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Beschaffung aktuell 12.2022

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» MANAGEMENT solche

» MANAGEMENT solche Lösung selbst gebaut. Hierfür konnten wir die heute gängigen Analytics Tools nutzen. Dr. Erk Thorsten Heyen will in den Vorketten bis 2030 die absoluten Treibhausgasemissionen um 25 Prozent senken. stellungen bei unseren definierten „Preferred Suppliers“ noch weiter zu erhöhen. Und schließlich ist Procurement Analytics für uns ein ganz großes Thema: Wir haben eine Reihe von Dashboards aufgebaut, mit denen alle Einkäufer auf die für sie relevanten Daten jederzeit selbst zugreifen und Analysen durchführen können. Ebenso haben wir ein Dash - board, bei dem für alle Einkaufsziele die Zielerreichung in Echtzeit ablesbar ist und auf Regionen und Kategorien heruntergebrochen werden kann. »Da wir für das Liefe - rantenmanagement bis heute keine Software - lösung am Markt gefunden haben, die unsere Anforderungen erfüllt, haben wir uns eine solche Lösung selbst gebaut.« Was sind die Schwerpunkte des Lieferantenmanagements bei Wacker? Heyen: Zunächst einmal braucht man eine klare Lieferantenstruktur: Wir haben etwa 600 Lieferanten als „Schlüssellieferanten“ definiert, in den drei Untergruppen A-, B- und C-Lieferanten. Für diese Schlüssellieferanten haben wir bestimmte Anforderungen definiert: Es gibt eine klar definierte Multi-Level-Beziehungsstruktur mit regelmäßigen Treffen auf mehreren Ebenen. Es gibt eine jährliche Lieferantenbewertung. Alle Schlüssellieferanten müssen sich einem Nachhaltigkeitsmonitoring unterziehen. Alle Schlüssellieferanten müssen sich bei unseren E-Procurement-Lösungen registrieren. Da wir für das Lieferantenmanagement bis heute keine Softwarelösung am Markt gefunden haben, die unsere Anforderungen erfüllt, haben wir uns eine Bild: Wacker Chemie AG Inwiefern hilft Ihnen die moderne Einkaufsorganisation in der Beschaffungs- und Energiekrise? Für welche Warengruppen ist die Umstellung besonders hilfreich? Heyen: Der corona-bedingte Einbruch der Nachfrage im Q2/2020 hat nur drei Monate gedauert. Wir hatten bis vor wenigen Wochen eine zwei Jahre währende Dauer-Boom-Konjunktur. Viele unserer Lieferanten operierten am Kapazitätslimit, ebenso die Seefrachtunternehmen, die Bahn oder die Hafenstrukturen. Trotzdem war der rohstoff- oder logistikbedingte Umsatzausfall äußerst gering. Dies war nur möglich, weil wir in den vorangegangenen Jahren eine gute Strategiearbeit geleistet haben: Wir haben für fast alle Materialien mehrere qualifizierte Lieferanten. Wir haben einen guten Anteil an langfristig vertraglich gesicherten Beziehungen zu unseren Schlüssellieferanten. Dort haben uns auch oft die guten Management-Kontakte sehr geholfen, um schnell pragmatische Lösungen zu finden. Wir managen die Sicherheitsbestände systematisch. Und trotzdem: Die letzten zwei Jahre waren für viele im Einkauf ein nicht enden wollender Kampf mit ständigem Exception Management. Die Mitarbeiter hatten aber die Freiheit, in diesen Situationen schnell und eigenständig zu entscheiden. Wie gut ist Ihre Organisation im Risikomanagement aufgestellt? Heyen: Bereits vor zehn Jahren haben die großen Chemieunternehmen die Initiative „Together for Sustainability“ (kurz: „TfS“) gegründet. Inzwischen hat TfS 37 Mitglieder aus Europa, USA und Asien. Die drei Grundprinzipien sind ganz einfach: Erstens haben wir uns auf gemeinsame Protokolle für Audits und Fragebögen zur Selbstauskunft geeinigt. Zweitens arbeiten wir mit einem anerkannten unabhängigen Rating-Provider zusammen. Und drittens sind Auditergebnisse eines Lieferanten immer für alle TfS- Mitglieder sichtbar: „An audit for one is an audit for all.“ Dieses Vorgehen hat dazu geführt, dass wir inzwischen über 80 Prozent unserer globalen Ausgaben (alle Kategorien) mit Lieferanten haben, für die ein Nachhaltigkeits-Rating vorliegt. Damit sind wir bestens vorbereitet auf die Anforderungen des neuen Lieferkettengesetzes in Deutschland sowie der kommenden EU-Gesetzgebung. Wir mussten nur noch eine Komponente hinzufügen: Alle strategischen Einkäufer dokumentieren in unserem Supplier-Management-Tool auf Basis der vorliegenden TfS-Informationen, welche Nachhaltigkeitsrisiken sie in der Lieferkette sehen und welche Strategieänderungen ge- 16 Beschaffung aktuell » 11-12 | 2022

