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KEM Konstruktion 10.2019

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TRENDS 5G CMM EXPO

TRENDS 5G CMM EXPO H-Aero verknüpft Ballon, Flugzeug und Helikopter Das beste aus drei Welten Die Drohnen von H-Aero nutzen das Leichter-als-Luft-Prinzip neben Motoren. Dadurch ergeben sich einige Vorteile gegenüber den bekannten Konzepten. Wir haben mit dem Erfinder über konstruktive Herausforderungen und darüber gesprochen, was seine Firma von Zulieferern erwartet. Interview: Tobias Meyer, freier Mitarbeiter der KEM Konstruktion Über Menschenmengen zu fliegen ist nur für wenige Systeme erlaubt bei einem Absturz den Fall bremst. Daher ist unser Gerät auch eines der ganz wenigen, die mit offiziellem UAV-Dach Gutachten nach RPAS-SORA über Menschenmengen fliegen dürfen. Bild: Hybrid-Airplane Technologies KEM Konstruktion: Was bringt ihr Konzept konkret an Vorteil? Csaba Singer (H-Aero): Wir sind sehr energieeffizient unterwegs, da wir die Motoren hauptsächlich zum manövrieren benötigen, den Auftrieb übernimmt der Ballon. So lässt sich die Abflugmasse auch selbst bestimmen. Wenn die Trockenmasse also beispielsweise 2,7 kg beträgt, können wir das durch eine entsprechende Heliumfüllung auf null Gramm austarieren. So können wir ohne Energieaufwand sehr lang in der Luft stehen. Wenn wir die beiden Propeller waagerecht ausrichten, können wir zudem vorwärts und rückwärts fliegen und dabei sogar Auftrieb generieren, da der Ballon linsenförmig aufgebaut ist und so wie eine Tragfläche wirkt. So können wir auch Nachteile des Zeppelins eliminieren, der ja nur vorwärts um die Kurve fliegen kann, wir dagegen können auf der Stelle drehen. Außerdem sind wir weniger anfällig für Seitenwinde. Für den Helikopter-Modus können wir die Propeller im Flug um 270 Grad schwenken und so auch senkrecht starten und landen. Als wir die Förderung des Exist-Programms beantragt haben, wurde daher anerkannt, dass es sich bei H-Aero um ein neuartiges Fluggerät handelt, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat. KEM Konstruktion: Wie ist das Gerät aufgebaut? Singer: Die Nutzlast hängt bei uns immer zentral und unterhalb des Äquators, wodurch wir keine besondere ausgleichende Versteifung benötigen, ein Zeppelin dagegen braucht so etwas. Unser Ballonelement besteht aus zwei Hüllen: Die innere Gaszelle und die reisfeste Außenhaut, sie behält aber durch eine interne Struktur ebenfalls ihre Form. Gleichzeitig fungiert sie auch als Fallschirm, da sie KEM Konstruktion: Sie haben im Produkt einen großen Materialmix, andere müssen nur einen Rahmen bauen und dann die Elektronik in den Griff bekommen. War das schwierig? Singer: Viele unserer Werkstoffe kommen aus dem Extremsport. Vor 15 bis 20 Jahren wäre es nicht möglich gewesen, unsere Geräte so klein zu bauen. Die Materialien sind leichter und strapazierfähiger geworden. Unsere Außenhülle aus speziellem Nylon kommt aus dem Segelsport. Die Gaszelle besteht aus einer sehr dünnen, zweischichtigen Folie und verliert lediglich drei bis vier Prozent Helium pro Monat, was wirklich sehr dicht ist. Auch die Carbon-Technik und der 3D-Druck helfen uns natürlich enorm. So können wir schnell etwas ändern, durch eine interne Wabenstruktur aber auch sehr leicht und trotzdem steif konstruieren. Teilweise versenden wir auch keine Ersatzteile mehr, sondern lediglich die Druckdatei, da das schneller als ein Paket um den Globus geht und auch klimafreundlicher ist. KEM Konstruktion: Was wünschen Sie sich von Zulieferern? Singer: Unser Fokus ist das Fluggerät, daher können wir nicht auch noch Arbeit in die Nutzlasten stecken. Unsere Kunden kommen aber häufig mit einem konkreten Einsatzzweck zu uns, den sie als Paket in Auftrag geben möchten und sich später eben nicht selbst um die Verbindung von Nutzlast und Fluggerät kümmern wollen. Wir übernehmen daher die Adaption an unsere Geräte, bauen also auch mal das Gehäuse für eine Wärmebildsensorik. Alles andere muss aber fertig kommen, sprich der Zulieferer muss ein funktionsfähiges Paket aus beispielsweise Kamera, 3-Achs-Gimbal und Datenübertragung bieten können, das wir nur noch anbauen müssen. KEM Konstruktion: Unter welchen Umständen fertigen Sie auch individuell? 32 K|E|M Konstruktion 10 2019

