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Grenzenlos Winter 2020

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40 / SAGEN &

40 / SAGEN & BRAUCHTUMFresko aneinem Haus inBad Kohlgrubmit einemVenediger.Sagenhafte GestaltenDie „Untersberger Mandl“ sind untrennbar mit der Fosenacht imWerdenfelser Land verbunden. Die kleinwüchsigen Figuren habenein historisches Vorbild – und das hat mit dem Bergbau zu tun.Um gleich Missverständnissenvorzubeugen: Es gibt zwei Artenvon „Mandl“, auf die man in derGegend um Garmisch-Partenkirchentreffen kann. Die einen heißen„Venediger Mandl“, ein Name, dersich auf die Herkunft kleinwüchsigerMenschen aus Venetien bezieht.Sie haben vor ein paar Hundertenvon Jahren die Alpenwelt des Karwendelerkundet, ob sich dort unter der Erde wertvolleMetalle finden lassen.„Alles, was wir heute wissen, deutetdarauf hin, dass sie mit einem hervorragendenWissen zu Geologie undBotanik ausgestattet waren“, erklärtChristian Ruf. Der Vorsitzende desVolkstrachtenvereins Garmisch beschäftigtsich aus unterschiedlichen Gründenausgiebig mit der Geschichte seiner Heimat.Die Mandl, so sagt er, gehören seit Generationendazu: „Es gibt eine ganze Reihevon Sagen und Legenden, in denen sie Menschenzu verborgenen Schätzen geführt habenund dann plötzlich wieder verschwundensind – wie es eben in Märchen häufigvorkommt.“

