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dei – Prozesstechnik für die Lebensmittelindustrie 08.2021

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Die Fachzeitschrift dei - Prozesstechnik für die Lebensmittelindustrie berichtet über Verfahren, Anlagen, Apparate und Komponenten für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Weitere Themen sind Hygienic Design, Industrie 4.0, digitale Produktion, MSR- und Automatisierungstechnik und die Verpackungstechnik. Abgerundet wird das inhaltliche Spektrum durch Nahrungs- und Genussmittelmaschinen, roboterbasierte Verpackungslösungen sowie Food Design und Getränkekonzepte.

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dei WÄRMETECHNIK, ENERGIEEFFIZIENZ so gut wie keine Diffusion von Wasserstoff durch die Materialien erfolgen sollte. Deshalb saugen wir die Verbrennungsluft aus dem Kesselhaus ab. Außerdem setzen wir wegen der höheren Flammentemperatur spezielle hochtemperaturfeste Brennermaterialien ein. Als Vorsichtsmaßnahme empfehlen wir auch eine Flammenrückschlagsicherung. Dadurch kann die Flamme nicht in die Gasleitung vordringen, wenn sie zu nah an den Brennerkopf rutscht. AUF EINEN BLICK: H 2 -FÄHIGE KESSELSYSTEME Die Dampf- und Heizkessel von Bosch Industriekessel können für eine spätere Umrüstung auf Wasserstoff ausgelegt werden Die Kesselsysteme von Bosch Industriekessel lassen sich mit bis zu 100 % Wasserstoff betreiben, auch im Mix mit Erdgas und/oder Leichtöl als Reservebrennstoff. Für eine spätere Umrüstung können sie auch „H 2 - ready“ ausgelegt werden. Ebenso lassen sich ältere Bestandsanlagen in vielen Fällen dahingehend modernisieren. Der Kesselkörper und die Nennleistung des Kessels können beibehalten werden sofern eine Abgasrezirkulation eingesetzt wird. Diese ist in der Regel ohnehin nötig, um die strengen NOx-Limits auch bei der Wasserstofffeuerung einzuhalten. Bei einer nachträglichen Umstellung auf Wasserstoff müssen in erster Linie der Brenner, die Gasversorgungsstrecke, Sicherheitseinrichtungen und die Regelparameter in der Steuerung modifiziert sowie die erwähnte Abgasrezirkulation vorgesehen werden. Beim Brenner kommen u. a. hochtemperaturbeständige Materialien, größer dimensionierte Komponenten zur Gasversorgung und eine Einrichtung zum sanften Zünden zum Einsatz. Die Gasregelstrecke und ihre Dichtungen werden aus besonders diffusionsbeständigen Materialien gefertigt. Zudem sollte man eine Flammenrückschlag - sicherung vorsehen. Was ist bei der Auslegung von Kesselanlagen, die später auf Wasserstofffeuerung umgerüstet werden sollen, noch zu beachten? Ist zum Beispiel eine andere Steuerung und Regelung notwendig? Gosse: Steuerung und Regelung bleiben kesselseitig gleich, feuerungsseitig sind Anpassungen oder ein Austausch erforderlich. Auch die Parametrisierung des Brenners ist eine andere. Wir haben ja die höheren Gasvolumina schon angesprochen, die sind der Hauptfaktor. Wenn man bis zu 100 % Wasserstoff nutzen will und die dreifache Brennstoffmenge zuführt, muss man die gasführenden Leitungen, Ventile etc. größer dimensionieren. Außerdem gibt es noch Unterschiede bei der Abwärmenutzung, aber die sind marginal. Sie haben gerade die Abwärmenutzung angesprochen. Lassen sich bei der Wasserstofffeuerung Lösungen wie Economiser oder Abgaskondensatoren analog zur Erdgasfeuerung einsetzen? Gosse: Es gibt zwar kleine Unterschiede, aber grundsätzlich ist die Abwärmenutzung möglich. Beim Wasserstoff gibt es im Abgas eine große Menge Luftstickstoff. Der Rest ist zum großen Teil Wasserdampf und den kann man kondensieren. Wasserstoff ist der Brennstoff mit dem