Bild: Hybrid-Airplane Technologies „Unser Fokus ist das Fluggerät, daher können wir nicht auch noch Arbeit in die Nutzlast stecken. Die muss daher fertig in einem funktionsfähigen Paket kommen, das wir nur noch anbauen müssen.“ Dr.-Ing. Csaba Singer, Gründer von Hybrid-Airplane Technologies GmbH Singer: Es gibt prinzipiell zwei Kriterien: Der Kunde muss den Entwicklungsmehraufwand bezahlen und wir müssen sehen, dass das neue Gerät auch sinnvoll unser Portfolio ergänzt, sprich auch andere Kunden interessieren könnte. Wir können natürlich auch völlige Exoten als Einzellösungen konstruieren, dann muss der Käufer aber bereit sein, das finanziell voll zu übernehmen. KEM Konstruktion: Andersherum gefragt, sind kleinere Änderungen an den Standardmodellen möglich? Singer: Ja, prinzipiell bieten wir unterschiedlich starke Motoren an, zudem kann die Hülle in diversen Farben gefertigt und auch bedruckt oder beklebt werden. Denn unsere Geräte eignen sich sehr gut als Werbeträger: relativ große Flächen, die sich in der leisen Bewegung auch gut erfassen lassen. Dazu vermitteln wir ein positives Image, da viele Leute das Gerät fasziniert länger beobachten. Andere Drohnen werden von Passanten ja inzwischen eher kritisch betrachtet. Die Werbung kann den Betrieb amortisieren. Durch unsere Größe sind wir weit und gut sichtbar, was auch für den Piloten vorteilhaft ist, er ist ja verpflichtet, ständig Sichtkontakt mit dem Gerät zu halten. Das geht bei uns auch noch auf mehrere hundert Meter. KEM Konstruktion: Aktuell brauchen sie noch einen Piloten, wie sieht es mit autonomen Flügen aus? Singer: Wir haben bereits einen Computer an Bord, der autonome Manöver fliegen kann. Dafür haben wir GPS und Ultraschallsensoren verbaut, die uns auch den Indoor-Einsatz erlauben, ein Gebiet, das aktuell immer stärker bei uns nachgefragt wird. Draußen sind wir im Vergleich zu anderen etwas anfälliger für Wind und Wetter, aber drinnen spielen wir unsere Vorteile noch besser aus. Dort sind die anderen nämlich sehr viel anfälliger was Kollisionen angeht. Auch zur Inspektion von Tunnelbaustellen kann die Drohne eingesetzt werden ein Modell, das weltweit über das Internet angesteuert werden kann. Da unsere Struktur sehr nachgiebig ist, macht auch eine Latenz von 200 Millisekunden nicht gleich große Probleme. Zudem können wir auch nur reine Flug- und Telemetriedaten übermitteln und daher auch über ein langsames Edge-Netz einzelne Wegpunkte angeben, die über die schon erwähnten autonomen Funktionen Höhe und Ausrichtung dann einzeln angeflogen werden können. KEM Konstruktion: Ist das für Inspektionsflüge interessant? Singer: Bei kürzeren, etwa einstündigen Aufträgen wird der Nutzer dafür weiter bei Multikoptern bleiben und dafür dann eben zwei mal den Akku wechseln. Wir aber können riesige Flächen über lange Zeit beobachten, etwa Tierbestandszählungen in afrikanischen Nationalparks oder zur Datenerhebung über tausende Hektar großen Waldflächen. Dabei können wir den eigentlich störenden Wind für uns nutzen: Haben wir beispielsweise 40 km/h Nordwind, suchen wir einen passenden Startplatz, lassen uns mit 40 km/h Richtung Süden treiben und brauchen die eigene Energie nur für die Seitwärtsbewegung, um einen Zick-Zack-Kurs zu erzeugen und können so die komplette Fläche erfassen. Dabei können wir wie beim Segeln bis zu 90 Grad zum Wind kreuzen. Den Rückflug – eventuell über mehrere Kilometer – brauchen wir ebenfalls nicht, wir landen das Gerät am Ziel im Süden, wo bereits ein zweites Team wartet. Ebenso sind dafür natürlich Schwärme denkbar, um noch größere Flächen abzu - decken. KEM Konstruktion: Wenn Sie etwas in die Zukunft schauen, wo könnte die Reise hingehen? Singer: Wir haben auch bemannte Flüge bereits durchgerechnet: Der Ballon mäße dann 22 Meter im Durchmesser, verfügt aber über eine Kabine mit Bett, Kühlschrank und Toilette. Elektrizität gäbe es über Solarzellen. Die Simulation ergab einen c w -Wert, der annähernd so gut wie der eines Wassertropfens ist. Wir könnten damit mit wenigen kW bis zu 170 km/h schnell fliegen – und das leise und komfortabel. Wir vergleichen das gerne mit einer fliegenden Yacht. www.h-aero.com Bild: Hybrid-Airplane Technologies KEM Konstruktion: Wo gibt es da Anwendungsfälle? Singer: Beispielsweise in der digitalen Dokumentation von historischen Gebäuden per Lidar oder Fotogrammetrie. In Italien sucht der Staat etwa nach Lösungen, um Kirchen in Erdbebengebieten genau zu dokumentieren, falls mal etwas zerstört wird. Aber auch bei Großveranstaltungen sind wir immer stärker gefragt, da wir sehr leise sind und so auch Audio-Aufnahmen realisieren können, bei Multikoptern ist das nicht möglich. Dabei können wir etwa die aufwändig zu installierenden Seilkameras ersetzen. Höhe und Ausrichtung kann das Gerät autonom halten. Im Labor haben wir zudem schon Csaba Singer studierte Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart, wo er 2004 die Berechnung und das Konzept für die jetzigen Geräte entwickelte und daraus dann die Firma Hybrid-Airplanes Technologies GmbH gründete. Am Ende seiner Doktorarbeit wurde er 2012 zur NASA eingeladen, um dort im Zuge einer Ausschreibung für die Lufterkundung der Marsoberfläche sein Konzept vorzustellen. Mehr zur Drohne im Video: hier.pro/vAe6g K|E|M Konstruktion 10 2019 33

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