denn das eine schließt<br />

ja das andere nicht aus. Ausnahme<br />

ist natürlich, wenn der Kunde von<br />

vorn herein weiß, dass diese Seite nur<br />

Online-Rechner hat und er jetzt und<br />

hier abschließen kann. Bei der Maklerhomepage<br />

muss der Makler sich<br />

erstmal selbst verkaufen als Produkt<br />

und Marke. Das machen noch viele<br />

falsch im Netz. Kunden kaufen in erster<br />

Linie das Gefühl.<br />

Wie sehen Sie Zukunft der Maklerschaft<br />

in Zeiten der Digitalisierung? Würden<br />

Sie jetzigen Schulabsolventen noch<br />

raten, Makler oder Versicherungsvermittler<br />

zu lernen?<br />

Versicherungen zu vermitteln ist so<br />

sexy als Beruf wie das Image eines<br />

Müllwagenfahrers in der Außendarstellung.<br />

Das jemand Makler wird, ist<br />

eine Entscheidung aus der Lebenserfahrung<br />

und des Mutes heraus. Es<br />

wird immer wieder mutige Menschen<br />

geben in dieser Welt und daher wird<br />

es auch weiterhin das Berufsbild des<br />

Maklers geben, egal ob Online- oder<br />

Offline-Makler.<br />

Das Gespräch führte Mirko Wenig<br />

Foto: MicroStockHub / istockphoto.com<br />

Seite 63


IDD – aktueller Umsetzungsstand<br />

Das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 (IDD) vom 20.07.2017“ hat die Versicherungswirtschaft<br />

in letzter Zeit schwer beschäftigt. Auch in den kommenden Monaten wird die IDD noch<br />

Anstrengungen der Branche erfordern. Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand im Bundesverband<br />

Finanzdienstleistung e.V. und Fachanwalt bei Wirth Rechtsanwälte, hat sich die neuen Regeln angesehen<br />

