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2010-3 REISE und PREISE

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REISERECHT Muss ich im Urlaub per Handy erreichbar sein? Darf der Chef mich aus den Ferien zurückholen? Habe ich Weihnachten und Silvester automatisch frei? REISE &PREISE klärt über die größten Urlaubsirrtümer auf und sagt, woran Mitarbeiter und Chefs sich halten müssen. VON INA REINSCH Wie viele Tage Urlaub stehen mir zu? Diese Frage klärt ein Blick in den Arbeitsvertrag. Möglicherweise bestimmen auch ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung die Zahl der Urlaubstage. »Ist dort nichts geregelt, gilt als Minimum das Bundes ur - laubsgesetz (BUrlG). Dort sind für eine 5- Tage-Woche 20 Tage pro Jahr vorgesehen«, erklärt Michael Felser, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Brühl. Wer sich nicht sicher ist, sollte auf jeden Fall nachfragen. In der Praxis dürfte sich der Urlaubsanspruch deutscher Arbeitnehmer auf 28 bis 32 Tage belaufen. Ich bin erst seit drei Monaten im Betrieb – bekomme ich schon Urlaub? Anspruch auf den vollen Jahresurlaub hat ein Mitarbeiter erst, wenn er mindestens sechs Monate im Betrieb ist. Vor Ablauf der Wartezeit hat er Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat. Allerdings kann im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass während der Probezeit kein Urlaub genommen werden darf. Kann ich selbst bestimmen, wann ich Urlaub nehme? Nein. Über den Urlaubsantrag entscheidet der Arbeitgeber. Allerdings muss er die Ur laubswünsche der Arbeitnehmer angemessen be - rücksichtigen. Wer vor der Genehmigung be - reits Urlaub bucht, tut das auf eigenes Risiko. Kann mein Chef den Urlaub ablehnen? »Der Chef darf einen Urlaubsantrag nur ablehnen, wenn dem Urlaubswunsch im Einzelfall wichtige betriebliche Interessen entgegenstehen«, erklärt Christian Götz, Rechtsexperte bei der Gewerkschaft Verdi. »Das kann ausnahmsweise der Fall sein, wenn in diese Zeit der Jahreshauptauftrag eines Betriebes fällt. Großes Arbeitsaufkommen allein ge nügt aber nicht«. Wollen verschiedene Mitarbeiter zur gleichen Zeit in den Urlaub, muss der Chef nach sozialen Gesichtspunkten entscheiden. Dazu zählen etwa schulpflichtige Kinder, berufstätige Ehepartner oder die Verteilung des Urlaubs in den vergangenen Jahren. Darf ich mich selbst beurlauben? Nein. Das kann zu einer fristlosen Kündigung führen. Weigert sich der Arbeitgeber, den Urlaub zu genehmigen, kann der Arbeitnehmer aber beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung beantragen und den Urlaubsanspruch gerichtlich durchsetzen. Darf der Chef den bereits genehmigten Urlaub einfach streichen oder mich aus dem Urlaub zurück holen? »Nein«, sagt Verdi-Rechtsexperte Götz, »Urlaub ist ganz hoch angesiedelt und darf nicht einfach gestrichen oder gar abgebrochen werden.« Damit das zulässig ist, müsste schon die Existenz des Betriebes auf dem Spiel stehen, etwa wegen eines Brandes oder eines Hochwassers. Der Arbeitgeber müsste dann aber alle Kosten tragen, so Götz. Auch eine Rückrufvereinbarung hält der Experte für unzulässig. Habe ich Weihnachten und Silvester automatisch frei? Nein. Der 24. Dezember und der 31. Dezember gelten als normale Arbeitstage. Wer frei haben möchte, muss Urlaub nehmen, und zwar einen ganzen Tag. Nur Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können etwas anderes regeln. Hat der Betrieb allerdings schon seit mehreren Jahren an diesen Tagen ab Mittag geschlossen, so hat der Arbeitgeber eine betriebliche Übung geschaffen, an die er sich halten muss. Kann ich Urlaub ins nächste Kalenderjahr übertragen? Das geht nur, wenn es aus betrieblichen oder aus persönlichen Gründen des Mitarbeiters erforderlich ist. Konnte der Arbeitnehmer etwa bis zum Jahresende nicht in den Urlaub gehen, weil er einen erkrankten Kollegen vertreten hat, darf er ihn übertragen. Die freien Tage müssen bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden, sonst verfallen sie. Kann ich mir nicht genommenen Urlaub ausbezahlen lassen? Nein. Urlaub muss tatsächlich genommen werden. Einzige Ausnahme: Der Urlaub kann wegen einer Kündigung nicht mehr vollständig gewährt werden. Darf ich während des Urlaubs arbeiten? Arbeit während des Urlaubs ist nicht grundsätzlich verboten. Sie darf jedoch dem Urlaubszweck nicht widersprechen und der heißt in erster Linie Erholung. So ist es etwa zulässig, einem Freund beim Hausbau zu helfen oder an einer Weiterbildung teilzunehmen. Dagegen ist es unzulässig, 14 Tage in 106 REISE & PREISE 3/2010

