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Beschaffung aktuell 3.2022

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» MANAGEMENT Christian Ott, Leiter Beschaffung und Logistik bei Mink Bürsten „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“ Lokale Lieferanten, globale Partnerschaften oder ein hybrides Modell? Christian Ott, verantwortlich für Beschaffung und Logistik bei Mink, erzählt im Gespräch mit der Beschaffung aktuell, wie der mittelständische Hersteller von technischen Bürsten die vergangenen beiden Pandemiejahre mit Blick auf die Lieferketten erlebt hat und wie sich die Aufgaben des Einkäufers verändert haben. Beschaffung aktuell: Herr Ott, Sie verantworten bei Mink die Beschaffung und Logistik. Wie ist Ihre Einkaufsorganisation strukturiert? Ott: Unser zentrales Einkaufsteam übernimmt sowohl die klassisch strategischen Aufgaben, wie beispielsweise Lieferantenmanagement und Vertragsgestaltung. Aber auch die operative Beschaffung kritischer Komponenten. Dabei liegt der Blick für mich weniger darauf, immer den letzten Cent bei einem Lieferanten nachzuverhandeln. Der Wertbeitrag, den der Einkauf leisten kann, liegt an anderer Stelle. Zusätzlich haben wir dezentral Dispositionsteams im Einsatz, die Lagerbestände prüfen und kurzfristige Bestellungen tätigen. Welche Art von Gütern beschaffen Sie und wo befinden sich Ihre Einkaufsmärkte? Ott: Unsere Beschaffungsmärkte befinden sich in Europa, aber auch in Asien. Als Hersteller von technischen Bürsten bewegt sich für uns viel im Kunststoffbereich. Wir kaufen unverarbeitete Ware, also Granulat, aber auch verarbeitete Ware in Form von Fasermaterial und Halbzeugen. Darüber hinaus beschaffen wir auch andere Warengruppen, wie metallische Erzeugnisse und Naturprodukte. Ein weiteres wichtiges Thema für uns sind Werkzeuge. Christian Ott, Leiter Beschaffung und Logistik der August Mink GmbH & Co. KG. Bild: Mink Wie finden Sie den richtigen Werkzeug-Hersteller? Ott: Ich arbeite gerne in langfristigen Partnerschaften mit den Lieferanten zusammen. Eine Zwei-oder Mehrlieferanten-Strategie macht aber durchaus Sinn. Wir haben schon immer sehr intensiv mit lokalen Werkzeugbauern zusammengearbeitet und tun das auch heute noch. Die Vorteile liegen auf der Hand: Kurze Wege, Nacharbeiten lassen sich schnell organisieren und es gibt keine Hürden bei der Sprache. Mir ist es aber genauso wichtig, dass wir uns in- 16 Beschaffung aktuell » 03 | 2022