– und erklärt, worauf sich Versicherungsvermittler einstellen müssen.<br />

Mit Gesetz v. 20.07.2017 wurde die<br />

Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates vom<br />

20.1.2016 über den Versicherungsvertrieb<br />

(kurz IDD) in deutsches Recht<br />

umgesetzt. Darüber hinaus sollte mit<br />

dem Gesetz entsprechend der Koalitionsvereinbarung<br />

die Honorarberatung<br />

im Versicherungsbereich gestärkt werden.<br />

Das Gesetz trat nun - von einigen<br />

Ausnahmeregelungen abgesehen - zum<br />

23.2.<strong>2018</strong> in Kraft.<br />

Erwähnt sei kurz, dass zwei ursprünglich<br />

vorgesehene Punkte nun doch nicht<br />

umgesetzt worden sind.<br />

Einerseits das sogenannte Provisionsgebot<br />

im Privatkundenbereich. Makler<br />

sollen auch weiterhin die Möglichkeit<br />

haben, sich für Servicedienstleistungen<br />

oder auch die Vermittlung von Nettopolicen<br />

oder Beratungsleistungen, die<br />

letztlich nicht zum Versicherungsabschluss<br />

führen, vom Kunden vergüten<br />

zu lassen. An dieser Stelle gern auch die<br />

Klarstellung, dass gesetzlich – entgegen<br />

einigen anderen Stimmen - nirgends<br />

reglementiert ist, dass Makler nur bei<br />

Vermittlungserfolg einen Vergütungsanspruch<br />

für eine geleistete Tätigkeit<br />

haben. Anderes kann vereinbart werden.<br />

Auch die sogenannte Doppelbetreuungspflicht<br />

hat letztlich doch nicht Eingang<br />

in das IDD-Umsetzungsgesetz gefunden.<br />

Diese hätte dazu geführt, dass den Versicherern<br />

die gesetzliche Pflicht auferlegt<br />

worden wäre, auch Kunden mit bestehender<br />

Maklervollmacht zu betreuen<br />

- oder aber die Versicherungsmakler zu<br />

beaufsichtigen.<br />

Die ursprünglich geplante und deutlich<br />

übertriebene Aufwertung der wenigen<br />

Versicherungsberater ist nach meiner<br />

Auffassung nicht Realität geworden. Vielmehr<br />

erscheint die äußerst kompliziert<br />

geregelte Durchleitung der Provision<br />

an den Kunden bei nun erlaubter Vermittlung<br />

auch von Bruttoprodukten als<br />

erhebliches Hemmnis.<br />

Grundsätzlich steht die IDD-Umsetzung<br />

auf drei Säulen:<br />

1. dem IDD-Umsetzungsgesetz, mit<br />

seinen Änderungen hauptsächlich<br />

in der Gewerbeordnung (GewO),<br />

dem Versicherungsvertragsgesetz<br />

(VVG) und dem Versicherungsaufsichtsgesetz<br />

(VAG)<br />

2. der Versicherungsvermittlungsverordnung<br />

3. den delegierten Rechtsakten<br />

Diese Dreiteilung macht eine konsistente<br />

Gesamtbetrachtung extrem schwierig.<br />

Insbesondere, da wir aktuell jeweils<br />

unterschiedliche Zeitpunkte des Inkrafttretens<br />

und der Anwendung haben.<br />

Versicherungsvermittlungsverordnung<br />

Die neue Versicherungsvermittlungsverordnung<br />

liegt seit Monaten im Entwurf<br />

vor und aufgrund des monatelangen<br />

Stillstands im politischen Berlin ist nun<br />

schwerlich vor Juni mit einer rechtskräftigen<br />

Verabschiedung zu rechnen.<br />

Aus der dann neugefassten Verordnung<br />

werden sich insbesondere Konkretisierungen<br />

zum Thema Weiterbildungspflicht<br />

