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Fleuriste | Fiorista<br />

Nr. <strong>06</strong>| 20<strong>19</strong><br />

Blumen<br />

und Kunst<br />

Wenn Meisterhaftes auf Meisterhaftes trifft<br />

Glücksfall<br />

Hochzeit<br />

Das perfekte Verkaufsgespräch<br />

Geranien<br />

Alles andere als bieder


<strong>BfdK</strong> 20<strong>19</strong>: Die Werke FtA 20<strong>19</strong>: Les travaux<br />

Blumen und Kunst<br />

Vierzehn <strong>Florist</strong>innen und <strong>Florist</strong>en haben im März für<br />

«Blumen für die Kunst» Bilder der Sammlung des Aargauer Kunsthauses interpretiert.<br />

Wir stellen drei vor.<br />

Der haarige Wald aus Beinen und Helekonien, faszinierend und irritierend zugleich, ziert in Zukunft die Wohnzimmerwand von Marcus Forster.<br />

La forêt poilue de jambes et d’Heliconias qui devrait à la fois fasciner et irriter décorera bientôt déjà la paroi du salon de Marcus Forster.<br />

Marcus Forster*<br />

PROTOKOLLE Denise Yannoulis, Erika Jüsi BILDER David Aebi<br />

«Ich liebe die Provokation. Die Männerbeine<br />

von Balthasar Burkhard, erotisch,<br />

haarig, abstossend und anziehend<br />

zugleich, haben mich dann auch sofort<br />

fasziniert. Die insektenartigen Helekonien<br />

vereinen für mich diesen Zwiespalt genauso. Man hasst sie<br />

oder man liebt sie. Ich habe den Wald aus Beinen und Helekonien<br />

schon bald vor mir gesehen, ausprobieren konnte ich die<br />

Installation allerdings nicht. Es kam alles erst am Aufbautag<br />

zusammen. Aber so funktioniere ich, ich entscheide schnell<br />

und vertraue darauf, dass es schon gut kommen wird. Die<br />

Herausforderung hat mich wahnsinnig inspiriert, beflügelt und<br />

natürlich geehrt. Ich spürte wochenlang eine elektrisierende<br />

Energie und stand dann am Tag der Vernissage auch schon<br />

morgens um 7 vor dem Kunsthaus, aus Angst, der Verkehr<br />

könnte mich aufhalten. Dann sah ich die noch verpackten<br />

Helekonien zum ersten Mal. Wenn sie nicht perfekt gewesen<br />

wären? Ja, dann. Männerbeine sind es auch nicht.» ᴥ<br />

*Marcus Forster ist Meisterflorist und Freelancer.<br />

«J’aime la provocation. Les jambes d’hommes de Balthasar<br />

Burkhard, érotiques, poilues, repoussantes et attirantes à la fois<br />

m’ont tout de suite fasciné. Pour moi, les Heliconias à l’aspect<br />

d’insectes comportent également cette duplicité. On la déteste ou<br />

on l’aime. J’ai très vite vu devant moi cette forêt de jambes et<br />

d’Heliconias, mais je ne pouvais cependant pas réaliser cette<br />

installation. Ce n’est que le jour de la mise en œuvre que tout<br />

m’est apparu. C’est ainsi que je fonctionne. Je prends rapidement<br />

m’a décision et j’ai confiance en ce qu’il en adviendra. Le défi m’a<br />

énormément inspiré, m’a donné des ailes et naturellement honoré.<br />

Pendant des semaines, j’ai senti une énergie électrisante et le jour<br />

du vernissage j’étais déjà devant le Musée des beaux-arts le matin<br />

à 7 heures, de peur d’être retardé par la circulation. J’ai alors vu<br />

pour la première fois les Heliconias encore emballés. S’ils<br />

n’avaient pas été parfaits? Et alors? Les jambes d’hommes ne sont<br />

pas parfaites non plus.» ᴥ<br />

*Marcus Forster est maître fleuriste et travaille en free-lance.<br />

RUDOLF VELHAGEN**<br />

ÜBER «LES JAMBES/TEIL 1», <strong>19</strong>68<br />

In den <strong>19</strong>80er-Jahren steht der menschliche Körper im Zentrum von<br />

