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Titelthema: Herpetologische Forschung und Artenschutz in Vietnam

HerpetoramaDas zweite

HerpetoramaDas zweite Global AmphibianAssessmentWeltweit verschwinden die Amphibien,und ihre Situation verbessert sichnicht. Ganz im Gegenteil, wie das vorwenigen Tagen in der renommiertenFachzeitschrift Nature veröffentlichtezweite Global Amphibian Assessment(GAA2) schwarz auf weiß belegt. Diemehrjährige Untersuchung hat denZustand und das Aussterberisiko vonmehr als 8.000 beschriebenen Amphibienartenanalysiert und mit denDaten aus früheren Erhebungen verglichen.Die von einem großen internationalenForscherteam publizierteStudie (Luedtke et al. 2023), unter Beteiligungauch deutscher Herpetologenund DGHT-Mitglieder wie FrankGlaw, Mark D. Scherz, Mark-OliverRödel und Philipp Wagner, kommtzu dem Schluss, dass rund 41 % derAmphibien letztlich vom Aussterbenbedroht sind – also in der Roten Listeder IUCN in einer der drei Kategorien„vom Aussterben bedroht“, „starkgefährdet“ oder „gefährdet“ eingestuftwerden.Damit sind Amphibien die am stärkstenbedrohte Wirbeltiergruppe; imVergleich zu den Lurchen befindensich nur 26,5 % der Säugetiere, 21,4 %der Reptilien und 12,9 % der Vögelin einer dieser Gefährdungskategorien(bei den Fischen noch deutlichweniger) – wobei in den traditionellunter dem Sammelbegriff „Reptilien“geführten Untergruppen der Schildkrötenmit 60 % und der Krokodilemit 50 % ein noch höherer Prozentsatzder Arten als bedroht gilt. Von allen inden Roten Listen der IUCN geführtenOrganismengruppen geht es nur nochden Palmfarnen schlechter in der Natur,dort stehen 69 % aller Arten vordem Aussterben; aber auch bei denHaien und Rochen (37,4 %), den Koniferen(34 %) und den riffbildendenKorallen (33,4 %) sieht es insgesamtdüster aus.Die als „Amphibian Decline“ diskutiertenRückgänge der Amphibienbeständeund das dramatische Erlöschenvieler Populationen in allenLändern der Erde sind seit Jahrzentenbekannt. Um das globale Amphibiensterbenzu stoppen, wurde daherbereits zu Beginn der 1990er-Jahreunter dem Schirm der Species SurvivalCommission (SSC) der Weltnaturschutzunion(IUCN) eine internationale„Declining AmphibianPopulations Task Force“ (DAPTF)eingerichtet. Amphibienspezialistenaus aller Welt dokumentierten seitdemdie Populationsrückgänge, undvor 20 Jahren fand das erste GlobalAmphibian Assessment (GAA1) statt.Zwischen den Jahren 2002 und 2004evaluierten über 500 Wissenschaftlerund Feldherpetologen aus 60 Länderndie Verbreitung, den Schutz- undGefährdungsstatus aller damals bekannten6.000 Frosch-, Schwanz- undSchleichenlurche in mehreren regionalenWorkshops – für das Gebiet„tropisches Südamerika östlich derAnden“ in Belo Horizonte war auchder Autor dieser Zeilen beteiligt. Diestandardisierte Bewertung aller weltweitbekannten Amphibienarten imDie uruguayische Schwarzkröte Melanophryniscus montevidensis gehört zu den vielen Amphibienarten, deren Zustandsich durch Habitatverlust in den letzten Jahren stark verschlechtert hat Foto: A. Kwet6