ergeben.<br />

Gesetzlich vorgeschrieben sind von nun<br />

an 15 Zeitstunden Weiterbildung pro<br />

Kalenderjahr. Bereits erworbene „gut<br />

beraten“-Punkte werden nicht angerechnet.<br />

Wie viele Stunden Weiterbildung in<br />

<strong>2018</strong> nachgewiesen werden müssen, wird<br />

sich zeigen, wenn die Verordnung final<br />

beschlossen ist. Auf jeden Fall weniger<br />

als 15 Stunden. Noch offen ist aktuell,<br />

ob und wenn, in welcher Weise die<br />

erfolgte Weiterbildung nachgewiesen<br />

werden muss. Es ist zu erwarten, dass<br />

bei Onlineveranstaltungen (Webinaren)<br />

eine abschließende Erfolgskontrolle<br />

stattzufinden hat. Bei Präsenzveranstaltungen<br />

wird es voraussichtlich bei einer<br />

strengen Anwesenheitskontrolle bleiben.<br />

Der Kreis derjenigen, die die Weiterbildungspflicht<br />

zu erfüllen haben,<br />

wird weit gefasst. Die Weiterbildungspflicht<br />

betrifft alle Mitarbeiter, die im<br />

Versicherungsvertrieb tätig sind. Der<br />

Gewerbetreibende muss seine eigene<br />

Weiterbildung und die seiner Mitarbeiter<br />

im Januar des Folgejahres gegenüber seiner<br />

IHK bestätigen. Welche Inhalte der<br />

Gesetzgeber für die 15-Stunden-Pflicht<br />

voraussichtlich anerkennen wird, ist<br />

in Anlage 1 des Entwurfs für die neue<br />

Verordnung niedergeschrieben. Die<br />

Weiterbildungspflicht betrifft alle Mitarbeiter,<br />

die im Versicherungsvertrieb<br />

tätig sind. Wer damit gemeint sind,<br />

ergibt sich aus der Definition von Versicherungsvertrieb<br />

(Art. 2 Abs. 1 Nr. 1<br />

IDD): „die Beratung, das Vorschlagen<br />

oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten<br />

zum Abschließen von Versicherungsverträgen,<br />

das Abschließen<br />

von Versicherungsverträgen oder das<br />

Mitwirken bei deren Verwaltung und<br />

Erfüllung, insbesondere im Schadenfall,<br />

einschließlich der Bereitstellung von<br />

Informationen über einen oder mehrere<br />

Versicherungsverträge aufgrund<br />

von Kriterien, die ein Kunde über eine<br />

Webseite oder andere Medien wählt,<br />

sowie die Erstellung einer Rangliste von<br />

Versicherungsprodukten, einschließlich<br />

eines Preis- und Produktvergleichs, oder<br />

ein Rabatt auf den Preis eines Versicherungsvertrags,<br />

wenn der Kunde einen<br />

Versicherungsvertrag direkt oder indirekt<br />

über eine Website oder ein anderes<br />

Medium abschließen kann.“<br />

Delegierte Rechtsakte<br />

Nicht unrelevant sind auch die delegierten<br />

Rechtsakte der Europäischen<br />

Kommission zu den Themen<br />

Seite 64 01/<strong>2018</strong>


Vertrieb<br />

1. Versicherungsanlageprodukte und<br />

2. Zielmarkt und Vertrieb, mit denen<br />

die jeweiligen Themenkreise konkreter<br />

gefasst werden und welche unmittelbar<br />

Recht in allen EU-Ländern werden –<br />

ohne das ein gewähltes Parlament hier<br />

noch einmal zustimmen muss, wohlgemerkt.<br />

Diese Rechtsakte sind bereits seit<br />

dem 23.2.<strong>2018</strong> in Kraft und anzuwenden.<br />

Aber: Die bereits erfolgte Verschiebung<br />