Balthasar Burkhards (<strong>19</strong>44–2010) fotografischem Schaffen. Es<br />

entstehen fragmentarische Aufnahmen von Knien, Armen und Beinen.<br />

In der achtteiligen Fotoserie «Les Jambes/Teil 1» von <strong>19</strong>86 sind<br />

unterschiedliche Männerbeine in monumentaler Grösse zu sehen. Durch<br />

die gleichmässige Tiefenschärfe der schwarzweissen Fotos tritt jedes<br />

Detail – Haare, Narben, Muttermale – der Beine hervor, gleichzeitig<br />

führt die Abwesenheit eines Tiefenraumes dazu, dass der fotografierte<br />

Gegenstand an die Oberfläche des Bildraumes drängt. Nicht der fotografierte<br />

Gegenstand ist von Bedeutung, sondern das von Burkhard<br />

geschaffene Bild in seiner bedingungslosen Klarheit und Konzentration.<br />

**Velhagen ist Kunsthistoriker und Mitinitiant von «Blumen für die Kunst».<br />

12 FLORIST <strong>06</strong> | 20<strong>19</strong><br />

FLORIST <strong>06</strong> | 20<strong>19</strong> 13


<strong>BfdK</strong> Blumen 20<strong>19</strong>: für Die die Werke Kunst 20<strong>19</strong> FtA Flowers 20<strong>19</strong>: Les to travaux Arts 20<strong>19</strong><br />

Katrin Keller*<br />

Eine grosse Harmonie in Farbe, Form und Provenienz verbindet den Strauss, das Gefäss und das Frauenporträt «Annel» miteinander.<br />

Une grande harmonie des couleurs, de la forme et de la provenance relie l’art floral, le récipient et le portrait de femme «Annel».<br />

Gianna Stefanini*<br />

«Es waren diese Farben, die mich beim<br />

Frauenporträt von Cuno Amiet sofort in<br />

ihren Bann gezogen haben. Sie waren das<br />

Hauptkriterium bei meiner Wahl – und<br />

liessen mich auch während meiner ganzen<br />

Schaffenszeit nicht mehr los! Es gab von<br />

Anfang an zwei Ebenen für mich: Den auffälligen, orangefarbigen<br />

Hut und die zartblasse Gesichtsfarbe wollte ich mit der<br />

<strong>Florist</strong>ik aufnehmen. Mit einer Gefässfüllung, die in Form und<br />

Farbe die Gestalt und Anmutung von «Annel» sowie auch die<br />

ganze Stimmung des Porträts wiedergab. Die Kostüm- oder<br />

Trachtenjacke der Dame brauchte meiner Meinung nach eine<br />

zusätzliche, zweite Ebene. Also nahm ich mir viel Zeit für meine<br />

Suche nach dem richtigen Gefäss. Per Zufall entdeckte ich es<br />

dann in einem Geschäft für kunsthandwerklich gefertigte<br />

Arbeiten. Bei dem Stück stimmte nicht nur die Farbe, Grösse<br />

und Form, sondern sogar auch das Alter: Das Bild entstand <strong>19</strong>10,<br />

das Gefäss wohl Ende des <strong>19</strong>. Jahrhunderts. Der Kauf des<br />

Gefässes war für mich eine Investition, doch ich konnte gar<br />

nicht anders. Es war für mich einfach das Richtige!»<br />

Die Sammlungskuratorin Simona Ciuccio vom Aargauer Kunsthaus<br />

ergänzte die Rückblende noch um eine weitere Perspektive:<br />

«Das Porträt von Cuno Amiet ist das kleinste ausgewählte<br />

Format der Ausstellung. Gleichzeitig ist es auch das älteste Werk.<br />

Interpretiert wurde es von einem Jungtalent.» ᴥ<br />

*Gianna Stefanini ist Meisterfloristin, arbeitet bei Urs Bergmann <strong>Florist</strong> in Zürich<br />