Vollzeit gegen Bezahlung für einen anderen zu arbeiten. Der Arbeitgeber darf den Mitarbeiter abmahnen und im Wiederholungsfall kündigen. Das Urlaubsentgelt und eventuelles Urlaubsgeld muss er aber trotzdem bezahlen. Gibt es Sonderurlaub, etwa für die Silberhochzeit der Eltern? Sonderurlaub gibt es für die Geburt eines Kindes, einen Sterbefall im engen Familienkreis, die schwere Erkrankung naher Angehöriger – und natürlich die eigene Hochzeit. Die Rechtsprechung hat hier zahlreiche Entscheidungen getroffen. So hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 1973 entschieden, dass es für die Goldene Hochzeit der Eltern Sonderurlaub gibt. Das dürfte auch für die Silberhochzeit gelten. Detaillierte Regelungen finden sich häufig in Tarifverträgen. Allerdings kann Sonderurlaub im Arbeitsvertrag auch ausgeschlossen werden – aber nur, wenn kein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung anwendbar ist. Habe ich einen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub, wenn ich umziehe? Nein. Oft gewährt aber ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung Sonderurlaub – manchmal sogar bis zu zwei Tage. Besteht keine Regelung, gilt: Zieht der Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen um, etwa weil er versetzt wird, muss der Arbeitgeber Sonderurlaub gewähren – je nach Entfernung auch mehr als einen Tag. Andere Umzüge sind hingegen reine Privatsache. Wie viel Geld bekomme ich während des Urlaubs? Das Urlaubsentgelt richtet sich nach dem Einkommen der letzten 13 Wochen, ohne Vergütungen für Überstunden und ohne Abschlag für Kurzarbeit, es entspricht damit dem fixen Monatslohn. Es ist nicht zu verwechseln mit dem Urlaubsgeld. Dieses kann vom Arbeitgeber zusätzlich – und damit freiwillig – gezahlt werden. Allerdings kann in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder dem Arbeitsvertrag Urlaubsgeld vorgesehen sein und auch durch eine betriebliche Übung kann ein Anspruch entstehen. Muss ich mein Handy mitnehmen, um für Problemfälle jederzeit erreichbar zu sein? Nein. »Urlaub ist Urlaub und dient der Erholung, der Arbeitnehmer muss in dieser Zeit nicht erreichbar sein«, weiß Arbeitsrechtsexperte Felser. Urlaub für die Weltreise Ferien kann man nie genug haben. Aber darf‘s auch mal etwas mehr sein, z. B. für eine mehrmonatige Entdeckertour? Mitarbeiter haben im Schnitt etwa sechs Wochen Urlaub pro Jahr. Möglich ist es, etwa von Mitte November bis Silvester sechs Wochen Urlaub aus dem aktuellen Jahr zu nehmen und ab 1. Januar bereits den gesamten Jahresurlaub des neuen Jahres – also insgesamt 12 Wochen. Was nicht geht: Ab Mai für 12 Wochen verschwinden, denn der Urlaub aus dem Vorjahr verfällt am 31. März. Wer gerne noch länger reisen möchte, sollte mit seinem Chef über unbezahlten Urlaub sprechen. Auch Arbeitszeitkonten können dazu genutzt werden, an den Jahresurlaub noch Tage anzuhängen. Für eine geplante Weltreise lässt sich vielleicht ein Arbeitszeitmodell vereinbaren, nach dem man ein Jahr voll arbeitet und ein Jahr reist, in beiden Jahren aber Geld für einen Halbtagsjob bekommt. Möglich ist es auch, ein klassisches Sabbatical zu nehmen. Vieles hängt hier von der Flexibilität des Arbeitgebers ab. Wer sich einen solchen Traum erfüllen möchte, sollte in jedem Fall das Gespräch suchen. So viel Urlaub haben Teilzeitkräfte Große Unsicherheit herrscht immer wieder bei der Frage: Wie viel Urlaub hat eigentlich eine Teilzeitkraft, die z. B. auf 400-Euro- Basis arbeitet? Hier muss man unterscheiden. Arbeitet sie an jedem Tag in der Woche, und sei es auch nur eine Stunde, hat sie den gleichen Urlaubsanspruch wie eine Vollzeitkraft. Der Gesetzgeber stellt bei der Berechnung des Urlaubs nur auf Arbeitstage, nicht auf Stunden ab. Etwas anderes gilt für Mitarbeiter, die z. B. nur an drei Tagen in der Woche arbeiten. Sie haben einen anteilig reduzierten Anspruch. Beträgt der Urlaub einer Vollzeitkraft bei einer Fünf-Tage- Woche beispielsweise 25 Tage, so hat die Teilzeitkraft in diesem Fall 15 Tage frei. Fotos: Holger Wulschläger/Martin Valigursky/Panthermedia.net, Archiv Interview mit Michael Felser, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Brühl bei Köln Urlaub verfällt bei langer Krankheit nicht Was passiert, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs krank wird? Felser: Wird der Arbeitnehmer im Urlaub krank, wird diese Zeit auf den Urlaub nicht angerechnet. Der Urlaubsanspruch bleibt bestehen. Allerdings muss der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen können. Diese muss er sofort, also noch aus dem Urlaub, faxen. Außerdem muss er den Urlaub wie normal geplant beenden, er darf ihn also nicht eigenmächtig um die Krankheitstage verlängern. Verfällt der Urlaub, wenn der Arbeitnehmer das ganze Jahr krank ge - schrieben war und er ihn nicht nehmen konnte? Felser: Bisher galt: Wer so lange krank war, dass er seinen Urlaub im laufenden Kalenderjahr und auch im Übertragungszeitraum bis zum 31. März nicht nehmen konnte, verlor ihn. Der Europäische Gerichtshof hat dies am 20. Januar 2009 allerdings als Verstoß gegen das Europäische Recht gewertet (Rechtssache C-350/06). Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen. Das heißt, der Urlaub verfällt nicht. Diese Neuregelung betrifft den gesetzlichen Mindesturlaub und den Zusatzurlaub schwerbehinderter Michael Felser, Fachanwalt für Arbeitsrecht Arbeitnehmer. Noch nicht ab - schließend geklärt ist, was für darüber hinausgehende Urlaubstage gilt. REISE & PREISE 3/2010 107

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