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2020-2 REISE und PREISE

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GEORGIEN Kaukasisches

GEORGIEN Kaukasisches Postkartenmotiv: Das Bergdorf Ushguli mit seinen uralten Wehr - türmen vor dem Massiv des 5.201 Meter hohen Schchara GRÜSSE VOM BALKON EUROPAS Panoramablick von der Festung Nariqala auf Tiflis 72 REISE-PREISE.de 2-2020

Die Jumah-Moschee liegt inmitten der an historischen Zeugnissen reichen Innenstadt von Tiflis (links). Ausritt bei Ushguli am Massiv des Schchara (rechts) Fotos: Eric Nathan (2)/SAWASSAKORN MUTTAPRAPRUT/Alamy Stock Photo, Sun_Shine/Shutterstock Europa oder schon Asien? Die ehemalige Sowjetrepublik liegt zwischen den Welten und nennt sich selbst einfach »Balkon Europas«. Zwischen archaischen Bergdörfern, Badestränden und einer hippen Hauptstadt gibt es auf jeden Fall viel zu entdecken. VON ELKE HOMBURG Maisfelder, Apfelbäume, eine Handvoll Natursteinhäuser, Schweine beim Dorf spazier - gang, Hundegebell irgendwo in der Ferne, aber keine Menschenseele. Nach einer anstrengenden Tageswanderung bin ich in Zwirmi gestrandet, einem Dorf im tiefsten Swanetien, das sich zwischen dichten Wäldern und schneebedeckten Kaukasusgipfeln versteckt. Archaische Wehrtürme erzählen von einer kriegerischen Vergangenheit, die noch nicht lange zurückliegt. Noch vor ein paar Jahren war Swanetien, eine Region im Nordwesten des Großen Kaukasus, No-Go- Area für Touristen. Heute entdecken Traveller und Wanderer dieses geheimnisvolle Stück Georgien, das immer noch eine sehr eigene Welt ist. Für den Weg zurück nach Mestia, den Hauptort Ober-Svanetiens, ist es heute zu spät. Ein bisschen verloren sehe ich wohl aus. Eine junge Frau winkt und bittet mich in gebrochenem Englisch in die gute Stube. Vier Generationen leben hier unter einem Dach. Wenn Wanderer eintreffen, so wie heute ich, wird das Wohnzimmer der Familie zum Matratzenlager umfunktioniert und man teilt mit den Gästen auch das Familienessen: Fladenbrot, Tomaten, Aubergineneintopf und süße Kuchen tischt Chaida, meine Gastgeberin, auf. Ihre zweijährige Tochter und die Großmutter beäugen mich neugierig, die Männer kommen gerade erst von den Feldern heim. Sie haben die Heuernte wie ihre Vorfahren mit Heuschlitten eingebracht. Ein mühsames Leben, das durch das Geld der Touristen ein bisschen komfortabler wird. Am nächsten Tag fährt ein Teil der Großfamilie mit den Lari, die ich für Kost und Logis gezahlt habe, zum Einkaufen nach Mestia. Und ich habe eine Mitfahrgelegenheit. Yoka, Chaimas Bruder, brettert mit dem 50 Jahre alten Russenjeep in halsbrecherischem Tempo über Schlagloch-Schotterpisten und Kuhweiden ins Tal, während er nebenbei die Gangschaltung mit Klebeband fixiert. Aus dem Smartphone plärrt Kaukasus-Pop, und Yoka bekreuzigt sich vor jeder Kurve. Ob er Jesus mehr als seinen Bremsen vertraut? Ich atme auf, als wir im Tal sind. Die Familie winkt mir fröhlich nach. Mittelalterliche Orte vor schnee - bedeckten Fünftausendern Abends begrüßt mich Tamara Japaridze im »Café Laila« in fließendem Deutsch. Vier Jahre studierte sie in Dresden Verkehrstechnik. Aber die Sehnsucht nach Familie und Bergen war stärker als der Wunsch nach einem guten Job in der Großstadt. So wurde aus der Verkehrstechnikerin eine Gastronomin. Eine ziemlich erfolgreiche. Der Wein ist gut und günstig, das Essen deftig. Musiker singen sehnsüchtige Lieder, und die Stimmung ist grandios. »Der Tourismusboom hat alle überrascht. Im Winter kommen jetzt sogar Heli- Skifahrer«, erzählt die Unternehmerin. »Hoffentlich können wir unsere Kultur bewahren.« Viele Besucher kommen nach Svanetien vor allem, um Ushguli zu sehen. Der Weg ins 2.200 m hoch gelegene Dorf, das sechs Monate im Jahr im Schnee versinkt, ist eine Sackgasse. Aber eine traumhaft schöne. Vor blitzblauem Himmel zeigt der Schchara – mit 5.201 m der höchste Berg Georgiens – seine schneebedeckte Flanke. Davor türmt sich das Dorf regelrecht auf. Die UNESCO adelte den Ort mit seinen markanten Wehrtürmen und besenkammergroßen Kirchen mit mittelalterlichen Fresken vor mehr als 20 Jahren schon als Welterbe, jetzt ist der Aufschwung angekommen. Zählte man vor zwei Jahren nur zwei Gästehäuser, so gibt es heute zwanzig. Und das vielleicht kleinste Kino der Welt, in dem man einen einzigen Film zeigt: »Dede«, mit dem die swanetische Regisseurin Mariam Khatchvani ihrer Heimat ein Denkmal setzte. Die Daunenjacke gegen den Bikini tauschen Nach ein paar Tagen im Kaukasus ist es Zeit, die Daunenjacke gegen den Bikini zu tauschen. In einer Tagesreise rausche ich nach Batumi, ans Schwarze Meer. Hochhäuser sind in den letzten Jahren in den Himmel gewachsen und geben der georgischen Boomtown auf den ersten Blick zumindest ein bisschen Weltstadtflair. Vom riesigen Hafen wird Erdöl vom Kaspischen Meer, das über eine Pipeline durchs Land fließt, verschifft. Unzählige PKWs und Busse aus dem Westen, die in Georgien ein zweites oder drittes Leben erwartet, hupen sich durch die Straßen. Eine Stadt des Glücksspiels, wo die Luxushotels nicht viel kosten, weil sie von ihren Roulettetischen leben. Aber auch ein Badeort mit gemütlicher Altstadt, mediterranem Flair und graukieseligen Schwarzmeerstränden. Über den Palmenboulevard flanieren abends Familien, Freundescliquen und Liebespaare, während Chillout-Musik aus den Beachbars klingt und nach Sonnenuntergang bunte Lichter an den Hochhaustürmen zu tanzen beginnen. ➔ 2-2020 REISE-PREISE.de 73

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