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Persönlichkeitsrechte von Polizeibeamten - Leseprobe

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Tätliche Angriffe auf Polizeibeamte, gefilmte und veröffentlichte Polizeieinsätze, gezielte Diffamierungen von Polizisten in Sozialen Netzwerken, ACAB–Plakate in Fußballstadien, Tätowierungsverbote für Polizeibeamte - schon diese Beispiele verdeutlichen, dass Polizeibeamte sich tagtäglich in unterschiedlichsten Situationen im Spannungsfeld der grundgesetzlich garantierten Persönlichkeitsrechte mit ihrer (Vorbild-)Rolle als Repräsentanten des Staates und Träger des staatlichen Gewaltmonopols bewegen. Aber auch der Dienstherr steht in der Verpflichtung gegenüber den Polizeibeamten und darf deren Grundrechte nicht beliebig einschränken. Insbesondere die im Mai 2018 in Kraft getretene europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat dieses Verhältnis neu definiert. Folgerichtig setzt sich der Autor in diesem Buch daher umfassend mit den Fragen auseinander, wie die einzelnen verfassungsrechtlichen Garantiebereiche der individuellen Persönlichkeitsentfaltung mit der Wirklichkeit des Polizeiberufes und der Polizeiwirklichkeit in Einklang zu bringen sind. Die Darstellung mit vielen Beispielen aus der täglichen Polizeipraxis und einer gründlichen verfassungsrechtlichen Herleitung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wendet sich an alle Polizeibeamte und liefert ihnen einen wertvollen Ratgeber dafür, ihre Erfahrungen zu bewerten. So hilft das Buch jedem Polizisten dabei, ein starkes berufliches Selbstbewusstsein und hohes berufliches Selbstverständnis zu erlangen.

Persönlicher

Persönlicher Schutzbereich und daher nicht mehr Träger des Namensrechts sein. Das Namensrecht einer Person aus § 12 BGB, das auch ihren Künstlernamen schützt, erlischt mit dem Tod des Namensträgers. 191 Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist von einem postmortalen Persönlichkeitsrecht auszugehen. 192 Danach kommt dem Verstorbenen ein fortwirkender Menschenwürdeschutz zu, denn der Mensch, dem Würde kraft seines Personenseins zukommt, darf in seinem Achtungsanspruch auch nach seinem Tod nicht herabgewürdigt oder erniedrigt werden. 193 Im StGB gibt es vor diesem Hintergrund den Straftatbestand des § 189 StGB (Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener). 194 Der postmortale Persönlichkeitsschutz unterliegt zeitlichen Grenzen. Die in § 22 Satz 3 KunstUrhG für das Recht am eigenen Bild enthaltene Zehnjahresfrist ist für das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht unmittelbar einschlägig, und in der Rechtsprechung ist seit jeher anerkannt, dass der Schutz ideeller Persönlichkeitsinteressen die Zehnjahresfrist erheblich überschreiten kann. 195 Der postmortale ideelle Persönlichkeitsschutz ist nicht starr befristet, sondern schwindet in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst. 196 Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind natürliche Personen ohne Ansehen ihres Alters oder ihrer Staatsangehörigkeit. b) Grundrechtsfähigkeit in Sonderstatusverhältnissen Grundrechte finden in allen Verhältnissen zwischen einem Bürger und staatlichen Stellen Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn dieses Verhältnis durch ein besonderes Näheverhältnis des Bürgers zum Staat gekennzeichnet ist, wie z.B. beim Beamtenverhältnis. 197 Das Sonderstatusverhältnis zeichnet sich dadurch aus, dass Staatsbedienstete bzw. sämtliche Personen im staatsnahen und -geprägten Raum durchweg grundrechtsberechtigt sind. Die sich aus Art. 1 Abs. 3 GG ergebende staatliche Grundrechtsbindung kennt also keine Bereichsausnahme für Sonderstatusverhältnisse. Die Eingliederung in den öffentlichen Dienst schafft zwar besondere Pflichten, negiert jedoch nicht die Grundrechtsberechtigung. Aufgrund der (freiwillig gesuchten) Nähe zum Staat sind indes im Unterschied zum „staatsfernen“ Bürger andere oder weiterreichende Grundrechtseingriffe möglich. Beispiel: 198 Ein Soldat darf verteidigungspolitische Fragen kritisch vor der Presse behandeln und sich dabei auch in Widerspruch zur Meinung seiner Vorgesetzten setzen. Dabei kann er sich auch auf die Zugehörigkeit zur Bundeswehr berufen. Gleichwohl unterliegt seine Meinungsfreiheit stärkeren Schranken als die der anderen Bundesbürger. Auswirkungen zeitigt das Sonderstatusverhältnis im Rahmen von Grundrechtseingriffen mithin erst auf der Ebene der Rechtfertigung. 199 191 BGH, Urt. v. 05.10.2006 – I ZR 277/03, NJW 2007, 684: Klaus Kinski; Anm. Schack, JZ 2007, 364 (366 f.). 192 BVerfG, Beschl. v. 24.02.1971 – 1 BvR 435/68 (30, 173), NJW 1971, 1645: Umfang der Kunstfreiheitsgarantie bei Ehrverletzungen – Mephisto. Seit der Mephisto-Entscheidung vertritt das BVerfG die Auffassung, dass der Schutz des Andenkens Verstorbener nicht über Art. 2 Abs. 1 GG, sondern über Art. 1 Abs. 1 GG zu gewährleisten ist; ausführlich Pabst, NJW 2002, 999 ff. 193 Würtenberger/Zippelius 2008, § 18, Rn. 62. 194 Scheidler, apf 2012, 201 (203). 195 Lettmaier, JA 2008, 566 (571). Zum Persönlichkeitsschutz nach dem Tode und Schadensersatz Frommeyer, JuS 2002, 13 ff. 196 BGH, Urt. v. 08.06.1989 − I ZR 135/87, NJW 1990, 1986: Anspruch auf Beseitigung einer gefälschten Signatur auf einer Bildfälschung − Emil Nolde. 197 Fechner 2017, 3. Kapitel, Rn. 20. 198 BVerwGE 76, 267 (272). 199 Weidemann, ZJS-online 2016, 286 (287). 51