ternational umschauen. Wir stehen mit globalen Herstellern in Kontakt und haben dort Werkzeuge mit allen Vor- und Nachteilen beschafft. Wenn man sich bei der Nachkalkulation die Gesamtkosten anschaut, ist die Arbeit mit lokalen Partnern meist nicht viel teurer als das, was wir international machen. In welchen Bereichen müssen Sie im internationalen Geschäft mit zusätzlichen Kosten rechnen? Ott: Reisekosten sind immer ein großes Fragezeichen. Oft geht es bei uns um Volumina von wenigen Tausend Euro. Wenn wir hier zum Lieferanten fliegen, wäre jegliches Potenzial aufgebraucht. Es gibt digitale Tools, aber selbst, wenn man sich in einer Fremdsprache gut verständigen kann, muss die eine oder andere zusätzliche Schleife gedreht werden. Der zweite Punkt ist das Qualitätsverständnis. Bei Partnern im Ausland ist es häufig aufwendiger, dieses nahezubringen. Wir können nicht alles auf einer Zeichnung darstellen, nicht jedes Detail im Vorfeld definieren. Selbst wenn alles passt, dauert es oft länger als gedacht. Notfalls fliegt man die Ware aus, nimmt einen Expressdienstleister oder lässt ungeplant eine Serie im Ausland fertigen. Das sind Kosten, die obendrauf kommen können und das Ganze unwirtschaftlich machen. Wurde die lokale Zusammenarbeit bei Mink durch die Pandemie nochmals verstärkt oder war das auch davor ein so großes Thema? Ott: Ja und nein. Mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten gehörte auch schon lange vor meiner Tätigkeit bei Mink zur Firmenphilosophie. Mink hat sich aber nie gegenüber internationalen Partnerschaften verwehrt. Wenn man in einen Markt rein möchte und den Referenzpreis nicht kennt, hat man Angst, ein zu teures Produkt zu haben. Daher kam immer wieder der Wunsch, international etwas zu machen. Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir uns wieder verstärkt lokal umschauen. Ich habe ein Beispiel: Wir haben ein Werkzeug in Asien beschafft. Kurz darauf hatten wir die Pandemie und haben es nicht nach Deutschland bekommen. Der einzige Weg, um den Kunden bedienen zu können, war es, ein zweites Werkzeug bauen zu lassen. Sollten sich EinkäuferInnen Ihrer Meinung nach grundsätzlich stärker mit lokalen Partnerschaften befassen? »Globale Markt - kenntnis kann entscheidend zu einer erfolgreichen lokalen Beschaffungsstrategie beitragen.« Ott: Da gibt es verschiedene Ansätze. Man kann aufgrund des Preisvorteils in Asien einkaufen oder man beschafft in Deutschland mit den schon besprochenen Vorteilen. Darüber hinaus gibt es Mischmodelle, bei denen ein Teil der Wertschöpfung global stattfindet, aber weitere Anpassungen lokal gemacht werden. Ein Vorteil bei lokalen Partnerschaften ist, dass ich Qualitätsstandards einmal definiere und diese meist klar sind. Selbst wenn ich mit dem asiatischen Lieferanten eine Lieferung bis an die Bordsteinkante vereinbart habe, gibt es eine Zollabwicklung, wofür er eine Zollvollmacht braucht. Oder es gibt Probleme, weil der Zoll den Warenwert nicht anerkennt. Es ist immer etwas zu tun, worum ich mich nicht kümmern muss, wenn ich in Deutschland einkaufe. Des Weiteren habe ich höhere Lagerkosten, da ich die Unsicherheiten in der Supply Chain abdecken muss. Auch die Nachhaltigkeit ist hier ein Thema. Mir kann niemand erzählen, dass ich nachhaltiger produziere, wenn ich Teile global einkaufe, anstatt sie dort zu beschaffen, wo ich sie benötige. Ich denke, dass es hier zu einem Umdenken kommt. Auch weil sich die Kostenfaktoren verändert haben und das auch weiter werden. Wenn man sich aber international umschaut, bietet das die Möglichkeit, sich bei günstigen Preisen selbst herauszufordern und zu schauen: Was ist das für eine Qualität? Ist die Qualität, die wir einkaufen, verarbeiten und ausliefern an mancher Stelle gar nicht notwendig? Vielleicht ist Christian Ott ... arbeitet seit über zehn Jahren bei der August Mink GmbH & Co. KG. Er begann seine Karriere im Bereich Prozessoptimierung, wo er Gebäudeplanungs- und Digitalisierungsprojekte betreute sowie für den Auf- und Ausbau einer internen Weiterbildungsplattform zuständig war. Diverse kurzzeitige Stationen im Ausland halfen, ein interkulturelles Verständnis zu erlangen, aber auch die Vor- und Nachteile internationaler Supply Chains zu erkennen. Als Leiter Beschaffung und Logistik ist er seit 2018 für die Beschaffungsstrategie, aber auch die Auswahl und Zusammenarbeit mit den Logistikpartnern des mittelständischen Unternehmens verantwortlich. Beschaffung aktuell » 03 | 2022 17

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