der IDD auf europäischer Ebene<br />

- welcher sich Deutschland nicht angeschlossen<br />

hat - soll auch die delegierten<br />

Rechtsakte betreffen. Die Anwendung<br />

der beiden Rechtsakte wird angepasst<br />

an die Änderung der IDD. Dafür wird<br />

es einen eigenen delegierten Rechtsakt<br />

geben, der demnächst veröffentlicht wird.<br />

IDD-Umsetzungsgesetz<br />

Das IDD-Umsetzungsgesetz ist am<br />

29.6.2017 beschlossen und weitestgehend<br />

nun am 23.2.<strong>2018</strong> in Kraft getreten.<br />

Seine Vorgaben sind zu beachten und<br />

anzuwenden. Einige Änderungen seien<br />

nachfolgend herausgegriffen:<br />

Änderung § 34d Gewerbeordnung<br />

§ 34d GewO enthält nun zwei Erlaubnistatbestände:<br />

Zum einen die Erlaubnis<br />

für Versicherungsvermittler (Absatz 1),<br />

zum anderen für den Versicherungsberater<br />

(Absatz 2) – was bisher der §<br />

34e Gewerbeordnung ist. Beide Erlaubnisse<br />

schließen sich gegenseitig aus. Die<br />

beabsichtigte Stärkung des Berufsbildes<br />

Versicherungsberater dürfte mit der<br />

Neuregelung, welche explizit regelt, dass<br />

auch die Vermittlung von Versicherungsverträgen<br />

nun zum Berufsbild des<br />

Versicherungsberaters gehört, nicht von<br />

Erfolg gekrönt sein. Insbesondere die<br />

komplizierte Regelung in § 48c Versicherungsaufsichtsgesetz<br />

für den Fall der<br />

Vermittlung eines „Brutto“-tarifs und<br />

der Auskehrung eines Teiles der eingepreisten<br />

Provision auf das Prämienkonto<br />

des betreffenden Vertrages dürfte eine<br />

breitere Anwendung verhindern.<br />

In § 34d Absatz 1 Satz 4 GewO wird der<br />

Begriff der Versicherungsvermittlung<br />

konkretisiert. Die Tätigkeit als Versicherungsvermittler<br />

umfasst danach<br />

auch unter anderem das Mitwirken<br />

bei der Verwaltung und Erfüllung von<br />

Versicherungsverträgen, insbesondere<br />

im Schadensfall.<br />

Damit greift der Gesetzgeber einen<br />

typischen Streitfall der Vergangenheit<br />

auf, ohne ihn jedoch abschließend zu<br />

regeln. Denn immer wieder stand die<br />

Frage im Raum, ob die Unterstützung<br />

im Schadensfall eine nebenvertragliche<br />

Maklerpflicht oder nicht schon einen<br />

unerlaubte Rechtsdienstleistung ist.<br />

Obwohl aber jetzt die Unterstützung im<br />

Schadensfall als Maklerpflicht gesetzlich<br />

festgeschrieben ist, erfolgt damit keine<br />

konkrete Trennung zwischen erlaubt<br />

und nicht erlaubt. Makler sollten insofern<br />

auch in Zukunft im Zweifel ihre<br />

Kunden eher auf einen spezialisierten<br />

Anwalt verweisen, unter anderem um<br />

1. ein Abmahnrisiko zu vermeiden;<br />

2. sich nicht dem Risiko auszusetzen,<br />

den eigenen Kunden fehlerhafte<br />

Hilfestellung zu geben<br />

3. hierfür gegebenenfalls auch keinen<br />

Schutz der eigenen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung<br />

zu haben;<br />

4. und Zeit für die eigentliche Tätigkeit<br />

frei zu halten.<br />

Provisionsabgabeverbot<br />

Die neue Bestimmung, welche grundsätzlich<br />

verbietet, Zuwendungen an<br />

Versicherungskunden weiterzugeben,<br />