41Die beiden alten Larven der„Untersberger Mandln“ im Museum.Peter Schwarz kann das nicht nur bestätigen,der erfahrene Heimatforscher berichtet:„Das waren keine Sklaven, die in denBergwerken gehalten wurden, das warenhoch angesehene Leute in ihrer Heimat undbei uns.“ Ihre genauen Kenntnisse über Bodenschätzenutzten sie zum Beispiel, um dieheimische Glasindustrie mit Färbemittelnzu versorgen. Wegen ihres geheimnisvollenAussehens und ihrer Sprache wurden siebald zur Quelle für Mythen und Märchen.„Man kann das durchaus als ein frühes Beispielfür kulturellen Austausch und Wandelsehen“, meint Schwarz. Er verweist auf einHaus in Kohlgrub, dessen Fassade verschiedeneFacetten aus dem Leben und der Arbeitder Mandl zeigt. „Das ist sehr anschaulichdargestellt.“Zweierlei Mandl betreiben BergbauWährend sich die originalen Vorbilderirgendwann wieder aus dem WerdenfelserLand verabschiedeten, kamen baldNachzügler aus einer anderen bayerischenRegion mit Bergbautradition, dem Landzwischen Chiemsee und Salzburg. Ihrer Herkunftnach wurden sie nach dem mystischenOrt dort „Untersberger Mandl“ genannt. Diesind bis heute geblieben, auch wenn es keinenBergbau mehr gibt rund um Garmisch-Partenkirchen. Die Mandl knüpfen an diezauberhaften Märchen an und sind eine dertraditionsreichsten Figuren in der Fosenacht(Fastnacht) und zählen dort zu den beliebtesten„Maschkera“ (Masken).Traditionelle Figuren on TourGemeinsam mit den Mandln sind nocheinige weitere Figuren unterwegs, die inder narrischen Zeit das Ortsbild prägen. Die„Mühlradl“ zum Beispiel: Ein „Gespann“ aussieben oder acht Paaren von Maskenträgernzieht dabei in rhythmischem Laufschritteinen Baumstamm, die „Blochn“ durch dieStraßen. Darauf ist, parallel zum Boden, einsich drehendes Wagenrad angebracht, aufdem sich zwei weitere Maschkera in wilderDrehung zu halten versuchen. Alle tragendabei die altehrwürdigen Arbeitshosen ausblau gefärbtem Leinen – dem Vorbild fürdie späteren Jeans – sowie lange weißeRiegelhemden, das „Pfoad“. So uniform dasGewand, so verschieden die Masken, diemit weißen Tüchern am Kopf befestigt sind,und so lebhaft und munter das Gebaren desTrupps.Wie es auch für die „Jacklschutzer“ gilt,eine Fünfergruppe, von denen vier eine„Blochn“ tragen, in die eine Stoffpuppe eingepacktist. Im Takt, den der fünfte als Vorsängerangibt, schleudern sie die Puppe solange, bis sie durch die Luft fliegt. Gemeintist damit der Winter, der endlich verschwindensoll. Das echte Vorbild waren wanderndeSchmiedegesellen, die ihren „Jackl“,den Vorschlaghammer, gut eingepackt mitsich trugen und immer für eine Gaudi zuhaben waren.Lebendiges BrauchtumSehenswert sind die Träger vom „Flecklesgwand“,das aus bunten Stofffetzenzusammengenäht ist. In der Oper siehtman manchmal den Papageno so angezogen.Hanswurscht und Münchner Kindlzählen ebenfalls zu den häufig sichtbarenMaschkera – wobei das Wort sowohl dieVerkleidung als auch ihre Träger bezeichnet.In vergangenen Zeiten haben die Einheimischenoft auch zu abgelegtem oder aufgetragenemTrachtengewand gegriffen, umsich zum Beispiel als Wilderer zu verkleiden,berichtet Christian Ruf. Larven waren dabeinicht immer nötig, aber wer eine besitzt,der setzt sie auch auf. „Hinter jeder Larvesteckt nicht nur ein Gesicht, sondern aucheine Geschichte“, so der Trachtenvereinsvorsitzende,„das ist lebendiges Brauchtum.“Besucher, die Einblicke in die Bräuche zurFaschingszeit gewinnen sollen, tun gut daran,etwas Geduld mitzubringen. „Das gehtbei uns nicht genau nach dem Kalenderund der Tischuhr. Wie die narrische Zeit ansich ist das aus der Tradition heraus allesunkoordinierte Rebellion“, merkt Ruf an.„Aus Gewohnheit haben wir alle den Ablaufungefähr im Gefühl. Aber oft folgen wirauch dem Impuls und der Eingebung.“ Damitverhält es sich also so ähnlich wie mit derrichtigen Schreibweise von „Fosenacht“: „Dahaben schon viele darüber gerätselt, aber esgibt keine einheitliche Regelung. Nur eins istklar: Fasenacht heißt es bei uns nicht.“Ulrich PfaffenbergerEnglish SummaryThe “Untersberger Mandl” are inseparablyassociated with the carnivaltradition in the Werdenfelser Land.These small figures have historicalmodels. One is the “VenedigerMandl”, whose name refers to small,hobgoblin-like people from Venice,who centuries ago scoured the alpineworld of the Karwendel for valuablemetals to use as colorants forthe glass industry. There are manylegends in which they revealedhidden treasures and then suddenlydisappeared again. While these“Mandl” eventually left the area, theywere soon followed by the “UntersbergerMandl” – miners from the areabetween the Chiemsee lake and Salzburg.Today they are among the mostpopular traditional masks during carnival,when they are joined by manyother characters. The “Mühlradl”, forexample – groups of mask wearerswho pull a tree trunk through thestreets. On this trunk, parallel withthe ground, is a rotating wagonwheel which two mask-wearers try tohold on to as they spin around. Or the“Jacklschutzer”, who hurl a rag dollthrough the air to chase away thewinter. Also worth looking out for isthe “Flecklesgwand” mask, sewn togetherfrom colorful scraps of fabric.But you may need to be patient: thecarnival customs here do not followa strict calendar; instead, they followthe carnival watchword of wild rebellion.Everybody knows what’s goingon, but many still often simply followtheir intuition.

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