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Die Grundrechte gelten aufgrund der umfassenden Bindung aller Staatsgewalt an die Grundrechte, Art. 1 Abs. 3 GG, auch umfassend in sog. besonderen Gewaltverhältnissen (oder Sonderstatusverhältnissen). Das sind Rechtsverhältnisse, in denen der Einzelne in einer besonders engen Rechts- und Pflichtenbeziehung zum Staat steht, z.B. bei Beamten, Soldaten, Strafgefangenen oder Schülern. 200 Im Sonderstatusverhältnis gibt es also keine schlechthin grundrechtsfreien Räume. 201 Im Rahmen der Gewaltunterworfenheit können der Grundrechtsausübung im Einzelfall Schranken auferlegt sein, allerdings nur, soweit die Verfassung dies ausdrücklich zulässt und entsprechende gesetzliche Regelungen getroffen wurden. Die Tatsache, dass jemand einem „besonderen Gewaltverhältnis“ unterliegt, genügt für sich genommen allein nicht, Grundrechtseingriffe vorzunehmen. Das besondere Gewaltverhältnis ist also kein Ersatz für die notwendige gesetzliche Regelung. Für das Beamtenverhältnis als besonderes Gewaltverhältnis stützen sich derartige Regelungen auf Art. 33 Abs. 5 GG sowie die Beamtengesetze des Bundes und der Länder. Insbesondere die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ können Einschränkungen der Grundrechte rechtfertigen – jedoch nur, wenn und soweit sich diese aus dem Wesen des Beamtenverhältnisses ergibt. 202 Historisch betrachtet sind die hergebrachten Grundsätze Ausdruck des Republikprinzips, also der Emanzipation eines Beamtenkörpers, der sich aus der Abhängigkeit gegenüber dem Monarchen befreit und die vom Monarchen entkoppelte rechtsstaatliche Staatsidee gegen Nepotismus, Simonie und andere Formen personeller Korruption verteidigt. Die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis, das Lebenszeitprinzip, die hauptberufliche Bindung des Beamten, das Laufbahnprinzip, das Leistungsprinzip, das Alimentationsprinzip, die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die (wechselseitige) Treuepflicht des Beamten sowie das Neutralitätsprinzip sind durchwoben von der Leitidee einer persönlichen, ebenso materiellen wie inneren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des gesamten Beamtenkörpers, die sich mit der strikten Gemeinwohlorientierung zu einer universellen demokratisch-republikanischen Staatsidee verbindet. 203 Bestimmungen zum äußeren Erscheinungsbild von Polizeibeamten greifen in das Recht der betroffenen Beamten auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG ein und bedürfen deshalb einer gesetzlichen Grundlage. 204 Grundrechte gelten grundsätzlich auch im Beamtenverhältnis. Beispiel: Eine Regelung der obersten Dienstbehörde (hier: ein ministerieller Erlass), die uniformierten Polizeibeamten vorschreibt, die Haare in Hemdkragenlänge zu tragen, verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Der Erlass ist mit dem grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht der Beamten nicht vereinbar. 205 Das öffentliche Interesse an einer angemessenen Repräsentation des Staates kann Vorgaben für das äußere Erscheinungsbild von Beamten rechtfertigen. Daher können Erscheinungsformen untersagt werden, die womöglich zu einer Minderung des Ansehens und der Akzeptanz 200 Braun, in: Sensburg 2014, S. 148. 201 Vgl. bereits Katz 1989, Rn. 654. 202 Zu den „Hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ instruktiv Burmeister/Dohr 2022, S. 262 ff. 203 Lorse, JZ 2018, 643 f. 204 VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.10.2015, 4 S 1914/15. 205 BVerwG, Urt. v. 02.03.2006 – 2 C 3/05, PersV 2007, 58: „Lagerfeldzopf“. Mit Fallbearbeitungen Baldarelli/Wölke 2007, S. 209 ff. und 212 ff. 52