und nahm als Jungtalent zum ersten Mal an der Ausstellung teil.<br />

«Ce sont ces couleurs du portrait de femme de Cuno Amiet qui m’ont<br />

tout de suite attirée. C’était le critère principal de mon choix et elles<br />

ne m’ont pas quittée pendant tout mon temps de travail. Dès le<br />

début, il y avait à mon avis deux plans: Le chapeau orange voyant<br />

et la couleur pâle, douce, du visage que je voulais reproduire dans<br />

ma création florale. Avec un garnissage de récipient qui reflète la<br />

forme, la couleur, le personnage et la grâce d’«Annel», ainsi que<br />

l’ambiance du portrait. Pour moi, la veste du costume traditionnel<br />

de la dame exigeait un élément supplémentaire. Je l’ai finalement<br />

découvert par hasard dans un commerce destiné aux travaux d’art<br />

artisanal. Non seulement la couleur, la grandeur et la forme mais<br />

également l’âge de cette pièce convenaient: le tableau a été réalisé en<br />

<strong>19</strong>10 et le récipient vraisemblablement à la fin du <strong>19</strong> e siècle.» ᴥ<br />

*Gianna Stefanini est maître fleuriste, travaille chez Urs Bergmann <strong>Florist</strong> à Zurich, et<br />

a participé comme talent jeune pour la première fois à l’exposition.<br />

RUDOLF VELHAGEN** ÜBER «ANNEL», <strong>19</strong>10<br />

Neben Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti gehört Cuno Amiet<br />

(1868–<strong>19</strong>61) zu den Wegbereitern der Schweizer Moderne. Amiets Beitrag<br />

zur Erneuerung der Schweizer Malerei ist die Einführung einer von der<br />

reinen Farbe bestimmten Malerei, welche er bei Malern wie Henri Matisse<br />

vorbildhaft verkörpert sah. In seiner Malerei geht es deshalb nicht um<br />

fotografische Nachahmung, sondern um formale und farbliche Einzigartigkeit.<br />

Das Bildnis der im Profil dargestellten Ehefrau Annel besticht durch<br />

dynamische Farbakzente in Kombination mit fein abgestimmten Farbtönen.<br />

**Velhagen ist Kunsthistoriker und Mitinitiant von «Blumen für die Kunst».<br />

«Mich sprach das Düstere in dem Bild an.<br />

Plus die Figur von Max Daetwyler, das<br />

grosse Schweizer Original des 20. Jahrhunderts.<br />

Kriegsdienstverweigerer,<br />

Pazifist und Friedensapostel. Die Kohle<br />

habe ich als Ummantelungsmaterial<br />

gewählt, weil Varlin das Bild teilweise mit<br />

Kohle malte. Sie symbolisiert auch die Zerstörung durch den<br />

Krieg und nimmt die Düsterheit des Bildes auf. Der Schwung<br />

der markanten weissen Fahne wird von einer luftigen, und<br />

doch flächigen Fülle von Astrantien, Wachsblumen, Nelken,<br />

Kängurupfoten und Eustoma spürbar gemacht. Reine weisse<br />

Farbe war mir zu hart, da das Bild und Max Daetwyler auf<br />

den zweiten Blick nicht mehr so düster, sondern eher lieblich<br />

erschienen. Daher die Anlehnung an die zarte Mischung der<br />

Farbtöne im Bild. Die Form des Kreuzes habe ich mit drei<br />

Podestformen aufgenommen. Sie sollen nicht nur die Symbolik<br />

darstellen, sondern Besucherinnen und Besucher zum<br />

Hinsetzen einladen. Die 62 Schmetterlinge sind stellvertretend<br />

für jedes Jahr Pazifismus und fliegen symbolisch für<br />

Frieden und Harmonie durch den Raum.» ᴥ<br />

*Katrin Keller ist <strong>Florist</strong>in und Inhaberin der Floralen Werkstatt in Appenzell.<br />

