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Reportage<br />
Von rauhem Charme<br />
Sie galt als schwierig, die provenzalische Schönheit, die der Genfer Architekt Charles Pictet zu seinem<br />
Feriendomizil umgebaut hat. Doch die Zähmung der Widerspenstigen ist gelungen. Nach der Verjüngungskur<br />
lächelt sie wieder, die alte Dame. Von Julia Antoniou (Text) und Francesca Giovanelli (Fotos)<br />
16_<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>
Umgeben vom Parfum des<br />
Lavendels liegt das Anwesen<br />
im Süden Frankreichs.<br />
<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>_17
Reportage Von rauhem Charme<br />
1<br />
1 Das Eingangstor zum Anwesen.<br />
2 Am Eingang befindet sich die<br />
aussergewöhnliche Klingel in Form<br />
einer klopfenden Hand.<br />
3 Anklopfen und warten, ob<br />
Schritte im Innern des Hauses<br />
ertönen.<br />
4 Die hell gestrichenen Läden<br />
geben der Fassade sanft Farbe.<br />
2<br />
3<br />
18_<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>
4<br />
<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>_19
Reportage Von rauhem Charme<br />
1 Die Besteckschublade<br />
zeugt von der Sammellust des<br />
Hausherrn.<br />
2 Vom Balkon aus blickt man<br />
in die Weite Südfrankreichs.<br />
3 Das Esszimmer lädt zum<br />
stilvollen Tafeln.<br />
1<br />
Die Küche ist das Herz<br />
des Hauses.<br />
20_<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>
2<br />
3<br />
<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>_21
Reportage Von rauhem Charme<br />
1 2<br />
3<br />
22_<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>
1 Ein Kunstgriff: Dank einem Korridor<br />
durch alle Räume des langen,<br />
schmalen Hauses kommunizieren<br />
nun alle Räume miteinander.<br />
2 Der kleine Salon führt zu den<br />
Gästezimmern.<br />
3 Der Salon des Hausherrn lädt dann,<br />
wenn es draussen zu kühl wird.<br />
4 In komfortabler Nähe aller Zimmer<br />
finden sich Nasszellen in reduzierter<br />
Ausstattung.<br />
4<br />
Strahlend weisse Wände und<br />
Bettwäsche verleihen dem<br />
Gästezimmer sommerliche Frische.<br />
<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>_23
Reportage Von rauhem Charme<br />
1<br />
2<br />
> «C’est la maison du village! – Sie erkennen es sofort», hat uns<br />
Charles Pictet auf den Weg in den Süden Frankreichs mitgegeben.<br />
Mit offenen Fenstern fahren wir im Abendlicht an einem kleinen<br />
Hügelstädtchen im Departement Gard vorbei. Die Luft ist von<br />
Lavendelduft erfüllt und alles in ein rötliches Licht getaucht – und<br />
da am gegenüberliegenden Hang ... Das Ortsschild und die herrschaftliche<br />
Fassade lassen keinen Zweifel an den Worten des Architekten:<br />
Wir sind angekommen! Im lauen Abendwind betreten wir<br />
einen steinigen Hof, wo uns zwei weisse Oleander willkommen<br />
heissen. Um Einlass zu begehren, rütteln wir entzückt an der Kette<br />
einer alten Ziehglocke, lassen dann aber eine Bronzehand auf das<br />
trockene Holz der Eingangstür schnellen. Unser Klopfen scheint<br />
ungehört im Innern zu verhallen. Dann aber öffnet ein Freund<br />
des Hauses, und bittet uns charmant einzutreten. Er geleitet uns<br />
ins Entrée, einen hohen Raum von klösterlicher Kargheit, dem ein<br />
Teppich und ein alter Tisch Wohnlichkeit abtrotzen. Ein Löwenkopf,<br />
