Livret-Mozart-Levin-Poulet-La-Goillotte-Le-Palais-des-D%C3%A9gusteurs
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wenn man Wunder erlebt. Dass der heilige Paulus<br />
nach seiner seltsamen Vision den Kopf verlor,<br />
setzt mich nicht mehr in Erstaunen. Herrn <strong>Mozart</strong>s<br />
Kinder haben die Bewunderung aller derer erregt,<br />
die sie gesehen haben. Der Kaiser und die Kaiserin<br />
haben sie mit Güte überhäuft; dieselbe<br />
Aufnahme haben sie in München und Mannheim<br />
erfahren. Schade, dass man sich hierzulande so<br />
wenig auf Musik versteht. Der Vater möchte von<br />
hier nach England weiterreisen und schließlich<br />
mit seinen Kindern über Norddeutschland nach<br />
Hause zurückkehren."<br />
Mit acht Jahren kann er Werke für mehrere Instrumente<br />
schreiben, drei- und vierstimmige Lieder...<br />
Sein Vater schenkt ihm ein Musikheft, das<br />
der kleine Bub im Nu mit fünfundzwanzig selbstkomponierten,<br />
kurzen Stücken für Cembalo füllt.<br />
Schon immer keimt der Gedanke an eine Oper,<br />
jetzt nimmt er Gestalt an, wenn man diesem Satz<br />
von <strong>Le</strong>opold am 28. Mai 1764 hört: "Jetzt hat er<br />
immer eine Oper im Kopf."<br />
Um diese Zeit trifft er in London Johann Christian<br />
Bach, einen der Söhne von Johann Sebastian<br />
Bach. Es wird erzählt, wie der dreißigjährige Meister<br />
dem achtjährigen Jungen ein Spiel vorschlägt:<br />
er nimmt ihn vor dem Cembalo auf die Knie, sie<br />
spielen gemeinsam eine Sonate, immer abwechselnd<br />
jeder ein paar Takte. Ganz abgesehen vom<br />
herzerwärmenden Anblick der Szene bedeutet<br />
es für den kleinen Komponisten, der bis dahin<br />
fast nur die Musik Nordeuropas kennt, die Entdeckung<br />
der italienischen Musik, in der Johann<br />
Christian Bach besonders bewandert ist. Was für<br />
eine schöne Art, sich auf so instinktive, fast irrationale<br />
Weise eine neue Musik zu erschließen!<br />
So entdeckt <strong>Mozart</strong> die Kunst <strong>des</strong> Bel Canto und<br />
der italienischen Arien, an denen er sofort selbst<br />
seine Fähigkeiten ausprobiert - ein erster Versuch,<br />
dem viele weitere folgen sollen.<br />
Der "Londoner Bach" lässt ihn auch Georg Friedrich<br />
Händel entdecken, und noch etwas, das<br />
eine wahre Offenbarung für den jungen Komponisten<br />
ist, die sein gesamtes späteres Werk<br />
prägen wird, ob nun für Theater oder rein instrumental:<br />
die italienische Oper.<br />
Gegen Ende seines Aufenthalts in England im<br />
Sommer 1765 trifft er den Rechtsanwalt Daines<br />
Barrington, der einen genauen Bericht über diese<br />
Begegnung verfasst (der im Folgenden von der<br />
Royal Society veröffentlicht wird). Darin steht,<br />
wie der neunjährige Junge gebeten wird, eine<br />
Liebesarie zu improvisieren, "wie sie sich sein<br />
Freund Manzuoli für eine Oper ausgesucht hätte".<br />
Das Kind hebt zunächst an, mit Tra-la-la vor sich<br />
hin zu trällern, spielt dann auf dem Cembalo ein<br />
Vorspiel und schließlich eine wahrhaftige Oper-<br />
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