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Beschaffung aktuell

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» MANAGEMENT Christopher Schindler, CPO, Röhm GmbH „Agilität braucht Freiräume“ Das Chemieunternehmen Röhm GmbH gehört zu den führenden Herstellern im Methacrylat- Geschäft. Beschaffung aktuell sprach mit CPO Christopher Schindler über die Herausforderungen einer Neuaufstellung im Einkauf, unerwartete Auswirkungen der Energiekrise auf das Portfolio und die Transformation der Chemiebranche hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Christoper Schindler verantwortet den Einkauf bei der Röhm GmbH Die Röhm GmbH wurde 2019 aus dem Evonik- Konzern ausgegliedert. Wie hat sich das auf Ihre Strukturen und Prozesse ausgewirkt? Schindler: Für uns ging es zunächst darum, die Einkaufsabteilung für das neue Unternehmen Röhm so auszugestalten, dass sie vollumfänglich funktionsfähig ist. Der Evonik-Konzern hatte eine zentrale Einkaufsorganisation. Für die Geschäftsbereiche, die ausgegliedert wurden, gab es daher keine direkt zugewiesenen Mitarbeiter. Also mussten wir für die zukünftige Einkaufs organisation geeignete Mitarbeiter bei Evonik finden, die bereit waren, die neue Abteilung mit aufzubauen. Bis zum „Day One“, also dem ersten Tag der Selbstständigkeit der neuen Röhm, hatten wir noch nicht alle Stellen besetzt. Vom Evonik-Konzern gab es deshalb zunächst noch Unterstützung, teils befristet, teilweise auch langfristiger angelegt. Wir haben dann begonnen, systematisch die offenen Stellen zu besetzen. So konnten wir Einkaufserfahrung und Talent akquirieren in Ergänzung zu dem bestehenden Team. Die heutige Grundausrichtung der Organisation ist nicht viel anders als bei Evonik. Die Röhm GmbH hat Standorte in Europa, Nordamerika und Asien. Dementsprechend ist auch unser Einkauf global aufgestellt mit Teams in den jeweiligen Regionen. Wir unterscheiden zwischen direktem und indirektem Einkauf, wobei wir im direkten Einkauf die Rohstoffbeschaffung, Packmittel und Logistik zusammengeführt haben. Gleichzeitig haben wir hier ein marktorientiertes Category-Management implementiert, neben einem operativ-taktisch agierenden Team. Bild: Ulrich Klaeres/Röhm 30 Beschaffung aktuell » 06 | 2023