der unter der Treppe hervorlugt, weckt die Entdeckerlust.<br />
Doch erst einmal wartet der Apéro auf uns.<br />
Archaische Kraft «Das Haus unter den Felswänden hat mich gleich<br />
fasziniert, mir aber auch einiges abverlangt», erzählt Charles Pictet.<br />
Der gefragte Architekt ist unterdessen aus Genf eingetroffen und<br />
parliert mit uns Gästen auf dem Balkon, während Maulsegler nach<br />
Mücken jagen. Vom rauen Charme einer okzitanischen Berglerin<br />
beseelt, zeigte das Haus ihm zu Beginn die kalte Schulter. Bei den<br />
ersten Besuchen nach dem Kauf im Dezember 2015 empfing es<br />
Pictet ohne Heizung, kaum beleuchtet und erwies sich mit seinen<br />
verschachtelten Räumen als wenig zugänglich. Der neue Besitzer<br />
hielt es für ratsam, sich der «alten Dame» behutsam zu nähern. Er<br />
wollte die archaische Kraft des Hauses aus dem 17. und 18. Jahrhundert<br />
bewahren, also möglichst wenig eingreifen und gleichzeitig<br />
für moderne Annehmlichkeiten sorgen. »Das Gebäude<br />
bestimmte die Massnahmen«, fasst Pictet seine Herangehensweise<br />
zusammen.<br />
Kommunizierende Räume Für das Treppenhaus, das den Zugang<br />
zu den Räumen sicherstellt, liess Pictet eine alte Scheune im<br />
felszugewandten Teil abreissen; die Steine aus dem Mauerwerk<br />
dienten später als Baumaterial für den Garten. Um eine gute<br />
Kommunikation der Räume zu gewährleisten und mehr Licht<br />
einzufangen, schuf der Architekt ausserdem einen Gang durch<br />
alle Gemächer im ersten Stock des ungewöhnlich langen und<br />
schmalen Baukörpers. Als weitere wirkungsvolle Massnahme legte<br />
er den Balkon wieder frei. Dieser war teilweise mit Küchenanbauten<br />
verstellt gewesen; heute nimmt er wieder die ganze Hausbreite<br />
ein. Im Rahmen der Umbauten, die eineinhalb Jahre dauerten,<br />
ergänzte Pictet auch Nasszellen zu den acht Schlafzimmern<br />
und fünf Salons, eine grössere und eine kleine Küche sowie eine<br />
Heizung für die kalten Wintermonate.<br />
Der Hausversteher Ganz im Sinne des neuen Eigentümers ordneten<br />
sich alle baulichen Massnahmen der schlichten Schönheit<br />
des Hauses unter. Wie gutes Make-up kleistern sie nicht zu, sondern<br />
bringen die natürlichen Vorzüge zum Strahlen, ohne das<br />
wahre Alter zu verleugnen. Pictet holte gute Handwerker ins Haus,<br />
um neue Fenster und stahlgerahmte Zwischentüren aus Glas oder<br />
Bodenbeläge einzubauen. Die Küche als Herzstück gelebter Gastfreundschaft<br />
versah er mit einer grosser Kochinsel, bewahrte aber<br />
ihre schmucken alten Details – etwa den ursprünglichen, in die<br />
1 Der Schatten der Trompetenblume<br />
eignet sich, den frühen Abend auf dem<br />
Balkon zu geniessen.<br />
2 Das Haus im Morgenlicht.<br />
24_<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>
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Katalogservice 115
Reportage Von rauhem Charme<br />
1<br />
Aussenwand eingelassenen Schüttstein, der mit alten Fliesen ausgekleidet<br />
ist. Die Küchenmöbel liess er in massiver Tanne schreinern<br />
und in einem kalkigen Weiss streichen. Ihr Harzduft belohnt<br />
jeden, der sich hier zu schaffen macht. Die sensiblen baulichen<br />
Massnahmen offenbaren Pictets Talent als Hausversteher.<br />
Grandiose Ausstattung Charles Pictet ist auch ein begeisterter<br />
Sammler und Arrangeur. Er weiss um die Eitelkeit seiner in die<br />
