07_19_Florist_BFDK_S12-15_DEF-inkl-Cover
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Fleuriste | Fiorista<br />
Nr. <strong>07</strong> | 20<strong>19</strong><br />
Zauberhafte<br />
Flaschengeister aus<br />
Schwedischer<br />
Grenzgänger<br />
Erfolgreiche <strong>Florist</strong>ik jenseits von normal<br />
Heidiland<br />
Vom Bergsommer inspiriert
BfdK 20<strong>19</strong>: Die Werke FtA 20<strong>19</strong>: Les travaux<br />
Blumen und Kunst<br />
Vierzehn <strong>Florist</strong>innen und <strong>Florist</strong>en haben im März für<br />
«Blumen für die Kunst» Bilder der Sammlung des Aargauer Kunsthauses interpretiert.<br />
Wir stellen drei vor.<br />
TEXT Denise Yannoulis, Erika Jüsi BILDER David Aebi<br />
Mit ihrer vor dem Bild schwebenden, farbigen Dimension verhilft die <strong>Florist</strong>in einer entrückten Traumvorstellung zu Realität.<br />
Avec sa dimension colorée flottante, la fleuriste fait d’une idée de rêve décalée une réalité.<br />
Franziska Bürgi Rey*<br />
Es war eine eigene Offenbarung, die sich<br />
der <strong>Florist</strong>in bei ihrer Auseinandersetzung<br />
mit dem Bild von Didier Rittener auftat:<br />
Der Maler hatte den Paradiesgarten voller<br />
Bäume doch ohne Sündenfall dargestellt und<br />
damit von der Last des Sündenfalls befreit! So gesehen eine<br />
wohltuende Vorstellung, die sich für Franziska Bürgi Rey nur<br />
mit einer schwebenden Installation darstellen liess.<br />
Mit der tatkräftigen Unterstützung von Myrtha Frohofer und<br />
dem Team des Aargauer Kunsthauses liess sie daher Äste voller<br />
Blüten aus dem Paradieswald heraus und in den Raum hinein<br />
ranken, die mit ihrer Vielfarbigkeit, ihrem Duft und ihrer<br />
Dimension die Wirkung des schwarzweissen Kunstwerks an der<br />
Wand um ein Mehrfaches potenzierten. In den Ästen verarbeitete<br />
die Thurgauerin als Symbole für die Grenzenlosigkeit<br />
einheimische und exotische <strong>Florist</strong>ik nebst Zitrusfrüchten und<br />
Äpfeln. Doch die Vollendung dieser anderen Paradiesvorstellung<br />
eröffnete sich Franziska Bürgi Rey in den andächtigen Betrachtungen<br />
und spürbar tiefen Freude der Besucherinnen und<br />
Besucher in der ganzen Ausstellung. ᴥ<br />
* Die <strong>Florist</strong>in Franziska Bürgi Rey ist Inhaberin von «Blumenraum» in Kreuzlingen.<br />
La confrontation de la fleuriste avec l’œuvre de Didier Rittener<br />
était une révélation pour elle: L’artiste avait dépeint le Jardin du<br />
Paradis plein d’arbres, mais sans la chute originelle, ce qui lui<br />
a ainsi épargné ce souci! Vu ainsi, une vision positive que<br />
Franziska Bürgi Rey pouvait simplement représenter avec une<br />
installation flottante. Avec le soutien actif de Myrtha Frohofer et<br />
du team du Musée des Beaux-Arts d’Argovie, des branches<br />
fleuries sont apparues dans le Bois du Paradis et, dans le local,<br />
des rameaux dont la polychromie, le parfum et la dimension ont<br />
multiplié x fois les effets de l’œuvre d’art noire et blanche<br />
suspendue à la paroi. Pour symboliser l’infinité, la Thurgovienne<br />
a intégré des éléments indigènes et exotiques ainsi que<br />
des agrumes et des pommes. Franziska Bürgi Rey n’a cependant<br />
réalisé l’achèvement de sa mise en œuvre de cette autre vision<br />
du paradis qu’en voyant le recueillement et le plaisir visible des<br />
visiteurs/visiteuses tout au long de l’exposition. ᴥ<br />
* Franziska Bürgi Rey est fleuriste et propriétaire de «Blumenraum» à Kreuzlingen.<br />
RUDOLF VELHAGEN**<br />
ÜBER «LES POMMIERS OU INDÉCENTE FORÊ T » ,<br />
2014–2106<br />
In der grossformatigen Bleistiftzeichnung führte Didier Rittener (geb.<br />
<strong>19</strong>69) Bildausschnitte verschiedenster Meisterwerke aus der Kunstgeschichte<br />
zusammen, welche den biblisch überlieferten Sündenfall von<br />
Adam und Eva zeigen. Indem der Westschweizer Künstler auf die<br />
Wiedergabe des Sündenfalls verzichtet, kommt es zu einer Bedeutungsverschiebung:<br />
Der Paradiesgarten von Rittener ist im Unterschied<br />
zu den kunstgeschichtlichen Vorbildern von der Last des Sündenfalls<br />