GAA1 legte die Basis für die aktuelleGAA2-Studie und soll nun weiterhinhelfen, Prioritäten im internationalenAmphibienschutz zu setzen. In derFortschreibung dieser Langzeitstudiebewertet das GAA2 das Aussterberisikovon 8.011 bis zum Stichtag imJuni 2022 in der Roten Liste der IUCNeingestuften Amphibienarten – nebenden schon beim GGA1 evaluiertenArten zusätzlich auch rund 2.000 neubeschriebene und damit knapp 93 %aller aktuell 8.650 bekannten Spezies.Neben den schon 2004 festgestelltenHauptursachen für die globalen Amphibienrückgänge– damals wie heuteder Habitatverlust durch Zerstörungund Verschlechterung von Lebensräumen,aber auch Übernutzung derAmphibienbestände und neuartigeKrankheitserreger wie der ChytridpilzBatrachochytrium dendrobatidis(Bd) – rückt das GGA2 nun aberauch weitere Gefährdungsursachenwie den für Schwanzlurche tödlichenChytridpilz B. salamandrivorans(Bsal) in den Fokus. Vor allem entwickeltsich der Klimawandel zu einerernsthaften Gefahr für Amphibien,und so lautet der Titel der aktuellenPublikation von Luedtke et al. (2023)übersetzt „Anhaltender Rückgang derAmphibien weltweit angesichts neuerBedrohungen“.Für die meisten Amphibien, nämlich93 % aller aktuell als gefährdeteingestuften Arten, gelten weiterhindie Eingriffe in den Lebensraum alsgrößte Gefahr – speziell die Habitatverschlechterungund -zerstörungdurch intensive Landwirtschaft mitNutztierhaltung und Ackerbau, aberauch durch Holzwirtschaft, den Ausbauder Infrastruktur und Industriesowie durch Umweltverschmutzung.Insbesondere die anhaltenden Verlusteder Regenwälder, in denen einGroßteil der Artenvielfalt der Amphibienlebt, wiegen schwer. Selbstwenn der Klimawandel in Zukunftzunehmend stärker zur Gefährdungbeitragen wird, bleibt es wichtig, denFokus auf den Schutz und die Wiederherstellungder Lebensräume vonAmphibien zu richten.Unter den Amphibien bilden dieSchwanzlurche die am stärksten be-Verbreitung von 2.873 der beim GAA2 evaluierten, weltweit bedrohten AmphibienartenQuelle: https://doi.org/10.1038/s41586-023-06578-4EU-Vorgaben zur Energieeffizienzund Gefahrstoffenin Leuchtmittelngefährden Tier- undEx-situ-ArtenschutzDie Europäische Kommission hat inden letzten Jahren mehrere gesetzlicheRegelungen erlassen, die nichtnur die Energieeffizienz verschiedenerProdukte und Leuchtmittelin Zukunft regeln, sondern auchgefährliche Stoffe wie Quecksilber inLeuchtmitteln auf das Notwendigstebeschränken sollen (RoHS-Initiative).Ausnahmen hiervon sind nur ineinigen Fällen in sehr engen Grenzenzulässig, z. B. im Rahmen bestimmtertechnischer Spezifikationen. Alleanderen Produkte sind bereits verbotenoder werden es zukünftig sein.Das Ziel der Gesetzgebungsverfahrenist unbestritten sinnvoll undunterstützenswert. Allerdings bedeutendiese gesetzlichen Vorgabennun, dass bestimmte Lichtquellenin der Tierhaltung künftig verbotensein werden oder nur noch zeitlichbeschränkt erlaubt sind. Bisher gabes in der EU-Verordnung Ausnahmenfür „Produkte mit besonderemVerwendungszweck – special purposeproducts“ (z. B. „pet care“, EU1194/2012, Artikel 2, 4(a)(i)). Diesesind in den neuen EU-Vorgabenjedoch nicht mehr aufgeführt. Dieshat nicht nur gravierende Auswirkungenauf die Haltung und dasWohlergehen von Amphibien, Reptilien,Vögeln und Kleinsäugern inmenschlicher Obhut, sondern bedrohteGruppe. Drei von fünf Salamander-und Molcharten könntennach Einschätzung des GGA2 vomAussterben bedroht sein. Zu denwichtigsten Gefährdungsursachenbei Schwanzlurchen zählen Erregerwie speziell der Bsal-Pilz, dessen weitereAusbreitung nach Möglichkeitverhindert oder wenigstens verlangsamtwerden muss. Zugleich gilt es,Ex-situ-Sicherungspopulationen imgrößeren Maßstab in Zoos und beiprivaten Haltern aufzubauen, denndie berechtigte Hoffnung ist, dasssich Amphibienbestände auch nacheinem Chytrid-Befall wieder erholenkönnen. Zumindest belegen Daten imVergleich zum GAA1 2004, dass sichder Zustand mancher Lurchart, derenPopulation aufgrund einer tödlichenBd-Infektion zusammengebrochenwar, nach Jahren wieder verbesserthat. Hier zeigt sich auch der Wert vonBackup-Populationen in menschlicherObhut, die spätere Stützungs- undWiederansiedlungsmaßnahmen nachEpidemien, aber auch nach der Renaturierungzerstörter Lebensräumeerlauben. Somit ist auch die von derDGHT mitgetragene Citizen-Conservation-Initiative(CC) eine für dasÜberleben von Arten wertvolle Optionfür die Zukunft.Axel KwetLiteraturLuedtke, J.A., J. Chanson, K. Neam etal. (2023): Ongoing declines for theworld’s amphibians in the face ofemerging threats. – Nature https://doi.org/10.1038/s41586-023-06578-4.7

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