Jahre gekommenen Hausherrin und hofiert ihr mit einer grandios<br />
theatralischen Ausstattung, wobei er aus einem riesigen Fundus<br />
an Requisiten zu schöpfen scheint. Möbel und Bilder aus dem<br />
Familienbesitz, Objekte, die an Baustellen zurückgelassen wurden<br />
oder auf Online-Börsen ersteigerte Designerteile, Kuriositäten<br />
und Trouvaillen von Flohmärkten – alles arrangiert Pictet zu interessanten<br />
Stillleben oder ganzen Interieurs – abgenutzten oder<br />
gar verschlissenen Stellen zum Trotz. In seinen Kompositionen<br />
gibt er Objekten, deren emotionaler Wert den materiellen zumeist<br />
bei weitem übersteigt, einen Ort, wo sie ihre Geschichten weitererzählen<br />
und neue dazu fabulieren dürfen. Als Meister des echten<br />
Shabby Chics folgt er seinem Gespür und der Überzeugung, dass<br />
Menschen den Dingen um sie herum intuitiv den richtigen Platz<br />
zuteilen.<br />
2<br />
Mediterraner Garten Ebenso leidenschaftlich lebt der renommierte<br />
Architekt seinen Gestaltungswillen im Umschwung seines<br />
Anwesens aus. Hinter dem Haus hat er ein Wasserbecken angelegt<br />
und eigenhändig einen mediterranen Garten gepflanzt. Auf<br />
kleinen Terrassen erfreuen nun Granatäpfel- und Feigenbäume,<br />
Iris und viele andere Blütenstauden das Auge. Und was wäre eine<br />
Schönheit vom Lande ohne eigenes Gemüse. Nach bewährter<br />
Methode hat Pictet das Terrain unterhalb seines Hauses terrassiert<br />
und in Natursteinmäuerchen gefasst. In den Beeten seines Nutzund<br />
Obstgartens kultiviert er nun Salate, Kräuter, Tomaten und<br />
vieles mehr, was später dann auf den Tellern landet. Auch an die<br />
stille Gartenbetrachtung hat er gedacht. Von einer hübschen Sitzbank<br />
aus dürfen Gäste dem neu gepflanzten Oliven- und Pinienhain<br />
beim Wachsen zusehen oder ihren Blick über die mit Buchs<br />
gefassten Beete schweifen lassen. Einziger Störfaktor sind die weissen<br />
Falter des Buchsbaumzünslers, die sich in grossen Schwärmen<br />
am Lavendel laben.<br />
Eine stimmige Liaison »Mein Haus ist Ort des Rückzuges, aber<br />
auch der Ort, wo ich mich mit meinen beiden Kindern und<br />
meinen Freunden treffe«, so Charles Pictet, der sich als geborener<br />
Gastgeber erweist. Einer, der tagsüber geschäftig seine vielen<br />
Projekte in Haus und Garten verfolgt und doch immer wieder<br />
verbindende Momente der Gemeinsamkeit schafft. Sei es beim<br />
spontanen Stehfrühstück in der Küche, beim Mittagessen, das er<br />
routiniert für seine Gästen zubereitet, oder während der Siesta,<br />
wenn Pictets Flügelakkorde durch die Räume klingen. Zauberhaft<br />
sind auch die Dinner bei Kerzenlicht unter den noch sonnenwarmen<br />
Felsen. Nachdem die Teller leergegessen sind und die<br />
Tischgespräche vergnügt dahinplätschern, kann es passieren, dass<br />
sich der Architekt auf ein Gartenmäuerchen legt und alsbald ein<br />
tiefes Atmen zu hören ist. Es gerät zum Sinnbild einer stimmigen<br />
Liaison: Die Dame des Hauses schenkt ihrem jungen Verehrer<br />
Ruhe und Geborgenheit, während er ihr auf die alten Tage hin<br />
wieder ein Lächeln in ihr Gesicht zaubert. <<br />
1 «C’est la maison du village.»<br />
2 Der steinige Eingangshof und<br />
der Balkon in Richtung Süden.<br />
26_<strong>Häuser</strong> <strong>modernisieren</strong> 2/<strong>2019</strong>