befreit. Im Rendez-vous der Bäume mit ihren üppigen Früchten<br />
schwingt für Rittener auch eine erotische Komponente mit, worauf der<br />
Bildtitel «indécente forêt» («unanständiger Wald») anspielt.<br />
**Velhagen ist Kunsthistoriker und Mitinitiant von «Blumen für die Kunst».<br />
12 FLORIST <strong>07</strong> | 20<strong>19</strong><br />
FLORIST <strong>07</strong> | 20<strong>19</strong> 13
BfdK 20<strong>19</strong>: Die Werke FtA 20<strong>19</strong>: Les travaux<br />
solche Möglichkeiten helfen, eine neue<br />
Sicht und noch mehr Freude für unseren<br />
Beruf zu empfinden.» ᴥ<br />
*Die Meisterfloristin Luzia Blessner sucht zurzeit eine<br />
neue Herausforderung im Raum Wil/SG.<br />
«Le fait que le peintre ne met rien en<br />
évidence – ses intentions, la portée de ses<br />
œuvres – me plaît. Pour moi celle-ci<br />
représente une cime d’arbre. J’ai alors<br />
décidé de la disséquer et de la recomposer.<br />
Comme l’artiste l’a d’ailleurs fait. Mon<br />
interprétation pose pour ainsi dire un<br />
regard d’en haut sur l’arbre. J’ai ainsi<br />
obtenu le calme désiré dans ma création.<br />
Pour une fois, le vert est ici au premier<br />
plan et les fleurs placées plus bas<br />
évoquent le tronc. Le mélange devait<br />
correspondre, surtout en ce qui concerne<br />
les couleurs. Jusqu’à la fin, je craignais<br />
que cela ne suffise pas, eu égard aux<br />
dimensions de l’œuvre de grand format et<br />
que cela ne convienne pas à l’exposition.<br />
C’était donc un honneur pour moi de<br />
participer. De telles opportunités<br />
apportent une nouvelle vision et encore<br />
plus d’amour pour notre métier.» ᴥ<br />
*Luzia Blessner est maître fleuriste.<br />
Der Blick in eine Baumkrone von oben: Luzia Blessners Interpretation von Markus Döbelis unbetiteltem<br />
Werk besticht durch Ruhe, die durch die Platzierung der Kuben durchbrochen wird.<br />
Regard porté d’en haut sur la cime d’un arbre: L’interprétation de l’œuvre sans nom de Markus Döbeli par Luzia<br />
Blessner séduit par le calme rompu par le placement des cubes.<br />
Luzia Blessner*<br />
«Mir gefällt, dass der Maler nichts preisgibt, sondern alles<br />
offenlässt: seine Absichten, die Bedeutung seiner Werke. Konsequenterweise<br />
hat er dem Gemälde auch keinen Namen gegeben.<br />
Für mich stellt es eine Baumkrone dar und mein erster Gedanke war<br />
dann auch, einen Baumstamm zu gestalten. Dann beschloss ich, es zu dekonstruieren<br />
und neu zusammenzusetzen. Der Künstler hat das bei anderen Bildern auch so<br />
gemacht, hat sie auseinandergeschnitten und wieder neu zusammengefügt. Meine<br />
Interpretation gewährt sozusagen einen Blick von oben auf den Baum. So erreichte<br />
ich die gewünschte Ruhe in der Gestaltung – Spannung erzeugte einzig die Platzierung<br />
der Kisten. Grün steht hier für einmal im Vordergrund, die tiefer gestellten<br />
Blumen stellen den Stamm darunter dar. Die Mischung musste stimmen, vor allem<br />
farblich. Ich war bis am Schluss unsicher, ob es reicht, ob die Dimensionen dem<br />
grossformatigen Bild und der Ausstellung gerecht werden. Es war eine grosse Ehre<br />
für mich, teilzunehmen, und eine wunderbare Abwechslung zum Alltag. Genau<br />
RUDOLF VELHAGEN**<br />
ÜBER «OHNE TITEL», 2000<br />
Die gegenstandslose Malerei von Markus<br />
Döbeli (geb. <strong>19</strong>58) entsteht intuitiv: Auf<br />
meist grossen Leinwandformaten entwickelt<br />
sich das Bild aus mehreren transparenten<br />
Farbschichten. Bisweilen wirkt die<br />
Acrylfarbe dünn und durchscheinend, dann<br />
verdichtet sie sich wieder zu einer<br />
mehrschichtigen opaken Fläche. Lichthaltige<br />
Stellen wechseln mit dunklen Partien ab,<br />
heftige Pinselstriche mit ruhigen Flächen.<br />
Döbelis vage Formationen entziehen sich<br />
jeder begrifflichen Eindeutigkeit und lassen<br />
dennoch landschaftliche Stimmungen,<br />
Wolkengebilde oder Nebelschwaden<br />
erahnen – das Bild des Aargauer Kunsthauses<br />
wiederum erinnert an eine sommerliche<br />
Baumkrone.<br />
**Velhagen ist Kunsthistoriker und Mitinitiant<br />
von «Blumen für die Kunst».<br />
