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LERNEN MIT ZUKUNFT MÄRZ 2022

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information & gesellschaft Zur Lösung von Konflikten: Paradoxe Intervention WAHRER FRIEDEN KANN NUR DURCH GEISTIGEN FRIEDEN ERREICHT WERDEN (Dalai Lama) ˇ Patrick Rusch, MA Familienvater, Angestellter Milizoffizier aD der Schweizer Armee Lebt in Wien So schnell kann es gehen… 1945 und in den Jahren danach konnte sich niemand/kaum mehr jemand vorstellen, dass es in Europa je wieder Krieg geben könnte. Die Verheerungen des letzten grossen Krieges auf dem Boden Europas, der dazu noch weitere Weltgegenden in Nordafrika und Asien in Mitleidenschaft gezogen hatte, waren zu eindrücklich gewesen. Komplett zerstörte, im wahrsten Sinn des Wortes «gegroundete» Städte, Millionen Vertriebene, Getötete, Versehrte. Es schien, das wäre den Menschen in Europa, den USA und Russland eine nachhaltige Lehre gewesen, dass sich so etwas nie wieder ereignen dürfe. Seit dem 22. Februar 2022 ist erneut Krieg in Europa. In der Nacht auf diesen Tag marschierten Soldaten der Russischen Föderation, angeblich zum Zwecke friedenserhaltender Operationen, in den östlichen Gebieten der Ukraine ein. Mit dem Ziel, um im Neusprech von Herrn Putin zu bleiben, «die Ukraine zu entnazifizieren», rückten die russischen Truppen alsdann weiter in westliche Räume der Ukraine vor. In Widerspruch zu ihrer angeblichen Friedensmission nutzten sie dafür schweres Gerät und starken Beschuss, also offensichtlich Gewalt. Was will man? Im Jahr 2022 heiligt der Zweck, der Kampf gegen den Nationalsozialismus, offenbar alle Mittel. Egal wo er geführt wird, egal mit welchem wirklichen Motiv. Am Meisten erstaunt, wie belanglos die Versuche von Einflussnahmen der Europäischen Union, schätzimativ doch die wichtigste Wirtschaftsmacht auf dem europäischen Kontinent und ein ganz wichtiger Abnehmer russischer Exporte, im Vorfeld des Einmarschs der Russischen Föderation in die Ukraine konzipiert und strukturiert waren und – vielleicht deshalb – ebenso trivial vom Herrscher im Kreml wahrgenommen und beantwortet wurden. Tatsächlich ließ er verlauten, seine Verhandlungspartner in Sachen Ukraine sehe er in den USA, nicht in der EU. Das spricht doch eine deutliche Sprache über die Wichtigkeit der EU in der globalen Politik. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Stellt sich spätestens an diesem Punkt die Frage, was hat das mit Lernen mit Zukunft zu tun? It’s the communication, dear reader, lautet die Antwort. Wenn, frei nach Carl von Clausewitz, Krieg die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln ist, dann ist die Politik vor einem Kriegsausbruch evidenterweise fortlaufende, manchmal intensivere, manchmal informellere Kommunikation. Mit Worten, mit Gesten, mit friedlichen, jedenfalls unblutigen Maßnahmen wird zwischen den Foto: © Clker-Free-Vector-images | pixabay.com 26 | MÄRZ 2022