hat Ausnahmen. Neben einer Bagatellgrenze<br />

von 15 Euro je Kunde, Vertrag<br />

und Jahr heißt es, dass das Provisionsabgabeverbot<br />

keine Anwendung findet,<br />

soweit die Zahlung an den Kunden zur<br />

dauerhaften Leistungserhöhung oder<br />

Prämienreduzierung des vermittelten<br />

Vertrages verwendet wird.<br />

Jede Zahlung einer Versicherung oder<br />

eines Versicherungsvermittlers an den<br />

Kunden kann zumindest indirekt zur<br />

Prämienreduzierung führen. Die Diskussion<br />

zu diesem Thema ist eröffnet,<br />

denn die BaFin vertritt die Meinung,<br />

dass eine solche Prämienreduzierung<br />

allein direkt im Vertrag, also auch<br />

nur unter Mitwirkung des jeweiligen<br />

Versicherungsunternehmens erfolgen<br />

darf. Eine Begründung gibt dafür das<br />

Gesetz nicht her und lässt die BaFin<br />

auch konsequent vermissen. Es besteht<br />

daher zu diesem Thema eine nicht<br />

unerhebliche Rechtsunsicherheit.<br />

Insofern empfiehlt sich aktuell keinesfalls,<br />

gegen das Verbot zu verstoßen,<br />

es sei denn mit entsprechend<br />

kalkuliertem Risiko.<br />

Versicherungsanlageprodukte<br />

Die wohl relevanteste Veränderung für<br />

Vermittler dürfte sich aus der Neuregelung<br />

bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten<br />

ergeben.<br />

Hier gelten jedoch deutlich erweiterte<br />

Informations- und Beratungspflichten.<br />

Der Gesetzgeber fordert<br />

nun – in Anlehnung an die geltenden<br />

Vorschriften zur Finanzanlagenberatung<br />

– bei Beratungen zu solchen Versicherungsprodukten<br />

eine sogenannte<br />

Geeignetheitsprüfung. Hierzu müssen<br />

diverse Informationen vom Kunden<br />

erfragt (Kenntnisse und Erfahrungen<br />

im betreffenden Anlagebereich, finanzielle<br />

Verhältnisse, Anlageziele und<br />

Risikotragfähigkeit und –bereitschaft<br />

des Versicherungsnehmers) und bei<br />

der Auswahl entsprechender Produkte<br />

zugrunde gelegt werden. Vermittler<br />

sollten hier sehr genau schauen, dass<br />

sie für die Umsetzung der geforderten<br />

Prozesse kompetente Unterstützung<br />

erhalten – über entsprechende Software,<br />

Verbünde, Pools etc.<br />

Fazit<br />

Es wird sicherlich noch mehrere Monate<br />

dauern, bis sich die Branche halbwegs<br />

einheitlich den neuen Vorgaben angepasst<br />

hat. Gerade in Zeiten von Automatisierung<br />

und Digitalisierung der<br />

Prozesse ist das jedoch auch dringend<br />

erforderlich. Fakt ist: Nur mit gutem<br />

Partner, gut informiert und gut unterstützt<br />

sind die aktuellen und kommenden<br />

Änderungen zu bewältigen.<br />

Ein Gastbeitrag von<br />

Norman Wirth<br />

Seite 65


„Ohne Bausparen<br />

öffnen Sie die Tür<br />

für andere Vermittler!“<br />

Stefan Kraus ist Spezialist für das Bausparen und betreut als Spezialist für diesen Bereich bei Creditfair<br />

ein externes Back Office für den Maklerpool WIFO aus Rheinstetten. Im Interview mit dem <strong>Versicherungsbote</strong>n<br />

erklärt er, warum aus seiner Sicht das Bausparen noch immer Sinn macht – und auch Versicherungsmakler<br />