WEITERE WERKE<br />
In den kommenden Ausgaben des<br />
<strong>Florist</strong> stellen wir weitere Werke der<br />
diesjährigen Ausstellung<br />
«Blumen für die Kunst» vor, einem<br />
Projekt des Aargauer Kunsthauses und<br />
des Vereins Flowers to Arts.<br />
> flowers-to-arts.ch<br />
TIPP<br />
Es kostete ihn einige schlaflose Nächte, bis der Westschweizer Rémy Jaggi zu seiner Interpretation von «Der Mäher» fand, seiner zweite Wahl.<br />
Il a fallu quelques nuits blanches au Romand Rémi Jaggi pour trouver son interprétation de «Le faucheur». C’était son deuxième choix.<br />
Rémy Jaggi*<br />
«Ich hatte meine liebe Mühe mit dem Bild.<br />
Es ist so stark und Ferdinand Hodler so<br />
berühmt – der Druck war riesig. Ich bin<br />
glücklich, dann doch noch die Kraft dieses<br />
Bauern, aber auch die Gelassenheit seiner<br />
Gedanken, den Schwung seiner Bewegung, seine Bodenständigkeit<br />
und Naturverbundenheit zeigen zu können. Aber es war<br />
nicht einfach. Alles, was ich zuerst in Erwägung zog, war im<br />
Kunsthaus nicht erlaubt. Knorrige Äste aus dem Wald zum<br />
Beispiel. Blau finde ich zudem floristisch schwierig. Die letzten<br />
Ideen kamen mir erst am Vortag. Mit dem enzianblau gefärbten<br />
Stoff habe ich dann den Faltenwurf der Arbeitshose des Mähers<br />
gespiegelt. Die überdimensionale Vase, die ich ebenfalls blau<br />
färbte und zusätzlich patinierte, symbolisiert Kraft und Standfestigkeit.<br />
Cryptomeria und Spinosa bilden die Struktur der<br />
Bewegung. Die Chasmanthium oberhalb meiner Skulptur<br />
umspielen die Interpretation wie die Gedanken den Kopf des<br />
nachdenklichen Mähers.» ᴥ<br />
*Rémy Jaggi ist Inhaber von Rémy Jaggi in Trélex und Lausanne.<br />
«Cette œuvre a exigé de profondes réflexions. Elle est tellement<br />
intense et Ferdinand Hodler tellement célèbre – la pression était<br />
énorme. Mais je suis finalement heureux de montrer la force de ce<br />
paysan, la sérénité de ses pensées, l’élan de ses mouvements, de<br />
même que son attachement au terroir et à la nature. Ce n’était pas<br />
facile. Tout ce que j’envisageais d’abord n’était pas autorisé au musée.<br />
Par exemple, des branches noueuses de la forêt. Je trouve en outre le<br />
bleu difficile en art floral. Les dernières idées ne me sont venues que<br />
la veille. Avec le tissu teint en bleu gentiane, j’ai alors reflété le drapé<br />
du pantalon de travail du faucheur. Le vase surdimensionné, que j’ai<br />
également peint en bleu et patiné, symbolise la force et la robustesse.<br />
Le Cèdre du Japon et le Spinosa constituent la structure du mouvement.<br />
Le Chasmanthium joue avec l’interprétation comme l’esprit<br />
avec la tête du faucheur pensif.» ᴥ<br />
* Rémy Jaggi est propriétaire de «Rémy Jaggi» à Trélex et à Lausanne.<br />
RUDOLF VELHAGEN**<br />
ÜBER «DER MÄHER», UM <strong>19</strong>12<br />
Um <strong>19</strong>00 wandte sich Ferdinand Hodler (1853–<strong>19</strong>18) vom Realismus ab, um<br />
seine symbolische Kunst zu entwickeln. Hodler sah die Welt in dieser<br />
neuen Schaffensphase als «Symbol» einer tieferen Wirklichkeit und die<br />
Kunst als herausragende Mittlerin zwischen den Ebenen der sichtbaren<br />
und der unsichtbaren Welt. Er war überzeugt, dass eine übergeordnete<br />
Kraft den gesamten Kosmos durchdringt und beseelt. Wie es für Hodlers<br />
symbolistische Figuren charakteristisch ist, bewegt sich auch der Mäher<br />
in einer abstrahierten Landschaft, in der ein kahles Bäumchen auf der<br />
linken Seite sowie ein Blumenbeet im Vordergrund auffallen. Bildbestimmend<br />
ist der kräftige Mäher, der mit ausgestreckten Armen das Sensenblatt<br />
zum Schnitt ansetzt. Das Bild, von dem es mehrere Versionen gibt,<br />
verweist auf ein Thema, welches das gesamte Schaffen Hodlers prägt:<br />
Das Aufgehen des Menschen im Rhythmus der Natur.<br />
**Velhagen ist Kunsthistoriker und Mitinitiant von «Blumen für die Kunst».<br />
14 FLORIST <strong>07</strong> | 20<strong>19</strong><br />
FLORIST <strong>07</strong> | 20<strong>19</strong> <strong>15</strong>