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Beschaffung aktuell 3.2022

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» MANAGEMENT Bild: Mink Eine Grundkomponente für die technischen Bürsten von Mink ist Fasermaterial. ein Kunde gar nicht bereit, dafür Geld zu bezahlen. Da hilft es, sich im Ausland oder bei neuen Partnern zu informieren und gemeinsam ein Projekt umzusetzen. Fragen in diesem Kontext zu diskutieren und bewusst Entscheidungen zu treffen, ist auf jeden Fall ein Vorteil. nachhaltige Produkte sind. Wir schauen uns danach um, es ist für uns im Moment jedoch kein K.O.-Kriterium bei der Lieferantenauswahl. Das Thema Zuverlässigkeit ist in diesen Zeiten für mich der wichtigste Faktor neben dem Preis und der Qualität. Wenn ich kein Produkt habe, das ich verarbeiten kann, steht unter Umständen die Fertigung. Es sind also die klassischen Dinge, auf die wir schauen. Ich denke, ein Faktor, der in der Zusammenarbeit immer spannender wird, ist voneinander zu lernen. Sich beim Partner umzuschauen und den Kontakt zu pflegen, vermittelt viele Informationen, die man so nicht im Kopf hatte. Wenn ich mir die Fertigung anschaue, sehe ich, wie Teile hergestellt werden und worauf wir schon bei der Produktentwicklung achten können, um nachher günstig einkaufen zu können. Oder auch welche Möglichkeiten der Lieferant hat, die wir noch nie angefragt haben und separat vergeben oder intern deutlich aufwendiger fertigen. Das TRW-System von Mink ermöglicht das ausschussfreie Fixieren von empfindlichen Oberflächen. Bild: Mink Welche Waren würden Sie eher lokal beschaffen und wo kann man sich global umschauen? Ott: Man muss sich im Klaren sein, wie viel Einsparpotenzial überhaupt vorhanden ist. Wenn es sich um kleine Stückzahlen handelt, lohnt sich das internationale Geschäft so gut wie nie. In diesem Fall beschaffen wir lokal. Gleiches gilt für komplexe Produkte, bei denen viel Abstimmungsbedarf notwendig ist. Sich global umzuschauen macht meines Erachtens Sinn, wenn es extrem preiskritische Waren sind oder große Mengen, die über einen gewissen Zeitraum laufen. Welche Punkte nehmen bei Ihnen neben den Gesamtkosten und dem Standort noch Einfluss auf die Lieferantenauswahl? Ott: Nachhaltigkeit ist im Moment ein wichtiges Thema, das uns in der Beschaffung in den nächsten Jahren sehr stark beeinflussen wird. Für mich stellt sich aber die Frage, was genau ist denn nachhaltig? Jeder versucht im Moment eine grüne Fahne zu hissen. Das heißt aber noch lange nicht, dass es wirklich Haben Sie da ein konkretes Beispiel? Ott: Viele unserer Bürstenkörper wurden in der Vergangenheit aufwändig intern bearbeitet. Im Laufe der Zeit wurden diese Prozesse gemeinsam mit unseren Partnern deutlich technisch verbessert und stark vereinfacht. Das ist ein Beispiel, welches in der Zusammenarbeit aufgefallen ist. Wie sehr waren Sie bei Mink im vergangenen Jahr von Lieferengpässen betroffen? Ott: Wir hatten nicht die Probleme, die Elektronik - anbieter hatten. Beim Einkauf von Chips ist man von wenigen Anbietern, die fast alle in Asien sitzen, abhängig. Da waren die Lieferzeiten wirklich extrem. So schlimm sieht es bei uns nicht aus. Wobei wir auch nicht alles in der üblichen Lieferzeit bekommen. Wir haben uns aber bei vielen Produkten darauf einstellen können, indem wir die Lagerbestände an der richtigen Stelle erhöht haben. Denn selbst, wenn ich ein Profil oder ein Fasermaterial um die Ecke einkaufe – irgendwo muss der Rohstoff herkommen. Und damit haben wir wieder den Bruch: Wenn der Partner nicht an Rohmaterial kommt, können wir keine Produkte in ausreichender Menge beziehen. Alles in allem würde ich aber sagen, sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Haben Sie in Ihrer Logistik Anpassungen vornehmen oder auf Alternativen ausweichen müssen? Ott: Alternative Partner mussten wir nicht finden. Bei der ersten Coronawelle war die Frage, wohin können wir überhaupt liefern? Wo darf noch ausgeliefert werden? Wir hatten Blacklists mit Postleitzahlen in Europa, die man nicht anfahren konnte. Also 18 Beschaffung aktuell » 03 | 2022