höchsten Kondensatanteil, denn es liegt ja kein Kohlenstoff vor, sondern nur H 2 , das komplett zu H 2 O umgewandelt wird. Diese Kondensationsenergie kann man entsprechend nutzen. Der einzige Unterschied zur Erdgasfeuerung ist, dass der Taupunkt etwas höher ist. Dementsprechend kann man die Temperatur des Abgases etwas weniger weit absenken als beim Erdgas. Welche Dampf- und Heißwasserkessel bieten Sie mit Wasserstofffeuerung an bzw. welche sind umrüstbar auf Wasserstofffeuerung? Gosse: In der Theorie sind alle unsere Dampf- und Heißwasserkessel wasserstofffähig. In der Praxis gibt es aber eine kleine Einschränkung: Die Wasserstoffbrenner werden komplett individuell gefertigt und sind dementsprechend nicht günstig. Dieser Aufwand rechnet sich in der Regel erst ab Leistungen von ca. 3 MW oder 5 t pro Stunde. Die meisten größeren Lebensmittelbetriebe, die im Zweischichtverfahren arbeiten oder lange Produktionszeiten haben, kommen in diese Region. Die Grenze ist aber nicht starr, sondern wird sich noch verändern, wenn die Hersteller mehr Erfahrung haben. Wenn es nur um kleinere Beimengungen von Wasserstoff geht, macht die Anschaffung auch für kleinere Leistungen Sinn. Können Sie Projekte aus der Nahrungsmittelindustrie nennen, für die Sie Kesselanlagen schon so ausgelegt haben, dass diese später mit Wasserstoff betrieben werden können? Gosse: In der Lebensmittelindustrie ist bisher noch keine Anlage in Betrieb, die in größeren Mengen Wasserstoff verfeuert. Das liegt im Wesentlichen daran, dass er so knapp verfügbar ist. Es gibt aber Anlagen in chemischen Betrieben, die mit grünem Wasserstoff oder Abfallwasserstoff befeuert werden. Von Lebensmittelunternehmen erhalten wir aber immer wieder Anfragen zur Umrüstung. Diese Betriebe wollen später in der Lage sein, Wasserstoff zu nutzen. Anfragen bekommen wir vor allem von Konzernkunden, etwa aus dem Süßwaren- und Getränkebereich, vor allem auch von Brauereien. Das liegt daran, dass diese Unternehmen hohe Energiekosten haben. Viele Firmen haben sich Konzernziele gesetzt, so wie Bosch das auch getan hat. Wir sind seit 2020 als erster deutscher Großkonzern klimaneutral und das treibt die Nachfrage. Eine Rolle spielt natürlich auch die Sorge um die Zukunftssicherheit. Manche Betriebe erzeugen mit Photovoltaikanlagen eigenen grünen Strom und setzen deshalb auf eine hybride Prozesswärmegewinnung aus Erdgas und Strom. Welche Rolle könnte Wasserstoff in Zukunft bei hybriden Kesselanlagen spielen? Gosse: Die Kombination von elektrischen Heizelementen mit Wasserstofffeuerung halte ich für einige Betriebe durchaus für realistisch. Dabei sehe ich die Wasserstoffnutzung als Kompensation, wenn kein grüner Strom erzeugt werden kann. Gerade durch den Mix mehrerer Energieträger ergibt sich eine optimale Lösung. 14 dei 07-08-2021

Hybridkessel mit elektrischem Heizstab erzeugen bei regenerativem Stromeinsatz bis zu 5 MW CO 2 -neutrale Prozesswärme. Zusätzlichen Bedarf deckt der Brenner ab. Hierfür lässt sich auch Wasserstoff einsetzen. Beispiel eines umgesetzten Brennstoffkonzepts mit Wasserstoff, Erdgas und leichtem Heizöl in einer Bosch-Kessel anlage bei einem Pharmaunternehmen In der Lebensmittelindustrie fallen viele organische Abfälle an, aus denen sich Biogas erzeugen lässt. Was ist bei der Befeuerung von Kesselanlagen mit Biogas zu beachten? Gosse: Grundsätzlich ist bei Biogas, wie auch bei Bioöl, der Heizwert nicht so konstant wie bei Erdgas. Daher wird eine Verbrennungsregelung benötigt, die ein ideales Brennstoff-Luft-Gemisch erzielt. Somit vermeidet man Feinstaubbildung und Luftüberschüsse, also dass Luft in den