Interessengruppen – links, rechts, reich, arm, dienstgebend, dienstnehmend, Impfbefürworter, Impfskeptiker, für schnelle Maßnahmen gegen den Klimawandel, für überlegtes Handeln gegen den Klimawandel, Ost, West uvam – dauernd diskutiert, verhandelt, evaluiert, welche Lösung für konkrete Herausforderungen in der Gesellschaft die richtigen seien. In einer Demokratie müssen besagte Lösungen schließlich mehrheitstauglich sein. Wer an einem gewissen Punkt erkennt, dass er seine Lösung, mit der er seine Ziele zu erreichen gedenkt, nicht auf friedlichem, jedenfalls unblutigem Weg erreichen wird, wird versucht sein, sie mit Waffengewalt durchzusetzen. Hier kommt wieder Herr von Clausewitz in Aktion. Wie verhält man sich richtig, wenn Einer, der in den politischen Prozess Involvierten glaubt, nurmehr mit Waffengewalt seine Position durchdrücken zu können? Angebracht scheint, zu erkennen, dass der, der zu Gewalt als Mittel der Wahl greift, sich verrannt hat. «Normal», oder besser gesagt «zivilisiert», kann man mit ihm aller Voraussicht nach in diesem Stadium nicht mehr kommunizieren. Er sieht seinen Standpunkt, den will er erreichen. Komme, was wolle, koste es, was es wolle. Sanktionen, Aufrufe, Demonstrationen sind in dieser Situation nette Versuche der normalen, zivilisierten Kommunikationen. Für den Urheber der Gewalt erfolgen sie zu logisch, sind sie zu vorhersehbar. Er weiss exakt, wie er darauf reagieren muss. Womit der Initiator von Gewalt in der Regel nicht rechnet, ist, dass sein Konterpart seinerseits unlogisch kommuniziert. In der Psychologie ist ein solches Vorgehen als paradoxe Intervention bekannt. Wer sich unlogisch verhält, wird mit einer unlogischen Reaktion konfrontiert. Die Erwartungshaltung dahinter ist, dass der, der sich unlogisch verhält, sich aufgrund der unlogischen Reaktion seines Gegenübers neu orientieren muss, sich und sein Verhalten überdenkt und selbst zu einer adäquaten Lösung der Konfliktsituation, die er mit seinem Verhalten geschaffen hat, findet. Die normale, zivilisierte Kommunikation, die vorab die USA und die EU gegen Russland zelebrieren, hat eine gute Tradition. Angesichts der Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine erweist sie sich Ende Februar 2022 als wenig wirkungsvoll. Da wäre es vielleicht klug, statt mehr vom immer Gleichen zu tun, neue Wege für die Lösung von Konflikten zu erdenken und zu gehen. Wie eine paradoxe Intervention gegen die Russische Föderation aussehen könnte? Der Einmarsch österreichischer Truppen in der Slowakei, um die Slowakei bei der Sicherung der eigenen Infrastruktur zu unterstützen? Die Invasion Schweizer Truppen in Liechtenstein, wonach die Schweiz dem Fürsten von Liechtenstein die Königswürde antragen würde, damit man als deutlich größeres Staatsgebiet sich besser gegen fremde Anmaßungen schützen könnte? Eine Entsendung deutscher Friedenstruppen nach Aserbeidschan, um den Aufbau der dortigen Zivilgesellschaft tatkräftig zu begleiten? Die Denkerinnen, Denker und Thinktanks in und um Washington D.C. und Brüssel entwickeln vermutlich bessere Ideen für eine paradoxe Intervention in Richtung Russische Föderation. Wenn hernach die Hohen Repräsentanten der USA und der EU die Maßnahme umsichtig und konsequent implementieren, steht einer adäquaten Lösung des Ukraine-Konflikts wohl nichts mehr im Wege. P.S. Dürfte auch paradoxe Kommunikation die richtige Antwort an die Russische Föderation auf strategischer Ebene sein, ist gleichzeitig doch eines dringend geboten. Gegenüber den Opfern der russischen Aggression in der Ukraine müssen unsere Botschaften logisch bleiben. Der Einmarsch von Truppen der Russischen Föderation stellt einen aggressiven Akt dar und kann auf keinen Fall akzeptiert werden. Unsere Solidarität gilt dem ukrainischen Volk, das den Invasoren furchtlos und mutig Widerstand leistet. So lange wie irgend möglich. 27 | MÄRZ 2022