lieb die Ware bei uns, bis wir wieder verschicken konnten. Was danach kam, wie vermutlich bei fast allen, die mit Paketdienstleistern zu tun haben, war das Problem der kontaktlosen Zustellung. Da gab es einige Schwierigkeiten, von denen auch wir betroffen waren. Der Paketdienstleister hat uns das Paket zum Beispiel auf eine versandfertige Palette gestellt und wir haben sie mit dem Paket obendrauf verschickt. Das hat sich inzwischen aber wieder stabilisiert. Die globalen Lieferrouten sind aber noch nicht auf dem alten Niveau und das werden sie auch nicht so schnell. Spielt das Thema Digitalisierung bei Ihnen eine Rolle, um Lieferketten transparenter zu machen? Ott: Wir haben ein leistungsfähiges ERP im Einsatz, welches uns erlaubt, auf Änderungen in der Umwelt flexibel zu reagieren. Beispielsweise die Blacklists konnten wir relativ einfach umsetzen. Unser System informierte uns sobald ein Land oder Gebiet nicht beliefert oder die Lieferung versendet werden konnte. Wegen der Lieferengpässe haben wir auch diverse Maßnahmen getroffen, um aus dem Einkauf heraus alle Prozessbeteiligten über mögliche Verzögerungen schnell informieren zu können. Manchmal helfen einfache Dinge, die zwar digital laufen, aber schnell umgesetzt sind und einfach funktionieren. Wandelt sich aktuell das Anforderungsprofil an EinkäuferInnen? Ott: Ich glaube die Rolle von Einkäuferinnen und Einkäufern ändert sich derzeit gewaltig. Früher musste der Einkauf, in der Außenwahrnehmung, die Bestellung auslösen und den Preis verhandeln. Das waren die klassischen Aufgaben im Einkauf. Inzwischen kommt es nicht mehr nur auf das Einkaufen und Verhandeln an. Sondern ich muss mir anschauen, wie ein Beschaffungsteam – also alle, die in einem Unternehmen einkaufen – so zusammenarbeiten kann, dass es den bestmöglichen Wertbeitrag leistet. Wenn wir uns diese Frage stellen, können wir uns die Antwort selbst geben. Wir müssen nach neuen Lieferanten Ausschau halten, die volkswirtschaftlichen Umstände ansatzweise im Blick haben oder auch technische Grundkenntnisse vorweisen. Ebenso kann geprüft werden, welchen Beitrag Einkäufer in Entwicklungsprojekten leisten können. Das sind Themen, die immer mehr in den Mittelpunkt rücken und andere Qualifikationen erfordern, als wir sie bisher hatten. Dies ist aber sicher kein Mink-spezifisches Problem, sondern wird seit Jahren in der Fachpresse diskutiert. Was sind Ihre Themen für die Zukunft und wie bereiten Sie Ihr Team darauf vor? Ott: Wenn man sich nicht nur sein Fachgebiet anschaut, sondern gesunden Menschenverstand walten lässt, ist die erste Hürde genommen. Das Thema New Work und wie wir dorthin kommen, ist zuletzt einer unserer Hauptpunkte gewesen. Was müssen wir heute tun, damit wir auf zukünftige Themen und Schritte bestmöglich vorbereitet sind. Auf das Thema Nachhaltigkeit haben wir ebenfalls den Fokus gelegt. Worauf müssen wir achten und welche Kenngrößen brauchen wir? Logischerweise sind resiliente Lieferketten ein Thema. Wo haben wir noch Probleme? Welche Warengruppen waren schwierig zu beschaffen und warum? Was können wir dagegen tun? Auch die Digitalisierung wird uns nächstes Jahr beschäftigen. Aber nicht zum Selbstzweck, sondern um konkret Probleme zu lösen. Das sind aus meiner Sicht die wichtigsten Punkte. Das Interview führte Yannick Schwab, Redakteur Beschaffung aktuell. Das Unternehmen: Die August Mink GmbH & Co. KG produziert technische Bürsten zum Abdichten, Ableiten, Reinigen, Transportieren etc. Am Firmensitz und einzigen Produktionsstandort in Göppingen-Jebenhausen befindet sich eine der größten technischen Bürstenfabriken der Welt: Mit 460 Mitarbeitern produziert Mink aus einem Sortiment von mehr als 250.000 Faserlösungen jährlich über sechs Millionen technische Bürsten, die weltweit an mehr als 15.000 Kunden in 60 Branchen geliefert werden. Um weitere Innovationen voranzutreiben, investiert Mink Bürsten jährlich 8,5 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Rundbürsten zum zuverlässigen Abreinigen von Spänen. Bild: Mink Beschaffung aktuell » 03 | 2022 19

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