Im indirekten technischen Einkauf haben wir vier Hauptkategorien gebildet, um Bündelungseffekte entlang der wesentlichen Bedarfsmärkte, Bedarfsträger und Beschaffungsprozesse stärker zu nutzen. So haben wir ein Team für Equipment und Automatisierung, das sich um Wachstums- und Instandhaltungsinvestitionen unserer Produktionsanlagen kümmert. Ein weiteres Team ist zuständig für technische Dienstleistungen zur Anlageninstandhaltung. Und dann haben wir zwei Bereiche, die sich mit wiederkehrenden Gütern, also Kataloggeschäft, IT und Professional Services beschäftigen. Unter diesen vier Hauptkategorien haben wir das Category Management und die Verantwortung für den Bestellprozess entsprechend unserer Warengruppengliederungen einzelnen Mitarbeitern zugewiesen. Der Energieeinkauf erfolgt separat. Dennoch pflegen wir eine enge Zusammenarbeit, da die kriegsgeschuldete Energiekrise nicht nur erheblichen Einfluss auf die Energiebeschaffung hat, sondern auch auf wesentliche Rohstoffe, die wir einkaufen. Ist durch die gestiegenen Preise auch der Druck auf Ihren Einkauf gestiegen, an anderer Stelle einzusparen? Schindler: In erster Linie ist uns klar geworden, dass wir manches einfach nicht mehr so weiterführen können, wie bisher. Wir haben Rohstoffe im Portfolio, die sich im Erdgasmarkt der zurückliegenden Jahre eher stetig und vorhersehbar entwickelt haben. Schnell war dann erkennbar, dass wir unsere bisherige Herangehensweise überdenken müssen. Die preis - lichen Veränderungen waren und sind derart, dass man sie nicht ohne weiteres allein durch Einsparungen an anderer Stelle auffangen kann. Die Frage war vielmehr, welche Möglichkeiten sich bieten, um einer seits die Versorgung aufrecht zu erhalten und gleichzeitig die wirtschaftlichen Auswirkungen zu kontrollieren. Allein die Zielsetzung, an anderer Stelle einzusparen, reicht da nicht aus, um etwas Umsetzungsfähiges zu konzipieren. Sondern man muss sich immer an den Möglichkeiten des Marktes orientieren, sonst überlastet man seine eigene Organisation. Hat das Ihre Einkaufsstrategie beeinflusst? Schindler: Wir wollen unser Unternehmen nicht nur mit Gütern und Dienstleistungen versorgen, sondern einen sichtbaren Wertbeitrag leisten und haben »Man muss sich immer an den Möglichkeiten des Marktes orientieren, sonst überlastet man seine eigene Organisation.« Christopher Schindler Christopher Schindler Seine berufliche Laufbahn im Rohstoffeinkauf begann Christopher Schindler Mitte der 90er Jahre als staatlich geprüfter Chemie techniker bei der damaligen Th. Goldschmidt AG in Essen. Nach einer Weiterbildung zum Fachkaufmann für Material wirtschaft wurde Schindler Anfang 2000 in die USA entsandt, wo er zuletzt bis Ende 2003 den Einkauf für Goldschmidt Chemical Corporation leitete. Im zwischenzeitlich zu Degussa und dem heutigen Evonik- Konzern gehörenden Unternehmen hatte er anschließend verschiedene Sourcing - und Supply-Chain-Funktionen inne, bevor er 2009 als Abteilungsleiter für Rohstoffe in den neu ausgerichteten Zentraleinkauf wechselte. Mit der Ausgliederung des Methacrylat- Geschäfts im Jahr 2019 übernahm er die Einkaufsleitung der heutigen Röhm GmbH. natürlich mit dem Umstand zu tun, dass Ressourcen im Einkauf einfach knapp sind. Also stellt sich immer die Frage, wo ich diese Ressourcen am besten einsetze. Dabei verfolgen wir zwei Ansätze: Wir versuchen, die Beschaffungsprozesse so transparent und effizient wie möglich zu gestalten, um einfache Abrufvorgänge zum Anwender zu verlagern und die strategischen Ressourcen da einzusetzen, wo sie den größten Werthebel besitzen. Im Rohstoffeinkauf bedeutet das, dass unsere Rohstoffeinkäufer ein hohes Maß an Expertise und Kenntnis über ihre relevanten Märkte benötigen. Ein Einkäufer, der sich vom Lieferanten den Markt erklären lassen muss, ist da fehl am Platz. Es braucht eine eigene Einschätzung und gutes Verständnis für die Mechanik der Märkte – nicht nur, um die aktuelle Situation beurteilen zu können, sondern auch um eine Vorstellung davon zu haben, wie es in Zukunft weitergehen könnte. Wie wichtig ist bei Röhm die Zusammenarbeit des Einkaufs mit dem Bereich Forschung und Entwicklung? Sind Sie von Beginn an in die Entwicklung neuer Produkte involviert? Schindler: Die Zusammenarbeit zwischen Einkauf und Forschung ist insbesondere dann wichtig, wenn größere Investitionsentscheidungen mit den daraus entstehenden Projekten einhergehen, wie zum Beispiel bei der Errichtung unserer neuen Methylmethacrylat Beschaffung aktuell » 06 | 2023 31

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