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2015-4 REISE und PREISE

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KATAR DIE REPORTAGE

KATAR DIE REPORTAGE Stark und süß muss er sein: Teetrinken gehört zu den festen Traditionen des Orients (links). Motorboot vor Apartmenthäusern auf der künstlichen Insel The Seitdem Qatar Airways zu einer der gefragtesten Airlines avancierte und die WM 2022 das Augenmerk auf den Wüstenstaat lenkt, planen immer mehr Reisende einen Stopover ein. VON CHRISTINE DE VREESE Wo GELD keine Rolle spielt 94 REISE & PREISE 4-2015

Pearl (Mitte). Katar ist weitgehend unfruchtbar – Sanddünen gibt es aber nur wenige (rechts) Noch haben die Katarer mehr als tausendundeine Nacht Zeit, viele weitere Milliarden Dollar in modulare Fußballstadien, Schienennetze der Superlative, solargekühlte Fahrradwege, Hä fen, Einkaufszentren, Flughafen, künstliche Inseln, prächtige Boulevards und in den Himmel ragende Glitzertürme zu investieren, um ihr New Doha pünktlich zum Anpfiff 2022 an die Spitze der Weltmetropolen zu katapultieren. Dass Katar solche Märchen schreiben kann, liegt zum einen am immensen Reichtum des Landes, generiert durch riesige Öl- und Gasvorkommen. Zum anderen ist es das Verdienst des reformfreudigen Staatsoberhaupts und Regierungschefs Emir Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani. 1995 entthronte er seinen Vater. Er schaffte es in weniger als zwei Dekaden, aus dem einstigen Dorf für Perlentaucher ein modernes Drehkreuz zwischen Morgen- und Abendland zu machen. 2013 dankte er zugunsten seines Sohnes Tamin bin Hamad Al Thani ab. Katarer leben in einer eigenen Welt Katar liegt am Persischen Golf, ist halb so groß wie Hessen, flusslos, flach und sandig. Regen? »Ja, fällt auch«, meint Sreesanth, Gastarbeiter aus Kerala, »dieses Jahr, ich glaube, an einem Mittwoch im April und an einem Wochenende im März – das war’s!« Sreesanth arbeitet für Qatar Airways und hat ein hübsches Büro in einem namhaften 4-Sterne-Hotel. Man könnte vermuten, er lebe mit seiner Familie in einer kleinen Mietwohnung am Stadtrand. Sreesanth aber ist Arbeitsmigrant, einer von mittlerweile 1,6 Millionen, knapp 80 % der Wohnbevölkerung Katars. Ohne sie käme das Land zum Stillstand. Über Lohn und Respekt entscheiden Nationalität und Geschlecht. Sreesanth klagt nicht. Er verdient 3.500 Rial – das sind etwa 880 Euro –, dreimal so viel wie die meisten seiner Landsleute, Pakistani und Bangladescher, die auf dem Bau arbeiten. Sreesanth teilt sein Zimmer mit lediglich vier weiteren Kollegen, zahlt dafür 500 Rial plus Nebenkosten und schafft es, knapp 2.000 Rial in seine Heimat zu schicken. Täglich kauft er Brot, fünf riesige Fladen für einen Rial, bei den Irakern im Souk. Gekocht wird zu Hause, gemeinsam, um Geld zu sparen. Katarer kennt er keine, wie auch. Sie leben in einer anderen Welt. Der Staat zahlt ihre Ge sundheitskosten, Ausbildung und Universität, Strom und Wasser sind kostenlos, die Einkommenssteuer ist gleich Null und um binationale Ehen zu vermeiden, übernimmt der Staat sogar die Mitgift. Hat ein Katari finanzielle Wünsche, spricht er im Palast vor. Verliert Sreesanth seine Arbeit, wird er nach Hause zurückgeschickt. »Madam«, so nennt mich Sreesanth trotz vieler persönlicher Gespräche. Er hält Abstand, wie es sich in dieser Zweiklassengesellschaft ge hört. Erstaunt blickt er, als ich ihn nach dem Busbahnhof frage. »Ein Taxi, Madam«, sagt er. »Nein, ich möchte Bus fahren«, erwidere ich. Ich mache mich auf den Weg, vorbei an Wäschereien, un zähligen Geschäften, die ➔ Das Museum of Islamic Art, rechts im Bild, liegt auf einer künstlichen Insel in der Westbay des Hafens von Doha REISE & PREISE 4-2015 95

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