«C’est l’aspect obscur du tableau qui m’a parlé. De même le<br />

personnage de Max Daetwyler, l’un des plus grands «originaux»<br />

suisses du 20 e siècle, objecteur de conscience, pacifiste et apôtre de<br />

la paix. Comme Varlin a peint la toile a avec ce matériau, j’ai<br />

choisi le charbon pour l’enrobage. Ce dernier symbolise aussi les<br />

destructions de la guerre et exprime le côté sombre de l’œuvre.<br />

La dynamique du drapeau blanc, marquant, est mise en évidence<br />

par une abondance aérée, néanmoins plane, d’astrances, de fleurs<br />

en cire, d’œillets, de Pattes de kangourou et de lisianthus.<br />

Un ton blanc pur aurait été trop dur à mon goût, le tableau et<br />

Max Daetwyler – au deuxième regard – n’apparaissant plus aussi<br />

sombres, mais plutôt aimables. Je me suis donc basée sur le<br />

mélange de couleurs doux de la toile et ai reproduit la forme de<br />

la croix avec celle de trois estrades. Le but n’est pas seulement<br />

d’illustrer la symbolique, mais d’inviter des visiteurs/visiteuses<br />

à s’asseoir. Les 62 papillons représentent les années de pacifisme<br />

et volent à travers la pièce comme symboles de paix et d’harmonie.»<br />

ᴥ<br />

* Katrin Keller est fleuriste et propriétaire de l’Atelier floral à Appenzell.<br />

RUDOLF VELHAGEN** ÜBER «DER FRIEDENS-<br />

APOSTEL MAX DAETWYLER»<br />

Varlin (<strong>19</strong>00 – <strong>19</strong>77), der mit bürgerlichem Namen Willy Guggenheim hiess,<br />

wurde lange Zeit als Sonderfall der Schweizer Malerei des<br />

20. Jahrhunderts betrachtet. Sein figuratives Werk galt als schwer<br />

klassifizierbar und in einer Zeit, in der die Abstraktion dominierte, als<br />

überholt. Varlins stimmungsvolle Bilder befassen sich mit dem Obskuren<br />

im Menschen und im Leben, es geht um innere Abgründe und existenzielles<br />

Unbehagen. Varlin zeigt den Friedensapostel Max Daetwyler daher als<br />

einsamen Mann mit erhobener Hand und weisser Friedensfahne in einer<br />

Welt von Düsternis, Schwere und Zerstörung.<br />

**Velhagen ist Kunsthistoriker und Mitinitiant von «Blumen für die Kunst».<br />

Ein Kämpfer in einem engen Rahmen bekommt mit Blumen, weissen Kuben und<br />

einem Himmel voller Schmetterlingen eine völlig neue und erweiterte Dimension.<br />

Avec des fleurs, des cubes blancs et un ciel plein de papillons, un guerrier bénéficie,<br />

dans un cadre étroit, d’une dimension tout-à-fait nouvelle et plus étendue.<br />

WEITERE WERKE<br />

In den kommenden Ausgaben des <strong>Florist</strong> stellen wir weitere<br />

Werke der diesjährigen Ausstellung<br />

«Blumen für die Kunst» vor, einem Projekt des Aargauer<br />

Kunsthauses und des Vereins Flowers to Arts.<br />

> flowers-to-arts.ch<br />

TIPP<br />

14 FLORIST <strong>06</strong> | 20<strong>19</strong><br />

FLORIST <strong>06</strong> | 20<strong>19</strong> 15

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