sich des Themas annehmen sollten.<br />

Mit Blick auf den Niedrigzins: Macht<br />

Bausparen noch Sinn?<br />

Gerade in der Niedrigzinsphase wird<br />

Bausparen auch wieder von unabhängigen<br />

Instituten wie der Stiftung<br />

Warentest empfohlen. Wer sich heute<br />

kein Darlehen mit drei Prozent oder<br />

mehr Tilgung leisten kann, hat ein<br />

ganz erhebliches Zinsänderungsrisiko.<br />

Bei zwei Prozent Tilgung und 10 Jahren<br />

Zinsbindung würde bei einem Zinssatz<br />

von heute zum Beispiel 1,4 Prozent<br />

und einem Kredit von 200.000,00 Euro<br />

eine Restschuld von über 158.000 € im<br />

Zinsänderungsrisiko stehen.<br />

Wäre der Zinssatz dann nur um zwei<br />

Prozent angestiegen und der Kunde<br />

müsste den Tilgungssatz progressiv<br />

fortschreiben, also nicht wieder auf<br />

zwei Prozent zurücksetzen, würde sich<br />

die Rate von 566,67 Euro auf 828,49<br />

Euro erhöhen, also eine Steigerung<br />

um fast 50 Prozent.<br />

Welche Auswirkungen hat die aktuelle<br />

Zinslage auf das Bausparen?<br />

Ging man in der Vergangenheit davon<br />

aus, dass eine Finanzierung mit zwei<br />

Prozent Tilgung nach circa 30 Jahren<br />

zurückgezahlt ist, so verlängert<br />

sich dieser Zeitraum bei der heutigen<br />

Zinslage um rund 10 Jahre, bei ein<br />

Prozent Tilgung sogar auf insgesamt<br />

circa 60 Jahre.<br />

Zur Absicherung der Finanzierung<br />

oder als Vorsorge für zukünftige Bauherren<br />

ist Bausparen also ein dringend<br />

zu empfehlender Baustein. Nur<br />

so kann der Kunde sich schon heute<br />

die Zinsen für die Zukunft sichern.<br />

Unter welchen Umständen können sich<br />

aktuell Bausparverträge noch lohnen?<br />

Neben den oben genannten Aspekten<br />

im Rahmen einer (geplanten) Immobilienfinanzierung<br />

lohnt Bausparen<br />

auch heute noch als reine Sparform.<br />

Der Staat fördert mit der Wohnungsbauprämie<br />

von 8,8 Prozent und der<br />

Arbeitnehmersparzulage von 9,0 Prozent<br />

weiterhin das Vorsorgesparen der<br />

meisten Haushalte in Deutschland.<br />

Einige wenige Bauspartarife gewähren<br />

sogar noch Guthabenzinsen von über<br />

zwei Prozent.<br />

Wie sieht der typische Bausparkunde<br />

aus?<br />

Prinzipiell ist eigentlich jeder ein Bausparkunde,<br />

ob nun die Oma für den<br />

Enkel spart, der Azubi, der sein erstes<br />

eigen verdientes Geld bei Seite legt<br />

oder die junge Familie, die in Zukunft<br />

Eigentum erwerben will. Es lässt sich<br />

ganz einfach sagen: Sparen hat noch<br />

nie geschadet!<br />

Seite 66 01/<strong>2018</strong>


Vertrieb<br />

Welche Fehler machen Kunden in Bezug<br />

auf das Bausparen?<br />

Bei heute noch elf aktiven privaten<br />

Bausparkassen und zehn LBS-Bausparkassen<br />

mit jeweils durchschnittlich<br />

drei aktuellen Tarifen gilt es, für jede<br />

Planung den geeigneten Tarif zu finden.<br />

Wer nur sparen möchte, benötigt einen<br />

ganz anderen Tarif als der Kunde, der<br />

seine Finanzierung absichern möchte.<br />

Und wer für kleine bis mittlere Reparaturen<br />

vorsorgen möchte, benötigt<br />

wieder einen anderen Bausparvertrag.<br />

Wer sich hier blind auf die Empfehlung<br />

seiner Hausbank verlässt, landet<br />

schnell im falschen Tarif.<br />

Hier kann meines Erachtens nur ein<br />

unabhängiger Berater helfen, der die<br />

Angebote mehrerer Bausparkassen<br />

vergleichen kann.<br />

Wohnriester ist die einzige Sparte, die<br />

aktuell in der staatlich geförderten<br />

Riester-Altersvorsorge boomt. Weshalb<br />

macht Bausparen in Kombination mit<br />

Wohn-Riester Sinn?<br />

Der Staat hat gerade aktuell die Grundförderung<br />

auf 175,00 Euro pro Jahr<br />

angehoben, die Kinderförderung<br />

beträgt 300,00 Euro für ab 2008 geborene<br />

Kinder und 200,00 Euro für ältere<br />

Kinder. Hier kommen schnell einige<br />

10.000,00 Euro zusammen, die als<br />