Kessel kommt, erwärmt wird und den Kessel verlässt, ohne etwas zur Erzeugung der Prozesswärme beigetragen zu haben. Biogas ist in der Lebensmittelindustrie häufig im Einsatz, zum Beispiel in Brauereien, oft auch in Form einer Mischfeuerung, weil die Verfügbarkeit meist schwankt. Ich glaube, es wird in Zukunft einen gewissen Anteil an grünen Brennstoffen geben, die in einem Jahr CO 2 binden und im gleichen Jahr wieder freisetzen, was im Gegensatz zur langen CO 2 -Bindung bei Holz wirklich nachhaltig ist. Die Frage ist aber: Wo soll die Menge herkommen? Deswegen sehe ich auch mittel- und langfristig einen Energiemix. Es werden bald 11 Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben, die ernährt werden müssen. Wir werden also nicht den Luxus haben, riesige Anbauflächen mit Energieträgern zu bewirtschaften. Ist auch eine Mischfeuerung aus Erdgas, Biogas und Wasserstoff möglich? Gosse: Ab drei Brennstoffen wird es sehr komplex. Wir haben schon einmal eine Anlage gebaut, die mit einem Brenner ausgerüstet war, der mit Erdgas, Leichtöl und Wasserstoff betrieben werden kann und beim Kesselstart zusätzlich sogar noch mit Propan funktioniert. Das war eine hochkomplexe Einzel-Engineering-Lösung. Aber möglich ist vieles. Das Schöne ist, dass wir wie eine Manufaktur arbeiten. Wir bauen jede Anlage nur genau einmal. Bis wann wird es in der Lebensmittelindustrie üblich sein, alternative Energieträger zu nutzen, um Prozesswärme zu erzeugen? Gosse: Wir haben heute aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit erst einen sehr kleinen Anteil an nicht fossilen Brennstoffen. Die Technologie ist nicht das Limit, sondern die Verfügbarkeit. Die Frage ist, wie günstig kann man grünen Strom nutzen? Dieses Thema wird in Zukunft eine Rolle spielen. Je nachdem, welche Politik wir haben, sehe ich in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen steigenden Anteil an alternativen Energieträgern. Ich rechne aber damit, dass es noch 20 bis 30 Jahre dauern wird, bis der Anteil der mit nicht fossilen Brennstoffen erzeugten Prozesswärme an der gesamten Prozesswärme höher sein wird als 50 %. Wenn es um die Nutzung von grünem Wasserstoff geht, glaube ich, dass wir in Zukunft mehr Insellösungen sehen werden. Zum Beispiel können neben Industrieparks Energieparks errichtet werden. Der Energiepark erzeugt grüne Energie und bietet den umliegenden Industriebetrieben grünen Wasserstoff an. Sind die Speicher voll, können die Grünstromüberschüsse sinnvoll genutzt werden und die Anlagen müssen nicht abgeschaltet werden. Das halte ich für das wahrscheinlichste Szenario für die nahe bis mittlere Zukunft. Gibt es denn Fördermöglichkeiten für die nachhaltige Erzeugung von Prozesswärme? Gosse: Im Moment gibt es attraktive Förderungen für CO 2 -senkende Maßnahmen bei der Erzeugung von Prozesswärme generell. Je nach Betriebsgröße sind das 30 bis 40 % Investitionskostenzuschuss. Diese Förderung bezieht sich bei Prozesswärme aktuell auf die errechneten eingesparten Tonnen CO 2 pro Jahr, je nach Unternehmensgröße sind es 500 bis 700 Euro/t. Gedeckelt ist das Ganze auf die schon erwähnten 30 bis 40 %. Wird hierfür Wasserstoff genutzt, vermute ich, dass ein Nachweis erfolgen muss, wie er produziert wurde. Wer sich heute beispielsweise eine Elektroladesäule von der KfW fördern lassen möchte, muss ebenfalls nachweisen, dass er über eine eigene Photovoltaikanlage oder einen Grünstromvertrag verfügt. www.prozesstechnik-online.de Suchwort: Bosch Industriekessel DAS INTERVIEW FÜHRTE FÜR SIE: CLAUDIA BÄR Redakteurin dei 07-08-2021 15

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