Wacker Chemie Die Wacker Chemie AG hat ihren Hauptsitz in München und ist ein weltweit operierendes Spezialchemieunternehmen. Rund 70 Prozent des Umsatzes erzielt Wacker mit Produkten aus dem Grundstoff Silicium. Für die restlichen 30 Prozent kommt überwiegend Ethylen zum Einsatz. Wacker-Produkte (Silikone, Polymere, Polysilicium, Biotechnologie) befinden sich in Kosmetika genauso wie in Solarzellen, Halbleitern und Arzneimitteln. Automobil- und Bauindustrie (Bindemittel) sind ebenfalls große Abnehmerbranchen . 2021 erwirtschafteten 14.400 Mitarbeitende 6,21 Mrd. Euro Umsatz. gebenenfalls erforderlich sind. Diese Konsequenzen werden dann wieder in die Strategiedurchsprachen mit den Stakeholdern eingebracht. Eine resiliente Lieferkette braucht eine End-to- End-Betrachtung. Sind die digitalen Voraussetzungen hierfür bereits geschaffen? Haben Sie ausreichend Daten? Heyen: Eine perfekte Transparenz über die vorgelagerten Lieferketten ist natürlich der Traum eines Einkäufers. Aber in den meisten Branchen wird das wohl ein Traum bleiben – schon allein, weil die meisten Unternehmen ihren Kunden ihre Lieferantenstruktur oder die Details ihrer vorgelagerten Lieferprobleme nicht offenlegen wollen. Außerdem ist es bei den meisten wirklich gravierenden Lieferkettenproblemen doch so, dass kein digitales Tool sie hat vorhersehen können – weder den Krieg in der Ukraine, noch Corona, noch den Eissturm Uri in Texas im Februar 2021, der den größten Teil der US-Chemieindustrie für mehrere Wochen ausgeschaltet hatte. Deshalb ist es aus meiner Sicht viel wichtiger, dass die strategischen Einkäufer ihre jeweiligen Beschaffungsmärkte gut kennen, sich mit strukturellen Risikoanalysen und Strategien gut vorbereiten und dann – vor allem – sehr schnell und unternehmerisch reagieren, wenn Probleme entstehen. Wie lässt sich der Beitrag des Einkaufs zur Nachhaltigkeit und an der Innovation eines Unternehmens messen? Haben Sie hierfür die richtigen KPI? Andere als zuvor? Heyen: Ziele sollten konkret und messbar sein und einen direkten Bezug zur Unternehmensstrategie haben. Ich beobachte eine aus meiner Sicht beklagenswerte Tendenz, dass Unternehmen sich mit immer mehr „Nachhaltigkeits-Zertifikaten“ als gut und grün darstellen. Letztlich sind die zwei wesentlichen Fragestellungen doch nur „wie viel CO 2 -Emissionen?“ und „triffst du angemessene Vorkehrungen gegen Menschenrechtsverletzungen in deiner Lieferkette?“. Bei Wacker haben wir diese beiden Themen in unseren Nachhaltigkeitszielen ganz nach vorne gestellt: Es gibt CO 2 -Ziele und ein Ziel zur konsequenten Umsetzung des TfS-Konzepts. Mit welchem Blick schauen Sie persönlich auf das kommende Jahr? Heyen: Gerade für uns in Europa ist absehbar, dass die extrem hohen Gaspreise und Strompreise Privathaushalten und Unternehmen eine große Flexibilität abverlangen werden. Bei Großhandelspreisen für Erdgas und Strom, die sich im Vergleich zum vergangenen Jahr vervielfacht haben, wird vieles anders sein als zuvor. Gleichzeitig geht seit wenigen Monaten die Phase der Boom-Konjunktur mit Knappheit von Material und Logistikkapazitäten ihrem Ende zu. Viele Rohstoffpreise sinken und die Lieferzeiten sinken auch, zumindest bei Rohstoffen. Meine persönliche Lebenserfahrung ist aber, dass die Mechanismen der Marktwirtschaft gut funktionieren. Menschen passen sich intelligent und flexibel an neue Situationen an. Letztlich geht es den allermeisten Menschen auf der Welt heute viel besser als es durchschnittlich vor 20 oder 50 Jahren der Fall war. Deshalb bin ich, solange der Frieden in Mitteleuropa erhalten bleibt, grundsätzlich sehr optimistisch. Die Fragen stellte Annette Mühlberger, Journalistin. Seit 2009 arbeitet Dr. Erk Thorsten Heyen für die Wacker Chemie AG. Bild: Wacker Chemie AG Beschaffung aktuell » 11-12 | 2022 17

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