Sondertilgung in die Finanzierung<br />

einfließen und zu einer schnelleren<br />

Rückzahlung führen.<br />

zählt hier die langfristige Kundenbindung,<br />

auch wenn es im Moment<br />

vielleicht nur um einen kleinen Vertrag<br />

über vermögenswirksame Leistungen<br />

geht.<br />

Viele Vermittler stehen dem Bausparer<br />

nicht unbedingt positiv gegenüber.<br />

Welche Hintergründe hat das?<br />

Der Hauptgrund liegt darin, dass<br />

viele Kunden einfach falsch beraten<br />

wurden, von wem auch immer. Wer<br />

zum Beispiel vor zehn Jahren seine<br />

Finanzierung mit einem Bausparvertrag<br />

mit nur einem Promille Sparbeitrag<br />

abgeschlossen hat, dem ist heute<br />

nicht geholfen, weil der Vertrag erst<br />

in weiteren 15 oder sogar 25 Jahren<br />

in die Zuteilung kommt.<br />

Ferner sehen viele Vermittler und alte<br />

Bausparkunden heute nur den hohen<br />

Darlehenszins bei den Altverträgen,<br />

die heute in die Zuteilung kommen.<br />

Der hohe Guthabenzins wird leider<br />

vergessen.<br />

Diese subjektiv negativen Aspekte<br />

geben dem Bausparen ein schlechtes<br />

Bild.<br />

Objektiv betrachtet kann ich auch das<br />

hoch verzinste Guthaben aus einem<br />

Altvertrag in einen Neuvertrag mit<br />

niedrigem Darlehenszins übertragen<br />

und habe dann beides: Hohe Guthabenzinsen<br />

in der Vergangenheit und<br />

einen niedrigen Darlehenszins in der<br />

Zukunft.<br />

Die Einkommensgrenzen für die Wohnungsbauprämie<br />

und Arbeitnehmersparzulage<br />

sind seit über zehn Jahren<br />

nahezu unverändert. Hier wäre eine<br />

Anpassung (also Erhöhung) an die<br />

Einkommensentwicklung und Inflationsrate<br />

dringend erforderlich.<br />

Ferner würde eine zusätzliche Kinderbausparprämie<br />

gerade jungen Familien<br />

helfen, schneller ins eigene Heim zu<br />

kommen. Jede Bausparförderung, die<br />

zusätzliches Wohneigentum schafft,<br />

entlastet sogar die Staatskasse. Alleine<br />

die Grunderwerbsteuer von bis zu 6,5<br />

Prozent bringt sofort Gewinn in die<br />

Staatskasse. Ganz zu schweigen vom<br />

Neubau: hier kommt Mehrwertsteuer<br />

in die Kasse, Gewerbesteuer, Arbeiter<br />

haben Arbeit und zahlen Lohnsteuer<br />

- und so weiter.<br />

Welche Perspektive sehen Sie in dem<br />

Produkt Bausparvertrag?<br />

Bausparen war schon immer aktuell<br />

und wird es auch bleiben. Auch<br />

wenn sich die Märkte ändern, reagieren<br />

die Bausparkassen mit neuen Tarifen,<br />

die sowohl dem Sparer als auch dem<br />

Finanzierungskunden Vorteile bieten.<br />

Warum sollten Vermittler auf Bauspar-Produkte<br />

setzen?<br />

Kundenbindung ist das A und O für<br />

jeden Vermittler. Lasse ich eine Produktsparte<br />

liegen, öffnet sich die Tür<br />

für andere Vermittler. Und schon wird<br />

dieser den Kunden zum Beispiel auch<br />

auf Versicherungen ansprechen. Neben<br />

dem kurzfristigen Provisionsaspekt<br />

Wie hat sich das Geschäft mit Bausparverträgen<br />

in den letzten fünf Jahren<br />

geändert?<br />

Die größte Veränderung sind die neuen<br />

Tarife, die in den letzten Jahren entstanden<br />

sind. So wie auf der einen<br />

Seite die Guthabenzinsen gesunken<br />

sind, sind auf der anderen Seite auch<br />

die Darlehenszinsen gesunken. Viele<br />

Bausparkassen versuchen auch aktiv,<br />

ihre reinen Sparkunden aus den Hochzinstarifen<br />

herauszukündigen.<br />

An welchen Schrauben müsste die<br />

Branche oder sogar die Politik drehen,<br />

um Bausparen attraktiver zu machen?<br />

Stefan Kraus<br />

Kreditspezialist | Bausparen<br />

Creditfair hat die Interviewfragen<br />

für die WIFO beantwortet.<br />

Die Bausparkassen selber könnten<br />

versuchen etwas weniger „verstaubt“<br />

und weniger bürokratisch zu arbeiten.<br />

Das Gespräch führte Mirko Wenig<br />

Foto: Warchi / istockphoto.com<br />

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